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Chapeau! – für die Grundacher Schule Sie macht so ziemlich alles anders

Hier werden Bücher geschrieben, Filme produziert und wissenschaftliche Experimente durchgeführt. Doch am Ende der Primarschule ist der Bildungsstand mindestens genauso hoch wie der von Schülern aus dem herkömmlichen System. Praktisch ohne Frontalunterricht werden Selbständigkeit und kritisches Denken gefördert.

Ein Schüler liegt bäuchlings auf dem Boden. Seine Stirn ist vor Konzentration gerunzelt, während er kleine Würfelchen, Stäbe und Blöcke ordnet und dann die Zahl 587 in sein Rechenheft schreibt. «Die Würfel stehen für die Einer, die Stäbe für die Zehner und die Platten für die Hunderter», erklärt der Achtjährige. «So können wir ganz einfach bis tausend rechnen.» Im Nebenzimmer übt ein neunjähriger Mitschüler mit einer Waage und verschiedenen Gewichten die Masseinheiten. «Was wiegt hier wohl zweihundert Gramm?», überlegt er laut. Er hat die Aufgabe, einen solchen Gegenstand zu finden. Der Lehrer rät ihm: «Nimm doch das Zweihundert­Gramm­Gewicht in die eine Hand und einen Gegenstand in die andere, und versuche zu spüren, ob er gleich schwer ist.»

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Einen Stock weiter oben arbeiten die älteren Schülerinnen und Schüler. Eine übt mit einem Computerprogramm Maschinenschreiben, eine andere hat Kopfhörer aufgesetzt und repetiert Englischvokabeln. Und zwei Elfjährige lesen ihrem Lehrer die Endfassung ihres Krimis vor.

«‹Der gruselige Abschied› ist schon das zweite Abenteuer von Anna und Chloe», sagen sie stolz. «Daran haben wir nun drei Monate lang geschrieben. Wir wollen ein ganzes Buch machen!»

Ein ganz normaler Tag an der Grundacher Schule in Sarnen. Denn dort ist alles Erdenkliche möglich – Bücher zu schreiben, Filme zu pro­ duzieren, Musik­CDs aufzunehmen, Hörspiele zu machen und vieles anderes. Nur eines gibt es (fast) nicht: Frontalunterricht. Die Schülerinnen und Schüler lernen selbstständig mit dem vielfältigen Lernmaterial, das ihnen zur Verfügung steht. Sie teilen sich die Zeit selber ein und entscheiden auch, ob sie alleine oder in Gruppen arbeiten möchten. Und am Ende der Primarschule können sie trotzdem mindestens viel wie Schülerinnen und Schüler aus der öffentlichen Schule, bestätigt von der Quote derjenigen, die im Anschluss die Sekundarschule A und das Gymnasium meistern. «Nicht obwohl, sondern genau weil wir eine komplett andere Lernmethode haben, lernen sie und bleiben motiviert!», sagt Schulleiterin Karin Anderhalden.

Lernen bedeutet an der «Grundi», wie die Schule liebevoll genannt wird, dass die Kinder sich Fähigkeiten und Kompetenzen aneignen, die nachhaltig wirken, das heisst in späteren Situationen angewandt, neu verknüpft und weiterentwickelt werden können. Dies geschieht in erster Linie durch Projektarbeit und einem handlungsorientierten Ansatz, bei dem die Kinder sich auf ihre Bedürfnisse und Talente fokussieren dürfen. Besonders gefördert werden die vier Ks: Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denken.

Im Dezember wurde die «Grundi» bereits zum zweiten Mal mit dem Lissa­Preis ausgezeichnet. Dieser wird an Schulen vergeben, die innovative Formen der Exzellenzförderung umsetzen. Das heisst: Bildungsinstitute, die besondere Talente erkennen, individuelle Potenziale herausfordern, diese kreativ fördern und gemeinschaftlich integrieren.

Wir ziehen den Hut vor der «Grundi», ihren Lehrpersonen und ihren Schülern. Für den Mut, anders zu sein, aus dem klassischen System auszubrechen – und zu beweisen, dass es so auch geht. Oder: dass es so noch viel besser geht. Nicole Maron www.grundacherschule.ch

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