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Mehr Bildung für nachhaltige Entwicklung
Dieser Beitrag vermittelt wesentliche Inhalte aus mehrjähriger Forschungsarbeit des Instituts für Nachhaltigkeit zu einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE). Unser Institut trägt durch Publikationen, betreute studentische Arbeiten sowie durch Projekte mit Unternehmen zu einer kontinuierlichen Bildung für Nachhaltige Entwicklung bei. wundersam als Wirkstatt zur Erforschung und Vermittlung der Sprachen der Natur und als urbanes Entwicklungslabor bietet für die Arbeit des Instituts wertvolle Synergien und Impulse. Künstlerische und experimentelle Projekte wie wundersam erforschen und vermitteln Nachhaltigkeit auf besondere Art und Weise und eröffnen innovative Felder auch aus naturpädagogischer Sicht. Als Kommunikationsplattform bietet wundersam mit dieser Publikation die Gelegenheit, den theoretischen Hintergrund nachhaltiger Entwicklung und deren Potenziale aufzuzeigen. Mit Freude hat das Institut für Nachhaltigkeit daran mitgewirkt.
Der Begriff Bildung für Nachhaltige Entwicklung wurde auf der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 geprägt. Dabei soll auf die drei Dimensionen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft in ihrer Komplexität und gegenseitigen Abhängigkeit sowohl national als auch global fokussiert werden. Die Konferenz über Umwelt und Entwicklung (United Nations Conference on Environment and Development, UNCED) in Rio de Janeiro hat einen besonderen historischen Stellenwert, denn seitdem ist BNE international bekannt. Die Umweltkonferenz hat zudem zwei völkerrechtlich verbindliche Konventionen hervorgebracht, welche von mehr als 150 Staaten unterzeichnet wurden. Diese sind die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversitätskonvention) und die Klima-Rahmenkonvention. Es sind drei weitere Dokumente erarbeitet worden, die keinen bindenden Charakter haben. Darunter die Agenda 21, welche in ihren 115 Programmpunkten einen Rahmen für das 21. Jahrhundert für den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung bildet. Die Agenda 21 enthält in 40 Kapiteln wesentliche Handlungsfelder für eine nachhaltige Entwicklung. Die Handlungsfelder sind in vier Hauptteile gegliedert:
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1. Soziale und wirtschaftliche Aspekte (Bekämpfung der Armut, Änderung der Konsumgewohnheiten), 2. Umweltaspekte (Schutz der Atmosphäre, Erhalt der Artenvielfalt), 3. Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen und nicht-staatlicher Organisationen an der Umwelt- und Entwicklungspolitik und 4. Instrumente zur Umsetzung (Fragen der Finanzierung, Technologietransfer).
Erstmals wurde durch die Agenda 21 die Existenz ökologischer Grenzen für die ökonomische und soziale Entwicklung anerkannt.
Noch immer sind wir weit entfernt von einer nachhaltigen Entwicklung, denn nach wie vor leben Menschen in absoluter Armut, haben keinen Zugang zu sauberem Wasser oder zu Bildung und Gesundheitsversorgung, oder müssen wegen politischer oder umweltbedingter Krisen ihr Land verlassen. Das ist ein Grund dafür, dass das Institut für Nachhaltigkeit insbesondere in Entwicklungsländern aktiv werden wollte, um dort die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.
So entstand im Jahr 2012 eine enge Zusammenarbeit mit dem Nürnberger Verein Fi Bassar e.V. , der in Bassar (Togo) aktiv ist und laut Satzung die Entwicklungszusammenarbeit, Gesundheitspflege sowie Bildung und Erziehung, insbesondere von Frauen und Kindern, fördert. Darüber hinaus geht es dem Verein um langfristige Partnerschaften, was auch in der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung mit verankert ist. Im Jahr 2017 bekam der Verein Fi Bassar e. V. unter Beteiligung des Instituts für Nachhaltigkeit den Zuschlag, um mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Else Kröner-Fresenius-Stiftung eine Klinikpartnerschaft zwischen dem Klinikum Nürnberg und dem Hospital C. H. P. in Bassar aufzubauen. Mittlerweile befindet sich das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH durchgeführte und betreute Klinikpartnerschaftsprojekt in der dritten Förderphase. Das Ziel ist die langfristige und nachhaltige Stärkung von Gesundheitssystemen in Ländern mit niedrigen oder mittleren Einkommen. Einmal jährlich fliegt ein Team des Klinikums Nürnberg nach Bassar, um mit modernen medizinischen Geräten und Instrumenten sowie Schulungen die Gesundheitsversorgung im Hospital in Bassar zu verbessern. Es werden unter anderem auch kostenlose Operationen für besonders benachteiligte Bevölkerungsgruppen angeboten.
