BAUKULTUR Zeitschrift des DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V.
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Schwerpunkt Bauen in Aschersleben
AIV Hildesheim Jahresempfang und Studienpreis 2016 Niedersächsischer Staatspreis 2016
AIV Oberhessen Städtebauliche Exkursion 2016
AIV zu Berlin Schinkel-Wettbewerb 2017
MAIV Darmstadt Studienreise nach Lettland
BAUKULTUR
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LIEBE LESERINNEN UND LESER, VEREHRTE FREUNDE DER BAUKULTUR, kaum eine Stadt Sachsen-Anhalts erwachte derart geschunden aus dem städtebaulichen Koma der DDR-Jahre und keine andere hat derartig wagemutig mit den Möglichkeiten eines Neubeginns experimentiert wie Aschersleben. Als Durchfahrtsort an mehreren Bundesstraßen gelegen, hatte Aschersleben kaum einen Ruf zu verlieren – dafür aber viele Einwohner. Von 34.000 Einwohnern im Jahr 1989 wanderten bis 2010 jährlich durchschnittlich 500 ab. Jede sechste Wohnung stand leer. Der täglich von fast 20.000 Autos befahrene Straßengürtel rings um die Altstadt war dreckig und laut. Wer durch Aschersleben fahren musste, dem blieb die Stadt wohl in Erinnerung als diejenige, in der man entlang öder Straßenzüge oftmals im Stau stand. Baulücken klafften zwischen trostlosen Fassaden. Von Baukultur war da nicht viel zu sehen. Vor den Architekten und Ingenieuren stand in Aschersleben, wie auch in vielen anderen ostdeutschen Städten, eine Aufgabe, die sie an keiner Universität oder Hochschule gelehrt bekommen haben: der plan- und qualitätsvolle Rückbau einer Stadt. Dafür gab es keinen Masterplan und keinen Algorithmus. Sehr schnell wurde aber erkannt, dass sich hier eine geschichtliche Chance bietet, für die man eigentlich sehr dankbar sein muss. Nach dem Motto „Von außen nach innen – Konzentration auf den Kern“ wurden in Aschersleben über 1.200 Wohneinheiten abgerissen, vor allem im Plattenbaugebiet. Paradoxerweise wurde das letzte vor der Wende errichtete Plattenbaugebiet, durchaus keine schlechte Bausubstanz, als erstes komplett wieder abgerissen, einschließlich Kindertagesstätte und Schule. Eine unorthodoxe Entscheidung, die sehr weh tat und heiß umstritten war, sich aber aus heutiger Sicht für die Entwicklung der Stadt als notwendig und richtig erwiesen hat. Aber auch die marode Bausubstanz am Rande der Stadt sollte zugunsten des Stadtkerns weichen. Aschersleben gilt heute als Prototyp einer Stadt, die ihren Schrumpfungsprozess planvoll gestaltet hat und auch noch weiter gestaltet. Die gewonnenen Freiräume im Straßenabschnitt „Hinter dem Zoll“ wurden zu Kunsträumen. Hybridwalls aus haushohen Stahlrahmen, bespannt mit 60 m² großen Bildern, füllen nun die Baulücken der Ortsdurchfahrt. So entstand weltweit die erste DRIVE THRU GALLERY, eine Durchfahrtsgalerie mit wechselnden Ausstellungen, die immerhin nun täglich fast 20.000 Besucher – oder besser – Befahrer verbuchen kann. Immerhin 400.000 Euro wurden in dieses Projekt der IBA 2010 investiert.
Doch nicht nur die Ortsdurchfahrt wurde intensiv umgestaltet. Die trotz flächenhafter Abbrüche vor der Wende umfangreich erhaltene historische Bausubstanz in der Altstadt wurde behutsam und konstant saniert, und Brachflächen wurden neu bebaut. 1991 wurde ein 66 ha großes Sanierungsgebiet für die südliche Altstadt festgelegt. Mit „Konzentration auf den Kern“ gewann Aschersleben Schritt für Schritt wieder an Lebensqualität. Dafür wurden insgesamt 44,6 Mio. Euro Fördermittel aus dem Programm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und „Stadtsanierung“ genutzt. Die südliche Altstadt, ein nach der Wende aufgrund von Investitionsstau fast verlassener und vielerorts baufälliger Stadtteil, wurde durch die Versorgungsträger zunächst infrastrukturell und nachfolgend baulich innerhalb der letzten 15 Jahre derart aufgewertet, dass sie inzwischen zum bevorzugten Wohngebiet geworden ist, vor 15 Jahren unvorstellbar. Mit einer Investitionssumme von 16,2 Mio. Euro war das „Bildungszentrum Bestehornpark“ das größte Hochbauprojekt nach der Wende. Die 1861 von Heinrich Christian Bestehorn gegründete und bald florierende Papierwarenfabrik wurde 1945 enteignet. In dem volkseigenen Betrieb waren 1.000 Menschen beschäftigt. Übrig blieb ein heruntergewirtschafteter Industriekoloss mit rußgeschwärzten Mauern und blinden Fenstern. Ab 2007 wurde die riesige Industrieruine im Auftrag der Stadt saniert, von einer Papierfabrik zu einer Denkfabrik. Und nicht nur das Gebäude wurde saniert und durch einen Riegelbau ergänzt, es wurden auch neue Plätze, Sichtachsen und Wege geschaffen. Diese im Kontext zum Bauwerk stehende städtebauliche Maßnahme ist für Aschersleben mindestens genauso wichtig wie das Bauwerk an sich. Überzeugen Sie sich anlässlich des DAI Tages vom 23.–25.9.2016 selbst vom Wandel der Stadt, die dank des Fleißes und Ideenreichtums von Architekten und Ingenieuren die baukulturelle Wende bisher mit viel Dynamik gemeistert hat. Ich kann Ihnen versichern, es lohnt sich, Aschersleben gesehen zu haben, nicht nur aus dem Auto. Herzlichst Ihr
Stefan Wohlrab 1. Vorsitzender AIV Aschersleben-Staßfurt
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DAI in deutschland
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Kiel
DAI Mitglied im Rat für Baukultur und Denkmalkultur Pinneberg
Der Rat für Baukultur und Denkmalkultur ist eine Sektion des Deutschen Kulturrates, des Spitzenverbandes der Bundeskulturverbände. Er macht sich für die Interessen der Bau- und Denkmalkultur im Deutschen Kulturrat und gegenüber Politik und Öffentlichkeit stark. Seit Juni 2016 gehört der DAI zu den Mitgliedern.
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kein DAI Mitgliedsverein DAI Mitgliedsverein mit Textbeitrag in der vorliegenden Ausgabe
DAI MITGLIEDSVEREINE AIV Aschaffenburg AIV Aschersleben-Staßfurt AIV Bad Hersfeld AIV Bielefeld AIV Braunschweig AIV Frankfurt AIV Hamburg AIV Hanau AIV Hannover AIV Hildesheim AIV Ulm
AIV Karlsruhe AIV Koblenz AIV KölnBonn AIV Konstanz AIV Magdeburg AIV Marburg AIV Mark-Sauerland AIV Oberhessen AIV Schweinfurt AIV Stuttgart AIV Würzburg
AIV zu Berlin Dortmunder AIV Mittelrheinischer AIV Darmstadt Münchener AIV Münsterländer AIV Oberrheinischer AIV Freiburg Oldenburgischer AIV Ruhrländischer AIV zu Essen Schwäbischer AIV Augsburg
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Rubriken Nachrichten Kolumne Bundesstiftung Baukultur Wirtschaft + Recht DAI aktuell Aus dem Präsidium DAI regional AIV Hildesheim: Jahresempfang und Studienpreis 2016 AIV Hildesheim: Niedersächsischer Staatspreis für Architektur 2016 AIV Oberhessen: Städtebauliche Exkursion 2016 AIV zu Berlin: Schinkel-Wettbewerb 2017 – Das fliegende Spaghettimonster MAIV Darmstadt: Studienreise nach Lettland
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Schwerpunkt: Bauen in Aschersleben Großer DAI Preis für Baukultur 2016 Geschichte der Stadt Aschersleben Die einst größte Papierfabrik des Kontinents Bildungszentrum Bestehornpark Stadtplan Aschersleben Internationale Bauausstellung 2010 Landesgartenschau 2010 Grafikstiftung Neo Rauch Das älteste Quartier der Stadt Aufwertung der Innenstadt Alte Hobelei Fachwerkhaus Weinberg 13
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Advertorials | Anzeigen NOVO-TECH: Holz weiter gedacht Stadtwerke Aschersleben: Fernwärme in der Altstadt
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Titel: Orangerie im Bestehornpark in Aschersleben (Foto: Jens Dammann)
Editorial Stefan Wohlrab DAI in Deutschland Inhalt
Autoren | Vorschau | Impressum
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nachrichten
Mies van der Rohe Award 2015 Eine Ausstellung zum Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur zeigt in einer audiovisuellen Tour die 420 besten Projekte, die in den letzten beiden Jahren in der EU gebaut wurden. Großformatige Fotografien, die in die für den Ort charak te Philharmonie Szczecin von Baroz- r i s t i s c h e Geräuschzi Veiga (Foto: © Hufton+Crow) kulisse eingebettet sind, ermöglichen ein intensives Erleben der Atmosphäre der einzelnen Gebäude, das gewöhnlich denjenigen vorbehalten ist, die in ihnen leben, arbeiten und sie nutzen. Anhand von Modellen und maßstabsgetreuen Objekten wird so eine andere Betrachtung der Gebäude und Baumaterialien möglich. Die Ausstellung ist vom 10.9.– 23.10.2016 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zu sehen. www.dam-online.de Zukunft von Gestern Visionäre Entwürfe von Future Systems und Archigram sind bis zum 18.9.2016 im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt zu sehen. Im Fokus stehen Zeichnungen, Collagen und Modelle des tschechischen Architekten Jan Kaplický aus den 1980er Jahren. Konfrontiert werden die Exponate mit den 20 Jahre früher entstandenen Werken von Archigram aus der DAM S a m m lung. Die Entwür fe von Archigram um P e t e r Future Systems, Peanut, 1984 Cook, Ron (Foto: © DAM) Herron und Dennis Crompton sowie von Future Systems um Jan Kaplický und David Nixon sind in der utopischen Architektur angesiedelt. Archigram entwarfen organische Architekturen für das Überleben in unbehaglichen Sphären, Future Systems technoide Konstruktionen für die freundlichere Erdlandschaft. www.dam-online.de World of Malls. Architekturen des Konsums Diese Ausstellung im Architekturmuseum München (Pinakothek der Moderne) widmet sich bis zum
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16.10.2016 einem Architekturtypus, der vor rund 60 Jahren in den USA aufgekommen ist und sich bis heute zu einem globalen Phänomen entwickelt hat. Im Vordergrund steht die bauliche Entwicklung von Shopping Malls, die mit dem Einkauf s zentrum des österreichis c h e n Architekten VicHorton Plaza in San Diego von tor Gruen Jon Jerde (Foto: © The Jerde im AmePartnership) rika der 1950er Jahre ihren Anfang nahm. Zunächst als geschlossene Bunker auf der grünen Wiese geplant, stehen heutige Shopping Malls weltweit als urbane Erlebnisräume an zentralen Orten in der Stadt und sind bedeutende Bestandteile des öffentlichen Raums geworden. www.architekturmuseum.de Dokumentation Deutscher Architektentag Im Oktober 2015 fand in Hannover der Deutsche Architektentag statt. Von der Eröffnung im Sprengel Museum über die Veranstaltung im Schloss Herrenhausen bis zum Fazit und Ausblick ist in einer Broschüre der Bundesarchitektenkammer das Programm noch einmal nachvollziehbar: Reden, Zusammenfassungen der Diskussionen und Foren, Vorträge und viele Fotos. Die Dokumentation kann kostenfrei online oder direkt bei der Architektenkammer Niedersachsen bestellt werden. www.aknds.de Tag des offenen Denkmals 2016 In diesem Jahr steht der Tag des offenen Denkmals unter dem Motto „Gemeinsam Denkmale erhalten“. Damit lehnt es sich an den Vorschlag des Europarats an, die European Heritage Days 2016, deren deutscher Beitrag der Tag des offenen Denkmals ist, unter das Motto „Heritage and Communities“ zu stellen. Rund 8.000 historische Stätten werden am 11.9.2016 zu besichtigen sein. Eine App informiert über das vollständige Programm – mit Standortbestimmung, Suchfunktion, Merkzettel, Filter und allen Details zu den geöffneten Denkmalen. Die Eröffnungsfeier findet in Augsburg statt. www.tag-des-offenen-denkmals.de
Berenice Abbott – Fotografien Berenice Abbott (1898–1991) zählt zu den wichtigen Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Der Martin-Gropius-Bau in Berlin widmet ihr bis zum 3.10.2016 eine Ausstellung mit rund 80 Aufnahmen. Gezeigt w e r den ihre berühmten ikonischen B i l d e r der Serie C h ang ing New York, frühe Portraits und ihre PioBerenice Abbott, Flatiron Buil- nierarbeiding (Foto: © Berenice Abbott/ ten als Commerce Graphics, courtesy WissenHoward Greenberg Gallery, NY) schaftsfotografin. Als in New York alte Viertel verschwanden und durch eine rasant wachsende Skyline ersetzt wurden, dokumentierte Abbott die sich verändernde Metropole. Zum Bildthema wurden Ruinen und Abbruchhäuser, die gleichberechtigt neben neuen Wolkenkratzern stehen. www.gropiusbau.de Baukultur in Baden-Württemberg Mit einer neuen Internetplattform möchte das Land Baden-Württemberg zeigen, wo und wie Baukultur wirkt. Und es möchte die am Planen und Bauen interessierten und beteiligten BadenWürttemberger motivieren, sich zu vernetzen und gemeinsam an Strategien und Projekten für qualitätvolles Planen und Bauen im Land zu arbeiten. www.baukultur-bw.de Vision und Konstruktion Das Symposium „Vision und Konstruktion“ thematisiert am 14.10.2016 in Berlin anhand herausragender nationaler und internationaler Beispiele die kreative Arbeit der Ingenieure, ihre Ideen bei der Tragwerksentwicklung und der Konzeption von Gebäuden. Besonders interessieren dabei der adäquate Umgang mit Materialien sowie die praktische Umsetzung des Tragwerkskonzepts auf der Baustelle. Das Symposium wendet sich vor allem an Bauingenieure und konstruktiv interessierte Architekten. Veranstalter ist der Verband Beratender Ingenieure VBI. www.ingenieur-baukunst.de
kolumne
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Die Bundesstiftung Baukultur stellt ihre Arbeit vor
GRÜNE STRATEGIEN FÜR DIE STADT Wenn wir die Stadt vom öffentlichen Raum her denken, sind wir auf dem direkten Weg zum Städtebau, der heute wichtigsten Handlungsebene zur gestalterischen Umsetzung gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Schaffung neuer Wohnungen. Grün begegnet uns dabei zunächst als Ergebnis von Vorgaben: als Kaltluftschneise, Biotop, Baumschutz oder schützenswerte Grünanlage. Bestenfalls sind Parkanlagen als „Wohnfolgeeinrichtungen“ kompensierende Faktoren für Verdichtungen in der Stadt. Dabei können wir es umdrehen und durch planerische Strategien für die öffentlichen Räume mit machbarem Aufwand großen Nutzen für die grüne Infrastruktur und die Lebensqualität in unseren Städten erzielen. Die aktuellen gesellschaftlichen Themen, wie Neues Wohnen in der Stadt, Zuwanderung, Flächenaktivierung und Verdichtung, führen zwingend zur Frage des Vorhandenseins und Zustands von öffentlichem und privatem Grün in der Stadt. Neue städtische Qualitäten in gemischten, urbanen Quartieren beleben die Stadt, führen aber auch zu neuer Nähe und potenziellen Konflikten. Gefragt ist deshalb die kompensierende Funktion von Ausgleichsgrün oder die Schaffung neuer Grünanlagen als planungsrechtliche Konsequenz für neues Wohnen. Damit wird gleichzeitig ein Qualitätsversprechen in eine bewohnbare Stadt eingelöst. Grüne Infrastruktur ist Voraussetzung für baukulturell gelingende Investitionen in die Stadt. Das betrifft die gesamte Erschließung und Infrastruktur im Sinne einer mitdenkenden Haltung aus Sicht des öffentlichen Raums und des Grüns in der Stadt. Und diese Haltung ist auf allen Planungsebenen erforderlich, beginnend bei der Stadtentwicklung über die Stadtplanung über den Städtebau bis zur Architektur bzw. Gartenarchitektur. Haltung und Bewusstsein braucht es, um zu erkennen, dass mit grünen Strategien für die Stadt so etwas wie ein Paretoprinzip der Baukultur machbar ist. Eine Umfrage der Bundesstiftung Baukultur befasste sich vor etwa zwei Jahren damit, was den Bürgern für ihr eigenes Wohnumfeld wichtig ist. Für 96 % war es das Vorhandensein von Infrastruktur, also öffentlicher Nahverkehr oder Nahversorgung. 92 % war die Pflege und der Zustand vor Gebäuden, Straßen und Plätzen besonders wichtig, und 84 % wollten dort leben, wo gleichzeitig eine Nähe zu Parks und der Natur gegeben ist. Mit Maßnahmen im öffentlichen Raum lässt sich also großer Nutzen für die Qualität der gebauten Umwelt erzielen. Als die Stadt Berlin vor einigen Jahren als erste deutsche Stadt ein Grünes Leitbild entwickelt hat, wurden für strategische Maßnahmen drei Handlungsebenen identifiziert: die urbane Natur in der Stadt – das sind Seen, Wälder und
Landschaftsräume zur Stabilisierung der Biodiversität – die schöne grüne Stadt gestalteter Parkanlagen, Gärten oder Straßenalleen und die produktive Landschaft des urbanen Gärtnerns oder der wechselnden Freizeitnutzungen im Grünen. Auf diesen Handlungsebenen können, immer vom öffentlichen Raum her gedacht, vielfältige Projekte wirksam werden: neue Wegeverbindungen für Fußgänger und Radfahrer, Stadtbäume zur stadträumlichen Aufwertung, kleine Parkanlagen als grüne Zimmer in verdichteten Quartieren oder Räume und Felder für städtische Landwirtschaft. Offen bleibt noch die Frage nach den „Grünen Ikonen“ als besonderes strategisches Instrument der Stadtentwicklung. Markante Projekte wie der High-Line-Park in New York oder die Gärten der Welt in Berlin-Marzahn haben tatsächlich eine hohe Strahlkraft. Sie sind jedoch eher Maßnahmen der touristischen Infrastruktur und der Profilierung von bisher zu wenig beachteten Stadtarealen als Maßnahmen einer Baukultur des Alltäglichen. Dabei sind diese tatsächlich wirksam, und im Falle Berlins geht es auch um einen Impuls für die städtebauliche Weiterentwicklung der Peripherie. Darüber wollen wir vom 29.–30.9.2016 in Berlin diskutieren: Was können Großereignisse wie die IGA für eine nachhaltige Stadtentwicklung leisten? Wo sind Grenzen und worin liegen weiterführende Chancen? Unsere Baukulturwerkstatt „Grüne Strategien für die Stadt“ findet als gemeinsame Veranstaltung der Bundesstiftung Baukultur und der IGA Berlin 2017 in Kooperation mit dem BDLA statt. Ihre Anmeldung ist willkommen und kostenlos möglich unter: www.bundesstiftung-baukultur.de/veranstaltungen/gruenestrategien-fuer-die-stadt. Reiner Nagel
Park am Gleisdreieck in Berlin (Foto: © Julien Lanoo für Atelier Loidl)
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wirtschaft + recht
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§§ Die in Berlin, Frankfurt, München und Wien ansässige Kanzlei Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft ist Premiumpartner des DAI. Zu ihren bundesweiten Arbeitsschwerpunkten zählen das Immobilien- und Baurecht sowie das Vergaberecht.
