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Warum überlebte Homo sapiens?

Es war nicht Intelligenz oder Kraft. Es war Freundlichkeit.

Von Eva Maria Gent

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Ist der Mensch gut oder böse? Diese Frage beantwortet der niederländische Autor, Historiker und Aktivist Rutger Bregman (*1988) in seinem Buch gleich im Titel: «Im Grunde gut!» Er zeigt anhand von Beispielen aus Psychologie, Biologie, Geschichte und Archäologie auf, dass die Vorstellung in der westlichen Welt vom Wesen des Menschen auf der falschen Annahme beruht, dass nur der Stärkste und Intelligenteste sich durchsetzt und weiterentwickelt. Ja, es gebe eine natürliche Selektion in der Entwicklung der Menschheit, aber diese beruhe auf gänzlich anderen Auswahlkriterien.

«Nur Stämme werden überleben!» Dieser Satz des indianischen Rechts­ und Politikwissenschaftlers, Autors und Aktivisten Vine Deloria (1933 – 2005), zwar für unsere Zeit gedacht, aber er galt erst recht für die Zeit der Jäger und Sammler. Allein in der Wildnis und besonders in den Kälteperioden der Eiszeit war man verloren. Die Neandertaler lebten wohl in kleineren Verbänden zusammen, wahrscheinlich monogam, vielleicht in der Art von Kleinfamilien, die weit zerstreut waren. Mit starken Kälteeinbrüchen konnten sie schwer umgehen. Mit jeder extremen Kälteperiode ging die Zahl der Neandertaler zurück. Trotzdem behaupteten sie sich 250‘000 Jahre lang gegen alle Widrigkeiten. Vor ca. 40 000 Jahren erschien dann der Homo sapiens auf der Bildfläche, und rund 10 000 Jahre später gab es keinerlei Spuren mehr von der Gattung Homo neanderthalensis.

Es gibt die verschiedensten Theorien, warum die eine Spezies weiterlebte und die andere verschwand. Der Neandertaler war vielleicht intelligenter (grösseres Gehirn) und stärker (robuster Knochenbau). Aber er war wohl nicht so zugänglich und freundlich und deshalb auch nicht so gemeinschaftsfähig wie der Homo sapiens.

Darin könne, laut Bregman, der Grund dieser Selektion liegen: Homo sapiens lebten in grösseren Gemeinschaften zusammen. Und die beste Eigenschaft, um mit anderen friedlich zu leben und arbeiten, ist Freundlichkeit! Freundliche Menschen sind anziehender, finden leichter zueinander und halten zusammen — und dadurch setzen sie sich letztendlich leichter durch.

Es gebe Anzeichen dafür, dass auch das Liebesleben dieser Jäger und Sammler ganz entspannt gewesen sei, sowohl im eigenen Clan als auch bei Besuchen bei befreundeten Stämmen. Hier wie dort galt: «Female choice» – die Frauen hatten die Wahl, wie in der übrigen Natur. Und die freundlichen Männer hatten mehr Glück! Die Verantwortung für die Kinder übernahmen alle gleichermassen. Babys wurden gemeinsam versorgt und teilweise von mehreren Müttern gestillt. Die väterlichen Aufgaben übernahmen alle Männer des Clans. Die Gleichstellung der Geschlechter

Freundlichkeit als Überlebenskraft: Hier bei den Mosuo in China, einer der letzten matrilinearen Kulturen.

Foto: Creative Commons

Freundlichkeit ist eine Sprache, die Taube hören und Blinde lesen können.

Mark Twain

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