5 minute read

Die Wiener Symphoniker im Mai & Juni

Internationale Konzertprojekte: Drei Dirigenten der jüngeren Generation blicken mit dem Orchester auf die Musik der vorletzten Jahrhundertwende, osteuropäische Komponisten und das 21. Jahrhundert.

VON MEINHARD SAREMBA

Wenn bei den Konzerten im Juni »Frozen in time« des israelischamerikanischen Komponisten Avner Dorman erklingt, fassen die Satzbezeichnungen das Spektrum der zurückliegenden Wochen zusammen: Die Sätze des Werks heißen »Indoafrica«, »Eurasia« sowie »The Americas« und nehmen Bezug auf jene Kontinentalplatten, die bis vor 150 Millionen Jahren den Urkontinent Pangaea bildeten. Für den archaischen Percussion-Sound sorgt Martin Grubinger, der auch 2007 bei der Uraufführung in Hamburg mitwirkte. Neben dem österreichischen Virtuosen erlebt man bei den Konzerten Komponisten und Interpret:innen aus einer Vielzahl an Kulturen.

Lahav Shani

© Marco Borggreve

Jugendliche Frische für alte Meister

Lahav Shani gewann 2015 die Aufmerksamkeit der Klassikszene, als er – damals 26-jährig – kurzfristig das Dirigat der Wiener Philharmoniker bei einem Mahler-Konzert übernahm. Die Presse lobte seine »jugendlich frische und doch tiefgründige Interpretation«, »seine Stärke lag dabei in der Herausarbeitung von Details«. Mittlerweile ist er Erster Gastdirigent der Wiener Symphoniker, der jüngste Chefdirigent in der Geschichte des Rotterdams Philharmonisch Orkest und – als Nachfolger von Zubin Mehta – Leiter des Israel Philharmonic Orchestra. Bei seinem Programm mit Mahlers Symphonie Nr. 4 wirkt die israelische Sopranistin Chen Reiss mit, die zudem prädestiniert für Orchesterlieder von Richard Strauss ist: Fachleute bescheinigen ihr »eine der vollkommensten Strauss-Stimmen, die man sich erträumen kann«.

»Aufregung ist meiner Meinung nach wichtig, um die dramatische Spannung zu erhalten. Nicht Routine gehört auf die Bühne, sondern neue Entdeckungen und Entwicklungen.« (Chen Reiss)

© Paul Marc Mitchell

Verantwortung gegenüber den Komponist:innen

An der Hochschule war Andrés Orozco-Estrada in der Klasse von Uroš Lajovic, einem Swarowsky-Schüler, der noch Richard Strauss kannte. Er vermittelte ihm »die Verbindung zwischen strukturiertem Denken und Emotion«, so Orozco-Estrada. »Die ideale Balance ist für mich, wenn auch die andere Seite dazukommt, das strukturierte Denken, die fundierte Analyse und damit auch die Verantwortung gegenüber dem Komponisten.«

Andrés Orozco-Estrada

© Julia Wesely

Er hat zwar bereits mit dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich alle Brahms-Symphonien eingespielt, doch reifen Interpretationen mit jeder neuen Auseinandersetzung. »In all den Jahren habe ich ein großes Gespür dafür entwickelt, was ein Orchester, ein Publikum braucht«, sagt der Künstler. »Heute habe ich das Gefühl, dass ich an einem Punkt bin, wo ich als Musiker über eine gewisse Reife verfüge.« Mit Rudolf Buchbinder interpretiert er Brahms’ Klavierkonzerte sowie dessen 1. Symphonie.

Der Pianist hat ein Faible für akribisches Quellenstudium: Rudolf Buchbinder ist ausgewiesener Brahms-Experte.

© Marco Borggreve

Engagement für unvergessliche Momente

Der Schweizer Lorenzo Viotti, Leiter der Niederländischen Oper und der Niederländischen Philharmoniker, stellt Musik aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert vor. Mit Martin Grubinger widmet er sich der vielseitigen Musik Avner Dormans.

Martin Grubinger

Mit Yuja Wang stellt er Rachmaninoffs selten aufgeführtes 1. Klavierkonzert in der Fassung vor, die der Komponist kurz vor seiner Emigration in die USA erstellte. Yuja Wangs Vorliebe für das Œuvre Rachmaninoffs ist bekannt, sie ist aber auch in vielen weiteren Stilrichtungen zuhause, so brilliert sie beim »Konzertausklang« mit dem Ensemble des brasilianischen Jazzgitarristen Daniel Mesquita.

Yuja Wang

Lorenzo Viotti fühlt sich nach eigenem Bekunden »im Repertoire der Klassik, der Romantik und der Moderne am wohlsten«. Dabei schlägt er mit den Wiener Symphonikern nicht nur schwungvolle Töne wie bei Glinka und Schostakowitsch an, sondern setzt sich auch mit dem hintergründigen Ernst von Ravels »La valse« und Prokofjews 5. Symphonie auseinander. »Mit allen Beteiligten probe ich für unvergessliche, einmalige Momente«, sagt Viotti. »Wenn wir diese Momente nicht schaffen können, verlieren wir Musiker:innen unsere Daseinsberechtigung.«

Lorenzo Viotti

© Antoine Saito

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Mi & Fr, 04 & 06/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Reiss · Shani

Chen Reiss: Sopran, Lahav Shani: Dirigent

Werke von Alban Berg, Richard Strauss und Gustav Mahler

Karten, 04/05/22: konzerthaus.at/konzert/eventid/59277

Karten, 06/05/22: konzerthaus.at/konzert/eventid/59282

:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Mi, 11/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Buchbinder · Orozco-Estrada

Rudolf Buchbinder: Klavier, Andrés Orozco-Estrada: Dirigent

Werke von Johannes Brahms

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59297

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Do, 12/05/22, 19.30 Uhr · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Buchbinder · Orozco-Estrada

Rudolf Buchbinder: Klavier, Andrés Orozco-Estrada: Dirigent

Johannes Brahms Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-moll op. 15 Symphonie Nr. 1 c-moll op. 68

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59299

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Fr, 10/06/22, 19.00 Uhr · Großer Saal

Fridays@7: Wiener Symphoniker · Wang · Viotti

Yuja Wang: Klavier, Lorenzo Viotti: Dirigent

Werke von Rachmaninoff und Prokofjew

Konzertausklang im Großen Foyer mit Yuja Wang und Mesquita Trupe

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59332

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

Sa, 11/06/22, 19.30 · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Grubinger · Wang · Viotti

Martin Grubinger: Schlagzeug, Yuja Wang: Klavier, Lorenzo Viotti: Dirigent

Werke von Dmitri Schostakowitsch, Avner Dorman, Mikhail Glinka, Sergej Rachmaninoff und Maurice Ravel

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59335

::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::

So, 12/06/22, 11.00 Uhr · Großer Saal

Wiener Symphoniker · Grubinger · Viotti

Martin Grubinger: Schlagzeug, Barbara Rett: Präsentation, Lorenzo Viotti: Dirigent

Werke von Dmitri Schostakowitsch, Avner Dorman und Sergej Prokofjew

Karten: konzerthaus.at/konzert/eventid/59336

This article is from: