7 minute read
Ausblick auf die Spielzeit 2020/2021
Am 26. April 2020 präsentierte der designierte
Direktor Bogdan Rošcˇi´c im Gespräch mit dem neuen Musikdirektor Philippe Jordan, dem neuen Ballettdirektor Martin Schläpfer und Peter Fässlacher die mit Spannung erwartete neue Saison. Corona-bedingt nicht wie geplant vor versammeltem Publikum, sondern von ORF III übertragen (mit überdurchschnittlich hoher Einschaltquote) auf der Bühne des Hauses vor dem leeren Zuschauerraum. Die wesentlichen Eckpunkte des vorgestellten Spielplanes sind im Folgenden noch einmal zusammengefasst. (Ausführliche Informationen finden Sie im neuen Saisonbuch siehe Bild rechts und unter www.wiener-staatsoper.at)
Erstmals seit der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper 1955 steht im kommenden Herbst nicht eine Repertoirevorstellung, sondern eine Premiere am Beginn einer neuen Spielzeit: Die poetische, mit japanischen Stilelementen arbeitende Madama Butterfly-Inszenierung des Oscar-Preisträgers Anthony Minghella startet am 7. September einen Neuproduktionenreigen, der seit der Ära Herbert von Karajans nicht mehr so dicht gewesen ist. Unter dem neuen Musikdirektor Philippe Jordan geben an diesem ersten Abend der Saison unter anderem Asmik Grigorian als Cio-Cio-San (die meisten Opernliebhaber kennen die international gefeierte junge Sopranistin seit ihrer fulminanten Salome bei den Salzburger Festspielen) und der amerikanische Tenor Freddie De Tommaso als Pinkerton ihre Hausdebüts. Bereits am nächsten Tag kehrt Franz Welser-Möst nach sechs Jahren Pause mit der Wiederaufnahme der legendären Elektra-Inszenierung Harry Kupfers zurück an die Staatsoper und am 27. September folgt schon die Wiederaufnahme der mittlerweile Kultstatus genießenden Produktion des französischen Don Carlos unter Bertrand de Billy und mit Jonas Kaufmann in der Titelpartie. Mit der Entführung aus dem Serail-Premiere in der szenischen Deutung Hans Neuenfels’ wird am 12. Oktober eine empfindliche Lücke im MozartAngebot des Hauses geschlossen und mit der
Eugen Onegin-Premiere am 25. Oktober dem Staatsopernpublikum erstmals eine Arbeit des mehrfach preisgekrönten Regisseurs Dmitri Tcherniakov vorgestellt. Durch die Erstaufführung von Henzes Verratenem Meer am 13. Dezember wird das Repertoire um ein wichtiges Werk eines zentralen Komponisten der klassischen Moderne erweitert – die musikalische Leitung liegt in den Händen von Simone Young, auf szenischer Seite debütiert das Regieteam Jossi Wieler / Sergio Morabito an der Wiener Staatsoper, an der Seite der Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock, mit der sie gemeinsam weltweit bereits über 20 Opern inszeniert haben. Unter der scheinbar realistischen Oberfläche des Geschehens ertastet ihre Aufführung paranoide Wahrnehmungsstrukturen und spürt den Gefährdungen und der Zerbrechlichkeit von Identitäten nach. Philippe Jordan, den eine große Affinität mit dem Strauss-Repertoire verbindet, leitete bereits vor einigen Jahren eine musikalische Neueinstudierung des Rosenkavaliers an der Wiener Staatsoper und dirigierte die Oper zudem in Mailand, Berlin und Paris. Als neuer Musikdirektor wird er das Werk nun im Dezember abermals musikalisch neu einstudieren und in gleich zwei Serien mit exquisiter Sängerbesetzung leiten. Rund einen Monat später wird er am 24. Jänner überdies bei der Wiederaufnahme der über viele Jahrzehnte werkprägenden Le nozze di Figaro-Inszenierung Jean-Pierre