Engineering 2050

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C r E A T i V i T Y W O r K S H O P

EnginEEring 2050 E i n e v o n

K o n z e p t i o n V D i / V D E

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K r e a t i v i t 채 t


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0. INHALT 1. ZUSAMMENFASSUNG

... S4

Der Workshop Engineering 2050

Dieser Prozess wird fortgesetzt

am 26. Juni 2013 wurde durch-

und vertieft – die Zentrifuge und

geführt von der Kreativplattform

der VDI/VDE möchten damit einen

Zentrifuge und der VDI/VDE-

Beitrag leisten, dass Deutsch-

Gesellschaft für Mess- und Auto-

land als Produktionsstandort und

matisierungstechnik im VDI Be-

Lieferant von Produktionsanlagen wettbewerbsfähig und innovativ

2. DOKUMENTATION

... S8

zirksverein Bayern Nordost e. V.

2.1. IMPULSE

... S8

und VDE-Bezirksverein Nord-

bleibt. Ziel dieser Kooperation ist,

Matthias Barbian: Technik und Kreativität Michael Schels: Forschende Kunst Rainer Ohnmeiß: Durchgängige Anlagenplanung Ronald Zehmeister: Zukunft ist interdisziplinär Frank Wolter: Kunst und durchgängige Anlagenplanung

... S8 ... S8 ... S9 ... S10 ... S12

bayern e. V sowie den Studenten

technische, kreative und künst-

und Jungingenieuren SuJ im

lerische Perspektiven stärker

VDI Nürnberg. Der Einladung sind

in Austausch zu bringen, dabei

über 30 Ingenieure, Technikbe-

individuelle Horizonte zu über-

geisterte, Künstler und Kreative

schreiten und Vorstellungen von

gefolgt. Gemeinsam entwickelten

den Möglichkeiten künftiger in-

sie Ideen und tauschten Vorstel-

dustrieller und gesellschaftlicher

lungen aus über den Anlagenbau

Zusammenhänge und Prozesse

der Zukunft im Zusammenhang

zu entwickeln.

2.2. WORLD CREATIVITY CAFÉ

... S13

Station 1: Wie sieht eine Produktionsanlage im Jahr 2050 aus? Station 2: Wie wird diese Anlage dann geplant? Station 3: Welche Rolle spielt der kreative Mensch bei der Anlagenplanung? Station 4: Wie nehmen wir die Menschen mit?

... S14 ... S15 ... S16

3. IMPRESSUM und DANK

... S18

... S16

mit Technik, Arbeiten und Leben.


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1. ZUSAMMENFASSUNG

gemeinsame Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Produktionsstandort und Lieferant von Produktionsanlagen zu sichern und zu stärken. Dazu gehört ständiges Lernen, ein Denken „Out of the Box“, Kreativität und Kooperation. Das Motto lautet: Technik von Menschen und für Menschen. Die Kunst kann hier eine sehr wichtige Rolle spielen und wertvolle Anregungen geben. IN EINEM EINSTÜNDIGEN WORLD CREATIVITY CAFÉ WURDEN VIER THEMEN BEARBEITET. 1) Wie sieht eine Produktionsanlage im Jahr 2050 aus? Eine Produktionsanlage im Jahr 2050 wird hochgradig dezentral, modularisiert und flexibel sein. Das „Produkt“ der Zukunft trägt den Fertigungsplan in sich und sucht sich für die Herstellung und Zusammensetzung seiner Bestandteile die entsprechenden Produktionsstätten und -module aus. Die ständige Beschleunigung technologischen Fortschritts führt dazu, dass Verbraucherwunsch und Umsetzung immer weiter zusammenrücken; der Gedanke formt das Produkt. Die Produktionsanlagen rücken auch räumlich an die Verbraucher heran. Bei der Herstellung von Gütern haben wir einen vollendeten Kreislauf. Das Herstellungs-Material kann kleinteilig beliebig in andere Güter überführt und recycelt werden. 2) Wie wird eine Produktionsanlage im Jahr 2050 geplant? Die digitale Fabrik und das Holo-Deck werden Realität. Die Planung wird durch Simulation vereinfacht und visualisiert, das Holo-Deck erlaubt haptische Erlebnisse. Die Planungsmodelle lernen und verbessern sich selbst. Womöglich werden die Anforderungen aus den Gedanken des Planers extrahiert, seine Wünsche steuern den Planungsvorgang.

