Lukas und das Wolkenkind von Stefanie Wackar
Lieber Lukas, diese Geschichte mÜchte dir sagen, dass du immer an deine Träume glauben sollst! Alles Liebe zum Geburtstag von deinem Patenonkel Claus mit Tamara und Leonie Juli 2013
Lukas und das Wolkenkind von Stefanie Wackar
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ie Sonne scheint hell und kitzelt Lukas hinter seinen Augenlidern. Vorsichtig öffnet er erst ein Auge und blinzelt umher. Lukas liegt im Gras und hatte ein Schläfchen gemacht. Langsam hebt er seinen Kopf. Nichts außer schönsten Halmen und duftenden Blumen ist um ihn herum zu sehen. Als er sich aufsetzt, spürt er den leichten Wind, der ihm um die Arme streicht. Lukas blickt sich auf der Wiese um, auf der er liegt. Wie ist er hierher gekommen? Er weiß es nicht mehr, aber es fühlt sich schön an, hier zu sein. Ein Stück weiter unten sieht Lukas einen großen, alten Baum in seiner vollen Kraft stehen. Er steht auf und geht auf den Baum zu. Er ragt hoch in den Himmel hinauf und unendlich viele Äste und Blätter kommen aus ihm hervor. Lukas bleibt vor ihm stehen und betrachtet seine Schönheit, die vielen kleinen Details, den kräftigen Stamm und den Übergang der Wurzeln in den Boden. Dann geht er näher an ihn heran, bis er sich unter seinen weiten Ästen befindet und lehnt sich mit seinem Rücken an ihn. Wie herrlich sich das anfühlt!
Plötzlich hört Lukas etwas neben seinen Füßen rascheln. Als er nach unten blickt, sieht er einen Vogel, der vor ihm auf und ab hüpft. Er trägt ein weißes Federkleid, das das Licht funkelnd reflektiert. Lukas beugt sich hinunter und streckt seine Hand aus: „Komm doch mal her, hübscher Vogel, und lass dich streicheln.“ Der Vogel kommt ganz nah an ihn herangehüpft. Lukas berührt die weichen Federn und streicht vorsichtig über das sanfte Federkleid. „Oh, wie schön du dich anfühlst“ freut Lukas sich. „Dankeschön!“ antwortet der Vogel. „Huch, du sprichst ja!“ Erstaunt zieht Lukas seine Hand wieder zurück. „Ja, klar, kann ich sprechen, du doch auch!“, gibt der Vogel ihm als Antwort. „Nun, gut, ich bin ja auch ein Mensch, du bist ein Tier. Tiere können normalerweise nicht sprechen“, gibt Lukas zu bedenken. „Das ist vielleicht so, wo du herkommst, aber hier können die Tiere sprechen. Und auch die Pflanzen und Blumen, einfach alle Lebewesen können sich hier ausdrücken. Sag doch auch mal was, alter Baum!“ Der Vogel hüpft auf den alten Baum zu und flattert mit seinen Flügeln. „Hallo“, brummt er mit einer tiefen Stimme, die aus dem Erdreich zu kommen scheint und ein paar Äste bewegen sich leicht. „Uui, hallo Baum.“ Lukas tritt ein Schritt zurück und blickt den Baum ehrfürchtig an. Wo ist er hier nur gelandet? „Du bist im Wolkenland, weißt du das denn nicht?“ Der Vogel hüpft aufgeregt auf und ab. Er kann seine Gedanken lesen. „Das Wolkenland? Was ist das denn?“ will Lukas wissen.
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„Aber ich weiß gar nicht, was ich mir so genau wünschen soll. Und so viele Ideen habe ich auch nicht.“ Ich bin etwas verunsichert.