NEUES AUS DEM... ...Immobilien- und Baurecht
...Vergaberecht
Steuerabzug bei Immobilienverkäufen
Der Bewertungsmaßstab muss derart transparent sein, dass für die Bieter erkennbar ist, welche konkreten Anforderungen zu erfüllen sind, um die Maximalpunktzahl zu erhalten.
Eine zunehmend angewandte Regelung im Einkommensteuergesetz erlaubt es Finanzbehörden, bei der Veräußerung von Immobilien durch ausländische Kapital- oder Personengesellschaften einen Betrag in Höhe von 25 % des gesamten Kaufpreises, bzw. 15 % bei Kapitalgesellschaften, zur Sicherung des Steueranspruchs direkt vom Käufer zu verlangen. Der Käufer ist dann verpflichtet, einen Teil des Kaufpreises direkt an das Finanzamt abzuführen, bevor dieser an den Verkäufer gezahlt werden kann. Der Einbehalt kann unabhängig von der Frage, ob und in welcher Höhe durch die Veräußerung überhaupt ein Veräußerungsgewinn und damit ein Steueranspruch entsteht, vorgenommen werden. Bei weitgehend wertausschöpfend belasteten Immobilien ist oftmals nahezu der vollständige Kaufpreis erforderlich, um die für die Eigentumsumschreibung erforderliche Lastenfreistellung durch die Gläubigerbanken zu gewährleisten. Reicht der verbleibende Teil des Kaufpreises nicht zur Lastenfreistellung aus, befindet sich der Käufer in einer „Zwickmühle“: Erfüllt er die Forderung des Finanzamts, läuft er Gefahr, dass der verbleibende Betrag zur Lastenfreistellung nicht ausreicht. Erfüllt er die Treuhandauflage der Gläubiger, droht eine Haftung gegenüber dem Finanzamt für die nicht abgeführten Steuern. Aus Verkäufersicht besteht das Risiko, dass die Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen nicht herbeigeführt werden können, weil der zu zahlende Kaufpreis abzüglich des einzubehaltenden Betrags nicht mehr zur Lastenfreistellung ausreicht. Für diesen Fall steht dem Käufer regelmäßig ein Rücktrittsrecht zu, das die gesamte Transaktion zum Scheitern bringen kann. Bei zukünftigen Transaktionen bzw. Immobilienkäufen, an denen ausländische Gesellschaften oder Personen auf Verkäuferseite beteiligt sind, ist die oben beschriebene Praxis der Finanzbehörden im Rahmen der Vertragsgestaltung und im Umgang mit den finanzierenden Banken oder anderen Gläubigern zwingend zu beachten. In jedem Fall muss der Verkäufer im Vorfeld der Veräußerung sicherstellen, dass auch im Falle der Anordnung eines Einbehalts durch das Finanzamt der verbleibende Kaufpreis zur Lastenfreistellung durch die Grundpfandgläubiger ausreicht. Durch vorausschauende vertragliche Gestaltungen können Abwicklungsschwierigkeiten vermieden werden.
Die Vergabekammer Bund ist mit Beschluss vom 13.04.2016 (VK 2-19/16) der jüngeren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf gefolgt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 28/14 und Beschluss vom 16.12.2015 – VII-Verg 25/15) und hat bekräftigt, dass ein Bewertungsmaßstab hinreichend transparent sein muss. Im vorliegenden Verfahren sollten die zu liefernden Produkte (Lebensmittel) anhand von 4 sog. Merkmalskategorien geprüft und bewertet werden. Die 4 Kategorien sind (a) Äußeres, Zustand des Behältnisses; (b) Aussehen, Farbe, Zusammensetzung; (c) Konsistenz sowie (d) Geruch und Geschmack. Die Punktevergabe erfolgte folgendermaßen: 5 Punkte für ein Produkt, das bei den Merkmalskategorien keinen Fehler aufweist; 4 Punkte für ein Produkt, das bei einem Merkmal „geringfügig“ abweicht; 3 Punkte für ein Produkt, das „merklich“ abweicht; 2 Punkte für ein Produkt, das einen „deutlichen“ Fehler aufweist; 1 Punkt für ein Produkt, das einen „starken“ Fehler aufweist; 0 Punkte für ein Produkt, das „nicht mehr bewertbar“ ist. Die Vergabekammer hat entschieden, dass, in Ermangelung näherer Hinweise in den Vergabeunterlagen, für die Bieter nicht erkennbar gewesen sei, wann welcher Punktwert vergeben wird, sodass die Gefahr willkürlicher Bewertungen im Raum stehe. Aus den Vergabeunterlagen ergebe sich zwar, welche grundlegenden Anforderungen an die Produkte gestellt werden. Dies genüge jedoch nicht, um zu konkretisieren, welche Anforderungen ein Produkt erfüllen müsse, um die maximale Punktzahl zu erhalten. Öffentliche Auftraggeber sollten sich daher bewusst sein, wie wichtig die Erstellung eines ausdifferenzierten Bewertungssystems ist, das den Ansprüchen der aktuellen Rechtsprechung an die Transparenz genügt. Ansonsten riskieren sie, dass ihr sorgfältig vorbereitetes Vergabeverfahren angreifbar wird. Rechtsanwältin Aline Karrakchou, LL.M.
Rechtsanwalt Sydney Gottschalk Ansprechpartner Berlin: RA Lars Robbe, Tel.: 030–880331–231, Fax: 030–880331–100, Mail: l.robbe@zl-legal.de, www.zl-legal.de Ansprechpartner München: RA Dr. Ulrich May, Tel.: 089–29050–231, Fax: 089–29050–290, Mail: u.may@zl-legal.de, www.zl-legal.de
DAI aktuell | DAI regional
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AUS DEM PRÄSIDIUM Neue Aktivitäten Seit der letzten Sitzung Ende Mai 2016 hat das DAI Präsidium folgende Punkte vorangetrieben: Schatzmeister Arnold Ernst vertritt den DAI fortan in der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring. Er folgt damit DAI Ehrenpräsident Joachim Darge, der sich altersbedingt zurückgezogen hat. Außerdem ist der DAI nunmehr auch Mitglied im Rat für Baukultur und Denkmalkultur des Deutschen Kulturrates. Diese Aufgaben werden überwiegend aus der DAI Geschäftsstelle begleitet.
DAI Tag 2016 Aktuell laufen die Vorbereitungen für den diesjährigen DAI Tag in Aschersleben. Die Einladungen sind verschickt, und die Bitte richtet sich an alle Architekten- und Ingenieurvereine: Wenn aus jedem DAI Mitgliedsverein drei Teilnehmer kommen, wäre das eine starke Aussage und Würdigung der Arbeit, die die Gastgeber auch dieses Jahr wieder in die Vorbereitungen gesteckt haben. Machen Sie also Werbung in Ihren Vereinen – Aschersleben lohnt sich! Udo Sonnenberg
rechts Begrüßung durch die Vorsitzende Dagmar Schierholz
AIV Hildesheim
JAHRESEMPFANG UND STUDIENPREIS 2016 Unter dem Motto „Ausbildung trifft Praxis“ trafen sich die Mitglieder des AIV Hildesheim in der Aula der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen mit den Lehrenden und Studierenden der Hochschule für Architektur und Bauwesen zum inzwischen traditionellen Jahresempfang. Bei der Begrüßung hob Prof. Dr.-Ing. Günter Bahre, Dekan der Fakultät Bauen und Erhaltung, die freundschaftliche Verbundenheit zueinander hervor, die besonders in der Vergabe des Studienpreises zum Ausdruck kommt. Die Vorsitzende des AIV Hildesheim, Dagmar Schierholz, begrüßte mit knappen aber herzlichen Worten die Anwesenden und stellte als Festredner Norbert Wasserfurth vor, Lichtplaner und Dozent an der HAWK im Fachbereich Gestaltung. Sein Vortrag zum Thema „Licht im öffentlichen Raum“ begann mit der Bogenlampe 1880 und endete beim Licht als Kommunikationsdesign in der Stadt. In seinen Beispielen aus dem gesamten europäischen Raum brachte er zum Ausdruck, dass der Beleuchtungskörper und das Licht selbst bei jedem Objekt individuell angepasst werden müssen. Die Zeit des reinen Anstrahlens eines Baukörpers oder die allgemeine Ausleuchtung eines Platzes ist vorbei. Andere Aspekte wie Energieeinsparung, Lichtsmog und öffentliche Sicherheit spielen dabei immer mehr eine Rolle. Eines seiner letzten Projekte ist das beleuchtete Welterbeband in der Stadt Hildesheim. Anschließend fand die Prämierung des Studienpreises für die diesjährige Entwurfsaufgabe statt. Zu planen war erst-
mals ein Objekt, das auch realisiert werden soll, und zwar eine flexible Überdachung für den Freisitz vor der Mensa. Die Ergebnisse von 18 Teams mit über 50 Studenten konnten sich sehen lassen. Trotzdem mochte sich die Jury von Mitgliedern des AIV Hildesheim sich nicht für einen 1. Preis entscheiden, sondern vergab zwei 2. Preise mit je 300 Euro Preisgeld und zwei 3. Preise mit 200 Euro Preisgeld. Die Preisgelder stiftete der Beamtenwohnungsbauverein Hildesheim. Realisiert wird zur Zeit einer der 2. Preise in leicht veränderter Ausführung. Leider kann diese Form der Förderung von studentischen Leistungen in den kommenden Jahren so nicht mehr erfolgen. Da der betreuende Professor in Ruhestand geht, fehlt das Studienangebot, das bisher die Planungsaufgabe stellte und damit eine ganzheitliche Bewertung gleicher Leistungen zuließ. Da sich der AIV Hildesheim die Förderung junger Lernender jedoch zur Aufgabe gemacht hat, wird derzeit mit der HAWK nach einer neuen Form bepreister studentischer Leistungen gesucht. Walter Nothdurft
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rechts Mariendom während des Hildesheimer Lichtkunstfestes „Lichtungen“
AIV Hildesheim
NIEDERSÄCHSISCHER STAATSPREIS FÜR ARCHITEKTUR 2016 Der sanierte Mariendom in Hildesheim, ein UNESCO-Weltkulturerbe, erhielt mit dem neu geschaffenen Dommuseum und dem ebenfalls neu gestalteten Domhof den niedersächsischen Staatspreis für Architektur 2016. Unter fast 100 Bewerbungen kamen 11 Projekte in die engere Wahl. Der Staatspreis wurde am 1.6.2016 von der niedersächsischen Sozial- und Bauministerin Cornelia Rundt an die Planer Schilling Architekten, Köln, und die Landschaftarchitekten Hahn Hertling von Hantelmann, Hamburg, in Hannover überreicht. Als Bauherrnvertreter nahm Dombaumeister Norbert Kesseler, auch stellvertretender Vorsitzender des AIV Hildesheim, den Preis in Empfang. Die Ministerin bezeichnete den niedersächsischen Staatspreis als Erfolgs-
geschichte; der Preis selbst sei bekannt und geschätzt. Der diesjährige Preisträgerentwurf habe eine Strahlkraft in die Öffentlichkeit (Leitthema des diesjährigen Wettbewerbs). Die präzisen Eingriffe, die hohe Materialqualität und die Reduktion der Formen erzeugen räumliche Spannungen, Ruhe und eine hohe Aufenthaltsqualität. Die Bewertung durch den Architektenkammerpräsidenten Wolfgang Schneider lautete: Architekten, Landschaftsarchitekten und Bauherrn arbeiteten
für die optimale Lösung, passten die Ziele im Laufe der Zeit immer wieder an und kamen so zu einem einzigartigen Gesamtensemble, das Hildesheim überzeugend aufwertet. Von der besonderen Qualität des Domensembles konnte sich schon im vergangenen Jahr eine Delegation des AIV Magdeburg im Rahmen einer von Mitgliedern des AIV Hildesheim betreuten Führung überzeugen. Walter Nothdurft
AIV Oberhessen
STÄDTEBAULICHE EXKURSION 2016 Regelmäßig veranstaltet der AIV Oberhessen für seine Mitglieder Fachexkursionen zur Fortbildung und Netzwerkerweiterung. Die diesjährige städtebauliche Exkursion führte unter Leitung des 1. Vorsitzenden, Lothar Schmidt, nach Lübeck. Die Exkursionsgruppe von insgesamt 24 Baufachleuten absolvierte ein straffes, dreitägiges Programm. Bei mehreren Stadtführungen, die zu Fuß und per Boot erfolgten, wurde die städtebauliche Entwicklung Lübecks anschaulich erläutert. Dabei wurden nicht nur das Wahrzeichen Lübecks, das Holstentor, besichtigt, sondern auch weitere historisch bedeutende Gebäude, wie z. B. das Rathaus, die vielen Kirchen und ehemaligen Klöster. Einen besonderen Überblick über die Stadt und das Umland hat man in 50 m Höhe von der Aussichtsplattform der Petrikirche. Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile Lübecks durch Bombenangriffe zerstört. Hier entstand zwischen historischen Gebäuden eine durchaus beeindruckende Architektur, die sich
teilweise in die Umgebung einfügt, teilweise aber auch einen Kontrast bildet. Bei der diesjährigen Exkursion wurden aber nicht nur städtebauliche, sondern auch kulturelle Aspekte berücksichtigt. Hierzu zählen die Musikhochschule, verschiedene Museen, die jüdische Synagoge und natürlich die drei Nobelpreisträger der Stadt, Thomas Mann, Günter Grass und Willy Brandt. Trotz des umfassenden Programms blieb den Teilnehmern ausreichend Zeit für individuelle Erkundungen in Lübeck und damit auch die Möglichkeit, die weltweit berühmten Marzipanspezialitäten zu genießen. Steffen Leppla
Exkursionsteilnehmer des AIV Oberhessen vor dem Holstentor in Lübeck
DAI regional
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rechts Berliner Westkreuz mit ICC und Funkturm
AIV zu Berlin
DAS FLIEGENDE SPAGHETTIMONSTER In diesem Jahr nimmt der AIV-Schinkel-Wettbewerb das Berliner Westkreuz in den Blick. Ziel ist es, die Entwicklungspotenziale rund um den Verkehrsknotenpunkt zu erschließen.
lich Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen zur Vorprüfung ein. Als „Anwälte“ der Entwürfe vertiefen sie sich in ausgewählte Beiträge und stellen diese der Jury vor. Dabei können die Studierenden die laufende Diskussion verfolgen und mit ihren eigenen Einschätzungen vergleichen.