Über 30 Ingenieure, Technikbegeisterte, Künstler und Kreative sind der Einladung zu dem Workshop Engineering 2050 gefolgt und haben gemeinsam Ideen über den Anlagenbau der Zukunft entwickelt. Ausrichter und Organisatoren des Workshops waren: • Kreativplattform Zentrifuge Auf AEG in Nürnberg • VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik im VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e. V. und VDE-Bezirksverein Nordbayern e. V • Studenten und Jungingenieure SuJ im VDI Nürnberg Innovation bedeutet, dass man neue Wege geht. Solche neuartigen Ansätze der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Sphären stellen somit auch in der Form ein zukunftsweisendes Beispiel dar. Das


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Ähnlich biologischen Organismen wird sich die Produktionsanlage selbst diagnostizieren, Veränderungen der Anlage und ihre Instandhaltung organisieren. Ob für die Produktion noch Menschen benötigt werden oder Androiden diesen Job übernehmen, autonom oder ferngesteuert, ist noch unklar. Neben Kosten, Termin und Qualität werden soziale Aspekte und Ökologie feste Bestandteile der Planung sein. Die grüne, klimaneutrale Fabrik – von der Planung über den Betrieb bis zur Entsorgung – ist Realität und Grundlage für ein zukunftsorientiertes, gutes Leben für alle. 3) Welche Rolle spielt der kreative Mensch bei der Anlagenplanung? Hundertwasser Fabrik: Kreativität wird unmittelbar, Ästhetik wird wichtiger, Design und Funktion werden eins. Maschinen könnten über eine „künstliche“ Intelligenz verfügen und Prozesse selbst vorantreiben, dokumentieren und steuern. Der Mensch ist als „Maschinenflüsterer“ im Einsatz, der dem System die Grenzen aufzeigt und bei Bedarf eingreift. Diese Systeme könnten komplexe und mächtige Konstrukte sein, deren Verwaltung und Bedienung den Menschen noch mehr fordert, als dies zum heutigen Zeitpunkt der Fall ist. Die Möglichkeiten der Umsetzbarkeit von Produkten und Prozessen werden größer und die Einschränkungen geringer sein als heutzutage. Der Mensch wird befreit von lästigen Tätigkeiten, administrative Prozesse werden von den Systemen übernommen, so dass sich hieraus Freiräume im Denken und Handeln ergeben. „Kreativität als Ware“. Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen kreativ und nicht kreativ, der Mensch als Limitierer für die universelle Maschine. 4) Wie nehmen wir die Menschen mit? Die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit und die zunehmende Automatisierung bieten viele Chancen, bergen aber auch beängstigende Risiken, wenn die Menschen bei dieser Entwicklung außen vor bleiben oder ihr gar unterworfen werden (Horrorvision „Matrix“: Der Mensch als Material bzw. „Batterie“). Künftige Innovation wird in gesellschaftlichen und sozialen Bereichen im Verbund mit der Technik stattfinden. Ästhetische und ethische Aspekte werden immer wichtiger. Kommunikation, Moderation, Verstehen entwickeln sich zu Schlüsselaufgaben bzw. -kompetenzen. Es stellen sich Fragen wie: • Wohin wollen wir? > Austausch über Ziele und Wege / Gemein-Nutzen, „Green“, Nachhaltigkeit, WorkLife-Balance, Erholung • Transparenz / Offenheit / Gläserne Maschine / Open Knowledge / intelligente Netzwerke • Wertewandel: Mensch wird „überflüssig“ bzw. von stupider Arbeit befreit. Arbeit wird neu definiert, Aufwertung sozialer Berufe, Technik muss in Einklang gebracht werden, persönliche Entwicklung rückt in den Vordergrund


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2.1 IMPULSE DAS WORLD CREATIVITY CAFÉ WURDE MIT KURZEN IMPULSVORTRÄGEN EINGELEITET. DIE REFERENTEN GABEN DEN TEILNEHMERN INFORMATIONEN, IDEEN UND ANREGUNGEN MIT AUF DEN WEG. DADURCH WURDEN THEMENSPEKTRUM SOWIE AUFGABEN- UND FRAGESTELLUNGEN VERMITTELT.