„Das Wolkenland ist das Reich der Wünsche und Ideen und es befindet sich in deiner Fantasie. Hier ist einfach alles möglich, ganz egal, was du dir vorstellen oder wünschen magst, hier bekommst du es!“ „Aber ich weiß gar nicht, was ich mir so genau wünschen soll. Und so viele Ideen habe ich auch nicht.“ Lukas ist etwas verunsichert. „Aber das macht doch nichts, das kommt schon, mach dir da keine Gedanken. Allein hier zu sein, kann schon die ein oder andere Idee bringen.“ Der Vogel schaut ihn aus tiefen und weiten Augen an. Lukas hat das Gefühl in ein unendliches Meer zu blicken und erkennt ganz nebenbei, dass er eine Möwe vor sich hat. Das war ihm vorher noch gar nicht aufgefallen. Die Möwe fängt an zu lachen. „Hast du mich erkannt? Ich bin in der Form einer Möwe unterwegs, das macht mir am meisten Spaß. So kann ich unendlich weit fliegen und bei den Menschen sein, wenn ich das möchte. Ich habe die Menschen nämlich sehr gerne, weißt du? Aber eigentlich sehe ich ganz anders aus, warte einen Moment!“ Die Möwe hüpft hinter den Baum und auf der anderen Seite kommt ein kleines Kind hervor, das Lukas glücklich anstrahlt. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin das Wolkenkind.“ Es verbeugt sich höflich und lächelt Lukas freundlich an. Das Wolkenkind hat keine Haare, sondern Wolken liegen um seinen Kopf herum. Außerdem trägt es ein Kleid, das in allen Farben des Regenbogens schimmert. Auch seine Schuhe sind aus Wolken. Aber das schönste an ihm sind seine Augen: Weit und klar blicken sie Lukas an.
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„Komm mit, ich zeige dir etwas“. Das Wolkenkind nimmt Lukas an die Hand und läuft mit ihm über die Wiese. „Tschüss, Baum“ ruft Lukas noch über seine Schulter hinweg dem alten Baum zu. Seine Blätter rascheln ihm einen Abschiedsgruß hinterher. „Wohin gehen wir denn jetzt?“ Er ist schon ganz außer Atem, da das Wolkenkind so schnell läuft, muss er sich anstrengen, Schritt zu halten. „Oh, laufe ich dir zu schnell? Warte einen Augenblick, so geht es einfacher!“ Bevor Lukas sich versieht, hat sich das Wolkenkind wieder in die Möwe verwandelt und nicht nur das! Lukas sitzt plötzlich auf ihrem Rücken und gemeinsam steigen sie in die Lüfte, dass ihm der Wind um die Nase bläst. Oh, wie schön das Fliegen ist! Er genießt seinen Ritt auf der Möwe. Erstaunlicherweise passt er perfekt auf ihren Körper. Ist er kleiner oder die Möwe größer geworden? Es spielt keine Rolle und Lukas gibt sich dem Gefühl des Fliegens hin. Gemeinsam fliegen sie über die Wiese, auf der er gelegen hatte und er kann den alten Baum von oben aus sehen. Schließlich kommen sie zu einem Meer aus Wolken. „Das ist das Wolkenmeer, siehst du es?“ ruft das Wolkenkind. „Oh ja, ich sehe es“, ruft Lukas zurück. Gemeinsam fliegen sie über die unendliche Weite des blauen Himmels, die Sonne strahlt auf sie herab und sie funkeln über dem endlosen Meer. Nach einer Weile, für die Lukas kein Zeitgefühl hat, fliegen sie über ein Wolkenloch und er kann die Erde unter sich sehen. Friedlich leuchtet der blaue Planet und ein unendlich warmes Gefühl steigt in Lukas hoch und er lächelt. „So, nun landen wir!“, ruft ihm das Wolkenkind zu. Kaum hat es den Satz ausgesprochen, da fühlt Lukas auch schon wieder festen Boden unter seinen Füßen.
