BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.
2015
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Schwerpunkt
Bauen mit Beton
AIV Braunschweig Neue Publikation
AIV Frankfurt
Fรถrderpreis 2014 entschieden
AIV Hamburg
Bauwerke des Jahres 2013
AIV KรถlnBonn
Studienreise nach Turin
AIV Magdeburg
Bauwerke des Jahres 2013
AIV Wetterau Neuer Vorstand
Oldenburgischer AIV
Studienreise nach Andalusien
BAUKULTUR
beton
Beton? Natürlich.
Natürlich temperierend. Sein großes thermisches Speichervermögen macht Beton zu einem idealen Baustoff. Im Sommer bleibt Außenwärme weitestgehend draußen und im Winter wird Innenwärme im Raum gehalten. So entsteht ein angenehmes Raumklima. Diese klimaregulierende Wirkung kann man mit Hilfe der so genannten Betonkernaktivierung noch effizienter gestalten. Hier erfahren Sie mehr: www.beton.org / temperierend oder QR-Code einscannen
editorial
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Liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Leser und Freunde der BAUKULTUR, wie immer gibt der Jahreswechsel Anlass zurückzublicken, aber auch nach vorne zu schauen. Das Jahr 2014 war ein Jahr des Gedenkens weltpolitischer Ereignisse, die eng mit Deutschland verknüpft sind: 100 Jahre Beginn des Ersten Weltkrieges, 75 Jahre Ende des Zweiten Weltkrieges und damit der Beginn des Kalten Krieges sowie nicht zuletzt 25 Jahre Fall der Mauer. Nach einem guten Jahr Regierungszeit der großen Koalition bleibt festzustellen, dass die politischen Veränderungen im Lande die übermächtige Mehrheit der Regierungsfraktion im Deutschen Bundestag nicht widerspiegeln. Immerhin wurde für die Berufsstände der Architekten, Ingenieure und Planer erreicht, dass die politischen Kompetenzen und Ansprechpartner nun in einem Ministerium gebündelt sind. Zumindest führt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit den „Bau“ nicht ganz am Ende seines Namens. Was jedoch die Wahrnehmung der Stimme und der Bedeutung unserer Berufsstände angeht, gibt es fraglos erheblichen Verbesserungsbedarf. Aktuelle Fragen unserer Berufsstände hat der DAI Tag 2014 in Augsburg diskutiert: die Ausbildung unseres Nachwuchses. Der DAI hat dazu eine „Augsburger Erklärung“ verfasst und veröffentlicht. Sie finden den Wortlaut ebenso in dieser Ausgabe der BAUKULTUR wie die Laudatio von Wolfgang Bachmann auf den diesjährigen Träger unseres Großen DAI Preises für Baukultur, Architekt Gerhard Wittfeld. Weitere Details wie auch Bilder vom Augsburger DAI Tag sind im Internet unter www.dai.org eingestellt. Die bewährte Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Baukultur hat sich weiter verfestigt. So gibt es einen regen Austausch mit dem Vorstandsvorsitzenden Reiner Nagel und den Gremien der Stiftung. Die Kolumne in dieser Zeitschrift erfreut sich großer Beliebtheit und bleibt fester Bestandteil. Die enge Kooperation mit der Bundesstiftung Baukultur wurde auch deutlich auf dem letzten Verbändegespräch in Berlin, das am 18.11.2014 auf Einladung des DAI stattfand. Unter anderem wurde der Baukulturbericht 2014/15 erstmalig den Verbänden vorgestellt, ein Bericht, der der Baukultur den ihr angemessenen Stellenwert verleiht. Die diskutier-
ten Themen, die Fragen um unsere Berufe und die gebaute Umwelt insgesamt heben das Planen und Bauen als kulturbegründende Tätigkeit auf eine neue öffentlichkeitswirksame Ebene. Natürlich hat das DAI Präsidium auch für 2015 wieder ein umfangreiches Programm aufgelegt. Auftakt wird ein Besuch der BAU 2015 in München sein, wo wir traditionell in Zusammenarbeit mit unseren Partnern der BetonMarketing-Gesellschaften das Thema „Bauen mit Beton“ vertiefen werden. Welche Möglichkeiten sich bieten und wie vielfältig einsetzbar der Werk- und Baustoff Beton ist, können Sie dieser BAUKULTUR entnehmen. Natürlich werden wir unsere Regionaltreffen beibehalten, Auftakt wird in der Region West bereits im Januar sein, hier in Verbindung mit dem 150-jährigen Bestehen des AIV KölnBonn, ein erster herzlicher Glückwunsch sei schon an dieser Stelle ausgesprochen. In Hannover werden wir den DAI Tag 2015 (25.