PILOT - Magazin der Zentrifuge, Ausgabe 4, Winter/Frühjahr 2016

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Ausgabe 4 | Winter-Fr端hjahr 2016

Magazin der Zentrifuge

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Liebe Leserinnen und Leser, „die Zentrifuge ist Initiator und Moderator der Philosophie zur Gestaltung einer neuen Gesellschaft“ - so definierte uns jüngst ein für internationale Unternehmen tätiger Markenentwickler. Eine Anerkennung, die uns entspricht und gut tut. Und ebenso kann die Zentrifuge aber auch als „Zelle des Scheiterns“ verstanden werden - dieser schöne Begriff begegnete uns jüngst in einem Radiobeitrag über aktuelle Entwicklungen in Berlin, bei denen freischaffende Projekte wie die Zentrifuge längst überfällige Förderungen erhalten. Wie dem auch sei: Der Großteil der Artikel in dieser Ausgabe entstand in bewährter Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule OHM: Studierende im Fachbereich Verbale Kommunikation haben unsere Wunschthemen bearbeitet und wurden dabei von Prof. Max Ackermann fachlich begleitet. Dieses Magazin ist somit Ausdruck einer wertvollen Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden und einer Hochschule. Es steht für die Sichtweisen junger Menschen mit all ihren Möglichkeiten der Weltgestaltung. Zu solchen Texten können Sie hier kostbaren Einblick erhalten. Die vierte Ausgabe des Zentrifuge Magazins PILOT stellt erneut Menschen, Projekte und Initiativen vor, die mit schöpferischer Kraft zu tun haben – sei dies in entwicklungspolitischer (bayernkreativ) oder räumlicher Hinsicht (Z-Bau) oder sei dies in künstlerisch schaffender Form (siehe die Portraits und Interviews mit den KünstlerInnen in diesem Heft). Natürlich vermitteln wir in dieser Publikation auch Ideen und Aktivitäten der Zentrifuge – aktuell berichten wir über unser Projekt „Forschende Kunst“ und über die Veranstaltung „HORIZONTE 2050“. Diese Ausgabe erscheint nicht wie geplant in gedruckter Form, sondern digital. Ich wünsche Ihnen eine erhellende und angenehme Lektüre.

Herzliche Grüße 2

Ihr Michael Schels


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Mit dem Cityroller zum Klo Zil und Zoy - Klang- und Videokunst als Wunder aus dem Bunker

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„Beraten Sie auch Zahnärzte?“ Das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft

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Die Keimzellen der Kreativität Der Klangforscher Sebastian „Bastus“ Trump

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Der „Burg-Künstler“ Roger Libesch - Projektionen projizieren und jede Menge andere Kunst

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Gegenwartskultur – Hauptsache laut? Von Neuanfängen in Nürnbergs Z-Bau

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Es werde Licht! Lynx de Luxe als Visual Jockey

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Was Taubenzucht mit VJing zu tun hat Oder warum Herr Schoder von Schallbild ... Schallbilder macht

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Forschende Kunst 3 Perspektiven des Alterns

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HORIZONTE 2050 Gemeinsam Handeln in der Welt

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Zentrifuge Projekte 3


Mit dem Cityroller zum Klo Zil und Zoy - Klang- und Videokunst als Wunder aus dem Bunker

Ein blinkender Bunker. Eine große Menge Synthesizer, darunter bunter Kabelsalat. Alte Computer-Röhrenmonitore an der Decke zeigen ein visuelles Konzert aus experimentellen Videos. Hier, circa zehn Meter unter dem Gewusel des Alltags, abgeschottet von jeglichem Lärm, gibt es kein Gefühl mehr für Zeit. Anstelle von Fenstern erweitern Spiegel den Raum und zeigen uns zwei auffällige Menschen. Die Klangwerkstatt von Zil und Zoy ist Lebensraum und Arbeitszimmer zugleich. Hier ist absolute Stille möglich. Absolute Stille und maximale Lautstärke. Am Tag wie in der Nacht. Dem Zufall verfallen Zil und Zoy sind ein Nürnberger Klangund Videokunstkollektiv. Der Hang zum Experimentellen und bislang Unentdeckten verbindet sie nun schon seit sieben Jahren. Der Zufall hat sie zueinander geführt und spielt bis heute eine große Rolle in ihrer künstlerischen Arbeit. Außergewöhnliche Dinge haben Zoy Winterstein schon immer angezogen. Vor zehn Jahren erschafft er sich dieses gleichermaßen unter- wie überirdische Soundlabor. Und sehr früh entdeckt er Jazz als seine Leidenschaft. Verankert in dieser Szene, veranstaltet und spielt er viele Konzerte. Dabei war er damals gerade mal 14 Jahre jung. Mit 18 kauft er sich seinen ersten Synthesizer und bringt sich selber Bassklarinette bei. Seine Musik einzuordnen, ist nicht einfach. Es ist etwas Elektronisches, aber es gibt keinen klar erkennbaren Stil. „Es ist eher einen Personalstil“, erklärt Zoy, „… und er wechselt je nach Stimmung, also auch von Track zu Track. Denn Improvisation und Bastelei sind sehr wichtig bei meiner Musik.“

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Was man lernen kann „Im Studium kann man ein Instrument nicht wirklich fühlen lernen. Beim Jazz und bei Musik generell braucht man ein Gespür. Und das kann einem keiner beibringen. Jazz ist eine Lebensform. Das lernt man nicht, man muss es fühlen. Aber mein Studium war letzten Endes doch sehr versteift auf Grundlagen.“ Diese Einstellung teilt auch Silke Kuhar, alias Zil. Sie hat in Würzburg Kommunikationsdesign studiert. „Da lernt man nicht spontan und frei zu arbeiten. Das muss sich in eigenen Projekten entwickeln und entfalten“, betont sie. „Es kann kein Workflow entstehen, wenn man zu sehr kreativ sein will. So setzt man sich selbst nur unter Druck.“ Auch sie hat sich schon immer für Musik interessiert - und für Tontechnik: Sie tauschte ihre Orgel irgendwann gegen ein Klavier und das wiederum gegen einen Synthesizer. Nach der Schule konzentriert sie sich voll und ganz auf Musik, Kunst und eigene Veranstaltungen. In dieser Zeit erschuf Zil sozusagen „Alles und Nichts“. Inzwischen hat sie sich komplett der Videokunst gewidmet: Ihre Visuals und Zoys Klangkompositionen bereichern sich nun gegenseitig. „Es passt, weil es nicht passt.“ (Zil) Zil arbeitet nicht nur nach Konzept, sondern lässt sich auch gerne vom Zufall lenken, arbeitet komplett frei und ohne Grundsätze. Oft sogar ohne Musik, sonst, so meint sie, könne alles schnell mal konstruiert wirken. „Es ist viel interessanter Video und Sound nicht aufeinander zu schneiden“, da sind sich die beiden einig. „Visuals und Sound werden meist nicht gleichzeitig gestartet. In einer Dauerschleife entstehen so jedes Mal neue bizarre Konstellationen

und vor allem die Illusion eines geplanten Moments. Das heißt: “Es passt, weil es nicht passt.“ Das Geräusch von Cordon Bleu Ihr erstes gemeinsames Projekt nannten die beiden „Reise von Alpha bis Delta“. Es bestand aus vier raumfüllenden Soundcollagen für die Lange Nacht der Wissenschaften. Das passt. Denn Zoy ist nicht nur Musiker, er sieht sich als Forscher: Er experimentiert mit verschiedensten Klängen und arbeitet seit fünf Jahren an einer eigenen Soundbibliothek. Dabei untersucht er zum Beispiel, wie ein Cordon Bleu klingt oder dirigiert ein hundertköpfiges Kaffeemaschinen-Orchester. „Den langen Korridor unseres Bunkers gebrauche ich gerne mal als Klangkörper, er verleiht meinen Geräuschen Hall.“ Das Ungreifbare greifbar machen “Man meint, alles schon einmal gehört zu haben. Jedes Geräusch ist mit einer Emotion verknüpft, aber es gibt definitiv neue Klangverschmelzungen, die paradox und noch nie da gewesen sind.” Darauf will Zoy aufmerksam machen, indem er sich voll und ganz auf das konzentriert, was man hören kann. Mithilfe von hochwertigen Aufnahmen lässt er Geräusche „hyperreal“ wirken. Dabei ist er überzeugt, dass Sounds eine Wirkung auf uns Menschen haben: “Sie sind auch anders nutzbar, können zerstören und heilen zugleich.“ Zu Zoys Klangkunst schafft Zil ein visuelles Gegenstück. Ihre Videocollagen bieten ein skurriles Schauspiel von Farbigkeit und Verfremdung. „Wir wollen etwas Überweltliches schaffen“, beschreibt sie, was die beiden vorhaben „Es gibt Dinge, die wir mit unserem Verstand


nicht begreifen können. Und das ist der Grund, weshalb wir Kunst machen.“ Das Ungreifbare greifbar machen? - Das wichtigste Werkzeug dafür ist und bleibt der Zufall und das Ausprobieren. „Entweder man lässt sich voll drauf ein oder man geht”, sagt Zil mit einem unterirdischen Lachen, das ihren blauen Lidschatten glitzern lässt. Audiolyrische Verschmelzung Nun hat Zoy auch die Hörspielproduktion für sich entdeckt. Die Texte schreibt er selbst und kooperiert mit zwei Schauspielern und Perfomancekünstlern, die sie für ihn einsprechen. „Mich reizt der Gedanke, Text und Ton miteinander zu verschmelzen”, sagt

er. Seine Produktionen haben einen ganz eigenen Charakter. Er meint, deswegen, weil er nie großartig Hörspiele gehört habe und so ganz neu und unbefangen an die Sache herangehen könne. „Das Nichts reinigt die Brille, es macht die klare Sicht!“, heißt es in einem seiner Werke für die Veranstaltungsreihe „Kein Thema 23“, die er in loser Folge zusammen mit Zil organisiert. Das Spektakel lässt sich am ehesten als multimedialer Mix beschreiben, der sich verschiedenster Genres bedient. Dabei laden Zil und Zoy internationale Musikergrößen ein, Avantgardisten und Experimentatoren, wie den amerikanischen New-Jazz-Künstler Elliott Sharp.

