Youngspeech Magazin #5 (3/2013)

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Ausgabe April 2o13

Kultausgabe

KultBeratung

Herr Eppert sucht…

Bruder Grimm

Pierre M. Krause im Interview

Meinungsfreiheit Städter sagen aus

Coke&Nutten In-flationär Nichtlustig! Total stoned Kultmodel aus MD Kultkultkultkult

Joscha Sauer über Kult

MusikKult

Szenemagazin Halle/Saale Magdeburg


Christian Reichardt

Impressum Chefredaktion: Andreas Lilienthal V.i.S.d.P.

Redaktionsleitung Magdeburg Sophie Hubbe

Fotoredaktion: Fabian Benecke, Vanessa Kanz, Andreas Lilienthal, Robert Meinel, Juliane Schulze, Susann Schwass

Redaktionsleitung Halle Andreas Lilienthal

Grafiken: Maria Urban, Joscha Sauer

Art Director: Lektorat: Jörn Rohrberg // http://www.mfjweb.de Juliane Ahrens, Sophie Hubbe, Annekathrin Rücker Produktionsleitung: Andreas Lilienthal, Jörn Rohrberg Herausgeber: Youngspeech Media e.V. Covergrafik: Otto-von-Guericke-Straße 63 Christian Reichardt 39104 Magdeburg info@youngspeech.de Redaktion: Juliane Ahrens, Julia Baron, Anzeigenredaktion: Fabian Benecke, Sarah Düvel, anzeigen@youngspeech.de Christian Geipel, Dominik Grittner, Youngspeech Media Tony Hannig, Vanessa Kanz, Magdeburg & Halle (Saale) Laura Kapitza, Philipp Kloss, Jörn Rohrberg, Valerie Schönian, Druck: Susann Schwass, Anne Strackeljan, flyeralarm GmbH, Alfred-Nobel-Str. 18, Maria Urban 97080 Würzburg

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Zuwachs

Editorial

Bereits zum fünften Mal erscheint Youngspeech nun in eurer Stadt. Zeit über den Stadtrand hinaus zu gucken. So dürfen wir euch nun die frohe Botschaft verkünden, dass sich die Redaktion erweitert hat. Ab sofort erscheint Youngspeech nicht mehr nur in Magdeburg sondern auch in Halle. Mit eigener Redaktion werden wir dort nun über speziell „hallensische“ Themen berichten. Wir wünschen euch viel Spaß beim Durchstöbern und begrüßen offiziell unsere neuen Leser!

Liebe Leserinnen und Leser, haltet mich ruhig für ein bisschen verrückt, aber mich durchfährt immer ein kleines Glücksgefühl, wenn mir im Alltag Worte begegnen, deren Existenz ich längst vergessen hatte. Worte, die wir meiner Meinung nach, ungerechterweise, viel zu selten benutzen. Kompott ist so ein sympathisches kleines Wort, deren Existenz anscheinend unsere moderne Gesellschaft mehr und mehr verleugnet. Für alle, die tagtäglich mit der Sprache jonglieren, sollte es der eigene Anspruch sein, gerade diese Worte zu erhalten. Also möchte ich ab sofort in jedem meiner Lieblingscafés in der Stadt wieder Kompott auf der Speisekarte finden! Andere Worte hingegen werden dagegen geradezu inflationär behandelt. Kultbands, Kultkneipen, Kultfilme – Der Begriff Kult scheint wahrlich immer und vor allem überall zu sein. Man kann sich kaum noch davor retten. Doch wann wird beispielsweise ein Film zum Kult? Meist erlangt ein Produkt oder ein Ort Kultstatus, wenn er lediglich von einer Minderheit gekannt wird. Könnte man es also als eine Art Auszeichnung betrachten oder ist es nur ein günstiges Marketinginstrument? Im populär-wissenschaftlichen Sinne ist Kult etwas, das eher langsam wächst. Letztens in Hamburg sah ich jedoch an einem Ladengeschäft die Aufschrift „Hier entsteht die neue Kultkneipe auf dem Kiez.“ Wie passt das zusammen? Wie kann eine kaum eröffnete Location also Kult sein? Wird in diesen Fällen vielleicht mit der Hoffnung gespielt, dass Kult eine gewisse Besonderheit und gleichzeitig Exklusivität suggeriert. Oder wird der Begriff Kult mit einem kurzlebigen Trend beziehungsweise Hype verwechselt.

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Die letzten drei Monate hat sich bei uns jeder aus der Redaktion ausführlich mit dem Begriff Kult auseinandergesetzt und sein persönliches Urteil gefällt. Ich persönlich kann jedoch immer noch schwer mit diesem Begriff umgehen. Mittlerweile weckt der Begriff in mir eine schwer greifbare Erwartung, die nur in den seltensten Fällen erfüllt wird. Ich bitte Euch bei oder auch nach dem Lesen des aktuellen Magazins den Begriff zu reflektieren. Was ist für Euch KULT? Schreibt mir gern Eure Erkenntnis und klärt mich auf. Nach so vielen Wochen der Suche bin ich dankbar für jede andere Sicht auf dieses Phänomen! In diesem Sinn viel Spaß beim Grübeln!

Andreas Lilienthal, Chefredakteur andreas.lilienthal@youngspeech.de


Inhalt #5

Pierre M. Krause 10

Prost! Trinkkultur 25

5 KunstKult

13

short story: Goodbye Sampler

6

14

Meinungsfreiheit: Was ist Kult

MusikKult

7 PlattenKult

17 Betamind-Musikblog

8 Kultorte

18

10

20 Interview: Herr Eppert

Interview: Pierre M. Krause

12 Rezensionen

Coke und keine Nutten!

25 Trink-Kult(ur)


Herr Eppert sucht... 20 Geek or Freak? 29

27

KörperKult: Tattoo

32 GötterKult

28 GeschichtsKult

33 Sauer macht NICHTLUSTIG!

29 Geek or Freak: Tabletops

34 Mias Tipps

30 Inflation Kult

35 Kolumne

31 WebKult: Magdeburg halt.

36 One last thing…


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KunstKult Seit einer Weile liegt auf meinem Nachtschrank ein Bildband namens „Die 1000 Wichtigsten Werke der Europäischen Malerei“. Weniger möchte ich etwas über die Kunstwerke oder ihre Maler lernen. Mich beruhigt einfach der Gedanke, in einer doch so einfach gestrickten Welt zu leben, in der sich das vielschichtige Opus von 3000 Jahren europäischer Kunstgeschichte auf poplige 1000 Bildchen zwängen lässt. Die Klassiker der bildenden Künste lassen sich recht einfach herausfiltern: Es seien Werke „von hoher Qualität“, die relativ unabhängig von der Mode der Zeit, mit einem gewissen Traditionswert wiederkehrende Themen wie Liebe, Leben und Tod behandeln. Vor allem aber ist diese „hohe Qualität“ von Instanzen bestimmt und kollektiv anerkannt. Ein Beweis dafür sind Bücher, wie jenes auf meinem Nachtschrank. Sie geben vor, was den Kriterien entspricht und als „Klassiker“ in die europäische Kunstgeschichte eingehen darf.

KunstKult

Kleine Goldtäfelchen mit dem eingravierten Schriftzug „Klassiker“ werden bei hochfeierlichen Zeremonien unter Ölgemälde angebracht, während ein stolzer Museumsmitarbeiter verkündet: „Meine Damen und Herren, so sieht Kunst aus!“.

Der Status „Kult“ dagegen ist wie ein Button, den einem ein guter Kumpel geschenkt hat. Er pinnt an der Jacke und wenn nach einer Weile so viele Buttons zusammenkommen, dass sich die Jacke kaum noch tragen lässt, wird sie in ihrer vollen Pracht eingerahmt und hinter Glas verpackt an die Wand gehämmert. Daraufhin können wir dann sagen: „Das ist Kunst!“ In vielen Bereichen der Kultur ist es leicht festzustellen, ob etwas Kult ist oder nicht. Wenn sich zum Beispiel eine Gruppe Mittzwanziger in enge schwarz-rote, -gelbe und -blaue Overalls zwängt, sich nur auf Basis eigenartiger Laute verständigt und zur Begrüßung Handgesten mit gespreizten Fingern ausführt, kann man sich relativ sicher sein, dass es sich nicht um eine fremde Lebensform, sondern um die Anbetung eines Films mit Kultstatus handelt. Um ein kulturelles Werk zum Kultstatus zu erheben, muss es von seinem ehrwürdigen Platz hinter der Vitrine geholt und in Aktion gebracht werden – es muss etwas mit dem Werk geschehen. Bisher dachte ich immer, dass das mit bildender Kunst schwer möglich sei. Wie durch ein Sieb wird alles gefiltert, was sich auch nur im Entferntesten als Kunst ausgibt. Das was hängen bleibt, wird in Galerien ausgestellt und gilt fortan als „Klassik“. Der Rest fällt durch, wird weitergespült und bleibt von denen, die Kultbuttons vergeben, unentdeckt.

Kunst & Kult Ich habe im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von Veranstaltungen miterlebt, in denen Kunst inszeniert und zelebriert wurde. Mittlerweile kann ich meine Vermutung über die Kultivierung von Kunst revidieren.

Gäbe es wirklich eine solche immerwährende Fehde zwischen Lehrer Klassik und Kumpel Kult – Viele in Magdeburg hätten den Streitschlichter gemimt. Sprayer, die Freiluftateliers auf verlassenen Industriegeländen gründen und zeigen wie Kunst entsteht. Künstler und Fotografen, die alte Krankenhäuser zu Galerien transformieren, in denen abends zwischen Kunst und Kitsch Partys gefeiert werden. Hautkünstler, die vor den Augen von Zuschauern Meisterwerke zwischen Epidermis und Subcutis bannen. Musiker, die mit elektronischen und akustischen Klängen mitten in der Nacht das Kunstmuseum in ein ganz anderes Licht rücken. Und viele mehr, die zeigen, was wirklich wichtig ist an der Kunst: Man schaut sie sich an und empfindet etwas. Dabei ist eigentlich egal, ob man es schlussendlich Klassik oder Kult nennt. »»Text: Susann Schwass »»Bilder (v.l.n.r.): Picasso, Kahlo, Klimt Youngspeech 5


MusikKult

Stoner Würde man die Gitarre noch tiefer stimmen, würde man über braunen Ton, die man zur Genüge aus dem Fernsehen kennt, Wie sich eine kleine Rockszene zu einem Mantra entwickeln kann.

»»Hey, spürst du das auch? » Was denn? »»Genau! Man hört es heranrollen, reinkrachen, sich anschleichen und aufbäumen oder ganz schlicht: durchreiten. Egal ob mit droptunings durch verzerrte Amps gejagt oder einfach akustisch, ja fast schon Country-like – die Stoner Szene, die sich etwa Ende der 80er, Anfang der 90er selbst gemeißelt hat, bedient ein enorm „breites“ Spektrum an Musikbegeisterten, Friedenspfeiferauchern und ja, auch ein bisschen Hippies. Sieht man sich den Geburtsort, die Palm Desert in Kalifornien, und die Mannschaft an, die dahinter dreht, wird klar, dass man in dieser Gegend gar keine andere Wahl hat, außer heiße, drückende Riffs rauszublasen, die so schleppend daherschwingen, dass man sich mit zusammengekniffenen Augen durch jede dieser sonnendurchzogenen Ödlandschaften grooven kann. Zu den Vorreitern dieses großen Pferdes gehören die heavy-Rockband „Kyuss“, die Doom Metaller „Sleep“ und die etwas mehr in die psychedelische Sludge (hört sich an, wie es sich übersetzt – „Matsch“ – schleppender, grooviger Metal) Richtung trabenden Cowboys „Monster Magnet“ und „The Melvins“.