Wer entwirft, versucht eine wünschenswerte Zukunft zu formulieren.„Bösartig“ nennt Horst Rittel diesen Problemtyp. Der Designtheoretiker fordert zur Annäherung an „bösartige“ Probleme zunächst ein Sammeln unterschiedlicher Lösungen. Erst im Nebeneinander dieser Ansätze lassen sich Gütekriterien bestimmen – vergleichend, diskutierend und manchmal auch streitend. Bereits lange vor Rittels Definition hat es sich etabliert, stadträumliche Fragen durch Wettbewerbe untersuchen und entscheiden zu lassen. Inzwischen werden aber die Hürden zur Teilnahme an Wettbewerben sehr hoch angesetzt. Anders als im Berlin der 1960er Jahre traut heute niemand mehr einem jungen Büro zu, einen Flughafen zu bauen. Entsprechend stark beschnitten sind die Möglichkeiten für junge Absolventen und Studierende, Wettbewerbe als diskursives Verfahren kennen zu lernen. Diese Lücke versucht der AIV-Schinkel-Wettbewerb zu überbrücken. Das Verfahren richtet sich ausdrücklich an Absolventen und Studierende in höheren Semestern.
Ideenwettbewerbe sind schließlich auch ein bewährtes Mittel, um einen frischen Blick auf verzwickte Problemlagen anzuregen. Die eingereichten Beiträge sollen einen Debatte anstiften zwischen Stadtöffentlichkeit, Fachleuten, Verwaltung und Politik. Mit seinem freieren Blick auf Aufgaben in Berlin und Brandenburg gelingt es dem Schinkel-Wettbewerb, auch Anregungen in laufende Planungen einzubringen. In Folge des letztjährigen Wettbewerbs beispielsweise beginnt in Berlin-Zehlendorf aktuell eine Diskussion um eine stärkere Verknüpfung der Areale rund um den Teltowkanal.
Die Wettbewerbs-Aufgaben greifen dazu unabhängig von aktuellen Planungen Fragen der Stadtentwicklung auf. Stadträumliche Fragen berühren oft vielschichtige technische, soziale, ökologische und wirtschaftliche Zusammenhänge. Anders als bei „professionellen“ Verfahren bleiben Teile der Aufgabenstellung des Schinkel-Wettbewerbs deshalb bewusst offen. Ziel ist es, eine „Werkstatt der Ideen“ in Gang zu setzen, in der möglichst viele eigenständige Ansätze entstehen. Damit sind die Teilnehmer auch aufgefordert, die Aufgabe kritisch zu reflektieren und jeweils einen eigenen Standpunkt zu formulieren. Auch auf eine disziplinäre „Zuspitzung“ der Aufgaben wird häufig verzichtet. Reicht das eigene Fachwissen als Ingenieur, Architekt oder Stadtplaner nicht aus, müssen benachbarte Disziplinen zum Mitdenken gewonnen werden. Dabei initiiert die Bearbeitung des Schinkel-Wettbewerbs jeweils „Arbeitsgemeinschaften auf Probe“. In gemischten Teams muss gemeinsam der erforderliche Ressourcen- und Arbeitseinsatz abgeschätzt werden. Zudem sind die unterschiedlichen Ideen zu ordnen und zu gewichten. Wettbewerbe sind stets eine „Blackbox“. Um einen Einblick in das Verfahren zu geben, lädt der Schinkel-Ausschuss jähr-
Auch in diesem Jahr konzentriert sich die Wettbewerbsaufgabe wieder auf einen eher vernachlässigten Stadtraum. Im Fokus liegen die Flächen rund um das Berliner Westkreuz, einer der prägnantesten Zäsuren im Berliner Stadtgefüge. Trassen, Rampen, Brücken und Böschungen bilden zusammen ein abweisendes Geflecht. Wer das Kreuz zu Fuß oder per Fahrrad erkunden will, muss Entdeckungslust mitbringen. Zu bewältigen ist ein Labyrinth aus Kleingärten, stillgelegten Gleistrassen und wuchernden Gehölzinseln. Lediglich das ICC und der Funkturm markieren den Ort als Stadteingang. Ziel des Wettbewerbs ist es, die Flächenressourcen rund um das Verkehrsbauwerk zu qualifizieren und als vielfältig nutzbare Stadträume wieder zu gewinnen. Im Umgang mit dem „fliegenden Spagettimonster“ sind frische Entwurfsideen gefragt. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 109 Beiträge eingereicht und dazu 18.700 Euro an Preisgeldern vergeben. Die Teilnehmer des Schinkel-Wettbewerbs kommen aus allen Teilen der Bundesrepublik sowie aus dem europäischen Ausland. Die Durchführung des Verfahrens wäre 2016 nicht möglich ohne die Zuwendung von zahlreichen Institutionen. Konzeption und Durchführung des Wettbewerbs werden durch den Schinkel-Ausschuss des AIV zu Berlin übernommen. Dem Gremium gehören rund 30 Vertreter aller Disziplinen an. Eva Krapf und Dr. Cyrus Zahiri haben die Leitung des Ausschusses im April 2016 von Dr. Melanie Semmer übernommen. Prof. Ulrike Böhm ist Sprecherin der Fachsparte Landschaftsarchitektur. Cyrus Zahiri, Ulrike Böhm, Eva Krapf
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Mittelrheinischer AIV Darmstadt
STUDIENREISE NACH LETTLAND
Mitglieder und Freunde des MAIV Darmstadt in der Dreifaltigkeitskirche in Liepāja (Foto: Aigars Prusis)
32 Mitglieder und Freunde des MAIV Darmstadt besuchten im Juni 2016 Liepāja in Lettland, das seit 1993 Partnerstadt von Darmstadt ist, und die Hauptstadt Riga. Höhepunkt der Reise war die persönliche Übergabe einer Spende des MAIV für die Renovierung der alten mechanischen Orgel in der Dreifaltigkeitskirche. Partnerstadt Liepāja Die Kollegen aus Liepāja hatten ein interessantes und architektonisch informatives Programm zusammengestellt. Nach einem Überblick über die aktuelle wirtschaftliche und städtebauliche Situation begab man sich auf den Spuren der Geschichte und Architektur in Liepājas Zentrum. Die aktuelle Wohnsituation der Stadt ist wie auch in ganz Lettland durch eine sinkende Bevölkerungszahl geprägt. Besichtigt wurden die typischen Lipämischen Holzhäuser und der Stadtteil Vecliepāja (Alt-Liepāja), der heute zu den beliebtesten zählt. Das jüngste Gebäude Liepājas, die neue Konzerthalle „Der große Bernstein“, wurde erst im November 2015 eröffnet. Der österreichische Architekt Prof. Volker Giencke hatte mit diesem Projekt den internationalen Wettbewerb gewonnen. Der „Bernstein“ steht in direkter Nähe zum Kanal, dem alten Bereich mit den Backstein-Lagerhallen, von denen eine zu einem sehr schönen Hotel umgebaut worden ist. Spende für die Orgel-Renovierung Höhepunkt der Reise war die Übergabe der MAIV-Spende für die Restaurierung der alten mechanischen Orgel in der Dreifaltigkeitskirche. Diese Orgel ist weltbekannt im Hinblick auf ihre Größe, ihre Geschichte und vor allem ihre musikalische Qualität. Kurz nach Fertigstellung der Bürgerkathedrale 1758 wurde die erste Orgel mit 36 Registern eingebaut. Aber das akustische Ergebnis stellte die Bürger von Libau/Liepāja nicht zufrieden, sodass sie ersetzt wurde und nach mehren Erweiterungen am Ende 77 Register, 7.000 Pfeifen, 131 unabhängige Stimmen, 21 Windwerke und 12 Schwellkästen hatte. Sie zählt noch heute zu den größten mechanischen Orgeln Europas. Der Liepāja-Dreifaltigkeitskirchen-Renovierungsfonds betreut heute die Renovierung von Kirche und Orgel. Das Dach wurde von 2012 bis 2014 erneuert. Als nächstes soll mit der Erneuerung der Fassade und des Kirchturms begonnen werden und natürlich mit der Renovierung der Orgel. Hierzu wollte der MAIV mit seiner Spende einen kleinen Beitrag leisten. Stadtteil Ezerkrats Der Besuch in Liepāja wurde durch eine Fahrt nach Ezerkrasts abgeschlossen, dem bevölkerungsstärksten süd-
Übergabe der Spende (v.l.n.r.): Kristine Liepa (Projektorganisationsteam Dreifaltigkeitskirche), Dieter Zechner (MAIV Ehrenvorsitzender), Ilze Vitale (Projektorganisationsteam Dreifaltigkeitskirche), Carola Mundelsee (MAIV Schatzmeisterin) und Pastor Peteris Kalks (Foto: Aigars Prusis)
Empfang im Rathaus (v.l.n.r.): Carola Mundelsee, Bettina Poetgens (Stellv. Vorsitzende MAIV), Ilze Vitãle und Kirstine Liepa
lichen Stadtteil, der seit 2012 durch eine neue Straßenbahnlinie mit dem historischen Zentrum verbunden ist. Die grundlegenden Untersuchungen und Vorschläge kamen dazu aus der Partnerstadt Darmstadt. Besichtigung Rigas In Riga erkundete die Gruppe den historischen Stadtkern und die städtebaulich und sozial sehr unterschiedlichen Viertel der Stadt. Vom noch heute von überwiegend russischen Bürgern bewohnten Viertel „Moskauer Vorstadt“ direkt hinter den Markthallen ging die Rundfahrt zur neuen Nationalbibliothek, auch „Schloss des Lichtes“ genannt, geplant und gebaut vom lettischen Architekten Gunãrs Birkerts, der in den USA lebt. Weitere Stationen waren das Viertel Pārdagauva westlich des Flusses mit vielen Holzvillen, das Villenviertel am Waldpark Mezaparks und die Jugendstilhäuser in der Neustadt. Eva Carola Mundelsee
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rechts Jórunn Ragnarsdóttir und Arno Lederer erhalten den Großen DAI Preis für Baukultur 2016
GROSSER DAI PREIS FÜR BAUKULTUR 2016 Der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. (DAI) verleiht in diesem Jahr turnusmäßig den Großen DAI Preis für Baukultur. Die Preisverleihung an Jórunn Ragnarsdóttir und Arno Lederer mit Laudatio von Prof. Ralf Niebergall findet am 24.9.2016 im Bestehornhaus in Aschersleben statt. Gastgeber ist der Architekten- und Ingenieurverein Aschersleben-Staßfurt. Der Große DAI Preis für Baukultur wird in diesem Jahr dem Stuttgarter Architektenpaar Jórunn Ragnarsdóttir und Arno Lederer verliehen. Es ist insofern eine Premiere, als dass der Preis beiden Architekten zuerkannt wird. Die designierten Preisträger haben mit dem Bestehornhaus im gleichnamigen Park in Aschersleben unverkennbare architektonische Akzente gesetzt. Das ursprünglich 1908 als Kultur- und Tagungszentrum errichtete Gebäude konnte in Teilen erhalten werden, und das ganze Ensemble wurde seit Anfang
der 1990er Jahre Zug um Zug unter der Leitung des Büros Lederer Ragnarsdóttir Oei instandgesetzt. „Das DAI Präsidium ist dem Vorschlag seitens des gastgebenden AIV Aschersleben-Staßfurt, in diesem Jahr Jórunn Ragnarsdóttir und Arno Lederer den Großen DAI Preis für Baukultur zu verleihen, gerne gefolgt“, so DAI Präsident Prof. Christian Baumgart im Vorfeld des diesjährigen DAI Tages, anlässlich dessen der Preis jeweils verliehen wird. „Gemeinsam haben die beiden Architekten in der ihnen ganz eigenen Art
links Der Bronze-Kubus trägt die reliefartig stilisierten Buchstaben des DAI, der Name des Preisträgers ist in eine schmale Bronze-Platte eingraviert, die sich seitlich präzise einfügen lässt, materiell jedoch von der Plastik getrennt werden kann
die historischen Zusammenhänge des Areals in Aschersleben aufgegriffen und mit dem heutigen Bestehornhaus ein modernes und der Stadt Aschersleben gesichtsgebendes Gebäude geschaffen, das sich hervorragend ins Stadtbild integriert. Die Arbeiten und Werke des Büros LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei haben in den zurückliegenden fast 40 Jahren einen großen Beitrag zur baukulturellen Entwicklung im Land geleistet. Das bringen wir ebenfalls mit dem Preis zum Ausdruck“, so Baumgart. Prof. Christian Baumgart zeigt sich zudem hocherfreut darüber, dass Prof. Ralf Niebergall, Präsident der Architektenkammer Sachsen-Anhalt und Vizepräsident der Bundesarchitektenkammer, zugesagt hat, die Laudatio zu übernehmen. Der Große DAI Preis für Baukultur wird im jährlichen Wechsel mit dem DAI Literaturpreis vergeben. Er findet Ausdruck in einem ca. 2,5 kg schweren BronzeKubus des Berliner Bildhauers Emanuel Scharfenberg (1932–2006). Udo Sonnenberg
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rechts Luftaufnahme von Aschersleben (Foto: Stadt Aschersleben)
Aschersleben liegt am Nordostrand des Harzes. Im Jahr 753 im Codex Eberhardi des Klosters Fulda erstmals erwähnt ist sie die älteste Stadt Sachsen-Anhalts. Die geschichtsträchtige Stadt mit ihrer mittelalterlichen Stadtbefestigung, der St.-Stephani-Kirche und den historischen Ackerbürgerhäusern zählt heute rund 27.700 Einwohner.
GESCHICHTE DER STADT ASCHERSLEBEN Namensgebung Die Stadt Aschersleben hieß bei ihrer Gründung „Ascegerslebe“. Asceger stammt von dem Personennamen „Askger“. „Ask“ bedeutet im Germanischen Esche und „Ger“ Wurfspeer. Zusammen könnte also „Eschenspeer“ übersetzt werden. Die Endungssilbe „leben“, wie sie im Harzvorland verbreitet ist, geht auf den germanischen Stamm der Warnen zurück, die sich im 5. Jahrhundert im nördlichen Harzvorland niederließen. Ihre Siedlungsorte sind an der Silbe „laiba“ zu erkennen, was so viel bedeutet wie Erbe, Hinterlassenschaft. Mittelpunkt der Grafschaft der Askanier Im 11. Jahrhundert fiel Aschersleben an die Askanier. Die Stadt wurde im 12. Jahrhundert Mittelpunkt der Grafschaft und übernahm die Funktion des Verwaltungs- und Gerichtsortes. Albrecht der Bär, wohl der bekannteste Askanier, ging durch die Eroberung der Nordmark und der Mark Brandenburg in die deutsche Geschichte ein. Er gilt als Begründer des Hauses Anhalt. Stadtrecht 1266 erhielt Aschersleben von Heinrich II. das Stadtrecht. Im 14. und 15. Jahrhundert wurde die eindrucksvolle Stadtbefestigungsanlage erbaut. Große Teile sind bis heute erhalten und entlang eines grünen Promenadenrings zu besichtigen. Die Stadtmauer hatte eine Gesamtlänge von 2,1 km und wurde von 51 Wach- und Wehrtürmen gesäumt. Dreistädtebund und Bund der Hanse In der Zeit des Raubrittertums verbündete sich Aschersleben 1326 vor allem aus Handelsinteressen mit Halberstadt und Quedlinburg in einem Dreistädtebund, der 150 Jahre fortbestand. 1426 trat Aschersleben dem Bund der Hanse bei. Bereits 1325 wurde erstmals eine Lateinschule, das spätere Gymnasium Stephaneum, erwähnt. Von 1406–1507 entstand die Stephanikirche, ein noch heute weit sichtbares Wahrzeichen der Stadt. 1490 wurde aus Holzrohren eine Trinkwasserleitung gelegt. Reformation und Bauernkrieg Reformation und Bauernkrieg bestimmten das 16. Jahrhundert. 1541 wurde die Reformation eingeführt. Thomas Müntzer wirkte als Führer des Bauernaufstandes 1512/13 an
der Lateinschule. Anzeichen von Unruhen muss es auch in Aschersleben gegeben haben, denn die Franziskaner-Mönche verließen frühzeitig ihr Kloster am Markt und zogen nach Zerbst. Das Nonnenkloster wurde geplündert. 1517/18 wurde das Rathaus im Stil der deutschen Renaissance erbaut. Ursprünglich befand sich hier ein noch älteres Gebäude. Laut Überlieferung kam es jedoch 1511 bei der Begutachtung einer neuen Handbüchse durch die Ratsherren zu einer Explosion, die das Haus so beschädigte, dass der Rat 1517 den Ratsbaumann Lüdiken Büring beauftragte, ein neues Rathaus zu erbauen. Die Aschersleber Bürger wählten 1531 erstmals 30 Ratsherren. Dreißigjähriger Krieg Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) ging nicht an Aschersleben vorüber. Misshandlungen, Plünderungen und Zerstörungen waren an der Tagesordnung. Zur Kriegsplage gesellte sich die Pest, die in diesem Jahrhundert häufig grassierte. Während des Krieges weilte Wallenstein 1625 in der Stadt. Mit dem Westfälischen Frieden fielen das Stift Halberstadt und damit auch die Stadt Aschersleben an Brandenburg und wurden damit preußisch. 18. Jahrhundert Im 18. Jahrhundert bestimmten die drei schlesischen Kriege, insbesondere der Siebenjährige Krieg, das Leben der Ascherslebener. Friedrich II. presste für seine Kriegsführung die letzten Groschen aus der Stadt heraus. Mehrere Dichter haben in diesem Jahrhundert ihre Spuren in Aschersleben hinterlassen. Von 1794–1802 lebte hier der Schöpfer der “Undine”, Friedrich de la Motte Fouqué. Gottfried August Bürger besuchte die Lateinschule. Johann Wolfgang von Goethe weilte seit 1789 mehrmals in der Stadt. Enge Beziehungen lassen sich auch für den in Ermsleben geborenen Johann Wilhelm Ludwig Gleim nachweisen. Anfang des 19. Jahrhunderts Vom Tilsiter Frieden 1806 bis 1813 gehörte Aschersleben zum Königreich Westfalen – die so genannte Franzosenherrschaft. An den folgenden nationalen Befreiungskriegen gegen die Fremdherrschaft nahmen Bauern und Bürger Ascherslebens und der Umgebung in einem freiwilligen Reiterregiment teil.
