
2 minute read
Gerecht ist, was der Mittelschicht dient
STANDPUNKT STEIGER
„Wir sind an einem Punkt in der Neiddebatte angekommen, an dem die Bekämpfung von ungeplanten Mehrbelastungen der Bürger im Land gegen schwere Widerstände durchgesetzt werden muss.“
Wolfgang Steiger
Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.
Gerecht ist, was der Mittelschicht dient
Wer am 28. Juli einen Blick in die Zeitungen geworfen hat, staunte nicht schlecht. Die Ampel plane eine Anpassung der Einkommensteuer, die vor allem Top-Verdiener entlaste? Das hätte man der Ampelkoalition nun wirklich nicht zugetraut! Doch war leider schnell klar, dass dies eine Falschmeldung war. Denn alles, was Finanzminister Christian Lindner vorschlagen hatte, war der dringend nötige Abbau der kalten Progression. Und das bedeutet nicht Entlastung, sondern nur keine Mehrbelastung.
Alles, was durch die Pläne des Bundesfinanzministers am Steuertarif geändert werden soll, ist die Anpassung der Steuerprogression an das erhöhte Inflationsniveau. Lohnerhöhungen haben nämlich aktuell nur den Effekt, dass zwar eine größere Zahl auf dem Konto landet, mehr kaufen können sich die Bürger wegen der hohen Geldentwertung aber nicht. Da ein höheres Brutto im Steuertarif aber auch höhere Steuern heißt, landet de facto weniger Geld im Portemonnaie der Arbeitnehmer – und mehr beim Fiskus, wenn die Ampel nicht nachsteuert.
Wir sind in Deutschland an einem Punkt in der Neiddebatte angekommen, an dem schon die Bekämpfung solch ungeplanter Mehrbelastungen von Bürgern und Unternehmen gegen schwere Widerstände durchgesetzt werden muss. Kaum stand Christian Lindners Vorschlag im Raum, polterten die Parteizentralen von SPD und Grünen los. Es war von „Steuergeschenken für Superreiche“ die Rede. „Superreich“ ist in Deutschland schon ein Facharbeiter mit einem Jahreseinkommen von knapp 60.000 Euro, der hierzulande bereits unter den Spitzensteuersatz von 42 Prozent fällt.
Schon heute finanzieren die oberen zehn Prozent der Gesellschaft, das sind Menschen ab gut 3.200 Euro netto, die Hälfte des Gemeinwohls. Für Teile der Bundesregierung sind die vernünftig bezahlten Arbeitnehmer offenbar nur noch Goldesel, die immer neue fixe Ideen der Umverteilung und Gesellschaftsformung auszufinanzieren haben. Hier muss im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft gegengehalten werden.
Zuerst darf der Abbau der kalten Progression nicht länger als ein politischer Gnadenakt des Bundesfinanzministers verstanden werden. Sinnvoll wären dabei Mechanismen, die eine Anpassung der Steuerprogression auf die aktuelle Inflationslage entweder automatisieren oder zumindest eine Wertschätzung des Inflationsausgleiches gesetzlich fordern. Ein mögliches Modell unter vielen ist hier der „Steuertarif auf Rädern“ – so wäre unangebrachten Mehreinnahmen des Staates, die das Leistungsprinzip ausbremsen, ein Riegel vorgeschoben.
Darüber hinaus müssen wir ganz grundsätzlich über den Umfang der staatlichen Umverteilung sprechen. Während der Pandemie hat die Staatsquote die Schallmauer von sagenhaften 50 Prozent durchbrochen. Natürlich war es in der Krise richtig, Unterstützung für Bürger und Wirtschaft zu leisten, doch muss sich der Staat mit seinen Hilfen und Programmen nun auch wieder zurückziehen und nicht sogleich neue Hilfsprogramme wegen Inflation und Energie auflegen. Mit den so sinkenden Ausgaben entstehen dann neue Freiräume, um eben jene Gruppe zu entlasten, die uns so verhältnismäßig glimpflich durch die Krise gebracht hat: die arbeitende Mittelschicht – das wäre nur gerecht.