Rock Experimente und Witze mit dem wahrscheinlich nicht mehr so lachen.

Wie aber auch in jedem Subgenre der Musik, darf man frühe Einflüsse aus Proto-Metal und Psych-Rock, wie hier „Black Sabbath“, „Led Zeppelin“, „Sir Lord Baltimore“, „Leafhound“ und „Blue Cheer“, keinesfalls herauskrümeln lassen. Die Attitüde dieser im Rauchen ihrer Verstärker verschwindenden Seelen lässt sich am besten gar nicht beschreiben. Sondern einfach erfühlen. Man muss nur ihre Musik in das Kassettendeck seines unerlässlichen Muscle Cars schmeißen, den Bassregler aufdrehen und dann abreißen, weil man danach bis auf das Gaspedal und 'ne Handbremse eh nichts mehr in seinem Auto betätigen muss. Dazu noch das Bild eines unendlich scheinenden Highways vor Augen, auf dem der Straßenhorizont im Hitzedunst seicht verdampft. Von da an heißt es nur noch: Karre an, Lautstärke auf 11, Sonnenbrille auf und Reifen qualmen lassen, bis der Tank so trocken ist, wie die zerfressenen Kadaver von Erdmännchen am Straßenrand. Und wem jetzt noch nicht das Hirn ausgekocht ist, der darf sich gern in der großen Bandvielfalt dieses wirklich von Herz erfüllten schleppenden, psychedelischen, Redneck-angehauchten, schweren Lifestyles die Sinne vernebeln lassen. In diesem Sinne kann ich euch nur noch sagen: „ … go with the flow … “

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PlattenKult

u k l t n e t t a l P Vor fast genau 120 Jahren legte der Hannoveraner Emil Berliner mit seiner Erfindung der „Schallplatte“ den Grundstein für etwas, das wir heute für selbstverständlich halten: tragbare und jederzeit wieder abspielbare Musik. Lange Zeit war die schwarze Scheibe der unangefochtene Tonträger Nr. 1. Seit den 70ern wurde sie zunehmend durch Tonbandtechnik, Compact-Cassette und schließlich durch die Compact-Disc in den Hintergrund gedrängt. Heute in Zeiten des iPods zeichnet sich eine erneute Trendwende ab. In den einschlägigen E l e k t r o f a ch m ä r k t e n werden wieder VinylAbteilungen eingerichtet. Allein im Jahr 2012 ist der Umsatz an Plattenverkäufen in Deutschland um 40% gestiegen – Die Scheibe ist wieder salonfähig. Doch was verschaffte dem eigentlich überholten Tonträger ein derartiges Comeback? Mitten im Herzen von Stadtfeld Ost liegt das Woodstock. Seit Mitte der 90er betreiben Winfried Ebert und Fatima den kleinen Laden in der Friesenstraße 54. Ich sitze in der Sesselecke und lasse mir von Winfried bei einer Zigarette erklären, wie er dem Plattenkult verfallen ist. „Das ist eher zufällig gekommen, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht.“ Für ihn hat der Plattenkult eine simple Erklärung: „Schallplatten sind Kunstgegenstände. Das betrifft sowohl den Inhalt, als auch die oft ästhetisch sehr anspruchsvoll gestalteten Cover.

Dabei ist das Spezielle der Platte, dass man sie aufgrund ihrer Größe mit beiden Händen greifen muss und sie dadurch intensiver wahrnimmt, im Gegensatz zu einer CD.“ Die wohl ausschlaggebendste Eigenschaft der Platte, welche ihr zu diesem Kultstatus verholfen hat, sei jedoch ihre besondere Haltbarkeit in Verbindung mit dem unverwechselbaren Klang. Schließlich könne man sich heute noch problemlos 80 Jahre alte Scheiben anhören. Wieder zu Hause angekommen, öffne ich den Deckel meines betagten RFTPlattenspielers, lege meine eben gekaufte Grand Funk Railroad-Scheibe auf und setzte den Nadelarm in Bewegung. Das leise Knacken beim Kontakt der Nadel auf dem Vinyl verrät mir, dass es gleich los geht. Es ist immer wieder ein besonderes Erlebnis, eine Platte zu hören. Die an einen festen Ablauf gebundene Vorbereitung zum Abspielen, die Vorfreude auf die Musik beim Betrachten der Hülle, schließlich der Genuss des weichen und vollmundigen Analogsounds, wenn die ersten Töne durch die Boxen dröhnen – ein Festakt. Es ist eindeutig: die Schallplatte hat viele neue Tonträgergenerationen überdauert und sie wird auch die iPod-Ära des digitalen Zeitalters überstehen. Das allein schon bestätigt, das schwarze Gold ist und bleibt Kult. »»Text: Tony Hannig

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Kultorte (Magdeburg)

KultOrte Flowerpower [1]

Kulturwerk Fichte [4]

Die Lokalität, in der die Kühe von der Decke hängen, besucht man in der Regel nur kurz auf ein Bier. Doch plötzlich stellt man morgens um vier schwankenden Fußes fest, dass es sich nach diversen Hausschnäpsen viel besser kickern lässt. Den nächsten Nachmittag verbringt man dann in der Regel damit, die blauen Flecken zu zählen, die bei der letzten Runde Pogo entstanden sind.

Zu finden sind in der Fichte all die Dinge, die man noch nie gesucht hat, aber plötzlich ganz dringend braucht. Da entwickeln sich auch ganz gern ungeahnte Leidenschaften für original Schwarzwälder Kuckucksuhren von 1813, alte Kaffeemühlen von Oma, Jugendstiltürbeschläge, Kaminuhren im französischen Stil. Doch was wollte ich hier eigentlich? Ach ja, eine Gießkanne.

Bingöl [2] Durchzechte Nächte machen Hunger und zwar auf Döner. Unweigerlich landet man auf dem Heimweg kurz vor fünf noch im Bingöl am Hassel. Dort erfreut man sich nicht nur des Essens und der Späße des Servicepersonals, sondern trifft auch alle unterwegs verschollenen Freunde wieder.

Elbtreppen Weil es nachts im Stadtpark leider ziemlich finster ist, bieten die Elbtreppen in lauen Sommernächten eine entspannte Alternative zum Beisammensitzen an der Elbe. Besonders geeignet ist dieser Ort auch, um sich gehörig das Karma zu verderben, wenn mal wieder das Partyboot eines Junggesellinnen-Abschieds vorbeizieht und leider doch keine der angetrunkenen Damen über die Reling stolpert.

Pavillon am Adolf Mittag See [3]

Schöne Dinge Café [5]

Die Faszination dieses Ortes bezieht sich natürlich auf rein architektonische Aspekte und geschichtliche Hintergründe. Sicherlich wurden dort im Sommer noch nie wilde Grillpartys gefeiert und ganz bestimmt ist danach auch noch niemand ausversehen in den See gefallen. Zumindest fehlen davon stets jegliche Erinnerungen.

Nach einem ausgiebigen Bad in der weltbesten Lavendelschokolade gibt es in der ehemaligen Apotheke nicht nur schöne Dinge zu bestaunen, sondern auch gleich zu kaufen. Für den etwas kleineren Geldbeutel lassen sich auf dem Weg zur Toilette übrigens die besten Schnäppchen entdecken. Bisheriges Lieblingsstück: Fundierte 89er Fachlektüre zum Thema „Liebe und Sexualität bis 30“.

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Interview

Pierre M. Krause, 37 Jahre alt, geboren in Karlsruhe, Moderator, Autor, Komiker, Schauspieler, Mensch. Das »M« steht entweder für »Medienmogul« oder »Marcel« - die Quellen sind sich da uneins. Nach einer Ausbildung als Bankkaufmann und angefangenem Studium wandte er sich einem ehrenvollen Beruf zu und ging zum Fernsehen. Er produzierte privat Kurzfilme und erhielt die Möglichkeit, das Format dasding.tv zu entwickeln und zu moderieren. Seit 2005 moderiert er SWR3 Latenight und spielt darin einige Rollen in Einspielern. Er ist bekannt für seinen Wortwitz, absurde Gags, einen jungen Humor und wilde Praktika. Im TV sieht man ihn zudem bei Harald Schmidt und diversen eigenen Formaten. Bereits oft für verschiedenste namenhafte Preise nominiert, bekam er davon weniger als verdient. Im Januar schien das Dschungelcamp in den Medien ja unumgänglich. Dann im Februar die Grimmenominierung. Was Bushido für den Integrationsbambi ist, ist das Dschungelcamp für den Grimme-Preis. Du bist diesmal nicht nominiert, wirst du nächstes Jahr in Australien anzutreffen sein und wie erklärst du dir den Erfolg des Formates Dschungelcamp?

Bist du eher froh über die Vorlagen für Witze, die das Dschungelcamp dir liefert oder siehst (selbst) du in dem Format eine Verrohung der Fernsehkultur? Ich bin über jede Vorlage froh. Hand drauf. Die rechte. Von Patrick Nuo. Der auch über jede Vorlage froh ist. Die Fernsehkultur wird woanders verroht. Mit deiner Show SWR Latenight bist du nun knapp acht Jahre im TV zu sehen und doch - zu unrecht - nicht so bekannt wie TV Total. Schon einmal drüber nachgedacht, dein Konzept zu ändern um eine sogenannte Quote zu erreichen? Das Konzept ist so ziemlich das einer klassischen Latenightshow – eben auf das dramatisch geringe Budget herunter

VORSICHT! Versteckte Bildung

Pierre M. Krause

Eine eitel anmutende Korrektur sei erlaubt: Ich bin tatsächlich doch dieses Jahr in derselben Kategorie ,„Unterhaltung“, für den Grimme-Preis nominiert mit der Sendung „Quiz@home“. Ich verstehe es selbst nicht so genau, aber beschwere mich auch nicht. Klar, es kann durchaus sein, dass ich nächstes Jahr in Australien anzutreffen bin. Ich habe meinen Jahresurlaub 2014 noch nicht geplant. Vielleicht wird es aber auch Neuseeland, da bin ich mir noch nicht sicher.

Das RTL Dschungelcamp ist eine unterhaltsame Sendung, die nicht nur aus professioneller Sicht schlichtweg sehr gut gemacht ist. Sie polarisiert und versammelt mehr intellektuelle Feuilletonleser vor den Bildschirmen als es den Kritikern dieser Nominierung lieb ist. Die von den Moderatoren solide aufgesagten Gags der Autoren sind hervorragend, das Cast der gescheiterten Existenzen weckt Mitleid, Voyeurismus und Schadenfreude beim Zuschauer. Im Grunde dieselben Gefühlsregungen, die bei einer Ausgabe von „Wetten, dass...?“ hervorgerufen werden. 10 Youngspeech

gebrochen. Ich mag dieses Konzept, ich mag Latenight. Die Quote interessiert mich nicht mehr, da sie um diese Uhrzeit nur geringfügige Relevanz hat. Am kontraproduktiven Sendeplatz und dem Programmumfeld gemessen ist die Quote sogar ausgesprochen gut. Solange das SWR Fernsehen diese Sendung in der zuschauerfreien Zone wegsendet und die Sendepflege so missfällig ausfällt wie aktuell, würde ein anderes Konzept an dieser sogenannten Quote allerdings nichts ändern. Auch nicht, wenn ich nackt moderiere. Oder Markus Lanz. Oder Markus Lanz nackt. Moderator, Praktikant, Buchautor, - was ist als nächstes von dir zu erwarten? Gibt es Ideen oder Konzepte für ein neues Format? Es wird eine neue sechsteilige Reihe bei EINSPLUS geben. Und das könnte richtig schön werden. Mein Terminkalender wird dadurch zwar noch unfreundlicher als ohnehin, aber ich freue mich sehr auf die Umsetzung dieser Sendung. Vielleicht kommt man dann ja sogar auf die Idee, die Sendung irgendwo zu zeigen, wo auch einer zuschaut.