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Neugierig blickt Lukas sich um. Erstaunlicherweise kann er nichts erkennen. Es gibt nur die weiße Weite, das Wolkenkind und ihn. „Wo sind wir hier? Immer noch im Wolkenland?“ will Lukas wissen. „Ja, wir sind immer noch im Wolkenland, allerdings in einem speziellen Teil davon. Es nennt sich das Wunschreich.“ „Oh, heißt das, ich kann mir jetzt etwas wünschen?“ fragt Lukas erfreut. „Alles, was du willst“, nickt das Wolkenkind. Es hat wieder die Gestalt des kleinen Kindes mit den Wolkenhaaren und dem Regenbogenkleid angenommen. „Aber ich weiß gar nicht so recht, was ich mir wünschen soll...?“ Lukas tritt von einem Bein auf das andere und ist etwas verunsichert. „Weißt du es nicht, oder traust du dich nur nicht?“ Das Wolkenkind lächelt und strahlt ihn aus seinen tiefen Augen an. „Weißt du, eigentlich ist es so, dass man immer weiß, was man sich wünscht. Nur oft traut man sich einfach nicht. Vielleicht weil man glaubt, das funktioniert doch nicht oder das kann nicht sein. Aber hier musst du solche Gedanken nicht haben, hier ist einfach alles möglich.“ Voller Zuversicht und Vertrauen blickt ihn das Wolkenkind an. „Komm, wir trinken etwas von dem Brunnenwasser hier. Es ist ganz frisch und rein. Das wird uns sicher gut schmecken.“ Tatsächlich, gleich nach ein paar Metern sieht Lukas einen Brunnen, er war ihm vorher gar nicht aufgefallen. Ein Eimer steht auf dem Rand, an dem eine Schnur hängt. Vorsichtig lässt Lukas den Eimer in den Brunnen gleiten und füllt ihn mit Wasser. Dann zieht er den Eimer wieder nach oben. Gemeinsam trinken sie abwechselnd das herrlich frische Brunnenwasser und Lukas fühlt sich gleich erfrischter und leichter.
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„Hmm, was kann ich mir denn nun wünschen?“, überlegt Lukas laut. Das Wolkenkind beugt sich zu ihm und sagt: „Hör einfach auf dein Herz, das weiß schon, was es nun gerne hätte.“ Lukas lauscht auf sein Herz, das ihm nun den Wunsch offenbart, den er am klarsten in sich spürt. Es ist, als würde er so einfach auftauchen wie der Eimer aus dem Brunnen, den er hochgezogen hatte und er fängt an zu lachen: „Weißt du, was ich mir gerade gewünscht habe, es ist so schön und zwar...“ „Halt“ unterbricht ihn das Wolkenkind. „Sag es mir nicht, es ist dein Wunsch, den du in dir trägst. Bleib mit dem Gefühl in deinem Herzen und lass uns einen Spaziergang unternehmen.“ Lukas lächelt das Wolkenkind an und auch wenn er es nicht ganz versteht, befolgt er seinen Rat und spürt den Wunsch weiterhin im Herzen, während er läuft. Nach einer Weile kommen sie an eine Pforte, die wieder wie aus dem Nichts aufzutauchen scheint. „So“, sagt das Wolkenkind, „jetzt sind wir im Herzstück des Wolkenlandes angelangt. Hier kannst du nun das Bild, das du im Herzen trägst, mit Leben füllen.“ „Wie meinst du das?“, fragt Lukas. „Nun, wenn du hier durchgehst, steht dir alles zur Verfügung, was du brauchst, um deinen Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.“ „Aber wie meinst du das, ‚Wirklichkeit werden zu lassen’. Das geht doch nicht!“ entgegnet Lukas. „Erinnere dich, wir sind im Wolkenland, im Reich der Wünsche. Hier in deiner Fantasie ist alles möglich!“ Das Wolkenkind strahlt ihn voller Freude an. „Geh einfach durch die Pforte und hab Spaß mit dir und deinem Wunsch oder deinen Wünschen. Es gibt keine Begrenzung, denk immer daran.“ Das Wolkenkind zwinkert ihm aufmunternd zu und als Lukas auf die Pforte zugeht, öffnen sich deren Tore weit und er schreitet in helles Licht hinein. 12
Als Lukas die Schwelle überschritten hat, braucht er ein paar Sekunden um seine Augen an das helle Licht zu gewöhnen. Als er wieder sehen kann, nimmt er nur Wolken wahr. Helle, weiche Wolken. Er schreitet auf ihnen voran und beugt sich nieder, um sie zu berühren. Der Wolkenschleier, den er sich auf die Hand legt, beginnt sich zu verwandeln. Vor seinem inneren Auge sieht er seinen Wunsch Gestalt annehmen. Lukas kann fühlen, wie sich sein Körper in den Wunsch hinein begibt und lacht freudig auf. Und er fühlt es, ja, hier, in diesem Moment ist alles möglich und alles ist Wirklichkeit geworden.