–27.9.2015) vorbereiten. Auch weitere Fachveranstaltungen sind geplant, z. B. im März mit unserem Partner ECB in Chemnitz. Unsere internationale Fachexkursion wird 2015 voraussichtlich nach Kuba führen, einem Land, das (bau)kulturell in vielerlei Hinsicht spannende Einblicke verspricht. Details hierzu und weitere Veranstaltungen werden Sie wie gewohnt in Ihrer BAUKULTUR wie auch auf der Web-Seite des DAI finden. Freuen wir uns auf ein spannendes und für die Berufsstände der Ingenieure und Architekten erfolgreiches Jahr 2015. Persönlich wünsche ich Ihnen in erster Linie Gesundheit und Wohlergehen. Bleiben Sie dem DAI und der BAUKULTUR gewogen und helfen Sie tatkräftig mit, für die Interessen unserer planenden und bauenden Berufe einzutreten, damit die Baukultur eine Kultur mit Zukunft bleibt. Herzlichst Ihr
Prof. Dipl.-Ing. Christian Baumgart DAI Präsident
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DAI in deuschland
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Verbändegespräch in Berlin Auf Einladung des DAI fand am 18.11.2014 das 64. Verbändegespräch auf dem EUREF-Campus in Berlin-Schöneberg statt.
Kiel
Pinneberg
Osnabrück
Dortmund
Reiner Nagel (Mitte), Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, stellt den Baukulturbericht 2014/15 vor
Düsseldorf
Wiesbaden Aschaffenburg Mainz
Mannheim
Saar
Nürnberg
Gunther Adler (Mitte), Staatssekretär im BMUB, als Gast beim Verbändegespräch in Berlin
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Freiburg
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DAI Mitgliedsverein kein DAI Mitgliedsverein
www.twitter.com/baukultur
DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe
DAI Mitgliedsvereine AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Bielefeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hamburg AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Ulm
AIV Karlsruhe AIV Koblenz AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Leipzig AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark-Sauerland AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Wetterau
AIV Würzburg AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg
inhalt
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Titel: Treppenhaus der Gemeinschaftsgrundschule Garthestraße in Köln-Riehl (Foto: Keimfarben GmbH)
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Editorial Christian Baumgart DAI in Deutschland Inhalt Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur: Baukultur im ländlichen Raum Wirtschaft + Recht
10–13 10 10 11–13
DAI aktuell Aus dem Präsidium Augsburger Erklärung: Ein Plädoyer für mehr Baukultur Großer DAI Preis für Baukultur: Laudatio
14–21 14 14 15–17 18 19 20 21
DAI regional AIV Braunschweig: Neue Publikation AIV Frankfurt: Förderpreis 2014 entschieden AIV Hamburg: Bauwerke des Jahres 2013 AIV KölnBonn: Studienreise nach Turin AIV Wetterau: Neuer Vorstand AIV Magdeburg: Bauwerke des Jahres 2013 Oldenburgischer AIV: Studienreise nach Andalusien
22–35 22–23 24–25 26–27 28 29 30 31 32–33 34–35
Schwerpunkt: Bauen mit Beton Das neue Ferrari-Autohaus in München Besucherzentrum im Archäopark Vogelherd Einfamilienhaus in Stuttgart Erweiterung eines Wohnhauses in Dießen Neue Moschee in Abu Dhabi Skulpturen aus Beton Wein in Beton Professionelle Betonkosmetik Materialexperiment Holzleichtbeton
36–45 36–37 38–39 40–41 42 43 44 45
Advertorials | Anzeigen Hermann Rudolph Baustoffwerk: Green-Code®-System Keimfarben: Erweiterung einer Grundschule in Köln-Riehl Disbon: Neues Farbkonzept für Freiburgs größtes Parkhaus Rinn Beton- und Naturstein: Meilenstein in der Nachhaltigkeitsstrategie Liapor: Kindertagesstätte in Karlsruhe Ed. Züblin AG: TaunusTurm in Frankfurt am Main StoCretec: Betoninstandsetzung / Erhöhte Tragfähigkeit
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Autoren | Vorschau | Impressum