"Es geht um mein Leben" war ja schon ein Novum in der Fernsehkultur - wird dies ausgebaut oder hat der TV-Markt noch mehr zu bieten demnächst? „Es geht um mein Leben“ wird vorerst nicht weitergehen. So bleibt die Sendung wenigstens ein „Novum“ und kann nicht in der routinierten Beliebigkeit versinken. Immerhin. Nein, es sind hier nicht die bösen Senderbosse. Die von EINSPLUS sind die Guten. Es war meine Entscheidung, diese Sendung nicht mehr weiter zu machen. Keine leichte übrigens. Du hast eine Zeit in Baden-Baden gewohnt - hat es die Chance zur Kultstadt? Und wenn ja, für was eigentlich? Seit Anfang des Jahres wohne ich in Karlsruhe und empfinde mit dieser neuen Distanz zu Baden-Baden wieder mehr Sympathie für die Stadt. Als Symbol für den demographischen Wandel ist die Stadt sicherlich auch kulturell nicht zu verachten. Da ich jeden möglichen Witz über diesen Ort schon gemacht habe, beantworte ich diese Frage nun einmal fast ohne Pointe: Ja, Baden-Baden ist eine Ku(ltu)rstadt. Immer mal eine Last Minute Reise wert.

Wie stehst du zu der Retro-Welle - sind Hipster in Baden-Baden schon ein "Problem" oder einfach nur Touristen? Dort trägt man die Retroklamotte nicht aus Retrogründen, sondern einfach immer noch. Hier sind die wahren Hipster. Thema Kindheit: hast du als Jugendlicher Fernsehserien gesehen oder gab es Magazine, für die das karge Taschengeld verbraucht wurde? Ob ich als Jugendlicher Fernsehserien gesehen habe, fragst Du? Ich frage mich eher, was ich dazwischen gemacht habe. Ja. Ich habe fern gesehen. Alles, was drei Programme zu bieten hatten. Und ich war absolut treuer YPS-Käufer. Mein größter Tag war, als einmal sogar eine Zeichnung von mir dort veröffentlicht wurde. Meine erste große Publikation war das. Süddeutsche.de titelte 2011 "Pierre Krause bei der ARD: Fast eine Karriere", hatte es ein Jahr später geklappt? Inzwischen moderiere ich vier bis sieben progressive Shows im ERSTEN, darunter drei Prime-Time-Abendsendungen, in denen Jörg Pilawa mein Sidekick ist und ein kleines dressiertes Äffchen in Pagenuniform ausnahmsweise auch mal abends Schellen aneinanderschlägt. Meine Karriere ist am Zenit, ich müsste nicht mehr arbeiten, tue es aber für das Publikum.

Namedropping: TV-Helden (Gewinner: Deutscher Fernsehpreis 2oo9) Es geht um mein Leben (2x Grimmepreis-nominiert), Harald Schmidt-Sidekick (2oo1-2o13), Quiz@home,

Denkst du, dass du im ach so hippen Berlin vielleicht noch mehr Chancen in der Medienwelt hättest? Nein. Ich kenne viele Leute, die dort wohnen, um dann in Köln zu arbeiten. Für mich wäre es logistischer Unsinn, nach Berlin zu ziehen. Ich kann auch in Karlsruhe mit Nerdbrille, Fedora und Skinnyjeans im Café sitzen und mein Smartphone streicheln. Köln ist immer noch die Fernsehstadt Nummer eins, ob man nun will oder nicht. Ich habe dort vier Jahre gelebt, bin beruflich immer noch regelmäßig da und sitze dann auch gerne wieder im ICE nach Hause.

Die Wahrheit ist: Ich bin für Berlin nicht cool genug. Und ich habe gerne Arbeit.

SWR Latenight (seit 2005 - SWR3, jeden Freitag Nacht ab o:o5Uhr) Buchautor: Hier kann man gut sitzen. Geschichten aus dem Schwarzwald.

dich Was ist für

Kult?

Kult ist nicht generierbar, kann nur natürlich wachsen. Der Begriff ist zum inflationären Marketingterminus geworden, so dass ich das Interesse am Kult in diesem Sinne verloren habe. »»Interview: Jörn Rohrberg »»Foto: Pierre M. Krause Das ganze Interview unter: »»www.youngspeech.de/pierre Youngspeech 11


Rezensionen

Luchterhand Literaturverlag , 14,99 €, 382 Seiten

Kevin Wilson -

Die gesammelten Peinlichkeiten unserer Eltern in der Reihenfolge ihrer Erstaufführung Das Leben als Live-Performance: Camille und Caleb Fang sind ein KünstlerEhepaar, das keinen Einkauf und keinen Restaurantbesuch unternimmt, ohne ein Spektakel zu inszenieren. Da kommt es ihnen ganz recht, dass sie Kinder haben, denn die Sprösslinge werden in die Echtzeitkunst mit eingebunden. Mal stehen sie für ihre Eltern Schmiere, mal müssen sie an Schönheitswettbewerben des anderen Geschlechts teilnehmen. Eine verkorkste Kindheit Annies und Busters ist offensichtlich, ein stabiles Leben im Erwachsenenalter fragwürdig. Dort setzt die Handlung ein: Buster, erfolgloser Schriftsteller und Redakteur bekommt bei einer Recherche über eine Kartoffelkanone eine Kartoffel ins Gesicht geschossen und ist fortan entstellt. Das treibt ihn, wie auch wenig später seine Schwester, zurück zu Caleb und Camille Fang. Und natürlich planen die Eltern sofort neue Happenings. Kevin Wilson erzählt eine von Grund auf verstörende Familiengeschichte – dank kruder Charaktere und SlapstickElementen an der Grenze zur Comedy.

KiWi-Paperback, 8,99 €, 304 Seiten

Columbia d (Sony Music) , 15,99 €, Audio-CD

Tino Hanekamp - Sowas von da

Sebastian Lind – I will Follow

Dass man von Zuhältern kein Geld leiht, gebietet der gesunde Menschenverstand. Oskar Wrobel macht es trotzdem, um seinen Club gebührend zu schließen – mit einer Silvesterparty, von der St. Pauli noch in zehn Jahren sprechen soll. Probleme vorprogrammiert: Oskar bleibt nur noch ein halber Tag, seine Party vorzubereiten. Und der Zuhälter ist ihm mit seinem Trupp auf den Fersen. Schlägereien, Autounfälle und Sehnsucht nach der Ex sind zudem für den geplanten Event keine große Hilfe.

„Hallo, ich bin Sebastian Lind aus Dänemark, 23 Jahre alt, 172 Zentimeter klein, oder je nach Sichtweise auch groß.“ Lind, wie er sich selbst vorstellt, wirkt ein klein bisschen naiv, ein klein bisschen verträumt. So klingt „I will follow“: Unkompliziert, leichtfüßig und melancholisch. Musik, die am besten zu einem Spaziergang im Schnee passt – oder auch zum Schlendern an einem windig-bewölkten Strand, wie man sich die Strände von Dänemark vorstellt . Linds Pop-Debüt steckt voller Gitarrengezupfe und Elektrogeklirre, voller Ideen – verspielt und aufmüpfig, wie nur ein junger Anfang-Zwanzigjähriger Musik machen kann. Gerade deswegen ist diese Popseifenblase so authentisch, darum sitzen die Arrangements, möchte man meinen: Denn Lind geht ganz selbstverständlich und kompromisslos an seine Stücke heran. Nicht so viel überdenken und planen, einfach machen. So bleiben die Songs locker und gehen ins Ohr. Da wundert auch nicht, dass Lind bereits Support von Acts wie Clueso war.

Bücher mit Achterbahnfahrten zu vergleichen ist ausgelutscht, hier aber berechtig: Turbulent geht es zu, ein Ereignis jagt das nächste, Ruhepausen werden dem Leser bei den – zugegeben: stellenweise kitschigen – Einschüben angeboten, die Oskars Beziehung zu seiner verflossenen Liebe erzählen. Hanekamp, selbst Clubbetreiber des Übel & Gefährlich, füllt die Seiten mit einer poppigen Schreibe. Kurzweilig und überbordend versprüht „Sowas von da“ den Esprit eines Matthias-Schweighöfer-Films. Kann man halt mögen.

»»Alle Texte: Dominik Grittner 12 Youngspeech


GOODBYE SAMPLER [1] Kasabian – Goodbye Kiss Wir machen Schluss. War ja absehbar, wenn wir ehrlich sind. Am Ende war die Luft raus. Wir reden ganz entspannt, ganz zwanglos. Ich gebe mich abgeklärt. Die Würde bewahren und so. Ein Freund sagte mal, das wäre der Trick mit den Frauen: Bloß nicht zeigen, dass man schwitzt. Ich sage zu ihr: „Die Zeit war schön gewesen, bis zu einem gewissen Punkt.“ Und dann solle man ja aufhören. Sie nickt. Alle Klischees, die die Leute über das Schlussmachen sagen: Sie stimmen. Sie redet von Freundschaft, man kenne sich ja so gut, man wäre sich ja immer noch wichtig und irgendwie zum besten Freund geworden, blablablabla … Ich bin cool und sage: „Mal schauen.“ Nachts liege ich betrunken im Bett. Ich habe Magenkrämpfe, Kopfschmerzen. Stehe auf, gucke Fernsehen, lege mich wieder hin, stehe wieder auf. Von wegen abgeklärt. [2] MeWithoutYou – Messes of Men Tina is gone. Tina is gone. Keine Ahnung warum, aber diese drei Worte schießen mir immer wieder in den Kopf. Ich gehe durch meine Wohnung: Ihre Zahnbürste wird sie nie mehr benutzen, ihre Hausschuhe nie wieder anziehen – Also schmeiß alles weg. Jawoll! Dazu nen Whisky. Abends kommt Mirko, wir reden nicht viel. Er ist da, das reicht. Wir gucken Dark Knight Rises und als das Footballstadion gesprengt wird, schlafe ich ein. Das erste Mal seit Tagen, wenn auch nur für zwanzig Minuten. Mirko sagt, ich hätte mein Bestes gegeben und da schreie ich auf: „Nein!“ Vielleicht hab ich das tatsächlich, aber ich ertrage den Gedanken nicht, mein Bestes gegeben zu haben und gescheitert zu sein.