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Industrialisierung und Weltkriege In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann die Stadt, sich rasant zu verändern. Am Stadtrand entstanden schnell wachsende Industrieunternehmen. Dazu gehörten die Zuckerfabrik Wetzel (ABUS), die Maschinenbauanstalt Billeter & Klunz (WEMA), die Papierdruckerei Bestehorn, die Gasanstalt, die Kaliwerke, die Aschersleber Maschinenfabrik (AMA), die Muna und die Junkerswerke. Eine wichtige Rolle spielten der Sämereien- und der Majorananbau.
Rekonstruktionsversuch der mittelalterlichen Befestigungsanlagen von Aschersleben nach Archiv- und Bauakten (Zeichnung: Wolfgang Kilian)
Anfang des 20. Jahrhunderts Zu Beginn des 20. Jahrhunderts baute die Stadt ein Kanalsystem und ein Klärwerk zur Abwasserentsorgung. Bis in die 1930er Jahre hinein entstanden städtebauliche Planungen, die vor allem durch Stadtbaurat Hans Heckner geprägt waren. Im Zweiten Weltkrieg richteten mehrere Bombenangriffe schwere Schäden an. 1945 verhinderte der amerikanische Major Harlan W. Newell, heute Ehrenbürger der Stadt, die völlige Zerstörung durch einen Bombenangriff. Zeit des Kalten Krieges Im Jahr 1953 wurde das 1200-jährige Stadtjubiläum gefeiert. 1955 war in Aschersleben der erste Empfang einer Fernsehsendung möglich. 1958 wurden die Lebensmittelkarten abgeschafft. Während der DDR-Zeit prägten vor allem der Werkzeug- und Baumaschinenbau, die Verpackungsmittelindustrie, der Rohrleitungsbau, der Bau von Förderanlagen und die Gewürzverarbeitung das Gesicht der Stadt. Im November 1989 gingen auch in Aschersleben viele Menschen auf die Straße, um für Freiheit und eine Verbesserung der Lebenssituation zu kämpfen. Durch Gespräche am Runden Tisch entstand ein Dialog in der Bürgerschaft, der den Systemwechsel begleitete. Zeit der politischen Wende bis heute Die ersten Jahre nach der politischen Wende waren vom Zusammenbruch der großen Betriebe und von wachsender Arbeitslosigkeit geprägt. Mitte der 1990er Jahre entstand ein neues Gewerbegebiet in der Güstener Straße. Ein Leitbild aus dem Jahr 2002 hat die Entwicklung der jüngeren Vergangenheit stark bestimmt. Aschersleben konzentrierte sich auf die Themen Wirtschaft, Bildung und Stadtumbau und steigerte so von Jahr zu Jahr die Lebensqualität seiner Bürger. Heute verfügt die Stadt über eine vielseitige Bildungslandschaft, die Altstadt wurde nachhaltig saniert, die Gewerbegebiete sind gewachsen und neue Arbeitsplätze entstanden. Touristisch gibt es viel zu entdecken: Baudenkmale aus fast allen Architekturepochen, historische und neue Parkanlagen, kulturelle Schätze aus Geschichte und Gegenwart, namhafte zeitgenössische Kunst, der Zoo, das Kriminalpanoptikum und vielfältige Veranstaltungen. Stadt Aschersleben
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Aschersleben um 1700, David Müller (Quelle: Stadt Aschersleben)
Aschersleben um 1850 (Quelle: Stadt Aschersleben)
Ansichtspostkarte, um 1890 (Quelle: Museum Aschersleben)
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Briefkopf der Papierwaren-Fabrik H.C. Bestehorn, 1895 (Quelle: Stadtarchiv Aschersleben)
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Blick auf die Firmengebäude in der Wilhelmstraße, um 1900 (Quelle: Städtisches Museum Aschersleben)
DIE EINST GRÖSSTE PAPIERFABRIK DES KONTINENTS Von der „Dütenfabrik“ zum Bildungszentrum Bestehornpark
Um 1850 war es in einem kaufmännischen Kleinbetrieb üblich, in geschäftsfreien Stunden die benötigten Papiertüten durch Auszubildende und Gehilfen selbst herzustellen. Dies führte bei Heinrich Christian Bestehorn, 1831 in Aschersleben geboren, zu dem Gedanken, diese Arbeit außerhalb des Ladengeschäfts in einem eigens dafür eingerichteten Betrieb fertigen zu lassen. So begann eine außerordentliche Erfolgsgeschichte. „Dütenfabrik“ und Papiergeschäft Am 1.4.1861 eröffnete Heinrich Christian Bestehorn einen schlichten Geschäftsbetrieb zur Herstellung von Papierbeuteln und Spitztüten in der Liebenwahnschen Vorstadt Nr. 987 mit einem Anfangskapital von rund 1.500 Talern und zunächst 6 Arbeitskräften. Drei Monate später war neben der „Dütenfabrik“ ein Papiergeschäft en-gros eingerichtet, das Briefpapiere in allen Sorten mit und ohne Firmenstempel sowie Packpapiere in Rollen und in sämtlichen gangbaren Formaten zu billigsten Preisen offerierte. In den ersten Jahren wurden hauptsächlich Tüten und Beutel ohne Druck hergestellt, die dann in Hettstedt bedruckt wurden. Ab 1865 konnten die Verpackungsmittel durch die erste Buchdruckschnellpresse in der Firma selbst bedruckt werden. Maschinelle Herstellung Auf der Weltausstellung in Paris 1867 sah H.C. Bestehorn eine an Transmission laufende Maschine mit Dampfbetrieb zur Herstellung von Briefumschlägen (20.000–25.000 Umschläge in 8,5 Arbeitsstunden), erkannte ihre Bedeutung und kaufte sie. Er ließ sie von seinem Bruder Ludwig, Ingenieur und „Maschinen-Construkteur“, in einer eigens hierzu errichteten Werkstatt nachbauen. Bald standen 12 dieser „Couvert-Maschinen“ – mit weiteren Verbesserungen eigener Erfindung ganz geheim gebaut – in der (noch) kleinen Fabrik. Während andere die Briefumschläge mit der Hand oder auf Tretmaschinen herstellen mussten, leisteten die Bestehornschen Maschinen das Zehn- und Zwanzigfache, ohne dass es die Konkurrenten ahnten. Im Adressbuch 1870 bezeichnete sich H.C. Bestehorn als „Düten- und Cartonagenfabrikant“, und zur „Fabrik von Düten, Brief-Couverts, Geschäfts-Büchern und div. anderen Papierwaaren“ gehörten eine „Buchdruckerei, Liniir- und Präge-Anstalt“.
Unternehmerischer Weitblick Die Erfindung des ersten zusammenfaltbaren Telegrammformulars durch H.C. Bestehorn, das auch ohne Umschlag die Geheimhaltung des Inhalts ermöglichte, führte 1872 zum Auftrag, im Alleinvertrieb die Lieferung sämtlicher neu eingeführter Telegrammformulare zu realisieren. Schon damals wurden große Mengen gebraucht, denn jede Postanstalt des gesamten Deutschen Reiches war mit Telegrammformularen auszustatten. Häufig musste die ganze Nacht durchgearbeitet werden, um alle einlaufenden Aufträge pünktlich bewältigen zu können. Als Dank für die Erleichterung und Verbilligung im Depeschenverkehr erhielt H.C. Bestehorn 1873 den Entwicklungsauftrag für ein Zweisiegelkuvert, das den bisher fünfmal gesiegelten Briefumschlag für Geldsendungen ablösen sollte. Er ließ in unternehmerischer Voraussicht so viele Umschläge auf Vorrat anfertigen, dass er in der Umgebung Scheunen anmieten musste, um seine Ware lagern zu können. Nach der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes konnte er dann konkurrenzlos den Markt versorgen. Bauliche Expansion Bereits 1874 erstreckte sich die „Papierwaaren-Fabrik v. H.C. Bestehorn“ auf die Häuser Nr. 987 bis 989, und in ihrer Buchdruckerei standen 5 Schnellpressen. Als 1875 eine Neuordnung der Straßen und Stadtteile erfolgte, wurde aus der „Liebenwahnschen Vorstadt“ die „Wilhelmstraße“. Die Firma Bestehorn hatte nun die Adresse Wilhelmstraße 31. Im gleichen Jahr ließ sich H.C. Bestehorn seine Villa an der Herrenbreite Nr. 3 bauen. Ende der 1870er Jahre wurde das erste große Fabrikgebäude in der Wilhelmstraße errichtet und 1890 die Fabrik um den sog. “Löwenbau” (wegen der Löwenköpfe an der Gebäudefassade, später abgerissen), erweitert.
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Anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums entstand 1911 durch Stadtbaurat Hans Heckner das neue repräsentative Hauptgebäude an der Wilhelmstraße (Quelle: Städtisches Museum Aschersleben)
Zum 25-jährigen Jubiläum der Firma 1886 gab es bereits 18 Couvert-Maschinen, von denen jede einzelne täglich über 25.000 Couverts lieferte, unterstützt von 10 Dampfschnellpressen, welche die Couverts, Tüten und Beutel bedruckten. Anfang der 1890er Jahre genügte für viele Verpackungen der ein- und mehrfarbige Buchdruck nicht mehr. Kunstvollere Ausstattungen erforderten die Einrichtung einer lithographischen Abteilung. Zu dieser Zeit waren bereits über 300 Beschäftigte in der Firma. Erneute bauliche Erweiterung Es gab Anfang des 20. Jahrhunderts kaum eine Branche, für die Bestehorn nicht arbeitete. Massenaufträge in einfachen Packungen für Margarine, Malzkaffee, Tee, Kakao, Zigarren und Zigaretten usw. wurden ebenso ausgeführt wie feinste, künstlerisch angelegte lithographische Arbeiten. Die Fabrik entwickelte und lieferte u. a. die ersten Verpackungen für Persil und Oetker. Ungefähr zu gleicher Zeit entstand eine reorganisierte und mit neuesten Maschinen ausgestattete Briefumschlag-Abteilung, die sich zur größten Produktion Deutschlands entwickelte. Unter Leitung der Söhne Otto und Richard erfolgte bis 1902 eine erneute Erweiterung der Firma, später der „Altbau” genannt. Über 600 Arbeitskräfte waren damals in der bereits ca. 16.000 m2 großen Fabrik beschäftigt, außerdem über 300 Frauen, die in Heimarbeit für wenige Pfennige mit „Dütenkleben“ ihren Unterhalt verdienten. Nach seiner Ernennung zum Kommerzienrat 1887 war H.C. Bestehorn 1899 zum Geheimen Kommerzienrat und an seinem 70. Geburtstag zum Ehrenbürger der Stadt Aschersleben ernannt worden. Am 29.4.1907 verstarb er. Mitteldeutsche Industriearchitektur 1909 erfolgte der Abbruch von Häusern in der Wilhelmstraße für einen weiteren Neubau, und 1910 wurde mit dem Bau des neuen Hauptgebäudes mit Dreibogentor und Wasserturm nach Entwürfen des frisch gewählten Stadtbaurats Dr. Hans Heckner begonnen. Sie bilden ein beeindruckendes Ensemble mitteldeutscher Industriearchitektur.
Hauptgebäude an der Wilhelmstraße von Stadtbaurat Hans Heckner, Zeichnung von Walter Buhe, 1916 (Quelle: Stadtarchiv Aschersleben)
1911 feierte die Firma „H.C. Bestehorn, Großbetrieb für Papierverarbeitung“, die sich nun in der Wilhelmstraße Nr. 22 bis 31 erstreckte und in der zu dieser Zeit einschließlich einer großen Anzahl von Heimarbeiterinnen ca. 2.000 Menschen beschäftigt waren, ihr 50-jähriges Bestehen. Den Firmenbesitzern Otto und Richard Bestehorn verlieh man am 1.4.1911 aus diesem Anlass die Ehrenbürgerschaft der Stadt Aschersleben. In seiner Festrede im Bestehornhaus resümierte Kommerzienrat Otto Bestehorn: „Unser Gesamtunternehmen aber bedeutet, was wir ohne Ueberhebung sagen können, heute in seiner Art das größte des ganzen Kontinents. Wie unser Geschäft gewachsen ist, erkennt man am besten aus der Steigerung der Jahresumsätze: Seit 1903 hat sich der Umsatz verdoppelt, seit 1896 vervierfacht, seit 1892 versechsfacht, und seit unserem Eintritt in die Firma, 1885, verzehnfacht. Jetzt vollenden wir wieder einen großen Erweiterungsbau, der unsere Leistungsfähigkeit abermals verdoppeln soll. Wir haben also noch nicht die Absicht, die Hände in den Schoß zu legen, sondern halten treu zu unserer alten Devise: Mit voller Kraft vorwärts!“ Bildungszentrum Bestehornpark Das Ensemble befand sich bis 1945 im Besitz der Familie Bestehorn und wurde nach der Enteignung als VEB OPTIMA weitergeführt. Zwischen 1991 und 2003 stand fast das gesamte Fabrikgelände leer. Ab 2003 erfolgte der Abriss der Hallen bis auf das Ensemble von Hans Heckner. Zwischen 2003 und 2010 wurde das 3 ha große Areal im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Stadtumbau 2010 und der Landesgartenschau 2010 zu einem Bildungszentrum umgestaltet. Das Architekturbüro LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei aus Stuttgart hatte 2006 den europaweiten städtebaulichen Realisierungswettbewerb gewonnen. Frank Reisberg
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BILDUNGSZENTRUM BESTEHORNPARK Das Bildungszentrum Bestehornpark entstand als Vorzeigeprojekt im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Stadtumbau Sachsen-Anhalt 2010. Die dominante, stadtbildprägende alte Papierfabrik Bestehorn wurde ertüchtigt und durch einen modernen Anbau nach Plänen der Stuttgarter Architekten LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei erweitert. Entstanden ist ein vielseitiger Bildungscampus, der die historische, raumgreifende Architektur mit der kleinteiligen Bebauung der Nachbarschaft in Einklang bringt. Hochbau und Stadt-Umbau Der Ortskern von Aschersleben wird seit dem Jahr 1911 durch ein übergroßes Fabrikgebäude bestimmt, das im Volksmund als „Hecknerriese“ bezeichnet wird. Der Name geht auf den Erbauer zurück, den Architekten und Stadtbaurat Hans Heckner, der bis in die 1930er Jahre hinein mehrere stadtbildprägende Bauten errichtet hatte. Seine an die Arbeiten Theodor Fischers erinnernde Architektursprache beruht auf dem Begriff des „Weiterbauens“, der Aspekte der heutigen Architekturdiskussion widerspiegelt. Nach der Wiedervereinigung verkam das Fabrikgelände zu einer Brache. Die Stadt beschloss, Teile des Areals abzureißen, den eigentlichen Hauptbau zum Bildungszentrum umzunutzen und um einen Neubau zu ergänzen. Dazu hatte Aschersleben einen Wettbewerb ausgeschrieben, in dem nicht nur Pläne
für die Hochbauten, sondern zugleich auch die städtebauliche Neuordnung des gesamten Geländes mit größeren Freiflächen gefordert wurden. Diese sollten Grundlage und Teil der Landesgartenschau 2010 werden. Durch den Abbruch von Teilen des Bestands entstand eine ausgedehnte Freifläche, durch die der bestehende Park Herrenbreite angebunden werden sollte. Stärkung des Stadtkerns Die Architekten sahen einen sich senkrecht zum Altbau erstreckenden Riegel vor, der einen das Quartier von Süden nach Norden querenden Park ermöglichte. Dieser ist das eigentliche Verbindungsstück zwischen den beiden großen Parkanlagen der Stadt, die nunmehr zu einem Grünzug vereint werden konnten. Hauptgebäude und Seitenflügel bilden einen großzügigen Campus. Leider war der ursprüngliche Gedanke,
drei Schultypen in einem Volumen zu vereinen, nicht vollständig durchzuhalten. Dieser Umstand führte während der Planungs- und Bauphase zu mehrfachen Korrekturen. Bemerkenswert blieb aber die Zielsetzung, den Stadtkern der schrumpfenden Stadt zu stärken – eine immens wichtige politische und stadtplanerische Entscheidung. Sie bescherte der Gemeinde Räume für Bildung, die nach den aktuellen Richtlinien für Schulbauten weit weniger umfangreich ausgefallen wären. Altbau Zwei Schultypen teilen sich die Flächen im Altbau. Die enorme Tiefe des „Hecknerriesen“ von 24 m gestattete den Einbau einer zentralen Halle, die die einzelnen Geschosse über Galerien verbindet. Neue Atrien und Oberlichter bringen Tageslicht in den einst dunklen Fabrikkomplex. Ein blauer Anstrich
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oben Bildungszentrum Bestehornpark, Lageplan, 2013 (Zeichnung: LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei) rechts Bildungszentrum Bestehornpark, Altbau nach Plänen von Stadtbaurat Hans Heckner (Foto: Stadt Aschersleben) links Bildungszentrum Bestehornpark, Erweiterungsbau nach Plänen von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei (Foto: Stadt Aschersleben)
unterhalb der Oberlichter findet sich im Blau der Fliesen im Sockelbereich wieder. Bei sämtlichen Fassaden handelt es sich um geschlämmten Klinker. Einzige Ausnahme bilden die prägnanten Balkone an der Schnittstelle von Alt- und Neubau, die in außergewöhnlicher Form aus der Fassade heraus treten und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie weisen wechselseitig nach Norden oder nach Süden. Hier ist das Material ursprünglich belassen und nicht geschlämmt. Neubau Im neu errichteten Riegelbau enstanden Kreativräume und eine Galerie, die der Druckgrafik des Künstlers Neo Rauch gewidmet ist. Dieser Ausstellungsort tritt durch die Verbindung des historischen Industriebaus mit dem modernen Neubau in eine ganz besondere architektonische Korrespondenz.
