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Leicht und so viel
Helga Meister, Düsseldorf: Kunst im Freien, 232 Seiten mit 129 Farbabbildungen, Broschur, flexibler Umschlag, 24 x 16 cm, Verlag Peter Tedden, 28,- € Jens Casper, Luise Rellensmann (Ed.), Das Garagenmanifest, 176 Seiten mit 18 Farbabbildungen und 80 s/w-Abbildungen und Plänen, Klappenbroschür, 20 x 13 cm, Park Books, 25,- €
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch Leicht und so viel
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Welche Entwicklung nehmen Kunstbücher? Sind die Produzentinnen und Konsumenten – die Verlage, Museen, Künstlerinnen und das Publikum – das große Format, also die dicken schweren Kunstbücher, leid? Im Moment dominieren ganz eindeutig Hardcover-Bände, und schon das kann man als Verzicht verstehen: auf den Schutzumschlag, der dem Buch Volumen verliehen hat und althergebracht feierlich wirken mag, auch wenn er nur schön und angenehm zu halten ist. Vielleicht schwingt nun die Erkenntnis mit, dass Umfang und Aufmachung eines Buches kam noch Auskunft über die Bedeutung oder Anerkennung eines künstlerischen Werkes geben. Der Anlass zu einem Buch ist oftmals nicht mehr die Ausstellung, Verkaufsschlager sind Kunstbücher sowieso nicht, wenn wir von dem üblichen Dutzend Kunstschaffenden absehen. Kunstbücher sind Fachliteratur, obzwar sie visuell zu empfinden sind. Die Grenzen zwischen Ausstellungskatalog und dem vom Ausstellungsanlass unabhängigen Buch also sind fließend, und zunehmend setzt sich ein kollektiver Pragmatismus beim Büchermachen durch. Das Papier wiegt leichter. Die fest gebundene, flexible Broschur hat sich etabliert, mit dem glatten, belastbaren Umschlag. Bei dem Buch von Helga Meister „Düsseldorf. Kunst im Freien“ macht das zusätzlich Sinn. Vorgestellt wird eine Auswahl von 125 Skulpturen von 90 Kunstschaffenden auch vergangener Jahrhunderte im öffentlichen Raum der Landeshauptstadt, und zwar so anregend und inspirierend, dass man das Buch in die Hand nehmen, aufs Fahrrad steigen und direkt zu den Werken fahren möchte. Man müsste nicht einmal wissen, dass Helga Meister die wichtigste Stimme der Kunstpublizistik in Düsseldorf ist. Dass sie seit mehr als einem halben Jahrhundert die Kunstszene der Stadt mitsamt ihrer berühmten Kunstakademie begleitet und sich nach wie vor engagiert den jüngsten Künstlerinnengenerationen widmet, ohne die vorausgehenden zu vergessen. Das aber wird im Buch zu den öffentlichen Skulpturen und ihren Produzenten deutlich, in dem Helga Meister die Künstlerinnen und Künstler selbst zu Wort kommen lässt, tief in der Entstehung der Werke recherchiert hat und sich differenziert zu den technischen Verfahren äußert. Und dann fällt auf, wie viel Kunst doch im öffentlichen Raum steht, wie konventionell diese aber inzwischen wirkt – und dass das wahrscheinlich auch auf andere Großstädte übertragbar ist. Der Kaufpreis des Buches? Gemessen an der Informationsdichte und der Arbeit, die drinsteckt, ein Schnäppchen.