Technik und Kreativität | Dipl.-Ing. Matthias Barbian Der Mensch als Individuum steht mit seiner Kreativität im Mittelpunkt von Gesellschaft, Wirtschaft und Technik. Er ist Gestalter und Nutzer der demokratischen Gesellschaft, in der jeder zu seiner Zufriedenheit seinen Platz findet. Voraussetzung ist dabei eine erfolgreiche Wirtschaft, die im internationalen Wettbewerb besteht. Die Grundlage hierfür bildet die Technik: Technik von Menschen und für Menschen. In der Anlagenplanung sind dabei eine Durchgängige Anlagenplanung sowie die Industrie 4.0 der richtige Weg. Deshalb darf aufgrund der internationalen Wettbewerbssituation die Kreativität des einzelnen Menschen nicht außer Acht gelassen werden. Diese muss stärker genutzt und effizienter eingesetzt werden. Interdisziplinarität ist dabei gefragt. Und das sollte schon im Kindergarten und in der Schule gefördert werden und nicht erst in den Universitäten und im Berufsleben beginnen. Die VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik im VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e. V. und VDE-Bezirksverein Nordbayern e. V. geht diesen Weg zur Steigerung und Nutzung der Kreativität zusammen mit der Zentrifuge. In einer langfristigen Zusammenarbeit unter dem Motto „Engineering 2050“ soll experimentell in verschiedenen Workshops erarbeitet werden, wie Ingenieure, Technikbegeisterte und Kreative zukünftig zusammenarbeiten können, damit Deutschland als Produktionsstandort und Lieferant von Produktionsanlagen wettbewerbsfähig und innovativ bleibt.

Forschende Kunst | Dipl. Germ./Journ. Michael Schels Die Zentrifuge ist ein ästhetisches Labor, das künstlerisch-kreative Zusammenhänge und Prozesse erkundet, dabei neue Formen der Kooperation, Kreation, Produktion und Verwertung entdeckt und erprobt. Beim Projekt „Forschende Kunst“ stellen wir durch gezielte Tätigkeit einen Prozess her, der nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt ist. „Forschende Kunst“ bringt somit „Forschung“ und „Kunst“ in einen produktiven Zusammenhang. Ziel dabei ist, Menschen unterschiedlicher Disziplinen und Erlebniswelten zu einem offenen Austausch anzuregen. Sie bringen aus ihrer jeweiligen Perspektive Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition ein. In der Summe können dadurch Erkenntnisse gewonnen werden, die wiederum in neue Projekte einfließen. Der Prozess wird systematisch dokumentiert, die Ergebnisse werden veröffentlicht.

Das Projekt „Forschende Kunst“ steht exemplarisch für unzählige kreative Prozesse. Es will ein nachvollziehbares und fortwährendes Nachdenken darüber anregen, was Menschen tun, wenn sie in gemeinsamen, konstruktiven Projekten ihrer Kreativität und Intuition vertrauen. Dies geschieht aus der Überzeugung heraus, dass Kreativität und künstlerisches Arbeiten enorme Potenziale für Innovationsprozesse bieten. Dabei kommen auch philosophische und ethische Dimensionen ins Spiel: Was ist uns wirklich wichtig und wertvoll und was sind wir bereit, dafür zu tun? Thesen: • Kunst ist forschend, sofern sie nach Erkenntnis strebt. • „Forschende Kunst“ erhebt das „Forschen“ zum Programm und macht ihr „Forschen“ explizit. • „Forschende Kunst“ ermöglicht eine erweiterte Sicht auf die Kunst, da der künstlerische Prozess als forschender bereits im Vollzug sich der Aufgabe stellt, der Erkenntnis zu dienen, also nachvollziehbar und in seinen Zielen, Verfahren und Ergebnissen verständlich zu sein. • „Forschende Kunst“ ist interdisziplinär in dem Sinne, dass sie sich bewusst auch anderen Wissensbereichen öffnet und mit diesen in Austausch tritt. • „Forschende Kunst“ sucht nach Modellen für ein Weltverständnis, das den subjektiven Horizont übersteigt. • „Forschende Kunst“ erkundet neue Räume der Wahrnehmung, des Denkens, Fühlens und Handelns. Sie ist engagierte Kunst, da sie sich in einem größeren Zusammenhang versteht und sich in diesem entfaltet. Sie ist innovativ, da sie Neu-Konfigurationen der Wirklichkeit erzeugt.

Durchgängige Anlagenplanung | Dipl.-Ing. Rainer Ohnmeiß Praktisch alle Dinge unseres täglichen Lebens und auch schon deren Bauteile werden heute industriell in Fertigungsanlagen hergestellt. Damit beginnen wirtschaftliche Produkte schon mit einer effizienten Planung dieser Anlagen. Fehlende Durchgängigkeit in der Anlagenplanung geht immer einher mit Zeit- und Informationsverlusten und verursacht so Fehlplanungen und Zusatzkosten. Aber Durchgängigkeit ist komplex und vielschichtig. Sie erstreckt sich über den Lebenszyklus einer Anlage, über unterschiedliche Disziplinen, über funktionales Zusammenspiel, zwischen Rollen … Aufgrund der großen Bedeutung werden viele Werkzeuge oder Richtlinien zur Verbesserung der Durchgängigkeit entwickelt, doch eine Lösung gibt es (noch) nicht. Im Zuge dieses Arbeitskreises findet ein Austausch über einzelne Lösungen aus verschiedenen Branchen und über Konzepte aus der akademischen Forschung statt. Es werden aber auch gänzlich neue Wege erarbeitet und somit neue Aspekte geschaffen. Damit wird es dem Interessierten ermöglicht, die für die eigene Aufgabenstellung passenden Anregungen und Bausteine zu identifizieren und damit auf das eigene Arbeitsumfeld einzuwirken.