Text: Dominik Grittner

short story

[3] Lana del Rey – Ride Frisch Single = Party. Alle Klischees und so. Egal, ins Gefecht: Reich mal den Joint, gib mal den Captain. Schlafe mit einer anderen, denke dabei an Tina. Denke an einen Sonntagnachmittag im Juli. Ich lag im Bett, sie legte sich dazu und wir dösten in der Sommerhitze. Ich war so wach, so voll da. Lass das, vertrau dir nicht. Im Nachhinein glorifizierst du das alles. Weitertrinken. Weiterreden. Nächte unterwegs sein, Tage verpennen. Vergessen. Das funktioniert auch, in einem gewissen Maß. Schlimm ist nur der Moment, wenn ich nach Hause komme. Er ist ganz kurz, ein aufblitzender Gedanke, erwischt mich aber wie ein Eimer kaltes Wasser: Ich bin trotzdem allein. [4] Radiohead – How to disappear completely Meine Freunde sind schon genervt, ich fange das Thema gar nicht mehr an. Vielleicht bin ich auch genervt von ihnen. „Trennungen passieren“, „Du bist bald drüber hinweg“, „War besser so“… Maul halten! Ja, es passiert ständig und es passiert Millionen von Menschen. Heißt doch nicht, dass ich das achselzuckend hinnehme. Das ist meine Story, meine Trennung. Und sie ist die verdammt nochmal Schlimmste der Welt. Will in Ruhe gelassen werden, schließe mich ein paar Tage ein. [5] Damien Rice – The Blower’s Daughter Das hat mir gefehlt: Arbeit an etwas. Ich habe einen Sampler gemacht. Er hat eigentlich nur fünf Songs, aber das ist ja meistens so. Es gibt ein paar Kernsongs, die voll ins Schwarze treffen, der Rest baut sich drumherum auf. Ich gucke einen schlechten Adam-Sandler-Liebesfilm. Langsam finde ich mich mit der Situation ab. Muss ja weitergehen. Ja ja, alles besser so. Ich schreibe Tina – so ganz beiläufig. Kann ja mal offen sagen, dass ich sie vermisse. Ich fühle mich bereit, das zu sagen, jetzt, so mitten in der Nacht. Sofort kommt zurück: „Ich vermisse dich auch.“ Ich rufe an. Wir verabreden uns, ich fahre zu ihr. Ich bin ein verdammter Feigling.

Youngspeech 13


Meinungsfreiheit

» Für

mich ist Kult, mit meinen Kumpels alte Filme mit Bud Spencer und Terence Hill zu gucken. Außerdem kochen meine Freunde und ich jeden Mittwoch zusammen. Das ist mittlerweile auch zur Gewohnheit geworden und hat für mich persönlich Kultstatus. Allgemein finde ich es sehr schwierig, den Begriff abzugrenzen, aber es muss nicht unbedingt etwas mit Religion zu tun haben.

?

Christian, 25, Mechanik-Student

»

Annelore, 77 und Horst, 79, Rentner

Wir verstehen unter Kult das Weitergeben von Riten und das Festhalten an Traditionen. Dazu zählen für uns der regelmäßige Kirchenbesuch und dass der Sonntag als Ruhetag verstanden wird und nicht dem Kommerz zum Opfer fällt.

» Kult

Lisa, 21, Germanistik-Studentin

ist für mich all das, was sich über mehrere Generationen rettet und immer noch eine große Anhängerschaft mit sich zieht. Einfach etwas, was niemals ‚out‘ sein kann und somit zeitlos ist. Für mich gibt es vor allem Klassiker in der Musik, die mich immer noch begeistern und die jeder kennt, wie zum Beispiel ABBA oder die Neue Deutsche Welle. 14 Youngspeech

W as ist K u lt W as ist K u lt » Kult im Allgemeinen sind Dinge,

die nicht nach einer Saison ‚out‘ sind, sondern zeitlos aktuell. Für mich speziell zählen dazu auf jeden Fall Converse Chucks. Julia, 20, Germanistik-Studentin

Beatrix, 53 und Henry, 54

»

Unter Kult verstehen wir, unsere Freizeit gemeinsam zu verbringen. Dazu gehören Kino- und Theaterbesuche, Spaziergänge oder zusammen Science-Fiction-Filme zu schauen. Mit Religion würden wir den Begriff nicht in Zusammenhang bringen.


Valentin, 18, Abiturient

Was genau ist eigentlich Kult und was bedeutet der Begriff für jeden persönlich? Die ursprüngliche Bedeutung stammt aus dem Bereich der Religion und bezeichnet die Gottesverehrung. Doch im modernen Sprachgebrauch wurde der Begriff ausgeweitet. Heutzutage kann fast alles, vom iPad bis zu Michael Jackson, einen Kultstatus erreichen. Luisa, 14, Schülerin

» Meiner Meinung nach hat Kult nicht immer nur eine positive Seite, zum Beispiel wenn sich Menschen zu Sekten, wie der Satanssekte, zusammenschließen und Riten missbrauchen. Zu den ‚guten‘ Kulten gehört, dass ich seit Jahren im Februar mit meiner Familie eine Woche im gleichen Ort Ski fahre.

»

Die alten VW-Busse sind für mich Kult. Wir besitzen selber einen und für uns steht er für das Gefühl von Urlaub und Freiheit! Sarah, 25, Diplomkünstlerin

Youngspeech hat sich auf die Suche gemacht und wollte herausfinden, was man in Magdeburg und Halle (Saale) unter diesem doch recht weitläufigen Begriff versteht.

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»  Meine Mutter stammt aus Peru, doch spezielle Kulte aus Südamerika haben wir nicht. Anstatt Apfelsaft sage ich oft zumo de manzana , aber das ist eher eine Gewohnheit . Pokémon und Dragonball Z haben auf jeden Fall Kultstatus. Sie erinnern mich an meine Kindheit.


Meinungsfreiheit (2)

Johannes, 20, Student

»

Kultstatus besitzt für mich mein geliebter adidas Samba! Ich habe ihn jahrelang getragen und gehegt und gepflegt. Obwohl er schon längst komplett zerfleddert ist, wäre Wegwerfen für mich undenkbar! Bei anderen Schuhen ist dies für mich normalerweise kein Problem.

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W as ist K u lt W as ist K u lt

Magdeburg Halle / Saale »

Kult ist, wenn etwas ‚in‘ ist und viele Menschen das gerne machen, dazu gehören zurzeit Jutebeutel, Club-Mate und Air Max. Mein persönlicher Kult sind Schallplatten. Am liebsten höre ich welche von Pink Floyd, Elton John und Billy Talent.

»»Fotos: Anne Strackeljan, Andreas Lilienthal Tammy, 15, Schülerin

Meinungsfreiheit

» Für mich ist Eishockey Kult! Innerhalb

weniger Sekunden kann sich das Spiel plötzlich ändern. In 60 Minuten durchleben die Mannschaften, sowie die Zuschauer ein Wechselbad der Gefühle und am Ende geht man mit neugewonnenen Freunden aus der Halle …

16 Youngspeech

Christin, 21, Auszubildende


Betamind M

USE - THE 2ND LAW (ArtRock) Ein Musik-Konglomerat zwischen Rock, Pop, NewProg und Dubstep. Ein Album vollgepackt mit einem Muse-typischen GenreMix von BombastElectrock über StadionPop bis hin zum verstörenden DubRock. Unüberhörbar: Die Queen-Einflüsse.

D

N

B

EFTONES – KOI NO YOKAN (AlternativeMetal/Nu Metal)

EW ORDER – LOST SIRENS (SynthRock)

IFFY CLYRO – OPPOSITES (Alternative-PopRock)

Sphärische GitarrenWände und Chino Morenos unverwechselbare, pathetische Stimme, brachiale RiffGewalt und melancholische Tiefe.

Album? EP? Unreleased-Tracks-Compilation?

Die Schotten lösen auf ihrem neuen Doppelalbum die musikalische Handbremse und verbessern ihr gesamtes Songplay.

SOUNDGARDEN – KING ANIMAL

(Alternative/Grunge)

Das neue Album ist straighter und moderner als sein Vorgänger. Die dreckige Crazyness ist einem modernen, fast schon progressiven Alternative gewichen.

Sie bewahren sich ihre innovative Crazyness. Dazu bringen sie verschiedenste Einflüsse ein und experimentieren mit Streichern, Bläsern und Dudelsäcken. So entstehen heftige Moshparts genauso wie radiotaugliche PopStücke. Opposites ist zweifellos eines DER Platten des Jahres. powered by

Ein völlig in sich stimmiges Album, das es schafft, noch ein Stück besser zu sein als die Vorgängerplatte.

Die New-Wave-Legende aus Manchester bringt ein 8-Track-Irgendwas heraus. Musikalisch trifft sich New Order irgendwo zwischen The Cure, Trail of Dead und Depeche Mode. Trotz ihrer 35 Jahre auf dem Buckel klingt es verdammt frisch und geht sofort ins Ohr.

BetaMind Music Youngspeech 17


Light

Coke ///// & ...

Model:

Caroline Adam Bay 19 Jahre, Magdeburg

Kunden: Schwarzkopf, s.Oliver, Frontlineshop, Coca-Cola light www.Seedsmanagement.de 18 Youngspeech


Youngspeech 19

Foto: Fabian Benecke


Interview: Eppert sucht… Kult Ein Thema, drei Geschichten – die Sendung Herr Eppert sucht... auf zdf.neo beleuchtet Dinge wie Liebe oder Geld von unterschiedlichen Seiten. Herr Eppert kommt so zwar auf kein eindeutiges Fazit, aber den Themen durch neue Perspektiven ein Stück weit näher. Youngspeech wollte dem Begriff Kult näher kommen und traf sich mit Thorsten Eppert in Hamburg. Gemeinsam wurde philosophiert, was es eigentlich mit Kult auf sich hat und wie viel davon in seiner Sendung steckt. Was ist für dich Kult? Mit dem Begriff kann ich wenig anfangen. Ein Beispiel ist Pulp Fiction: Der Film wird als Kult bezeichnet, ist mittlerweile aber Mainstream. Je länger ich über Kult nachdenke, desto alberner finde ich den Begriff. Eigentlich finde ich, Kult ist im Zusammenhang mit irgendwelchen Sachen oder Gegenständen immer Schrott. Ich sage eigentlich selber gar nicht 'Kult'. Ich halte auch wenig für Kult. Alle sagen ja, Mad Men sei eine Kultserie. Ich gucke auch Mad Men, aber mich interessieren die gut geschriebenen Geschichten mehr als die tollen 60er Jahre Möbel oder alles, was so viele daran kultig finden. Der Begriff Kult wird auch komisch verwendet.

Ich habe letztens sogar über Waldemar Hartmann gelesen, er sei Kult. Hallo? Alles, was Kultcharakter hat, ist schon wieder Schrott? Na ja, ich glaube es würde mich einfach nicht anziehen, wenn jemand sagen würde: Weißt du was, wir sind jetzt in Berlin, lass uns mal in die absolute Kultkneipe gehen. Da würde ich höflicherweise mitkommen, aber ich würde nicht erwarten, dass es da toll ist. Ich würde Touristen am Tresen erwarten. Eigentlich hat es für mich eher etwas Abwertendes als etwas Positives. Aber vielleicht komme ich noch auf etwas, was ich total kultig finde. Wir haben ja in Deutschland den Tatort. Der wird Sonntags gemeinsam in Kneipen geguckt und ist für viele kultig.

„Weiß denn irgendjemand, was Kult wirklich sein soll?“ Thorsten Eppert im Interview


Welche Themen brachten dir bisher die besten Quoten?

