"ZU SPÄT?" Auszug c Zaglossus eU

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QWIEN | WASt (Hg_innen)

Zu Spät?

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QWIEN Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte

WASt Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen

(Hg_innen)

Zu Spät ? Dimensionen des Gedenkens an homosexuelle und transgender Opfer des Nationalsozialismus Dokumentation der Tagung Gedenken neu gedacht – Wien gedenkt vergessener Opfer Zeithistorische, gesellschaftliche, queere und künstlerische Positionen

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Gedruckt mit Unterstützung von

Herausgegeben im Auftrag von QWIEN und WASt von: Mag. Andreas Brunner, Mag. Hannes Sulzenbacher, Mag. Wolfgang Wilhelm Redaktionelle Mitarbeit: Fabiana Ellmerer, Johanna Taufner Herausgeber_innen und Verlag danken allen Urheberrechtsinhaber_innen von Fotografien für die freundliche Genehmigung zum Abdruck. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © Zaglossus e. U., Wien, 2015 1. Auflage 2015 Alle Rechte vorbehalten Umschlag: Carola Dertnig / Julia Rode: ZU SPÄT (2011/12), Temporäre Installation, Wien, Morzinplatz, Foto: Stephan Wyckoff / KÖR GmbH, 2011, © Stephan Wyckoff Druck: Prime Rate Kft., Budapest Printed in Hungary ISBN 978-3-902902-35-1 Zaglossus e. U. Vereinsgasse 33/12+25, A-1020 Wien E-Mail: info@zaglossus.eu www.zaglossus.eu


Inhalt Stadträtin Sandra Frauenberger und Stadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny

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Vorwort für die Dokumentation zur Fachkonferenz Gedenken neu gedacht – Wien gedenkt vergessener Opfer Andreas Brunner, Hannes Sulzenbacher und Wolfgang Wilhelm

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Vorwort Corinna Tomberger

15

Späte Anerkennung oder symbolpolitisches Feigenblatt? Zur Bedeutung eines Mahnmals für homosexuelle und transgender NS-Opfer in Wien Abbildungen 1-13

67

Wolfgang Wilhelm

75

Vom Scheiterhaufen zum Standesamt. Perspektivenwechsel von der Pathologisierung zur Gleichstellung Andreas Brunner und Hannes Sulzenbacher

98

Das Projekt der Namentlichen Erfassung der homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus in Wien Abbildungen 14-31

123

Andreas Pretzel

133

Zukunft gestalten. Ein Mahnmal als Anstoß Panel

150

Was will die Wiener Community? Abbildungen 32-43

173


Stefanie Endlich

181

Denkmäler für Homosexuelle. Entstehungsbedingungen, Debatten und künstlerische Konzepte Michael Schwartz

206

Welcher NS-Opfer gedenken wir? An welche NS-Opfer soll ein Homosexuellen-Mahnmal erinnern? Albert Knoll

232

Kontinuum der Verfolgung homosexueller Menschen in Österreich Abbildungen 44-54

247

Eva Blimlinger

255

Der lokale (Mahnmal-)Kunstdiskurs. Künstler_innen und die Rahmenbedingungen für die Errichtung von Mahnmalen Martina Taig

270

Was macht die Stadt mit einem Mahnmal? Was macht ein Mahnmal mit der Stadt? Workshop 1

282

Wessen gedenken wir? Workshop 2

301

Politische und gesellschaftliche Dimensionen des Gedenkens Workshop 3

317

Die Bedeutung des Gedenkens für die LGBT-Community Workshop 4

332

Ästhetische Dimensionen des Gedenkens Biografien Vortragende und Workshopleitungen

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Vorwort für die Dokumentation zur Fachkonferenz Gedenken neu gedacht – Wien gedenkt vergessener Opfer von Stadträtin Sandra Frauenberger und Stadtrat Dr. Andreas Mailath-Pokorny