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Zukunft ist interdisziplinär | Ronald Zehmeister, MBA Innovation ist eines der großen Schlagworte unserer Zeit. Bahnbrechende, zukunftsweisende Ideen auf Knopfdruck – das ist die Zielvorstellung und würde den dringend benötigten Rohstoff für unsere Volkswirtschaft liefern. Aber funktioniert das so einfach? Wir können zwar vorhandenes Wissen sehr gut reproduzieren und darauf basierend praktisches Know-how aufbauen. Aber wie entsteht das wirklich Neue? Ein Innovationsforscher hat das auf den Punkt gebracht: Wie kann man das planerisch vorherbestimmen, was man noch nicht weiß? Hier setzt die interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Fachwissen verschiedenster Art wird in ungewöhnliche Zusammenhänge gebracht. Kreative und Ingenieure gehen in einen Dialog. Man weiß, dass hinter jeder großen Entde-

ckung und Erfindung ein Moment besonderer Intuition steckt. Solche Prozesse gilt es durch „unterstützende Kontexte“ bewusst zu fördern. Fragen werden ganz anders aufgeworfen und so Wege zu Lösungen eröffnet, die vorher noch gar nicht sichtbar waren. Die Zusammenarbeit zwischen der Zentrifuge und dem VDI/VDE darf als richtungsweisendes Projekt angesehen werden. „Engineering 2050“ beinhaltet viele neuartige und spannende Herausforderungen für Wirtschaft, Technologie, Kultur und Gesellschaft. „Während das Management klassischer Produktionsfaktoren ausgereizt zu sein scheint, hat das Management des Wissens seine Zukunft noch vor sich.“ (Wissen managen, 2010).

Dipl.-Ing. Matthias Barbian

Dipl. Germ. / Journ. Michael Schels

Dipl.-Ing. Rainer Ohnmeiß

Ronald Zehmeister, MBA

Leiter der VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik im VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e.V. / VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V. 1993 bis 1998 Projektleiter für Produktionsanlagen bei der Deutschen Rockwool GmbH im Werk Neuburg a. d. Donau und für internationale Großprojekte bei Rockwool International A/S in Kopenhagen. Seit 1998 bei der Siemens AG im Projektmanagement für Anlagen der Distributions- und Flughafenlogistik, dann Consultant für Projektmanagement sowie Engineering und zur Zeit in der Strategie und Geschäftsentwicklung für die Branchen der Prozess- und diskreten Industrie sowie für die Durchgängige Anlagenplanung.

Gründer und Erster Vorstand Zentrifuge e.V., zuständig für Programm, Koordination und Kommunikation. Selbstständiger Texter und Kulturmacher (Kulturbüro Schels). 2010 bis Juni 2013 Projektmanager für das EU Projekt „Second Chance“ am Standort Auf AEG in Nürnberg. Schwerpunkte: Ideen-Entwicklung und -Management, Transformationen und Netzwerke, künstlerische Impulse und kulturelle Innovationen.

Stellvertretender Leiter des VDI/VDE-Arbeitskreises „Integrated Plant Engineering“. Vertreter des VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V. Seit 1991 tätig bei der Siemens AG im Bereich industrielle Automatisierung. Bis 2007 als Technologe und Inbetriebsetzungsleiter für Walzwerksautomatisierung. In dieser Zeit wurde bei mehreren internationalen Projekten der gesamte Engineeringprozess vom Auftrag bis zur Abnahme vor Ort durchgehend bearbeitet. Ab 2007 im Innendienst in Erlangen weiter für die Walzwerksautomatisierung tätig. Festlegung der technischen Lösungen und Umbaustrategien für Modernisierungsprojekte und Integration in Fremdanlagen.

