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«Wir sehen uns an der Kante!»
80 000 Menschen hat der Waldpädagoge und Aktivist Michael Zobel durch die rheinischen Braunkohlegebiete geführt. Seine legendären Spaziergänge informierten über Flächenfrass, Konzernwillkür, Staatsgewalt und schliesslich auch über die Doppelmoral der Grünen. Von Christa Dregger
Kinder und Erwachsene durch Natur und Wälder zu führen und ihnen die uralten Zusammenhänge nahezubringen, das war dem Geologen Michael Zobel stets wichtiger als Karriere. Doch genau dieser Natur wurde durch den Braunkohleabbau buchstäblich der Boden weggerissen. Während seine ehemaligen Studienkollegen sich um Jobs beim Energieriesen RWE bemühten, wurde er dessen hartnäckigster Gegner. Mit seinen inzwischen 100 monatlichen Waldund Dorfspaziergängen durch die bedrohten und zerstörten Landschaften wurde er zur beständigsten Figur im Widerstand rund um den Hambacher Forst und Garzweiler 2.
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Als ich erstmals den inzwischen legendären Hambacher Forst besuchte, wollte ich die jungen Leute treffen, die dort in Baumhäusern Widerstand gegen die Erweiterung des «grössten Lochs der Welt» leisteten. Wer mich aber wirklich beeindruckte, war das Paar, das uns Journalisten und andere Neugierige mit Umsicht und Ruhe die Zusammenhänge erklärte. Der baumlan ge Waldpädagoge Michael Zobel – nie um Anekdoten und Argumente verlegen – und seine etwas zurückhaltendere Partnerin Eva Töller schienen eine Art Elternoder sogar Grosselternfiguren für die Baumbesetzer zu sein. Hundertmal – acht Jahre lang jeden Monat, ob Schnee, ob Sturm oder Corona – luden sie zu Wald und Dorfspaziergängen ein, sowohl im «Hambi» als auch in von der Räumung bedrohten Dörfern wie derzeit Lützerath, das aktuelle Symbol des Widerstands. Manchmal kamen ein paar Dutzend, manchmal einige tausend, darunter Neugierige, Aktivisten und Gewerkschafter, Politiker, Journalisten und einmal der Polizeipräsident.
Unvergessen der Moment, wo sie unsere kleine Gruppe durch den lieblichen Eichen und Hainbuchenwald an die Rodungskante führten. Da standen wir, fassungslos – unter uns eine Mondlandschaft mit grotesken Dimensionen. 450 m tief ist das Hambacher Loch. Dreimal würde der Kölner Dom übereinander hinein passen. All das war einmal Heimat für Menschen und Tiere, da waren Bauernhöfe, Bäche, Dörfer, Wälder, Kirchen, Sportplätze … Erinnerungen.
Warum gibt es nicht viel mehr Widerstand in den Dörfern? «Die RWE war immer geschickt in ihrer Überzeugungspolitik. So erhielten ausweichwillige Dörfer auf einmal eine neue Flutlichtanlage für ihren Sportplatz
«Ein Schlag in die Magengrube so vieler Menschen, die die Grünen gewählt haben»: der Geologe und aktivist Michael Zobel in «seinem» Hambacher Forst. (Foto: zVg)