Der antifaschistische Grundkonsens der Zweiten Republik ist einer der Grundpfeiler, auf denen unsere demokratische, freie Gesellschaft aufgebaut ist. Seit Ende des NS-Terrorregimes ist es unsere politische Aufgabe, gegen alle faschistischen, menschenverachtenden und diskriminierenden Tendenzen in unserer Gesellschaft zu kämpfen. Es ist zudem auch unsere Pflicht, die Erinnerung wachzuhalten an das, wozu Menschen vor 70 Jahren fähig waren, damit nie, nie wieder Ähnliches passieren kann. Diese Verantwortung nimmt die Stadt Wien durch ihre umfassende Erinnerungskultur wahr: Sei es mit dem Fest der Freude am 8. Mai, dem neu errichteten Deserteursdenkmal am Ballhausplatz oder der Überprüfung personenbezogener Straßennamen – Wiens ‚Erinnern für die Zukunft‘ ist eine Präventionsmaßnahme gegen Extremismen und Zeichen einer weltoffenen Millionenstadt, die ohne Altlasten in die Zukunft geht. 7


zu spät?

Eine während des NS-Regimes verfolgte und auch viele Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht eigens anerkannte Opfergruppe ist die der Homosexuellen und Transgender-Personen. Seit dem Ende des „Totalverbots“ der Homosexualität 1971 unter Bundeskanzler Bruno Kreisky und Justizminister Christian Broda entstand in Wien eine bunte und vielfältige LGBT-Community. Wir haben in Wien-Mariahilf daher 2008 einen Platz nach Christian Broda benannt. In Wien kämpfen zahlreiche Aktivist_innen, Gruppen, Vereine, Lokale, Beratungsstellen und Medien gegen Diskriminierungen und treten für umfassende Gleichstellung in allen Bereichen unserer Gesellschaft ein. Und sie tun dies mit großer Unterstützung der Stadt Wien. Das öffentliche Erinnern an homosexuelle und transgender NS-Opfer ist ein wichtiger Beitrag der LGBT-Community zur Gedenkkultur unseres Landes und unserer Stadt. Wir konnten gemeinsam bereits 2009 eine Parkfläche in WienAlsergrund nach Heinz Heger, dem Autor des legendären Buches Die Männer mit dem Rosa Winkel, benennen. Die Stadt Wien nimmt ihre Verantwortung für das Gedenken an die homosexuellen und transgender NS-Opfer aktiv war. Bisher wurden vier spezifische temporäre Mahnmale von KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien am Morzinplatz realisiert: Mahnwache von Ines Doujak (2010), ZU SPÄT von Carola Dertnig (2011-2012) und Schwule Sau von Jakob Lena Knebl (2013-2014) und raising the bar von Simone Zaugg (seit 2015). Aufbauend auf den Erfahrungen aus diesen spannenden temporären Installationen und erweitert um die Entwicklungen internationaler Mahnmal-Diskurse möchten wir nun die Form des Gedenkens neu denken. 8


Sandra Frauenberger und Andreas Mailath-Pokorny

Die Fachkonferenz Gedenken neu gedacht – Wien gedenkt vergessener Opfer spannte einen weiten Bogen: vom historischen Kontinuum der Verfolgung und dem Perspektivenwechsel der Gesellschaft auf LGBT-Personen, über die zeithistorischen Fakten der Verfolgung im NS-Regime und in der Zweiten Republik, über die Verankerung des Gedenkens innerhalb der Stadt und der LGBT-Community, bis hin zu Mahnmals-Kunstdiskursen in Österreich und Europa und der Frage der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Gedenkens an diese lange vergessene NSOpfergruppe. Wir gedenken, um uns zu erinnern: Nie wieder Faschismus!

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Vorwort Andreas Brunner, Hannes Sulzenbacher und Wolfgang Wilhelm

Am 28. und 29. November 2014 organisierte die Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt) in Zusammenarbeit mit QWIEN – Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte die internationale Fachkonferenz Gedenken neu gedacht – Wien gedenkt vergessener Opfer: Zeithistorische, gesellschaftliche, queere und künstlerische Dimensionen des Gedenkens an homosexuelle und transgender NS-Opfer im Palais Epstein und im Wiener Rathaus. Mit dieser Fachkonferenz setzte die Stadt Wien neue Impulse des Erinnerns an die Verfolgung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen in der NS-Zeit, die zur Realisierung eines permanenten Gedenkzeichens führen sollen. Nachdem 2009 feststand, dass der in einem ersten Wettbewerb prämierte Entwurf eines Mahnmals am Morzinplatz technisch nicht umsetzbar ist, blieb die Stadt Wien nicht untätig und beauftragte die KÖR – Kunst im öffentlichen Raum GmbH mit der Errichtung temporärer Mahnmale, von denen bisher drei am Morzinplatz zu sehen waren. Eine vierte temporäre Installation befindet sich seit April 2015 am Wiener Naschmarkt. Sie trägt den Titel raising the bar und wurde von der Schweizer Künstlerin Simone Zaugg gestaltet. 10