Da dachte ich auch, ich muss das tun. Das war wahrscheinlich so kultig, dass ich das zweimal gemacht habe und dann merkte: Der Tatort ändert sich nicht. Ich finde ihn immer noch langweilig. Aber eine Zeit lang fand ich das wohl auch irgendwie kultig, zusammen Tatort zu gucken. Deine Sendung hat für manche Leute auch schon Kultcharakter. Kultcharakter klingt jetzt wiederum in dem Zusammenhang nicht schlecht (lacht). Könnte man sagen, dass deine Sendung jetzt schon im Mainstream angekommen ist? Die Zuschauerzahlen stimmen dafür nicht ganz.

Das Pornothema war – nicht ganz überraschend – für unsere Maßstäbe ein Quotenknaller. Es waren allerdings nicht immer die krassen Sachen, manchmal auch die auf den ersten Blick ganz normalen, die sehr gut ankamen: zum Beispiel die Sendung „Liebe“ mit dem alten Ehepaar. Das war ein einfaches, stinknormales Thema, aber trotzdem irgendwie für unsere Generation doch etwas Neues, dass Leute so lange zusammen sind. Das kam, wenn ich mich recht erinnere, von den Quoten her ganz gut an. Ihr seid ja bei Kult, vielleicht ist es dann – ich trau mich gar nicht, den Begriff zu sagen – für manche Leute schon wieder kultig, wenn Menschen so lange zusammen sind. Das ist etwas Besonderes. Denkt man nicht eigentlich, dass Kult etwas sei, das man erreichen und präsentieren möchte wie einen Orden? Wenn man darüber spricht, hat Kult ja für denjenigen, der das Wort benutzt, nie etwas Negatives an sich. Ja, ich glaube manche Menschen legen Wert drauf, kultig zu wirken: Johnny Depp wahrscheinlich. …

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Youngspeech 21


…Was der Typ macht, ist halt nun mal nur das, was man für kultig halten könnte. Er hat ein Boot, das nach 1910 aussieht. Er guckt nur irgendwelche Noir Filme. Natürlich war er mit Vanessa Paradis zusammen. Er hat eine Bar in Paris. Der Typ sagt sogar noch ganz anständige Sachen auf dem roten Teppich. Wahrscheinlich ist er der langweiligste Mensch der Welt, aber er macht nur kultige Sachen. Wenn Herr Eppert einen Kultabend veranstalten würde, wie würde der aussehen? Nach eurer Definition ist wahrscheinlich das kultigste, was ich mache, Mad Men oder The West Wing zu Hause zu gucken. Mehr Kult mache ich nicht. Ich bin Familienmensch und bringe meine Kinder abends ins Bett. Was im Gespräch aufgefallen ist: Wir reden von Kultcharakter, von kultig und etwas ist Kult. Das sind ja auch verschiedene Zuschreibungen. Kann man das vergleichen? Umgangssprachlich schon, aber klar hat Kult unterschiedliche Bedeutungen. Wenn wir jetzt eine Sendung über Kult machen würden, wäre wahrscheinlich das erste, woran wir denken würden, ein krasser Kult um irgendetwas. Als erstes würde ich auf so etwas wie Satanisten kommen. Einen Kult um irgendetwas betreiben, aber eher in die bizarre Richtung, also wofür Menschen sich so begeistern können. Dann würde ich wahrscheinlich hoffen, dass zdf.neo mich an das Set von Mad Men schickt und ich zwei Tage Jon Hamm interviewe. Und dann würde ich nach zehn Jahren versuchen, mal wieder Tipp-Kick zu spielen.

22 Youngspeech

Nochmal zum umgangssprachlichem Gebrauch: Weiß denn irgendjemand, was kultig wirklich sein soll? Leute, die Waldemar Hartmann geil finden, die sagen, das ist ein kultiger Typ. Oder Leute, die Bier mögen, sagen gerne „das ist ein Kultbier“. Die finden das halt im Moment klasse und deshalb ist es irgendwie Kult. Und es macht einen natürlich auch speziell, man trinkt halt nicht irgendwas. Kultig hat ja auch den Status, dass nicht nur ich das geil finde, sondern es muss ja noch mehr Leute geben, alle cool natürlich. Da komme ich aber noch mit bei der Definition von Kult und kultig. Ich verstehe, was die Leute meinen und finde es dann gut oder vielleicht auch nicht so gut. Bei Sachen, wo Kult zum Marketinginstrument wird, finde ich es ganz schrecklich, weil sich alle cool fühlen dürfen, wenn sie etwas Kultiges trinken, essen, rauchen, machen. Was soll bitte ein Kultmusical sein? Oft finde ich den Begriff ganz schlimm. Bei anderen Sachen komme ich mit dem Wort zumindest klar. Da weiß ich, was gemeint ist. Ehrlich gesagt, der Begriff ist total verwirrend.

Zur Person: Thorsten Eppert kommt ursprünglich aus Rheinland-Pfalz. Er ist 40 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter. Bevor er seinen Weg in den Journalismus fand, studierte er bereits Medizin, VWL und schließlich Politikwissenschaften an der London School of Economics. Später schrieb er für einen Online-Reiseführer, arbeitete als Redakteur beim ZDF und als Reporter im In- und Ausland. Er gründete seine eigene Produktionsfirma und erarbeitete schließlich gemeinsam mit zdf.neo die Sendung Herr Eppert sucht …

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Gefunden: Herr Eppert



Trink-Kult(ur)

Darf es ein Schlückchen mehr sein? Der Kulttrinker entwickelt sich.

Aloha, Bios, Now, Wostok, Zisch, Wild Fire, Coca Cola, ClubMate, Wein, Bier – die Liste scheint schier endlos. Das Getränkeangebot, nicht nur im Supermarkt gegenüber, ist heutzutage nahezu unerschöpflich.

Doch viel interessanter ist, dass sich die entsprechenden Käufer, so sagt das Klischee, meist sofort zuordnen lassen: eine wahre Klassengesellschaft. Der Kultstatus wagt sich in die Trinkkultur ... und wir wagen uns an die Klischees.

Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich mich in unserer ersten Ausgabe schon einmal mit sogenannten korrekten Getränken und deren Machern beschäftigt. Damals stellte ich fest, dass die Limonade nicht mehr nur, wie mir in meiner Kindheit suggeriert wurde, ein bloßes Getränk sei, sondern ein Statement, getreu dem Motto: „Du bist, was du trinkst!“ Schon während der damaligen Recherche wollte ich dieses Mysterium selbst ausprobieren. Ich wagte mich an das „kultigste“ Getränk, das ich kannte und bestellte eine Club-Mate. Ah, Club-Mate! Das Getränk der rastlosen Partyhungrigen, der Hipster, der Kreativsten unter den Kreativen. Kaum eine Brause ist symbolisch derart aufgeladen – das Accessoire der Coolen mit Jutebeutel und Röhrenjeans. Doch ich konnte nichts daran finden und dachte zurück an meine Kindheit. Es gab die großen Marken wie Fanta, Sinalco, Sprite und Bluna. Es gab Orangenlimonade oder solche mit Zitronengeschmack, manchmal, wenn meine Eltern mir eine Freude machen wollten, sogar Cola. Und wer etwas auf sich hielt oder ein aufkeimendes Ernährungsbewusstsein pflegte, gab seinen Kindern Saft zu trinken, predigte die Abstinenz von Zuckerwasser und verteufelte gleichzeitig die Chemie in bunten Brausen. Aber irgendwann kam Bionade und plötzlich schien alles anders. Bionade war hip und politisch korrekt. Man rettete nicht nur seine eigene Gesundheit, sondern gleich die ganze Welt. Doch dann wuchs der Erfolg. Auf einmal tranken alle Bionade. Unsere Eltern, der CDUwählende Nachbar und zum Schluss auch der Aufsichtsrat von Dr. Oetker, welcher das Unternehmen schließlich für gemunkelte 20 Millionen übernahm. Bionade hatte sich verkauft. Eine Kult-Marke sich verraten. 24 Youngspeech

Doch der Zug fuhr weiter und die Konsumentengruppe sprang lediglich auf andere Marken auf. Dies bestätigte erst kürzlich der Trendforscher Reinhard Wippermann, welcher die Entwicklung des ethischen Konsums schon seit Jahren betrachtet. „Im Sektor Getränke hat es in Deutschland mit dem Markteintritt der Bionade angefangen", gibt er zu verstehen. Das ist mittlerweile 13 Jahre her. Jetzt finde ein weiterer Wandel statt, und zwar von bio zu sozialem Konsum. Und das sei nicht nur ein kurzer Hype, sondern ein langfristiger Trend, der sich, so die Prognose des Forschers, kontinuierlich fortsetzen wird. Dieser Trend zieht sich im Übrigen laut seinen Beobachtungen durch alle Altersgruppen und sozialen Milieus.


Kult

ɳϵʀმµ Dieser Fakt erstaunte mich. Das hieße, meine eigenen Erfahrungen trügen mich und eine trinkende Klassengesellschaft existiere gar nicht. Ich wollte es genauer wissen und traf mich mit Alexander Kusserow von der Magdeburger Getränkefeinkost in Buckau. Er bestätigte mir, dass er in seinem Laden wahrlich keine bestimmte Konsumentengruppe ausmachen könne. „Hier kommen alle her. Ob das ältere Ehepaar von nebenan, das Partyvolk aus der Gegend oder Familien beim Wocheneinkauf. Natürlich gibt es einzelne Getränke, die von ganz bestimmten Gruppen getrunken werden.“ So zum Beispiel Nuka-Cola, die besonders Gamern aus dem Computerspiel Fallout bekannt sein dürfte. „Sicherlich sind Eigenheiten im Kaufverhalten zu erkennen. Während besonders ältere Leute, die den Getränkekauf aus dem Supermarkt gewöhnt sind, zuerst die gestapelten Getränkekisten durchsuchen, stöbern junge Leute interessierter durch unsere aufgereihten Spezialitäten. Doch aufgeschlossen gegenüber den unterschiedlichsten Getränken sind alle Gruppen“, gibt Alexander Kusserow zu verstehen. Sollte der Geschmack doch letztendlich entscheidend sein oder sind es zum Schluss sogar die vielfältigen bunten Etiketten, die die neuen „Kult-Getränke“ zieren? Die Beweggründe der einzelnen Getränkehersteller scheinen dagegen eindeutiger zu sein. Sarah Voigtländer, eine der Erfinderin von WILD FIRE, dem Szenegetränk made in München, erinnert sich ganz genau an die Geburtsstunde ihrer Getränkeidee. „Uns hat damals in den Bars einfach nichts mehr geschmeckt, da gab es keine individuellen Produkte. Deshalb hatten wir die Idee, selbst einen neuen Drink zu entwickeln.“ Kult- und Szene-Getränke scheinen sich längst auch außerhalb des Randgruppentums durchgesetzt und in der Gesellschaft etabliert zu haben. Meine Oma formulierte es bei einem von mir angedachten Selbstversuch, bei dem ich ihr verschiedene Szene-Brausen zum Geschmackstest vorsetzte, plakativer und in ihrer typisch liebevollen, derben Art. „Ach Junge, geh mir weg mit dem Zeug, das ist doch alles dasselbe Zuckerwasser, trink lieber mehr Tee, der war schon immer gesund und wird es immer bleiben.“ Auf meinen Hinweis, dass man doch aber heutzutage mit dem eigenen Trinkgenuss auch eine gewisse Botschaft ausdrücken kann, gab sie mir den Rat: „Wenn de was zu sagen hast, dann mach den Mund auf und gib den Leuten nicht solche Rätsel auf!“, und wer könnte seiner Oma schon widersprechen? »»Text & Fotos: Andreas Lilienthal Youngspeech 25


