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Mit Fischaufstiegsschnecke zu mehr Ökostrom am Sperlwehr
Am Sperlwehr im oberösterreichischen Almtal wurde die ökologische Durchgängigkeit mit einer stromproduzierenden Wasserkraftschnecke inklusive Fischlift hergestellt. Seit der Inbetriebnahme im Frühjahr 2020 hat das innovative System der Hydro-Connect GmbH rund 155.000 kWh Ökostrom aus der Nutzung der Restwassermenge produziert.
Foto: zek
SPERLWEHR AN DER OBERÖSTERREICHISCHEN ALM BEFÖRDERT FISCHE MIT EINEM DREH AUF UND AB
An der Wehranlage des Wasserkraftwerks Leberbauer im oberösterreichischen Almtal überwinden die Fische das Querbauwerk seit dem Frühjahr durch ein innovatives System. Mit einer stromerzeugenden Fischwanderhilfe – einer Wasserkraftschnecke mit integrierter Fischaufstiegsschnecke – von der niederösterreichischen Hydro-Connect GmbH, dem Generalauftragsnehmer des Projekts, konnte die ökologische Durchgängigkeit für Fische und Kleinstlebewesen sichergestellt werden. Für die Regulierung der Zuflussmengen an der adaptierten Wehranlage sorgen die bewährten Einfach- und Doppelschützzugsystem vom deutschen Hebetechnikexperten haacon. Im Krafthaus wurde die Kaplan-Turbine einem Refurbishment unterzogen und das elektro- und leittechnische Equipment auf den aktuellen Stand der Technik gebracht.
Rund 60 Kleinwasserkraftwerke erzeugen im oberösterreichischen Almtal an der namensgebenden Alm sauberen Strom. Der gut 48 km lange Abfluss des Almsees und eine Vielzahl von Nebenzuflüssen werden im Salzkammergut seit dem 16. Jahrhundert wirtschaftlich genutzt. Vor der Einführung der elektrischen Stromgewinnung sorgte die natürliche Kraft des Wassers für den mechanischen Betrieb von Getreidemühlen, Sägewerken und Handwerksbetrieben. Im Laufe der Zeit hat sich der natürliche Verlauf der Alm durch regulatorische Eingriffen für den Hochwasserschutz und dem Anlegen von Mühlbächen oder Ausleitungsstrecken für die Wasserkraftnutzung stark verändert. Die Umleitungen des Gewässers gingen mit der Errichtung von Bauwerken und Sohlstufen einher. Infolge dessen beeinträchtigen heute rund 50 Querbauwerke das fischökologische Gewässerkontinuum zwischen dem Gewässerursprung und der Einmündung in die Traun. Eine Vielzahl dieser Bauten ist für Fische aktuell nicht passierbar.
ALTER BECKENPASS NICHT MEHR GENEHMIGUNGSFÄHIG
Das Sperlwehr des Wasserkraftwerks Leberbauer in der Gemeinde Pettenbach überwinden die Gewässerlebewesen seit bald zwei Jahren mithilfe eines wegweisenden Systems. Dort ermöglicht eine Wasserkraftschnecke mit integrierter Aufstiegsschnecke den Fischen eine sichere Passage ins Ober- und Unterwasser. Bei einem Lokalaugenschein von zek HYDRO Ende November des Vorjahres erklärt Betreiberin Karin Leberbauer, die das familieneigene Sägewerk und damit auch das Wasserkraftwerk 2013 von ihrem Vater Herbert übernommen hat, die wesentlichen Gründe, die zum Erneuerungsprojekt geführt haben: „Der Hauptgrund war sicherlich die behördliche Vorschreibung,