Vorwort

Seit der Auslobung des ersten Wettbewerbs für ein Mahnmal 2005 hat sich das historische Wissen um das Schicksal der Widmungsgruppen – Lesben, Schwule und Transgender-Personen – in der NS-Zeit deutlich vermehrt. Zudem stellt man sich heute stärker der Frage, ob ein solches Mahnmal eher dem Gedenken an historisches Unrecht oder gegenwartsbezogenen Anliegen wie dem Kampf gegen Homophobie und Transphobie gewidmet sein sollte. Bereits im Eröffnungsvortrag der Tagung stellte Corinna Tomberger diese Grundfragen für ein permanentes Gedenkzeichen, indem sie das gedenkpolitische Umfeld seiner Errichtung analysiert. Für ihren Beitrag für das vorliegende Buch leitet sie – basierend auf der Darstellung der politischen und bürokratischen Prozesse für den Wettbewerb des Mahnmals aus dem Jahr 2005 und den damals daraus resultierenden ästhetischen Lösungen – Vorschläge für die zu entwickelnden Inhalte und den Ablauf eines neuen Wettbewerbs ab. Wolfgang Wilhelm von der Wiener Antidiskriminierungsstelle für gleichgeschlechtliche und transgender Lebensweisen (WASt) beschreibt in seinem Beitrag Vom Scheiterhaufen zum Standesamt, wie zunächst die katholische Kirche und später die Wissenschaften homosexuelles Verhalten ächteten, indem sie es zur Sünde, zur intolerablen Abweichung, zur Krankheit oder sozialen Verwerflichkeit erklärten. Er legt ebenso dar, dass es wiederum die Wissenschaften waren, die den Weg zum Perspektivenwechsel und damit zur Entpathologisierung und Emanzipationsbewegung ebneten. Wenige Jahre nach dem ersten Wettbewerb förderte die Stadt Wien das Projekt der Namentlichen Erfassung der homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus in Wien, dessen vom Zentrum QWIEN entwickelte Datenbank eine wesentliche Grundlage zur weiteren wissenschaftlichen Erforschung der NS-Verfolgung darstellen wird. Vorläufige 11


zu spät?

Ergebnisse dieser Datenerfassung bringen Andreas Brunner und Hannes Sulzenbacher in ihrem Beitrag über das bis dato nicht abgeschlossene Projekt und sie stellen in diesem Zusammenhang auch neue Forschungen zur Verfolgung von Trans_Personen in der NS-Zeit vor. Andreas Pretzel nimmt in seinem Beitrag Zukunft gestalten die Diskussionen um das Gedenken an die als Homosexuelle Verfolgten in Berlin zum Ausgangspunkt für die Frage, ob es für ein zeitgemäßes Gedenken nicht mehr bräuchte als einen fixen Gedenkort. Vom Gedanken der „Wiedergutmachung“ an den homosexuellen Opfern des NS-Regimes ausgehend – aber auch als Zeichen der Verantwortung – errichtete der Deutsche Bundestag die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, die das Gedenken an die NS-Opfer wachhalten, die Forschung über die Verfolgung von LGTBI-Personen über die NS-Zeit hinaus unterstützen und Aufklärung und Bildung fördern soll. Nach diesen grundlegenden Ausführungen zur Gedenkpolitik, zu historischen Fragen der Verfolgung und einem Ausblick auf erweiterte Formen des Gedenkens folgte in der Fachkonferenz Gedenken neu gedacht eine Diskussionsrunde mit Vertreter_innen der Wiener LGBTI-Community über ihre Ansprüche und Wünsche an ein Mahnmal. Um die Stimmen aus den verschiedenen Communitys zu dokumentieren, wurden die Diskussion und die komplette Konferenz aufgezeichnet, die einzelnen Wortmeldungen transkribiert und für den vorliegenden Band redigiert. Für die Publikation hat das Redaktionsteam die Beiträge sprachlich geglättet und gekürzt im Bemühen, die Grundaussagen und den Duktus der Sprache nicht zu verändern. Die Originaltranskripte und Tonaufnahmen sind im QWIEN-Archiv einseh- bzw. nachhörbar. Am zweiten Tag der Tagung wurden in Vorträgen und Workshops die Fragen, die sich im Community-Panel 12