Nürnberg als Hauptstadt der Musik- und Videokunst? Nein. - Aber letzten Endes spielt das keine Rolle. Die beiden fühlen sich wohl hier, fern von jeglichem Hype. Eine größere Stadt kommt für sie nicht in Frage. Und seien wir mal ehrlich - Zil und Zoy schaffen Großes dort unten in ihrem Bunker, wo Blinklichter das Tageslicht ersetzen, und der Cityroller sie - den Korridor lang – zu einem anderen Ende trägt. Lisa Neher, Lena Lucia Kühnlein und Felix Bühler

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„Beraten Sie auch Zahnärzte?“ Das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft

Erst seit 2007 ist die Kultur- und Kreativwirtschaft offiziell vom Bundestag definiert. Der noch junge Wirtschaftszweig ist geprägt von Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen, die oft aus der Not heraus gegründet haben. Der Bedarf nach Know-how ist hoch, die Angestelltenzahlen gering und der Zugang zu Fördermitteln schwer, schon auf Grund des langen Weges bis in die Gewinnzone. Oliver Wittmann, Diplom-Kulturmanager und Jurist, ist einer der sieben Berater im Expertenteam des Zentrums und unterstützt Kreative im Rahmen des neuen Wirtschaftsförderprogramms. „Beraten Sie auch Zahnärzte?“ So lautete eine der wenigen Anfragen, die beim neu

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gegründeten Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft bisher abgelehnt wurden. „Da wusste ich, dass wir wahrscheinlich nicht überein kommen werden. So originell können Plomben gar nicht sein!“, sagt Wittmann und lacht. Erst mal die Formalitäten. Warum wurde dieses „Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft“ überhaupt gegründet? Um die Kreativwirtschaft zu fördern. Wir reden von bundesweit knapp über 1,5 Mio. Menschen mit 200.000 Unternehmen allein in Bayern. Da sind auch Freelancer oder kleine Agenturen mit ein bis drei Mitarbeitern, dabei, wie man sie oft im Designbereich findet. Aber durch ihre

Kleinteiligkeit ist die Branche kaum sichtbar. Wir beraten Interessierte kostenlos und vernetzen sie nach Möglichkeit miteinander. Wie wollen Sie das leisten? Es darf nicht sein, dass Leute, die in der Branche tätig sind, existierende Unterstützungsangebote nicht in Anspruch nehmen. Wir reden hier nicht nur von Geld, wir reden auch von fachlicher Begleitung und über die Kenntnis von Förderprogrammen. Wir haben keinen eigenen Fördertopf, das streben wir auch gar nicht an. Wir wollen eher Wegweiser zu den bestehenden Fördermitteln sein. Das langfristige Ziel ist, dass Leute von ihrer


kreativen Arbeit wirklich leben, bzw. besser davon leben können. Und wie kommt das bisher an? Super! Gerade sind wir dabei, mit Dialogforen in allen Regierungsbezirken Bayerns einen ersten Aufschlag zu machen, um uns dort vorzustellen. Wir tun das auch, um Wünsche und Erwartungshaltungen zu sammeln. Aber das wird unser ständiger Begleiter sein. Denn wir wollen keine Programme entwickeln, die an der Wirklichkeit vorbeigehen. Wie kann man als Interessierter den Kontakt zu Ihnen herstellen? Und wie geht es dann weiter? Einfach anrufen oder per Kontaktformular und Mail über die Website. Dann treffen wir uns und kommen ins Gespräch, um uns kennen zu lernen. Wenn man gründen will, packt man alles rein: Wissen, Geld, Zeit und viel Herzblut. Da geht es um was. Und ich als Berater muss erstmal verstehen, was du machst und was du überhaupt willst. Die Beratung ist also immer individuell? Das geht ja gar nicht anders! Natürlich gibt es da ein paar häufig eingesetzte Hilfsmittel, aber feste Schablonen sind in der Kreativbranche totaler Quatsch. Ob wir dann passende Unterstützung anbieten können, ist ein anderes Thema. Aber was ich für mich und meine Kollegen versichern kann, ist, dass wir mit einem anderen Ohr zuhören, weil wir wissen, wie weit und wie unterschiedlich die Bereiche sind. Von den Beratern wird offenbar eine Menge Erfahrung verlangt. Doch woher haben Sie und das Team ihr Wissen? Wir haben alle schon in dem Bereich gearbeitet, kommen aber aus verschiedenen Richtungen. Dirk Kiefer, der Leiter des Zentrums, hat im Kulturbereich und im

Management gearbeitet. Bevor er hier nach Nürnberg kam, war er Leiter der Thüringer Agentur für Kreativwirtschaft. Zwei andere Kolleginnen und ich kommen aus dem Bundesprojekt für Wirtschaftsförderung, das jetzt ausläuft. Inci Ceylan war für Franken zuständig. Sie hat eine Verwaltungslaufbahn hinter sich, hat aber auch ein Modelabel betrieben. Stephanie Hock war im Bundesprojekt für Hessen, kommt aus der Kunst-Ecke und dem Marketing. Ich hab davor beim Musikverband und als Rechtsanwalt gearbeitet, aber auch selbst schon als Freelancer neben dem Studium Musik gemacht. Gab es bisher Schwierigkeiten? Wir müssen uns mit der Kleinteiligkeit und den verschwimmenden Grenzen auseinandersetzen, aber ich möchte das nicht „Schwierigkeiten“ nennen. Das ist die Vitalität der Branche - und auf der anderen Seite ein wahnsinniges Plus. Der Architekt, der früher gezeichnet hat, macht jetzt nur noch Modelle am Rechner. Jetzt bringt er die 3D Modelle in ein Spiel ein, macht aber nebenbei noch andere Sachen als freier Mitarbeiter für ein Architekturbüro. Wo packt man den hin? Ist es nicht eigentlich ein Problem, dass Kreative oft mehrere Bereiche abdecken müssen? Es ist kein Problem, wenn man die Leute nicht ganz in Teilbranchen einordnen kann. Das interdisziplinäre Denken ist immer mit dabei. Es ist viel gängiger zu sagen: „Ich mache nicht nur Architektur oder Theater oder Kunst, sondern ich habe mal ein Projekt hier und ein Projekt da.“ Doch die schönsten Aufgaben sind leider auch am schlechtesten bezahlt. Deswegen ist auch die Quervernetzung in die anderen Branchen für uns so wichtig, weil wir

fest davon überzeugt sind, dass es Sinn macht, die Kreativen in die traditionellen Wirtschaftsbranchen hineinzuführen. Und umgekehrt? So wirft man der Politik vor, z.B. durch die Einrechnung von Software-Entwicklern die Statistiken der Kreativwirtschaft zu schönen … Ein IT Support oder Hardware zusammenbauen, das zählt definitiv nicht zu den Kreativberufen, Programmierer allerdings können durchaus kreativ arbeiten. In unserer Definition ist die Rede von „schöpferischer Arbeit“ und „schöpferischem Akt“. Aber es ist immer schwimmend und manchmal bin ich froh, kein eigenes Förderprogramm zu haben. Gab es bei dieser enormen Bandbreite an Branchen schon größere Erfolge? Nö. Aber ganz viele kleine! Wirtschaftsförderung zu messen, ist ohnehin schwierig. Und diese Branche ist besonders kleinteilig, da werden keine Fabriken mit 200 neuen Arbeitsplätzen gebaut. So glaube ich, „große Erfolge“wird es in dieser Form nie geben. Man könnte es aber schon als Erfolg verbuchen, wenn nicht nur die Bundesländer merken, dass sie was machen müssen, sondern auch die Städte mit eigenen Initiativen nachziehen. Welche Pläne gibt es für die unmittelbare Zukunft? Wir werden zum Sommer 2015 den Kennenlernprozess abgeschlossen haben und die bisherigen Gespräche auswerten, um unser zukünftiges Programm zusammen zu stellen. Danach? Neue Veranstaltungen planen, in Nürnberg und ganz Bayern, und auch weiterhin durch das Land fahren, um mit den Leuten zu reden. www.bayernkreativ.de Eine Interview von Irem Canbolat, Sarah Gundlach und Stefanie Scholz 7


Die Keimzellen der Kreativität Der Klangforscher Sebastian „Bastus“ Trump über „genetische Improvisation“ und die Bedingungen für Kunst und Künstler in Nürnberg

Er ist Musiker, Lehrer und Forscher, bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Wissenschaft und Kunst, mit seinem Saxophon als stetem Begleiter. Der Klangkünstler Sebastian „Bastus“ Trump beschäftigt sich derzeit mit einem Forschungsprojekt, das er selbst „genetische Improvisation“ nennt, es ist seine Doktorarbeit. Was ist „genetische Improvisation“? Eigentlich ist es ein Konstrukt: Ich versuche es der Musik ein Stück weit als Systematik überzustülpen. Oder vielmehr stelle ich die Frage: Kann man eine musikalische Entwicklung, genauer: eine freie Improvisation, als einen evolutionären Prozess begreifen? Und ihn dann auch als solchen beschreiben? Ich beleuchte das sowohl ganz konkret als auch von einer theoretischen und philosophischen Seite. Ich untersuche zum Beispiel Improvisationen von Musikern und entwickle dann Computeralgorithmen, die diese analysieren und in ihnen nach

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Mustern suchen. Ich möchte herausfinden, ob es evolutionäre Strukturen gibt, die sich entwickeln und aus denen heraus sich etwas entwickeln kann. Sie befinden sich derzeit noch im AnalyseProzess. Wo wollen Sie später mit den Ergebnissen hin? Es könnte verschiedene Ergebnisse des Projekts geben, die in jeweils verschiedene Richtungen deuten. Das eine ist ganz klar ein künstlerischer Output: Ich nehme die Erkenntnisse und pflanze sie wiederum in einen evolutionären Algorithmus ein, der mir dann musikalisch sinnvolle Strukturen liefert. Damit kann ich weiterarbeiten, um beispielsweise Live-Elektronik zu steuern oder sogar ganze Musikstücke zu komponieren; diese Möglichkeit fände ich sehr spannend. Die andere Richtung steht zur ersten nicht im Widerspruch, da geht es um die weitere Forschung: Es geht darum, anderen Musikern und Musikforschern die von mir entwickelten Tools zur Verfügung zu stellen. So entsteht mit der Zeit eine

gemeinsame große Forschungsdatenbank, an der viele Musiker auf der ganzen Welt teilhaben und Improvisationen hochladen können. Daraus erwächst dann wiederum ein Pool an Informationen über den Ablauf von Improvisationen an sich. Sie legen also hier die Grundlagen für ein großes Projekt: Sehen Sie Nürnberg denn als einen geeigneten Ort für so etwas, gar als heimliche “Hauptstadt der Klang- und Videokunst”? Das ist schwierig. Sie stellen mir diese Frage ausgerechnet zwei Tage, nachdem die Quelle an einen spanischen Großinvestor verkauft wurde. Auf AEG entsteht jetzt Hochschulraum, was sicher nicht die schlechteste Nutzung für solch ein Areal ist. Dem künstlerischen Schaffen entzieht aber auch das ein Stück weit den Nährboden. Es gibt noch kleinere Keimzellen, aber echte Zentren, wie sie mit der Quelle und Auf AEG hätten entstehen können, befeuern eine künstlerische Entwicklung und bringen Dinge in Gang, die man anfangs vielleicht


