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Die Globalisierung stockt Karl von Rohr
Die Globalisierung stockt
Deutschland muss sich jetzt rüsten für große wirtschaftliche Herausforderungen – die Banken stehen bereit.
Deutschland sieht sich gewaltigen wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesetzt. Die Aussichten trüben sich mehr und mehr ein. Unsere Volkswirte in der Deutschen Bank haben die Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft in diesem Jahr auf etwas über drei Prozent zurückgenommen. Für Deutschland rechnen wir nur noch mit 2,3 Prozent Wachstum, und auch das steht noch unter dem Vorbehalt, dass es nicht zu einem Lieferstopp von russischem Öl und Erdgas kommt. Das hat viel mit dem Krieg zu tun, wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die Corona-Pandemie noch längst nicht vorbei ist.
Der Lockdown in Shanghai und anderen großen chinesischen Städten hat gravierende Auswirkungen auf die Lieferketten und damit auf die Produktion unserer Industrie. Die Unternehmen geraten auch von vielen anderen Seiten stark unter Druck. Die Finanzierungsbedingungen werden schwieriger. An den Anleihe- und Kreditmärkten ziehen die Finanzierungskosten an, das Kapitalangebot wird knapper. Ein weiterer Zinsanstieg ist nicht mehr aufzuhalten, wenn wir der davoneilenden Inflation Herr werden wollen. Die Gefahr einer Stagflation ist real, und diese Gefahr wächst.
Parallel zum allgemeinen Zinsanstieg ziehen auch die Risikoaufschläge für Unternehmensanleihen an. Die Möglichkeiten, sich über den Kapitalmarkt zu refinanzieren, werden kleiner. Noch ist die Lage nicht bedrohlich, die Banken stehen bereit zu helfen. Zudem haben sich die meisten Unternehmen mit Liquidität eingedeckt, so dass wir die nächsten zwölf bis 18 Monate keinen Engpass erwarten. Aber: Wir müssen davon ausgehen, dass die Marktzinsen und die Risikoaufschläge weiter steigen. Wenn dann Mitte nächsten Jahres die große Refinanzierungswelle ansteht, könnten wir eben doch in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Dann droht eine Rezession. Das würde dann die Wirtschaft zu einer Zeit treffen, die ungünstiger kaum sein könnte. Denn die globale Wirtschaftsordnung verschiebt sich gerade in einer Geschwindigkeit, wie wir sie seit Jahrzehnten nicht erlebt haben.
Die Globalisierung stößt seit geraumer Zeit an ihre Grenzen. Wir beobachten schon länger, dass protektionistische Tendenzen an vielen Stellen die Oberhand gewinnen. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend verschärft, und der Krieg in der Ukraine wird ein weiterer Beschleuniger sein. Unsere Wirtschaft muss sich für diese neue Ordnung rüsten. Absatzmärkte werden sich verändern, Lieferketten müssen umgebaut und Produktionskapazitäten neu geplant werden – und das alles zu einer Zeit, in der die Umstellung auf eine nachhaltige Wirtschaft und die Technologisierung die Gewichte in vielen Branchen bereits gravierend verschiebt. Für diese Transformation braucht es Konzepte – und Kapital, um die gewaltigen Investitionen zu stemmen. l
Karl von Rohr
Stellvertretender Vorstandsvorsitzender Deutsche Bank AG