Zeppelin Universität | artsprogram | Logbuch, Fall 2009/Spring 2010

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arts

Log FALL 2009 / SPRING 2010


artsprogram

Was hat künstlerische Praxis eigentlich an einer Hochschule für Management verloren? Kunst verarbeitet gesellschaftliche Fragen und Probleme, kreiert wirtschafts-, wissenschafts-, staats- und kulturkritische Perspektiven. Kunst ist Forschung und Suche, sie folgt in Themenwahl und Methodik aktuellen Strömungen und Moden und ist damit auch Gegenwartsdiagnostik. Das artsprogram der Zeppelin Universität reflektiert und komplettiert den inter- und antidisziplinären Ansatz der Zeppelin Universität. In verschiedenen Formaten wird ein facettenreiches Bild der Kunst und des Kunstbetriebes gezeichnet. Interessierte Bürger, Mitarbeiter und Studierende werden eingeladen, Kunstproduzenten und ihre Werke, Kuratoren und ihr Selbstverständnis sowie Sammler und ihre Motive in Gesprächen und Podiumsdiskussionen kennen zu lernen. Die Räumlichkeiten der Universität werden zum Standort für zeitgenössische Kunst, der Lehrende und Lernende zum Nachdenken über ihr Tun anregt. Das artsprogram realisiert darüber hinaus Exkursionen und bietet den Teilnehmern die Möglichkeit, sich den Kunstraum Bodenseeregion zu erschließen. Um dem Anspruch der Praxisnähe der Universität gerecht zu werden, haben Studierende darüber hinaus die Möglichkeit, in Projektarbeiten selbst künstlerische oder kuratorische Erfahrungen in Zusammenarbeiten mit Künstlern und Institutionen zu sammeln. Auch dieses Logbuch ist das Ergebnis eines studentischen Projekts und der Kooperation mit dem Künstler Ruediger John, mit dem Anliegen dem Leser ein Bild vom artsprogram der Zeppelin Universität zu vermitteln.


logbuch

wir

Dies ist das Logbuch unserer einjährigen Reise durch die Kunst an der Zeppelin Universität. Logbücher müssen chronologisch aufgebaut und der Inhalt lückenlos sein. Logbücher sind nicht zur Veröffentlichung bestimmt. All dies ignorieren wir. Das Logbuch dieser Reise durch die Kunst kann nicht chronologisch aufgebaut sein, das würde den Querverbindungen zwischen den Veranstaltungen und unseren Empfindungen nicht gerecht. Dieses Logbuch versucht Nachhaltigkeit zu schaffen, Nachhaltigkeit der Veranstaltungen und ihrer Rezeption. Deshalb ist es öffentlich zugänglich – wie ein gebloggtes Reisetagebuch. Es soll den Zugang zu vergangen Veranstaltungen des artsprogram der Zeppelin Universität wahren und Lust auf die kommenden machen. Dabei konzentriert sich das artsprogram Logbuch auf den Bereich der bildenden Kunst. Von den Vorgaben und Zwängen eines Kunstmagazins ist diese Publikation befreit. Sie reflektiert vielmehr ihren Entstehungsprozess. Angelehnt an Design-Elemente aus der Welt der Weblogs, finden sich in dieser Publikation Tag Clouds, Verlinkungen, Hintergrundinformationen, Internetadressen und durch den Text inspirierte, aber nicht beantwortete Fragen. So soll zum einen der Facettenreichtum der Veranstaltungen, der Künstler, der Rezipienten, der entstandenen Eindrücke und Diskurse dargestellt werden und zum anderen die Offenheit unserer Gedanken transportiert werden. Die Tag Clouds geben Aufschluss darüber, wie wichtig uns einzelne Begriffe waren, als wir die Texte diskutierten. Verlinkungen stehen für Querverbindungen, die wir zwischen unseren verschiedenen Texten oder unseren Texten und externen Quellen sahen und dem Leser anbieten möchten. Die Textbausteine, die einzelnen Elemente, aus all dem kann der Leser auswählen, es für sich mit Gedanken anreichern und zusammenfügen. So wie auch wir Studierende es getan haben.

Wir sind Ann Christin Bakhos, Lorna Bösel, Kina Deimel und Jonas Mieke. Wir sind vier Studierende, die im Rahmen der Projektarbeit des 3. und 4. Semesters im Studiengang Kultur- und Kommunikationsmanagement eine Entdeckungsreise durch die Veranstaltungen des artsprogram der Zeppelin Universität angetreten haben. Diese Reise verlief nicht immer auf klarem Kurs. Die Gedanken kannten keine Linien, sie kreisten, sprangen vor und zurück. „Was war das eigentlich?“ Und vor allem: „Warum wirkt das auf mich so? Und wie erklärt man das?“. Unterwegs auf unserer Reise lernten wir links und rechts des Weges Künstler, Kuratoren, Kritiker, Kunstsammler, interessierte Bürger und Studierende kennen und jeder erzählte uns von seiner Welt der Kunst. Wir können nach wie vor nicht von uns behaupten, Kunstexperten zu sein. Aber wir sind unvoreingenommen und interessiert, und wir haben viel über den Umgang mit Kunstschaffenden und Kunstverliebten, sowie über uns selbst gelernt. Und so stellten wir uns der Aufgabe, das Gesehene festzuhalten und greifbar zu machen. Wir vereinnahmen damit die Kunst für uns und wir sind Teil des Werkes – ganz gleich, ob wir es subjektiv beschreiben oder den Versuch unternehmen, eine objektive Perspektive einzunehmen. Damit sich aber jeder ein eigenes Bild machen kann, ist dieses Logbuch angereichert mit Denkanstößen in Form von Fragen, Interviews und Verweisen auf externe Quellen. Wir wünschen dem Leser, dass er auch ein wenig vom Kurs abkommt, sich von unserer Herangehensweise inspirieren lässt und den Schritt wagt, sich auf Kunst und Kunstschaffende einzulassen, die er vielleicht auf den ersten Blick nicht versteht.


Brand New View – Neue Blicke auf die Kunst oder provokative Zumutung? Künstlergespräch mit Gunilla Klingberg

Kaserne für Inspiration, Austausch und Integration Die Kunst am Fallenbrunnen

Lachen als Containerfracht aus Rio Marcos Chaves an der Zeppelin Universität

S. 6, S. 7, S. 8,

S. 10, S. 11, S. 12, S

S. 14, S. 15, S. 16, S.

Das Grade ist fast immer das Böse Christoph Schäfer stellt an der Zeppelin Universität sein Buch „Die Stadt ist unsere Fabrik“ vor

S. 18, S. 1

Partnerschaftliche Leitung eines glokalisierten Kunstvereins Hans D. Christ und Iris Dressler über das Erfolgsprinzip des Württembergische Kunstvereins Stuttgart

Schutzbunker/Gefängnis/Bananenbunker/Technoclub/KUNSTbunker Vernarrt in die Kunst – Über die Leidenschaft von Christian Boros

S. 24, S. 25, S.

„Wächter des Museums“ oder „Partner des Künstlers“? Eine historische und zeitgenössische Berufsdefinition von Thomas Trummer

Scheinbare Kontrolle und der Schein der Bildkaskaden Exkursion zum Kunsthaus Bregenz – „Lock 2,4,6“ von Tony Oursler

S. 28, S. 29, S.

S. 32, S. 33, S. 3

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? – von Zwillingen und gespaltenen Persönlichkeiten in der Kunst Exkursion zum Kunsthaus Bregenz – „The Scripted Life“ von Candice Breitz

Innovationsidylle über den Dächern Stuttgarts Ein Tag in der Akademie Schloss Solitude

S. 44, S. 45

Bildungscamp Ein Projekt von C. Breuer, A. Lindner, R. Mietusch, S. Sihler, C. Wagner und T. Werth

S. 48

S. 36, S. 3

S. 40, S. 41, S. 42, S.

Ver[ORT]ung – Magazin, Installation, Kunst Ein Projekt von A. Baur, R. Bruderhofer, J. Eurich und L. Palm

Zeitstrahl

S. 20, S.

Impressum

S. 50

S. 46, S. 47


, S. 9

Kunst an der Universit채t

S. 13 17

19

. 21, S. 22, S. 23

Curating the Context

26, S. 27

. 30, S. 31

34, S. 35

Exkursionen

37, S. 38, S. 39

. 43

Studentische Projekte


Brand New View – Neue Blicke auf die Kunst oder provokative Zumutung? Künstlergespräch mit Gunilla Klingberg Kina Julie Deimel

Die Verbindung zwischen Wirtschaft und Kunst haben sich einige Studierende der Zeppelin

In Museen und Galerien zu gehen, sich mit Kunst zu beschäftigen oder sie gar privat zu sammeln, ist eine Sache. Solange wir selbst darüber entscheiden können, welcher Art von Kunst wir Beachtung schenken und mit welchen Werken wir uns umgeben – sei es aus reinem Interesse oder um unser Prestige zu erhöhen, besteht weder der Zwang zur Auseinandersetzung mit Kunst, noch der Anlass zur öffentlichen Kontroverse.

Universität sicherlich anders vorgestellt. Seit April 2009 schmückt ein knalloranges Mandala aus Aldi-, Lidl-, Spar- und sonstigen Lebensmitteldiscount-Logos die südliche Fensterfront im Foyer der Universität. Wer die geplotteten Folien betrachtet, fühlt sich möglicherweise an Kirchenornamente erinnert, nur dass es eben keine religiösen Symbole sind, die ästhetisch um sich selber kreisen. Zu ekstatischen und verführerischen Strukturen verwandelt, verlieren die aus dem Wirtschaftsleben entlehnten Symbole ihre individuelle Form und kommunikative Werbewirkung. Sie werden zu einer neuen ästhetischen Gesamtheit, welche die eigentliche Intention der Symbole, wie sie unserer Werbe- und Konsumgesellschaft im Alltag begegnen, überlagert.

Doch wenn ein Werk so demonstrativ im (halb-)öffentlichen Raum ausgestellt wird, wie dies bei „Brand New View“ der Fall ist, fällt es schwer, eine Auseinandersetzung mit dem Werk und den Diskurs darüber zu umgehen. Die Entscheidung, direkt oder aber durch die orangefarbenen Logos auf den See schauen zu können, ist ohne unseren Einfluss bereits getroffen, wenn wir uns nur dazu entschließen, das Foyer der Uni zu betreten.

Überlagert werden durch diese neue ästhetische Gesamtheit aber nicht nur die Werbebotschaften großer Lebensmitteldiscounter, sondern auch der freie Blick auf den See. So wird es wohl manch einem Studenten, der sich um die idyllische Sicht beraubt fühlt, relativ gleichgültig sein, dass es sich bei „Brand New View“ um eine Arbeit der bekannten schwedischen Künstlerin Gunilla Klingberg handelt.

Natürlich bleibt uns selbst überlassen, wie viele Gedanken wir dem Werk tatsächlich widmen, ob wir anfangen, es für uns zu interpretieren und mögliche Bedeutungen zu hinterfragen: Ein kritischer Kommentar zur Konsumgesellschaft, in der wir leben?  Eine Anspielung auf den Verlust der Fähigkeit, leere Werbebotschaften als solche zu identifizieren? – Angestoßen werden diese Gedanken allemal.

Von Anfang an hat das kaleidoskopische Muster an der Zeppelin Universität vor allem bei Studierenden, aber auch bei Mitarbeitern und Dozenten für Diskussion und Kontroversen gesorgt. Lebensmitteldiscount-Logos an einer privaten Universität, und dann auch noch so repräsentativ und unmittelbar im Eingangsbereich – ob man das Werk denn nicht wenigstens etwas weniger offensiv hätte präsentieren können? 

knallorange Kontroverse

Doch ist es nicht gerade das, was die Ausdruckskraft des Werkes ausmacht? Würden wir die Werbesymbole überhaupt wahrnehmen, wenn wir nicht beim täglichen Gang in die Uni dazu gezwungen würden, einen Blick auf das Mandala zu werfen und dabei festzustellen, dass es unseren Vorstellungen von schöner Kunst widerstrebt, uns nicht nur durch seine Platzierung, sondern auch mit seinen Inhalten provoziert?