Ponnelles am Pult stehen. Beginnend mit diesem Werk wird er, gemeinsam mit einer jungen und international aufstrebenden Sängergeneration, die oft beschworene und in der Nachkriegszeit zur Blüte gelangten Idee eines weltweit ausstrahlenden Wiener Mozart-Ensembles neu aufgreifen. Nachdem Calixto Bieito als Schauspielregisseur Berühmtheit erlangt hatte, war Carmen 1999 seine erste große Opernregiearbeit. Seither hat er diese legendäre Inszenierung mehrfach überarbeitet und verfeinert und wird sie am 6. Februar an der Wiener Staatsoper neu herausbringen. In dieser Premiere wird außerdem die weltweit als Carmen gefeierte Anita Rachvelishvili (im Haus am Ring konnte sie bisher als Amneris begeistern) diese
AUSBLICK AUF DIE SPIELZEIT 2020/2021
Rolle endlich auch auf dieser Bühne verkörpern. Zu den mit großer Spannung erwarteten Hausdebütantinnen zählt ohne Zweifel auch die international höchst erfolgreiche, aus Südafrika stammende Sopranistin Pretty Yende. Nach ihrer Adina im September wird sie ab 4. März in der Titelrolle der Premierenproduktion von La traviata zu erleben sein. Regisseur Simon Stone inszeniert Violetta Valéry als todkranke Influencerin, die selbst dann in ihrer Instagram-Welt gefangen bleibt, wenn sie sich mit ihrem Geliebten auf das Land zurückzieht. Alles Private ist bei ihr öffentlich, dafür wird der öffentliche urbane Raum zu ihrem einzigen Rückzugsgebiet für Momente der Schwäche. Zum Ereignis zu werden verspricht die Parsifal-Inszenierung des Theater-, Oper-, Film- und Ballettregisseurs Kirill Serebrennikov, der in Russland eine ganze Generation junger Theaterschaffender und Theaterzuschauer geprägt hat. Am Pult dieser Neuproduktion steht einmal mehr Philippe Jordan, der Wagners zukunftweisendes Alterswerk erstmals in Wien dirigiert. In nahezu allen Partien sind Rollendebüts von in Wien wichtigen Gästen zu erleben: Ludovic Tézier als Amfortas, Georg Zeppenfeld als Gurnemanz und Wolfgang Koch als Klingsor. Elı¯na Garanˇca gibt überdies an der Seite von Jonas Kaufmann ihr weltweites Rollendebüt als Kundry. Frank Castorf hat als einer der einflussreichsten Regisseure der letzten Dekaden das Theater weltweit verändert. In seiner Faust-Interpretation, die an der Wiener Staatsoper am 23. April Premiere feiert, entfacht er ein ebenso sinnliches wie intellektuelles Assoziationsfeuerwerk: Der frühe Kolonialismus Frankreichs, seine heutigen Folgen, demokratische Illusionen und kapitalistische Vergnügungssucht treffen sich in Paris, das zum Brennglas gesamteuropäischer Entwicklungen wird. Unter Bertrand de Billy, der schon bei der letzten Faust-Premiere durch seine differenzierte Klanggestaltung beeindruckte, gibt Juan Diego Flórez sein weltweites Rollendebüt als Faust. Neben ihm geben mehrere Sänger der jüngeren Generation ihr Staatsoperndebüt: Nicole Car als Marguerite, Adam Palka als Méphistopélès und Boris Prýgl als Valentin. Als Auftakt zu einer Trilogie, in der die drei großen erhaltenen Opern Monteverdis zu erleben sein Ihr persönliches Exemplar des neuen Saisonbuchs zum Preis von € 5,-
zzgl. Versandkosten können Sie per E-Mail unter saisonbuch@wienerstaatsoper.at, per Telefon unter 01 / 51444 - 2667 bzw. 2674, direkt auf www.wiener-staatsoper.at bzw. im e-shop der Wiener Staatsoper, im Direktverkauf seit 27. April 2020, 9 Uhr, an den Bundestheaterkassen und der Kassa unter den Arkaden erwerben. Darüberhinaus wird das Buch auch im Webshop von Culturall (www.culturall.com) angeboten.