noch nicht so sehen kann. Trotzdem gibt es in Nürnberg viele Akteure, da passiert derzeit viel Spannendes. Es findet eine sehr starke Vernetzung zwischen künstlerisch Kreativen und der Kreativwirtschaft statt. Das kann man negativ sehen und sagen: „Man muss Kunst ja nicht gleich kommerzialisieren.“ Man kann das aber auch – und so habe ich es eigentlich immer gesehen – positiv betrachten und versuchen Dinge zu entwickeln: Und aus sehr freien und experimentellen Projekten auch einmal ein Produkt machen, das man verkaufen kann. Vieles passierte aber auch in Zeiten, zu denen es unter anderem mit der Zentrifuge Auf AEG noch große Räume gab. Damit meine ich buchstäblich “Räume” und nicht im übertragenen Sinn. Dort konnte man Dinge machen, die man in normalen Hochschulgebäuden nicht realisieren kann; Dinge, die einfach raumgreifend sind. Diese Räume sind jetzt weg, deswegen frage ich mich schon, wie es weitergeht. Sicherlich wird es irgendwie weitergehen, aber wahrscheinlich anders. Insofern würde ich sagen, „Hauptstadt“ oder Zentrum? Nein, das kann ich wirklich nicht unterschreiben. Haben die Wirtschaft und die Kulturpolitik etwas versäumt? Hätte man die Quelle und vergleichbare Orte mehr fördern müssen? Was die Quelle angeht muss man den Vorwurf tatsächlich der Stadt machen – ohne, dass ich jetzt Details in dem Prozess

kenne. Die Stadt, als Akteur, hätte stärker eingreifen und steuern können, oder das Gelände womöglich selbst übernehmen müssen. Damit hätte sie dann den Nährboden erhalten und ausbauen können. Man kann da auch der Kreativwirtschaft keinen Vorwurf machen, weil gerade sie ja immer auf die Künstler zugeht. Hier in Nürnberg ist das eher ein gemeinsamer Weg. Ich sehe das nicht getrennt, da kann man niemandem die Schuld geben. Ideen waren da, sie wurden auch ausreichend dargestellt, vielleicht ein bisschen zu spät, aber die Entscheidungsträger waren andere. Glauben Sie, dass sich in den nächsten Jahren noch etwas anderes entwickeln wird: neue Räume wie beispielsweise der Z-Bau sind ja im Entstehen? Ich kann mir vorstellen: Wenn viele Orte wegbrechen, werden – schon aus der Not heraus – auch neue Orte erschlossen. Die können dann auch gut sein, vielleicht sogar besser. Was den Z-Bau angeht, habe ich das nicht im Detail verfolgt: Aber das meinte ich vorhin mit „andere kleine Keimzellen, die entstehen“. Es verlagert sich vielleicht woanders hin; ist vielleicht kleiner, schlechter wahrnehmbar. Manche Vernetzungen, gerade zwischen Kunst und Kreativwirtschaft, funktionieren bei räumlicher Trennung nicht so gut, wie wenn alles an einem gemeinsamen Ort stattfindet. Ich bin nicht wirklich pessimistisch: Ich finde es schade, was

da passiert ist, aber ich kann mir schon vorstellen, dass Neues entstehen wird. Rio Reiser hat gesungen „… wenn ich König von Deutschland wär‘!“ Wenn Sie “König von Nürnberg” wären und die Chance hätten, etwas zu verändern: Was würden Sie tun? Eine einfache Antwort auf die Frage gibt es nicht. Zumindest fällt sie mir im Moment nicht ein; da müsste ich mal drüber nachdenken. Man kann Ideen nicht auf Knopfdruck erzeugen - und mit der Antwort auf diese Frage ist es genauso. Wenn man es sich einfach macht, ist die Gefahr sehr groß, dass es nicht funktioniert. Gerade Räume, in denen Kunst entstehen kann, müssen wachsen: Man kann die nicht irgendwo hinpflanzen und sagen: „So, hier ist es jetzt!“ Das kann funktionieren, aber es kann auch schiefgehen. Allein deshalb könnte ich das nicht bestimmen, auch wenn ich König von Nürnberg wäre. Nichtsdestotrotz würde ich natürlich viele Räume für die Kunst frei machen und sagen: „Hier, da können Studenten und Künstler rein und sich ausprobieren.“ Das würde aber nicht automatisch bedeuten, dass dort tolle Sachen entstehen. Denn das ist noch einmal ein ganz anderer Prozess. Ein Interview von Robin Mendel von Steinfels und Emil Rosenberger

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Der „Burg-Künstler“ Roger Libesch - Projektionen projizieren und jede Menge andere Kunst

„Alles Roger, Herr Libesch?“ Diesen Spruch hat er schon oft gehört, zu oft. Ob Videos, klassische Bilder oder Comics, Roger Libesch ist ein vielseitiger Künstler. Der gebürtige Australier projizierte auf der „Blauen Nacht“ seine Kunstwerke auf die größte Leinwand, die er je zur Verfügung hatte, auf Nürnbergs Kaiserburg. Doch das ist nicht das einzige Eisen, das er im Feuer hat. Herr Libesch, Sie sind gebürtiger Australier. Wie kamen Sie nach Deutschland? Meine Eltern sind damals in den sechziger Jahren nach Australien ausgewandert. Beide kamen aus Deutschland. Als ich sieben Jahre alt war, sind sie dann aber wieder zurück gezogen. Seitdem bin ich nicht mehr

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dort gewesen. Ich bin zwar ziemlich viel herumgekommen und habe mir auf der Welt so einiges angesehen, Australien aber habe ich immer umschifft. Für mich ist es mein letztes Refugium. Der Ort, zu dem ich mich absetzen könnte. Und ich will mir nicht meine Illusionen nehmen lassen und feststellen, dass es doch nicht so toll ist. Jetzt sind Sie Künstler. Nach einer Lehre als Maschinenschlosser machten Sie ihr Fachabitur für Gestaltung. Aber wann und woran haben Sie gemerkt, dass Kunst Ihre eigentliche Leidenschaft ist? Ich hab schon früh gerne gezeichnet und gemalt und hab das Zeichnen sogar verwendet, um mich in der ersten und

zweiten Klasse mit meinen Mitschülern auseinanderzusetzen. Durch die spontane Rückreise aus Australien konnte ich ja noch nicht so gut Deutsch. Sie haben bei der „Blauen Nacht“ 2015 eine Projektion für die Kaiserburg entwickelt. Wie sind denn die Initiatoren auf Sie aufmerksam geworden? Dieses Team macht sich Gedanken und ernennt dann eine Person. Sie fragen dann natürlich, ob man es auch machen möchte. Ich bekam einfach einen Anruf, ob ich Bock hab den „Burg-Künstler“ zu machen. Es gibt also keine Bewerbung. Sondern die Ehre wird einem zuteil, wenn man sich darauf einlässt. Meine Arbeit ist sehr narrativ und


ich denke, das war der ausschlaggebende Punkt, warum sie mich gefragt haben. Es geht ja nicht um ein Standbild, sondern darum, acht Minuten lang eine Story zu erzählen. Es gab auch die Überlegung, ob ich die Burg selbst mit einfließen lasse, aber dann war mein Erzähldrang doch so stark und ich brauchte die Burg gar nicht als einen weiteren Inhalt. Wie viel Zeit hatten Sie, um die Projektion zu vorzubereiten? Die Vorlaufzeit waren ein paar Monate. Ich hatte einen recht schnellen Zugang zu einer Geschichte, da letztes Jahr ja der Abhör-Skandal mit der NSA sehr aktuell war und das Thema der „Blauen Nacht“ Freiheit sein sollte. Da war mir aber noch nicht klar, dass ich auch etwas von einer Drohne erzählen würde. Ich bin zunächst mehr von technischen Aspekten ausgegangen. Von der Frage: Was kann ich machen? Ich kann eine Geschichte erzählen, die wie eine Art Band durch eine Linse läuft, ich kann mit Freistellern

arbeiten, kann etwas von links nach rechts kommen lassen, überblenden und Dinge zusammenfügen. Ich liebe Perspektiven, daher brauche ich einen Freisteller, den ich über etwas schweben lassen kann. Da kam die Idee mit der Drohne. Und dann habe ich angefangen, dieser Drohne gewisse Charaktereigenschaften zu geben. Sie haben gerade schon begonnen, von der Geschichte hinter „Blue Bayou“ zu sprechen. Worum geht es in dieser Story? Bei „Blue Bayou“ wurden ältere Bilder von mir zitiert. Ich erzähle praktisch Geschichten, die ich schon vor zehn Jahren bildlich dargestellt habe und führe sie in einer Drohnen-Story fort. Ich brauchte eine Hauptfigur, die Drohne, und dann sind da noch andere Akteure. Ich wollte dramaturgisch vorgehen. Als erstes kommt das Abhören, danach das Abscannen, hier: von einem Call Girl, die in ihrem Hotelzimmer sitzt, erst nackt, dann im Röntgenmodus. Schließlich bekommt sie ein Gesundheitszeugnis ausgestellt. Die

Drohne fliegt weiter zu einem Jungen, der vor seinem Computer sitzt und eine Einladung zu seinem Geburtstag schreiben will. Er schläft ein und die böse Drohne manipuliert seine Daten. Aus der Einladung wird eine Bauanleitung für eine Bombe. Man sieht, wie Polizeiwagen am Haus des Jungen vorfahren. Danach wird es noch absurder! Ein Hamster wird von einem Amazon-Päckchen Drohnen-Fracht erschlagen... Doch nachdem sie den armen Hamster getötet hat, bekommt unsere Drohne Gewissensbisse und entscheidet sich, ihren Job nicht länger machen zu wollen. Die Drohne sagt: Es reicht - und setzt sich in ein Sumpfgelände ab. Daher auch der Name „Blue Bayou“. Was war ihnen wichtig in „Blue Bayou“? Es gab zwei Themen: die Freiheit der Drohne, die sich von ihrem Job befreien will, und die Unfreiheit der Menschen, da wir viele Medien und Hilfsmittel benutzen und uns damit in Hände begeben, von denen wir gar nicht wissen, was sie tun.