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nachrichten
BAU 2015 Unter dem Motto „Die Zukunft des Bauens findet vom 19.–24.1.2015 in München die BAU statt. Sie gilt als Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme. Die vorliegende Ausgabe 1_2015 der Zeitschrift BAUKULTUR wird auf dem Stand der BetonMarketing Deutschland zur Auslage kommen. www.bau-muenchen.com BetonTage Die diesjährigen BetonTage finden vom 24.–26.2.2015 in Neu-Ulm statt. Die enge Verknüpfung von Kongress und Ausstellung zeichnet die BetonTage als übergreifende Wissensplattform aus. Ergänzend werden zwei Workshops angeboten: „Beton im Hocbhau“ und „Betonpflaster und -platten“. Gastland Belgien präsentiert sich mit dem Podium „Potenziale der Betonbauteile von morgen“. www.betontage.de Ressourcenschonender Beton Das bundesweite Symposium zum Thema „Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz in der Bauwirtschaft: R- Beton schließt die Stoffkreisläufe“ findet vom 23.– 24.3.2015 in Stuttgart statt. Es wird vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und der Akademie für Natur- und Umweltschutz Baden-Württemberg veranstaltet. Thematisch geht es um neue Entwicklungen im Einsatz von ressourcenschonendem Beton (R-Beton). www.umweltakademie-baden-wuerttemberg.de Beton in der Landschaftsarchitektur Am 2.2.2015 bietet das Seminar „Beton in der Landschaftsarchitektur“ Informationen über Betonfertigteile, Sichtbetonmauern und Flächenbefestigungen in Ortbeton. Veranstalter ist das Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg. Die Veranstaltung findet im Architekturschaufenster Karlsruhe statt. www.akbw.de Beton-Kalender 2015 Diese Publikation behandelt die Schwerpunktthemen Bauen im Bestand und Brückenbau. Sie enthält eine kommentierte Kurzfassung des DIN-Handbuchs Brückenbau.
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Weitere Themen sind Tragwerksplanung im Bestand, Instandsetzung von Betonkonstruktionen, Feste Fahrbahn, Baudynamik. Konrad Bergmeister, Frank Fingerloos, Johann-Dietrich Wörner (Hrsg.): BetonKalender 2015, Verlag Ernst & Sohn, Berlin 2014. www.ernst-und-sohn.de Himmelstürmend Die Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum (DAM) bietet bis 19.4.2015 einen Überblick zur Hochhausgeschichte Frankfurts: Vom Wiederaufbau nach 1945 über den Häus erkampf im Westend bis in die Zeit der globalen FinanzBlick in die Frankfurter „Banken- m ä r k t e . klamm“ (Foto: Klaus Helbig) Ausgewählte Bauten werden dabei in ihren historischen, ökonomischen und kulturellen Kontext gestellt. Das ungebaute Frankfurt wird erfahrbar anhand visionärer Projekte – wie dem Campanile, dem Millennium-Tower oder verschiedenen Überbauungsplänen für den Hauptbahnhof. www.dam-online.de Erweiterung Bauhaus-Archiv Anlässlich des 100. Jubiläums des Bauhauses 2019 erhält das Bauhaus-Archiv in Berlin eine Erweiterung. Die Gesamtkosten für die Sanierung des Bestandsbaus von Walter Gropius und den Museumsneubau in Höhe von 56,3 Mio. Euro sollen je zur Hälfte vom Land Berlin und vom Bund getragen werden. www.bauhaus.de The Urburb: Muster Neuen Wohnens Vom israelischen Pavillon der Architekturbiennale in Venedig wandert diese Ausstellung zum Deutschen Architektur
Zentrum (DAZ) nach Berlin und ist dort bis zum 8.2.2015 zu sehen. „Urburb“ steht für die Schnittstelle zwischen urban und suburban und dokumentiert 100 Jahre modernistischer Planung in Israel. Computergesteuerte Sanddrucker fräsen auf den Ebenen „Land“, „Stadt“, „Nachbarschaft“ und „Gebäudeeinheit“ Pläne in den Sand. Sobald sie fertig gezeichnet sind, werden sie wieder verwischt, und neue Pläne entstehen: ein minimalistischer, aber ausdrucksstarker Beitrag. www.daz.de Ausstellung Lina Bo Bardi Die Architektin Lina Bo Bardi hat mit ihren Bauten, Möbeln, Ausstellungen und Theorien ein herausragendes Werk geschaffen, das erst in jüngster Zeit wachsende Aufmerksamkeit erhält. In Italien geboren und ausgebildet Fabrica