Mandala Religion Konsumgesellschaft Entkommen Aussicht Halböffentlicher Raum beachten Werbewirkung Symbol Aldi Ideal Ästhetik gezwungen

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 Hört Kunst auf, wo sie provoziert und unseren ästhetischen Vorstellungen widerstrebt, oder fängt sie erst dort an? Liegt die Aufgabe der Kunst in der Provokation und Anregung zum Diskurs? Worin sonst? Hat Kunst überhaupt eine feste Aufgabe?  Kunst im öffentlichen Raum: Nachfrageoder Angebotsorientierung?


„Brand No View“ hieß eine Auseinandersetzung mit Gunilla Klingbergs Kunstwerk, bei der eine Gruppe Studierender die Fensterfront der Mensa am Seemoser Horn mit Einkaufstüten verhängte. In der Tat ist die Sicht auf Wiese, Bäume, Bodensee und Alpen durch das Werk Klingbergs getrübt. Wer „Brand New View“ betrachtet, fühlt sich unweigerlich an Kirchenornamente erinnert, nur dass nicht religiöse Symbolik sondern die Logos der Discounter ästhetisch um sich selber kreisen. Ornamentik verstellt immer den Blick, kann von dem ablenken, was sie als nicht wesentlich und

unästhetisch ausspart. Zwar beansprucht die Religion für sich, den Blick geradezu zu öffnen, dies geschieht aber in der Regel nur im Bezug auf die eigene, starre Lehre. Dogmen und die sie verkörpernde Symbolik verengen den Blick, seien es christliche Weltanschauungen oder eben jene der Konsumgesellschaft: schneller und billiger, verzehren statt erschaffen. Das Leben ist zum Convenience Produkt geworden, Leute lassen sich Firmenlogos tätowieren, Geiz ist geil und Künstler arbeiten für Werbe- und Corporate Design Agenturen. Die dazugehörigen Kirchen des Konsums durchdringen mit ihrer Symbolik unseren Alltag. Trotz all der Rhetorik

des Andersseins, die Schnelllebigkeit und Vergänglichkeit der Konsumgesellschaft zelebrieren auch wir. Und wir meckern oft genug, weil uns die Universitätsverwaltung immer noch nicht komfortabel genug ist. Es tut doch gut, daran erinnert zu werden, dass wir nicht nur hier sind, um in einem möglichst bequemen Umfeld auf dem Papier Credits und Praktika anzuhäufen, damit wir später ein höheres Gehalt „verkonsumieren“ zu können, sondern weil wir Gestalter sein können. Aber nicht durch Bildersturm sondern durch das Ausprobieren von Alternativen. Jonas Mieke

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When you saw your installation Brand New View at Zeppelin University for the first time, what was your own impression? Did you like it in comparison to your previous works? What was different? In this location the work creates a more obvious clash or contrast – even a kind of disturbance – with the beautiful view, but it was expected and also taken into the idea. Do you often work like this? I mean that you do the whole work on distance via e-mail and don’t actually take part in constructing/setting up? I see a certain parallel to (mass-) production, as you are somehow producing artworks like products. Is this a part of your art conception? I am most of the times very present in the making of my art works, but for practical reasons it also happens that I work like this on a distance. This window-work for example has to be produced by a company in the area that can check all the measurements and conditions etc. Most of my installations are made and built up on site, usually by myself and with the help of assistants. Before becoming an artist you worked as a graphic designer. Why did you decide to change your profession? Does graphic design still influence your work, e.g. are you influenced by innovations in graphic design? Studying art was always something I wanted, but I also had a strong interest in graphic design and began with that, and in a way that led me later to my art studies. I was drawn by an idea of independence that art could have. Today I am still interested in graphics but maybe more historical symbols, ornament and design. Can you tell us, how you came to make an installation for ZU? Karen van den Berg or Ulrike Shepherd called you once and asked to make something for ZU. Or was it somehow different? Ulrike Shepherd contacted me and we discussed this idea to make a work for Zeppelin University. Ulrike suggested the Brand New View work, and sent me a lot of images of the building. I knew Karen van den Berg from before since we made a collaboration some years ago in Witten with artist Tilo Schulz. Why did you decide to expose your work in a university and have you presented works in other public institutions before? I find it interesting to show artworks not only in art institutions and gallery spaces where art is expected, but also in public spaces, where the reading of the work is affected by the context. I work a lot with repetitions, patterns and reflections, and my raw material has a socio-economic reference, I pick it from the public or common sphere, then I merge it with my own intentions. When shown in public spaces it is like giving it back in a distorted form. I have done a few public commissions, and I am right now working on a permanent art project for a train station in Malmö, Sweden, which I think is a fantastic venue, since it is a passage that people might use every day travelling to work and home again, repeatedly.

Could you explain the process of creating a work like this? I mean describe the way from the idea to the concept to the installation? Spirituality and consumerism has been a red thread in my work. For many years I have been collecting pictograms, symbols and logotypes and drawn patterns of them. I made prints and videoanimations, and later I integrated the work more in the space and architecture, like facade-windows. The form of the Brand New View resembles of mandalas and rose windows in churches, which also follows the subject spirituality and consumerism. Technically, the pattern is created to fit a certain space and location, a digital image of the pattern is then cut-out in self adhesive foil and mounted onto the windows. Besides other artworks and artists, which experiences, e.g. your travel to India, influence your work? I experience a lack of essential symbols in my own culture. In some cultures ancient symbols and images still play a vital role in the daily doings of everyday life. I am interested in images used for spiritual guidance, like the Buddhist/Hindu mandala, a cosmological diagram used in meditation. Travelling to India visiting holy places of spiritual importance increased my fascination for the power of symbols and ritual objects. India: how long have been there, what did you do there? You work with consumerism, brands and create a clash between them and spiritual forms like the mandala. What does this form mean to you? And why this mixture of eastern and western cultures – is it due to a personal connection, interest or both? – It was meant to be either orange or red – do the colours have a special meaning to you? My first visit to India was a 3 months trip when studying at the University College Of Arts in Stockholm, I have later had the opportunity to come back for art-exhibitions and studies. The mandala form is for me a doorway between the inner and the outer. My interest is both personal and from an artistic point of view. The colour orange refers to extra prices but is also a spiritual colour as on the robes for buddhist monks and nuns or orange dressed holy men and women in India. Since you are working with brands and logos – you’re interacting with the world of business: what is the main idea of this interaction – is it criticism or maybe on the contrary, admiration? If it is criticism, how does it criticise? – If we look at brand new view, we first see a mandala, then, if we have a closer look, we recognise logos of cut-prize supermarkets, which may create a moment of hesitation, but alltogether it is an aesthetic piece of art. I employ symbols that are visible in everyday life. The logotypes and brands I use are neither glamorous nor “loaded” brands. I am interested in the everyday doings and rituals. It is neither admiration nor pure criticism, more about a reflection on the patterns these everyday rituals generate. Do you think about the consequences of your works and should an artist think about it at all? Who is responsible for these consequences? Is your art political? Is it provocative? The artist can not be responsible for all kind of individual reactions by the viewer, when it comes to different personal preferences and liking. All art that relates in some way to the society is political, though my intention is not to make a political statement, but rather reflect and perhaps raise questions. I do not see my work as provocative. To whom would that be?

 Gunilla Klingberg / Brand New View, 2009 / Foto: Karina Urbat /  Gunilla Klingberg / Brand New View, 2009 / Foto: David Shepherd /

Was Gunilla Klingberg mit „Brand New View“ intendiert, was sie bei der Idee und Konzeption des Werkes inspiriert hat, wie und warum es an die Fensterscheiben der Zeppelin Universität gekommen ist – das und vieles mehr haben Lisa Hann und Ilya Kompasov bei einem Künstlergespräch an der Zeppelin Universität gefragt. Für unser Logbuch hat sie die Fragen noch einmal per E-Mail beantwortet.


Kaserne für Inspiration, Austausch und Integration Die Kunst am Fallenbrunnen Kina Julie Deimel

Nachdem unter der Adresse „Am Seemooser Horn 20“ der Strandcampus der Zeppelin Universität 2008 fertig gestellt wurde, entsteht bis 2011 nun der neue Hauptcampus am Fallenbrunnen. Das ehemalige Kasernengelände soll sich zu einem belebten Bildungsstandort entwickeln, an dem Studierende, Dozenten, Gewerbetreibende und Anwohner ein Zusammenspiel von Kultur, Forschung, Ausbildung, Wohnen und Arbeiten generieren können. Bis zur Fertigstellung des endgültigen Campus am Fallenbrunnen 3 fungiert das 1600 m2 große Gebäude am Fallenbrunnen 18 (in der universitätsoffiziellen Abkürzung „FAB 18“) als zweijährige Übergangslösung. Im Sommer 2009 fertig renoviert, wurde es mit einer „CampusWarming-Party“ und vielen Gästen am 7. Oktober 2009 feierlich eröffnet.

Werden die Männer es schaffen, mit ersterem mitzuhalten? Mit einem Lächeln wird wohl nicht nur manch ein Student die Arbeit betrachten – denn ein stückweit reflektiert „Standard Time“ doch auch die Hektik unseres Alltags, sei es nun im Friedrichshafener Universitätsalltag oder im fernen Berliner Großstadtleben.  Homepage des Künstlers http://www.formanek.de

Jens Semjan, "La Maison Guillaume" Unerwartet begegnet man der Kunst am FAB 18 an fast allen Stellen: Büro- und Seminarräume werden zu Ausstellungsräumen und so verbirgt sich hinter der Glastür im Erdgeschossgang das Miniaturmodell eines franco-amerikanischen Wohnmobils aus Papier, Karton und Folie vor einer Schranke. Jens Semjans Rauminstallation spiegelt die spielerische Herangehensweise des Künstlers und seine Auseinandersetzung mit politischen, ideologischen und physischen Machtkomplexen wider. Während Semjan in seinen frühen Arbeiten verschiedene Formen der gesellschaftlichen Ästhetisierung von Gewalt, wie zum Beispiel das Phänomen der Popularisierung der RAF, untersuchte, spielt er in „La Maison Guillaume“ mit der symbolischen Dominanz des Autos. Dabei zieht er Parallelen zum politischen Freiheitsgedanken, zu den Idealen und Sehnsüchten aller Gesellschaftsschichten, die sich im Transportmedium Auto manifestieren, und zur Gefahr ihrer Begrenzung durch politische Schranken. Individuelle Freiheit vs. Einschränkung durch politische Barrieren. Doch brauchen wir nicht auch einfach, so wie der Autofahrer manchmal das Tempolimit, Freiheitsbegrenzungen als Richtlinien und Orientierungsstütze?  Homepage des Künst-

Der alltägliche Gang von Seminar zu Seminar ist am FAB 18 ein Erlebnis der besonderen Art: Zusammen mit Büros, Lehrräumen und einigen neuen Lehrstühlen, ist mit den Werken dreier bekannter Künstler auch die Kunst in den vorübergehenden Campus am FAB 18 eingezogen. Dank der Werke von Mark Formanek, Christoph Schäfer und Jens Semjan ist der neue Campus mit seinem Atelier-, Tanz- und Musikraum nicht nur eine Plattform für studentische Kreativität, sondern auch ein Ort, an dem Künstler zur Reflexion und zum Dialog über Kunst und ihre Themen anregt.