Angewandte Trend- und Zukunftsforschung und Strategieentwicklung (www.sensing-system.de). Entwicklung von Think-Tank-Formaten bei metropol.Z, der Business-Einheit der Zentrifuge in Nürnberg. Studium der Philosophie in Erlangen und Tübingen. Berufsbegleitendes MBA-Studium mit Schwerpunkt Zukunftsforschung und Human-Machine-Interfaces. Über 12 Jahre Erfahrung in Vertrieb und Marketing im Software-Engineering und -Consulting. Kunden aus den Branchen Automotive, Automatisierung und Medizintechnik. Seit 2011 selbständig mit dem Thema technologische und gesellschaftliche Trends und Innovation.


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2.2 WORLD CREATIVITY CAFÉ

Kunst und durchgängige Anlagenplanung | Dipl.-Ing. Frank Wolter Die Planung komplexer Anlagen umfasst viele Gewerke – von der Verfahrensauslegung und dem dreidimensionalen Layout über die Bauwerke bis zum letzten Draht für die Automatisierung. Beteiligt sind Auftraggeber und Lieferanten in den unterschiedlichsten und immer wieder neuen Zusammenstellungen. Durch diese Vielschichtigkeit wird es nicht eine Lösung eines Werkzeug-Herstellers geben, sondern die Durchgängigkeit kann nur durch Kooperation, Standards und Schnittstellen erreicht werden. Die Initiative Industrie 4.0 ist eine Chance, zu solchen kooperativen Lösungen auf Basis gemeinsamer und akzeptierter Festlegungen zu kommen. Die „Cyber Physical Systems“ CPS der Industrie 4.0 könnten zu „Cyber Engineering Objects“ CEO weitergesponnen werden, die sich in „Engineering Operating Systems“ EOS bewegen. Die Konsum-Elektronik mit ihren „Apps“ macht es uns vor. Die immer weitergehende Vernetzung, Nebenläufigkeit und geforderte Flexibilität zum Beispiel von Produktionsanlagen erhöht die Anforderungen an den Menschen. Ständiges Lernen wird zum Normalfall. Hier kommt die Kreativität ins Spiel, Denken „Out of the Box“, Kreativität und Kooperation sind gefragt. Nicht zu vergessen, der Sinn der Technik ist es, dem Menschen zu dienen. Die Kunst ist hier ein wichtiges Element, um die Welt, hier speziell die der durchgängigen Anlagenplanung, lebenswert zu machen.

„Das World-Café ist eine Workshop-Methode, die auf der Annahme basiert, dass es kollektives Wissen gibt. Menschen werden dabei in ein konstruktives Gespräch gebracht zu Themen, die für die Teilnehmenden relevant sind. Es geht darum, in Veränderungsprozessen möglichst viele Beteiligte zu Wort kommen zu lassen und ihnen so Mitwirkung und Engagement zu ermöglichen. Die Gespräche sollen in einer entspannten Atmosphäre stattfinden und haben das Ziel, gemeinsames Wissen und den Leistungsvorteil der Gruppe sichtbar zu machen, um so neue Perspektiven, Denkweisen und Handlungsoptionen zu entwickeln.“ (zitiert nach Wikipedia) Das World Café Format wurde bei diesem Workshop zu einem World Creativity Café erweitert: Die aktuelle Ausstellung „EX“ – Die Faszination des Verlassens – Il fascino dell’abbandono1 der Zentrifuge mit Fotografien von verlassenen industriellen Orten in Norditalien erzeugte eine Atmosphäre, bei der die Fragestellung rund um postindustrielle Transformationen ästhetisch greifbar war, was zum Nachdenken anregte und die Auseinandersetzung intensivierte. „EX“ – Die Faszination des Verlassens – Il fascino dell’abbandono. Fotografien von Alessandro Scarpa und Carlo Albertini, Venedig. Zentrifuge Auf AEG. Nürnberg, 28.6.-28.7.2013. Die Fotografen Scarpa und der Albertini dokumentieren vergessene, verlassene Fabriken, leerstehende Kaufhäuser und herrenlose Gebäude Norditaliens. Mit der Ausstellung „EX“ zeigen sie für die Allgemeinheit unzugängliche Orte, die sie bei ihren engagierten Erkundungen (wieder-) entdeckt haben. Scarpa / Albertini suchen einen ästhetischen Zugang zu ihrem Gegenstand: „Vergiss Düsternis, Dumpfheit und Rost – in „EX“ wandelt sich Trostlosigkeit in Schönheit. Es ist eine lebendige und kräftige Schönheit, die in Explosionen von Farben und Blitzen aufscheint und die in einzigartigen Momenten geometrisch perfekt eingefangen sind. Es ist eine Feier des Lebens und der Seele in etwas, das fälschlicherweise tot geheißen wird.“

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Dipl.-Ing. Frank Wolter Stellvertretender Leiter des VDI/ VDE-Arbeitskreises „Integrated Plant Engineering.“ Nach dem Studium in Bremen seit 1991 tätig bei der Siemens AG, bis 1999 im Anlagenbau für die GrundstoffIndustrie. Seit 2000 im Bereich Energy in der Software-Entwicklung für Engineering-Systeme für die MSR-Technik im Kraftwerk.