KörperKult

Tattookult^ Kunst^, Die^ Unter^ Die^ Haut^ Geht^

Heidi Klum hat es getan, Travis Barker ist schon lange dabei und sogar die Kaiserin Sissi konnte nicht widerstehen - sie alle sind dem Tattookult verfallen und haben ihren Körper mit einem oder mehreren Werken verziert. Endlich Frühling! Die Sonne scheint, die Menschen sind wieder besser gelaunt und auch die dicken Pullis können in die Kleiderkammer verbannt werden. Hier und da kommen die verschiedensten Körperbemalungen zum Vorschein und so ist es nicht mehr überraschend, wenn einen auf einmal eine Fleischfachverkäuferin mit Septum oder eine Modeverkäuferin mit auffallendem Dekolleté-Tattoo bedient. Nach einer Umfrage des Emnid-Instituts, einem der größten Meinungsforschungsinstitute in Deutschland, im letzten Jahr sei jeder Zehnte in Deutschland ab dem 14. Lebensjahr tätowiert. Bei einer Einwohnerzahl von circa 82 Millionen Menschen eine beeindruckende Zahl, galt das Tattoo in der Geschichte eher als Mittel zur Ausgrenzung von Verbrechern und Minderheiten. Schon die alten Griechen und Römer nutzten die Körperbemalung, um Personen zu strafen oder das persönliche Eigentum festzuhalten. Doch die Verschönerung des eigenen Körpers ist viel älter und reicht bis in die Urgeschichte zurück. Der wohl älteste tätowierte Mensch ist kein anderer als Ötzi, der bemerkenswerte 47 Tattoos aufweist. Nun handelte es sich bei Ötzi um keinen Schwerverbrecher, vielmehr waren seine Tattoos spirituelle Zeichen. Die einstigen Vorurteile gegenüber der alten Körperkunst sind einer wachsenden Akzeptanz gewichen. Heute entscheidet man sich für ein Tattoo, um seine Persönlichkeit nach außen zu tragen. Was früher das Symbol einer aufregenden Subkultur war, ist heute fast Mainstream geworden. Tattoos sind zu Meisterwerken auf beweglichen Leinwänden avanciert und es gibt regelrechte Kunstliebhaber, die gestochene Bilder von verschiedenen Künstlern auf ihrer Haut sammeln. Ob Tribal, Portrait, Tiere oder Comic – der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Sogar beim Permanent Make-Up können dauerhaft Lidstriche gezogen und Lippen gerötet werden. Jedoch muss man sich bewusst sein, dass die Bemalung ein Leben lang hält. Für Freulein Fux, der wohl bekanntesten Tätowiererin aus Magdeburg, ist das Tätowieren „keine Verletzung oder Verstümmelung, sondern schlicht Farbe in der Haut". So einfach ist es jedoch nicht. Die Medizin steht der Körperkunst sehr skeptisch gegenüber. So enthalten die Farben Metalle wie Nickel und Quecksilber, die eine allergische Reaktion oder gar Entzündungen auslösen können. Frisch tätowierte Menschen reagieren besonders bei der Farbe Rot oft allergisch, da diese Farbe das Mineral Zinnober enthält. Bei einer Kundin hat die Tattookünstlerin vom EisenherzStudio dies einmal erlebt – sie ersetzte die Farbe durch eine andere. Denn das Wohl der Kunden ist ihr wichtig.

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"Bei^

Risiken^

Oder^

Neben^wirkungen^

Fragen^ Sie^ Ihren^ Arzt^ Oder^ Tato^wierer^!" Aber auch die Infektionsgefahr ist beim Tätowieren hoch. Das Tattoo-Studio ist kein Krankenhaus, jedoch spielt die Hygiene und das sterile Arbeiten eine sehr wichtige Rolle, so natürlich auch bei dem Eisenherz-Tattoo-Studio. „HIV oder andere Erkrankungen stehen dem Kunden nicht auf die Stirn geschrieben, viele wissen auch nichts über eine mögliche Infektion, darum muss alles sauber, desinfiziert und sterilisiert sein. Mir ist es wichtig, dass ich anderen nicht schade.", erklärt Freulein Fux. Die sterile Arbeit ist das wahrscheinlich wichtigste Kriterium, auf das Interessierte schauen sollten, wenn sie sich tätowieren lassen wollen. Denn unter den vielen guten Künstlern verstecken sich ebenso viele Amateure, die nicht nur ein schlechtes Ergebnis liefern, sondern die eigene Gesundheit gefährden können. Aber nicht nur auf eine korrekte Arbeitsweise und das Ambiente ist zu achten. So zeichnet einen guten Tätowierer aus, wenn er die Motive, die er sticht, selber zeichnet und keine Vorlage aus einem Musterkatalog benutzt, verrät die ausgebildete Porzellanmalerin. Denn Profis seien in der Lage, ein individuelles Motiv zu zeichnen.

Doch auch in der Tattoo-Szene gibt es Modetrends. Wurden Sterne, Kirschen und Eulen nach wenigen Jahren zu modischen Fehltritten erklärt, so steht das sogenannte „Arschgeweih“ unangefochten auf Platz 1. Glücklicherweise können diese Jugendsünden heutzutage mit Laser-Therapien entfernt werden. Wer jetzt allerdings gleich ins nächste Studio flitzen möchte, um sich ein Tattoo stechen zu lassen, dem sei Vorsicht geraten. Trotz der neusten Laser-Methoden, die nebenbei bis zu 20 Sitzungen umfassen können, ist eine komplette Entfernung des Tattoos nicht garantiert. Die Behandlungen sind mit vielen Schwierigkeiten verbunden und häufig hinterbleiben Narben. Bei dem Wunsch nach einem persönlichen Tattoo sollte also nicht an Geld und Überlegungen gespart werden. Das böse Erwachen danach lässt sich durch den Besuch bei einem professionellen Stechkünstler vermeiden - schließlich handelt es sich hierbei um eine Investition für das ganze Leben. Drum prüfe und überlege, wer sich ewig binde! Der Tattookult ist gesellschaftsfähig geworden. Nichtsdestotrotz wünscht sich Freulein Fux mehr Kreativität und Individualität bei der Motivwahl. »»Text: Laura Kapitza »»Bilder: Juliane Schulze

Youngspeech 27


GeschichtsKult

Die Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit erfährt einen Aufschwung. Bestes Beispiel: „Zeitreisen Magdeburg“ – das Projekt genießt bei Facebook fast 10.000 Likes und die zahlreichen Kommentare unter den Bildern sprechen für sich. Zu Recht! Was wir aus der Geschichte lernen, prägt uns in unserem gegenwärtigen Handeln und lehrt uns für die Zukunft. Geschichte ist Kult. Das dachten sich auch die vier Magdeburger Historiker Benjamin Kant, Andreas Weidinger, Reiner Trautmann und Jürgen Kant und eröffneten am 1. März in Stadtfeld die „Geschichtskantine“. „Magdeburg ist eine kulturell offene Stadt. Es gibt in Deutschland schon einige erfolgreiche Versuche von Geschichtskantinen, nur hier in Mitteldeutschland fehlt so etwas noch gänzlich.“, erklärt Andreas zuversichtlich. Zusammen mit Benjamin überlegte er sich während des Studiums, was man mit „Geschichte“ später einmal machen könne. „Es ist ja kein Geheimnis, dass die Jobs für uns nicht auf der Straße liegen.“, bemerkt Benjamin. So kam es im Januar 2011 zur Gründung der „Zeitreise-Manufaktur. Agentur für Geschichte und Kult(o)ur“. „Zu Anfang gab es viele Ideen. Unsere erste größere Veranstaltung war eine Lesung im Café Central. Wir haben gemerkt, dass man mit solchen Sachen Leute erreichen und vor allem zum Nachdenken anregen kann.“, erinnert sich Andreas.

28 Youngspeech

Mit der Eröffnung der „Geschichtskantine“ haben die vier Historiker nun einen weiteren großen Schritt gewagt. Die drei Räume der Kantine spiegeln die Arbeitsbereiche der ZeitreiseManufaktur wieder. In dem großen Eingangsbereich, der mit antiken Nähmaschinen, alten Tischen und Plakaten aus vergangener Zeit eingerichtet ist, sollen Lesungen, Filmvorführungen, Spiel- und Themenabende sowie Vorträge stattfinden. Geht man weiter durch den schweren roten Vorhang, kommt man in das Reisebüro. Hier werden das historische Geocaching und die Gedenkstättenfahrten organisiert und geplant. Im hinteren Teil der Kantine befindet sich ein Seminarraum mit der großen historischen Schulbuchbibliothek. Um die 600 Bücher aus zwei Jahrhunderten stehen hier Lehrern und Schülern für Recherchen zur Verfügung. Was vor zwei Jahren mit einer wagen Idee begann, hat mittlerweile scharfe Konturen angenommen. Die vier Historiker sitzen sichtlich stolz in den schweren Sesseln ihrer Kantine. „Wir wollen es schaffen, das Thema Geschichte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zeigen, dass Geschichte mehr zu bieten hat.“, erklärt Reiner. Die positive Resonanz von vielen Seiten zeigt, dass sie das zumindest in Magdeburg schon geschafft haben. Bevorstehende Veranstaltungen im April: (Einlass ist jeweils 19 Uhr) Darstellung der DDR in Gesellschaftsspielen. Nostalgie oder Aufarbeitung? Ein Spieleabend

Themenabend: Geschichtsverfälschung in Schulbüchern? Erster Teil: Historische Schulbücher 1780 – 1870

Meine Kindheit im Nationalsozialismus. Ein Zeitzeugengespräch.

Die „Geschichtskantine“ findet ihr in der Immermannstraße 29, 39108 Magdeburg. Unter der Woche ist die „Geschichtskantine“ täglich von 14-18 Uhr geöffnet.

»»Text: Sophie Hubbe »»Foto: Robert Meinel

Von Hitlers Frauen bis zu Hitlers Helfern hat Guido Knopp uns Sonntagabends viele historische Themen in Farbe und Ton näher gebracht. Mit den Worten Rainald Grebes: „Guido Knopp ist mein Gedächtnis, was ich weiß, hab ich von ihm. Er kann so schön erzählen. Geschichte ist so geil.“


Geek or Freak

<8BIT> <8BIT> Geek or Freak?

Ein Tag zwischen Plastikelfen und Männern, die nie erwachsen werden. Wenn es um das Strategiespielsystem Tabletop geht, bei dem Miniaturfiguren gegen einander kämpfen, stößt man oft auf Vorurteile. Gekicher oder langes Gestöhne - oft belustigt, aber auch abschätzig wird von Nerds und Freaks gesprochen. Eine Ahnung davon, wie das Spiel überhaupt funktioniert, hat jedoch meist keiner. Aus diesem Grund habe ich die TableTopper in Halle (Saale) besucht.