Mark Formanek, "Standard Time" Ein Blick auf die Uhr in der Mensa des FAB 18 ist zugleich ein Blick auf eine Baustelle in einer Berliner Plattenbausiedlung, auf der insgesamt 70 Arbeiter mit gelben Bauhelmen versuchen, das Verrinnen der Zeit nachzubauen. In Formaneks 24-stündiger Videoarbeit „Standard Time“ können wir beobachten, wie sie minutenweise eine überlebensgroße digitale Zeitanzeige aus Holzlatten und Schrauben umbauen. Doch es sind nicht nur die einzelnen Ziffern, mit denen Formanek in seiner Arbeit versucht, die Zeit zu zeigen. Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, es wird hell, es wird dunkel: Der Rhythmus der Natur auf der einen Seite, die handgemachte Zeit auf der anderen.

lers http://www.jens.disco-volante.com Kaserne Netzwerk/vernetzen

Christoph Schäfer, "Local Knowledge Institute" Christoph Schäfer beschäftigt sich seit 1989 mit Urbanismus, Themenparks, Mode und Alltag und konstruiert in seiner Kunstpraxis Plattformen des Austauschs mit Anderen. Er interessiert sich vor allem für städtische Situationen und wie sie durch Kunst verändert werden können. Dieses Interesse bildete auch den

Raum Künstler Bildungsstandort Dialog kreativ Plattform Verortung Konversion entfalten Studenten Nachbarschaft alltäglich Raum

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Ausgangs- und Inspirationspunkt seiner Erkundung des Fallenbrunnen als „Konversionsgelände“. Schäfer, der auch als Gastdozent an der Zeppelin Universität tätig ist, hat sich 2008 im Rahmen des Kunstprojektes „Local Knowledge Institute“ mit der Standortentwicklung der ZU auf dem neuen

Gelände beschäftigt. Im Vordergrund seiner Erkundung stand die Auseinandersetzung mit der Situation der Anrainer. Videointerviews und Gespräche mit Inhabern ansässiger Unternehmen und Kleinbetrieben bildeten die Grundlage für die spätere Raumarbeit aus Wandmalerei, Holztafeln und Videoaufnahmen. Mit seinem „Local Knowledge Institute“ gelang es Schäfer, das im Alltag entstandene Wissen der Anrainer und die universitäre Lehre in Beziehung zu setzen und somit nicht zuletzt einen wesentlichen Beitrag zur Positionierung und Integration der Zeppelin Universität in ihrer Umgebung zu leisten. „Macht Chaos kreativ?“ und „Ab welchem Mietpreis pro Quadratmeter wird Kreativität unmöglich?“ – Fragen wie diese regen uns als Betrachter der Sprechblasen beim Durchqueren des Obergeschosses zum Nachdenken und Zweifeln an.  Christoph Schäfer „Das Grade ist fast immer das Böse“, S. 18

Der Campus am Fallenbrunnen ist nicht nur ein Beispiel dafür, wie die Kunst in das universitäre Leben und Denken der Studenten eingebunden wird, sondern bietet als Standort für zeitgenössische Kunst auch die Möglichkeit zur regionalen Vernetzung. Im Rahmen des 19. Friedrichshafener Kunst-Freitages, der städtischen Kunstnacht, hatten Besucher die Möglichkeit, Einblicke in die universitäre Kunst zu gewinnen. Neben den Werken von Formanek, Semjan und Schäfer wurde auch studentische Kunst präsentiert. Gemeinsam mit ihrem Dozenten, dem Schweizer Fotografen und freien Publizisten Martin Jaeggi, hatte eine Gruppe von Studierenden im Rahmen der Student Study „Fotografie“ die Ausstellung „Bänke. Orte. Hysterie!“ konzipiert. Der Titel weist auf die zentralen Aspekte der Fotografien hin, die im Zuge des Seminars entstanden waren und die kargen kar-


gen weißen Wände der langen Gänge auf den beiden Etagen des Gebäudes in einen Ausstellungsraum verwandelt haben. Mit der erstmaligen Integration in das zweimal jährlich stattfindende Event präsentierte sich die Zeppelin Universität als neuer Kunststandort im bereits bestehenden Netzwerk der Stadt Friedrichshafen. Eine Gruppe von Studierenden sah dies als Anlass, sich einmal allgemein mit dem Prozess der Integration in neue Orte und Gemeinschaften, mit der Verortung der verschiedenen Kunstinstitutionen in Friedrichshafen, auseinander zu setzen. Auf Basis zahlreicher Befragungen und Gespräche mit verantwortlichen Vertretern entstand im Rahmen ihres Projektes das

Magazin „VERORTUNG“. Zur Lektüre im Kunstbus ausgelegt, wurden darin alle beteiligten Kulturinstitutionen vorgestellt, und – in Analogie zur Funktion des Kunstbusses, der die einzelnen Stationen verkehrstechnisch miteinander verband – auch inhaltlich vernetzt.  weitere Informationen über das Projekt Verortung - Magazin, Installation, Kunst, S. 44


Wie zeigt man Zeit? Nur durch die Veranschaulichung ihres Vergehens, mit Hilfe einer möglichst gleichmäßigen und sichtbaren Bewegung und Veränderung: zum Beispiel die einer sich über dem Horizont verschiebenden Sonne und ihres Schattens, sowie dann dessen künstlich-mechanische Nachbildung, des kreisenden Uhrzeigers. Zeit soll aber spätestens seit der Moderne nicht nur gezeigt, sie soll auch gemessen werden. Dazu muss das Kontinuum der Bewegung in abzählbare Abschnitte eingeteilt, also digitalisiert sein. Die Digitaluhr verkürzt die unaufhörlich verlaufende Zeit auf das kaum wahrnehmbare „klick“, mit dem der Minutenzähler weiterspringt: die Zeit wird elektronisch fest-gehalten, um sie scheinbar präziser und lesbarer zu machen: zur stillstehenden „standard time“. Mark Formaneks vermenschlichte Digitaluhr ist eine experimentelle Video-Installation zur Re-Humanisierung von Zeit. Sie richtet ein verlangsamendes Vergrößerungsglas auf eine übermenschengroße Digitalanzeige und zeigt uns im (mal größeren, mal kleineren) Minutenabstand: sie bewegt sich doch. Und zwar nur deswegen, weil wir uns bewegen,

weil reale Menschen mit realen Baustellenhelmen reale Balken montieren, demontieren, verschrauben, lockern, aufnehmen, weglegen, dazu Leitern herbeitragen, besteigen, wieder wegtragen, und am Ende jeweils befriedigt aus dem Bild gehen - nach einer offenbar wohlorganisierten, präzis durchdachten und – natürlich – „perfekt getimeten“ Arbeitsanordnung. Und doch: dass es sich um wirkliche „Arbeit“ handelt, wird durch deren vergleichsweise dilettantische Ausführung unterstrichen: man hätte ja auch mit einer viel funktionaleren Version, etwa mit Leichtmetall-Planken, schnellen Steckverbindungen, einem permanenten Gerüst, für einen flüssigen und perfektionierten Ablauf sorgen können. Aber daß hier noch wacklige (und eigentlich zu kurze) Leitern angeschleppt werden, daß man Schraubzwingen benutzt, zwischendurch auch mal wörtlich eine etwas schiefe Fünf „gerade“ sein läßt, und sich einzig den Luxus von Akkuschraubern erlaubt, erhöht die Sichtbarkeit und haptische Nachvollziehbarkeit dieser Hand-Arbeit, die daher, so stumpfsinnig und überflüssig sie unter Nützlichkeitsgesichtspunkten ist, kaum je routiniert und standardisiert erscheint: die Willkürlichkeit unserer arabischen Zahlensym-

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 Mark Formanek / Standard Time / Installationsansicht / Foto: Ulrike Shepherd /  Jens Semjan / La Maison Guillaume / Installationsansicht / Foto: Ulrike Shepherd /  Christoph Schäfer / Local Knowledge Institute / Installationsansicht / Foto: Ulrike Shepherd /

„Und sie bewegt sich doch“

bole zwingt zu jedes Mal anderen konkreten Operationen (mit lateinischen oder chinesischen Zahlzeichen hätten es diese „Zeitarbeiter“ etwas einfacher gehabt). Das macht die Betrachtung einer Angelegenheit „spannend“, die letztlich nichts zeigt als das Vergehen von Zeit. Wir schauen gespannt zu und erkennen, wie viel passieren kann, ohne dass etwas passiert. Die 24-Stunden-Dauer-VideoPerformance zeigt „künstlerische Arbeit“ in ihrer Reinkultur: ein zweckloses, virtuell unvollendbares Tun, das auch als anti-technologische Proklamation keinen Sinn ergäbe; denn anders als beim ökobewegten Eigenbierbrauen und Selbstbrotbacken kann man hier nicht auf die angeblich „bessere Qualität“ des Handgemachten im Vergleich zum industriellen Produkt verweisen, im Gegenteil (auch wenn man gerade im Universitätsalltag feststellt: diese Video-Uhr im Fallenbrunnen 18 „geht“ völlig hinreichend genau, also „genau“ richtig). Der Sinn dieser sinnlosen Aktion liegt tiefer; Formaneks „Standard Time“ ist ein mark-sistisches Manifest: der Mensch macht vielleicht nicht „die Geschichte“, aber die – ihr zugrunde liegende – Zeit.

Joachim Landkammer


Lachen als Containerfracht aus Rio Marcos Chaves an der Zeppelin Universität Jonas Mieke

„Humor opens up new paths“ Künstlergespräch mit Marcos Chaves

Meter über dem Boden herunter und erwecken den Eindruck, lange Haare zu sein. Die Menschen, die unter den „Haaren“ durchlaufen, können diese mit gestreckten Armen berühren. Mit dem Werk zeigt Chaves die Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur. Er erzählt, dass er dieses Setting besonders interessant fand, weil es die wechselseitige Beziehung sehr gut verdeutlicht. Die Zweige des Baumes wurden nämlich nur ein einziges Mal geschnitten. Ein weiteres Mal war nicht nötig, da die permanenten Berührungen der darunter hindurchgehenden, sich nach den Zweigen streckenden Menschen diese beständig stutzten. Das im Zeitraffer gedrehte Video ist mit einem Beat in schnellem Takt hinterlegt, das die pulsierende Menschenmasse und die Bilderabfolge zu einem lebendigen Blickfang macht. Unterbrochen wird es durch Zeitlupenintervalle, in denen man die „berührenden“ Momente genau sieht. Vor allem diese langsamen Sequenzen zeigen hier wie der Mensch durch die Natur zu Handlungen angeregt wird, mit denen er dann verändernd in sie eingreift.

Im Oktober 2009 besuchte Marcos Chaves die Zeppelin Universität, um über seinen auf dem Campus aufgestellten „Laughing Container“ und sein künstlerisches Schaffen zu sprechen. Die Einladung an Chaves zur Eröffnung seiner Installation wurde von Studierenden im Rahmen ihrer Projektarbeit organisiert. Im Rahmen der Reihe „talk n show- Künstlergespräche an der Zeppelin Universität“ hatten sowohl Studierende als auch andere interessierte Besucher die Möglichkeit, den brasilianischen Künstler im persönlichen Gespräch kennen zu lernen, ihm Fragen zu seinem Leben, seinen Einstellungen und seiner Kunst zu stellen und mit ihm über seine Ansichten zu diskutieren. Er stellte einzelne Werke vor, erklärte diese und beantwortete offen Fragen von Besuchern. Das Werk „Black IRONY Yellow“ ist für ihn sehr wichtig. Mit diesem versucht er seinem Grundsatz gerecht zu werden, den Ort und seine Bedeutung in einer Abhängigkeit darzustellen. Dafür tapezierte er leere Räumlichkeiten, z.B. des „Laura Marsiaj“ in Rio de Janeiro, mit schwarz-gelbem Absperrband. Er beklebte sowohl den Boden, die Pfeiler, als auch die Decke und alle vier Wände. Die einzelnen Bahnen, die sich teilweise überschneiden, aber auch auf Pfeiler zulaufende Anordnungen wirken irritierend und verwirrend auf den Betrachter. Dieser Effekt verstärkt sich dadurch, dass der Raum betretbar ist. Ein Absperrband, das in seinem gewöhnlichen Gebrauch dazu da ist, Grenzen zu ziehen, fordert im Kontext des Kunstwerks durch seinen Verlauf in den Raum hinein dazu auf, be- und übertreten zu werden. Die Frage, was dieses Absperrband denn überhaupt noch begrenzt, blieb indes unbeantwortet.

Eine weitere Vorliebe Chaves’ sind Wortspiele mit scheinbar paradoxem Inhalt, was er selbst durch seine Herkunft begründet: “It’s my Brazilian mentality: they love to play with words.“ Passend dazu ist sein persönliches Lieblingswerk ein Photo, das die geläufige Postkartenansicht von Rio de Janeiro mit dem Zuckerhut und der Guanabara Bucht zeigt. Auf dem Panorama steht in Großbuchstaben geschrieben: Eu Só vendo a vista. Der portugiesische Satz hat je nach Auslegung die Bedeutungen „Ich verkaufe meine Sicht“ oder „Ich verkaufe nur gegen Bargeld“. Das Panorama von Rio sei in fast jeder Bar und vielen Restaurants anzufinden. Somit wird ein Abbild der Natur kommerzialisiert. Eine andere Interpretation könnte sein, dass Chaves darauf abzielt, die massenhafte Bebauung des Strandes durch riesige Hotelanlagen zu kritisieren. Die Sicht auf die Bucht wird für den Bau der Gebäude verkauft. Vielleicht sogar nur in bar? Das Werk bezeichnet der Künstler als „simple Perfektion“.