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Station 1: Wie sieht eine Produktionsanlage im Jahr 2050 aus?

Station 2: Wie wird eine Produktionsanlage im Jahr 2050 geplant?

Moderation: Ronald Zehmeister und Rainer Ohnmeiß

Moderation: Frank Wolter

Eine Produktionsanlage im Jahr 2050 wird hochgradig dezentral, modularisiert und flexibel sein. Die Flexibilisierung führt zu immer universelleren und damit austauschbareren Anlagen. Ein Maschinentyp kann fast alles bearbeiten oder erzeugen. Damit werden weniger Zwischenprodukte und Halbzeuge erforderlich. Dies eliminiert die Synergie und Effizienz einer Serienfertigung. Die Universalität erlaubt so mit gleichem Aufwand die Herstellung von kundenspezifischen Unikaten.

Die digitale Fabrik und das Holo-Deck werden Realität. Die Planung wird durch Simulation vereinfacht und visualisiert, das Holo-Deck erlaubt haptische Erlebnisse. Die Planungsmodelle lernen und verbessern sich selbst. Der Planungsprozess wird automatisch ablaufen, der Mensch wird das Ergebnis durch Vorgaben steuern. Womöglich werden die Anforderungen aus den Gedanken des Planers extrahiert, seine Wünsche steuern den Planungsvorgang. Die Planung organisiert sich selbst und macht Vorschläge für den Ingenieur.

Cloud manufacturing bedeutet, dass – sobald ein Produkt benötigt wird – nur noch die Baupläne und Fertigungspläne aus einer Produkt-Cloud geholt werden. Das Werkstück trägt dann den Fertigungsplan in sich und sucht sich für die Herstellung und Zusammensetzung seiner Bestandteile die entsprechenden Produktionsstätten und -module aus. Das Know-how steckt künftig im Engineering der Pläne und der Gewinn im Verkauf von Lizenzen. Die Intelligenz steckt in der Software. Diese modularen Pläne können dann in weiten Grenzen durch den Verbraucher selbst nach seinen individuellen Bedürfnissen adaptiert werden. Der Konsument wird auch zum Entwickler. Die ständige Beschleunigung technologischen Fortschritts führt dazu, dass Verbraucherwunsch und Umsetzung immer weiter zusammenrücken; der Gedanke formt das Produkt. Die Produktionsanlagen rücken auch räumlich an die Verbraucher heran. Mehr Flexibilität bedeutet auch eine geringere Anzahl spezialisierter Anlagen und somit weniger Platzbedarf. Bei der Herstellung von Gütern haben wir einen vollendeten Kreislauf. Das Herstellungs-Material kann kleinteilig beliebig in andere Güter überführt und recycelt werden. Aus einem für einen Tag überflüssigen Auto kann am nächsten Tag etwas ganz anderes hergestellt werden. Der bisherige „Transport“ fällt weg. Dies gilt sowohl für die Rohstoffe als auch für Energie und die Produkte. Es gibt also keine zentralen Produktionsanlagen mehr, sondern nur noch lokale construction cubes. Produktionsanlagen verschwinden aus dem Alltag. Industrie und Gesellschaft verschmelzen immer mehr und dabei verwischen auch die Grenzen zwischen Leben und Arbeit. Die Maschinen arbeiten weitgehend selbstständig und selbstorganisiert. Es benötigt keine Menschen mehr für der Bedienung und Steuerung der Produktion. Auch das Monitoring erfolgt autark. Die Produkte und Anlagen sind wartungsfrei, und haben keinen klassischen Lebenszyklus mehr.