da Pompeia São Paulo spielte sie 1977–1986 (Foto: Markus Lanz) in der Entwicklung moderner Architektur in Brasilien eine wichtige Rolle. Sie prägte einen eigenen Gestaltungsansatz, der die gesellschaftliche Bedeutung des Bauens und seine kulturelle Verankerung in den Mittelpunkt stellt. Anlässlich Lina Bo Bardis 100. Geburtstag zeigt das Architekturmuseum der TU München noch bis 22.2.2015 die Ausstellung „Lina Bo Bardi 1OO – Brasiliens alternativer Weg in die Moderne“. www.architekturmuseum.de Häuser des Jahres 2015 Das deutsche Architekturmuseum (DAM) hat gemeinsam mit dem Callwey Verlag und mit Unterstützung von InformationsZentrum Beton und Kaldewei den Architekturpreis „Häuser des Jahres“ ausgelobt. Gesucht werden die besten Einfamilienhäuser im deutschsprachigen Raum. Teilnahmeberechtigt sind Architekten aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Die Einfamilienhäuser sollen nach dem 1.1.2012 fertig gestellt sein. Einsendeschluss ist der 26.1.2015. www.dam-online.de
kolumne
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Die Bundesstiftung Baukultur stellt ihre Arbeit vor
Baukultur in ländlichen Räumen Warum ist der ländliche Raum im 21. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Städte, von Interesse? Jenseits der Großstädte leben in Klein- und Mittelstädten und im ländlichen Raum in Deutschland ca. 70 % der Bevölkerung, je nach Definition wird der ländliche Raum von 30 bis 50 % der Bevölkerung bewohnt. Die Landwirtschaft beansprucht zwar noch 52 % der Gesamtfläche Deutschlands, bietet jedoch nur 1,5 % aller Erwerbstätigen Beschäftigung. Es stellt sich folglich die Frage, welches Bild der tradierten Vorstellung eines agrarisch geprägten Dorfes in der Realität gegenübergestellt werden muss. Wie stellen sich Leben und Strukturen auf dem Land heute wirklich dar, wenn es einerseits als Produktionsort für Nahrungsmittel, Holz und Energie, andererseits als Raum für Siedlung, Verkehr und Erholung gesehen wird? Und wo können gestalterische und baukulturelle Belange im Alltag von Bewohnern und Kommunen eine Rolle spielen? Im Rahmen ihres zukünftigen Schwerpunkts „Gebaute Lebensräume der Zukunft: Stadt und Land“ interessiert die Bundesstiftung Baukultur, wie sich ländliche Räume definieren lassen. Wo und wie leben die Menschen dort heute, wo arbeiten sie und wie bewegen sie sich? Der demografische Wandel macht sich nicht überall gleich bemerkbar. Gibt es dennoch übertragbare Wege, Landflucht und Leerstand kreativ zu begegnen? Was können wachsende Kommunen von schrumpfenden lernen und heute schon besser machen, um in Zukunft flexibler auf Veränderungen zu reagieren? Auch die Aufrechterhaltung gleichwertiger Lebensverhältnisse wird kontrovers diskutiert. Muss die staatliche Daseinsvorsorge angesichts der starken Ausdünnung bestimmter Regionen neu diskutiert werden? Bürgerschaftliches Engagement kann viele Bedarfe abfedern, wo aber müssen Initiativen und Gemeinden an einem Strang ziehen? Ortsbilder sind in kleinen Gemeinden fragile Elemente baukultureller Identität. Ohne Gewachsenes außer Acht zu lassen, muss auch hier neuen Herausforderungen angemessen und zukunftsfähig begegnet werden. Erneuerbare Energien etwa prägen schon heute ganze Landschaften. Überall stellt sich die Frage, wie ländliche Räume von einer Auseinandersetzung mit dem Thema Baukultur profitieren. Um diese Fragen zu beantworten, erkundet die Stiftung räumliche, wirtschaftliche, soziale und bauliche Strukturen und deren Veränderungen. Die bestehenden Interessensund Flächenkonflikte gilt es auf ihre Auswirkungen auf die Gestalt des gebauten Raums hin zu untersuchen. Die Stiftung analysiert, wie sich die Rahmenbedingungen für baukulturelles Schaffen im Land darstellen, wo sie fördern oder