Ein weiteres Buch zu Denkmälern im öffentlichen Raum ist, mutig so von den Autoren benannt, „Das Garagenmanifest“. Es handelt sich um eine sachliche, weniger liebevolle als konstatierende Rekapitulation des Garagenbaus in der DDR anhand von neun Beispielen dieser Alltagsarchitektur, die einzelne Garagen zu Anlagen zusammenfasste, errichtet ab Mitte der 1960er-Jahre. Nüchtern im Taschenbuchformat wird der Bestand und die Nutzung beschrieben, also was sie außer dem Auto (oder stattdessen) beherbergten, wie der Raum aufgeteilt wurde. Die Garagen repräsentieren bedingt noch die Architektur und den
Man Ray, Magier auf Papier, deutsch/englisch, 160 Seiten, mit 75 überwiegend farbigen Abbildungen, Hardcover, 21 x 15 cm, Kerber, 26,50 € Yinka Shonibare CBE: End of Empire, deutsch/englisch, 216 Seiten mit 137 Farbabbildungen, Klappenbroschur, 28,5 x 24,5 cm, Hirmer, 39,90 €
Städtebau im Sozialismus. Sie kennzeichnet das dezidiert Funktionale, und so wie sie im Verbund auf- oder nacheinander folgen, so repräsentieren sie zugleich Widerborstiges in der Konformität. Die Fotografien dieses Büchleins vermitteln das Marode, aber das ist ja klar, wenn die Gebäude über Jahrzehnte schon bestehen. Das kann man jetzt als Archäologie eines vergangenen Systems lesen, man kann sich Gedanken machen, ob und wie sich die Garagen von denen in der damaligen Bundesrepublik unterscheiden, und die Aufnahmen, darunter auch viele Details, wie eine Bildergeschichte ohne Pointen lesen. Oder: Die Pointe ist, dass es keine Pointe gibt. Auch solche Bücher haben ihren Reiz über die Fachwissenschaften hinaus, zumal wenn sie handwerklich so professionell gemacht sind wie das vorliegende.
Nur wenige Zentimeter größer, aber erstaunlich gewichtig wirkt in seinem Hardcover eine Monografie zum Werk von Man Ray: Magier auf Papier und der Zauber der Dinge. Und so handlich sie doch bleibt, so schnell man durchblättern könnte, enthält sie doch immerhin 75 WerkAbbildungen, die in der Abfolge der künstlerischen Gattungen, als vorsichtige Mischung aus Chronologie und Formsprache, diesen besonderen Künstler zwischen Dadaismus und Surrealismus verdeutlichen. Man Ray, der – ein US-Amerikaner – eigentlich Emmanuel Rudnitzky hieß und von 1890 bis 1976 lebte, war befreundet mit Max Ernst und Marcel Duchamp, Paul Éluard und Hans Arp: In dieser Kombinatorik und Assoziationsfähigkeit ist sein Werk aus fotografischen Porträts, Zeichnungen, Malerei, Fotoexperimenten und Objekten angelegt. Im Katalog-Buch, das zur letztjährigen Ausstellung in der Kunsthalle Jesuitenkirche in Aschaffenburg erschienen ist, erschließt sich alles ohne allzu viele Worte. Wunderbar!
Bei Yinka Shonibare: End of Empire liegt die Sache der Repräsentation in Buchform etwas anders. In der Hauptsache entwickelt der englische Künstler afrikanischer Herkunft theatralische Installationen, die das große Abbildungsformat bedingen. Seine Projekte, die auf der documenta ebenso wie auf der Biennale Venedig für fasziniertes Aufsehen sorgten, sind aufwendig, farbenprächtig, lassen Kutschen schweben und ihre Akteure in prächtigen Kostümen des Viktorianischen Zeitalters auftreten. Dieses dient dem 1962 geborenen, vielfach ausgezeichneten, in London lebenden Shonibare als Topos, um mittels installativer figurativer Inszenierungen und Skulpturen, Filme und inszenierter Fotografien Fragen des Kolonialismus, zum Zustand von Weltbildern mit ihren Verstrickungen, kollektiven Rollenzuweisungen und Machtstrukturen aufzuwerfen. Die Werke können als rein ästhetische, in Form gesetzte Erlebnisse und opulente Erzählungen bestaunt werden, ehe es an die Dekonstruktion geht. Dieser gedankliche Prozess lässt sich im Buch zur Ausstellung im Museum der Moderne in Salzburg – mit Schwerpunkt auf der letzten Dekade – gut nachvollziehen. Großzügig, gut lesbar und nicht belehrend, entspricht es dem Leichtfüßigen der visuellen Beiträgen. Es macht Spaß, sich mit dem ernsten Werk von Yinka Shonibare zu beschäftigen.