„Big Data“ macht das Wissen der Welt für den Planungsprozess verfügbar, Schwarm-Intelligenz und Engineering in der Cloud sind real. Die Produktionsanlage wird sehr flexibel auf neue Anforderungen reagieren. Die in der Produktionsanlage vorhandenen Fähigkeiten werden sich selbst organisieren, je nach den Produktionsanforderungen. Ähnlich biologischen Organismen wird sich die Produktionsanlage selbst diagnostizieren, Veränderungen der Anlage und ihre Instandhaltung organisieren. Ob für die Produktion noch Menschen benötigt werden oder Androiden diesen Job übernehmen, autonom oder ferngesteuert, blieb ungeklärt – wenn die spezielle Produktionsanlage nicht gar durch eine Universalmaschine ersetzt sein wird, so wie der 3D-Drucker. Neben Kosten, Termin und Qualität werden soziale Aspekte und Ökologie feste Bestandteile der Planung sein. Die grüne, klimaneutrale Fabrik von der Planung über den Betrieb bis zur Entsorgung ist Realität und Grundlage für ein zukunftsorientiertes, gutes Leben für alle. Natürlich gab es auch kritische Stimmen von den Robotermärchen, der Planung als Ersatz des Zufalls durch den Irrtum, der weltweiten Planung, ... und auch auf dem Mars. Von diesen Stimmen lassen wir uns nicht beirren – in der Zukunft wird die Anlagenplanung ein Kinderspiel.


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Station 3: Welche Rolle spielt der kreative Mensch bei der Anlagenplanung? Moderation: Thorsten Sprenger und Hubert Würschinger

Von Anfang an spalteten sich die Meinungen der Teilnehmer in zwei Szenarien: Der Mensch spielt keine Rolle mehr bzw. eine untergeordnete und der Mensch wird in seinem Handeln und Tun frei, um kreativ zu sein. Die Bedrohung der Maschinen im Jahr 2050, die den Menschen überflüssig machen, wurde angeregt diskutiert. Maschinen könnten dabei über eine „künstliche“ Intelligenz verfügen und Prozesse selbst vorantreiben, dokumentieren und steuern. Jedoch müssen, nach Auffassung der Teilnehmer, diese Systeme gestaltet und programmiert werden, was wiederum von der Kreativität des Menschen beeinflusst wird. Der Mensch ist als „Maschinenflüsterer“ im Einsatz, der dem System die Grenzen aufzeigt und bei Bedarf eingreift. Diese Systeme könnten komplexe und mächtige Konstrukte sein, deren Verwaltung und Bedienung den Menschen noch mehr fordert, als dies zum heutigen Zeitpunkt der Fall ist. Einig war man sich unter den Teilnehmern darüber, dass die Möglichkeiten der Umsetzbarkeit von Produkten und Prozessen größer und die Einschränkungen geringer sein werden als heutzutage. Der Mensch wird befreit von lästigen Tätigkeiten, administrative Prozesse werden von den Systemen übernommen, so dass sich hieraus Freiräume im Denken und Handeln ergeben. Zur Erleichterung der Anlagenplanung im Jahr 2050 steht dem Planer eine Vielzahl von Engineering-Werkzeugen zur Verfügung, die zum Teil frei verfügbar sind (Open Source). Das „Wie“ wird über das System definiert und der Mensch muss nur noch festlegen „was“ gefertigt werden soll.

Station 4: Wie nehmen wir die Menschen mit? Moderation: Alessandra Brisotto und Michael Schels

Zum Einstieg stellten die Moderatoren eine Frage: Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch die Natur und stoßen plötzlich auf eine Industrieanlage. Was fühlen Sie? Die Teilnehmer empfanden Faszination und Neugierde, aber auch Bedrohung und Verstörung. Mensch und Technik werden als ambivalente Beziehung erfahren. Davon ausgehend wurde darüber nachgedacht, wie sich dieses Verhältnis im Jahr 2050 darstellen könnte bzw. sollte. Die enorme Entwicklungsgeschwindigkeit und die zunehmende Automatisierung bieten viele Chancen, bergen aber auch beängstigende Risiken, wenn die Menschen bei dieser Entwicklung außen vor bleiben oder ihr gar unterworfen werden (Horrorvision „Matrix“: Der Mensch als Material bzw. „Batterie“). Künftige Innovation wird in gesellschaftlichen und sozialen Bereichen im Verbund mit der Technik stattfinden. Die Technik muss dem Menschen dienen und dessen Bedürfnissen entsprechen. Ästhetische und ethische Aspekte werden immer wichtiger. Kommunikation, Moderation, Verstehen, Fürsorge, Empathie, Sensibilität, Teilhabe entwickeln sich zu Schlüsselaufgaben bzw. -kompetenzen.


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Zentrifuge

3. IMPRESSUM UND DANK HERAUSGEBER: Zentrifuge e. V. und VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik im VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e. V. und VDE-Bezirksverein Nordbayern e.V V.I.S.D.P.: Michael Schels (Zentrifuge e. V.), Matthias Barbian (Leiter VDI/VDE-Gesellschaft für Mess- und Automatisierungstechnik im VDI-Bezirksverein Bayern Nordost e.V. und VDE-Bezirksverein Nordbayern e. V) GRAFIK: Katja Schindlbeck | gdks – Grafikdesign Katja Schindlbeck (www.katjaschindlbeck.com) FOTOGRAFIE: Alexander Meyer, Katja Schindlbeck, Damiano Fraccaro DRUCK: flyeralarm.de Erscheinungsdatum: Juli 2013 Auflage: 1000 Ex.