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Ich habe die Figuren gewählt, weil ich ganz Normales zeigen wollte. Es war mir wichtig, dass die Akteure wie du und ich sind. Vom Jungen, der was Unschuldiges hat, bis hin zum geliebten Haustier. Ich wollte keine Terroristen. Und das Call Girl ist ja auch kein Feind. Woher nehmen Sie die Geschichten, die sie in ihren Bildern erzählen? Input bekomme ich von überall her, aus der Tageszeitung, aus dem Fernsehen, aus Literatur und Filmen. Ich bin ein recht filmisch denkender Zeichner und Maler. Es sind wohl die Storys, die

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mich selber berühren. Meistens sind es zwischenmenschliche Geschichten, die dennoch mit der Gesellschaft zu tun haben. Es geht um Unzulänglichkeiten, Stärken und Grenzen. Und das ist es, was letztendlich am Interessantesten ist. Sie haben eine Projektion für Tausende von Menschen konzipiert. Würden Sie nicht gern mal einen Film machen? Bei „Blue Bayou“ musste ich auf signalhafte Bilder setzen, da die Animationsmöglichkeit so gut wie Null war. Es war im Grunde nur ein Herumschieben von Kulissen und Freistellern. Ich könnte mir aber sehr

gut vorstellen, etwas Aufwendigeres zu produzieren. Ich zeichne ja nicht nur Storyboards, ich erstelle tatsächlich auch schon Animationsfilme. Erklärfilme für Firmen zum Beispiel. Ganz pragmatische Sachen. Die Idee, meine malerischen Werke filmisch umzusetzen, finde ich aber sehr interessant. Doch das muss nicht gezeichnet oder in 3D sein, sondern kann auch real verfilmt werden. www.blauenacht.nuernberg.de Ein Interview von Kassandra Steinbeck und Sylvia Unglaub


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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel „Jahre bevor mit der Werkstatt 141 und der Akademie Galerie institutionelle Profiteure aufsprangen, war die Zentrifuge Herzstück der Entwicklung des Geländes (Auf AEG) und unverzichtbarer Motor für die Vernetzung der kreativen Szene in Franken. Die unter der Regie von Michael Schels durch eine wechselnde Schar Engagierter bespielte Multifunktionshalle (Ausstellungen, Konzerte, Vorträge usw.) war weder den Selbstbeschränkungsregulatorien der ästhetisch nivellierenden Kulturladenidee unterworfen, noch mussten dort einschlägige, von den strategisch operierenden Sachwaltern zeitgenössischer Kunst gehegte Mystizismen reproduziert werden. Vielmehr konnte sich in Diskussionsforen wie dem Creative Monday eine um intellektuelle Transparenz bemühte, enthierarchisierte Kommunikationskultur entfalten.“

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aus „Auf AEG: Metropolkultur in progress“ Dr. Harald Tesan in einem Beitrag zum Katalog der Kunstvilla Nürnberg

www.kulturbuero-schels.de


Gegenwartskultur – Hauptsache laut? Von Neuanfängen in Nürnbergs Z-Bau

„Hier hat man wenigstens seine Ruhe“, schmunzelt Steffen Zimmermann. Der Geschäftsführer des Z-Baus trifft uns in der Meistersingerhalle zu einem Gespräch über das neue Konzept für das bereits legendäre Kulturzentrum. 2010 wurde das marode Gebäude auf Anraten der Stadt Nürnberg zumindest größtenteils geschlossen, vor allem weil den damaligen Betreibern Geld für die Sanierung fehlte. Anfang Oktober 2015 wurde es nun, mit einem neuen Konzept, wieder eröffnet. Damit bekam Nürnbergs Südstadt ein Zentrum für Veranstaltungen, Künstler, Kreative und Gegenwartskultur. Ist der „neue“ Z-Bau auch wirklich ein Neuanfang? Ja, wir gehen viele Sachen neu an. Schon deshalb, weil wir die alten Überlegungen gar nicht kennen. Es gab keine Übergabe oder Gespräche mit den ehemaligen Betreibern. Allerdings sind viele ehemalige Nutzer da, die jetzt wieder einziehen. Mit denen sind wir schon in Kontakt und fragen sie auch: Was war denn früher gut? Und was kann

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man verändern? Das ganze MitarbeiterTeam wurde allerdings ausgewechselt. Daher sehen wir es schon eher als Neuanfang. Im Leitbild des Z-Baus steht, dass man sich nicht konkret auf Inhalte festlegen will. Wie hat man sich das vorzustellen? Wir wollen uns mit unserem Programm nicht komplett festlegen, sondern noch auf Sachen reagieren können, die aktuell in der Stadt passieren - auf Bedarfslagen, die Platz oder Infrastruktur brauchen. Wobei wir uns schon auf den Begriff „Gegenwartskultur“ geeinigt haben und das schließt auch einige Sachen aus. Mein Wunsch wäre jedoch, dass es möglichst lebendig wird, ganz unterschiedliche Kulturarten stattfinden und einfach alle mit einem ziemlich breiten Grinsen rumlaufen. Könnten Sie sich Entwicklungen vorstellen, in die Sie eingreifen würden? Auf jeden Fall. Bei allem, was in eine zu kommerzielle Richtung geht. Wir müssen zwar wirtschaftlich arbeiten, sind aber kein

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klassischer Club. Wir sind ein Kulturzentrum mit einem Förderauftrag. Wenn ich das Gefühl hätte, dass das jemand zu sehr aus den Augen verliert, würde ich einschreiten. Es gab Zeiten, in denen die Stadt Nürnberg die Schließung des Areals empfohlen hat. Mittlerweile ist sie Mit-Gesellschafterin. Das ist eine radikale Veränderung. Was war ausschlaggebend für diesen Meinungswandel? Die letzten zehn Jahre waren für die Stadt grundsätzlich nicht einfach. Es gab viel Ärger zwischen ihr und den ehemaligen Betreibern. Ich glaube, dass die Stadt einen besseren Einblick haben wollte,

wenn sie schon so viel Geld in die Hand nimmt, um etwas zu unterstützen. Das Konzept haben wir dann auch gemeinsam abgestimmt. Sonst hält sich die Stadt zurück. Letztendlich brauchen wir aber die Stabilität. Damit können wir in der Außenwirkung unterstreichen, wie ernst uns das Ganze ist. Insgesamt waren es verschiedene Faktoren, warum die Stadt sich letzlich für den Z-Bau entschieden hat. Aber schlussendlich glaube und hoffe ich, dass es um Inhalte ging. Der Z-Bau wird von der Stadt finanziell unterstützt. Das ist gut, aber gleichzeitig ein Problem. Denn andere Kulturschaffende

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fühlen sich dadurch benachteiligt. Können Sie diesen Unmut verstehen? Ich kann vieles an der Kritik nachvollziehen. Wenn auch nicht alles. Es wird davon ausgegangen, dass es einen großen Geldtopf für alle Kulturschaffende gäbe, der verteilt werden könnte. So ist das aber nicht. Denn es ist nicht richtig, dass es ohne den Z-Bau mehr Geld für andere kulturelle Initiativen gegeben hätte. Die Frage, ob die Region mit Spielorten und Bühnen nicht schon ausreichend versorgt sei, kann ich allerdings nachvollziehen. Schon bei der Konzept-Erstellung wurde viel diskutiert: Braucht man den Z-Bau wirklich? Wir glauben: Ja. Viele Veranstalter

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und Veranstalterinnen sind bereits auf uns zugekommen. Das erste Vierteljahr ist bereits gut gebucht. Das zeigt doch, dass es einen Bedarf gibt. Schließlich gibt es in Nürnberg kein offenes Kulturzentrum - in der Größe und Art. Wenn der Z-Bau ein lebendiges Zentrum wird, mit Tribünen, mit Ateliers, Büros, mit Proberäumen und einem Biergarten - dann zählt das Ganze als Haus. Dagegen gibt es keine kritischen Einwände. Es geht vielmehr um einzelne Veranstaltungen oder Künstler, die dann anderen weggenommen werden könnten. Das ist ein Kritikpunkt, den wir nicht entkräften können. Da geht es um Konkurrenz. Aber die gibt es überall.

Was motiviert Sie am meisten am Z-Bau? Am meisten motiviert mich, dass mir als Kulturschaffender so ein Ort immer gefehlt hat. Wir können etwas entstehen lassen, das auch für die nächsten Generationen eine große Rolle spielen kann. Und so hoffen wir, dass sie hier in Nürnberg einen Ort bekommen, der offen und lebendig ist. Was kann man als Kulturschaffender im Z-Bau so alles anstellen? Man kann sich beispielsweise einen Raum mieten oder sich mit eigenen Veranstaltungen einbringen. Es sollte aber immer einen kulturellen Rahmen geben, der das Ganze zusammenhält. Wenn die


Veranstaltung gut zum Z-Bau passt und Unterstützung nötig ist, dann gehen wir auch gerne in Kooperation. Außerdem gibt es Arbeitskreise wie den AK Programm oder den AK Gastronomie, in denen man sich engagieren kann. Es liegt letztendlich an der Idee, die der Kulturschaffende selber hat: Will ich mich selbst präsentieren? Will ich andere und anderes präsentieren? Will ich ein Teil von einem Ganzen sein? Es gibt genug Möglichkeiten ... Man muss sich einfach melden. Wie versuchen Sie bei den Veranstaltungen alle kulturellen Varianten und Subkulturen

zu berücksichtigen, ohne eine zu bevorzugen? Anfangs gab es viele Anfragen, die in Richtung Electro gingen. Wir wollen aber kein Techno-Dancefloor sein. Das entspricht nicht der Idee des Z-Baus. Daher achten wir darauf, dass auch andere zum Zug kommen. - Wenn es Subkulturen gibt, die bisher noch keinen Bezug zum Z-Bau haben, dann fragen wir uns: Hat die Szene schon genug Plätze und braucht den Z-Bau gar nicht? Oder haben sie einfach noch nicht die richtigen Ansprechpartner? Dann werden wir auf sie zugehen. Ein Interview von Michele Aflatoon, Luisa Fischer und Katharina Artmann 19


Es werde Licht! “Das ist für VJ-Verhältnisse eine halbe Ewigkeit.” Lynx de Luxe als Visual Jockey

