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Bauen für alle

Liebe Leserinnen und Leser

Darf man einen Traum haben, der schwer zu verwirklichen ist? Vielleicht macht man sich damit nur zum unzufriedenen Griesgram. Oder zum weltfremden Träumer, der nichts auf die Reihe kriegt. Oder zum penetranten Prediger, dem niemand glauben will.

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Aber: Wenn nur noch geträumt wird, was realisierbar ist, verändert sich nichts. Wenn sich unsere Wünsche auf das beschränken, was in irgendeinem Katalog zu finden ist oder was die andern schon haben, dann wird es nur mehr vom selben geben – das, was wir schon haben.

Also doch lieber das Unmögliche wollen! Die Lebenskunst besteht dann darin, diese Träume zu einer Kraftquelle zu machen, von der wir auch etwas haben, wenn sie sich nicht verwirklichen.

Diese komplizierte Einleitung ist nötig, wenn man auf das Bauen zu sprechen kommen will; genauer: auf das Bauen für Menschen, die ein einfaches Leben führen wollen. Und zwar in einer lebendigen urbanen Umgebung, nicht irgendwo in einem einsamen Chrachen, wo ohnehin niemand hin will, das Land noch günstig ist und die Behörden nicht so genau hinschauen.

Wer heute für ein bescheidenes, aber gutes Leben eine Behausung sucht, die man gestalten kann, wo reale Arbeit möglich ist und echte Nachbarschaft, wer sich so et­ was wünscht, braucht Glück. Mit Geld ist es nicht zu kaufen. Wer das versucht, landet ziemlich rasch im Ghetto des höheren Durchschnittseinkommens, mit allen Defiziten an Lebendigkeit.

Diese Lebendigkeit ist heute beispielhaft in urbanen Brachen zu finden, die sich als Zwischennutzung rasch zu anregenden architektonischen und sozialen Biotopen entwickeln. Leider fast nicht in der Schweiz. Man könnte dieser spontanen Siedlungsform durchaus etwas mehr Struktur, Rechtssicherheit und zeitliche Perspektive geben, damit sich die Menschen über eine gewisse Zeit wirklich zu Hause fühlen können.

Das Bedürfnis nach eigenen vier Wänden ist gross – und legitim. Aber es kann nicht sein, dass dies in der Schweiz im Regelfall eine Million kostet. Das schliesst die Mehrheit der Menschen von vornherein von der Möglichkeit aus, bei sich anzukommen. Kein Wunder, dass fast 60 Prozent der Schweizer zur Miete sind – Europarekord. Sie bezahlen mehr für das Wohnen – Miete ist teurer als Eigentum –, nur weil sie weniger Geld haben.

Das wird sich ändern müssen; aber nicht, indem die Menschen mehr verdienen müssen, sondern indem das einfache Bauen erleichtert wird. Es spart Energie und schont die Ressourcen. Es braucht nicht viel Platz (im Vergleich zu Einfamilienhäusern), es entspricht einem enormen Bedürfnis. Und es wird, wie die Beispiele von Obdachlosensiedlungen in vielen Ländern zeigen, ohnehin kommen. Also lieber jetzt schon damit beginnen und dafür richtig,

Dann lernen wir auch wieder, in Nachbarschaft zu leben, vielleicht sogar in Gemeinschaft. Und das gute Leben kann sich wieder ausbreiten. Man muss einfach mit einem Traum beginnen, der schwer zu verwirklichen ist.

Ich wünsche gute Anregung bei der Lektüre und bleibe mit herzlichen Grüssen

Christoph Pfluger, Herausgeber

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