Im Bereich Bildung unterstützt das Institut für Nachhaltigkeit die Errichtung eines Bildungscampus für 600 junge Menschen in Bassar. Das gesamte Bauvorhaben ist in sieben Abschnitte eingeteilt. Der erste Bauabschnitt mit einem Gebäude für die Ausbildungszweige Elektriker und Maurer ist abgeschlossen. Dieses zukunftsweisende Projekt hat die Vision, Perspektiven für die Menschen in und um Bassar zu bieten. Neben den bereits angebotenen Ausbildungszweigen sollen in den nächsten Jahren weitere Berufsausbildungsmöglichkeiten hinzukommen. Bei der Energieversorgung soll eine autarke Stromversorgung durch Solarenergie realisiert werden. In Planung ist eine Pflanzenkläranlage für anfallende Abwässer sowie eine ökologisch ausgerichtete, landwirtschaftliche Eigenproduktion zur Selbstversorgung.
Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung
Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2005 bis 2014 zur Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung ausgerufen. Ziel der Dekade war es, das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung in allen Bereichen der Bildung zu verankern. Dies ist bisher noch nicht umfassend geschehen. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist ein Querschnittsthema und sollte in jedem Fach in jeder Schule, am besten schon beginnend bei den Kleinsten, gelehrt werden. So können Kinder und Jugendliche aktiv zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Ziel sollte sein, dass jeder seinen Einfluss auf die Umwelt versteht und verantwortungsvolle Entscheidungen treffen kann, um ein gutes Leben im Einklang mit der Natur für alle Menschen zu gewährleisten. Diesen Anspruch verfolgt das Institut für Nachhaltigkeit in der Lehre und bei der Betreuung von studentischen Arbeiten. Das Institut hat dazu bereits im Jahr 2011 zum Teil inhaltlich selbst konzipierte Vorlesungen sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache entwickelt. Dies sind die Lehrveranstaltungen Sustainable Development & National Strategies und Digitalisierung & Nachhaltigkeit. Die Vorlesungen wurden an verschiedenen Universitäten und Hochschulen, auch im europäischen Ausland gehalten.
17 Ziele bis 2030
Im Jahr 2015 haben die Vereinten Nationen auf einer Generalversammlung die Agenda 2030 (auch: SDGs, Sustainable Development Goals, 17 Ziele, Nachhaltigkeitsziele) beschlossen. 193 Länder bekannten sich zu den 17 Zielen mit den 169 Unterzielen und haben seitdem nationale Entwicklungspläne erstellt. Die Agenda 2030 gilt für alle Länder der Welt – Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer gleichermaßen – und soll bis zum Jahr 2030 umgesetzt werden. Darin sind die sogenannten fünf P’s (People, Planet, Prosperity, Peace, Partnerships) enthalten. Der Leitspruch lautet leave no one behind (niemanden zurücklassen bzw. alle mitnehmen). Der Fokus liegt damit eindeutig beim Menschen mit allen seinen Bedürfnissen. Unsere Umwelt, der Wohlstand aller, Frieden und globale Partnerschaften zur Erreichung der Ziele spielen ebenfalls eine Rolle.
Unter dem Hashtag #17ziele oder auch unter 17ziele.de sind diese Nachhaltigkeitsziele ausführlich dargestellt. Viele beispielhafte Projekte sind dort dokumentiert.
Die 17 Ziele mit den 169 Unterzielen lassen sich in Nachhaltigkeitsreports sowohl für Unternehmen als auch für Kommunen abbilden. Das Institut für Nachhaltigkeit hat im Jahr 2020 den Nachhaltigkeitsbericht der Stadt Erlangen nach den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet. Alle Aktivitäten und Ergebnisse der Erlanger Stadtentwicklungspolitik sowie relevante Nachhaltigkeitsdaten der Jahre 2016 bis 2018 wurden übersichtlich in einem Report analysiert und dargestellt.