Dumpf dringt der Bass aus dem Hauptportal des Kulturzentrums K4. Wie ein Lockruf. Er zieht Feierlustige hinein in das kühle Gebäude, die Marmortreppe hinauf, bis zum Türsteher des „Zentralcafés“. Heute ist „BeatThang“ angesagt. Und das bedeutet auch dieses mal wieder: ein volles Haus. Der Raum ist bis zum Rand gefüllt mit tanzenden Menschen und lauter Musik. An der Wand tanzen im Rhythmus, ganz unbeeindruckt von der dicken Luft, farbige Quadrate hin und her. Eine Katze buchstabiert „MEOW“. Und knallrote Lippen werfen Küsse in den Raum. Neben dem DJ‑Equipment, das auf einer guten Party zum Standard gehört, steht

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hier ein VJ-Pult. Genau das ist das Revier von Lynx de Luxe. Sie ist VJ, kurz für: „Visual Jockey“, und dirigiert die Projektionen. „Seinen Stil”, sagt sie, “entwickelt man über die Zeit: Was für Farben nehme ich? Mehr Video oder mehr Grafik?“ Hinter dem DJ‑Pult springen die Farben im Takt hin und her; hie und da lugt immer wieder mal eine Katze ins Bild. Der Stil von Lynx de Luxe ist sehr bunt: Ein Clash aus farbigen Flächen, Symbolen, Fotos und Cats; denn immer wieder tauchen Katzen auf. „Man hat einen Pool aus Material, aus dem man schöpft“, erklärt sie uns. Dieses Material besteht aus kurzen Loops, also Videoschleifen von wenigen Sekunden, aus Formen, Strukturen und Bildern, die der VJ findet, aussucht und

teilweise selbst produziert. Aber ein “Visualist”, wie VJs von einigen gerufen werden, muss mehr als nur die richtigen Clips auswählen: Für ihren Aufbau im K4 musste Lynx erst ein Konstrukt aus Leinwänden aufstellen, dass dann beim so genannten Mapping digital erfasst und schließlich bespielt wird. “Natürlich muss man sein Material und sich selber vorbereiten, aber gemixt wird natürlich live“, erklärt sie uns. Bei so einem Event entsteht im Idealfall eine Symbiose zwischen dem Disc- und dem Visual-Jockey. Der DJ gibt den Beat vor und der VJ lässt die Bilder tanzen. Was ein VJ ist, wissen wir also. Was uns interessiert: Wie kommt man zu diesem doch recht ungewöhnlichen Handwerk?


Wenn man sich Lynx de Luxe’ Vergangenheit ansieht, ist die Verbindung eigentlich klar: Lynx, bei Tageslicht auch Stephi genannt, hat einmal Bass in einer Band gespielt und auch schon selbst hinter den Plattenspielern gestanden und aufgelegt. Gepaart mit ihrer Begeisterung fürs Filmen und Fotografieren ergaben sich daraus alle Zutaten für einen guten VJ. „ Rhythmik - das hat mich fasziniert. Dann auch: den Rhythmus im Bild widerzuspiegeln und die Musik bildhaft machen.“ Schon während ihrer Schulzeit produzierte sie, ausgerüstet mit einer alten High 8-Kamera, kleine Stop MotionProjekte und analoge Experimente. Analog, High 8, das sind nun Begriffe, die nicht so gut zu ihrem aktuellen Aufbau aus zwei Laptops mit VJ- Software passen wollen. Ihr neuer Workflow ist digital, aber Lynx de Luxe kennt auch noch die alte Schule: „Damals war alles ein bisschen analoger. Wir haben mit zwei Video Recordern und einem kleinen Mischpult angefangen.“ Das war vor fast 15 Jahren. Das ist für VJVerhältnisse eine halbe Ewigkeit. Vor allem, wenn man bedenkt, dass die Disziplin erst seit den 90ern existiert und erst später in Deutschland Fuß gefasst hat.” Eigentlich kommt Stephi aus Niederbayern, aus Passau, ist aber schon 2002 nach Erlangen gezogen, um dort Theater- und Medienwissenschaften zu studieren. Dort traf sie auch „Herrn Schoder von Schallbild“, mit dem sie heute zusammen wohnt und arbeitet, unter anderem eben bei BeatThang. „Man kann schon sagen, dass wir

hier zur Entstehung einer VJ‑Szene beigetragen haben.“ Zuerst noch als Teil der Organisationsgruppe „Fete“ in Erlangen. Seit damals sorgte Lynx de Luxe für das richtige Licht bei den verschiedensten Events in Nürnberg, Erlangen und Passau. Streckenweise wirklich jedes Wochenende. Doch das Netz um Lynx de Luxe reicht heute viel weiter als von Erlangen bis Nürnberg. Mit dem Trio “Emily Triplehead“ - bestehend aus Lynx, das Glöckchen und Institut Orange, stand sie schon beim LPM-Festival in Rom auf der Bühne; als Solokünstlerin auch in Österreich und in der Türkei, in Istanbul. „International gibt es eine lebhafte Community. Man besucht sich gegenseitig, wenn man vorhat etwas aufzuziehen, und lädt jemanden ein, um einen Vortrag zu halten oder Workshops zu leiten.” 2010 wurde ihre Kontaktliste dann noch um einige Namen erweitert: Das erste VJ‑Festival der Region fand in Erlangen statt, mit Lynx de Luxe als einem der Hauptinitiatoren. Visualists aus Deutschland, Österreich, Schweden, Großbritannien und anderen Teilen Europas verwandelten die kleine Stadt mit Performances und Workshops zum Anlaufpunkt für Projektionisten und jedermann, der in Musik und Licht eintauchen wollte. 2013 bis ’14 wurde die Veranstaltung dann in Nürnberg fortgesetzt und um Ausstellungen und Vorträge erweitert. Die Web-Plattform “VJ‑Festival Nürnberg” dient weiterhin als Infrastruktur für einen regen Austausch innerhalb der Szene.

Da ist also ein nahrhafter Boden für VJ‑Sprösslinge. Doch wie wird sich die Szene in der Region in Zukunft entwickeln? Könnte sich Nürnberg zu einer Hauptstadt für Projektionskunst mausern, wie etwa Wien oder Zürich? Der Versuch, einen regelmäßigen VJ- Stammtisch zu etablieren ist leider gescheitert, aufgrund zu geringer Teilnahme. Aber Lynx de Luxe sieht auf jeden Fall auch Vorteile: ”Nürnberg ist noch mehr freie Spielwiese als andere Städte. Es ist groß genug, um was auf die Beine zu stellen, aber klein genug, um auch als Neueinsteiger einen Zugang finden zu können. Es wird auf jeden Fall weiterhin Workshops und Veranstaltungen in Nürnberg geben.” Ein Versprechen, auf das man zählen kann. Wie sie persönlich ihren Werdegang als VJ fortsetzen will, weiß Stephi noch nicht so genau, klar ist aber: Es bleibt ein Hobby! “So kann man sich den Spaß daran bewahren. Ich mach das nur, wenn ich Lust darauf hab.” Wegen des Geldes war sie sowieso nie dabei. Wer sich als Videokünstler seinen Lebensunterhalt verdienen will, arbeitet eher im Event Bereich, auch an festen Projekten, statt Club-Visuals zu machen. Doch Lynx de Luxe wird in Zukunft vielleicht auch außerhalb der Club‑Atmosphäre anzutreffen sein. “Über die Jahre werden die Clubs vielleicht ein wenig monoton. Es macht immer noch Spaß, aber ich fände es schön, ein wenig in Richtung Performance oder Ausstellungen zu gehen …” Eine Reportage von Felix Antretter und Tilman Schubert

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Was Taubenzucht mit VJing zu tun hat Oder warum Herr Schoder von Schallbild ... Schallbilder macht

Über den Boden durch die Schuhe in den Kopf vibriert der Bass. Grelles Licht und absolute Dunkelheit. Beides durchstrahlt die Augenlider. Wenn man sie öffnet, werden Leinwände lebendig. Farben und Muster wechseln sich ab, wabern über die weißen Flächen und beleuchten den Raum. Minimalistisch, geometrisch, rhythmisch. Neben dem DJ-Pult steht der 39-jährige Visual Jockey Norbert Schoder, alias Herr Schoder von Schallbild. Wie bist du zum VJing gekommen? Zufällig. Ich habe in Regensburg Bauingenieurwesen studiert und dort eine Gothic-Band kennengelernt. Zusammen

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hatten wir die Idee, ein Video zu drehen. Dafür haben wir einen Acker und irgendwelche skurrilen Sachen in einer Halle gefilmt. Das haben wir dann mit einem Beamer live zur Musik der Band gespielt. Das war im Prinzip kein VJing, sondern ein vorproduziertes Video, das wir immer zurückspulen mussten, wenn die Band sich mal verspielt hat. Richtiges VJing, das war dann zum ersten Mal 2001, auf einer Party im E-Werk in Erlangen. Freunde von mir hatten die Feier organisiert und da mich das Thema VJing interessierte, hab ich es mal ausprobiert. Dort habe ich dann zwei Leute kennengelernt, mit denen ich später ein VJTeam gegründet habe.

Was fasziniert dich am VJing? Ich bin live dabei und kann direkten Einfluss nehmen. Und ich finde, dass man mit Licht und Bewegtbild unheimlich viel Stimmung erzeugen kann. Wie funktioniert die Zusammenarbeit von VJ und DJ? Der DJ legt auf und reagiert auf das Publikum. Ich höre die Musik und reagiere auf sie - und auf das Publikum. Es ist zwar zu einem gewissen Grad interaktiv, aber wir reden uns nicht gegenseitig rein. Und wie ist die Szene in Nürnberg? Überschaubar. Es ist zwar etwas mehr


geworden, da das Equipment günstiger und alles mobiler geworden ist als noch vor 20 Jahren, aber in Nürnberg geben es die Clubs einfach nicht her. Es besteht auch kein großes Interesse. Wäre das für dich ein Grund, umzuziehen? Nein, dazu ist es zu sehr Hobby - und die Bezahlung ist dem Arbeitsaufwand entsprechend zu schlecht. Was würdest du jemandem empfehlen, der sich als VJ etwas aufbauen will? Erstmal sollte man mit Freunden eine Party-Reihe organisieren, wenn man in den Clubbereich gehen will. Sonst sollte man schauen, was Agenturen machen, oder eine Ausbildung im Eventbereich absolvieren. Damit hat man mehr Chancen. Die Zukunft ist für mich: Interaktives Mapping im kommerziellen Bereich. Ist dir bei einem Auftritt schon mal was Lustiges passiert? Mir wurde von einer Freundin eine Massage versprochen, und kurz bevor der Haupt-DJ kam, hat sie mich tatsächlich 15 Minuten lang massiert, vor Publikum und auf der Bühne. Herr Schoder von Schallbild ... steckt eine besondere Geschichte hinter deinem Namen? Und bist du schon immer unter diesem Label aufgetreten? Am Anfang war da Konglomerat 73, das habe ich mit Freunden in Kassel gemacht. Dann habe ich meine anderen VJ-Freunde getroffen, Thomas und Jan. Die hießen AntiArtificial.org. Auf einem Flyer stand dann oft beides, das war dann ein bisschen zu komplex. Wir haben also einen neuen Namen gebraucht und sind schließlich auf Schallbild gekommen, kurz: das Bild zum Schall. Das war greifbar – und prägte sich schnell ein. Das war dann unser Kollektivname. Dann kam noch Christoph aus Kassel dazu. Wir sind meistens zu zweit unter dem Namen Schallbild in unterschiedlichen Konstellationen aufgetreten. Einzeln hatten wir aber keine Künstlernamen. Dann kam der Umbruch: Arbeitsleben, weniger Zeit. Ich bin auch