Als Media Art Künstler, wie Chaves sich selbst beschreibt, erstellte er darüber hinaus diverse Videoinstallationen. Dazu gehört beispielsweise ein Video, das in einer Endlosschleife  siehe auch Tony Oursler, S. 32 das Geschehen auf einem Parkweg in Rio de Janeiro zur Zeit der morgendlichen Rushhour zeigt. Die Zweige eines Baumes hängen bis circa zwei

Lachen Humor Gelb Raum Kontext

Chaves sagt von sich, dass er diese einfache Art von Kunst bevorzuge, würde seine Sicht auf die Machart von Kunst aber niemals anderen Künstlern aufdrän-

Setting Vertrautheit Fremdartigkeit Irritation Paradoxien Mensch Natur

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Wortspiele


 Das Lachen der Südamerikaner, das aus dem Laughing Container hervorschallt – klingt es fremd?  Was macht den Überraschungseffekt bei Bildender Kunst aus?

gen wollen. Kunst kann, aber muss nicht unbedingt „simpel“ sein, um ihn in ihren Bann zu ziehen.

bleibt dem Betrachter verborgen. Aus diesem unsichtbaren Inneren dringt herzhaftes Lachen mehrerer Stimmen und Stimmlagen hervor.

Eröffnung des „Laughing Containers“ Paolo Bianchi im Gespräch mit Marcos Chaves

Kunst im öffentlichen Raum ist für Chaves‘ Gesprächspartner Bianchi ohnehin von zentralem Interesse und in der Tat entfachte der Standort des Containers Kontroversen unter den Anwesenden. Sowohl von studentischer Seite als auch aus den Reihen des Symposiums war zu hören, dass ein urbanes Umfeld, wie etwa eine belebte Fußgängerzone, wohl das geeignetere Setting für einen "Laughing Container" biete. Widersprüchlich fielen hingegen die Begründungen aus. Während die einen den Container auf der Wiese am See als Fremdkörper empfanden, war es für die anderen gerade der Überraschungseffekt, der fehle.

Zur Eröffnung seiner Installation „Laughing Container“ wurde Marcos Chaves in einem Podiumsgespräch zu seinem künstlerischen Schaffen und seinem Leben befragt. Geführt wurde das Gespräch von Paolo Bianchi, Gastherausgeber der Zeitschrift "Kunstforum International", Dozent an der Züricher Hochschule der Künste und Ausstellungsmacher. Zentrales Thema war der auf dem Universitätsgelände am Seemoser Horn aufgestellte "Laughing Container", der den zahlreichen interessierten Bürgern Friedrichshafens sowie den Studierenden und den Teilnehmern des „VIII. Internationalen Skulpturen Symposium Liechtenstein“ präsentiert wurde. Chaves betonte im Verlauf des Gesprächs seine positiven Erfahrungen mit dem Konzept "Laughing Container" auf den Straßen Rios und Cardiffs. Mit und an der Idee arbeitet er bereits seit 2002 und experimentiert nun in Friedrichshafen mit einem neuen Setting für sein Kunstwerk. Der Container leuchtet in einem kräftigen Gelb und hebt sich stark von seiner Umwelt aus See, Wiese, Beton und Fensterfront ab. Das Kunstwerk ist vollständig verschlossen und nicht begeh- oder einsehbar, sein Inneres

Diese Diskussionen des Publikums vor dem Werk zeigten sehr gut, dass Kunst den Betrachter durch ihr Setting verstören und zum Nachdenken anregen kann. Chaves, in dessen Kunst der Raum eine entscheidende Rolle einnimmt, schuf eine Situation, in der das scheinbar Deplatzierte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für den Künstler selbst steht fest, dass ihm der in seiner Lieblingsfarbe Gelb lackierte Container am Standort Seemooser Horn besonders gut gefällt. Ein Teilnehmer am Symposium identifizierte Gelb als "Farbe des Lachens, der Aufmerksamkeit, des Strahlens". Viele der Interessierten ließen sich von den heiteren Geräuschen aus dem Verborgenen anstecken, nicht wenige fingen gar an, selbst laut loszulachen. Ein anderer Teil der Betrachter verhielt sich etwas skeptischer, Kinder reagierten teilweise verstört auf das Lachen, zumal die Quelle in einem Container verborgen ist. Wenn eingesperrte Personen lachen, wie reagiert man darauf ? Sind sie zu bemitleiden oder sind sie über die Situation erhaben?


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Fragen an Marcos Chaves Which relation exists between the Laughing Container and a university in general? It is the first time it was installed in an university, I've been showing it as Public Art in streets, squares or parks in big cities, but I think it worked for a smaller and constant audience. How does the Laughing Container fit in the overall concept of your art? Two of the things I'm concerned about in my work is humor and interaction, so I think it fits perfectly. What was your intention when building up the Laughing Container? My intention was to go on with my experiences about public art as an interactive piece, as a sculpture, in this case, sculpture and sound. How did you expect people to react to the Laughing Container? Actually I was not expecting any particular reaction, each place will be different, and I'm interested in learning from it.


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 „Die Herausforderung meiner Kunst besteht darin, direkt zum Punkt zu kommen“, beschreibt Marcos Chaves seine Arbeit. Der 1961 in Rio de Janeiro geborene Künstler sammelt Gegenstände, die er am Fundort fotografiert oder aber recycelt und in neue Kontexte stellt. Daneben gestaltet der studierte Architekt außergewöhnliche Raumsituationen. Auf Ausstellungen und in Museen, sowie auf Biennalen rund um den Globus wurde Chaves’ methodisch vielfältiges Werk aus Installationen, Photographien, Videos und Objekten bekannt. Es wird von dem humoristischen und überraschenden Moment beherrscht. Der Künstler wuchs unter dem Eindruck von Zensur und Unterdrückung durch die brasilianische Militärdiktatur auf. Das Lachen sieht er als Gegengewicht zu politischer Repression, den Humor als gesellschaftlich wertvoll an. Er ist überzeugt: „Power is strong, the laughter is stronger“. /

 Marcos Chaves / Laughing Container, 2009 / Installationsansicht / Foto: Ulrike Shepherd /  Marcos Chaves / Künstlergespräch / Foto: Redaktion Logbuch /  Marcos Chaves / Laughing Container, 2009 / Installationsansicht / Foto: Ulrike Shepherd /


Das Grade ist fast immer das Böse Christoph Schäfer stellt an der Zeppelin Universität sein Buch „Die Stadt ist unsere Fabrik“ vor Jonas Mieke

Stadtentwicklung – Staat vs. Bürger

stellt der Künstler fest, und führt damit auf seine Bewertung der urbanen Konflikte von heute hin.

Was ist eigentlich Stadt? Was zeichnet sie aus, warum bauen wir Städte und wem gehört die Stadt eigentlich? Mit diesen Fragen setzt sich der Künstler Christoph Schäfer auseinander. Am 9. März stellte er in der Zeppelin Universität sein neues Buch vor, das schon im Titel versucht, eine Antwort zu geben: „Die Stadt ist unsere Fabrik“.

Der Kampf um die Slums in Indien und die „Recht auf Stadt“-Bewegung in Hamburg stellen für ihn den Beginn einer neuen Entwicklung dar. „Die Stadt ist nicht der Staat“, meint Schäfer und plädiert für basisdemokratische, durch Initiativen getriebene Stadtentwicklung als notwendigen Gegenentwurf zur politischen und wirtschaftlichen Stadtplanung und der Gentrifizierung. Die Stadt sei heute nicht mehr eine tayloristisch auf Ressourcenallokation zugeschnittene Fabrik, sondern die Denkfabrik der kreativen Klasse.

Mit exemplarisch ausgewählten Zeichnungen aus dem dreihundert Seiten starkem Bildessay,  siehe auch Schäfer, Christoph. (2010). Die Stadt ist unsere Fabrik - The City is Our Factory, Leipzig: Spector Books

skizzierte er den Gästen

Ist eine Bewegung wie „Recht auf Stadt“ nicht konservativ und anti-kreativ? Kreativität bedeutet schließlich kreieren, die Aneignung neuer Räume war immer Triebfeder der kreativen Klasse. Eine Erhaltung des Status quo, ein sich-Sperren gegen Veränderung von Vierteln, sei es durch Privatinvestoren, ungeregelten Zuzug oder staatliche/städ-

tische Baumaßnahmen versucht doch die städtische Dynamik einzufrieren, ist also äußerst konservativ. „Dies ist der Anfang einer neuen städtischen Bewegung. Dies ist der Anfang vom Ende der wachsenden Stadt“, meint „Recht auf Stadt“ auf der eigenen Homepage. Stadtteile wie das Gängeviertel sollen so bleiben, wie sie immer waren. Das

die Entwicklungsstufen des Urbanen, von der ersten Barackenakkumulation an der Flussgabelung hin zur postmodernen Stadt und ihrem Konfliktpotential. Die Stadt sei die verdichtete Unterschiedlichkeit und durch ihre Verdichtung akkumuliere und steigere sie die Möglichkeiten des Einzelnen.

klingt nach Angst vor Veränderung. Zugegeben, politisch links mögen erstere ja sein, aber sind sie wirklich auch progressiv? Und wo ist eigentlich der Unterschied zwischen denen, die in ihrem Viertel keine Yuppies und denen, die dort keine Obdachlosen möchten? Jonas Mieke

Was bedeutet dies für Friedrichshafen?

Natürlich stand in der Diskussionsrunde mit Christoph Schäfer die Frage nach dem Stadt-Land-Dualismus im Raum. Bei aller Bedeutung, die Friedrichshafen beigemessen wird und die die Stadt sich gerne attestiert, so ganz passten Schäfers Beschreibungen des Urbanen auf unseren Universitätsstandort nicht. Auch der Künstler selbst amüsierte sich über die Bürger, die zu später Stunde kilometerweit zum nächsten Briefkasten mit Nachtleerung fahren. Die Verkürzung der Wege - Schäfer stellt sie durch Zusammenfalten einer Decke dar,- wird von vielen Friedrichshafener Bürgern vermisst. Wenn die Stadt unsere Fabrik ist, was ist dann das Land? Rückzugsort? Wenn die kreative Klasse in den Städten wohnt, warum sind wir hier – gehören wir gar nicht dazu? Vielleicht sitzen die kreativen Köpfe von morgen gar nicht im Café und trinken Latte, sondern stehen am See und gucken auf die Berge. Die junge urbane Bevölkerung geht zur Ausbildung ins Ländliche und für Visionäre bietet der

Wie das Netzwerk „Recht auf Stadt“ beruft sich auch Schäfer bei seinen Überlegungen zumeist auf den französischen Soziologen und Marxisten Henri Lefèbvre und dessen Buch „Le droit à la ville“.  siehe auch Lefèbvre, Henri. (1968). Le droit à la ville, Paris: Anthropos (2nd ed.), Paris: Ed. du Seuil, Collection Points

Dabei zeichnet er ein normatives Bild der Stadt; die chaotische und vielseitige Stadt als vom Städter angeeigneter Raum steht für ihn im Gegensatz zur „Antistadt“ – der Kaserne, dem Kloster, dem imperialen Fort der Römer oder der faschistischen, aufgeräumten, „geraden“ Stadt. „Das Grade ist fast immer das Böse“,

Latte Machiatisierung Stadtentwicklung Basisdemokratie Kreative Klasse Verdichtung Dynamik Aneignung

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„Die Stadt ist nicht der Staat“ Christoph Schäfer

 Christoph Schäfer, 1964 in Essen geboren, ist ein deutscher Konzept- und Videokünstler. Er studierte Freie Kunst an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Heute lebt und arbeitet Schäfer in Hamburg. Bekannt wurde er durch seine Mitarbeit an den Projekten „Park Fiction“ und „Recht auf Stadt“. Letzteres ist ein im Sommer 2009 entstandenes Netzwerk verschiedener Hamburger Initiativen, die sich gegen die Gentrifizierung des Gängeviertels richten. /

 Christoph Schäfer / Buchpräsentation / Foto: Redaktion Logbuch /

halbstädtische Raum oftmals mehr Platz für Träume und Innovationen und solidere Strukturen. Auch gut möglich ist, dass wir uns hier besser auf uns selbst, auf unsere Gedanken und unsere Projekte konzentrieren können. Die Zeit wird zeigen, wo der Trend hingeht, zumal uns der technologische Fortschritt viele der verdichteten Unterschiedlichkeiten und Möglichkeiten per Antippen des Touchpads von überall aus zugänglich macht.