einen neuen Fischaufstieg zu bauen. Leider hat der alte, in den 1980er Jahren bereits von der Behörde vorgeschriebene Fischaufstieg an der Wehranlage den aktuellen Ansprüchen nicht mehr genüge getan. Außerdem war das alte Wasserrecht des Kraftwerks vor dem Auslaufen. Im Zuge der Neukonzessionierung wurde die Herstellung einer modernen Fischaufstiegshilfe beantragt und auch von der Behörde genehmigt. Auf die Behörde bin ich nicht sehr gut zu sprechen, da ich es beim besten Willen nicht einsehen kann, warum wir mehrere 100.000 Euro in einen neuen Fischaufstieg investieren mussten, wenn an der Alm gleichzeitig viele Kraftwerksbetreiber über gar keinen Fischaufstieg verfügen.“ Herbert Leberbauer merkt an, dass die grundlegende baulich-technische Infrastruktur der Wehranlage trotz des Umbaus erhalten geblieben ist: „Ein verheerendes Hochwasserereignis im Jahr 1977 zerstörte die damals aus Holz gefertigte Wehranlage. Der Neubau des Kraftwerks – Wehranlage, Einlaufbereich und Krafthaus – erfolgte aus verschiedenen Gründen erst 1986. Das neue Sperlwehr wurde mit einer regulierbaren Wehrklappe in Fischbauchausführung ausgestattet, die auch weiterhin das zentrale Stauorgan der Wasserfassung darstellt.“
ÖSTERREICHISCHE PROFIS AM WERK
Bei der Auswahl der Bau- und Techniklose setzte die Betreiberin auf österreichische Branchenspezialisten. Den kürzesten Anfahrtsweg zur Baustelle hatten die Techniker der Danner GmbH, deren Firmensitz nur rund 1 km entfernt vom Sägewerksareal der Familie Leberbauer ebenfalls in Pettenbach liegt. Die Wasserkraftallrounder aus dem Almtal hatten bei der Erneuerung des Wasserkraftwerks 1986 bereits die elektromaschinelle Ausstattung und den Stahlwasserbau ausgeführt. Das Herzstück des Kraftwerks bildet eine auf 3,6 m³/s Ausbauwassermenge und 3,7 m Bruttofallhöhe ausgelegte Kaplan-Turbine in vertikalachsiger Bauform, die Ende 2020 von Danner im Zuge der Umbauarbeiten am Wehr wieder in Schuss gebracht wurde. Die Turbine wurde für das Refurbishment zur Gänze ausgebaut, demontiert und im Danner Werk einer umfassenden Revitalisierung unterzogen. Dabei wurde unter anderem die schon seit längerer Zeit nicht mehr funktionsfähige Verstellung der Leitschaufeln repariert. Die Laufrad-Flügel wurden professionell wiederinstandgesetzt, komplett erneuert wurde das Turbinen-Halslager. Innerhalb eines Monats waren die Arbeiten abgeschlossen, und die Turbine konnte wieder eingebaut werden. Für die Modernisierung des elektro- und leittechnischen Equipments im Krafthaus und die steuerungstechnische Anbindung der Wasserkraftschnecke an der Wehranlage sorgte die niederösterreichische SCHUBERT Elektroanlagen GmbH. Die Steuerung der Automatisierungsspezialisten gewährleistet dem Stand der Technik entsprechend einen vollautomatischen Betrieb inklusive umfangreicher Überwachungs- und Fernwartungsoptionen.
Karin und Herbert Leberbauer beim zek HYDRO Lokalaugenschein in Pettenbach Ende November 2021.
Foto: zek
SCHÜTZZUG-SYSTEME MADE IN GERMANY
Neben den Bauarbeiten an der Wehranlage und im Krafthaus wurde die Umbauphase auch dazu genutzt, den Stahlwasserbau zu erneuern. Dazu zählte in etwa der Ersatz der weiterhin aus Holz bestehenden Schützentafeln. Für die exakte Regulierung der Schützen sorgt die haacon Hebetechnik GmbH, deren aus dem Stahlwasserbausektor stammenden Schützzug-Systeme seit Jahrzehnten auch bei Wasserkraftanlagen rund um den Globus
Die haacon Hebetechnik GmbH lieferte sämtliche Schützzüge für die adaptierte Wehranlage. Beim Einlaufbereich der Schnecke im Unterwasser wurde der Absperrschütz mit einem elektrisch angetriebenen Doppelschützzug ausgestattet. Der Grundablassschütz wurde mit einem manuell bewegten Einfachschützzug mit 3 t Zugkraft ausgeführt.