wieder nach Nürnberg zurückgekommen, also stand ich blöderweise oft alleine unter dem Namen eines ganzen Kollektives da. Ich wollte den Namen aber behalten, also habe ich einfach meinen Nachnamen dazugenommen. Und Thomas meinte noch: „Mach doch ein „von“ dazu, das klingt adeliger.“ Deine Freundin ist ebenfalls VJ. Hat das Voroder Nachteile für eine Beziehung? Das hat eigentlich Vorteile. Ich hab in ihr keine Konkurrenz. Sie steht übrigens da und hört mit. (Freundin im Hintergrund: Ich hör’ alles!) Sie hört alles. Nein, es gibt viele Vorteile: Man muss sich nicht rechtfertigen, wenn man am Wochenende mal viel zu tun hat. Wir können zusammen arbeiten, uns den Rechner teilen und am Frühstückstisch zusammen ein Set-Up vorbereiten. Auf welche Zusammenarbeit bist du besonders stolz? Eigentlich auf das Team, mit dem ich hier (im K4 in Nürnberg) arbeite und darauf, mit meiner Freundin das VJ-Festival organisiert zu haben. Du bist als VJ oft in Clubs und auf Konzerten ..., welche Rolle spielt da Musik für dich privat? Eine sehr große, wobei ich privat eher etwas anderes höre als elektronische Musik. Zu Nick Cave würde ich gerne Visuals machen. Aber ich weiß, dass das nicht passt. Wie sieht die Zukunft in der Szene aus? Ich glaube und hoffe, dass es immer mehr Nachwuchs geben wird. Das sehe ich zum Beispiel bei Design Studierenden hier in Nürnberg. Die Kunsthochschule in Kassel ist auch eine Brutstätte für VJs, weil die viel mit Trickfilm und Animationen machen und das überträgt sich auf die Studentenpartys. Ansonsten gibt es immer wieder Festivals, und wen es interessiert, der sollte da hinfahren.

immerhin 400 audiovisuellen Projekten. Wie viele Leute bewerben sich da? Ich denke mal, die, die da spielen. Das ist eine Community - und kein Boxkampf. Man freut sich, dass man das gleiche Hobby hat, wie Taubenzucht. Taubenzüchter treffen sich irgendwo mit ihren Täubchen und schauen sich dann ... Tauben an. So ist es mit dem VJing auch. Wir waren auf einem Festival in Thüringen, haben jemanden kennengelernt, der in Barcelona ein Festival macht und der uns dann gefragt hat, ob wir bei ihm spielen wollen. So kommt man rum, in Europa, hat seinen Laptop dabei und kann mal in Rom spielen, mal in Istanbul, irgendwo in Polen, an der weißrussischen Grenze. Das Schöne ist, dass da ein überschaubarer Kern von Leuten ist. Wir haben selber auch ein Festival gemacht, wo dieser Kern von Aktiven dann da war. Die kommen nach Nürnberg und man trifft sich das nächste Mal irgendwo in Salzburg oder anderswo. Ein Freund von uns macht zum Beispiel ein VJ-Camp in Griechenland. Ein anderer sitzt in Andorra. Da weiß man, wo man mal zum Wandern hinfahren kann. Wie siehst du deine Zukunft als VJ? Glaubst du, es bleibt jetzt so, wie es ist? Das „plätschert“ dahin. In Anführungsstrichen. Aber man entwickelt sich auch weiter. Gerade haben wir ein neues Leinwand-Konzept. Vielleicht machen wir auch eine Ausstellung, etwas Interaktives mit Kinect oder iPads. Man verfolgt technische Spielereien und wenn einen irgendwas inspiriert, arbeitet man damit. LEDs sind zum Beispiel ein spannendes Thema für mich, aber auch die Kombination LED und Video. Ein Interview von Artem Ugnivenko, Theresa Hatz, Franziska Gietl

Hast du schon auf vielen Festivals gespielt? Auf diversen, ja. Wir waren in Rom auf dem LPM, dem Live-Performance-Meeting. Das ist das weltweit größte VJ-Festival mit

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Das Zentrifuge Prinzip

Prozessor für eine lebenswerte Zukunft Kein Mensch ist frei. Wir arbeiten und konsumieren in einem technischwirtschaftlichen Zusammenhang, für dessen Zwecke wir uns mehr oder weniger freiwillig deformieren (lassen). Wir sind über Jahrhunderte der Anpassung gefühllos und blind geworden gegenüber unseren grundlegenden Bedürfnissen und stehen kurz davor, uns endgültig zu verlieren. Nicht einmal zum Verrat sind wir mehr fähig, da wir uns schon längst an unsere Gier und unsere Egozentrik verraten haben. Allein ein kümmerlicher Rest von Liebe regt sich noch in uns und nährt die Sehnsucht nach einem erfülltem Leben jenseits der Fremdbestimmung. Die Natur in uns und um uns geht zugrunde, der Mensch verliert seine letzte Würde und wir können angesichts unseres Verfalls und unserer Verlorenheit nur noch ungläubig blinzeln. Eine Sprache, die etwas Wirkliches und damit Rettendes über unseren Zustand aussagen könnte, haben wir nicht. Uns bleibt nur noch das Verstummen - und das ist angesichts unseres Hoffnungslosigkeit mehr als wir ertragen könnten. Die Zentrifuge ist trotz und in alledem entstanden. In ihr werden angelernte systemerhaltende Muster als unhaltbare Zumutungen entlarvt und überwunden. In der Zentrifuge erscheint alles Selbstverständliche fremd, Festgefahrenes löst sich auf und wird zusehends überflüssig. Hier kommt der Mensch als bewusstes und fühlendes Wesen zu sich und lernt sich und die Welt erst eigentlich zu verstehen und zu gestalten. In der Zentrifuge er-findet der Mensch sich neu und wird wieder frei: Er nimmt Abstand von erlernten Konditionierungen, BewusstseinsTrainings und Disziplinierungs-Strategien. Er definiert und bestimmt sich durch die Zentrifuge selbst. Die Zentrifuge entwickelt Ideen und Projekte für eine bessere, selbstbestimmte Gesellschaft. Diese produziert nicht für den Markt, sondern für das Leben. Aus ihr heraus entstehen neue Perspektiven für authentische Lebensentwürfe. Ihr Markenkern ist eine

einfühlsame, verstehende und liebende Selbstermächtigung, die in der Vermittlung des Eigenen und des Fremden über sich hinaus wächst. Die Zentrifuge ist eine Organisationsform, die sich dem Schöpferischen hingibt. Sie geht durch die Menschen, die sie durchströmen, in etwas Größerem auf. Aus der Zentrifuge heraus kann alles entstehen, was dem Menschen gemäß ist. Sie ist eine Schule der Praxis. Sie ist Theorie der Praxis und Praxis der Theorie. Sie ist Entfaltung und Entwicklung. Jeder Mensch nimmt in der Zentrifuge seine Möglichkeiten existenziell wahr und potenziert diese im Austausch mit anderen. Aus ihrer kulturell-kreativen Praxis heraus entfaltet die Zentrifuge auch gesellschaftliche, technische und wissenschaftliche Dimensionen. Sie wirkt menschen- und weltbildend. Aus ihr erwächst die Chance für eine lebbare, lebendige Zukunft. Zentrifugen wollen tausendfach erblühen und keine wäre dabei wie die andere. Sie werden unkalkulierbar und unbeherrschbar sein. Zentrifugen sind Prozessoren für eine lebenswerte Zukunft - eine andere und bessere, als wir heute erahnen können.

Exemplarische Beiträge und Projekte, entwickelt und geschaffen im ästhetischen Labor der Zentrifuge Beiträge • Der ästhetische Prozess • Klänge im Schatten des Sichtbaren • Über die Möglichkeit künstlicher emotionaler Intelligenz Projekte • Noworkingspace • PILOT Magazin • Forschende Kunst • Engineering 2050 • HORIZOTE 2050 • ON-Index • CreativeMonday

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Forschende Kunst 3: Perspektiven des Alterns Forschende Kunst ist ein Projekt der Zentrifuge, das grenzüberschreitende, interdisziplinäre und ästhetisch grundierte Austauschprozesse einübt und damit einen Beitrag leistet, um Wirklichkeit auf neue Weise verstehen zu lernen und zu gestalten. Mit Partnern aus Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft arbeitet die Zentrifuge über einen längeren Zeitraum heraus, wie Neues mit Hilfe der Kunst in die Welt kommt und in dieser wirksam wird. Forschende Kunst 1 („umwelten“) wurde 2013 durch das Kulturreferat Nürnberg gefördert. Forschende Kunst 2 („Musik und Klang“) wurde 2014 im Rahmen des Förderprojekts "Ideen.innovativ. kreativ" durch das Wirtschaftsreferat Nürnberg unterstützt. Forschende Kunst 3 ("Perspektiven des Alterns") wurde 2015 mit einer Förderung durch die GGSD – Gemeinnützige Gesellschaft für Soziale Dienste, Nürnberg, voran gebracht. Alle Phasen des Projekts sind unter www. forschende-kunst.de dokumentiert. Die im September 2015 erschienene Dokumentation zu „Forschende Kunst 3: Perspektiven des Alterns“ ist das Ergebnis eines über mehrere Monate laufenden Austausch-Prozesses zum Thema „Perspektiven des Alterns“, der im Kern drei Workshoptage beinhaltete, die im zwei- bis dreiwöchigen Abstand stattfanden. Wir konnten für Forschende Kunst 3 erneut einen interdisziplinären Teilnehmerkreis gewinnen, wobei auch hier entsprechend unseres ästhetisch geprägten Weltverständnisses die Kunst wieder elementar eingebunden war. Die künstlerische Begleitung erfolgte diesmal durch Uwe Weber im Bereich der Darstellenden Kunst. Erstmals haben wir bei

