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Fische fahren an Schwarzwälder Talsperre mit dem Lift
Der Fischlift am Ausgleichsbecken in Forbach wurde direkt neben dem neuen Dotierkraftwerk – das Gebäude mit dem roten Dach – errichtet. Das hydraulisch funktionierende System befördert die Fische mit einem Schwimmkörper sicher und komfortabel ins Ober- und Unterwasser.
FISCHE FAHREN AN DER WEHRANLAGE FORBACH MIT DEM LIFT AUF UND AB
Fotos: EnBW
Kurz vor dem Jahreswechsel konnte im nördlichen Schwarzwald in Forbach ein wegweisendes Fischliftsystem seinen Betrieb aufnehmen. Aufgrund des Höhenunterschieds zwischen Ober- und Unterwasser von ca. 10,5 m, wenig Platz und stark schwankenden Wasserspiegeldifferenzen im Speicher war die Errichtung eines Vertical-Slot-Pass für den Betreiber EnBW Baden-Württemberg AG keine sinnvolle Option. Mit dem innovativen Fischlift der Entwickler Baumann Hydrotec GmbH & Co. KG und Hydro-Energie Roth GmbH konnte eine ideale Lösung für den Standort gefunden werden. Das auf einem hydraulischen Schwimmkörper basierende System, dessen Hubvorgang keine zusätzliche Fremdenergie benötigt, ermöglicht auch schwimmschwachen Gewässerbewohnern einen komfortablen und sicheren Auf- und Abstieg. Darüber hinaus wurde direkt neben dem Fischlift ein neues Kraftwerksgebäude für eine Dotierturbine mit rund 100 kW Ausbauleistung gebaut.
An der Murg im Nordschwarzwald betreibt die EnBW Baden-Württemberg AG das aus mehreren Wasserkraftwerken, Stollen und Talsperren bestehende Rudolf Fettweiß-Werk in Forbach. Entstanden ist der Anlagenverbund im Murgtal in zwei großen Ausbaustufen zwischen 1914 und 1926. Im ersten Bauabschnitt zwischen 1914 und 1918 wurden das Murgwerk und das Niederdruckwerk (NDW) errichtet. In der zweiten Ausbaustufe zwischen 1921 und 1926 folgten der Bau des Raumünzachwerks und des Schwarzenbachwerks. Zum Aufstauen der Murg dienen in Forbach und im dazugehörigen Ortsteil Kirschbaumwasen zwei Wehranlagen, die unter Denkmalschutz stehen. Um den Vorgaben der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gerecht zu werden, schnürte die EnBW ein umfangreiches Maßnahmenpaket, mit der die ökologische Durchgängigkeit an beiden Standorten hergestellt wird. In Forbach wurde dieses Ziel bereits kurz vor dem vergangenen Jahreswechsel erreicht, in Kirschbaumwasen sind die Bauarbeiten ebenfalls im Gange.
KOMPLEXES PROJEKT
EnBW-Projektleiter Ingo Kamuf beschreibt im Gespräch mit zek Hydro die schwierigen Rahmenbedingungen, unter denen in Forbach die Herstellung der Fischdurchgängigkeit erreicht wurde: „An der Stauanlage Forbach, die sich direkt neben dem NDW befindet, liegt der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterwasserbereich bei ca. 10,6 m. Hinzu kommen im Tagesverlauf stark
Das rechte GFK-Rohr dient als Pumpenkammer der Anlage. Links unten im Bild befindet sich das unterste Teil der ebenfalls in GFK-ausgeführten Aufstiegskammer.
schwankende Pegeldifferenzen im Speicher um mehrere Meter. Eine als Vertical-Slot-Pass ausgeführte Fischwanderhilfe hätte unter diesen Gegebenheiten aus mehr als 100 Becken bestanden, wobei das Bauwerk eine Länge von mindestens 375 m erreicht hätte.“ Naheliegend, dass diese Variante eines Fischaufstiegs für die EnBW besonders durch die beengten Platzverhältnisse nicht zielführend war. Darüber hinaus stellt das Durchqueren einer mehrere 100 m langen Aufstiegsanlage für viele schwimmschwache Fischarten eine zu große Anstrengung dar und hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Artenselektivität am Standort geführt.