Im Fenster des Ladens Games Workshop bestaune ich die filigranen Elfen, Trolle und Robotermenschen in gelben Anzügen. Es herrscht bereits munteres Treiben in der Großen Ulrichstraße und die ersten Spielvorbereitungen werden getroffen. Einer der wichtigsten Schritte beinhaltet die Spielplattenauswahl und die Diskussion um ihre Gestaltung. Dass es sich hierbei um kein preiswertes Hobby handelt, spürt der Geldbeutel schnell. Figuren und Farben, die im Geschäft verkauft werden, bewegen sich in einer Preisklasse weit über Matchbox Autos und Playmobil. Auf einem Tisch stehen Farben, Pinsel und Deko-Utensilien. Das Geschäft für alle Belange des Spielers, bietet Spiel und Raum für alle Altersund Zielgruppen: vom Schüler bis zum Anwalt. Neben dem Verkauf wird gemalt, dekoriert, gespielt und über Neuheiten informiert. Ich fühle mich in meine Schulzeit zurück versetzt und merke, wie ich schmunzeln muss. Die Spielregeln sind hoch komplex und es dauert eine Weile, bis ich die Regeln halbwegs verstehe. Die älteren Spieler sind meist schon seit vielen Jahren dabei. Zum Mitmachen gibt es allerdings keine Altersvorschriften - zwischen 12 und 14 Jahren sei jedoch das beste Alter zum Einstieg, da es oftmals um brutalste Schlachten geht. Games Workshop bietet drei unterschiedliche Spielsysteme, welche jeweils eine große Welt mit zahlreichen Heeren besitzen.

Vor Beginn des Spiels wird die Gesamtpunktzahl festgelegt und dann nach vorgeschriebenen Sagen und Mythen gespielt. Für die meisten Spieler läuft die Schlacht im Kopf ab, was das Einschätzen der Gegenspieler umso spannender macht. Doch wie reagieren die Spieler darauf, dass sie als Nerds und Freaks gesehen werden. Meine mir unangenehme Frage wird mit Gelächter entschärft. Seit „The Big Bang Theorie“ sind wir akzeptierter, lautet die Antwort von dem Hünen neben mir. „Natürlich gibt es bei uns auch die ganz Verrückten, die würde ich Freaks nennen“, kommt es von der anderen Seite des Tisches. Richard, Filialleiter vom Games Workshop Halle, erklärt mir, dass es ein Hobby wie Fußball sei. Die TableTopper begeistern sich für etwas, investieren dafür Zeit und Geld, genau wie Fußballfans in Schals oder Müslischalen. TableTop sei ein Hobby für alle mit Kreativität, Ausdauer, Zeit und Logik. Diese Eigenschaften sollte man besitzen, um Spaß am TableToppen zu haben. Für mich geht der Tag als TableTopper langsam zu Ende. Ich habe viele aufgeschlossene Menschen kennen gelernt und freue mich auf die bevorstehende Folge „The Big Bang Theorie“. »»Text: Maria Urban »»Foto: Jörn Rohrberg Infobox nach Wikipedia:

Der Geek (engl. umgangssprachlich für Streber, Stubengelehrter) bezeichnet heute allgemein eine Person, die sich durch großes Interesse an wissenschaftlichen oder fiktionalen Themen auszeichnet.

Der Nerd (engl. für Sonderling, Außenseiter, Fachidiot) ist ein gesellschaftliches Stereotyp, der besonders für in Computer oder andere Bereiche aus Wissenschaft und Technik vertiefte Menschen steht.

Der Freak- (engl. Für Krüppel, Verrückter, Unnormaler aber auch Begeisterter) ist heute meist eine Person, die ein bestimmtes Hobby exzessiv und über ein „normales“ Maß hinaus betreibt.

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Inflation Kult Stetig flüchten sich, vor allem junge Leute, in extreme kulturelle Erscheinungsformen. Gehetzt und verloren in der heutigen Schnelllebigkeit, suchen sie Gleichgesinnte mit denen sie ihre extremen Lebenseinstellungen teilen können. Ob aus Lust zur Provokation oder der Sehnsucht nach Halt und Geborgenheit – der Eintritt in kulturelle Extremformen impliziert oftmals einen Aufschrei nach Aufmerksamkeit.

Von Blut und Fleisch in Tierkostumen Die Furries sind entgegen der Vampire Rudelwesen und kommen in großen Conventions zusammen. Die Kostüme bestimmen ihren Alltag und trotz der Schweißtreiberei werden sie in Extremfällen so gut wie nie abgelegt. Ein Grund, dass sie bei ihren Mitmenschen so wenig Verständnis finden? Ähnlich geht es den Vampiren und Vegetariern, die ihre Individualität förmlich herausschreien müssen. Es bleibt die Frage, warum sich diese Menschen so zwingend abgrenzen und vielleicht bedarf es mehr Aufgeschlossenheit unsererseits, um die Lebenseinstellung der Extremkulte zu verstehen. So lassen wir das Blut weiter durch unsere Bahnen fließen und stehen zu unserem Fleischgenuss. Aber seien wir uns auch bewusst, dass Toleranz eben doch immer auch eine Gegentoleranz erfordert.

In vielen Fällen provokativ kommt der Extrem-Vegetarismus daher. Passioniert betrieben von Hipstern, reicht es nicht mehr aus eine enge Röhrenjeans, einen Nasenring und den beschrifteten Jutebeutel über der Schulter zu tragen. Zu dem Aussehen gehört schließlich noch das Prestige, kleinen Kälbern und Küken das Leben gerettet zu haben. Es stellt sich nur die Frage, wie sich die Lederschnürstiefel rechtfertigen lassen, die zur Vollendung des Outfits en vogue gehören. Belügen sich nicht viele Vegetarier selbst, indem sie die Tierhaltung soweit tolerieren, solange die Tiere als Milch-, Woll- und Lederproduzenten fungieren? Womöglich schafft die Gerechtigkeit ihren Ausgleich beim Zusammentreffen verschiedener Extremkulte. So soll bei dem sogenannten „Vampirismus“ besonders das süße und dünne Blut von Vegetariern beliebt sein. Doch es ist nicht nur das Blut der Vegetarier, das die Draculas unter uns anlockt. Auch die in Tierkostümen verkleideten Furries, die sich zu einem Zwischenwesen aus Mensch und Tier entwickeln, sollten auf der Hut sein. Durstige Vampirmenschen, die sich nach tierischem Blut dürsten, stellen eine arge Bedrohung dar. Da können auch keine tierschützenden hippen Vegetarier helfen. Die Zähne lässt sich der Vampir übrigens wie ein Sterblicher bei einem Zahnarzt modifizieren, die Eckzähne werden gespitzt und verlängert. Erkennungsmerkmal sind die Narben am Unterarm vom Ritzen. Einige lassen das stärkende Menschenblut in Gläser tropfen, andere trinken es direkt aus der Wunde. »»Text & Fotos: Vanessa Kanz 30 Youngspeech


WebKult

Der Charme dieser lustigen Stadt Das Netz ist der einfachste Weg, Dinge zu teilen – das dachten sich auch die Betreiber der Facebook-Seite „Magdeburg halt.“. Die Plattform hat mittlerweile über 4000 Fans, die sich über Verschiedenes in der Stadt austauschen. Doch was steckt dahinter? Die Idee zu „Magdeburg halt.“ entstand nachts. Es waren mehrere Ereignisse, die den Gründern typisch „magdeburgerisch“ vorkamen. Malte Brusermann ist einer von ihnen und weiß mittlerweile, dass ein Magdeburger mindestens zwei bunte Haarfarben trägt – Vorurteile wie diese haben unter anderem durch „Magdeburg halt.“ Kultstatus erreicht.

„Wir versuchen einfach, die Sichtweise der Stadt aufzugreifen und widerzuspiegeln“, erzählt Malte. „Das sind nicht grundsätzlich immer negative Sachen, sondern einfach Dinge, die den Leuten auffallen. Sowas wie: Wenn wir in Berlin wären, würden wir jetzt noch in einen Club gehen. Aber hier gibt es ja keinen, der mehr auf hat. Magdeburg halt.“

Offensichtlich sind sie nicht die einzigen, die dieses Gefühl haben. Schon zu Anfang verzeichnete „Magdeburg halt.“ einen explosionsartigen Zulauf. „Wir haben nichts anderes gemacht, als dieses Gefühl aufzugreifen und ihm eine Basis zu geben. Ich sag auch gern Ventil. Bei manchen Menschen ist da einfach ein Gefühl, das raus muss.“, sagt Malte.

„Wir sehen immer alles mehr mit einem Augenzwinkern. Also ich finde, dass der Bingöl gerade am 14.02. einen Döner-Aktionstag macht, hat ja auch einen gewissen Charme.“ Der Witz an vielen Postings sei jedoch nicht der Verdienst der Gründer. „Die sind einfach so lustig, weil diese Stadt manchmal so unglaublich lustig ist.“ Über das Zusammentragen von Statements hinaus setzt sich die Gruppe um „Magdeburg halt.“ stark für die Subkultur der Stadt ein. Sie pflegt Kontakte zu Veranstaltern und ist selbst in Projekte wie „Tor5“ involviert, die Veranstaltungen in Magdeburg organisieren. Aktionen wie der Einsatz für die Hubbrücke und „Hierbleiben“ werden ebenfalls von der Seite unterstützt.

„Uns ist es wichtig, uns als Teil dieser Community zu verstehen und auch etwas zurückzugeben. Ich glaube, das ist gerade in Magdeburg extrem wichtig, weil die Subkultur immer noch ein ganz zartes Pflänzchen ist und immer wieder bedroht wird.“ Malte zumindest sieht schon Veränderungen. „Ich glaube, wir haben Diskussionen angestoßen und zum Teil auch dazu beigetragen, dass dieses Magdeburg-halt-Gefühl durchaus zum Wohlfühlen in der Stadt beiträgt. Dass auch Negatives mit Humor genommen werden kann. Wir sehen das jetzt nicht als persönliche Leistung an, sondern haben einfach Spaß mit den Leuten. Also der Kult sind die Leute, nicht wir.“ »»Text: Sarah Teufel »»Foto: Fabian Benecke Youngspeech 31


»»Text: Anne Strackeljan, Laura Kapitza »»Fotos: Juliane Schulze »»Danke an Michael Harder

GötterKult

Zu Besuch auf dem Olymp: Kultstätten in Magdeburg

Kultstätte gelten allgemein als heilige Orte, die für die Ausübung von Riten und zur Anbetung von Göttern genutzt werden. So hat auch Magdeburg seine ganz speziellen Plätze und Ecken, die eigentlich jeder kennt. Doch wir haben sie einmal in einem anderen Licht betrachtet und Göttern aus der griechischen Mythologie ein neues Zuhause gegeben.

projekt7 Das projekt7, entstanden aus einer Initiative von Studenten. Ein Ort, der wie die Gottheit die Musikkultur befruchtet und behütet. Es ist auf der Jagd nach neuen Ideen und zieht seine Besucher in den Bann: sei es ruhig und hypnotisierend bei einem wunderbaren Konzert oder elektrisierend auf der Tanzfläche.

Flower Power Das Flowerpower ist der Ort, den man nicht lebendig-nüchtern überlebt. Umringt von tanzenden Alkoholleichen, bahnt sich das Opfer seinen Weg zur Bar, um etwas von dem goldenen Lebenselixier zu erhaschen. Doch nur die Gottheit selbst hat die Macht, zu entscheiden, wer erlöst werden darf.

Gruson-Gewächshäuser Die über 110 Jahre alte Kultureinrichtung bietet sowohl für zahlreiche Pflanzen, Blumen und Gewächse, als auch für eine besondere Göttin ein einmaliges Heim. Umringt von meterhohen Sträuchern kann die Vielfalt und Schönheit der Pflanzenwelt bestaunt werden, deren Gottheit hier ganz Zuhause ist.