Forschende Kunst neben den künstlerischen auch fachliche Impulse eingebunden, was insofern nahe lag, als Jörg H. Bauer das Thema „Perspektiven des Alterns“ für die dritte Phase von Forschende Kunst initiierte und während der drei Workshoptage als Experte für Live Span Forschung neueste Forschungsergebnisse zum Thema präsentierte. In den Protokollen am Ende dieser Dokumentation kann nachgelesen werden, wie der Austauschprozess vonstatten ging, welche Themen wir bearbeiteten und welche Aktivitäten und Ergebnisse wir wie entwickelten. Die Dokumentation kann somit auch wie ein kleines Handbuch gelesen werden zur Umsetzung interdisziplinärer Austauschund Entwicklungsprozesse auf der Suche nach gemeinsam ermöglichten Perspektivwechseln und Einsichten in ungeahnte Zusammenhänge und Fügungen. Apropos Zusammenhänge und Fügungen: Besonders freut uns, dass wir Prof. Frank Adloff und Larissa Pfaller vom Institut für Soziologie an der FAU Erlangen-Nürnberg für einen Gastbeitrag gewinnen konnten. Die Bereitschaft zweier renommierter Geisteswissenschaftler, bei dieser Dokumentation mitzuwirken, erfahren wir als große Anerkennung und Bereicherung unserer Arbeit. Das Titelmotiv zu dieser Ausgabe stammt von Barbara Kastura. Die „Ghados“ sind Wesen, die sich dem Lebensfluss hingeben und durch ebendiese Hingabe einen unermesslichen inneren Reichtum entfalten – sie verkörpern die „Perspektiven des Alterns“ auf ganz eigene, ästhetischpraktische Weise. www.forschende-kunst.de

Inhalt der Dokumentation • Das Alter ist anders! von Günther. Heil

• „Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt werden" von Frank Adloff & Larissa Pfaller

• Vom Klatschen über Kaffee-trinken zum Flow und alles 5 vor 12! von Uwe Weber

• Essay: Wie man alt wird von Jörg H. Bauer

Projektideen • Das Lebensprojekt der Zentrifuge • Urban Gardening Café • Alt werden individuell und in der Gesellschaft • Die Akademie für private Pflege • Lebensspanne - Plattform für übergreifende Begegnungen und Prozesse Die gedruckte Broschüre ist gegen eine Schutzgebühr von 15 EUR, zuzüglich Versandkosten beim Zentrifuge e.V. gegen Vorkasse bestellbar. Senden Sie dazu einfach eine E-Mail an info@ zentrifuge-nuernberg.de mit Adresse und Anzahl der gewünschten Exemplare. Wir bestätigen Ihnen dann per E-Mail Ihre Bestellung mit einer Rechnung. Nach Eingang des Betrags auf unserem Konto senden wir Ihnen die bestellten Dokumentationen zu.

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HORIZONTE 2050

Gemeinsam Handeln in der Welt

Am 20. Oktober 2015 realisierte die Zentrifuge gemeinsam mit „Partner für die Eine Welt – die Hilfswerke der katholischen Kirche“ eine neuartige Veranstaltung im Z-Bau Nürnberg – eine Kombination aus Symposium, Netzwerkveranstaltung und Kunst-Event: „HORIZONTE 2050 – Gemeinsam Handeln in der Welt“ brachte 60 Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Lebensbereichen und Arbeitsfeldern zusammen mit dem Ziel, sich anders als gewöhnlich als handelnde Wesen in der Welt wahrzunehmen, zu begegnen und auszutauschen. Es ging dabei um die Einübung einer Sensibilität für das, was uns im Augenblick begegnet und wie wir uns darauf auf anders als gewohnte Weise einstellen und einlassen können. Der Blick auf eine durch uns gestalt- und lebbare Zukunft erfordert eine grundlegende Umorientierung, eine Änderung selbstverständlicher Haltungen und eine Öffnung für ein Geschehen, das und in dem wir schon immer sind, was wir aber

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gegenwärtig noch nicht erfassen, höchstens erahnen können - HORIZONTE 2050 als Ausdruck einer gemeinsamen Suche nach Möglichkeiten der Weltgestaltung, abseits von konventionellen Vorstellungen oder Ritualen. Wir wählten dafür eine Mischung aus Konferenz und Kunsterleben. Die Vorstellungsrunde stimmte uns auf die große Vielfalt ein, mit der wir es zu tun haben, wenn wir die Zukunft gemeinsam gestalten wollen. Alle Teilnehmer waren aufgefordert, mit drei Begriffen ihr Wirken in der Welt zu beschreiben – es zeigten sich unterschiedlichste Weisen des In-der-Welt-Seins … von selbstbewusst Gestaltenden über neugierig Suchende bis hin zu umsichtig oder vorsichtig Tastenden in verschiedenen Lebenssituationen, sei dies in Familie, Gesellschaft, Technik, Kunst, Gesundheit, Bildung, Natur, Spiritualität und/oder Religion. Als Impulsgeber konnten wir Vertreter aus den Bereichen Gesellschaft, Bildung, Kultur, Wirtschaft und Technik gewinnen, die jeweils Einblicke in ein

zukunftsweisendes Handeln in der Welt gaben: Den Soziologen Jan Weyand, den Ingenieur Matthias Barbian und die Frauenrechtlerin Mama Regina aus Tansania. Prof. Dr. Jan Weyand vom Institut für Soziologie der FAU gab einen Einblick in das Konvivialistische Manifest, das aus Frankreich stammt und von seinem Kollegen Prof. Frank Adloff zusammen mit Claus Leggewie in Zusammenarbeit mit dem Käte Hamburger Kolleg / Centre for Global Cooperation Research Duisburg für den deutschsprachigen Raum herausgegeben wurde. Aus dem Klappentext zum Konvivialistischen Manifest: „Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist auch absolut notwendig. Die globalen Probleme des Klimawandels, der Armut, sozialen Ungleichheit oder der Finanzkrise erfordern ein Umdenken und veränderte Formen des Zusammenlebens. Viele Bewegungen, Initiativen und Gruppierungen suchen aktuell schon nach alternativen Wegen. Ihnen allen


gemeinsam ist das Streben nach einer neuen Kunst, miteinander zu leben (con-vivere). Konvivialismus bedeutet das Ausloten von Möglichkeiten, wie jenseits der Wachstumsgesellschaft ein Zusammenleben möglich sein kann, wie Sozialität, Konflikt und Individualität aufeinander bezogen werden und wie ökologisch und sozial nachhaltige Formen demokratischen Lebens ausschauen können. Eine neue politische Philosophie erscheint daher dringend geboten, und das weltweit diskutierte Manifest renommierter Autoren stellt als Minimalforderung klar: Eine solche neue Philosophie und Kunst des Zusammenlebens muss den Primat des Ökonomischen brechen und sich auf eine gemeinsame Menschheit und auf den Wert der Individualität zugleich berufen.“ Das Kernthema von Dipl.-Ing. Matthias Barbian ist seit mehr als 20 Jahren die sogenannte „Durchgängige Anlagenplanung“. Er leitet den entsprechenden Arbeitskreis beim Verband Deutsche Ingenieure (VDI) in Nordbayern

und gilt als Experte rund um das Thema „Industrie 4.0.“. Praktisch alle Dinge unseres täglichen Lebens werden industriell in Fertigungsanlagen hergestellt. Die Anlagen arbeiten nur dann wirklich effizient, wenn sie „durchgängig“ geplant sind. Die Zukunft der Produktion wird momentan unter dem Stichwort „Industrie 4.0.“ diskutiert, was die vierte industrielle Revolution markieren soll. Es geht somit um eine sehr starke Individualisierung der Produkte, was durch eine hoch flexible Produktion ermöglicht wird, Stichworte: „smart factory“ oder „Internet der Dinge“ Matthias Barbian denkt über solche - vor allem technisch geprägten - Innovationen weit hinaus. Er engagiert sich für den interdisziplinären Austausch und hat mit der Zentrifuge das Projekt „Engineering 2050“ ins Leben gerufen. Bei diesem Projekt geht es um den Austausch zwischen Ingenieuren und Künstlern. Der Anlagenbau der Zukunft soll dadurch ganz neue und weitreichende Impulse erfahren. Regina Andrea Mukama wird zu Hause in Tansania nur „Mama Regina“

genannt. Ihr Wirken in der Welt kreist um die Befreiung von Mädchen aus den Fängen der Tradition, vor allem der Schutz vor Genitalverstümmelung. Besonder am Herzen liegt ihr das Empowerment von Frauen, damit diese zu Entscheidungsträgerinnen werden. Mama Regina will die Gesellschaft auf dem Weg von der Tradition zur Moderne verändern. Mama Reginas Impulsvortrag trug den Titel „Jipe Moyo“ – „Fass Dir ein Herz“. So ist ein Haus der Diözese benannt, in dem Mädchen vor Genitalverstümmelung Schutz suchen können, in dem sie wohnen und zur Schule gehen können In ihrem Impulsvortrag beschrieb Mama Regine ihr Heimatland Tansania als Land, das einerseits im Aufbruch ist, in dem sich andererseits aber soziale Spannungen zwischen Arm und Reich verschärfen und traditionelle Praktiken wie Genitalverstümmelung oder WitwenVererbung in manchen Landesteilen vielen Menschen großes Leid zufügen. Mama Reginas Lebensthema ist die Stärkung der

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Rechte von Mädchen und Frauen. Sie setzt dabei vor allem auf Bildung. Die Möglichkeitsräume Bei der Konzeption dieser Veranstaltung flossen viele Ideen und Erfahrungen der Zentrifuge ein, die diese im Laufe der letzten Jahre als Kreativplattform bei diversen Kunst- und Kommunikations-Projekten gesammelt hat - seien dies Erfahrungen aus dem CreativeMonday, aus Ausstellungen und Kunst-Performances oder unzähligen Workshops und verschiedensten Netzwerkveranstaltungen. Das Anliegen der Zentrifuge war und ist es dabei immer, multiperspektivische Prozesse einzuüben – also bei Begegnungen zwischen Menschen über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und dabei zu lernen andere Perspektiven wahrzunehmen und und diese so gut es geht in den eigenen Lebensentwurf zu integrieren. Bewusst bindet die Zentrifuge bei all ihren Aktivitäten die Kunst ein. In vier Möglichkeitsräumen kamen die TeilnehmerInnen mit Kunst und Ästhetik in Berührung. Der zentrifugale Impuls, den die Zentrifuge in ihre Veranstaltungen einwebt, ist vor allem durch eine Kunst geprägt, die man als überindividuell, gemeinschaftlich und geistig inspiriert bezeichnen kann. Für die Premiere des neuen Formats „Horizonte 2050“ wurden drei Künstlerinnen und ein Künstler eingeladen, die gemeinsam mit den TeilnehmerInnen das Feld des Wahrnehmens und des Handelns in der Welt erkundeten: Zoy Winterstein und Silke Kuhar