Partnerschaftliche Leitung eines glokalisierten Kunstvereins Hans D. Christ und Iris Dressler über das Erfolgsprinzip des Württembergische Kunstvereins Stuttgart Lorna Bösel

Die Geschichte des klassischen Kunstvereins lässt sich bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. In jener Zeit war es nur dem Adel vorbehalten Kunst zu besitzen oder sie für ausgewählte Personen zugänglich zu machen. Mit der Gründung des Kunstvereins wurde versucht einen Ort zu gestalten und jedem unabhängig vom sozialen Stand in der Gesellschaft einen Zutritt zur zeitgenössischen Kunst zu schaffen. Rückblickend hat er den Weg für den modernen Kunstmarkt geebnet.

In Bezug auf den WKV Stuttgart lässt sich wohl von einer differenzierten Form des Kuratierens sprechen. Iris Dressler und Hans D. Christ möchten eine Balance zwischen dem klassischen Kuratieren und neuen experimentelleren Ausstellungsformen schaffen. Damit ist zum einen die Zusammenarbeit mit den Künstlern, in welchen diesen die Möglichkeit eingeräumt wird, Kunst und Ausstellungen konkret für den KV zu entwickeln, gemeint. Zum anderen werden auch Kooperationen mit anderen Kuratoren für die Konzeption der Ausstellungen relevant. Das lokale Wissen der weltweiten Kuratorenschaft wird genutzt, um gemeinsam neuartige Projekte durchzuführen, die mehr einer Forschungsarbeit ähneln, als eine klassische Ausstellung von Kunstwerken.

Der Württembergische Kunstverein ist einer von ca. 250 Kunstvereinen in Deutschland. 1827 gegründet, er zählt heute über 3000 Mitglieder und wird derzeit von den beiden Direktoren Hans D. Christ und Iris Dressler geleitet. Gemeinsam gestalteten sie einen Abend in der Uni-Lounge der Zeppelin Universität, an dem sie erklärten, welche Rolle sie als Direktoren innerhalb dieser Institution spielen und durch welche Formate und Konzepte sich der Württembergische Kunstverein Stuttgart auszeichnet.

Diese verschieden Merkmale gehören für Dressler und Christ zu einem zeitgenössischen Verständnis von „curare“ in einer globalisierten Welt. Gleichzeitig ermöglicht es dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart eine neuartige Positionierung im Kunstbetrieb. Der Ausbau des Netzwerks, der durch modernes Kuratieren ermöglicht wird, unterstützt die Zusammenarbeiten weltweit und begünstigt verschiedenste, neuartige Projektvorhaben. Hans Christ und Iris Dressler betonten deutlich, den Wunsch „Lokal etwas Internationales zu vermitteln“.  zum Berufs-

Rollenvermischung In der Geschichte des WKV war die Ernennung der neuen „Doppelspitze“ 2005 eine Premiere. Niemals zuvor wurde dieser Kunstverein von zwei Personen geleitet. Der Erfolg des WKV spricht für diese Entscheidung und auch Iris Dressler ließ anmerken, dass sie sich den Beruf alleine kaum noch vorstellen könnte.

bild des Kurators „Wächter des Museums“ oder „Partner des Künstlers“? Eine historische und zeitgenössische Berufsdefinition, S. 28

Subversive Praktiken

Um in ihre individuelle Auffassung des Kuratierens überzuleiten, beleuchteten die beiden Vortragenden zunächst das herkömmliche Berufsbild des Kurators, welches allerdings der Kontextuierung bedarf, da der Begriff sowohl im Verwaltungsrecht, als auch in Bezug auf Stiftungen oder Museen verwendet wird. Wie sich von dem lateinischen Begriff „curare” ableiten lässt, hat der Kurator die Aufgabe “sich um etwas zu kümmern”. Er konzipiert und betreut in Institution wie Museen oder Vereinen die Sammlung und Ausstellungen und steht als Vermittler zwischen dem Künstler und dem Publikum.

Exemplarisch für die kuratorische Praxis der beiden Direktoren, ist ihre Ausstellung mit dem Titel „Subersive Praktiken- Kunst unter Bedingungen politischer Repression“, welche aus einem internationlem Netzwerk von Kuratoren heraus entstand. Dieses Projekt widmete sich der Kunst während der Militärdiktaturen  zum Einfluss der Militärdiktatur „Lachende Containerfracht aus S.14 und kommunistischen Herrschaft in Südamerika und Europa zwischen 1960 und 1980. Zwei Jahre dauerte der intensive Planungsprozess und die Zusammenarbeit zwischen dem Kunstverein und

Rio“,

Spielplatz Angriffsfläche Vermittlungspraktiken lokal vermischen Netzwerk facettenreich Forschung Doppelspitze zeitgenössisch international Schnittstelle kritisch

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kontextualisieren


dreizehn weltweiten Kuratoren. Die Ausstellung umfasste letztlich über 300 Objekte von ca. 80 Künstlern und Künstlerinnen. Sie zeigt, inwiefern sich unabhängige Kunst unter repressiven Bedingungen von kommunistischen Regimen, wie die DDR oder Chile, gestaltet hat und wie Künstler versuchten gegen die Zensur und die bestehenden Machtverhältnisse zu opponieren. Der Körper, die Sprache und der öffentliche Raum spielten eine wichtige Rolle in der oppositionellen Kunst, die sich in Form von Fotografien, Filmen, Installationen, Zeichnungen und Performance zeigte. Letzten Endes war die Ausstellung nur ein Bruchteil des gesamten Vorhabens, denn in der Gesamtheit betrachtet, ähnelte es eher einem Forschungsprojekt, in dem die Ausstellung das eigentliche Ergebnis darstellt. Jeder Kurator konnte sein lokales Know-how einsetzen, vor Ort recherchieren und Künstler auswählen. Erst nach und nach konnte somit das Konzept für die Ausstellung entwickelt werden. An dem Beispiel der Ausstellung „Subversive Praktiken“ wurde deutlich, dass die beiden Direktoren versuchten, ständig neue und verschiedene Perspektiven auf die zeitgenössische Kunst zu ermöglichen. Der Besucher wird bereits durch den Ausstellungsaufbau zur Selektion und einer eigenen Zusammenstellung angeregt, da er die Ausstellung nicht auf Anhieb als Ganzes betrachteten kann.

Gestaltungsmöglichkeiten zeitgenössischer Kunst und dem vielschichtigen Publikum. So wird neben den eigentlichen Kunstausstellungen auch eine Diskussionsplattform geschaffen und der wird WKV zu einem Ort, an welchem über eine Vielzahl unterschiedlichster Projekte verschiedener Vermittlungspraktiken verwirklichen werden, die alle sehr facettenreiche unterschiedliche Gebiete thematisieren und verarbeiteten. Beispielsweise bot der Württembergische Kunstverein Symposien folgende Symposien an: mit „EXPANDED CINEMA“ 2006 handelt es sich um eine „Erweiterung“ des Kinos, welches auf Live-Performances oder Mehrfachprojektionen zurückgriff, um die klaren Trennung zwischen Film und Zuschauer zu durchbrechen. Unter dem Titel „Spektakel Stadt“ veranstaltete der WKV 2006 drei Wochen lang Workshops für Studenten europäischer Hochschulen, die sich mit dem Einfluss von Riesenspektakeln, wie der FIFA Fußballweltmeisterschaft 2006, auf die Architektur, das Image oder die polizeiliche Kontrolle einer Stadt, beschäftigten. Ein weiteres Highlight war das 10. Jubiläum des „camp-festivals“ (creative arts and music project), das in Württembergischen Kunstverein Stuttgart gefeiert wurde. Dieses Festival, das Bild, Ton, Licht, Farbe und Video mit einander verbindet, findet alle zwei Jahre an einem neuen Ort statt. Inzwischen zählt es zu den renommiertesten Festivals im audiovisuellen Konzertbereich.

Von der Präsentation zur Kommunikation Die Präsentation von Kunst wird in der Regel mit Museen oder Ausstellungen assoziiert. Hans D. Christ ist jedoch der festen Überzeugung, dass es dem WKV nicht allein um eine museumsähnliche Präsentation von Kunst gehen darf. Vielmehr bietet der Kunstverein eine Schnittstelle zwischen den abwechslungsreichen

Wozu Vielfältigkeit? Der Versuch eine gemeingültige Definition für Kunst zu finden, gestaltet sich wohl ähnlich problematisch, wie die eindeutige Begriffsklärung von „Kultur“. Eines steht jedoch für Christ und Dressler fest: Kunst besitzt keine vorgefertigten Grenzen und Rahmen, sie beinhaltet Aspekte der unterschiedlichsten Bereiche,


wie beispielsweise der Architektur oder der Filmkunst. Gerade dieses Ausreizen der Grenzen soll eine gewisse Angreifbarkeit der Kunst fördern. In diesem Zusammenhang stellt die Institution den Freiraum beziehungsweise einen „Spielplatz“ für die Auseinandersetzung mit Kunst dar und die verschiedenen Vermittlungspraktiken bieten die Möglichkeit der kritischen Konfrontation mit ihr. Es geht nicht lediglich um das Ausstellen und das Vermitteln, erklärte Hans D. Christ, da der Besucher vielmehr angeregt werden soll sich aktiv an der Kunst zu beteiligen, wie es auch der Multimediakünstler Muntada  Antoni Muntada Der gebürtige Spanier beschäftigt sich dem kritischen mit der zeitgenössischen Medienlandschaft und Formen der Repräsentation, wie Werbung oder Fernsehen. im angeführten „Warnung“ fordert und der auf der Homepage des Württembergischen Kunstverein Stuttgart zitiert wird. Mit dieser aktiven Beteilung ist vor allem der kommunikative Umgang mit den persönlichen Differenzen und Interpretationen der Besucher zu einzelnen künstlerischen Beiträgen gemeint.

Die verschiedenen Vermittlungspraktiken sind daher nötig, um den Besucher auf immer wieder neuen Ebenen zu fordern und anzusprechen. Aus diesem Grund müssen sie ständig erneuert, beziehungsweise erweitert werden. Denn die permanente Weiterentwicklung der verschieden Formate des Württembergischen Kunstvereins und die experimentelle Beschäftigung mit Kunst fördert nicht nur die individuelle Wissensproduktion, sondern schafft ebenso eine Plattform für kritische Diskussionen.

Neben dem kommunikativen Austausch versuchen beiden Direktoren außerdem den Besucher am Entstehungsprozess der Veranstaltungen teilhaben zu lassen beispielsweise durch „(…) informelle Momente, wenn die Ausstellungsplanung teilweise in der aktuellen Ausstellung stattfindet“. Dieser Facettenreichtum gewährleistet eine tiefgründige Beschäftigung mit der Kunst, die von den beiden Direktoren angestrebt werden.


Antoni Muntada

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 Hans D. Christ, geboren 1963, studierte Kunst und Germanistik in Dortmund. Iris Dressler, die 1966 geboren wurde, studierte Kunstgeschichte in Bochum und Marburg. Ihre Wege kreuzten sich schon vor der gemeinsamen Leitung des Württembergischen Kunstvereins Stuttgart 2005: Ende der 90er Jahre gründeten sie den „hARTware Medien Kunst Verein“ in Dormund. Dabei handelt es sich um eine Art Plattform für zeitgenössische Kunst. Das Besondere daran war der ständige Standortwechsel der Ausstellungen, die zum Teil in Museen, aber auch in alten Industriehallen gezeigt wurden. /  Daten und Fakten zum Württembergischen Kunstverein Stuttgart / 1827 gegründet / Heute über 3.000 Mitglieder / Jahresbeitrag für ordentliches Mitglied: 50 Euro / Eintritt 5/3 Euro / Ausstellungsfläche 3000 qm / Jahresdurchschnitt 2008: 50 Jahre / Jahresbudget: ca. 850.000 Euro (Einnahmen aus Eintritten, Katalogverkäufen und exklusive Drittmittel) / Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (AdKV) /

 Hans D. Christ, Iris Dressler / Künstlergespräch / Foto: Redaktion Logbuch /

„Warning. Perception Requires Involvement“


Schutzbunker/Gefängnis/Bananenbunker/Technoclub/KUNSTbunker Vernarrt in die Kunst – Über die Leidenschaft von Christian Boros Lorna Bösel

Sammeln als Grenzerfahrung

Mitten in Berlin, zwischen der Charité und dem Friedrichsstadtpalast steht er, massiv, imposant und grau: der etwas groß geratene „Hobbykeller“ von Christan Boros und seiner Frau Karen Lohmann. Auf 3000 qm zeigt der Unternehmer aus Wuppertal einen Teil seiner gesammelten Kunstwerke und Installationen. Doch er „bunkert“ sie nicht nur, er stellt sie auch aus. Seine Privatsammlung kann jedes Wochenende besichtigt werden, es bedarf lediglich einer kurzen aber rechtzeitigen Anmeldung auf der Homepage.