Habt ihr die Götter erkannt? Wenn ihr noch mehr Kultstätten und deren Gottheiten bewundern wollt, schaut demnächst auf unserer Homepage vorbei. 32 Youngspeech


ComicKult

Sauer macht NICHTLUSTIG! Grafik: Nichtlustig.de

Einem Nilpferd die Tür öffnen und fragen, ob es der Paketdienst ist, sich mit der Dinosaurier-Allergie herumplagen und trotzdem einen schönen Schnurrbart haben; das kann nur einer und das ist der verrückte Professor!

Doch die NICHTLUSTIG-Figuren strahlen einem mittlerweile auch auf zahlreichen anderen Artikeln wie Handysocken oder Tassen entgegen. Er selbst umgibt sich jedoch nicht so gern mit seinen Merchandising-Produkten. Bei ihm zu Hause ziert lediglich ein selbstgemaltes LemmingDino-Yeti-Bild die Wohnzimmerwand. Allerdings werden die Comics wohl nicht ewig sein Steckenpferd bleiben. Es treibt ihn eher in Richtung Realfilm. Doch keine Sorge; so schnell wird das wohl nicht passieren. Josha selbst gehört eher zu den Menschen, die das Hier und Jetzt genießen und nicht so sehr an der Zukunft herumbasteln. „Weil das natürlich nie

funktioniert, man sich damit schlechtestenfalls nur selbst unter Druck setzt und nicht genießen kann, was man gerade im Moment schon erreicht hat.“

»»Text: Juliane Ahrens

Ihr wisst nicht wovon ich spreche? Diese Wissenslücke sollten wir ganz schnell stopfen. Josha Sauer, ein ambitionierter und sehr sympathischer Comic-Zeichner, verrät uns unter anderem, warum man nicht immer wissen muss, wo man hin will. Seine Figuren sind niedlich, sein Humor schwarz und sein Tatendrang ungebremst. Warum auch nicht? Joshas ComicBücher verkaufen sich super und der vor kurzem abgeschlossene YouTube-Aufruf zur finanziellen und journalistischen Unterstützung seiner Arbeit, insbesondere für die Fertigstellung der in den Startlöchern stehenden NICHTLUSTIG-Trickfilmserie, erhielt „ganz, ganz fantastische“ Resonanz. Mehr als 1o.ooo Leute haben sich an der Aktion beteiligt und es kamen insgesamt circa 2oo.ooo € zusammen. Jeder Spender erhielt als kleines Dankeschön unter anderem die erste Folge gratis. Doch wer ist eigentlich dieser Herr Sauer? Groß geworden ist er mit Micky Maus, Asterix und der Überzeugung, dass Comics definitiv keine Schundliteratur oder gar Kinderkram darstellen. Dazu gesellte sich noch ein gewisses Talent: „Ich kann zeichnen. Ok, dann mache ich halt das.“, dachte sich Josha Sauer laut eigener Aussage damals. Schon entstand das erste Bild mit Sprechblasen und nach ihm noch viele weitere.

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Tippster

Mias Tipps Hallo liebe Youngspeech Leser, nun wird das Wetter langsam besser und unzählig viel Werbung lockt mit Frühbucherund Schnäppchenangeboten. Unter tropischen Palmen der Seele neuen Antrieb geben, inmitten des Gebirgspanoramas von Kyoto in heißen Quellen baden oder seinen inneren Frieden auf einer Bustour durch Nepal finden. Urlaub muss immer weiter weg und ganz billig sein. Diese Fernwehallüren habe ich zum Anlass genommen, mich in unseren heimischen Gefilden nach Alternativen umzusehen. Der Weg ist das Ziel: Preiswert und schnell erreicht ihr mit privaten Busunternehmen oder dem Zug viele Städte deutschland- und europaweit. Die Mitfahrzentralen sind gerade für ein bis zwei Personen eine gute Alternative und nette Menschen lernt man auf so einer Fahrt sowieso immer kennen. Ebenso erfreut sich das Trampen einer Renaissance.

Mia

Wie man sich bettet, so liegt man: Besonderen Charme bietet das Bed and Breakfast. Private Zimmervermietungen oder Jugendherbergen haben ihr einstiges 70er Jahre Schullandheim-Flair nämlich bereits vor langer Zeit abgelegt. Etwas ausgefallener ist dagegen das CouchSurfing. Als Mitglied in der Community kannst du in 81.500 Städten in 246 Ländern nächtigen und das für lau. Einzige Bedingung: Auch du musst eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung stellen.

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Urlaubsspaß für einen Tag bieten die In- und Outdoor Kletterwälder. Ob im Harz, in Leipzig oder im Elbauenpark Magdeburg, hier kannst du Tarzan spielen. Dich ruft der Berg, aber eine komplette Ausrüstung ist zu teuer? Kleinere Läden bieten häufig Ausrüstungen für eine humane Leihgebühr an. Wenn allerdings aus einem Tagestrip eine ganze Urlaubssafari werden soll, kannst du dir das Trekking-Equipment online zusammenstellen lassen und hier gerade im Frühjahr viele Sonderaktionen abgreifen. Von der Gabel bis zum Zelt hast du schnell alles zusammen. Wer es lieber bequem und mobil mag, kann sich auch einen Camper mieten. Gerade in den Vor- und Nebensaisons vermieten viele Anbieter ihre Gefährte für einen günstigen Preis. Einer meiner persönlichen Favoriten bleibt die eBayAuktion. Eine Buchung dauert nicht länger als im Reisebüro und viele Angebote sind unter dem Normalpreis erhältlich. Allerdings solltet ihr wie so häufig auf das Kleingedruckte achten und auf Bewertungsportalen wie Holidaycheck.de Kritiken zu eurem geplanten Urlaubstrip lesen. Viele Gäste erwähnen, dass sie ihren Urlaub bei eBay gekauft haben. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt: Seid mutig und fragt nach weiteren Rabatten und Sonderangeboten. Ich habe schon einige Euros sparen können, weil ich nett nachgefragt und verhandelt habe. Wenn ihr euch nun aber für die günstigste aller Varianten entscheiden wollt, dann bietet der Urlaub auf Balkonien oder im Hotel Mama immer eine schöne Zeit. Egal wofür ihr euch entscheidet, ich wünsche euch eine schöne Urlaubszeit! »» Bis demnächst, eure Mia


Kolumne

Die Vermüllung der Welt Die Straßenbahn rollt am Hauptbahnhof ein. Frisch aus Berlin gestrandet, steige ich in das MVB-Mobil Richtung Reform - Heimaturlaub abseits billiger Großstadtklischees. Falsch gedacht. Gegenüber von mir steht ein etwa 20-jähriger Junge. Um seinen Kopf hat er einen neonorangenen Schnürsenkel gewickelt. Auf der Nase sitzt eine massive Hornbrille. Sein Körper steckt in einem hellgrauen Kapuzenpulli und einer eindeutig zu knapp bemessenen Jeans. Von seiner Schulter baumelt ein ausgeblichener Jutebeutel aus dem eindeutig eine Mate-Flasche hervorblitzt. Oh nein, der Kult ist in Magdeburg angekommen. Seit zwei Jahren habe ich meiner Heimatstadt Magdeburg nun den Rücken zugekehrt und lebe in Berlin. Damals waren mir sofort die vielen lesenden Menschen in der U-Bahn aufgefallen, mit Remarque, Bourdieu oder Kant in der Hand ratterten sie durch die unterirdischen Tunnel – was für ein Intellekt, dachte ich. Er entpuppte sich aber schnell als Kult, als Antikult-Kult. Die Metropolenbewohner haben sich die Andersartigkeit als kollektives Ziel gesetzt. Das heißt: Wer nicht irgendetwas Französisches, Philosophisches oder mindestens den „Freitag“ liest, ist in der Mate-Metropole so out wie Coca-Cola. Die Seianders-Mentalität zieht sich durch alle Lebensbereiche. Beispiel: Der Tatort-Kult. 90 Minuten Abschaltfernsehen plus Gehirnzellensterben durch antikapitalistisches Sternburg-Bier und wagen Vermutungen aus der Runde: War es der Polizist mit dem verdächtigen Schnurrbart oder der Arzt mit dem verräterischen Lächeln? Sinnlos, aber immerhin Retro, also irgendwie wieder cool.

Trash kommt übrigens aus dem englischen und heißt Müll. Warum trägt man Müll? Wikipedia sagt: „Was der eine (ich) als Gipfel der Geschmack- und Geistlosigkeit ansieht (der Schnürsenkel), birgt für den anderen (Mate-Boy) tiefen künstlerischen Wert,“ und (Achtung, jetzt kommt’s): „Dies gilt besonders bei Trash, der zum Kult geworden ist.“ Das Wort „Kult“ wiederum komme vom lateinischen „cultus“ und heiße Verehrung. Ja, liebe Freunde: Wir verehren Müll. Der beste Beweis ist das so treffend betitelte „Trash-Format“ auf RTL: „Ich bin ein Star - holt mich hier raus.“ Dieser Müll ist jetzt für den Grimme-Preis nominiert. Denn Müll ist Trash und das ist Kult und nicht mehr aufzuhalten. Er breitet sich aus, über Berlin, bis nach Magdeburg zu meinem kultigen Gegenüber. „Weißt du eigentlich, dass du Müll verehrst?“, frage ich den Jungen, doch er zieht nur seine Mate aus dem Beutel und trinkt. »»Text: Valerie Schönian »»Foto: Privat

Alles was sich hinter dem Wort „schlicht“ versteckt, ist im Antikult-Kult hoch angesehen – ob Blümchenexplosionen, Strickverirrungen oder Neon-Katastrophen. Gleiches gilt für Schulterpolster auf Tiermuster-Jacketts, die nicht hässlich, sondern Vintage sind. Oder dem orangefarbenen Schnürsenkel meines Gegenübers, der nicht Schwachsinn, sondern Trash ist. Youngspeech 35


Outro

One last thing… Was veranlasst Menschen in Russland dazu, den 60. Todestag ihres teilweise glorifizierten Tyrannen Josef Stalin zu zelebrieren? Warum verkauft sich Heinos aktuelle musikalische Vergewaltigung so gut? Und warum hat angebissenes Fallobst heutzutage einen so hohen Stellenwert? Allgemeine Verwirrung? Weitgreifende Impulskontrollstörungen? Alles Quatsch! Die Rede ist hier natürlich vom verliehenen Kultstatus, der sich nicht allein auf die oben genannten Beispiele beschränkt.

Chucks, Lederjacken, Jutebeutel, Schalenkopfhörer, Schallplatten, Zippos, Retro-PC-Spiele und sowieso alles, was irgendwie voll retro ist. Drogenabhängige und selbstmordgefährdete Romanautoren, Lateinamerikanische Revoluzzer, YouTube gehypte Tänze, Polaroid, die Gummibärenbande, gewisse Stadtmagazine und natürlich Napoleon Dynamite, um nur einige zu nennen, gehören auch in diese Sparte. Halten wir also kurz inne und fragen uns, ob man wirklich jeden Scheiß mitmachen muss. Freilich nicht, aber wenigstens das Meiste. Ach übrigens: wusstet ihr, dass Kult rückwärts ''Tluk'' ergibt? Denkt einmal drüber nach. Vielen Dank für's Lesen. In diesem Sinne bis zur nächsten Ausgabe! »»Christian Geipel

Mia

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