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erforschen seit Jahren ästhetische Gesetzmäßigkeiten im weltlichen Ereignisraum – sei dies im Klangfeld oder im visuellen Bereich, auf mikroskopischer oder makroskopischer Ebene. Sie sind Bewusstseinsforscher und kosmische Wanderer, die mit visuellen und klanglichen Mitteln die Welt in ungeahnten Höhen und Tiefen ausloten, neu interpretieren und künstlerisch an einer Umgestaltung unseres weithin ja eher alltäglich geprägten und damit konventionellen Weltverständnisses arbeiten. Im Möglichkeitsraum von Zoy Winterstein tauchten die Teilnehmer in die klangliche und visuelle Welt der beiden Künstler ein und bekamen dabei auch einen Einblick in deren Arbeitsweisen. Barbara Kastura erkundet in kontemplativen Naturbetrachtungen die Sprache der Natur und geht mit dieser in Resonanz. Dabei nutzt sie verschiedenste Ausdrucksformen wie Stimme, Performance, Bewegung oder Malerei. Barbara Kastura begegnet dem Reich der Natur auf eine sehr verinnerlichte Weise, wie man sie in unserer heutigen Zeit kaum mehr praktiziert. Barbara Kastura hat den Mut, ihre Weltsicht künstlerisch auszuarbeiten und zu ihrem eigenen Thema zu machen. Im Möglichkeitsraum von Barbara Kastura konnten sich die TeilnehmerInnen auf die Weltsicht dieser hochsensiblen Künstlerin einlassen und gemeinsam mit ihr Klangwelten und Naturräume erkunden und erzeugen. Barbara Engelhard ist Malerin, Zeichnerin, Fotografin, Installations-, Performance- und Aktionskünstlerin. Sie

wirkt im Feld unseres Alltags, ihr Material sind gesellschaftliche Prozesse, die sie durch künstlerische Interventionen sichtbar macht und formt. Diese Prozesse wirken im Akt der Wahrnehmung immer individuell, doch fordern sie uns vor allem zum gemeinschaftlichen Zusammenspiel heraus und und machen uns dadurch bewusst, dass wir erst als soziale Wesen ganz sind. Barbara Engelhard ließ in ihrem Möglichkeitsraum gemeinsam mit den TeilnehmerInnen lebendige Skulpturen von surrealer Qualität entstehen. In einem vierten Möglichkeitsraum gaben Otmar Potjans und Michael Schels einen Einblick in den ästhetischen Prozess. Das ist eine von der Zentrifuge im Laufe der letzten Jahre – vor allem im Rahmen des Projekts Forschende Kunst - entwickelte Methode, um die Reflexion sowie Begegnungen und den Austausch zwischen Menschen auf eine möglichst offene, intensive und ungewöhnliche Weise zu praktizieren. Die Teilnehmer bekamen eine kurze Einführung in den ästhetischen Prozess und hatten dann die Gelegenheit, kurz in diesen Prozess einzutauchen: Nach einigen Minuten des Sich-Besinnens zur Frage „Was war meine erste oder am frühesten erinnerbare Begegnung mit meinem Wirken in der Welt“ tauschten sich die TeilnehmerInnen dann in Zweiergesprächen zu ihren Erinnerungen, Gedanken und Vorstellungen aus. www.horizonte2050.weebly.com


Gostenhof ist bunt! Die Kulturszene zeigte sich bei den 10. Ateliertagen Aktionen. Führen lassen. Mitmachen. Vielfalt. Etwa 66 Künstler und Kunsthandwerker öffneten bei den Gostenhofer Atelier- und Werkstatttagen 2015 sonntags ihre Tore. Abwechslungsreich, vielfältig – bei der GOHO darf jedeR mitmachen, die/der im Viertel lebt(e). Szene schnüffeln geht vor Partysause, Authentizität vor Inszenierung. Anfassen sticht Kulturberieselung. Alle zwei Jahre erhalten Neugierige Einblick in romantische Hinterhof-Ateliers und verwunschene Dach(t)räume, in denen das künstlerische Leben Gostenhofs brodelt. Eröffnet wurden die Ateliertage

im Wintergarten des Restaurants Prisma durch Bernd Zachow. Der Kenner und Kritiker der Gostenhofer Künste schenkte allen Interessierten einen Abriss selbstorganisierter Ausstellungskollektive vergangener Jahrhunderte und brandmarkte die schleichende Vertreibung der Kleinkunst durch Gentrifizierung. Auf der Übersichtsausstellung - diesmal im Polnischen Kulturverein DZIUPLA e.V. - war je ein Stück der Ausstellenden zu besichtigen. Gostenhof gilt es zu entdecken, da kein zentraler Ort beherrscht. Führungen machten Freunde zu Kennern

des versteckten Gostenhofer Schaffens. Am Sonntag waren alle Ateliers an den ungewöhnlichsten Orten pflichtoffen und für Alle zu besuchen. Überall warteten Werkende und Kunst darauf, gesehen, geliebt und gekauft zu werden. Text Jörg Knapp Mehr zu Vergangenheit und Zukunft der GOHO finden Sie hier www.goho-ateliertage.de www.facebook.com/GOHO.art

go ho

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Aktuelle Projekte der zentrifuge

PILOT und ON-Index.de Im Magazin PILOT stellt die Zentrifuge künstlerisch und kreativ arbeitende Akteure und Initiativen vor und berichtet über aktuelle Projekte und Veranstaltungen aus dem kreativwirtschaftlichen Umfeld. Redaktionell kooperiert die Zentrifuge mit der Technischen Hochschule OHM, Fachbereich Verbale Kommunikation (Prof. Max Ackermann). PILOT erscheint ein- bis zweimal jährlich und wendet sich an kulturell und kreativwirtschaflich Interessierte im Großraum Nürnberg. Einzelne Artikel erscheinen auch online auf dem Kreativblog der Zentrifuge unter www.on-index.de.

Publikationen Die Zentrifuge hat im Laufe der letzten Jahre mehr als 20 Publikationen herausgegeben – seien dies Kunstkataloge, Magazine oder Projektdokumentationen. Ein Großteil davon kann auch Online nachgelesen werden: www.issuu.com/zentrifuge. Am Liebsten ist es uns natürlich, wenn wir unsere Publikationen auch drucken können – dies gelingt leider mangels finanzieller Mittel nicht immer. Wir freuen uns deshalb sehr über Institutionen und Unternehmen, die unsere Arbeit mit einer Anzeige unterstützen möchten. Interessierte wenden sich bitte an Michael Schels: ms@zentrifuge.nuernberg.de

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Noworkingspace Der Noworkingspace ist der offene Begegnungsraum der Zentrifuge, in dessen Rahmen wir uns mit unseren Gästen zu künstlerischen, kreativen und ästhetischen Aspekten des Lebens und Arbeitens austauschen. Zudem finden im Rahmen des Noworkingspace Veranstaltungen wie "Was wäre, wenn...", künstlerische Performances, Vorträge oder Filme mit Diskussion statt. www.noworkingspace.de

CreativeMonday Das ca. alle drei Monate stattffindende Netzwerktreffen für Künstler und Kreative aus Nürnberg und der Umgebung wird mittlerweile im Wechsel im Neuen Museum Nürnberg und im Z-Bau veranstaltet. Die Zentrifuge ist als Initiator dieser Veranstaltung nach wie vor im Orgateam mit vertreten - seitens der Zentrifuge ist Nina Metz (E-Mail: mail@ninametz. de) als Nachfolgerin von Michael Schels im Team dabei. Nina ist neben Markus Teschner eine der ModeratorInnen und AnsprechpartnerInnen für Kreative und Künstler, die beim CreativeMonday ihre Arbeit bzw. ein Projekt präsentieren möchten. Wendet euch gerne an sie, wenn ihr eine Präsentation beim CreativeMonday halten möchtet. www.creativemonday.de

ms@zentrifuge-nuernberg.de www.zentrifuge-nuernberg.de www.facebook.com/zentrifuge www.facebook.com/ zentrifugemagazinpilot Vereinssitz: Nürnberg, VR 200589 Vorstand: Michael Schels, Otmar Potjans, Barara Kastura Bankverbindung: Sparkasse Nürnberg IBAN: DE97760501010010253904 BIC: SSKNDE77XXX

Die Zentrifuge ist jeden fünften Montag eines Monats (sofern dieser einen fünften Monat hat) zu Gast bei Radio Z auf 95,8 MHz: In der Sendung "Z-Zeit" (20-21 Uhr) bringen wir Projekte aus der ZentrifugeCommunity und der Kreativszene zu Gehör. Dazu laden wir Künstler und engagierte Menschen ein und sprechen mit ihnen über deren Arbeit und ihre Projekte.

PILOT – Magazin der Zentrifuge Vierte Ausgabe Winter-Frühjahr 2016 Eine Kooperation des Zentrifuge e.V. mit der Technischen Hochschule OHM Nürnberg, Fachbereich Verbale Kommunikation, Prof. Max Ackermann Redaktion: V.i.S.d.P.:Michael Schels Texte (Zentrifuge): Michael Schels Grafik & Layout: Ramona Obermann Beratung Layout: Robert Schlund

Bildnachweise: Seite 1: Ramona Obermann Seite 2-3: Sebastian Richter Seite 5: Winterstein/Kuhar Seite 6: bayernkreativ Seite 8/9: Bastus Trump Seite 10-15: Roger Libesch Seite 17/18: Simeon Johnke Seite 20: Ramona Obermann Seite 26-28: Cherima Nasa Seite 30/31: Sebastian Richter Seite 32: Ramona Obermann

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Impressum

Zentrifuge e.V. c/o KULTurbüro Schels Adam-Klein-Str. 112 90431 Nürnberg

Z-Zeit auf Radio Z


Sie mĂśchten im Magazin PILOT kĂźnftig eine Anzeige schalten? Sprechen Sie uns an! Michael Schels ms@zentrifuge-nuernberg.de

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