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Berlin verliert, Washington gewinnt

Berlin und Paris streben grössere Eigenständigkeit der EU gegenüber den USA an. Sie rüsten massiv auf – auch, weil Deutschland in der Rivalität mit Washington schwere Rückschläge verzeichnet.

Von German Foreign Policy

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Berlin hat in der Rivalität mit Washington im vergangenen Jahr mehrere schwere Rückschläge erlitten. Zum einen haben beim Vorgehen des transatlantischen Bündnisses im Ukraine­Krieg auf militärischer Ebene die NATO und mit ihr die USA klar das Kommando inne.

Es kommt hinzu, dass auf ökonomischer Ebene die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft vom US ­Geschäft mit dem Abbruch aller ökonomischen Beziehungen zu Russland gestiegen ist; das schliesst die neue Abhängigkeit von US­Flüssiggas ein.[1] Letztere wird durch die Sprengung der Nord Stream­Pipelines, die mittlerweile selbst Berliner Regierungsmitarbeiter in Hintergrundgesprächen einer westlichen Macht anlasten, auf Dauer verfestigt.[2]

Parallel hat wiederum die Biden­Administration mit ihrem Hunderte Milliarden US­Dollar schweren Investitionsprogrammen begonnen, Industrie aus Europa sowie vor allem aus Deutschland im grossen Stil abzuwerben; Wirtschaftskreise warnen längst vor einer Deindustrialisierung der Bundesrepublik.[3] Weitere Faktoren kommen hinzu, nicht zuletzt die Tatsache, dass ein Grossteil des Berliner 100 ­MilliardenEuro­Militärpakets nicht deutschen, sondern vielmehr US­Rüstungskonzernen zugute kommt.[4] Berlin verliert, Washington gewinnt.

Scholz hinzu, «Chinas Aufstieg» liefere «weder eine Rechtfertigung für die Isolation Pekings noch für eine Einschränkung der Zusammenarbeit». Die Äusserung bezieht offen gegen die US­Eindämmungspolitik gegenüber der Volksrepublik Position.

«Die internationale Ordnung gestalten»

Für Berlin und die EU vordringlich ist es laut Scholz in der entstehenden «multipolaren Welt», sich grössere Eigenständigkeit zu bewahren: Man müsse «gewährleisten, dass Europa noch souveräner wird und über die geopolitischen Kapazitäten verfügt, die internationale Ordnung zu gestalten», heisst es in einem Beitrag von Scholz und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der am Wochenende unmittelbar vor den Pariser Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung des Élysée­Vertrages erschien.[11] In einer deutsch­französischen Erklärung, die anlässlich der Feierlichkeiten veröffentlicht wurde, heisst es, man arbeite an einer Europäischen Union, «die widerstandsfähiger, nachhaltiger und stärker zu unabhängigem Handeln fähig» sei als heute [12]; es gehe darum, die «strategische Souveränität Europas [zu] stärken» sowie «die wirtschaftliche, industrielle und technologische Basis Europas widerstandsfähiger, wettbewerbsfähiger und effizienter [zu] machen». Ziel sei, heisst es resümierend, «eine echte europäische Souveränität».

«Die stärkste Armee in der EU»

Das Streben nach «europäischer Souveränität» ist dabei verbunden mit einer klaren Kriegs­ und Aufrüstungspolitik. So heisst es in der Erklärung, man werde «der Ukraine weiterhin unerschütterliche Unterstützung» leisten in allen Bereichen von der Politik über die Wirtschaft bis zur Kultur.[13] Militärische Unterstützung ist explizit eingeschlossen; diplomatische Unterstützung zum Erreichen einer Verhandlungslösung wird nicht genannt. «Von entscheidender Bedeutung» sei insbesondere auch «die Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten». Dies knüpft an neue Bestrebungen zur Aufrüstung der jeweiligen nationalen Streitkräfte an. Präsident Macron hat angekündigt, die Militärausgaben des Landes dramatisch aufzustocken – auf insgesamt 400 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2024 bis 2030.

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