rechts Bildungszentrum Bestehornpark, Erweiterungsbau nach Plänen von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei (Foto: Stadt Aschersleben)
Im Inneren des Riegelbaus steht Sichtbeton im Kontrast zu den farbigen Treppenbrüstungen. Die Fassade besteht ebenfalls aus sandsteinfarben geschlämmtem Klinker. Die raue Struktur des Mauerwerks vermittelt zwischen Alt- und Neubau. Charakteristisch für den Neubau ist das rhythmische Auf und Ab der Dachlinie, die zwischen dem Fabrikbau und den nördlich angrenzenden Stadthäusern vermittelt. Sie zitiert die Historie des Ensembles und entsteht durch eingeschnittene Terrassen, die wechselseitige Belichtungen ermöglichen. So ergaben sich unterschiedliche Dachneigungen. Die Abtreppung des Dachs in Richtung Park gliedert den monumentalen Altbau verträglich in die angrenzende Landschaft ein.
Da sich am Quartiersende ebenfalls zwei Schuleinheiten befinden, entstand durch die Anordnung des Neubaus ein zusammengehöriger Bildungscampus. Die alte Fassade konnte nicht ohne Bruch in die neue Ansicht übergehen, weil die Denkmalpflege, noch ganz in der Vorstellung des 20. Jahrhunderts verhaftet, Alt und Neu durch eine sichtbare Fuge getrennt sehen wollte. Abgesehen davon wurde durch die behutsame Sanierung die Qualität der Architektur Hans Heckners wieder sichtbar. Die sandfarbenen Fassaden des Neubaus stellen eine harmonische Verbindung zu den in warmen Grautönen gehaltenen Gebäuden der Umgebung her. red.
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Grafikstiftung Neo Rauch gebührenpflichtige Parkzone Sa + So kostenfrei
Rathaus Birnstilsches Haus Logenhaus/Museum Kino Heilig-Kreuz-Kirche Krügersche Apotheke Krukmannsches Haus Ehem. Gasthof „Goldene Sonne“ Ehem. Gasthof „Grüner Baum“ Ehem. Kommandantur Bürgerhaus aus dem frühen 16. Jhrd. Bürgerhaus aus dem 16. Jhrd. Bürgerhaus aus dem späten 15. Jhrd.
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Tourist-Information
St.-Margarethen-Kirche Grauer Hof aus dem 13. Jhrd. Bürgerhaus aus dem 16. Jhrd. „Lederer Braustübl“ Ehem. Gefängnis/Kriminalpanoptikum Ehem. Gasthof „Schwarzer Adler“ Bürgerhaus aus dem 16. Jhrd. Scharren Stadtkirche St. Stephani Geburtshaus von R. C. Boettger Ehem. Stephaneum Bürgerhäuser aus dem 17. Jhrd. Bürgerhaus von 1765
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Ackerbürgerhaus von 1692 Gebäude aus dem 16.–19. Jhrd. Wassertormühle Ehem. Elisabeth-Hospital Gymnasium Stephaneum Villa von 1894 Ehem. Gewandhaus Ehem. Kaufhaus Conitzer Bürgerhaus von 1880 Ehem. Katharinen-Hospital Ackerbürgerhaus aus dem 17. Jhrd. Bürgerhaus von 1892 Bürgerhaus von 1524
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Neubau Bildungszentrum Bestehornpark Bahnhof
Stadtverwaltung DRIVE THRU Gallery
Freiflächengestaltung Recyclingwand
Umgestaltung Eine-Lauf
Kernthemen der Internationalen Bauausstellung Stadtumbau 2010 in Aschersleben (Quelle: Broschüre IBA 2010 in Aschersleben, herausgegeben vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt, finanziert aus Mitteln des Europäischen Strukturfonds (Technische Hilfe))
VON AUSSEN NACH INNEN – KONZENTRATION AUF DEN KERN Internationale Bauausstellung 2010
In den Jahren 2003–2010 war Aschersleben einer der Referenzstandorte der Internationalen Bauausstellung IBA Stadtumbau 2010, die sich in Sachsen-Anhalt mit dem Phänomen schrumpfender Städte beschäftigte. Insgesamt 19 IBA-Städte hatten mit Unterstützung von Experten des Bauhauses Dessau Ideen entwickelt, wie mit den Auswirkungen des demografischen Wandels kreativ umgegangen werden kann. Drei Kernprojekte In Aschersleben hatte die IBA drei Kernprojekte: die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt zur DRIVE THRU Gallery, die Umwandlung der Industriebrache der ehemaligen VEB OPTIMA zum Bildungszentrum Bestehornpark und die Revitalisierung des Eine-Flusslaufs zwischen dem Wohngebiet Pfeilergraben und der Altstadt. Ausgangslage 2003 Aschersleben hatte seit 1990 rund 7.000 Einwohner durch Abwanderung verloren. Die Einwohnerzahl war von 33.000 auf 26.000 gesunken. Prognosen sagen für das Jahr 2020 eine Zahl von 20.000 Einwohnern für die Kernstadt (ohne Ortsteile) voraus. In den zu DDR-Zeiten erbauten Neubaugebieten (Plattenbauweise) wuchsen die Leerstandsquoten nach der Wende sukzessive. Im Wohngebiet Helmut-WelzStraße am nordöstlichen Stadtrand war die Quote mit 40 % eine der höchsten im Stadtgebiet. In Aschersleben treffen drei Bundesstraßen aufeinander. Es gibt keine Umgehungsstraße. Die Folgen waren ein enormes Verkehrsaufkommen auf der Durchfahrtsstraße (im Jahr 2002 20.000 Autos pro Tag) und eine hohe Beeinträchtigung der Wohnsituation durch Lärm und Abgase. Im Jahr 2003 stieg die Leerstandsquote entlang dieser Straße auf ca. 40 %.
Die 3 ha große innerstädtische Industriebrache VEB OPTIMA verschandelte als größter städtebaulicher Missstand das Stadtbild. Das Hauptgebäude befindet sich direkt an der Ortsdurchfahrt und wirkte extrem imageschädigend. Die Flächen waren für die Bevölkerung nicht begehbar. Aschersleben verfügt über eine gut erhaltene Bausubstanz in der historischen Altstadt. Die Stadtsanierung war seit 1990 gut vorangeschritten. Stärkung des Zentrums Kann eine Stadt schrumpfen, ohne dass die Lebensqualität für die Bevölkerung sinkt? Oder könnte eine solche Entwicklung nicht sogar eine Chance für mehr Lebensqualität sein? Aschersleben nahm sich dieser Fragen als eine der ersten Städte in Sachsen-Anhalt an und stellte sich den damit verbundenen Herausforderungen. Das Aschersleber IBA-Thema lautete „Von außen nach innen – Konzentration auf den Kern“. Stärkung des Zentrums bedeutete hier, wichtige Einrichtungen wie Schulen und Behörden vom Stadtrand ins Zentrum zu verlagern, attraktiven Wohnraum in der Altstadt zu schaffen und den Einzelhandel zu stärken. Schwächung der Ränder hieß, Wohnblöcke, Leitungen und Schulen an der Peripherie zurückzubauen.
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rechts DRIVE THRU Gallery: Ausstellung „Hitzefrei“ mit Arbeiten von Christopher Winter (Foto: Doreen Ritzau, © IBA-Büro GbR) rechts Mitte DRIVE THRU Gallery: Ausstellung „Zuhause“, Motiv „Athens/Livingroom“ aus der Serie „Private Spaces“ von Christina Dimitriadis (Foto: Michael Uhlmann, © IBA-Büro GbR)
DRIVE THRU Gallery Die entscheidende Schnittstelle zwischen außen und innen ist in Aschersleben die Bundesstraße, die sich wie eine Klammer um die Altstadt legt. Diese Ortsdurchfahrt hat über Jahrzehnte das negative Image von Aschersleben bestimmt, denn 17.000 Autos, darunter viele LKWs, bahnten sich dort täglich auf drei Bundesstraßen (B6/B180/B185) ihren Weg durch die Stadt. Sie verursachten Lärm und hinterließen Dreck. Herkömmliche stadtplanerische Methoden griffen nicht mehr, und so entschied sich die Stadt, marode Bausubstanz abzureißen und Platz für Neues, für Nahversorger, Gewerbebetriebe, Bildungseinrichtungen, aber auch für Kunst zu schaffen. An diesem Punkt entstand die Idee der DRIVE THRU Gallery, einer Galerie, die Kunst für Autofahrer erlebbar macht. Baulücken wurden mit künstlerischen Installationen oder temporären Interventionen geschlossen. Dabei handelte es sich um großformatige Bilder, Fotografien, Schülerkunst, Lichtinstallationen, Recyclingmöbel und kreative Sichtschutzwände. An vielen Stellen entstand neuer urbaner Raum, der zur Auseinandersetzung mit alltäglichen Sehgewohnheiten anregte. Die weitere Bespielung der DRIVE THRU Gallery ist auch nach Beendigung der IBA erklärtes Ziel der Stadt. Bildungszentrum Bestehornpark Das Bildungszentrum Bestehornpark, im Jahr 2003 noch eine verfallene Industriebrache der ehemaligen VEB OPTIMA, vor 1945 Bestehornsche Papierwarenfabrik, war das zentrale Projekt im Rahmen der IBA Stadtumbau in Aschersleben. In seiner Dimension einer Kathedrale gleich, dominierte das Produktionsgebäude von Stadtbaurat Hans Heckner aus dem Jahr 1911 die übrigen Bauten der Stadt. Aufgrund seiner strategischen Lage an der Bundesstraße und am Rande der Altstadt sowie nicht zuletzt aufgrund seiner ideellen Bedeutung kam der Revitalisierung dieser Industriebrache eine herausragende Rolle im IBA-Prozess zu.
rechts Bildungszentrum Bestehornpark: Der 1911 von Hans Heckner errichtete Altbau (Foto: Ursula Achternkamp, © IBA Büro GbR)
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Die Freiflächen des Bestehornparks wurden als Schulpark gestaltet (Foto: Michael Uhlmann, © IBA-Büro GbR)
Die Freiflächen des Bestehornparks schaffen eine räumliche Verbindung zu den umliegenden Quartieren (Foto: Michael Uhlmann, © IBA-Büro GbR)
Der ehemals nach außen abgegrenzte Ort wurde nach einem Entwurf des Stuttgarter Büros LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei geöffnet. So entstand ein großer Bildungscampus, der durch die landschaftsgärtnerische Konzeption der Landesgartenschau zusätzlich einen grünen Park erhielt. Während der Schau im Jahr 2010 beherbergte der Riegelneubau die Blumenhalle und eine Kunstausstellung. Nach Umbau und Sanierung befinden sich im Bildungszentrum heute zwei Grundschulen, eine freie Sekundarschule, eine freie Berufsfachschule, eine Kreativwerkstatt sowie die Grafikstiftung Neo Rauch. Im Jahr 2012 hat die Stadt das Bildungszentrum um eine Zweifeldsporthalle ergänzt. 2014 wurden die Außensportanlagen fertiggestellt.