Um die 500 Arbeiten zählen mittlerweile zu Boros’ Sammlung. Allerdings besitzt er keine Einkaufsliste, auf der er bestimmte Werke abhaken kann. Ihm geht es nicht vorrangig nur um bekannte „Marken“, also prominente Künstler oder Schulen. Er setzt sich mit jedem Autor einer ihn interessierenden Arbeit auseinander, will ihn kennen lernen und die Gedanken hinter dem Kunstwerk besser verstehen. Nur wenn zwischen beiden die Chemie stimmt, wird gekauft.

www.sammlung-boros.de

Vorrangiges Kriterium für den Kunstsammler ist die Faszination für Werk und Künstler. „Ich sammle Kunst, die ich nicht verstehe.“ Damit meint Boros Kunst, die ihn fasziniert, möglicherweise provoziert und an seine innerlichen Grenzen bringt, denn diese Verschiebung der Grenzen macht gute Kunst für ihn aus. Boros schöpft Energie aus der Kunst, die ihm immer wieder seine persönlichen Grenzen aufzeigt und ihm gleichzeitig die Chance gibt sie zu überwinden.

Zwar lädt an diesem außergewöhnlichen Ort Christian Boros ein, an seiner Leidenschaft zur Kunst teilzuhaben, doch ist der Bunker nicht nur für Kunstliebhaber interessant. Bei einem Besuch in Albrecht Speers „Trotzburg“ werden auch die vielfältigen Nutzungen des Bunkers nach Kriegsende offensichtlich. Im Rahmen der Artsprogram- Veranstaltungsreihe „Curating the Context“ plauderte Boros einen Abend lang über seinen Bunker, seine Sammelleidenschaft und die Bedeutung der Kunst in seinem Leben – sowohl für ihn beruflich, als auch privat.

Sie hat ihm dabei geholfen sich auf Dinge einzulassen und Vorhaben zu starten, die auf den ersten Blick nicht immer logisch erscheinen. Das spiegelt sich natürlich auch in seinem Beruf wieder, denn als Werbeunternehmer und Geschäftsführer der „Boros Group“ gilt es immer wieder Neuland zu betreten. Dabei ist es wichtig, so Boros, auch zu seinen eigenen Fehler zu stehen und trotzdem häufiger „Ich“ zusagen, auch wenn der Begriff nach seiner Wahrnehmung in der heutigen Gesellschaft oftmals sehr negativ besetzt ist.

Kaufen Kaufen Kaufen Seit seinem 18. Lebensjahr hat Christian Boros ein ungewöhnliches Hobby: er sammelt Kunst. Als Sammler und Unternehmer interessiert ihn in seiner Begeisterung für die Kunst, vor allem der Besitz von Kunst. Er beschreibt ihn als eine Form der Verinnerlichung, des „In-Sich-Aufnehmens“, denn das einmalige Betrachten reicht ihm nicht aus. Wenn sich Boros für den Kauf eines bestimmten Werks entscheidet, dann beansprucht er es für sich. Er bekennt sich zu der Kunst und kann sie „wie ein Jäger seine Beute mit nach Hause tragen“, da ihm der Besuch in einem Museum nicht ausreicht. Die Betrachtung der Kunst, wie Boros meinte, ist lediglich eine Dimension im Umgang mit ihr. Eine weitere bestünde in der Möglichkeit der Kommunikation. Zum einen soll Kunst als Gelegenheit der Begegnung und des kritischen Austausches  über Kunst gesehen werden. Zum anderen ist für Boros der kommunikative Prozess mit dem Künstler entscheidend.

Kunst als Affäre Mit der Kunst ist es wie mit der Liebe, erklärt Christian Boros. Man verliebt sich. Dabei kann es die große Liebe sein, eine Affäre oder doch nur ein kleiner Flirt. Es gibt Kunstwerke, die sich nicht lange behaupten und die schnell an Bedeutung verlieren. Genau wie im wahren Leben kann sich die Sicht auf bestimmte Dinge nach einer gewissen Zeit ändern. Schließlich gehören auch die Verführung und das Gefühl, sich zu schnell auf etwas eingelassen zu haben zum Leben. Und so behält Boros die Kunst in der Hoffnung, dass bestimmte Gefühle vielleicht wiederentdeckt werden.

bunkern Inszenierung Historie Affäre Verinnerlichung 3000qm Sammler Hingabe Grenzen Flirts Labyrinth Kommunikation vielfältig

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Zwar ist sein Lieblingswerk stets das Letztgekaufte, trotzdem weiß man nie, ob nicht eine alte Liebe neu entfacht wird.

 Wie lässt sich der Preis für ein Kunstwerk festlegen? Warum sollte sich Kunst in Privatbesitz zur öffentlichen Diskussionsplattform eignen?

Die Kunst bunkern 1942 wurde der Bunker zum Schutz vor Luftangriffen erbaut. Obwohl er für 2000 Menschen konzipiert wurde, fanden in Zeiten des starken Bombardements Berlins weitaus mehr Menschen unter inhumanen Bedingungen dort Schutz. Kunst in einem solch faschistischen Gebäude auszustellen, ist offensichtlich ein kritisches Projekt. Doch Christian Boros liebt die Herausforderung. Kunst hat für ihn etwas mit Freiheit zu tun, die im Rahmen dieses Ortes gegen den Geist des Bauwerks ankämpft. Aufgrund der vielfältigen Nutzung des Bunkers als Bananenlager in der DDR

oder als Sadomaso-Club in den 90er Jahren, kann die Kunst hier in verschiedensten Kontexten betrachtet und hinterfragt werden. Auch die Stadt ist von besonderer Bedeutung und nicht zufällig gewählt. Berlin ist eine Metropole des Wandels. Sie gilt als internationale Ebene für die Kunst aber auch für die Neugier der Menschen. Gleichzeitig bietet Berlin verschiedene Szenen und anscheinend genügend Platz und Potential für ein persönliches Denkmal. Neben der kuriosen Ortswahl für eine private Ausstellung, stellt vor allem der ständige Austausch zwischen Künstlern und Architekten eine Besonderheit dar. Im Zuge der Einrichtung des Gebäudes für die


Kunst wurden zum Teil räumliche Veränderungen vorgenommen, wie zum Beispiel das Entfernung von drei Meter dicken Wänden um eine offenere Raumgestaltung zu ermöglichen. Trotzdem war Boros’ Absicht nicht die historischen Spuren zu verwischen: Deshalb haben er und sein Team keine einfache Ausstellung konzipiert, sondern ein „Erlebnis“, wie Boros es beschreibt und vermarktet. Heute kann man noch die verschiedenen Zeichen der früheren Nutzung erkennen, wie zum Beispiel alte Graffitiaufschriften, die schwarze Farbe der Darkrooms oder die Einschusslöcher aus dem 2. Weltkrieg.

„Wer ich sagt, lügt“ (Th.W. Adorno) Inwieweit dürfen Künstler Charakter- und Rollen-Modelle für außerkünstlerisch handelnde Subjekte vorgeben? Boros´ plakative und gewagte Formulierung, daß man von Künstlern lernen müsse, wieder mehr 'Ich' zu sagen, suggeriert, daß das künstlerische Anregungspotential sich nicht auf die konkreten Werke und deren sichtbare, wahrnehmbare, mehr oder weniger reflektiert rezipierbare Qualitäten beschränkt, sondern daß Künstler darüber hinaus eine verallgemeinerbar-ideale Lebenshaltung vorleben, die heute mit den

… Nach etwas mehr als 90 Minuten ist die Führung zu Ende, die vor allem in der Endphase ein gehetztes Tempo annahm. Hier folgt auch ein Rundgang durch Boros’ Sammlung einem strengen Zeitplan, der strikt befolgt werden muss, um Überschneidungen mit anderen Gruppen zu vermeiden. Jedoch ist eine Führung notwendig, denn das Risiko sich in diesem Labyrinth, ohne natürliches Tageslicht, zu verirren ist relativ hoch. Allerdings steigert genau diese Atmosphäre die Spannung und die Neugier nachdem, was sich wohl hinter der nächsten Ecke verbirgt.

neoliberalen Vorstellungen vom risikobereiten Unternehmer und von der selbstbewußten Ich-AG konvergiert (Luc Boltanski und Eve Chiapello sprechen daher vom „neuen Geist des Kapitalismus“). Auf die Frage, wie ein solches Credo zu einer Zeit paßt, in der offenbar zu viele Leute zu schnell „Ich“ gesagt haben – und genau deswegen sehr feige die Verantwortung für eigene Entscheidungen abgelehnt und deren Konsequenzen an andere weitergereicht haben, um so die ganze Welt in eine Finanzkrise katastrophalen Ausmaßes zu stürzen – auf diese naheliegende Frage wollte Boros in der Diskussion leider nicht eingehen.

Wahrscheinlich darf man der Werbebranche, in der Boros arbeitet, auch jene Kunstaffinität guten Gewissens gönnen, die solche (relativ) folgenlosen Individualitätsbeteuerungen legitimiert. Aber abseits der „kreativen Klasse“ scheint es doch, auch ohne die ihrerseits hohlen Phrasen vom „sozialen“ und „verantwortungsvollen“ Unternehmertum zu bemühen, nach wie vor etwas grundlegend Anderes, ob es ein künstlerisches oder ein unternehmerisches Subjekt ist, das da 'Ich' sagt. Joachim Landkammer


Christian Boros

 Christian Boros, geboren im polnischen Zabrze, studierte in den 80er Jahren Kommunikationsdesign bei Bazon Brock in Wuppertal. Zwei Jahre nach Ende seines Studiums gründete er die erfolgreiche „Boros Agentur für Kommunikation“, die vor allem durch die Kampagne „VIVA liebt dich“ für den gleichnamigen Musiksender Aufmerksamkeit gewann. Mit 18 kaufte er sich, anstelle eines Autos, sein erstes Kunstwerk. Heute umfasst eine Privatsammlung etwa 500 Werke von 57 unterschiedlichen Künstlern, u.a. von Damian Hirst, Tobias Rehberger, John Bock, Olafur Eliasson, Wolfgang Tillmans. /  Technische Daten zum Bunker / 3000 qm / 80 Räume (ursprünglich 120 Räume) / 2-3 m dicke Wände / Geplant zum Schutz für 2000 Menschen / 5-20 m hohe Räume /  Historische Daten zum Bunker / 1941/42 errichtet / 1945 Besetzung durch die rote Armee, Nutzung als Kriegsgefängnis / 1957 Lagerung von Südfrüchten „Bananenbunker“ / ab 1992 Technoclub / 2003 Kauf durch Christian Boros / 2008 Eröffnung der Sammlung Boros /

