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Balletturaufführungen an der Wiener Staatsoper
vlnr.: Edeltraud Brexner, Richard Adama, Christl Zimmerl, Willy Dirtl und Lucia Bräuer in Der Mohr von Venedig
Mit 845 Vorstellungen bildet das 1888 uraufgeführte Werk die absolute Speerspitze der Ballettstatistik an der Wiener Staatsoper: Die Puppenfee mit Choreographie von Josef Hassreiter. Die Plätze zwei und drei dieser „ewigen Bestenliste“ belegen der 601 Mal gespielte Wiener Walzer in der Choreographie von Louis Frappart und das 362 Mal gezeigte Sonne und Erde, erneut mit Choreographie von Hassreiter. Alle drei waren im besten Sinne „Balletturaufführungen“ an der Wiener Staatsoper – mit anderen Worten erblickten also sowohl die Choreographie wie auch die Ballettmusik gemeinsam das Licht der Bretter, die die Welt bedeuten. Wer also zeichnete für die Musik der drei oben genannten, meistgespielten Werke verantwortlich? In allen drei Fällen Josef Bayer, womit nur allzu deutlich unterstrichen wird, welchen Wert die Musik und dabei oftmals das Wirken nur einer bestimmten kompositorischen Persönlichkeit für das Ballett hat. Leider sind die Zeiten Bayers und damit zugleich die im 19. Jahrhundert mancherorts geübte Praxis der Hauskomponisten für Ballett bereits seit langem vorbei. Die umfangreiche und ehrenvolle Reihe an „echten“ Balletturaufführungen, die zwischen 1869 und 1918 das Ballettpublikum im Haus am Ring mit Novitäten versorgte, machte nach dem Ersten Weltkrieg einer Internationalisierung Platz, die die Wiener Ballettmusik und damit zugleich die kompositorisch-choreographischen Kooperationen am Haus langsam aber sicher zum Verstummen bzw. Erliegen brachte. Nur wenige BallettdirektorInnen des Hauses stellten sich in weiterer Folge diesem Trend in den Weg; Erika Hanka leistete in dieser Hinsicht einen der historisch wichtigsten Beiträge zur Geschichte der Wiener Staatsoper. Der Mohr von Venedig wurde anlässlich der 1955 erfolgten Wiedereröffnung in ihrer Choreographie und mit Musik von Boris Blacher zum Sensationserfolg und legte damit zugleich den Grundstein für eine bemerkenswerte Entwicklung. Zwar gibt es ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Wien nur mehr wenige „echte“ Balletturaufführungen zu verzeichnen, eine nicht geringe Anzahl derselben jedoch stammt aus der kompositorischen Feder von Blacher-Schülern, deren in diesem Zusammenhang wichtigster Gottfried von Einem war. Sein Name bildet zugleich eine Brücke zwischen den Direktionszeiten von Erika Hanka und jener von Gerhard Brunner, der sich ebenfalls der kompletten Neuproduktion offen zugewandt zeigte und entsprechende Produktionen ermöglichte. Ein Kuriosum stellt eine entsprechende Bilanz der Direktionszeit Renato Zanellas dar: Zwar schuf er als Chefchoreograph eine mehr als umfangreiche Liste an Werken für das Ensemble, seine wenigen „echten“ Balletturaufführungen – mit speziell komponierter Musik – fanden jedoch alle außerhalb der Wiener Staatsoper statt und wurden (teilweise) im Anschluss dahin übernommen. Unter Manuel Legris kam es am Opernring 2 nur zu einer, so ferne man die während seiner Direktionszeit bei den Matineen der Ballettakademie im großen Haus erfolgten Balletturaufführungen nicht mitrechnet. Die zu diesem wichtigen Thema in der AGRANA STUDIOBÜHNE WALFISCHGASSE für Ende April vorgesehene Veranstaltung mit Lotte Ingrisch und Bernd R. Bienert als meinen Gästen konnte auf Grund der aktuellen Situation nicht stattfinden, doch darf ich an Stelle dessen hier an die kompositorisch-choreographische Zusammenarbeit erinnern, deren großer und beherzigenswerter Tradition wir aus verschiedensten Gründen, die im Einzelnen darzulegen den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, auch und gerade in Wien einige der großartigsten Momente unserer Kunstform verdanken.