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Erleben zaghaften Entgegenkommens

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Einführung

Einführung

Erleben zaghaften Entgegenkommens der Natur

Im Grenzbereich von Wahrnehmung, Begriff und Intuition entfaltet sich ein überraschendes, gegenwärtiges Weltbegegnen. Noch bevor etwas zur Sprache kommt, zeigt sich das Leben in all seiner Bedeutsamkeit. Das Denken will gezügelt werden und zur Stille kommen, damit das wahrgenommen werden kann, was von jeher sich zeigen will. In der Natur kommt etwas zum Ausdruck und will sich im Wahrgenommen-Werden entfalten. Das Leben des Menschen ist Begegnung mit dem Leben der Schöpfung. Was sich in dieser Begegnung zeigt, entsteht in dem Moment, ab dem wir uns darauf begriffslos einlassen. Plötzlich öffnet sich der Himmel, der Wind atmet auf, die Landschaft lächelt, die Pflanzen tanzen und die Tiere blicken uns an.

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Das Leben entfaltet sich kosmisch verwoben in Raum und Zeit und an diesem gewaltigen Geschehen nehmen wir Teil als sich entwickelnde fühlende, denkende und handelnde Wesen. Sobald wir unsere rationalen Fähigkeiten strategisch einsetzen und das Leben bloß vernutzen, zerstören wir es und uns. Wenn wir das Leben wundernd und staunend auch mit dem Herzen betrachten, zeigt es sich als kosmisches Ereignis – die kleinste Bewegung kann für einen Augenblick eine wundersame Berührung sein.

Schöpferische Himmelsschnüre

Hoch über dem Pegnitzgrund schweben schwingende, klingende, turmhohe Himmelsschnüre. Fliegenschwärme immensen Ausmaßes. Diese faszinierenden Fäden stehen einfach turmhoch still in der Luft, als wir dem Sonnenuntergeng entgegen über die Wiesen laufen. Es sind luftige Gesamtwesen, die sich mit vielfältigen Sinnen des Sehens, Hörens, Fühlens auf atmosphärische Frequenzen ihres Lebensfeldes synästhetisch einschwingen.

Durch ihr künstlerisches Erforschen der Natursprachen und im Erleben zaghaften Entgegenkommens der Natur kreiert Barbara häufig sehr eigensinnige Dialoge mit der mehr-als-menschlichen Mitwelt. Hier auf dem Pegnitzgrund singt und kommuniziert sie routiniert mit den ihr begegnenden Wesen in ihrem großen stimmlichen Spektrum. Bald wendet der Schwarm sich ihr zu, hält sich senkrecht über ihr und bewegt sich wie tanzend zu ihren Klängen. Ein beiderseitig großes Erstaunen beginnt. Eine kleine Schwarm-Vorhut umschwirrt Barbaras Kopf und scheint über das menschliche Wesen zu staunen, das ihr gerade begegnet. Bewusstsein trifft Bewusstsein. Es ist wie ein Wunder.

Die Begegnung mit der klingenden, wesenhaften Himmelsschnur dauert unvermutet beinahe eine halbe Stunde. Der Schwarm begleitet Barbara über hunderte von Metern, selbst beim tänzerischen Lauf über die Wiese bleibt der Schwarm hautnah bei ihr. Barbara wirkt wie eine Marionette an einem lebendigen Faden. Wer bewegt sich hier mit wem durch diesen göttlichen Lebensgrund?

Video zu dieser Begegnung: https://youtu.be/NxbWPcqtvhY

»Vor langer Zeit begegneten mir auf einem Weg an einem See im Gegenlicht der Abendsonne die Flugzeichnungen und Klangbilder dieser Wesen.

Fasziniert und erstaunt beobachtete ich die luftigen Klangschriften dieser sonnenuntergangsbeschienenen, schwingenden Begegnung mit- und zueinander. Die vielseitigen Frequenzen und Wegspuren ihrer Flügelschläge glichen einem lichtdurchfluteten Konzert. Diese freie, schöpferische Partitur nachahmend sang ich mutig und gelassen – trotz irritierter Blicke von Spaziergängern und Radfahrern – verschiedene Töne in unterschiedlichen Oktaven zum Flügelschwarm hinauf. Kaum fand sich der richtige Ton, umhüllte mich der Schwarm plötzlich wie eine Wolke. Hörte ich auf zu singen, stieg die beflügelte Wolke wieder nach oben. Eine kleine Natur-Performance.

Den entdeckten Schlüssel dieses wunderlichen Entgegenkommens, einen gesungenen, resonierenden Flügelklang, prägte ich mir ein und lief, diesen Flügelklang summend, den langen Weg durch die laute Stadt zu meiner daheim verweilenden Flöte. Es war das Fis. Später kamen weitere Töne und die Klangsprache beim Wiedersehen der fliegenden Geschöpfe hinzu. Ein Lebensgeschenk.«

Geflügeltes himmelblaues Geschöpf

Sternschnuppen wollen wieder vom Himmel fallen und die August´sche Begegnung findet als nächtlicher Lichter-Regen auf einem Hügelrücken mit Blick auf die Milchstraße statt. Kurz vor Sonnenuntergang zieht eine pechschwarze, kilometerlange Horizontwolkenwand von Regen, Blitz und Donner nördlich und zum Greifen nah sehr langsam übers Land.