beeinträchtigen. Verantwortliche Akteure auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollen zusammengeführt und ein konstruktiver Dialog angeregt werden. Darüber hinaus ist die Bundesstiftung Baukultur Teil des Forschungsprojekts „Baukultur konkret“, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) beauftragt wurde. Bearbeiter ist eine Arbeitsgemeinschaft aus dem Büro für urbane Projekte, der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft und LandLuft – Verein zur Förderung von Baukultur in ländlichen Räumen. Ziel des Vorhabens ist es, zivilgesellschaftliche Ansätze für Baukultur ausfindig zu machen und Formate zu ihrer Unterstützung zu erproben. Als Netzwerk- und Kommunikationspartner zeigt die Bundesstiftung vor Ort in den Pilotgemeinden des Projekts Präsenz und tritt in direkten Kontakt mit den unterschiedlichen Akteuren. Erkenntnisse aus dem Projekt werden in den Baukulturbericht 2016/17 und die Baukulturwerkstätten 2015 einfließen, die nach ihrer bisherigen Fokussierung auf den Lebensraum (Groß)Stadt ebenfalls die ländlichen Räume sowie Klein- und Mittelstädte ins Blickfeld rücken. An drei verschiedenen Veranstaltungsorten in Deutschland werden entsprechende Projekte und Initiativen zu den Themenkomplexen „Vitale Gemeinden“, „Infrastruktur und Landschaft“ sowie „Planungskultur und Prozessqualität“ vorgestellt. Interessierte Akteure können sich derzeit mit ihren Projekten über die Web-Seite der Bundesstiftung Baukultur bewerben. Niklas Nitzschke www.bundesstiftung-baukultur.de
Zeitgenössisches Bauen mit lokaler Identität und baukultureller Tradition (Foto: Bundesstiftung Baukultur)
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wirtschaft + recht
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§§ Die in Berlin, Frankfurt, München und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien- und Baurecht sowie das Vergaberecht.
Neues aus dem... ...Immobilien- und Baurecht
...Vergaberecht
Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet.
Bei der Durchführung von Verhandlungsgesprächen sind die Fragen des Auftraggebers und die Antworten der Bieter zu dokumentieren.
Bei Mängeln am Bauwerk werden regelmäßig die bauüberwachenden Architekten mit der Begründung verklagt, diese hätten ihre Bauüberwachungspflichten verletzt. Ziel ist es, eine Regulierung des Schadens durch die Berufshaftpflichtversicherung des Architekten zu erreichen. Aufgrund der Häufigkeit dieser Konstellation haben sich in der Rechtsprechung gefestigte Grundsätze für eine Beurteilung des Umfangs der Überwachungspflichten eines Architekten entwickelt. Das OLG Koblenz hat in seinem Urteil vom 30.09.2014, Az.: 3 U 413/14, diese Grundsätze zutreffend zusammengefasst. Hiernach hat der die Bauaufsicht (Objektüberwachung) führende Architekt grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass der Bau plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird. Der Architekt ist dabei nicht verpflichtet, sich ständig auf der Baustelle aufzuhalten. Er muss allerdings die Arbeiten in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Bei wichtigen oder bei kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, ist der Architekt zu erhöhter Aufmerksamkeit und zu einer intensiveren Wahrnehmung der Bauaufsicht verpflichtet. Im Rahmen seiner Überwachungspflicht muss der Architekt vor allem sein Augenmerk auf schwierige und gefahrträchtige Arbeiten richten, die typische Gefahrenquellen darstellen. Im vom OLG Koblenz entschiedenen Fall waren Abdichtungsund Fliesenarbeiten in einem Nassbereich eines Schwimmbades mangelhaft ausgeführt worden. Das Gericht sah in diesem Fall, bei konsequenter Anwendung der obigen Grundsätze, die Verletzung einer Überwachungspflicht durch den Architekten als gegeben an. Diese Ansicht begründet das OLG Koblenz mit dem Argument, dass Abdichtungs- und Fliesenarbeiten in einem Nassbereich eines Schwimmbades einen Bauabschnitt bilden, dem zentrale Bedeutung zukommt, gleichbedeutend mit dem Gelingen des gesamten Werks. Bei diesen Arbeiten handele es sich nicht um handwerkliche Selbstverständlichkeiten. Der Architekt schuldete demnach eine besondere Bauüberwachung dieser Arbeiten.