zum Einsatz kommen. Das Portfolio von haacon umfasst Berechnung, Konstruktion, Beratung und Sonderfertigungen und spannt einen breiten Bogen über eine Vielzahl von Anwendungsszenarien. Die im haacon Werk in Freudenberg am Main passgenau gefertigten Schützzüge zeichnen sich in erster Linie durch einfache Handhabung, robuste Bauweise und höchste Zuverlässigkeit bei anspruchsvollsten Bedingungen aus. Dies ist auch notwendig, um den im Hochwasserschutz und Wasserkraftbereich geltenden Normen und Qualitätsanforderungen gerecht zu werden. Beim Projekt an der Alm bestand der haacon Lieferumfang aus drei Schützzugsystemen mit manuellen und elektrischen Antrieben. Der Grundablassschütz wurde mit einem Einfachschützzug mit 3 t Zugkraft ausgestattet. Für die beiden Einlass- und Absperrschütze kommen zwei Doppelschützzugsysteme zum Einsatz.
Die innenliegende Fischaufstiegsschnecke befördert die Fische sicher ins Oberwasser. Mit der stromproduzierenden äußeren Wasserkraftschnecke gelangen die Fische in den Unterwasserbereich. Foto: zek
SCHNECKENLÖSUNG STATT BECKENPASS
Als Generalplaner des Projekts wurde die im Kleinwasserkraftbereich versierte Kohlhofer ZT GmbH aus der Stadt Salzburg beauftragt, die in ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit eine ganze Reihe von Wasserkraftanlagen revitalisiert oder neu errichtet hat. „Ursprünglich sollte der neue Fischaufstieg als Vertical-Slot-Pass realisiert werden. Um den fischbiologischen Anforderungen gerecht zu werden, hätte ein solches Bauwerk in etwa doppelt so lang und doppelt so hoch wie der alte Fischaufstieg gestaltet werden müssen. Also ein Betonklotz mit enormen Ausmaßen, der wegen der beschränkten Platzverhältnisse an der Wehranlage die ohnehin aufwändigen Bauarbeiten noch schwieriger gestaltet hätte“, so Karin Leberbauer. Die Betreiberin führt weiter aus, dass ihr eine alternative Lösung zur Herstellung der Fischdurchgängigkeit durch Zufall zugetragen wurde. „Ein Mitarbeiter der Hydro-Connect GmbH, der auf dem Weg zu einem Termin bei unserem Wasserkraftwerk vorbeigefahren ist, hat uns an der Tür zum Krafthaus ein Prospekt hinterlassen. Die darin vorgestellte Wasserkraftschnecke, die Strom erzeugt und gleichzeitig als Fischaufstieg dient, erfüllte im Prinzip alle unsere Anforderungen. Nach reiflicher Überlegung und dem Besuch einer Referenzanlage von Hydro-Connect an der niederösterreichischen Jeßnitz haben wir uns dafür entschieden, auch bei uns auf das System zu setzen.“ Die in Ybbsitz ansässige Hydro-Connect GmbH hatte bei dem Projekt gleichzeitig die Rolle als Generalunternehmen inne, welche als Subauftragnehmer die Firmen Schubert und haacon engagierte. Auch der gesamte Elektromaschinenbau sowie der Einlaufschütz wurden von den Niederösterreichern geliefert.
