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Giovanni Verga

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Impressum

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Verga kam im Jahre 1840 in Catania zur Welt. Zunächst schrieb er Romane im romantisch-sentimentalen Stil der spätrisorgimentalen Zeit. In Mailand, dem intellektuellen Zentrum Italiens, kam er mit den »Scapigliati« in Berührung und lernte Luigi Capuana, ebenfalls ein Sizilianer, kennen. Capuana war der Theoretiker des Verismo, der 1872 in einer Studie über zeitgenössisches italienisches Theater Grundzüge der neuen Richtung darlegte: »Wenn es dem Künstler gelingt, mir tatsächlich eine lebendige Figur vor Augen zu führen, weiß ich nichts mehr, was ich sonst noch von ihm verlangen sollte, und ich danke ihm dafür. Mir scheint, dass er mir alles das gegeben hat, was er sollte. Nur deswegen, dass diese Figur lebendig ist, wirkt sie schön, ist sie moralisch.«

Es lag nahe, diese Prinzipien damit zu erfüllen, dass man auf tatsächliches Erleben zurückgriff. Cavalleria rusticana spielt im Dorf Vizzini in der Provinz Catania, einem kleinen Nest, das, wie so viele auf dieser Insel, auf einen Hügel gebaut ist. Leoncavallos Oper wiederum in dem Städtchen Montalto Uffugo im Norden der Region in der Nähe des geschichtsträchtigen Cosenza, wo in der Flussrinne des Busento nach wie vor alljährlich viele Touristen nach dem sagenhaften Schatz Alarichs suchen. Montalto Uffugo selbst liegt in einer unwegsamen Gegend, wo Leoncavallos Vater Richter war.

Ohne Linse des Schriftsstellers

In einer an einen Freund gerichteten Bemerkung zu der Novelle Der Liebhaber der Gramigna aus der Sammlung Sizilianische Dorfgeschichten, die 1880 erschienen ist und auch Cavalleria rusticana enthält, erläutert Verga selbst die Grundzüge seiner literarischen Methode: »Ich gebe die Geschichten so wieder, wie ich sie auf den Fußwegen der Felder gesammelt habe, fast mit denselben einfachen und pittoresken Worten der volkstümlichen Erzählung, und es wird Dir sicher gefallen, den bloßen, reinen Ereignissen gegenüberzustehen, ohne sie zwischen den Zeilen des Buches, gleichsam durch die Linse des Schriftstellers blickend, erst suchen zu müssen.«

Verga verlangt Objektivität des Dichters, wenn er behauptet, »die Hand des Künstlers wird absolut unsichtbar bleiben«. Ins Zentrum seiner Schilderung des Volkstums und seiner Tradition stellte Verga hauptsächlich Gefühlsbindungen und Leidenschaften, weshalb sie sich gut als Vorlage für das »Melodramma« eigneten. Nicht ohne Grund hat sich auch Giacomo Puccini lange Zeit mit dem Stoff der Novelle (und dem daraus entstandenen Drama) Die Wölfin aus dieser Sammlung beschäftigt. Verga schildert darin die erotische Beziehung einer archaischen sizilianischen Frauengestalt, einer Bäuerin, in der die heidnisch-christlichen Vorstellungen des sizilianischen Volkstums, die ehernen Bande, die das soziale und familiäre Leben aneinander ketten, komprimiert sind, zu ihrem Schwiegersohn. »Im Dorf nannte man sie die Wölfin, weil sie niemals zufriedengestellt war, mit nichts«, heißt es zu Beginn dieser Erzählung. »Die Frauen machten das Kreuzzeichen, wenn sie sie auf der Straße vorbeigehen sahen, allein, wie ein Köter, mit dem streunenden und misstrauischen Gang einer hungrigen Wölfin.«

Eine andere Novelle dieser Sammlung, Jeli der Hirte, zeigt das dumpfe Schicksal eines Pferdehirten, der in der sengenden Sonne während seiner Arbeit sein Leben an sich vorbeiziehen lässt und sich plötzlich aufmacht, um dem Liebhaber seiner Frau die Kehle durchzuschneiden, so, als gäbe es nichts Natürlicheres auf der Welt. Rosso Malpelo wiederum beschreibt einen einfachen Kumpel, Opfer der Ausbeutung durch die Besitzer des Bergwerks, in dem er arbeitet.

In den großangelegten Romanen I Malavoglia und Mastro Don Gesualdo dagegen schlägt Vergas pessimistische Grundhaltung den neuen Entwicklungen gegenüber durch; im tragischen Schicksal einer angesehenen Fischersfamilie ebenso wie im Aufstieg und Fall des Landarbeiters Gesualdo, der die sozialen Gesetze der Insel bricht und daran scheitert. Verga starb 1922 in Sizilien, in seiner Geburtsstadt Catania. Vermögend wurde er erst nach dem Erfolg der Oper Cavalleria rusticana, als man ihm eine große Summe auszahlte, die es ihm erlaubte, in seine Heimat zurückzukehren. In seiner dichterischen Entwicklung von den knappen Lebensskizzen, wie sie die Novellen darstellen, zum Geschichtspessimismus der großen Romane hat die Darstellung des Lebens der Frau eine große Bedeutung.

Giuseppe Pitrè, der im vergangenen Jahrhundert viele Dokumente zum sizilianischen Volksleben gesammelt hat, bezeichnet die »Mafia« als »die übertriebene Vorstellung von der individuellen Kraft, dem einzigen und alleinigen Schiedsrichter bei jedem Streit, jedem Interessenkonflikt, über jeden Gedanken; daher die Unduldsamkeit der Überlegenheit und, schlimmer noch, der Anmaßung anderer. Der Mafioso will geachtet werden und achtet auch selbst fast immer die anderen. Wenn er beleidigt wird, wendet er sich nicht an das Gericht, nicht an das Gesetz; würde er es tun, gäbe er einen Beweis der Schwäche, beleidigte er die ›Schweigepflicht‹, so wie er diejenigen für ›unanständig‹ und ›infam‹ hält, die, um Recht zu bekommen, sich an die Behörden wenden.«

Aus einer solchen Haltung heraus ist zu erklären, dass die Beleidigung der Ehre, wie sie auch ein Ehebruch darstellt, mit dem Tod gerächt wird. Im italienischen Strafrecht wurde das »Verbrechen aus Ehre« auch berücksichtigt und als Milderungsgrund angesehen.

§ 502. Ehebruch. Strafe. Eine verheirathete Person, die einen Ehebruch begeht, wie auch eine unverheirathete, mit welcher ein Ehebruch begangen wird, ist einer Uebertretung schuldig, und mit Arrest von einem bis zu sechs Monaten, die Frau aber alsdann strenger zu bestrafen, wenn durch den begangenen Ehebruch über die Rechtmäßigkeit der nachfolgenden Geburt ein Zweifel entstehen kann.

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