Die Vergabekammer Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 05.09.2013 – 2 VK 12/13) und die Vergabekammer Baden-Württemberg (Beschluss vom 14.11.2013 – 1 VK 37/13) haben die hohen Anforderungen an die Dokumentation von Verhandlungsverfahren weiter ausformuliert. Danach muss die Dokumentation einer Wertung so ausführlich sein, dass für einen außenstehenden fachkundigen Dritten bei Kenntnis des Angebotsinhalts der Ablauf des Vergabeverfahrens sowie sein materieller Inhalt deutlich erkennbar und nachvollziehbar sind. Tatsachen und Überlegungen, die die in Aussicht genommene Zuschlagsentscheidung tragen, müssen vollständig, wahrheitsgemäß und verständlich festgehalten werden. Aufgrund der Dokumentation müssen die Rechtsmittelinstanzen den Gang des Vergabeverfahrens nachvollziehen und kontrollieren können. Bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens kommt dem Inhalt der Verhandlungen (neben dem schriftlichen Angebot) eine ausschlaggebende Bedeutung für die Vergabeentscheidung zu. Insbesondere sind daher die Fragen, Nachfragen und Antworten sowie mündliche Erläuterungen des Bieters zu dokumentieren. Fehlt eine derartige ausreichende aktenmäßige Dokumentation, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die von den Bietern abgegebenen Erklärungen tatsächlich zu einer anderen Bewertung der Angebote hätten führen müssen. Insbesondere schlagwortartige oder lückenhafte Darstellungen sowie Wertungen statt Tatsachendarstellungen im Protokoll genügen nicht den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Dokumentation. Die Verletzung der Dokumentationspflicht hat zur Folge, dass die unzureichend dokumentierten Verfahrensschritte zu wiederholen sind. Demnach ist die Wertung oder sind sogar die Verhandlungsgespräche zu wiederholen. Die Entscheidungen zeigen, wie wichtig es für Auftraggeber ist, ihre Vergabeentscheidungen auf Tatsachen- und Wertungsebene vollständig und nachvollziehbar darzustellen. Auftraggeber sind gut beraten, umfangreiche Protokolle zu führen und diese von den Bietern gegenzeichnen zu lassen.
Rechtsanwalt Andreas Labicki
Rechtsanwalt Thomas Schneider
Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de
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DAI aktuell
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Aus dem Präsidium In der letzten Ausgabe der BAUKULTUR haben wir Ihnen schon einige Eindrücke des diesjährigen DAI Tages in Augsburg übermittelt. Dem Schwäbischen AIV Augsburg nochmals ein herzliches Dankeschön für die Organisation und die Gastfreundschaft. Inhaltlich hat sich der DAI neben den satzungsmäßigen Formalia bei der DAI Verbandsratssitzung und bei der DAI Mitgliederversammlung mit Fragen rund um die Themen Ausbildung und Nachwuchsförderung beschäftigt. Daraus ist die „Augsburger Erklärung“ hervorgegangen. Bitte unterstützen Sie den DAI bei der Verbreitung dieses wichtigen Themas und tragen Sie die Diskussion weiter. Das DAI Präsidium freut sich, viele von Ihnen im kommenden Jahr vom 25.–27.9.2015 beim DAI Tag in Hannover wiederzusehen. Udo Sonnenberg
Eberhard Wunderle, 1. Vorsitzender des Schwäbischen AIV Augsburg, übergibt den Staffelstab an Constanze Kovac, 2. Vorsitzende des AIV Hannover
Ein Plädoyer für mehr Baukultur DAI verabschiedet Augsburger Erklärung