 Bunker / Aussenansicht / Seit mittlerweile 58 Jahren ist der Hochbunker fester Bestandteil der Rheinhardstraße in Berlin. Bei einem Rundgang um das heute denkmalgeschützte Gebäude fallen die kleinen untypischen Verschönerungen, wie der hervorragende Dachsims oder die angebauten Seiteneingange, auf. Auch die schlitzartigen Fenster wecken die Neugier, nach dem Innenleben des Bunkers. Als Teilnehmer der Führung durch Boros’ Sammlung wird man nicht vor den massiven Eingangstüren abgeholt, sondern muss selbst den Mut aufbringen, die bedrohlich wirkenden Luftschutztüren zu öffnen… In den fünf Jahren der Planung und des Umbaus wurden nicht nur Wände entfernt, restauriert und Kunstinstallationen geschaffen, sondern es ist auch ein Lebensraum entstanden. Direkt auf dem Dach des Bunkers wohnt, mit seiner Familie in einer neu konstruierten Loft, der Besitzer Christian Boros. Eine Treppe, die offen alle Stockwerke miteinander verbindet, führt zur Wohnungstür im Obergeschoss. Um diesen Durchbruch zu schaffen, wurden in mehreren Monaten die bis zu 3 Meter dicke Wände mit Diamantscheiben durchfräst. / Foto: Lars Bösel /  Olafur Eliasson / Ohne Titel (in Kooperation mit Elias Hjörleifsson), 1998 / Dieser Raum fällt durch zwei Dinge auf. Zum einen ist er sehr hoch und schlicht. Zum anderen hängt an einem langen Kabel, mitten in diesen Zimmer, ein Ventilator, der durch den Raum tanzt. In einem Augenblick schwingt er aus eigener Kraft von rechts nach links, ganz unvorhersehbar, doch im anderen Moment bewegt er sich ganz ruhig. Der Ventilator, der 1997 erstmals in Düsseldorf präsentiert wurde, ist eines der vielen Werke von Olafur Eliasson in Boros’ Sammlung. Interessant und amüsant ist es zu beobachten, wie die Besucher dem Ventilator immer wieder aufs Neue ausweichen, denn es ist kaum vorhersehbar, welche Richtung und Reichweite er einschlagen wird. / Foto: Noshe /  Kris Martin / "FOR WHOM...", 2008 / Nach dem Überwinden der gewaltigen Bunkertüren und des verwinkelten Eingangsbereiches, betritt man ein Foyer. Der weiße Raum wirkt fast endlos und unglaublich hell. Umso bedrohlicher und erschreckender erscheint die 1200 kg schwere Bronzeglocke, die dem Besucher entgegen schwingt. Obwohl automatisch mit einem enormen Läuten gerechnet wird, bleibt es still, denn der belgische Künstler Kris Martin hat eine Glocke ohne Klöppel installiert. Trotzdem hört man förmlich das Glockenläuten, das möglicherweise an all die Opfer und das Leiden des 2. Weltkriegs erinnert. / Foto: Achim Kukulies /

„[...Kunst] wie ein Jäger seine Beute mit nach Hause tragen“


„Wächter des Museums“ oder „Partner des Künstlers“? Eine historische und zeitgenössische Berufsdefinition von Thomas Trummer Ann Christin Bakhos

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Curating the Context“ war Thomas Trummer, der Kurator und Projektleiter der Siemens Stiftung, zu Gast. In gemütlicher Loungeatmosphäre ließ er die Besucher an seinen Berufserfahrungen teilhaben. Seine Ausführungen über den Beruf des Kurators unterstützte er mit einer ganzen Reihe von Katalogen seiner vergangenen Ausstellungen. Dabei bezog der Kurator klar Position: schon zu Anfang des Gesprächs betonte Trummer, dass er sich in Zusammenarbeit mit den Künstlern als Ideengeber versteht und im Zuge der von ihm geplanten Ausstellungen in Kooperation mit dem Künstler Kunst entstehen lassen will.

Wert jedoch, so Trummer, wurde durch die Plünderung gemindert, da die Werke aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgerissen worden waren. Mit dem Aufstellen bzw. Aufhängen im Museum sakralisierte man das Werk wieder, allerdings nun im Kontext der Kunst. Im Museum wollte man das Kunstwerk konservieren, was nach Meinung der historischen Kustoden in dessen Heimatland durch die „Unkultiviertheit“ der dort lebenden Völker nicht möglich sei. Die Kustoden suchten Kunstwerke mit Hinblick auf deren Exotik oder Alter aus: historische Kunst aus der Ferne, aus Ägypten oder Griechenland, wurde ausgestellt, Kunst, die in der Heimat entstand, wurde ignoriert – sofern es den heimischen Künstler nicht gelang durch Kopieren orientalischer oder östlicher Kunst den Geschmack der Kustoden zu treffen.

Zu Beginn der Veranstaltung skizzierte Trummer die Entwicklung des Berufsbilds Kurator Ende des 18. Jahrhunderts und erklärte dabei, dass das Handeln früherer Kuratoren heutzutage moralisch umstritten ist: Herrscher wie Napoleon plünderten auf ihren Feldzügen durch Asien und den Vorderen Orient Bilder, Monumente und kultische Gegenstände, welche nach ihrer Verschiffung nach Frankreich im Louvre ausgestellt wurden. Vivant Denon, damaliger Kurator des Louvres, begleitete Napoleon oft bei dessen Raubzügen. Obwohl das geplünderte Land durch die Verschiffung der Kunstschätze seines kulturellen Erbes beraubt wurde, war Denon der Meinung im Recht zu sein: Nur er könne durch sein kulturgeschichtliches Wissen die Kunstwerke in ihren Kontext einordnen. Darüber hinaus war Denon als Kustos (Wächter) eingesetzt. Dieser achtete darauf, dass nur bestimmte Werke in den Museen ausgestellt wurden. Der Kustos oder Kurator beurteilte eigenmächtig, was „kunstwürdig“ war und was nicht. Auch in diesem Punkt also beanspruchten Denon, genau wie seine Nachfolger, die Deutungshoheit über den Wert eines Kunstwerkes für sich. Der religiöse

„Ich will Kunst entstehen lassen: Durch Ideen und Anregungen und durch meinen [kuratorischen] Zugang zu einem Wissen, das der Künstler vielleicht nicht hat.“

Trummer setzt sich klar von dieser von ihm geschilderten Einstellung des historischen Kustos ab und beschreibt seine eigene Positionierung: Er interessiert sich nicht für klassische Werke. Ihn beschäftigt die zeitgenössische Kunst. Es geht ihm nicht um den Anspruch auf DeutungsThomas Trummer hoheiten, sondern um das kreative Ausschöpfen kuratorischer Möglichkeiten. In Zusammenarbeit mit den Künstlern will er nichtalltägliche Dinge thematisieren. Bei den Ideen für neue Ausstellungen lässt er sich von Künstlern inspirieren und konzipiert gleichzeitig den Raum für Themen, mit denen sich der Künstler beschäftigt. Er sieht seine Funktion als die eines „Zeitungsredakteurs“, der zwar das Thema selektiert und durch die Künstler „den Text (neu) schreiben lassen will“, beeinflusst diesen „Text“ aber nicht selbst.

entstehen lassen Machtverhältnisse Orte suchen Partnerschaft Peripherie Ideengeber Siemens Stiftung eigenmächtig

Als Projektleiter des Bereichs „Bildende Kunst“ der Siemens Stiftung, welche sich vor Beginn seiner Amtszeit eher auf Deutschland fokussiert hatte, möch-

Geschmack nicht alltäglich Zeitungsredakteur international kooperieren Kustoden Freiraum

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te er die Kunst nicht nach Deutschland holen, sondern strebt für seine Veranstaltungsorte internationale Kooperationen an.  zu Internationalen und

Als Kurator spricht Trummer landestypische Themen an und gibt ihnen durch die Präsentationsform der Ausstellung Raum. Er kuratiert zeitgenössisch und mit politisch-kritischem Unterton. Durch (phonetische) Assoziationen wie bei der Ausstellung „Beskraina sphera“ steigt er in den jeweiligen Themenkomplex ein und schafft Kontexte. Aus der bloßen und es sich damit einfach machenden „Wächterfunktion“ wird ein Kurator, der die Künstler als Partner begreift: Er will diese mit einbeziehen, eine Annäherung versuchen, ihnen mit dem durchaus kreativen und gleichfalls künstlerischen Prozess des Kuratierens aber nie den Rang streitig machen. Er arbeitet

lokalen Kooperationen „Partnerschaftliche Leitung eines glokalisierten Kunstvereins“, S. 20

Er wolle genau wie der Ausstellungsbesucher etwas lernen, sagt Trummer. Dabei zieht es ihn u.a. in die Ukraine, nach Serbien und Brasilien, denn er sucht solche Orte aus, die nicht im Zentrum der Kunstwelt stehen, sondern an deren Peri-

global und denkt über den lokalen Kontext der Siemens Stiftung hinaus. Die Stiftung selbst hat keinen Ausstellungsort, sodass dieser immer wieder neu gedacht und gefunden werden muss. Interessant ist hier, inwieweit heutige Kuratoren wie Thomas Trummer sich von ihrem eher negativen historischen Berufsbild distanzieren wollen oder können. Auch wenn Trummer sich der Nachteile eines

pherie gelegen sind. Hierbei entwickelt Trummer zuerst eine Idee, sucht dann im Ausland ein Museum als Partner um diese Idee umzusetzen und versucht die lokale Kunstszene, beispielsweise andere einheimische Kuratoren, einzubinden. Auch etabliertere Künstler seien viel faszinierter davon, nicht nur in den immer gleichen Metropolen auszustellen, sondern auch an weniger bekannten Orten.

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allzu machtvollen Kurators bewusst ist und versucht auf partnerschaftlicher Ebene mit den Künstlern zu arbeiten, stellt sich dennoch die Frage, ob dies auch gelingt. Immerhin hat der Kurator aufgrund der kuratorischen Tätigkeit Einfluss auf den Titel und den Inhalt der Ausstellung, die Kuratoren sind weiterhin in der auswählenden Rolle. Wie passt sich aber die Rolle des Kurators der des Künstlers an? Oder anders ausgedrückt: Wie sieht die Beziehung zwischen Künstler und Kurator heute tatsächlich aus?

Kurator sich gegenseitig Freiräume lassen, welche aber von Zeit zu Zeit reflektiert werden müssen.  Die von Trummer in der Ukraine realisierte Ausstellung „Beskraina sphera“ verdeutlicht beispielhaft, wie der Kurator geografische, politische oder soziale Gegebenheiten als Inspiration für die Umsetzung von Ausstellungen nimmt, und dass Ausstellungstitel viele Gestaltungsmöglichkeiten bieten, weil man sie unter Thomas Trummer anderem phonetisch nutzen kann:  zur Arbeit mit Wortspielen „Lachen

„Es geht nicht unbedingt um Themen, die alltäglich sind, sondern um solche, die Künstler inspirieren.“

Was wird gezeigt und finanziert, und was nicht? Was wird durch Entscheidungen ausgeschlossen? Wer finanziert? Nicht zuletzt diese Parallelen zu den Studieninhalten der Zeppelin Universität machten den Einblick in Trummers Berufsleben, die Prozesse hinter den Kulissen der Ausstellungswelt und die dadurch von ihm illustrierten Problematiken interessant. Die aufgeworfenen Fragen wird man pauschal wohl nicht beantworten können. Trummer scheint sein Selbstbild gefunden zu haben. Letztendlich ist jede Interaktion zwischen Kurator und Künstler aber so individuell, dass es nötig wird, sich obige Fragen immer wieder neu zu stellen. Wichtig ist, dass Künstler und

als Containerfracht aus Rio“, S. 14

Wörtlich bedeutet „Ukraine“ soviel wie „am Rand“ und die Ukraine könne laut Trummer historisch gesehen immer irgendwie „am Rand“ verortet werden: am Rand des Osmanischen Reiches, am Rand der Sowjetunion und heute am Rand der EU. Die Ausstellung sollte indirekt das genaue Gegenteil des negativen ukrainischen Selbstbilds des „am Rand Stehens“ thematisieren: Trummer arbeitete für den Ausstellungstitel mit einer Kugel - ein Gegenstand dessen Oberfläche keinen Rand aufweise und dadurch


 Wenn Rollen zwischen Kurator und Künstler verschwimmen weil beide verstärkt interagieren, wie können sie sich dann Freiräume lassen?

 Street“ Auch diese 2008 von Trummer in Belgrad

kuratierte

sches: in diesem Fall den Bürgerkrieg zwischen Ausstellung thematisiert

Serben und Kroaten.