FISCHLIFT STATT BECKENPASS
Anstelle eines konventionellen Fischaufstiegs sollte die ökologische Durchgängigkeit an dem Standort mit dem innovativen Fischlift der Entwickler Baumann Hydrotec GmbH & Co. KG und Hydro-Energie Roth GmbH hergestellt werden. Ursprünglich konzipiert wurde das System für die 5 m hohe Wehranlage des Allgäuer Wasserkraftwerks Neumühle, an der die Errichtung eines Beckenpasses aus Platzmangel ebenfalls nicht möglich war. Das seit September 2014 im Dauereinsatz stehende System wurde als eine Art Schleuse konzipiert, bei der die Gewässerbewohner durch ein als Schwimmkolben ausgeführtes Fischpassbecken aufsteigen. Dieses Becken – die Liftkabine für die Fische – befindet sich innerhalb eines vertikal angeordneten GFK-Rohres und wird durch den Schleusenwasserstand ohne mechanisches Windwerk komplett hydraulisch bewegt. „Der Wasserstand im Becken bleibt während des Hubvorgangs stets konstant, wodurch die Fische für sie unmerklich und kräfteschonend auf das höhere Niveau befördert werden. Und ganz wichtig: Unser System benötigt zur Funktion lediglich 250 l/s Wasser“, erklärt Georg Baumann, der gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Andreas Roth im Jahr 2015 für die Entwicklung des Fischlifts den deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt erhalten hat.
BIDIREKTIONALE ÖKOLGISCHE DURCHGÄNGIGKEIT
Im Sommer 2020 nahm der Betreiber Ruhrverband in Nordrhein-Westfalen an der Staustufe Baldeneysee zwei Fischlifte des Systems Baumann/Roth in Betrieb. Auch dort war bei einem Höhenunterschied von knapp 9 m die Errichtung eines konventionellen Fischaufstiegs mit enormen Ausmaßen aufgrund von Platzmangel keine wirtschaftlich sinnvolle Lösung. „Wir haben das Projekt am Baldeneysee natürlich mit großem Interesse verfolgt. Beim Ausgleichsbecken Forbach kam allerdings noch die Besonderheit hinzu, dass der Wasserpegel im konstant bewirtschafteten Speicher innerhalb eines Tages um mehr als 6 m schwanken kann“, so Ingo Kamuf. „Um dieser Problemstellung gerecht zu werden, wurde der Fischlift für den Standort Forbach entsprechend adaptiert. So passt sich der Ausstiegsschieber an den jeweiligen Oberwasserstand an und öffnet die Ausschwimmöffnung stets an der idealen Position“, erklärt Georg Baumann. „Anders gesagt: Die Aufzugstür fährt immer mit“, bringt es Ingo Kamuf auf den Punkt. Begleitet wurde die Entwicklung des Fischlifts auch auf universitärer Ebene. Am Karlsruher Institut für Technologie und an der Universität Darmstadt wurden detaillierte numerische Simulationsstudien und gegenständliche Modelluntersuchungen sowie ethohydraulische Versuche für die Anpassung des Fischlifts an den Standort Baldeney durchgeführt. Dabei konnten im Rahmen von Laboruntersuchungen einige funktionsverbessernde Details ermittelt werden, die naturgemäß auch dem Fischlift in Forbach zugutekommen. Beispielsweise wirkte eine horizontale Durchströmung des Systems noch attraktiver auf die Fische, und der Ausschwimmvorgang konnte deutlich verkürzt werden. Baumann und Roth lassen nicht unerwähnt, dass der Fischlift ebenso einen sicheren Abstieg ins Unterwasser ermöglicht. „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass das optimale Intervall zwischen zwei Aufstiegsfahrten bei 30 Minuten liegt.
Der Fischlift wurde aufgrund der Wasserspiegelschwankungen um mehr als 6 m mit einem speziellen Schieber ausgestattet. Dieser öffnet die Ausstiegsluke im Oberwasser stets an der jeweils idealen Position.
Die Steuerung sorgt für den vollautomatischen Betrieb des Fischlifts und ermöglicht der EnBW die Überwachung und Regelung aus der Ferne. Darüber hinaus werden die zentralen Daten der Anlage automatisch archiviert.
Am Einlauf des Niederdruckwerks wurden zwei neue Schutzrechen mit 15 mm Stababstand montiert. Ausgeführt wurde der Stahlwasserbau von der österreichischen Jank GmbH, die auch die komplette elektromechanische Ausrüstung des neuen Dotierkraftwerks lieferte. Dank des innovativen Fischlifts kann die Murg in Forbach von den Gewässerbewohnern in beide Richtungen wieder frei durchwandert werden.
