Ursula Raberger Israelischer queerer Film
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Ursula Raberger
israelischer Queerer film
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Wir bedanken uns für die Förderungen durch die Basisgruppe Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien, die Fakultätsvertretung für Geistes- und Kulturwissenschaften an der Universität Wien, die Institutsgruppe Geschichte an der Universität Wien, die Studienvertretung Politikwissenschaft an der Universität Wien, die Institutsgruppe Germanistik an der Universität Wien und die Basisgruppe Internationale Entwicklung an der Universität Wien. Gefördertes Sonderprojekt der HochschülerInnenschaft an der Universität Wien sowie der Bundesvertretung der Österreichischen HochschülerInnenschaft. Gedruckt mit Unterstützung der Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung.
Autorin und Verlag danken allen Urheberrechtsinhaber_ innen von Fotografien und Bildmaterial für die freundliche Genehmigung zum Abdruck. (We thank all copyright holders of photographs and footage for permission to reprint.) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © Zaglossus e. U., Wien, 2015 1. Auflage 2015 Alle Rechte vorbehalten Umschlagfoto: Still aus dem Film „Die, Hemda, Die“ (2010), Regie: Yossi Brauman Druck: Prime Rate Kft., Budapest Printed in Hungary ISBN 978-3-902902-28-3 Zaglossus e. U. Vereinsgasse 33/12+25, A-1020 Wien E-Mail: info@zaglossus.eu www.zaglossus.eu
Inhalt
1. Einleitung 2. Die Geschichte des israelischen Films
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2.1. Ideologische und dokumentarische Filme: Israels Film unter britischem Mandat
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2.2. Zeit der Helden: Israelisches Filmschaffen von 1948 bis zu den 1960er-Jahren
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2.3. Veränderungen des Männlichkeitsideals: Israelisches Filmschaffen in den 1960erund 1970er-Jahren
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2.4. Eine neue Empfindsamkeit: Israelisches Filmschaffen in den 1980er-Jahren
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2.5. Zurück zum Trauma Krieg: Israelisches Filmschaffen ab den 1990er-Jahren
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3. Die LGBTQ-Bewegung in Israel
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3.1. Homosexualität im Judentum: „Ein Gräuel ist das“
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3.2. Die 1970er-Jahre: Gründung der ersten schwulen und lesbischen Organisationen
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3.3. Die 1980er-Jahre: Vom Stillstand zur Veränderung
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3.4. Die 1990er-Jahre: „Israel’s gay decade“
70
3.5. Tel Aviv: The Queer Bubble of the Middle East
76
3.6. Queer in Jerusalem
79
3.7. LGBTQ-Rechte in Israel
82
4. Homosexualität – Vom Tabu zum Filmthema
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4.1. Amos Guttman – Lebensrealitäten schwuler Männer in den 1970ern und 1980ern 113 4.2. Michal Bat-Adam und erste lesbische Referenzen in den 1970ern und 1980ern
117
4.3. Eytan Fox – „Florentine“ (1997-2000): Akzeptanz von schwulen Männern in Tel Aviv
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4.4. Eytan Fox – „Gotta Have Heart“ (1998): Die Kolonialisierung des „Anderen“
126
4.5. Eytan Fox – „Walk on Water“ (2004): Homoerotik, Trauma, Rache
128
4.6. Eytan Fox – „Yossi & Jagger“ (2002)
132
4.7. Eytan Fox – „The Bubble“ (2006)
158
4.8. Mysh Rozanov – „Watch Over Me“ (2010)
175
4.9. Dana Goldberg – „Cell“ (2004): Dominanz und Submission
187
4.10. Haim Tabakman – „Eyes Wide Open“ (2009)
198
4.11. Yossi Brauman – „Die, Hemda, Die“ (2010) 205 4.12. Yair Hochner – Abseits des Mainstreams
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5. Das TLVFest – Queere Filmkunst in Tel Aviv 232 5.1. Das Programm des TLVFests
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5.2. Finanzierung des TLVFests
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5.3. Gegenstimmen zum TLVFest
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Israelische queere Filme im Überblick
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Bibliografie
307
1. Einleitung Im Bereich des queeren Kinos der 2000er-Jahre hat kaum ein Land ein so erstaunlich reichhaltiges Portfolio produziert wie Israel. Kein Filmfestival mit LGBTQ1Schwerpunkt kommt heutzutage ohne eine breite Schau israelischer Beiträge aus – höchste Zeit also, sich auch im deutschsprachigen Raum damit zu befassen. Wurde das New Queer Cinema im angloamerikanischen Raum für tot erklärt, so kann diese Meinung für Israel nicht vertreten werden. Hier – in dem Land, das mit derzeit nur 66 Jahren eines der jüngsten Länder der Welt und zugleich eines der fortschrittlichsten Länder in Bezug auf die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten ist – erlebt queeres Filmschaffen gerade seine Blütezeit. Während in den USA queere Erzählungen und Charaktere im Kino und noch viel stärker in TV-Serien in den Mainstream übergegangen sind und von den mutigen, anti-normativen LowBudget-Produktionen der 1980er- und 1990er-Jahre, die B. Ruby Rich einst zu ihrer These über ein neues, queeres Filmschaffen veranlasst haben, heute nur mehr wenig übrig geblieben ist, blüht in Israel die Produktion von (Kurz-) Filmen und Dokumentationen, die mit geringen Mitteln und großem künstlerischem und oft auch gesellschaftspolitischem Anspruch eine diverse Filmszene schaffen. Eine bedeutende Rolle für die Förderung und Sichtbarmachung israelischen queeren Films spielt das seit 2006 jährlich stattfindende Filmfestival TLVFest, dessen 7
