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Klaus Mäkelä im Interview

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Sophie Hunger

Sophie Hunger

VON DÁVID GAJDOS

Sein Konzerthaus-Porträt beendet Klaus Mäkelä am Pult des Oslo Philharmonic mit der Aufführung sämtlicher Symphonien von Jean Sibelius. Im Interview spricht er über seine musikvermittlerischen Ideale und den Sound von Oslo Philharmonic.

Ohne Punkt und Komma rede ich, wenn …

… man mich über Sibelius befragt.

Das haben wir vor. Sie haben vor Kurzem seine gesamten Symphonien aufgenommen. Wie hat die Coronazeit die Aufnahmen beeinflusst?

Im Lockdown hatten wir richtig viel Zeit, im Frühling 2021 spielten wir nur Sibelius. Das war toll! Wir mussten zwar eineinhalb Meter Abstand halten, aber die Distanz erforderte von allen mehr solistische Verantwortung. Ein interessanter Nebeneffekt.

Der tief-dunkle Sound ist besonders in der Vierten sehr beeindruckend. Ist das eine Richtung, in die Sie den Klang des Orchesters als Chefdirigent generell entwickeln möchten?

Die Vierte ist ein sehr dunkles Werk, genau das war unsere Intention. Natürlich muss es eine Klangidentität des Orchesters geben und ich liebe den selbstbewusst-starken Sound von Oslo Philharmonic sehr. Man hört noch den Einfluss aus Mariss Jansons’ zwanzig Jahren. Aber vor allem muss ein modernes Orchester flexibel sein, verschiedene Epochen auch verschieden spielen. Zum Glück leben wir nicht mehr in Zeiten, in denen Mozart wie Richard Strauss gespielt wurde.

Bei der Vierten haben Sie ein majestätisches Tempo genommen, langsamer sogar als Karajan und Roschdestwenski. Ist das im Sinne von Sibelius?

Tempo ist bei Sibelius ein sehr spannendes Thema. Die ersten Aufnahmen aus den 1920er-Jahren von Robert Kajanus waren fürchterlich schnell! Die nächste Generation machte alles etwas langsamer und heute wird es wieder schnell. Ich finde, dass Musik immer Raum zum Atmen braucht, das ideale Tempo hängt auch stark von der Akustik des jeweiligen Konzertsaals ab. Wenn aber zum Beispiel Bartók schreibt, ein Werk solle genau 1:38 Minuten dauern, dann sollte man versuchen, das einzuhalten.

Sind Dirigent:innen berechtigt, Anweisungen von Komponist:innen zu ignorieren?

Nein, außer man hat einen sehr guten Grund dafür. Die Frage nach den Tänzen bei Mahler ist zum Beispiel spannend. Sie sind meist nicht tanzbar, darf man sie tänzerischer gestalten? Über so etwas kann man nachdenken.

Sie sind 26 und seit Jahren sehr erfolgreich. Wie genervt sind Sie von den Fragen à la: »Sie sind so jung, wie finden Sie Zugang zu Mahlers Spätwerk?«

Ich habe mich daran gewöhnt. Solange Journalist:innen und nicht Musiker:innen fragen, ist das in Ordnung.

Klaus Mäkelä

© Marco Borggreve

Fühlen Sie sich durch wirtschaftliche Aspekte in der Programmierung eingeschränkt?

Nicht sehr, als Künstlerischer Leiter hat man Freiheiten. Im besten Fall entsteht irgendwann ein Vertrauen des Publikums. Bei der Saisoneröffnung in Oslo haben wir zum Beispiel Mozarts c-moll-Messe vor der Pause und »Sustain« von Andrew Norman danach gespielt. Ich dachte, die Hälfte des Publikums würde in der Pause gehen. Etwa drei Leute gingen (lacht). Man muss das Publikum weiterbilden; ich versuche, in jedem Konzert zumindest ein »neueres« Stück zu programmieren. Selbst wenn man zum Beispiel Lutosławski spielen möchte, wovon mir alle abraten, kann man eine:n Topsolist:in verpflichten. Leif Ove Andsnes wird in Norwegen einen Konzertsaal zehn Tage in Folge füllen, was auch immer er spielt.

In Zeiten der florierenden Originalklangbewegung spielen symphonische Orchester kaum noch Barockmusik. Sie führen aber mit Oslo diese Saison Bachs h-moll-Messe auf. Fühlen Sie sich dabei besonders beobachtet?

Wie so oft bei Trends war auch die Originalklangbewegung am Anfang sehr strikt, etwas pedantisch. Mittlerweile sind die Menschen aufgeschlossener. Aber ich spiele mit einem großen Orchester nur selten Bach, es gibt so viele gute Barockensembles. Wir haben zwar keine Barockinstrumente, spielen aber in kleinerer Besetzung und mit einer möglichst barocken Rhetorik. Letztlich sollte jegliche tonale Musik nach der Grundidee des Barock gespielt werden: Spannung und Entspannung. Ein Orchester, das guten Bach spielt, wird auch einen guten Strauss spielen.

Wie schaffen Sie es, sich bei Ihrem vollen Kalender ständig wieder aufzuladen?

Ich versuche, in Proben genauso intensiv zu spielen wie im Konzert. Nur so kann man sich wirklich vorbereiten. Wenn man einem Orchester viel Energie gibt, gibt es einem auch viel zurück, man fühlt sich danach erfrischt. Das hält mich am Leben. Außerdem esse ich jede Menge Bananen … Und ich glaube, Herbert Blomstedt macht immer noch mehr Konzerte als ich (schmunzelt), er ist in vielerlei Hinsicht ein großes Vorbild.

Sie gaben im September Ihr Debüt in Wien, nicht als Dirigent, sondern als Cellist. Wie ging es Ihnen dabei?

Das war wirklich, wirklich schön! Ich habe nur gute Erinnerungen daran, auch weil ich mit so guten Freunden wie Julian Rachlin oder Javier Perianes spielen durfte. Ich freue mich schon sehr darauf, im Mai mit meinem Sibelius-Zyklus zurückzukehren!

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Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä: Dirigent

Sa, 21/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Sibelius: Symphonien Nr. 1, 6 & 7

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59313

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So, 22/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Symphonien Nr. 2 & 4

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59318

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Mo, 23/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Symphonien Nr. 3 & 5

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59321

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Mehr Interviews auf: konzertzuhaus.at

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