Der Lift bleibt also stets eine halbe Stunde im Einstiegsbereich und hebt die Fische dann innerhalb von ca. 5 Minuten nach oben. Durch die konstante Durchströmung schaffen wir es – auch das ist eine Besonderheit unseres Systems –, dass die Fische solange im Becken verbleiben, bis dieses nach oben fährt. Bei der Thematik Fischabstieg wurde festgestellt, dass die ideale Verweilzeit des Schwimmkörpers im Oberwasser bei 15 Minuten liegt, bevor der Senkvorgang eingeleitet wird. Die Auf- und Abfahrtsintervalle können durch die Steuerung natürlich jederzeit angepasst werden.“
NEUE EINLAUFRECHEN FÜR NDW
Die Umsetzungsphase des Projekts startete schließlich im September 2019. „Glücklicherweise hatten die Anrainer großes Verständnis für die anspruchsvollen Bauarbeiten am Rand des Siedlungsgebiets. In Summe musste die Baufirma über 170 Bohrpfähle setzen, die zum Teil bis zu 1,5 m in den anstehenden Felsen eingebunden wurden“, sagt Ingo Kamuf. Bis auf eine mehrwöchige Schlechtwetterperiode und ein Hochwasserereignis konnten die Arbeiten ohne größere Komplikationen durchgeführt werden. Das NDW musste während der Umbauphase für ein halbes Jahr stillgelegt werden. Neben der Errichtung des Fischlifts wurden auch die beiden vertikalen Einlaufrechen des NDW erneuert. Ausgeführt wurden die neuen Schutzrechen inklusive Seilzug-Rechenreinigungsmaschinen mit einem Stababstand von lediglich 15 mm.
RESTWASSERKRAFTWERK NEBEN FISCHLIFT
Damit die Fische den Einstiegsbereich des Lifts auf der orographisch rechten Gewässerseite auffinden können, muss dort eine entsprechende Lockströmung herrschen. Zur Gewährleistung der Lockströmung werden abhängig vom Turbinensatz des angrenzenden Niederdruckwerkes 0,5 bis 1,5 m³/s ins Unterwasser geleitet. Um diese beträchtliche Wassermenge, die im NDW nicht mehr turbiniert werden kann, dennoch für die Stromerzeugung nutzen zu können, errichtete die EnBW ein neues Dotierkraftwerk gleich neben dem Fischlift. Im Dotierkraftwerk kommt eine vertikalachsige Kaplan-Turbine mit direkt gekoppeltem Synchron-Generator zum Einsatz, die unter Volllast eine Ausbauleistung von rund 100 kW erreicht. Geliefert wurde das komplette elektromechanische Equipment inklusive Leittechnik sowie die neuen Schutzrechen mit den dazugehörigen Rechenreinigern beim NDW vom österreichischen Kleinwasserkraftspezialisten Jank GmbH.
ZWEITER FISCHLIFT IM BAU
Im Dezember 2021 konnte der Fischlift nach etwas mehr als zwei Jahren Bauphase erstmals Fahrt aufnehmen. „Die ersten Praxiserfahrungen am Standort Forbach sind sehr positiv verlaufen. Seit der Inbetriebnahme ist der Fischlift zum Stand Anfang Februar bereits ca. 1.300-mal auf- und abgefahren. Aktuell arbeiten wir gemeinsam mit der EnBW am ‚Feintuning‘ der Anlage“, sagt Georg Baumann. 2023 soll der zweite Fischlift des Rudolf-Fettweiß-Werks an der Stauanlage Kirschbaumwasen in Betrieb genommen werden. An diesem Standort überwinden die Mitfahrer des Fischlifts zukünftig einen Höhenunterschied von 16,2 m. Wie in Forbach wird auch in Kirschbaumwasen ein neues Dotierkraftwerk errichtet, dessen technische Ausstattung erneut die Fa. Jank liefern wird. Wenn diese Anlage in Betrieb geht, können die Gewässerbewohner der Murg einen weiteren Abschnitt ihres Lebensraums barrierefrei durchwandern.
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- Neubau, Reaktivierung und Modernisierung von Wasserkraftanlagen - alle Druckstufen/Turbinentypen - Alle Arten von Fischschutz-, Fischauf- und Fischabstiegsanlagen - Hydro-Fischlift, für größere Höhenunterschiede - Das be - Das bewegliche Wasserkraftwerk
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