Bestehornpark. Das Büro lohrer.hochrein landschaftsarchitekten aus Magdeburg plante die Gestaltung der Ufer der Eine und gab dem neuen Landschaftsraum eine völlig neue Prägung. Ökologisch und atmosphärisch ist das Projekt ein Zugewinn für die Lebensqualität in der Stadt. Die an die Eine grenzenden Grundstücke haben an Wert gewonnen und sind für eine Bebauung attraktiver geworden. In der Zukunft stehen hier Grundstücke zur Ausdehnung des Stadtkerns zur Verfügung. Stadt Aschersleben
Renaturierung der Eine Das Harzflüsschen Eine durchfließt den südlichen Teil Ascherslebens und ergänzt fast spiegelbildlich den Innenstadtring, der die Altstadt umfasst. Im Rahmen der IBA gelang es der Stadt, durch eine geschickte Bodenpolitik Flächen von Eigentümern zu erwerben und so den Flussverlauf in weiten Teilen für neue Gestaltungsmöglichkeiten zu gewinnen, um ihn dann der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. In der Folge entstanden ganze Uferzonen neu, die vorher über Jahre überwuchert und brachliegend aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden waren. Ein flussbegleitender Weg ist landschaftsgärtnerisch gestaltet worden. Die „Eine-Terrasse“ an der Steinbrücke, eine Teilfläche der Landesgartenschau, fügt sich darin nahtlos ein. Sie bietet Sitzplätze im Grünen und überspielt einen Geländesprung, der mit einer weiten Wiese an der Eine endet. Ein Durchbruch durch eine alte Friedhofsmauer führt direkt in den Stadtpark mit dem Rosarium und dann weiter zum
unten Durch die Renaturierung der südlich durch Aschersleben fließenden Eine wurde der Landschaftsraum völlig neu geprägt (Foto: Ursula-Achternkamp, © IBA-Büro GbR)
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In der Herrenbreite wurden unter dem Motto „Erleben“ vielfältige Aufenthaltsbereiche geschaffen
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Auch nach Beendigung der Landesgartenschau wird die Herrenbreite lebhaft genutzt
PARKS UND GÄRTEN Landesgartenschau 2010
Im Jahr 2010 war Aschersleben 170 Tage lang mit der Landesgartenschau der grüne Mittelpunkt des Landes SachsenAnhalt. 10 Jahre vergingen von der Idee bis zur Umsetzung. 40 Mio. Euro wurden in die Parks und die angrenzende Infrastruktur investiert. Der Begriff der Nachhaltigkeit bedeutete in Aschersleben konkret, die Innenstadt durch die neuen Grünflächen als Wohn- und Lebensort deutlich aufzuwerten. Idyllische Orte Zu den bedeutendsten Attraktionen in Aschersleben gehören die Gärten und Parks inklusive des Promenadenrings entlang der alten Stadtbefestigungsanlage sowie die Alte Burg, eine Parkanlage mit Zoo. Im Rahmen der Landesgartenschau 2010 wurden die Herrenbreite, der Bestehornpark, der Stadtpark, die Eine-Terrasse sowie der Promenadenring zu attraktiven Parkanlagen von hoher Qualität umgestaltet. Im Vorfeld hatte das Berliner Büro sinai Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH in einem begrenzt offenen Realisierungswettbewerb den 1. Preis gewonnen. Die Planer waren inspiriert durch Adam Olearius, den Forschungsreisenden und berühmten Sohn der Stadt (1599–1671). Mit gestalterischen Elementen wie Pflanzungen nach Tierkreiszeichen, kuriosen Spielskulpturen oder künstlerischen Installationen wurde seinem Wirken Reminiszenz erwiesen. Herrenbreite Die Herrenbreite ist mit 7 ha der größte Park in Aschersleben und gleichzeitig ein Flächendenkmal. Gewachsene Wegebeziehungen, Baumreihen und großzügige Freiflächen laden auf dem ehemaligen Exerzierplatz zum Entspannen und Verweilen ein. Großartige Promenaden umranden den Park. Im Osten der Herrenbreite befindet sich die so genannte Schattenpromenade mit Staudenpflanzungen und Gehölzen, am westlichen Rand die Prachtpromenade mit Wechselflorflächen und Staudenpflanzungen auf Hochbeeten. Eine Staudenpromenade im Süden wird im Norden durch eine Strauchpromenade ergänzt. In den letzten 100 Jahren wurden immer wieder Versuche unternommen, die Herrenbreite komplett umzugestalten. Insgesamt machte die Fläche einen sehr unkoordinierten
und sanierungsbedürftigen Eindruck. Im Zuge der Landesgartenschau entstand eine neue Infrastruktur mit Wegen, Promenadenpflanzungen, Fontänenfeld und Spielplatz. Historische Sichtachsen und Raumbildungen wurden reaktiviert, Ruhezonen geschaffen, alte Einbauten zurückgebaut und der Brunnen durch ein modernes Wasserspiel ersetzt. Die Herrenbreite trug das Motto „Erleben“. Aufgrund ihrer Übersichtlichkeit und Größe wird sie seit Beendigung der Landesgartenschau vorrangig für größere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, wie das jährlich stattfindende Freiluft-Handball-Festival „Megawoodstock“ und das „ASCANIA Pferde-Festival“ genutzt. Mit der Umsetzung der sowohl gestalterisch als auch technisch anspruchsvollen Aufgabe „Herrenbreite“ war die Firma Jens Traunsberger, Garten- und Landschaftsbau, ein seit 1990 regional ansässiges Unternehmen, betraut, das die Herausforderung mit viel Erfahrung und Sachverstand termingerecht und souverän gemeistert hat. Dies bestätigen die gute Akzeptanz der Parkanlage und der nach kurzer Zeit immer wieder gute Zustand der zu den Veranstaltungen stark beanspruchten Flächen. Bestehornpark Der Bestehornpark zeigt, wie gut eine Verbindung zwischen Historie und Zukunft funktionieren kann. Prägend für Aschersleben war die ehemalige Papierfabrik VEB OPTIMA. Nach der Schließung verblieb eine Industriebrache mitten in der Innenstadt. Im Rahmen der IBA 2010 wurde das Gelände zum Bildungscampus umgestaltet. Der Schandfleck wurde zum Vorzeigeprojekt, das zukünftig noch sehr viel Potenzial – auch zur touristischen Nutzung – bietet. Die alten Einbauten wurden abgebrochen, die Reste der Orangerie saniert und
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durch modernes Spielgerät und einen kleinen Bühnenraum ergänzt. Anlässlich der Landesgartenschau wurden „FlüsterOlearien“ installiert, Audiobänke in Olearienform. Setzt der Besucher sich auf eine Bank, hört er kurze Beiträge über die Geschichte des Bestehornparks. Heute steht der Park noch stärker unter dem Motto „Erlernen“. Insgesamt 4 Schulen umrahmen ihn. Auf dem ehemaligen Betriebsgelände der VEB OPTIMA wurde eine Sporthalle errichtet. Das „Grüne Klassenzimmer“ ist jetzt eine Kreativwerkstatt. Die wichtigste Entwicklung im Hinblick auf die Nachnutzung der Landesgartenschau ist die im Jahr 2012 erfolgte Gründung der Grafikstiftung Neo Rauch. Sie befindet sich im 1. Obergeschoss des Riegelbaus und schafft einen bedeutenden Mehrwert für den Bestehornpark. Aufgrund seiner besonderen und intimen Atmosphäre eignet sich der Bestehornpark in den Sommermonaten vor allem für Veranstaltungen. Stadtpark „Kunst(t)räume“ ist die beste Umschreibung für den Stadtpark. Er steht unter dem Motto „Erinnern“ und zeigt sich als gelungene Kombination von Kunstprojekten und Gartenkultur. Neben dem wieder hergerichteten Rosarium und der Pflanzenbibliothek (Phytothek) mit 5000 m² reihen sich Kunst- und Gartenkammern und der Aschersleber Globus. Der Stadtpark war in den letzten 100 Jahren aus einem aufgelassenen Friedhof entwickelt worden. Die verwilderten, sanierungsbedürftigen Flächen erhielten eine neue Infrastruktur mit Wegen, Strauchpflanzungen, Phytothek, Zentralem Platz, Spielkammern und Rasenflächen. Historische Sichtachsen wurden reaktiviert und ergänzt. Das private ehemalige Gärtnerhaus diente gemeinsam mit dem umgebenden Stadtpark-Areal als Kirchgarten.
rechts Der Brunnen im Rosarium wurde durch eine Neuanlage ersetzt (Foto: Aschersleber Kulturanstalt)
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Die Fläche wird jetzt zur Erholung genutzt. Die temporären Gärten wurden zurückgebaut, die Staudenflächen erhalten und die vorhandenen Wechselflorflächen zu Staudenbeeten umgewandelt. Das Gärtnerhaus und der dazugehörige Kirchgarten bilden den Mittelpunkt des Lebens im Stadtpark. Hier befindet sich heute ein Geburtshaus. Veranstaltungen wie die „Nacht der Sinne“, das Rosenfest oder die Messe „LebensART“ umreißen die Aktivitäten. Rosarium Das Rosarium im Stadtpark ist die jüngste innerstädtische Grünfläche. In den letzten 50 Jahren war der gesamte Bestand stark überaltert, und die Fläche verwahrloste. Im Rahmen der Landesgartenschau erhielt das Rosarium eine neue Infrastruktur mit Wegen, Rosenpflanzungen und Brunnen. Historische Sichtachsen wurden reaktiviert, alte Einbauten wie Brunnen und Bänke abgebrochen, der Brunnen jedoch durch eine Neuanlage ersetzt. Das Rosarium bietet nach seiner Sanierung eine besondere Atmosphäre. Im nördlichen Bereich wurde nach dem Rückbau der temporären Gastronomie das Baumfeld ergänzt. Eine-Terrasse Die Eine-Terrasse stand unter dem Motto „Erholen“. Sie ist als Teil des IBA-Projekts im Vorfeld der Landesgartenschau aus einer ehemaligen Industriebrache entstanden und bietet eine fußläufige Anbindung der südöstlichen Stadtränder an
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links außen Stadtpark mit Motto „Erinnern“ (Foto: sinai) links Bestehornpark mit Motto „Erlernen“ (Foto: sinai)
die Innenstadt. Im Rahmen der Maßnahmen zur IBA 2010 erhielt die Fläche eine neue Infrastruktur: Wege, Promenadenpflanzungen, Spielfuge, Spielplatz, tragfähige Rasenflächen. Ziel war es, den Fluss erlebbar zu machen. Die tatsächliche Umsetzung übertraf das eigentliche Ziel. Neben einem Garten, der Erholungsmöglichkeiten bietet, entstand eine wichtige innerörtliche Verbindung. Der aus einer Industriebrache gestaltete Freiraum entlang des EineLaufes wird als Eine-Terrasse für die Naherholung genutzt. Die Fläche ist gleichzeitig als Retentionsfläche der Eine zur Hochwasservorsorge vorgesehen. Aufbauten, wie z. B. das Gastro-Deck oder die Themengärten, konnten daher nur in Abstimmung mit der Unteren Wasserbehörde erhalten werden. Das Gastronomie-Deck (Weindorf) ist bis 2014 betrieben und aufgrund der geringen Nachfrage 2015 geschlossen und zurückgebaut worden. Als Themengärten existieren nur noch der Energieholzgarten, der Terrassengarten und der Kneippgarten. Promenadenring Der 2,2 km lange Promenadenring zieht sich wie ein grüner Gürtel um die historische Stadtbefestigungsanlage und umschließt somit die Altstadt. Man kann die Stadt auf dem Rundweg „erwandern“ und am Johannistorturm die neu errichtete Skulptur Adam Olearius entdecken. Der Promenadenring bildet eine symbolische „Brücke“ von den Parks und Gärten hinein in das Stadtzentrum. Der jährliche „Oster-
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Wer Ideen mit Präzision und Weitblick entwickeln will, braucht den richtigen Partner an seiner Seite. HDI ELHWHW HLQH %HUXIVKDIWSÁ LFKW 9HUVLFKHUXQJ VSH]LHOO für Architekten und Ingenieure. www.hdi.de/freieberufe
spaziergang“ inszeniert heute Poesie und Musik unter freiem Himmel. Der Promenadenring wird im Rahmen der gemeinsamen Vermarktungsstrategie als touristisch interessante Grünanlage weiter bewirtschaftet. Stadt Aschersleben unten links Eine-Terrasse mit Motto „Erholen“ (Foto: Aschersleber Kulturanstalt) unten Promenadenring (Foto: Aschersleber Kulturanstalt)
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rechts Die Grafikstiftung Neo Rauch befindet sich im Riegelbau Bestehornpark (Foto: Stadt Aschersleben)
GRAFIKSTIFTUNG NEO RAUCH Im Jahr 2012 wurde die Grafikstiftung Neo Rauch gemeinsam durch die Stadt Aschersleben, den Maler Neo Rauch sowie Gerd Harry Lybke und Kerstin Wahala von der Galerie EIGEN + ART gegründet. Anlass war eine Schenkung des Künstlers an seine Heimatstadt Aschersleben: Neo Rauch überließ der Stadt jeweils ein Exemplar der Auflagen seines bisherigen grafischen Werkes. Neo Rauch Neo Rauch, geboren 1960 in Leipzig und aufgewachsen in Aschersleben, studierte nach seinem Abitur am Gymnasium in Aschersleben an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Dort erfolgte 1990 sein Meisterschülerabschluss. Von 2005–2009 war Neo Rauch Hochschullehrer und von 2009–2014 Honorarprofessor an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Als einer der bekanntesten zeitgenössischen Künstler hat Neo Rauch in den vergangenen Jahrzehnten neben Zeichnungen und malerischen Arbeiten ein umfangreiches Werk an
Druckgrafiken geschaffen. Das von ihm offiziell anerkannte Werk begann 1993. Seitdem entstanden fast 80 druckgrafische Arbeiten. Neo Rauch lebt und arbeitet heute in Leipzig. Aktuelle Ausstellung Die Stiftung ermöglicht es, das grafische Werk Neo Rauchs ausführlich und schwerpunktmäßig zu präsentieren. So ist noch bis April 2017 die Ausstellung „Hanno & Neo Rauch – Vater und Sohn“ zu sehen, in der erstmals Arbeiten von Neo Rauch und seinem Vater Hanno Rauch gezeigt werden. Hanno Rauch wurde 1939 in Gera geboren. In
Dresden besuchte er die Arbeiter- und Bauernfakultät, um sich auf ein Kunststudium vorzubereiten. Dort lernte er Helga Wand kennen. Zusammen gingen beide nach Leipzig. Hanno Rauch begann 1959 an der dortigen Hochschule für Grafik und Buchkunst zu studieren, Helga Wand studierte Buchgestaltung. Einen Monat nach der Geburt des Sohnes kamen Hanno Rauch und Helga Wand bei einem Zugunglück ums Leben. Neo Rauch wuchs in Aschersleben bei den Großeltern auf. Für die aktuelle Ausstellung hat Neo Rauch eine Auswahl von ca. 40 Werken aus dem Nachlass von etwa 200 Werken seines Vaters zusammengestellt. Dazu gehören Holzschnitte, Grafiken und Zeichnungen. Von Neo Rauch ist neben neuen Grafiken und Zeichnungen auch großformatige Malerei auf Papier und Leinwand zu sehen. Die Ausstellung ist eine sehr persönliche Begegnung von Neo Rauch mit den Arbeiten seines Vaters und des Künstlers Hanno Rauch. Christiane Wisniewski
links Ausstellungsräume der Grafikstiftung Neo Rauch (Foto: Uwe Walter)
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Abwechslungsreiche Dachlandschaften, eingerückte Eingangszonen und eine kräftige Farbgebung sorgen für ein lebendiges Fassadenbild
DAS ÄLTESTE QUARTIER DER STADT Das Wohngebiet in der südlichen Altstadt von Aschersleben ist von besonderer geschichtlicher und städtebaulicher Bedeutung. So belegen archäologische Grabungen und Funde, dass sich in seiner Umgebung vor mehr als 1250 Jahren die Stadt Aschersleben gegründet hat. Die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH revitalisiert das Quartier derzeit durch umfangreiche Maßnahmen. Städtebaulicher Rahmenplan Die südliche Altstadt ist von Bauten unterschiedlichster Stilpochen geprägt. Ende der 1970er und in den 1980er Jahren sind in diesem Bereich – nicht zuletzt durch Instandhaltungsstau – viele Gebäude einem flächenhaften Abbruch zum Opfer gefallen. In jüngster Vergangenheit wurden am Hopfenmarkt mehrere Gebäude saniert, was zu einer großen Nachfrage geführt hat. Nun hat die Ascherslebener Gebäude- und Wohnungsgesellschaft mbH mit der Errichtung attraktiven, zeitgemäßen und bezahlbaren Wohnraums die baulichen Voraussetzungen für die weitere Vitalisierung des historischen Stadtkerns geschaffen. Hauptanliegen ist, den Schwerpunkt Wohnnutzung entsprechend der Umsetzungsprioritäten des städtebaulichen Rahmenplans der Stadt Aschersleben weiter zu entwickeln. Wohnen in der Altstadt Das neue Wohnensemble fügt sich harmonisch in seine Umgebung eine und bedient sich dabei einer zeitgemäßen Formensprache. Die Kleinteiligkeit der umgebenden Bebauung ist dabei neu variiert worden, sodass deutlich ablesbar 6 unterschiedliche Fassaden entstanden sind. Über die verschiedenen Abschnitte spiegelt der Entwurf Vielfalt und Lebendigkeit, ohne dabei verspielt oder unruhig zu wirken. Fassaden, Dachzonierungen und Freiflächen in den Innen-
höfen bringen dies zum Ausdruck. Ruhe und Disziplin zum öffentlichen Raum werden durch überwiegend vertikale Fensterelemente und wiederkehrende Farben erreicht. Vor allem die Treppenhäuser demonstrieren nach außen aber auch die Zusammengehörigkeit der Bebauung. Ausgedehnte Innenhöfe Das Quartier ist durch eine leicht geschwungene, straßenbegleitende Bebauung gekennzeichnet, dominiert durch Ackerbürgerhäuser und mehr oder weniger aufgelockert durch kleinzellige Bebauungen. Die hinter die Fassaden zurückgesetzten und relativ breiten Treppenhauseingänge erinnern an die erhabenen Tordurchfahrten der Ackerbürgerhäuser. Wiederholt wird dies mit den Toren zum Hof und zur Tiefgarage, was die Transparenz zu den Höfen unterstreicht. Die großen Hofräume der Ackerbürgerhäuser ermöglichen die Nutzung der Flächen zur Begrünung oder zu Freizeitzwecken, an einigen Stellen auch zur Einordnung des ruhenden Verkehrs im Quartiersinneren, ohne dabei die Gestaltung der Innenhöfe zu beeinträchtigen. Aufgrund der vorgefundenen Baugrundverhältnisse wäre ein umfangreicher Bodenaustausch, also Aushub und Wiederverfüllung, notwendig geworden. Dieser Umstand wurde genutzt, in dem nach dem Aushub nicht wieder verfüllt, sondern eine Tiefgarage angelegt wurde.