Israelischer queerer Film
Programm seine Schwerpunkte auf die Präsentation von Filmen, die in Israel keinen Verleih haben, sowie auf Vorträge und Workshops für Leute aus der Filmindustrie und ein interessiertes Publikum legt und somit die Produktionsbedingungen für israelische queere Filme maßgeblich fördert. Ich selbst unterstütze das Filmfestival mit großer Freude seit 2010 als ehrenamtliche Mitarbeiterin und gebe im abschließenden Kapitel dieses Buches einen Einblick in dessen Entwicklung sowie dessen Programmierung und Rahmenprogramm. Vor allem aber kann der israelische Film nicht getrennt von der Entwicklung des Landes Israel gesehen werden. In Kapitel 2 gebe ich deshalb einen Überblick über die Genese des israelischen Films im Kontext der geschichtlichen Ereignisse des Landes – beginnend bereits in der Zeit vor der Staatsgründung –, welche die Arbeiten von Regisseur_innen und Schauspieler_innen eingehend beeinflusst haben. So kann man den israelischen Film – so jung er auch ist – schon in mehrere Phasen, die von ganz bestimmten Merkmalen geprägt sind, unterscheiden. Dabei gehe ich auf einige ausgewählte Filmbeispiele ein, die das Rüstzeug für ein besseres Verständnis über queeres Filmschaffen in Israel vermitteln werden, das ich in Kapitel 4 behandeln werde. In Kapitel 3 werde ich mich mit der Entwicklung der LGBT-Bewegung und von LGBT-Rechten in Israel auseinandersetzen. Um diese Entwicklung bestmöglich in ihrem Kontext zu zeigen, gebe ich zu Beginn dieses Kapitels auch einen kurzen Einblick in die unterschiedlichen Auffassungen von Homosexualität in den verschiedenen Strömungen des Judentums. Insgesamt soll dieses Kapitel verdeutlichen, wie es dazu gekommen ist, dass Israel eines der fortschrittlichsten Länder der Welt in Bezug auf die Gleichberechtigung sexueller Minderheiten ist, und 8
1 Einleitung
erhellende Einblicke bieten, um zu verstehen, dass vor dem Hintergrund dieser gesetzlichen Öffnungen und weiteren gesellschaftlichen Entwicklungen in Israel nach und nach immer mehr nicht-heterosexuelle Protagonist_innen auf der Leinwand und auf den Fernsehbildschirmen zu sehen sind und warum sich das Filmschaffen im Bereich des LGBTQ-Kinos so außergewöhnlich rege entwickelt. In Kapitel 4 zeige ich schließlich sowohl im Überblick wie auch in einer genaueren Analyse verschiedener kommerziell und/oder künstlerisch einflussreicher Filme, was israelisches queeres Kino alles bietet: Von Amos Guttmans „Drifting“ und „Amazing Grace“, über Eytan Fox’ Filme „Yossi & Jagger“ und „The Bubble“, welche einem internationalen Publikum wahrscheinlich am ehesten bekannt sind, bis hin zu allgemein weniger bekannten Produktionen, die stark den Themen und Ästhetiken der queeren Community verhaftet sind, wie etwa „Watch over me“, einem vampiristischen schwulen Kurzfilm, oder „Die, Hemda, Die“, einer Kurzkomödie über das Aufeinandertreffen von Porno-Szene und ultraorthodoxem Judentum, dem auch das Titelbild dieses Buches entnommen ist. Junges lesbisches Kino ist im Gegensatz zum schwulen Filmschaffen auch in Israel noch immer – gemessen an den Produktionszahlen – unterrepräsentiert, auch wenn in den letzten Jahren – wie vor allem zu sehen beim queeren Filmfestival TLVFest – eine Steigerung der Anzahl an thematisch lesbischen Filmen zu bemerken ist. Ich beschäftige mich in Kapitel 4 bewusst mit dem ebenfalls abseits des Mainstreams angesiedelten Kurzfilm „Cell“ von Dana Goldberg. Für Cineast_innen und all jene, die sich über dieses Buch hinaus noch weiter mit israelischem queerem Film beschäftigen möchten, befindet sich im Anhang zudem ein umfassendes Filmregister israelischer queerer Filme – von den 1970er-Jahren bis heute. 9
Israelischer queerer Film
Anmerkungen 1
Die Abkürzung LGBTQ wird in diesem Buch öfter vorkommen und besteht aus den Anfangsbuchstaben folgender Wörter: lesbian, gay, bisexual, transgender, queer. In den späten 1980er-Jahren verwendete man nur die Abkürzung LGB, welche den Terminus „gay community“ ersetzte. Da sich nicht alle Untergruppen repräsentiert fühlten, ging man in den 1990erJahren dazu über, LGBT – also auch die transgender Community inkludierend – zu verwenden. Das Q betont die Zugehörigkeit jener Personen, die sich als queer definieren, also die zweigeschlechtliche Gesellschaftsordnung sowie die Dominanz von Heterosexualität kritisch hinterfragen und sexuelle Identität als beweglich und nicht festgelegt ansehen. Seit etwa Anfang der 1990er ist die Verwendung dokumentiert.
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