DANK Wir danken Alessandra Brisotto (a casa – Sprache und Kultur in Entwicklung) für das fabelhafte und liebevoll zubereitete italienische Buffet. Auch herzlichen Dank an Hubert Würschinger und Thorsten Sprenger für die Konzeption und Vorstellung des WorkshopFormats. Und ein besonderer Dank an Alexander Meyer für die Foto-Dokumentation und an Katja Schindlbeck | gdks für die grafische Gestaltung und Umsetzung dieser Broschüre.

Die Zentrifuge ist im Zuge der postindustriellen Transformation Auf AEG entstanden. Im Jahr 2008 – kurz nachdem die AEG Produktion in Nürnberg stillgelegt wurde, begann der gemeinnützige Verein Zentrifuge e.V. Kunstausstellungen in einer verlassenen Industriehalle auf dem stillgelegten Gelände zu realisieren. Die Zentrifuge war damit als einer der ersten kulturellen Nutzer Pionier auf dem Gelände. Heute ist das Areal weitgehend revitalisiert und die Zentrifuge eine über die Region hinaus wirkende Kreativplattform. Die Zentrifuge versteht sich zunehmend als ästhetisches Labor, das mit Mitteln der Kunst neue Sichtund Denkweisen ermöglicht und dadurch auch zur Entwicklung künftiger Lebens- und Arbeitswelten beiträgt. www.zentrifuge-nuernberg.de VDI/VDE-Gesellschaft Mess- und Automatisierungstechnik Die GMA ist eine gemeinsame Fachgesellschaft des VDI (Verein Deutscher Ingenieure) und des VDE (Technisch-Wissenschaftlicher Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik), in der alle gemeinsamen Aktivitäten der beiden Organisationen im Bereich der Mess- und Automatisierungstechnik konzentriert sind. Folgenden Aufgaben erfüllt die GMA: • Fördern des Informationsaustauschs zwischen Industrie, Hochschulen, wissenschaftlichen Institutionen und Behörden • Erarbeitung von technischen Richtlinien, Empfehlungen und technisch- wissenschaftlichen Publikationen, auch im Vorfeld der Normung • Initiierung und Gestaltung von Kongressen, Fachtagungen, Aussprachetagen und Workshops zur Förderung des Informationsflusses über neue Verfahren und Entwicklungen • Mitwirkung bei der Planung und Durchführung von Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen • Vertretung des Fachgebiets in internationalen Organisationen Rund 1.000 Ingenieure arbeiten ehrenamtlich in den acht Fachbereichen mit ca. 75 Fachausschüssen. Mit ihrer Arbeit leistet die GMA einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Mess- und Automatisierungstechnik und zur Verbreitung des Wissens um die modernen Techniken, die in diesem Fachgebiet heute zur Anwendung kommen. Die GMA ist kompetenter Partner für Anwender, Hersteller und Wissenschaftler, deren Wissenstransfer und Zusammenarbeit sie koordiniert. Sie trägt dazu bei, dass Prozesse zielgerichtet beeinflusst und schnell in innovative Entwicklungen für die industrielle Praxis umgesetzt werden können. www.vdi.de/gma Studenten und Jungingenieuren SuJ im VDI Nürnberg Beim SuJ engagieren sich Aktive an der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf. Viele sind in den letzten Semestern ihres Studiums oder machen gerade als Diplom-Ingenieure die ersten Schritte in der Arbeitswelt. Der SuJ im VDI Nürnberg realisiert viele Veranstaltungen: · Seminare (z. B. Verhandlungstechnik, Geschäftsenglisch) · Werksbesichtigungen mit Fachvorträgen (z. B. Audi, ZF Sachs) · Vorträge (z. B. Prüfungsvorbereitung, Jungingenieure berichten von ihrem Arbeitsalltag) · Podiumsdiskussion (z. B. zum Thema Auslandserfahrung oder Internetbewerbung) · Mitorganisation der Firmenkontaktmesse „Contact“ in Erlangen · 2x jährlich bundesweite Treffen mit anderen Studenten und Jungingenieuren Arbeitskreisen · interne Veranstaltungen wie Kanutour oder Neujahrsbrunch

www.vdi-suj.de


Engineering 2050

Mit freundlicher Unterst端tzung durch:


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