Wir haben alle sehr großes Glück auf der Wiese am Steilhang, denn in der schwülen Dämmerung fallen am Rande des Walberla nur einige dicke Wassertropfen herunter. Eine feine Atmosphäre der Erleichterung und Freude ist spürbar. Bei aufgehendem Mond bleibt es sonnenuntergangswarm und trocken.

Das Warten auf die Nacht des Wünschens erweckt den Mut zur Kreativität. Tänzerisches Finger-Luftzeichnen der Landschaften und spontanes experimentelles Nachzeichnen von Himmelskompositionen aus sonnenbeschienenen Wolkenfäden und Vogelfluglinien beginnt. Ein himmelblauer Schmetterling landet plötzlich auf meiner Finger-Kuppel und ruht dort unglaublich lange geduldig in stillem Erstauntsein mit einer einzigartigen Geduld und Neugier.

Zwei Mädchen nähern sich zögernd und verwundert über meine hauchzarten Bewegungen auf diesem großflächigen Hügelrücken und entdecken erstaunt das mitschwingende himmelblaue Geschöpf in der Abendsonne. Die Freundschaft mit der Natur beginnt sich weiter zu entfalten. Der kleine Schmetterling läuft über unsere improvisierte Fingerbrücke zum Zeigefinger eines der Mädchen hinüber. Beide Mädchen gehen sanft und hocherfreut mit dem Schmetterling auf dem Hügel spazieren und kehren nach einiger Zeit mit ihrem Gefährten aus der Anderswelt zurück. Welch freudestrahlenden Augen und welch Erstaunen angesichts dieser zauberhaften Begegnung von Wesen zu Wesen.

Noch einmal bilden wir eine Fingerbrücke. Der Schmetterling nähert sich nun dem Fingerzeig des zweiten freudestrahlenden Mädchens. Gemeinsam spazieren alle drei wieder über den Hügelrücken vor der untergehenden Sonne und dem aufsteigenden Mond.

Nach ihrer Wiederkehr erneuter hauchzarter Brückenbau. Das geflügelte Wunderwesen berührt kurz meinen Finger wie zum Abschied und fliegt mit sich davon. Was bleibt, ist die Berührung und Erinnerung in unseren Herzen.

Sonnwenden

Die Sommersonnwende als kürzeste Nacht trägt wie der kürzeste Tag, die Wintersonnwende, einen kostbaren Schlüssel in sich. Es herrscht ein tief ruhender Stillstand und eine blühende Stille höchster Wachsamkeit, denn tags darauf beginnt das Umblättern der Jahreszeiten.

Die zwei Tage im Jahr, an denen der Lichtraum der nördlichen Sphäre sich jeweils beginnt zu vergrößern oder zu verkleinern, sind besonders intensive Zeiträume, an denen die Natur aufhorcht und dem fortwährenden stellar-planetaren Geschehen, in das sie eingewoben ist, auf besondere Weise huldigt.

Wer zu Sonnwenden der Natur seine Aufmerksamkeit schenkt, darf teilhaben an feierlichen Stunden des In-sich-Ruhens. Es ist, als ob die Zeit für einen Tag-Moment stehen bliebe und sich eine große innere Sammlung ereigne. Es heißt, dass Bäume an diesen Tagen, vor allem zur Wintersonnwende, alle Kraft in sich versammeln und das Holz besonders widerstandsfähig sei. Barbara ist wohl nicht zufällig zur Wintersonnwende in die Landschaft eines gewaltigen urzeitlichen Meteoriteneinschlags, dem Nördlinger Ries, hineingeboren. Kindern der Sterne und der Erde sind die Sonnwendtage und Begegnungen mit den Geschöpfen der Heimat Erde immer eine große Freude.

wundersam Sonnwenden wurden in den letzten Jahren mit Naturbegegnungen und künstlerischen Interventionen gefeiert, z.B. in einer verlassenen Industriehalle, in einer Kulturkirche, mit einer Eiche auf einem Steilhang im Nördlinger Ries und im Auwald nahe eines Tiergartens.

Im Laufe der Zeit haben sich besondere Tage entwickelt, die gemeinsam mit anderen Initiativen gestaltet werden. Eingeladen und eingebunden sind Menschen unterschiedlicher Herkunft und Profession. Wertvolle Netzwerke werden gewoben und Kontakte gepflegt wie zum Initiativkreis der von Hildegard Kurt und Andreas Weber gegründeten Erdfest Initiative. Der freundschaftliche Austausch mit dem Zentrifuge e.V. und dem Projekt ENGINEERING 2050 ermöglicht interdisziplinäre Projekte mit vielfältigen Perspektiven.

Möge die schöpferische Kraft und Stille der Sonnwendtage das kreative, naturverbundene Wirken aller Menschen fördern, stärken und begleiten.

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