Auch wenn die 17 Ziele bereits im Jahr 2015 beschlossen wurden, so sind diese nach wie vor wenig bekannt. Viele dieser Ziele beziehen sich explizit auf unsere Natur und zeigen die Wichtigkeit einer intakten Umwelt für das Überleben der Menschheit. Vor allem der Boden als wichtigste lebenspendende Grundlage für den Anbau von Lebensmitteln, aber auch als Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten, braucht unseren besonderen Schutz. Aber auch das Wasser und die Luft sowie die wichtige Ozonschicht, die uns vor den krebserregenden UV-B-Strahlen der Sonne schützt, sind natürliche Grundlagen, die überhaupt Leben auf der Erde möglich machen. Seit etwa 200 Jahren, dem Beginn der Industrialisierung, merkt der Mensch, dass dieser die Natur ausbeutet. Er ist zwar im Verhältnis zum Erdalter erst eine verhältnismäßig kurze Zeit auf der Erde, jedoch ist sein zerstörerischer Einfluss dagegen überproportional groß.
Die Entwicklung von Leben und der Vegetation ist ein dynamischer Prozess, in dessen Verlauf diverse Pflanzen- und Tierarten entstanden, sich anpassten, auf Veränderungen reagierten oder wieder ausstarben. Der Mensch ist die einzige Spezies, die sich mit der Hilfe von Kultur, Medizin und technischen Entwicklungen vom Naturgeschehen abkoppeln konnte. Er greift allerdings so stark in ökologische Systeme ein, was wiederum Einfluss auf seine eigenen Lebensbedingungen und das der zukünftigen Generationen hat.
Wie kann der Mensch zurück zur Natur finden, die biologische Vielfalt schützen und zur Verbesserung der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen? Auch wenn die Zerstörung der Umwelt und eine vom Menschen verursachte Klimaveränderung bereits fortgeschritten ist, so sind mehr denn je Menschen über Umweltbelange sensibilisiert. Gerade unter den jungen Menschen formiert sich eine umweltbewusste Gemeinschaft, die den Klima- und Naturschutz einfordert. Es bleibt abzuwarten, inwiefern in den nächsten Jahren eine sozialökologische Transformation gelingt, die merklich zu einer Eindämmung der CO2-Emissionen beiträgt sowie eine zunehmende Umweltzerstörung und einen weiteren globalen Anstieg der Durchschnittstemperatur vermeidet.
Es gibt bereits viele positive Beispiele aus der Metropolregion Nürnberg, die zeigen, dass ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur möglich ist. So steigen die Zahlen der Unternehmen und Initiativen, die den Zero-Waste-Ansatz verfolgen. Dies sind Unternehmen, die Müllvermeidungsstrategien bzw. einen kompletten Müllverzicht umsetzen. In Nürnberg sind unter anderem die Eisdiele Eis im Glück und die Nusseckenmanufaktur Meister Küfner zu nennen. Im Jahr 2017 eröffnete der erste Unverpackt-Laden Zero Hero in Nürnberg. Dieser verzichtet komplett auf Verpackungen und verkauft unverpackte Lebensmittel und DrogerieArtikel.
Ebenfalls in Nürnberg ist das Projekt SDGs go local angesiedelt, welches vom Umweltbundesamt und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert wird. In diesem Projekt sind die 17 Ziele fest verankert. Durch Bildung für Nachhaltige Entwicklung im Stadtviertel St. Johannis entstehen neue Ideen und Initiativen, um auf lokaler Ebene die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen. So gibt es ein Lasten-Fahrrad für eine nachhaltige städtische Mobilität und liebevoll gepflegte Hochbeete mit Obst und Gemüse für die regionale und saisonale Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln.
All diese Beispiele zeigen, wie wert- und sinnvoll die Umsetzung von Bildung für Nachhaltige Entwicklung ist. Die BNE lässt sich somit auch als eine weltweite Bewusstseinsarbeit verstehen, die dazu beiträgt, das Leben auf unserer Erde gemeinsam zu schützen, zu fördern und zu bewahren.
Dina Barbian
1 Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity/CBD) ist das erste völkerrechtlich verbindliche, internationale Abkommen, das Biodiversität global und umfassend behandelt. Darin geht es in erster Linie um den Schutz der biologischen Vielfalt der Ökosysteme, der Arten und deren genetische Differenzierung. In dieser Konvention zum Artenschutz wird der Schutz der gesamten biologischen Vielfalt und eine nachhaltige Entwicklung angestrebt.
2 Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (engl. United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) hat zum Ziel, die globale Erwärmung einzudämmen sowie ihre Folgen abzumildern.
3 Mehr Informationen sind auf der Vereins-Webseite zu finden: www.fibassar.de
4 Der Nachhaltigkeitsbericht der Stadt Erlangen kann unter diesem Link heruntergeladen und eingesehen werden: https://erlangen.de/uwao-api/faila/files/bypath/Dokumente/PDF-Formulare/31_Umweltamt/31klima_Nachhaltigkeitsbericht_ interaktiv_Nov.2021.pdf