Foto: zek
SICHERE PASSAGE INS OBER- UND UNTERWASSER Das spektakulär anzusehende Einhieven und die Montage der rund 16 t schweren „Doppel-Wasserkraftschnecke mit integrierter Fischwanderhilfe“ (DWKS) konnte schließlich im Mai 2020 erfolgreich über die Bühne gebracht werden. Zum exakten Einheben der vormontierten Schneckenkonstruktion wurde ein mobiler Schwerlastkran eingesetzt. Im Betrieb wird die äußere, stromerzeugende Wasserkraftschnecke von bis zu 1.200 l/s Ausbauwassermenge in Rotation versetzt. Die Schnecke DN2400 dreht langsam mit max. 20 U/min und gewährleistet den Fischen eine sichere Passage ins Unterwasser. Die Umwandlung der kinetischen Bewegungsenergie
Technische Daten
Wasserkraftwerk
• Ausbauwassermenge: 3,6 m³/s • Bruttofallhöhe: 3,7 m • Turbine: Kaplan doppeltreguliert • Engpassleistung: 105 kW • Generator: Synchron • Drehzahl: 750 U/min • Nennscheinleistung: 130 kVA • Jahresarbeit: ca. 450.000 kWh
Drehrohr-Doppel-Wasserkraftschnecke
• Ausbauwassermenge: 1,2 m³/s • Bruttofallhöhe: 3,7 m • Drehzahl DWKS-Schnecke: 6 - 20 U/min • Engpassleistung: 30 kW • Hersteller: Hydro-Connect GmbH • Jahresarbeit: ca. 80.000 kWh
in elektrischen Strom übernimmt ein Synchron-Generator, der über ein Getriebe mit der Schnecke verbunden ist. Unter Volllast erreicht die Wasserkraftschnecke eine Engpassleistung von 30 kW. Die mit gewendeten Flügeln ausgeführte Fischaufstiegsschnecke mit DN1420 Außendurchmesser befindet sich im Inneren der Wasserkraftschnecke und rotiert mit der gleichen, langsamen Geschwindigkeit. Ausgelegt wurde die Aufstiegsschnecke für die Leitfischart Forelle, die bis zu 90 cm Länge erreichen kann. Durch die Leitströmung des ausfließenden Triebwassers und der zentralen Lockströmung werden aufstiegswillige Fische zur inneren Fischschnecke geleitet. Sobald sie in den bis zum Gewässergrund reichenden Eingang geschwommen sind, werden sie mit einer Wasserfüllung schonend in der Schneckenkammer nach oben transportiert. Über eine Fischablaufrinne gelangen die Fische anschließend ins Oberwasser. Das nach oben geförderte Wasser steht ein weiteres Mal für die Stromproduktion bzw. die Abwärtswanderung zur Verfügung.„Mit unserer Doppel-Wasserkraftschnecke lässt sich der Fischaufstieg bei kleinerem Platzbedarf amortisieren. Außerdem wird das System sowohl als Stromproduktionsquelle von der OeMAG (Österreichische Abwicklungsstelle für Ökostrom) als auch von der KPC (Kommunal Kredit Public Consulting) als Fischaufstieg doppelt gefördert“, erklärt der HydroConnect Geschäftsführer Nino Struska.
Ein elektro- und leittechnisches Komplettpaket von der Schubert Elektroanlagen GmbH gewährleistet den vollautomatischen Betrieb des Wasserkraftwerks Leberbauer. Foto: zek
ÖKOSTROMFÖRDERUNG GEWÄHRT
Die Erstinbetriebnahme der stromerzeugenden Fischwanderhilfe am Sperlwehr erfolgte noch im Mai 2020. Das im darauffolgenden Herbst durchgeführte Monitoring des innovativen Fischaufstiegs verlief äußerst positiv, bekräftigen Herbert und Karin Leberbauer. „Die Entscheidung, den Fischaufstieg mit einer Wasserkraftschnecke anstelle des betonierten Vertical-Slot-Pass zu realisieren, war definitiv richtig. Seit der Inbetriebnahme hat die Schnecke durch die Nutzung des Restwassers rund 155.000 kWh Strom erzeugt“, sagt Karin Leberbauer. Dank der Erzeugungssteigerung, die einem Plus von mehr als 15 Prozent gegenüber dem Zustand vor dem Umbau entspricht, wird die Produktion des Kraftwerks Leberbauer von der OeMAG mit dem geförderten Ökostromtarif für einen Zeitraum von 13 Jahren vergütet. Die Betreiberin ist guter Dinge, dass die in Bälde anstehende Kollaudierung ebenso erfolgreich verlaufen wird wie die Projektumsetzung.