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Von den straßenseitig angeordneten Loggien aus können die Bewohner am Leben des neu entstehenden Platzes „Hopfenmarkt“ teilhaben
Hochformatige Fenster und horizontal verschiebbare Lamellenläden gliedern die Straßenfassaden
Begrenzung zum Hopfenmarkt Die südwestliche Quartiersecke übernimmt die besondere Funktion der Begrenzung des neu entstehenden Platzes „Hopfenmarkt“ im Rahmen der zeitgleich laufenden Tiefbauarbeiten. Vor diesem Hintergrund ist frühzeitig auf diese Situation reagiert worden. Dem Bauherrn wurde bei weiterer Entwicklung des Quartiers durch die Einordnung einer Gewerbeeinheit (ruhendes Gewerbe) Variabilität hinsichtlich einer Umnutzung ermöglicht.
Denkmalpflegerische Werte Ein Teil des Gebäudes Hopfenmarkt 13, der Gewölbekeller und die hofseitig angeordnete „Schwarze Küche“ wurden angesichts ihres hohen denkmalpflegerischen Wertes erhalten. Aufgrund von Standsicherheitsproblemen des Gewölbekellers und zur Gewährleistung der Sicherheit der Bewohner musste der Gewölbekeller während der Arbeiten verfüllt werden. Die auch einsturzgefährdete „Schwarze Küche“ konnte unter erheblichem Aufwand abgestützt, gesichert und für die Nachwelt erhalten werden. Sie wurde teilweise in den Neubau integriert, wobei der herausragende Teil mit einem leicht wirkenden Stahldach gegen Witterungseinflüsse geschützt wird. Die „Schwarze Küche“ ist separat von außen begehbar und kann zum jährlich stattfindenden Tag des offenen Denkmals oder zu vergleichbaren Anlässen besichtigt werden. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang eine temporär anzubringende Ausstellungswand zur baulichen Geschichte und zur weiteren Entwicklung des Quartiers, wie sie laut städtebaulichem Rahmenplan von 2006 vorgesehen ist.
Vermittelnde Elemente Durch die bauliche Stellung des Gebäudes ergaben sich zwei direkte Anschlüsse an die vorhandene Bebauung. Mit dem Gebäude Hopfenmarkt 13 wird hinsichtlich der Anzahl der Geschosse, Dachform und Fassadengestaltung an die lisenengegliederte Fassade des abgebrochenen 3-geschossigen, platzbestimmenden Gebäudes erinnert und dieses neu interpretiert. Die Fassade des Neubaus ist durch horizontal verschiebbare Lamellenläden gegliedert, die gestalterische und funktionale Aufgaben in sich vereinen. Ferner vermittelt das Gebäude zwischen den nördlich angrenzenden Baudenkmalen aus dem 15.–18. Jahrhundert und den sich in Richtung Ritterstraße anschließenden Neubauten. Die Bebauung in Richtung Ritterstraße wird durch einen 3-geschossigen, wenig strukturierten Baukörper abgeschlossen. Wohneinheiten mit Außenbezug Insgesamt befinden sich in dem neuen Wohnkomplex 16 Wohnungen und eine Gewerbeeinheit. Dem Bauherrn wurden mit dem Entwurf praktikable und seinen Vorstellungen entsprechende Grundrisse angeboten. Alle Wohnungen haben außenliegende, also natürlich belichtete und belüftete Bäder und vom Wohnzimmer getrennte Küchen, die sich aber mitunter auch in den Wohnraum integrieren lassen. Alle Wohnungen verfügen über eine Terrasse, einen Balkon oder eine Loggia. Die Terrassen und Balkone sind teils zum Hof und teils zur Straße bzw. zum Hopfenmarkt hin angeordnet und tragen somit auch zur Belebung des Außenraums bei. Im Eckgebäude sind die Loggien straßenseitig angeordnet, sodass man von diesen Freisitzen aus den neu zu gestaltenden Platz erleben kann. Die Wohnanlage ist durch Aufzüge, die mögliche Montage von Treppenliften und komplette Barrierefreiheit senioren- und behindertengerecht ausgeführt.
Konstruktion und Material Das neue Wohnensemble gliedert sich in drei Gebäude mit jeweils eigenen Giebelwänden und dazwischenliegenden Trennwandplatten zum Schallschutz. Es ist komplett unter-
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Die weitläufigen rückwärtigen Außenanlagen sind begrünt und dienen Freizeitzwecken
Die denkmalgeschützte „schwarze Küche“ wird durch ein leichtes Schutzdach vor Witterungseinflüssen gesichert
kellert und verfügt über eine Bodenplatte mit Gefälle zu den Einläufen im Bereich der Tiefgarage. Die Außenwände des Kellergeschosses bestehen aus vor Ort ausbetonierten Fertigteilplatten, ausgebildet zur „weißen Wanne“. Stützen und Unterzüge im Keller sind Stahlbeton-Halbfertigteile, die gemeinsam mit der ebenfalls aus Halbfertigteilen errichteten Deckenplatte montiert und betoniert wurden. Die Tiefgarage ragt in Richtung Hof über die Grundfläche des Hochbaus hinaus und wurde oberseitig nach erfolgter Abdichtung und Dämmung extensiv begrünt und mit Wegen und Plätzen versehen. Ab dem Erdgeschoss ist das Gebäude in gemischter Mauerwerks- und Stahlbetonbauweise errichtet, wobei an der Straßenfassade das Mauerwerk und in der Mittellängsachse sowie auf der Hofseite Stahlbetonstützen lastabtragend wirken. Hier dient das Mauerwerk als Ausfachung. Bei den Decken handelt es sich aus statischen Gründen sowie aus Brand- und Schallschutzgründen um Stahlbetondecken, auch bei der Dachplatte der Flachdächer. In Fortführung der aufgelockerten Fassaden sind die Dachflächen von einem lebhaften Wechsel von Steil- und Flachdächern geprägt, wobei auch für die Steildächer eine moderne Eindeckung aus anthrazitfarbenen Flachziegeln gewählt wurde. Es kamen mineralische bzw. natürliche Baustoffe zum Einsatz.
Fenster und Haustüren sind als Holzelemente nach den geltenden energetischen Vorschriften gefertigt. Energie und Ökologie Die grundsätzliche Versorgung erfolgt über Fernwärme. Der Anteil der Wärme-Kraft-Kopplung beträgt 60,5 %, der Anteil aus regenerativ erzeugter Wärme 38,2 %. Damit kann für eine auf Fernwärme beruhende Versorgung für die Berechnung des Primärenergieaufwandes ein Primärenergiefaktor von 0,53 angesetzt werden. Auf die hohe Investition zur Nutzung von Umweltenergie durch Wärmepumpen oder Solaranlagen konnte verzichtet werden. Auf dieser Basis lässt sich für die so versorgten Wohngebäude eine Energieeffizienz der Klasse A nachweisen. Der Primärenregieaufwand liegt deutlich unter den Anforderungen der ENEV. Die Einordnung der Häuser in die Energieeffizienzklasse A ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Vermietung. Mit dem relativ hohen Anteil an regenerativ erzeugter Wärme leisten Bauherr und Mieter einen großen Beitrag zur Reduzierung klimaschädigender Emissionen. Stefan Wohlrab
Wir bauen für Aschersleben Ascherslebener Gebäude- u. Wohnungsgesellschaft mbH Magdeburger Straße 28 – 06449 Aschersleben Telefon 03473 942300 – Email info@agw-asl.de www.agw-asl.de
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In der Ölstraße 9 entstand am Rand der Altstadt ein modernes Wohngebäude
AUFWERTUNG DER INNENSTADT Aschersleben lenkt seine Schrumpfung entschieden von außen nach innen: Abriss an den Rändern bei gleichzeitiger Stärkung der Innenstadt. Behörden, Bildungs- und Einkaufszentren werden in den Stadtkern verlagert. Eine zentrale Rolle spielt dabei der Innenstadtring als Schnittstelle zwischen Altstadt und gründerzeitlichen Erweiterungen. Zeitgemäße Neubebauung Entlang des Innenstadtrings standen bis zu 75 % der Wohngebäude leer. Durch kontrollierten Abriss und anspruchsvolle Gestaltung der so gewonnenen Freiflächen, durch künstlerische und temporäre Nutzung der Brachflächen sowie durch Ansiedelung von Logistikfunktionen ist dieser Bereich wieder attraktiver geworden, maßgeblich beflügelt durch Projekte der Internationalen Bauausstellung 2010 und der Landesgartenschau 2010. Aber auch innerhalb des Innenstadtrings tut sich vieles. So befasste man sich in den letzten 15 Jahren massiv mit der Sanierung und teilweisen Neugestaltung der südlichen Altstadt, was zu einer deutlichen Steigerung der Attraktivität und Wohnqualität dieses Stadtteils geführt hat. Die Stadt Aschersleben setzt dabei aber nicht nur auf die Sanierung einzelner Wohngebäude, sondern zielgerichtet auf die Sanierung kompletter Quartiere samt der zugehörigen Freiflächen. Mit dem Hopfenmarkt, dem Weinberg, dem Zippelmarkt und der Ölstraße wurden derartige Stadtgebiete komplex und umfangreich instand gesetzt und durch altstadtgerechte, moderne zeitgemäße Neubebauungen
ergänzt. Es entstanden begehrte und auch infrastrukturell sanierte Quartiere, deren Wohnungen wegen ihrer hervorragenden Qualität und innerstädtischen Lage meist bereits vor ihrer Fertigstellung komplett vermietet werden konnten. Genossenschaftliches Engagement Die Wohnungsgenossenschaft „Einigkeit e.G.“ konzentriert sich auf das Quartier Ölstraße, Über den Steinen und Düsteres Tor. In diesem Jahr setzt sie ihr 2009 begonnenes Engagement mit dem Neubau der Ölstraße 9 und der Sanierung der Häuser Über den Steinen 29/30 und 31 sowie dem Neubau der Wohnhäuser Über den Steinen 32/33 einschließlich eines hofseitigen Neubaus fort. Bis spätestens Ende 2017 sollen hier insgesamt 26 neue Wohnungen entstehen – davon 11 im Gebäude Über den Steinen 32, weitere 6 im Gebäude Über den Steinen 33 und weitere 9 in einem Neubau im Hofbereich. Während die beiden Vorderhäuser abgerissen und anschließend originalgetreu wieder aufgebaut werden, zeigt der Neubau im Hofbereich eine moderne Architektur, ähnlich dem 2012 fertig gestellten Wohnkomplex in
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rechts Über den Steinen 32/33: Rekonstruktionszeichnung der Vorderhäuser
der Ölstraße, wobei die Größen der 2-, 3- und 4-Zimmer-Wohnungen zwischen 48 m² und 115 m² variieren. Außerdem entstehen unter dem Neubau im Hofbereich eine Tiefgarage mit 15 Stellplätzen, Fahrrad- und Trockenräume, Abstellflächen für Rollatoren in den Häusern sowie weitere 11 PKWStellplätze im Hof. Die Wohnungsgenossenschaft investiert in den Neubau Gesamtkosten in Höhe von 4,8 Mio. Euro. Aktueller Baufortschritt Nachdem Anfang 2016 der Spatenstich vollzogen wurde, kommen die Arbeiten momentan sehr gut voran. Selbstverständlich ist die bisher sehr kurze Bauzeit allerdings nicht, zumal die Gründungsverhältnisse, die direkt angrenzende innerstädtische Bebauung und die für Aschersleben typischen, recht engen Straßen und Gassen für zusätzliche Schwierigkeiten sorgten. Zur Straße Über den Steinen hin waren Anfang des Jahres ein Baugrubenverbau und zur östlichen Nachbarbebauung eine Bohrpfahlsicherung der Baugrube notwendig. Die Arbeiten am Gebäude konnten Anfang März beginnen. Der Komplex mitten in der Innenstadt entlang der Straße Über den Steinen ist längst aus dem Boden gewachsen. Die Rohbauarbeiten des straßenbegleitenden 3bzw. 4-geschossigen Neubaus sind nach 5 Monaten so gut wie abgeschlossen, desgleichen die der Tiefgarage und des Erdgeschosses des Neubaus im Hofbereich. Konstruktive Zusammenarbeit Die bisher erfolgreiche Umsetzung des ambitionierten Zeitplans ist nur möglich geworden durch eine ruhige, konstruktive und sehr enge Zusammenarbeit aller an der Planung und der Realisierung Beteiligten, angefangen beim Bauherrn und den Behörden auf Stadt- und Landkreisebene und fortgesetzt beim Planungsbüro und der für den Rohbau verantwortlichen Firma. Hier konnte das Unternehmen Industriebau Wernigerode den Wettbewerb für sich entscheiden und in enger Zusammenarbeit mit Planungsbüro, Statiker und Fertigteilwerk die meistenteils „just in time“ gelieferten Bauteile zu einem ansehnlichen Bauwerk wachsen lassen. Die Firma Industriebau Wernigerode als traditionsreiches Hochbauunternehmen mit mehr als 180 Ingenieuren, Polieren und Facharbeitern, das schon vor der Deutschen Einheit im Hochbau tätig war, hat mit diesem Bauvorhaben für die Wohnungsgenossenschaft „Einigkeit e.G.“ in Aschersleben einmal mehr einen Maßstab für kostenbewusstes, qualitätsund termingerechtes sowie umweltverträgliches Bauen in Sachsen-Anhalt gesetzt. Stefan Wohlrab
Über den Steinen 32/33: Visualisierung der Hofansicht
Über den Steinen 32/33: Hofansicht der Vorderhäuser im Rohbau
Über den Steinen 32/33: Hofgebäude im Rohbau
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rechts Der Charakter der ehemaligen Industrieanlage ist nach der Sanierung erhalten geblieben
ALTE HOBELEI Nach umfangreicher Sanierung konnte auch das letzte Gebäude der ehemaligen Werkzeugmaschinenfabrik „Wema“ in Aschersleben einer neuen Nutzung zugeführt werden. Ermöglicht wurde die Baumaßnahme mit einem Gesamtvolumen von 1,58 Mio. Euro durch eine Förderung über das Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“ in Höhe von 1 Mio. Euro. Flexible Nutzbarkeit Seit der Sanierung wird die Alte Hobelei als kultureller Veranstaltungsort genutzt. Die Grundfläche des Gebäudes umfasst ca. 1.110 m², davon entfallen ca. 817 m² auf den Saal. Jährlich können hier bis zu 10 „seltene Ereignisse“ – d. h. Veranstaltungen, die mehr als 348 Personen umfassen – stattfinden. Außerdem steht der Saal zur Ausrichtung von Seminaren, Feiern oder Konzerten zur Verfügung. Umfassende Sanierung Die Entkernung des Gebäudes umfasste Mauerwerk und Deckenbeläge sowie Einbauten. Die originalen Fenster blieben erhalten, wurden jedoch aus Isolierungs- und Schallschutzgründen von innen aufgedoppelt. Notwendig waren darüber hinaus die Reinigung der Holzkonstruktion durch Sandstrahlen sowie ihre statische Ertüchtigung durch Austausch defekter Holzbauteile wie Balken, Stützen, Pfetten aufgrund von Schwammbefall bzw. Moderfäule. Es folgten der Einbau der Dämmung im Dach und einer Akustikdecke sowie von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen.