Die Mitglieder des Verbandes Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine (DAI) haben sich auf dem DAI Tag 2014 in Augsburg intensiv mit einigen drängenden Fragen in Bezug auf die Berufe der Architekten, Ingenieure und Planer auseinander gesetzt. Schwerpunkt der Diskussion war das Thema Ausbildung und damit Nachwuchsförderung in den Büros, aber auch hinsichtlich der Architekten- und Ingenieurvereine. Viele Büroinhaber stehen vor dem Problem, dass sie junge Absolventen einstellen und diese zunächst komplett für ihre Bedürfnisse „neu“ ausbilden müssen, weil diese keine ausreichende Qualifikation mitbringen. Es wird konstatiert, dass die Ausbildungseinrichtungen teilweise am Bedarf vorbei qualifizieren. Ein Phänomen heutiger Bautätigkeit ist, dass Architekten, Ingenieure und Planer oft auf zu großer Distanz zum Bauherrn und Geldgeber sind. Auftraggeber sind eher Fondsund Immobiliengesellschaften, Konsortien, Projektsteuerer und Generalplaner/ Generalunternehmer. Diese treten mit speziellen Anforderungen an die Architekten und Ingenieure heran: Gesucht ist der Spezialist für Brandschutz, Energieeffizienz oder Vergabeverfahren und weniger der Generalist, der in allen Bereichen Fähigkeiten hat, die er entsprechend ein- und umsetzen kann. Eine Fachspezialisierung als Anforderungsprofil bringt aber keine generell baubefähigten, kreativ-kompetenten Planer hervor. Das wiederum führt in der Konsequenz zu einer „Industrialisierung des Architektenberufs“, was nicht im Interesse der Berufsstände sein kann und darf. Die immer stärkere Vermischung zwischen klassischer Architektur auf der einen und der fachlichen Ausdifferenzierung in alle Bereiche (Energie, Brandschutz, Antragsverfahren etc.) auf der anderen Seite bedeutet in der Konsequenz eine Zerfaserung des Architekten- und Ingenieurberufs, die so keiner ernsthaft wollen kann.
Die Ausbildungseinrichtungen haben auf das vermeintlich nachgefragte, zeitgemäße Anforderungsprofil von Bewerbern mit einer kürzeren Ausbildungszeit und einer stärkeren Spezialisierung reagiert. Im DAI hat man sich nun darauf verständigt, über verschiedene Wege auf diese Zusammenhänge kritisch aufmerksam zu machen und lösungsorientiert Abhilfe zu schaffen. Eintragungsausschüsse stehen beispielsweise immer öfter vor der Frage, inwieweit der spezialisierte Absolvent die Voraussetzungen für eine Bauvorlage erfüllt. Hier gilt es darauf hinzuwirken, dass klare Kriterien und klare Inhalte keine Zweifel an der grundsätzlichen Befähigung und damit Bauvorlagekompetenz lassen. Es sollen sowohl die politisch Verantwortlichen als auch die befreundeten Kammern und Verbände darauf aufmerksam gemacht werden, dass nicht am Bedarf vorbei ausgebildet wird. Ausbildungsstätten sollen in Rücksprache mit den praktisch arbeitenden Bau- und Planungsberufen ihre Curricula aufbauen und ggf. umbauen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Akkreditierungsstellen der Ausbildungseinrichtungen die benötigten Anforderungen kennen: Ein möglichst universell ausgebildeter Mensch, der aufgrund seines erworbenen Know-hows in der Lage ist, sich in komplexe Zusammenhänge einzuarbeiten und schwierige Problemstellungen vollständig zu lösen. Unser Land und damit wir alle – aber auch andere europäische Gesellschaften – blicken heute auf die Tatsache, dass ein enormer Gebäudewert in den zurück liegenden Jahrzehnten geschaffen wurde. Der Erhalt und die Ertüchtigung dieser Bestandsgebäude erfordern ein durchaus spezialisiertes, aber eben auch ein generelles Know-how, das jungen Menschen vermittelt werden muss. Das ist die zentrale Herausforderung für die Baukultur in Deutschland und darüber hinaus.
Lust auf die ganze BAUKULTUR?