Vorwort

gestellt hatten, aufgegriffen und vertieft diskutiert. Stefanie Endlich stellte die Entstehungsbedingungen und künstlerischen Konzepte internationaler LGBTI-Gedenkprojekte vor und bettete damit den Wiener Diskurs in internationale Entwicklungen ein. Michael Schwartz hinterfragte die Zusammensetzung der Widmungsgruppen für das Wiener Denkmal und machte darauf aufmerksam, dass Opfer-Konkurrenz und Opfer-Hierarchien offen diskutiert werden müssen, um die Differenzen zwischen den einzelnen Gruppen nicht zu nivellieren. Auch Albert Knolls Vortrag stellte zur Diskussion, welche Opfer nun vom Gedenken betroffen sein sollen: Denn die nationalsozialistische Homosexuellenverfolgung stellte nur den gewaltsamen Höhepunkt in einem historischen Verfolgungskontinuum dar, das Knoll auch in seinem hier enthaltenen Beitrag über das Kontinuum der Verfolgung homosexueller Menschen in Österreich hinsichtlich der Frage thematisiert, wie legitim die Eingrenzung des Gedenkens auf die NS-Verfolgung ist. Ein abschließender inhaltlicher Schwerpunkt galt der Verortung des Diskurses in Wien: Eva Blimlinger referierte die Bedeutung eines Mahnmals für den lokalen (Mahnmal-) Kunstdiskurs und erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Diskussionen um Denk- und Mahnmale vor allem geschichtspolitische Positionen beinhalten und erstaunlicherweise kaum als ästhetische oder kunstkritische Auseinandersetzungen geführt werden. Martina Taig von KÖR – Kunst im öffentlichen Raum stellte auf der Tagung wie in ihrem Beitrag die drei bis dahin realisierten temporären Mahnmale am Morzinplatz und ihre gedenkpolitischen Zielsetzungen vor. In den parallel stattfindenden Workshops wurden unter reger Beteiligung von Vertreter_innen der Communitys und Interessierten die zentralen Fragestellungen der 13


ZU Spät?

Tagung sowie der Neuausschreibung eines Wettbewerbs für ein permanentes Mahnmal erarbeitet und diskutiert. Eine vollständige Veröffentlichung der Workshop-Transkripte hätte den möglichen Umfang dieser Publikation gesprengt. Das Redaktionsteam hat daher zentrale Wortmeldungen als Zitate aus den Protokollen herausgelöst und zu einer Dokumentation der Workshops zusammengefügt. Nicht alle Diskussionsteilnehmer_innen waren identifizierbar, weshalb auf eine Zuordnung einzelner Wortmeldung verzichtet werden musste. Der Dank der Herausgeber gilt allen Vortragenden und Teilnehmer_innen der Tagung, die wichtige Impulse für einen neu aufgesetzten Prozess für ein Mahnmal in Wien lieferten. Ein besonderer Dank gilt allen Beiträger_innen und allen, die uns Abbildungen zur Illustration zur Verfügung gestellt haben, insbesondere Stefanie Endlich, und allen institutionellen und privaten Rechtegeber_innen. Ilona Bubeck transkribierte die Tonaufzeichnungen mit viel Sachverstand. Bei Redaktion und Lektorat unterstützten uns Fabiana Ellmerer und Johanna Taufner, ohne deren Einsatz für das Projekt wir die Publikation nicht in so kurzer Zeit hätten fertigstellen können. Dies wäre auch nicht möglich gewesen ohne die finanzielle Unterstützung der WASt, der MA 7 – Wissenschaft, des Zukunftsfonds der Republik Österreich und des Nationalfonds der Republik Österreich für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Form und ihren Weg in die Öffentlichkeit fand die Dokumentation der Tagung unter den kundigen Händen der Verleger_innen des Zaglossus Verlags. Andreas Brunner, Hannes Sulzenbacher, Wolfgang Wilhelm Wien, im April 2015

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