werden, kehrt am 22. Mai dessen L’incoronazione die Poppea nach vielen Jahrzehnten zurück auf die Staatsopernbühne. Seit der Karajan’schen, stark romantisierten Fassung von 1963 hat sich in der historisch informierten Aufführungspraxis viel getan –nicht zuletzt durch die Pionierarbeit von Nikolaus
Harnoncourt und seinem Concentus Musicus Wien. 68 Jahre nach seiner Gründung gibt das Ensemble unter der Leitung von Pablo Heras-Casado nun sein Hausdebüt in der Staatsoper. Regisseur ist der 2014 mit dem Goldenen Löwen der Biennale di Venezia ausgezeichnete Belgier Jan Lauwers. Um Kate Lindsey als ebenso verführerischen wie skrupellos tyrannischen Nerone versammelt sich ein erstklassiges Ensemble aus Gästen und Mitgliedern des Hauses. Am 10. Juni gelangt unter Musikdirektor Philippe Jordan schließlich noch Verdis Macbeth zur Premiere. Die Inszenierung des weltweit gefragten Regisseurs Barrie Kosky konzentriert sich ganz auf das ebenso miteinander vertraute wie ineinander verkämpfte Ehepaar Macbeth das erstmals in Wien von Luca Salsi und Anna Netrebko gegeben wird. Die groß besetzte Oper wird zum alptraumhaften Kammerspiel, bei dem bis zum Schluss unklar bleibt, was reales und was halluziniertes Geschehen ist. Eine Grenzerfahrung, passend zu Verdis radikalen Psychogrammen. Gewohnt vielschichtig gestaltet sich das umfassende Opern-Repertoire, in dem nicht nur viele neue Künstlerinnen und Künstler Hausdebüts geben, sondern auch zahlreiche Wiener und internationale Publikumslieblinge zu erleben sein werden.
Das Angebot für das junge Publikum umfasst neben der traditionellen Zauberflöte für Kinder am Tag nach dem Opernball eine kindgerechte, unterhaltsame und farbenfrohe Fassung von Rossinis Barbier von Sevilla im Großen Haus (ab 15. Jänner) und die von der Theatermacherin Nina Blum für die Wiener Staatsoper konzipierte Wanderoper Entführung ins Zauberreich, die Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren im Zuge einer musikalischen Abenteuerreise durch das Gebäude Lust auf Oper machen möchte.
Aus der Fülle der den Spielplan begleitenden Programmformaten soll an dieser Stelle die neue Reihe Regieporträts hervorgehoben werden: An zehn Terminen werden dem Publikum im Umfeld der Opern-Premieren die jeweiligen Regisseure, deren Entwicklung, ihr künstlerisches Denk- und Selbstverständnis, ihre Zielsetzungen und bisherigen Arbeiten vorgestellt.
Für seine erste Spielzeit mit dem Wiener Staatsballett hat der neue Direktor und Chefchoreograph Martin Schläpfer einen vielfältigen Spielplan aufgestellt, der die großen Ballett-Traditionen der Compagnie – Produktionen wie Giselle und Schwanensee – mit Meisterwerken des 20. und 21. Jahrhunderts sowie eigenen Kreationen vereint. Die erste Staatsopern-Premiere Mahler, live stellt am 24. November Hans van Manens intimem Videoballett Live zu Klaviermusik von Liszt mit Martin Schläpfers 4 ein neues Werk für das gesamte Ensemble gegenüber. Musikalische Basis dieser Uraufführung ist Mahlers 4. Symphonie. Die faszinierende Bandbreite der amerikanischen Neoklassik George Balanchines und Jerome Robbins’ entfaltet ab dem 23. Mai die Neueinstudierung A Suite of Dances: von urbaner Coolness, über intime Dialoge zwischen Tanz und Musik bis zu hinreißender Komik. Zum Abschluss der Saison vereint Tänze Bilder Sinfonien am 26. Juni drei Meister des zeitgenössischen Balletts. Auf Balanchines Symphony in Three Movements folgt mit Pictures at an Exhibition erstmals ein Werk Alexei Ratmanskys sowie mit 15. Sinfonie Martin Schläpfers zweite Wiener Uraufführung – ein Programm, das auch musikalisch mit Mussorgskis Bildern einer Ausstellung sowie Strawinskis und Schostakowitschs gleichnamigen Sinfonien begeistern wird. An der Volksoper Wien zeigt die Premiere Hollands Meister am 20. September mit Sol León & Paul Lightfoot, Hans van Manen und Jirˇí Kylián große Choreographen der niederländischen Tanzszene. Mit Ein Deutsches Requiem zu Brahms’ gleichnamigem Werk für Solisten, Chor und Orchester ist ab dem 30. Jänner das preisgekrönte abendfüllende Ballett Martin Schläpfers in einer Wiener Neueinstudierung zu erleben. Promethean Fire präsentiert am 15. Mai erstmals die beiden herausragenden Künstler des American Modern Dance Paul Taylor und Mark Morris. Ihren Balletten Promethean Fire und Beaux stellt Martin Schläpfer zwei Miniaturen aus seinem eigenen Werk gegenüber: Lontano und Ramifications zur Musik Ligetis.