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Unternehmen im Krisenmodus  Jens Greiner, Christian Muth, Jens Paulus

Unternehmen Basis und Katalysator für das Krisenmanagement.

im Krisenmodus

Krieg. Pandemie. Extremwetter. Naturkatastrophen. Energiekrise. Hungerkrise. Inflation. Soziale Spannungen. Wasserkrise. Blockbildung. Eiserner Vorhang 2.0. Krisenmodus. Gewiss eine düstere, schräge Sicht auf die Welt. Aber derzeit überwiegen in der Wahrnehmung der Geschehnisse, Entwicklungen und Aussichten die bedrohlichen und negativen Effekte – auch für Unternehmen.

Was ist für die kommenden Herausforderungen wichtig? Was sollten Unternehmen beim Navigieren und Führen im Krisenmodus beherzigen? Fünf Punkte sind jetzt besonders wichtig:

Jens Greiner

Security/Resilience Advisor, Director, PwC Joint Crisis Center

1. Krisenmanagement ist und bleibt Chefsache

In Krisen von vorne führen. Es geht direkt von einem Krisenhotspot in die nächste Megakrise. Weitere, partielle Krisenherde tun sich auf. Die Gesamtsituation bleibt aktuell angespannt wie lange nicht mehr. In Krisen werden Steuerleute gebraucht, die Unternehmen durch besondere Herausforderungen manövrieren und die dabei auch dem Führungsanspruch gerecht werden müssen. Wenn jetzt keine Zeit für deutliche Führung ist, das heißt die aktive Involvierung der Chefetage und das Vorangehen als Vorbild, wann dann?

2. Krisenmanagement durch Profis orchestrieren lassen

Den Profis das Zepter geben, um eine richtige Krisenorganisation, eine Task Force oder eine nach dem Mechanismus des Krisenmanage-

„In Krisen werden Steuerleute gebraucht, die Unternehmen durch besondere Herausforderungen manövrieren und die dabei auch dem Führungsanspruch gerecht werden müssen.“

ments funktionierende Arbeitsgruppe treiben zu können. In vielen Unternehmen gibt es erfahrene und speziell ausgebildete Personen, die wissen, wie Krisenmanagement professionell betrieben wird. Sie können ein gesamtunternehmerisches Krisenmanagement orchestrieren. Mehr als je zuvor ist Denken in gesamthaften Resilienzfähigkeiten erforderlich; Profis können das und sind genau für diese Zeiten ausgebildet. Lasst sie bitte ran.

3. Vernetztes, dynamisches Krisen-Lagebild betreiben

Ein Vollzeit-Radar zur Krisenlage muss scharf geschaltet sein. Es gilt, die „Großwetterlage“ permanent zu beobachten und auszuwerten. Dieser Radar soll kein Selbstzweck sein, sondern als Führungsinstrument den Steuerleuten zum Entscheiden dienlich sein. Es ist nun wichtig, noch mehr „außerhalb der Kiste“ zu denken und (Über-)Sprungeffekte beziehungsweise Auswirkungen von Krisen auf andere Entwicklungen, die dann ebenso krisenhaft werden, zu berücksichtigen. Krisenmanagement braucht eine systemische Denkweise und Superforecasting, also die Betrachtung kombinierter, komplexer Krisenszenarien und die Ableitung erforderlicher Maßnahmen.

4. Resilienz als Gesamtfähigkeit einer Organisation weiterentwickeln

Organisationale Resilienz ist mehr als zuvor als Gesamtfähigkeit zu verstehen, aber auch weiterzuentwickeln. Dazu kann ein sogenanntes „Resilience Fusion Center“ und möglicherweise die Funktion eines „Chief Resilience Officers“ helfen. Die Zeit ist mehr als reif, hierzu noch stärkere Entwicklungsschritte zu machen. Für die kommenden Wochen und Monate wird viel bedeutsamer werden, Abhängigkeiten und Vulnerabilitäten zu erforschen, um die Widerstandsfähigkeit gezielt zu stärken. Das bedeutet, einen umfassenden Abhängigkeitscheck zu machen, um schwierige Abhängigkeiten im Sinne von Vulnerabilitäten zu entdecken und um sich robuster aufzustellen. Insbesondere Lieferketten- und Lieferantenbeziehungen sind und bleiben relevant, aber auch Abhängigkeiten von Energieversorgung oder auch die Robustheit von physischen wie digitalen Infrastrukturen.

5. Geopolitik als Managementfeld in Unternehmen befördern

Wie durch ein Brennglas lässt der Krieg in der Ukraine die bereits bestehende Tendenz zur Deglobalisierung ansteigen und beschleunigt so eine Spaltung der Welt in zwei ökonomische Machtblöcke. Handelsströme und Wirtschaftsbeziehungen werden sich entlang dieser ideologischen Feldlinien ausrichten. Dabei beschleunigt sich der Übergang von einer regelorientierten zu einer machtorientierten Weltordnung. Bereits vor dem Ukraine-Krieg zeigten Handelskonflikte zwischen den USA und China, dass der freie Fluss von Waren immer stärker von geopolitischen Macht- und Einflusssphären abhängt. Bisherige Regeln, Normen und Prinzipien, auf deren Grundlage Unternehmen tätig waren, werden sich ändern. Kurz- bis mittelfristig berührt dieser Wandel betroffene Länder und Regionen, langfristig steht möglicherweise das internationale Wirtschafts- und Handelssystem infrage. Wenn sich der Energiehandel verlagert, Lieferketten umgestaltet und Zahlungsnetze fragmentiert und neu zusammengesetzt werden, dann wird der Krieg in Europa die globale wirtschaftliche und geopolitische Ordnung grundlegend verändern. Die Welt von heute und morgen sollten Unternehmen intensiver hinterfragen und Ableitungen aus

der Analyse der geopolitischen Szenarien treffen. Geopolitik wird als Managementfeld stärker aufzubauen und in geschäftsstrategische Überlegungen einzubeziehen sein.

Vieles hört sich im ersten Moment selbstverständlich oder gar leicht an, aber die Praxis im Krisenmanagement beweist immer wieder, dass gerade die vermeintlichen Basics nicht gelebt werden und stark verbesserungswürdig und zu stärken sind. Zudem sollten Unternehmen vermehrt die Fähigkeit ausprägen, einen dynamischen anstatt eines statischen Krisenmodus proaktiv zu betreiben und sich darauf fokussieren, eine gesamthaft orchestrierte Resilienz auszuprägen. l

95 %

der Führungskräfte halten die Krisenmanagementfähigkeiten ihres Unternehmens für verbesserungswürdig.

69 %

von ihnen gehen davon aus, dass sie das aus dem Umgang mit der Krise Gelernte künftig nutzen und die Resilienz ihrer Organisation stärken können.

Jens Paulus

Geopolitical Advisor, Partner, PwC Joint Crisis Center

Christian Muth

Crisis Management & Forensic Partner, PwC Joint Crisis Center

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