rechts Deckenkräne zeugen von der einstigen Nutzung des Saals als Industriehalle
Der Industriecharakter des Gebäudes ist trotz Sanierung erhalten geblieben. So sind im Inneren die beiden Laufkräne weiterhin sichtbar. Sie wurden mittels Trockeneisstrahlung gereinigt und anschließend wieder an ihre Plätze geschoben. Gereinigt wurden auch die Metallstützen, die die innere Holzkonstruktion tragen. Bauliche Herausforderungen Insgesamt haben 29 Gewerke an der Sanierung der Alten Hobelei mitgewirkt. Eine besondere bauliche Herausforderung stellte die Verkleidung des Dachbereichs dar, da diese aufgrund fehlender Zwischenebenen nur mit Raumgerüst möglich war. Zudem fanden sich diverse Maschinenfundamente beim Kanalbau. Auch den Höhenunterschied des Gebäudes am Eingang
Richtung Berufsschule zum Anbau hin von ca. 60 cm galt es zu beachten. Zudem war die Sanierung des Mauerwerks aufgrund eines sehr hohen Versalzungsgrades nur mit einem Spezialputz möglich. Ausstattung Der Mehrzwecksaal ist mit einer Bühne ausgestattet. Licht- und Soundtechnik können je nach Bedarf aufgebaut werden. Es gibt keine gastronomische Versorgung, jedoch ist eine Bar fest in den Saal integriert. Die Bestuhlung kann flexibel gestaltet werden. An den Saal schließen zum einen Foyer, Garderobe und Lagerräume, zum anderen im Anbau Sanitäranlagen und der Backstage-Bereich an. Stadt Aschersleben
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rechts Das Fachwerkhaus Am Weinberg 13 steht am Übergang der Altstadt zur Promenade mit der mittelalterlichen Stadtbefestigung
FACHWERKHAUS WEINBERG 13 Der Baupreis 2016 der Stadt Aschersleben ging an die Sanierung des denkmalgeschützten Wohn- und Geschäftshauses Weinberg 13. Die Baumaßnahme wurde im Rahmen des Programms „Städtebaulicher Denkmalschutz“ gefördert und in 2,5-jähriger Bauzeit in hoher Qualität ausgeführt. Planung und Sanierung Das Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert stand über viele Jahre leer. Erst als ein Mieter für die Gewerberäume gefunden war, fiel die Entscheidung, die Investition in die Sanierung zu wagen. Hervorzuheben ist die Sanierung des Fachwerkgiebels, der im Rahmen einer von der Aschersleber Ingenieurgesellschaft Wohlrab, Landeck & Cie und der Technischen Universität Braunschweig begleiteten Bachelorarbeit bauphysikalisch sowie wärmeund feuerschutztechnisch untersucht wurde. Ergebnis dieser Zusammenarbeit war eine innovative und denkmalverträgliche Innendämmung aus Multipor-Mineraldämmplatten. Die Platten bestehen aus Kalk, Sand, Zement und Wasser unter Beimischung eines Luftporenbildners. Für ein ausgewogenes Raumklima sorgt zudem der Einsatz von Lehmbauweise. Altholz aus dem Bestand Ziel der Sanierung war der weitestmögliche Erhalt des alten Baumaterials. Die historische Dachkonstruktion des Seitenflügels wurde im Zuge der Anhebung der Geschossdecken zerstörungsfrei zurückgebaut, während der Bauzeit vor dem Gebäude zwischengelagert und nach der Anhebung mit ebenfalls wiederverwendeten historischen Deckenbalken neu gerichtet. Im gesamten Gebäude konnten mehr als
80 % des Fachwerks durch Altholz aus dem Bestand erneuert werden. Zum Teil sind sogar noch die Markierungen der Zimmerer sichtbar, die die Balken einst eingebaut haben. Fassade und Dach Die Fassadengestaltung stellte sich als große Herausforderung dar. Rund 20 Entwürfe waren erforderlich, bis das heute sichtbare Konzept stand. Der Anstrich erfolgte mit altstadttypischen Farben. Fenster und Türen bestehen aus Holz. Das Satteldach erhielt 6 Gauben. Die Dacheindeckung erfolgte mit ortstypischen Biberschwanzziegeln. Wohnkonzept Im Gebäude gibt es 6 große 1-Zimmer-Wohnungen, im Dachgeschoss befindet sich eine 3-Zimmer-Wohnung. Angeregt durch die Zusammenarbeit mit der Diakonie, die im Erdgeschoss einen Begegnungsraum und zwei Büroräume unterhält, legte der Bauherr bei der Entwicklung des Wohnkonzepts den Schwerpunkt auf selbstbestimmtes Wohnen. So sind alle Wohnungen barrierefrei erreichbar und mit Fußbodenheizung ausgerüstet. Die Raumtüren sind verbreitert. Im Bad sind die Waschbecken unterfahrbar und die bodengleichen Duschen mit Handläufen versehen. Alle Wohnungen erhielten neue Balkone. Stadt Aschersleben
oben Im Zuge der Baumaßnahme wurde das Treppenhaus neu angelegt unten Zugang zum Kellergeschoss
Harzer Volksbank eG
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Der Lindenhof in Aschersleben ist ein inspirierendes Schulungszentrum für Händler und Verleger (Foto: C. Wolf)
HOLZ WEITER GEDACHT 2005 entstand die Vision zur Entwicklung und Herstellung eines einzigartigen, umweltfreundlichen und recycelbaren Naturwerkstoffs mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten. 11 Jahre später verlassen täglich 100 t Holzpolymerwerkstoff das Werk in Aschersleben. 130 Mitarbeiter der Firma NOVO-TECH produzieren das Produkt megawood®, eine innovative Verbindung von bis zu 75 % Naturfasern und 25 % Polymeren. Unternehmer mit Aschersleber Wurzeln Holger Sasse hat den Bauberuf von der Pike auf verinnerlicht – vom Baufacharbeiter zum Ingenieur war er zu DDR-Zeiten Betriebsleiter eines Betonwerkes. 1990 gründete er mit seinem Partner Armin Junghanns, heute Leiter der Anwendungstechnik bei NOVO-TECH, ein Hochbauunternehmen für Industrie- und Gewerbebauten in ganz Deutschland. Der Einsatz von neuartigen Werkstoffen brachte den Unternehmer auf die Idee, selbst innovative Produkte zu entwickeln und herzustellen. Die Firma NOVO-TECH entstand und mit ihr das heutige Holz-Polymer-Komposit megawood®. Nach entbehrungsreichen Entwicklungs- und Gründerjahren folgte 2010 die Partnerschaft mit dem Traditionsunternehmen Erfurt & Sohn KG aus Wuppertal. Die Unternehmer eint der Glaube an den Werkstoff und der Wille, nachhaltig, ressourcenschonend und vor allem zukunftsorientiert zu produzieren. High-Tech für den öffentlichen Raum Langlebigkeit, Widerstandskraft, Material- und Formstabilität sowie letztlich wenig Wartungs- und Pflegeaufwand – das sind wichtige Attribute für den Einsatz von Werkstoffen im öffentlichen Raum. megawood® ist in dieser Hinsicht vielfach erprobt. Sportdeck Bestehornpark Unter dem Namen megawood® -Arena entwickelte NOVOTECH gemeinsam mit dem 1. SC Magdeburg ein Sportdeck, welches die Eigenschaften des Hallenbodens für den Außen-
raum überträgt. Im Aschersleber Bestehornpark sind zwei Spielfelder unter freiem Himmel für jedermann zugänglich und gern genutzte Freizeitspielstätten. Eine flexible Version des Sportdecks ist Austragungsort des mittlerweile jährlich in der Herrenbreite stattfindenden Handballgroßevents „megawoodstock“. Schulhof Luisenschule Eine große Terrasse aus SIGNUM Barfußdielen auf dem Hof der Luisenschule bietet Raum für die Mittagspause im Freien, Schulaufführungen oder das Outdoorklassenzimmer. Frei von gefährlichen Splittern, sehr widerstandsfähig gegen Kratzer, für Kinderspielzeug zertifiziert und einfach zu säubern – ideale Eigenschaften für den Einsatz in der Grundschule. Brasserie in München Gewerblich überzeugt die megawood® DYNUM Barfußdiele im Gastronomiebereich der BMW Welt Bavarie Brasserie in München. Der homogen, eingefärbte Holzwerkstoff im Farbton „Nigella“ fügt sich mühelos in die imposante Architektur – Design trifft Funktion. Wo gehobelt wird, da fallen Späne – gut so! In einem kontinuierlichen Prozess wird der megawood® Werkstoff bestehend aus bis zu 75 % Naturfasern, hochwertigen Polymeren, geeigneten Additiven und Farbstoffen hergestellt. Unter hohem Druck wird das Mischgut über
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„Holz ist gut – und wir machen es noch besser. Der Rohstoff von heute ist auch Rohstoff für morgen. Das ist unser Beitrag für unsere Kinder und Enkelkinder.“ Holger Sasse
Der Werkstoff megawood® besteht aus bis zu 75 % aus Naturfasern und zu 25 % aus Polymeren (Foto: C. Wolf)
einen Austragsextruder durch das formgebende Werkzeug gepresst. Ein formstabiles Produkt mit hoher Widerstandsfähigkeit gegen äußere Umwelteinflüsse entsteht. Die Naturfasern aus der Holz- und Sägeindustrie stammen zu 100 % aus nachhaltiger Bewirtschaftung. Der ökologische Aspekt wird noch erweitert durch die vollständige Recyclingfähigkeit des Werkstoffes. Die natürliche Anmutung entsteht durch die vollständige Durchfärbung in der Produktion und anschließende Oberflächenbehandlung. Mit rotierenden Stahlbürsten wird die Polymeroberfläche entfernt, und es entsteht eine optisch haptische Holzoberfläche ohne PVCÜberzug oder Lackierung. Durch den hohen Anteil an Naturfasern unterliegt das Produkt in den ersten 6-8 Monaten einer natürlichen Farbreifung. Blickfenster in die nahe Zukunft Der Lindenhof in Aschersleben, inspirierendes Schulungszentrum für Händler und Verleger, ist ein eigens geschaffener Ort, um die mannigfachen Anwendungsmöglichkeiten von megawood® zu erproben. Neben Terrassendeck, Hochbeet, Fassade und Zaun besteht auch das Interieur aus dem
unten Sportdeck im Bestehornpark Aschersleben (Foto: H. Eichler) unten rechts Signum Barfußdielen in der Luisenschule Aschersleben (Foto: C. Wolf)
megawood® Holzwerkstoff. So werden die hausinternen Ideen dem Härtetest des Alltags unterzogen und kontinuierlich weiterentwickelt. Handwerker, Händler und Montagebetriebe bekommen einen Einblick in die Vielseitigkeit des Materials und werden vor allem für den Einsatz der Terrassendielen und die dazugehörige Fix Step Unterkonstruktion geschult und zertifiziert. Gemeinsam mit dem VHI engagiert sich NOVO-TECH für nachhaltiges Bauen mit Holzpolymerwerkstoffen beim Institut Bauen und Umwelt. „Holz weiter gedacht“ heißt, die natürlichen Material- und Verarbeitungseigenschaften von Holz und Polymeren bestmöglich zu verbinden und als ressourcenschonenden Werkstoff der Zukunft zu etablieren. NOVO-TECH TRADING GmbH & Co. KG 06449 Aschersleben Siemensstraße 31 www.megawood.com
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FERNWÄRME IN DER ALTSTADT In Aschersleben wurden bereits die zur Zeit der DDR errichteten Plattenbausiedlungen in wesentlichen Teilen mit Fernwärme versorgt. Öl stand in Ostdeutschland nicht und Stadtgas nur unzureichend für Heizzwecke zur Verfügung. Braunkohle gab es dagegen reichlich. Nach der politischen Wende war die braunkohlebasierte Fernwärme nicht mehr zeitgemäß. Die Stadtwerke Aschersleben entschieden sich für eine Modernisierung. Erschließung der Innenstadt Zunächst wurden die braunkohlebefeuerten Heizwerke auf den Brennstoff Heizöl umgestellt. Es folgte die Erschließung der Innenstadt mit einem Fernwärmenetz. Als Namensgeber diente der vor der Stadtmauer gelegene Promenadenring. Ökologische Vorteile Während Fernwärme zum Ende der 1990er und zu Beginn der 2000er Jahre einen schweren Stand gegenüber konkurrierenden Energieformen hatte, kann sie in der letzten Zeit ihre ökologischen Vorteile dank der gesetzlichen Rahmenbedingungen immer besser ausspielen. Die Aschersleber Fernwärme wird in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt. Die bei der Stromproduktion anfallenden zwei Drittel Wärmeenergie werden über das Fernwärmenetz zu den Verbrauchern geleitet und im Gegensatz zu konventioneller Stromproduktion nicht als Abwärme in die Luft geblasen. Die eingesetzte Primärenergie wird maximal ausgenutzt, sodass sich günstige Kennzahlen für den Erfüllungsfaktor über die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung oder für den Primärenergiefaktor ergeben. Die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an das ökologische Bauen fällt damit leicht. Dies ist insbesondere für historisch bedeutsame Gebäude sehr interessant, denn ohne Nutzung von Fernwärme würde die Altbausanierung äußerst aufwändig. Unter Umständen könnte sie aus denkmalpflegerischen Gründen sogar unmöglich werden.
Minimaler Aufwand Im Rahmen der Landesgartenschau 2010 wurden zahlreiche Straßen in der Altstadt grundhaft saniert und ausgebaut. Diese Baumaßnahmen nutzten die Stadtwerke Aschersleben, um mit relativ wenig Aufwand ihr Fernwärmenetz zu vergrößern. Ein 2016 eingeführtes, auf Leistungszonen beruhendes Fernwärmepreissystem soll zusätzlich die Attraktivität der Fernwärme steigern. Bauherren nehmen das Angebot gern wahr. Beispielhaft hierfür steht das Haus Weinberg 13. Da Fernwärme frei Haus geliefert wird, waren weder ein Heizungsraum noch eine Schornsteinanlage erforderlich. Lediglich eine Nische zur Beherbergung der kompakten Fernwärmestation musste zur Verfügung stehen. Zukunftsweisende Symbiose Auch im Zeitalter der Erneuerbaren Energien haben Fernwärme und Kraft-Wärme-Kopplung ihre Daseinsberechtigung. Sie sind sehr gut geeignet, die Volatilitäten der Erneuerbaren Energien auszugleichen. Durch die Bereitstellung von Regelenergie und die Verwendung von Energiespeichern können Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung gebracht werden. Altbausanierung und moderne Energieversorgung gehen in Aschersleben eine beispielhafte und zukunftsweisende Symbiose ein. www.stadtwerke-aschersleben.de
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Impressum BAUKULTUR – Zeitschrift des DAI 38. Jahrgang ISSN 1862-9571 Herausgeber DAI Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine e.V. DAI Geschäftsstelle c/o KEC Planungsgesellschaft mbH Salzufer 8 10587 Berlin Telefon: +49 (0)30.400 54 100 Telefax: +49 (0)30.21 47 31 82 E-Mail: kontakt@dai.org www.dai.org DAI Geschäftsführung Udo Sonnenberg M.A. E-Mail: sonnenberg@dai.org DAI Präsidium Prof. Dipl-Ing. Christian Baumgart (Präsident) Dipl.-Ing. Gerd Schnitzspahn (Vizepräsident) Dipl.-Ing. Arnold Ernst (Schatzmeister) Marion Uhrig-Lammersen (Presse- und Öffentlichkeitsarbeit) Dipl.-Ing. Alexander von Canal (Veranstaltungen und Mitgliederbetreuung) Verlag, Gestaltung, Anzeigenverwaltung VBK Verlag S. Kuballa Verlag für Bau + Kultur Zur Leiten 11 95517 Emtmannsberg (Lkr. Bayreuth) Telefon: +49 (0)9209.91 86 240 Telefax: +49 (0)3212.45 26 570 E-Mail: info@vbk-verlag.de www.vbk-verlag.de Chefredaktion Susanne Kuballa M.A. E-Mail: kuballa@dai.org Anschrift wie Verlag Redaktion Dipl.-Ing. Sylvia Jung E-Mail: jung@vbk-verlag.de Anzeigen Christina Ahr M.A. E-Mail: ahr@vbk-verlag.de Dipl.-BW (FH) Ines Moritz E-Mail: moritz@vbk-verlag.de Gültig ist Anzeigenpreisliste Nr. 10 vom 1.10.2015. Druck Benedict Press, Vier-Türme GmbH Abtei Münsterschwarzach www.benedictpress.de Der Bezug der Zeitschrift ist im DAI Mitgliedsbeitrag enthalten. Druckauflage: 5.400 Exemplare (IVW II/2016)
Vorschau Ausgabe 6_2016 >> umBAUKULTUR
Autoren dieser Ausgabe Prof. Ulrike Böhm Schinkelausschuss, Mitglied www.aiv-berlin.de www.bbzl.de
Walter Nothdurft AIV Hildesheim Schriftführer www.aiv-hildesheim.de
Sydney Gottschalk Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft www.zl-legal.de
Frank Reisberg VHS Aschersleben Geschichtswerkstätten www.kvhs.kreis-slk.de
Aline Karrakchou Zirngibl Langwieser Rechtsanwälte Partnerschaft www.zl-legal.de
Udo Sonnenberg DAI Geschäftsführer elfnullelf® Unternehmensberatung Berlin www.dai.org
Eva Krapf Schinkelausschuss, Leitung www.aiv-berlin.de Steffen Leppla AIV Oberhessen, Beisitzer TU Darmstadt Institut und Versuchsanstalt für Geotechnik www.aiv-wetterau.de www.geotechnik.tu-darmstadt.de Carola Mundelsee Mittelrheinischer AIV Darmstadt Schatzmeisterin www.maiv-darmstadt.de Reiner Nagel Bundesstiftung Baukultur Vorstandsvorsitzender Potsdam www.bundesstiftung-baukultur.de
DAI Kooperationspartner
Christiane Wisniewski Grafikstiftung Neo Rauch Aschersleben www.grafikstiftungneorauch.de Stefan Wohlrab AIV Aschersleben-Staßfurt, 1. Vorsitzender Ingenieurplanungsgesellschaft mbH Wohlrab, Landeck & Cie Aschersleben www.wohlrab-landeck.de Dr. Cyrus Zahiri AIV zu Berlin, Beisitzer Schinkelausschuss, Leitung www.aiv-berlin.de www.bbzl.de
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BAUKULTUR | Zeitschrift des DAI | September 2016 | Ausgabe 5 | ISSN 1862-9571
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