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Nach einer Weile in der es keine Zeit gibt, komme ich wieder zu mir. Ich bin nicht
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Nach einer Weile, in der es keine Zeit gibt, kommt Lukas wieder zu sich. Er ist nicht mehr in den Wolken, sondern spürt festen Boden unter seinen Füßen. Er befindet sich in einer weiten Landschaft und in der Ferne kann er Berge erkennen. Langsam geht Lukas den Weg entlang, der vor ihm liegt. Der Boden ist weich und er kann ihn mühelos beschreiten. Sein ganzer Körper ist voller Kraft und er fühlt sich angefüllt mit einer großen Leichtigkeit. Seine Wahrnehmung scheint sich über die ganze Landschaft zu erstrecken und er kann jedes Detail, jeden Halm, das Rauschen des Windes und die zarte Wärme der Sonne auf seiner Haut spüren. Das Wolkenkind ist nirgendwo zu sehen, aber Lukas weiß, dass es in der Nähe ist, denn er kann die Wärme und Freude fühlen, die ihn umgibt. Irgendwann kommt er zu einer großen Wiese. Es ist die Wiese, auf der er aufgewacht ist. Voller Glück setzt er sich wieder in das weiche Gras und blickt zu dem alten Baum und winkt ihm zu, als wären sie alte Freunde. Der Baum raschelt ihm mit seinen Blättern einen Gruß zu. „Oh, ich bin ganz schön müde geworden, vielleicht leg ich mich einfach ein bisschen hin...“, spricht Lukas zu sich und kaum das sein Kopf den weichen Wiesenboden berührt, ist er auch schon eingeschlafen.
Als Lukas dieses Mal seine Augen öffnet, befindet er sich in seinem Bett, in dem er jeden Morgen aufwacht. Er sieht all die Dinge um ihn, die ihm vertraut sind und die er kennt. Er fühlt noch das Gefühl seines Wunsches in ihm und spürt, wie sich jede Zelle seines Körpers diese Erinnerung einprägt. „Oh, was für ein schöner Traum das war“, denkt Lukas und lächelt vor sich hin. Als er dann aufgestanden ist, beginnt der Traum zu verblassen, denn es gibt so viele andere Dinge, die ihn nun beschäftigen. Und doch, als er aus dem Fenster und in den Himmel blickt, sieht er Vögel vor den Wolken fliegen. Und Lukas erinnert sich wieder an den Augenblick, in dem er spürte, dass alles möglich ist...
Persönliche Geschichten für besondere Menschen © WolkenWerke 2013 Idee, Text und Illustration: Stefanie Wackar www.wolkenwerke.de
Wie er genau ins Wolkenland gekommen ist, weiĂ&#x; Lukas nicht mehr, aber eines ist sicher: So etwas hat er noch nie gesehen! Ein Ort, an dem wirklich ALLES mĂśglich ist, gibt es tatsächlich? Das Wolkenkind zeigt Lukas, dass es ihn gibt und zwar an einem ganz besonderen Ort - in seiner eigenen Fantasie!