Politi-

 Thomas Trummer studierte in Graz Kunstgeschichte. In seiner Zeit als Kurator für moderne und zeitgenössische Kunst am Belvedere in Wien (1996 bis 2006) gründete er das Augarten Contemporary, ein „Artist in Residence“– Quartier, in dem regelmäßig Ausstellungen stattfanden. Momentan ist er Projektleiter des Bereichs Bildende Kunst der Siemens Stiftung, die sich bis zum 1. Oktober letzten Jahres noch Siemens Arts Program nannte. Das Siemens Arts Program war 1987 etabliert worden und beschäftigt sich mit Bildender und Darstellender Kunst, sowie mit Musik- und Kulturgeschichte. /

 Zidovi na ulici / Walls in the street / Installationsansichten “Zidovi na Ulici / Walls in the Street” / 20. Juni – 1. August 2008, Muzej savremene umetnosti, Beograd / Courtesy: Siemens Arts Program / Foto: Saša Relic ´ / Josephine Meckseper / Ohne Titel (Sfera), 2006, Installation aus verschiedenen Medien, 180 x 430 x 180 cm / Courtesy: Galerie Arndt & Partner, Berlin / Zürich und Galerie Hauff, Stuttgart /  Curating the Context mit Thomas ´) / Trummer / Foto: Ulrike Shepherd /  Zidovi na ulici / Walls in the street / on-site view: Centar za kulturnu dekontaminaciju (Paviljon Veljkovic Courtesy: Siemens Arts Program / Foto: Saša Relic ´ / Annika Ström: Old Colour on a Wall, 2008 / Gemälde auf Wand, Maße variabel / Courtesy: the artist /  Endless Sphere / _________ _____ / Installationsansichten “Endless Sphere“/ 10. Oktober – 2. November 2008 / CCA Center for Contemporary Art, Kyiv / Courtesy: Siemens Arts Program / David Claerbout: Sections of a Happy Moment, 2007 / Video-Still, einkanalige Projektion, 1920 x 1600, schwarzweiß, Audio-Stereo, Länge: 30 min / Courtesy: David Claerbout und Galerie Micheline Szwajcer, Antwerpen /  Zidovi na ulici / Walls in the street / Installationsansichten “Zidovi na Ulici / Walls in the Street” / 20. Juni – 1. August 2008, Muzej savremene umetnosti, Beograd / Courtesy: Siemens Arts Program / Foto: Saša Relic ´ / Rita McBride: Rock Wall, 2008 / Fototapete auf Holzrahmen, 8 Bestandteile, jeweils 116 x 96,8 x 0,40 cm / Courtesy: Alexander Bonin Gallery, New York /

unendlich scheine. Kugel heißt im Ukrainischen „sphera“, unendlich „beskraina“. „Beskraina sphera“ als Ausstellungstitel weist nicht nur durch die Ähnlichkeit der Wörter „beskraina“ und „ukraina“ und der Anspielung auf das ukrainische Selbstbild auf eine Beschäftigung mit Politik hin.  „Walls in the


Scheinbare Kontrolle und der Schein der Bildkaskaden Exkursion zum Kunsthaus Bregenz – „Lock 2,4,6“ von Tony Oursler Jonas Mieke

Was ist Kontrolle? Wie wirken wir auf unsere Umwelt und wie beeinflusst sie uns? Was nehmen wir überhaupt als unsere Umwelt wahr und wie gehen wir damit um? Es sind existentielle Fragen von Wahrnehmung und Erkenntnis, die Tony Oursler dem Besucher des Kunsthauses Bregenz in Form gewaltiger Bild- und Tonkaskaden serviert. Durch geloopte Abfolgen von Wahrnehmung, Zwängen, Handeln und Kettenreaktionen erfährt der Betrachter auf drei Stockwerken einen schier unentrinnbaren Kreislauf der Interaktion zwischen dem Selbst und seiner Welt.

in der Skulptur an Platons Höhlengleichnis erinnert und merken: Einerseits nehmen wir vielleicht nur die Schatten der Dinge wahr, andererseits zeigt uns die Informationsflut der Dia-Show gegenüber, dass diese Einschränkung für uns Menschen auch bedeutet, das für uns Wesentliche zu sehen und den Rest der Daten auszublenden.

Chaos und Ordnung, endlos

In den drei Stockwerken des KUB läuft der Besucher durch eine Vielzahl von Projektionen hindurch, wirft in den Räumen seine eigenen Schatten auf die Projektionsflächen, die im Raum scheinbar wahllos verteilt sind. Die Videoschleifen, die gesungenen Lieder, die gesprochenen Verse und die unvermittelten Knallgeräusche um den Betrachter herum, muten zunächst wie ein surrealer Trip an. Dann beginnt man, wiederkehrende Muster zu entdecken. Im ersten Stockwerk herrscht das Chaos: schreiende Kinder umgeben den Betrachter ebenso wie Stimmengewirr, Datenflut in Form von Internetseiten und sich ergießende Flüssigkeiten. Alles ist im Fluss, bis die Glühbirne zerspringt, sich das System herunterfährt und neu startet. Im Hintergrund wird eine Mauer aufgebaut, eine Abgrenzung vom vorherrschenden Chaos, der Wille, eine Ordnung aufzubauen, die einem Schutzmantel gleichkommt.

Haben wir daran gedacht, das Licht auszumachen?

In der Eingangshalle des KUB bereitet Oursler den Besucher auf die Ausstellung vor. Eine an die Wand projizierte Dia-Show, die mit ihrer enormen Geschwindigkeit der Bilderfolge den Betrachter strapaziert, hat ihr Gegenüber in „Forget / Light (argument for two caves)“, einem Spiel aus Skulptur und Projektion. Die zwei in Höhlen projizierten Personen sind in wirre Selbstgespräche verwickelt, über Quantenphysik und eine

Medizin zum Vergessen tragischer Erlebnisse.

Was ist Kontrolle? Wie wirken wir auf unsere Umwelt und wie beeinflusst sie uns? Was nehmen wir überhaupt als unsere Umwelt wahr und wie gehen wir damit um?

Wie sind Erkenntnis und Weltbild verknüpft mit den Schatten der eigenen Vergangenheit, wie ist dadurch unser Handeln determiniert? Beruht die Einschränkung unserer Wahrnehmung neben der Selektivität der Sinne auch auf inneren Zwängen? Zumindest unser Handeln ist davon geprägt: „Haben wir daran gedacht, das Licht auszumachen?“ lautet die bohrende Frage, mit der Oursler den Besucher konfrontiert. Wir können uns nicht daran erinnern, die Bilder sind vergessen, untergangen in der Flut, machten keinen Unterschied. Folgen wir nun dem Zwang, nachzusehen oder unterdrücken wir ihn? Auch fühlen wir uns beim Betrachten der zweidimensionalen Figuren

Doch mit der Überbeanspruchung der Sinne und dem Springen der Glühbirne fällt die Mauer in sich zusammen, um dann neu aufgebaut zu werden. Der Aufbau einer Innen-/Außendifferenz, um das Chaos zu ordnen, sowie ihre Aufrechterhaltung ist Thema des zweiten Stockwerks. Behälter als Metapher für die Haut des Körpers oder die Begrenzung unserer Erfahrung trennen das Spülmittel im Inneren der Flasche

Innen Außen Zwang Erkenntnis Ordnung Kontrolle Chaos Schatten Rationalität

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Irrationalität


oder das Gas im Inneren des Feuerzeugs von der Außenwelt. Die Bearbeitung von außen führt zum Austreten des Inneren in die Außenwelt.

Das Erkennen des jeweils Anderen bedeutet auch immer das Beeinflussen dieses Anderen. Das haptische Bearbeiten verdeutlicht dies, doch auch in der Quantenphysik kennt man dieses Problem und wir erfahren es in der Ausstellung am eigenen Leibe, sobald wir nicht vermeiden können, Projektionsfläche zu sein und eigene Schatten auf die Projektionen zu werfen. Im dritten Stockwerk wird die Haptik durch die Fernsteuerung ersetzt. Statistik gibt scheinbare Deutungsgewalt über Umwelt und Konsequenzen des Handelns. Es ist die Vision der vollständigen Kontrolle. Gleichzeitig jedoch thematisiert der Künstler die Flucht in die Süchte, das Ausblenden rationaler Entscheidungen, zwanghaftes Verhalten. Menschengroße Zigaretten verglühen ohne zu verschwinden, sie bleiben immer da. Rubbellose stehen für die Spielsucht; es scheint, als frage Oursler sich, was den Spieler eigentlich vom Börsianer unterscheidet.

Wann funktionieren wir nicht mehr und was heißt das überhaupt, „funktionieren“? Suchen wir manchmal unser Glück in Irrationalitäten? Die zerstörende Droge, der unkontrollierbare Flow der Märkte?

Kontrolle?

Der Titel der Ausstellung „Lock 2,4,6“ spielt auf das menschliche Schubladendenken an. Wir neigen dazu, Kausalitäten zu konstruieren und wollen wie bei einer Zahlenfolge das erkannte Muster in der Folge bestätigen. Durch Logik versuchen wir, unsere Umwelt berechenbar und konsistent zu machen. Oursler konfrontiert den Besucher deshalb auch mit Projektionen von Statistiken, naturwissenschaftlichen Deutungen der Gesellschaft und unseres Verhaltens. In den passenderweise auf eine Art Totem projizierten Darstellungen glauben wir, Sicherheit zu finden. Wir ordnen das Chaos, sortieren die Elemente in unsere Schubladen und räumen unsere Welt auf.


So wenig wie Oursler durch den grünen Schleim sehen kann, der sich im dritten Stock über die Projektion seines Gesichts ergießt, so wenig wie der Mensch nach Kleist die metaphorischen grünen Gläser vor seinen Augen abnehmen kann, so wenig sehen wir die Welt außerhalb von uns. Wir sehen, was wir selektiv wahrgenommen und eingeordnet haben und damit erschaffen wir die Welt, in der wir leben. Dabei führt jedes Einreißen der Mauer im ersten Stockwerk zu ihrem Wiederaufbau. Wir erfahren die Welt durch diese andauernde Wiederherstellung der Differenz, durch Interaktion mit der Welt. Unsere Schubladen helfen uns dabei, analytisch zu erfahren und teleologisch zu handeln, Kontrolle auszuüben. Dass dies bestenfalls näherungsweise gelingen kann, Kontrolle immer auch nur scheinbar ist, ist vielleicht eine Lehre dieser Ausstellung. Und die Ausstellung selbst wird durch die Thematisierung dieser Probleme zu einer Selbstbeschreibung der Gegenwart.

Videodokumentation der Ausstellung http://

ourslerweb.com/OurslerKUB.mov


Was war Ihre persönliche Empfindung beim erstmaligen Durchlaufen der fertiggestellten Ausstellung? Der feste Standpunkt des Betrachters ist verloren. Was könnten die „Schließfächer“ in den Köpfen der Kuratoren sein, und wie geht man damit um? Sowohl auf der Seite der Museumsleute als auch auf Seite des Publikums denkt man in Schubladen. Das ist notwendig, um sich zu orientieren, um eine eigene Position zu haben und um sich zu reiben. Entscheidend ist aus meiner Sicht das Bewusstsein über die eigene Perspektive, die man mitbringt und Offenheit für andere Denkmodelle. Sollte man durch solch eine Ausstellung „führen“ oder den Besucher sich selbst überlassen? Beides gibt Sinn, doch ich würde mir eine Ausstellung vorerst selbst ansehen wollen, um dann die in einer Führung vermittelten Thesen auch bewerten zu können.

 Tony Oursler ist für die Medienvielfalt seiner Installationen bekannt. Berühmt wurde er durch die Verknüpfung von Video und Skulptur, mit denen er seinen Plastiken Leben einhaucht. Der in New York lebende Künstler entwarf die Ausstellung „Lock 2,4,6“ eigens für das aufsehenerregende Gebäude des Kunsthaus Bregenz. /

Welche Wirkung entfaltet Ihrer Meinung nach die Architektur des KUB in Bezug auf „Lock 2,4,6“? Die Architektur Zumthors bietet für Ourslers Ausstellung ein ideales, weil fensterlos geschlossenes Gefäß. Dies erlaubt es, den gesamten Raum ins Werk zu integrieren.

Oursler / Drag Queen Chorus / 2009 / Darsteller: “Tabboo!” (Stephen Tashjian), Robert Appleton, Brandon Olson, Michael Lynch, Chris Tanner / Videostill / Foto: Tony Oursler Studio /

Was zeichnet Tony Oursler im Vergleich zu anderen Künstlern aus? Dass er als Videopionier das Bild als flüssiges, raumgreifendes Medium vom Bildschirm befreit hat.

 Tony Oursler / LOCK 2,4,6 / Kunsthaus Bregenz, 24.10.2009 - 17.01.2010 / Ausstellungsansicht 2. OG, Kunsthaus Bregenz / Foto: Markus Tretter /  Tony Oursler / LOCK 2,4,6 / Kunsthaus Bregenz, 24.10.2009 - 17.01.2010 / Ausstellungsansicht 3. OG, Kunsthaus Bregenz / Foto: Markus Tretter /  Tony

Interview mit Winfried Nussbaummüller, Leitung Kunstvermittlung Kunsthaus Bregenz


Wer bin ich und wenn ja, wie viele? – von Zwillingen und gespaltenen Persönlichkeiten in der Kunst Candice Breitz mit „The Scripted Life“ im Kunsthaus Bregenz Ann Christin Bakhos

liefert aber nur eine künstlerische „Versuchsanordnung“ und überlässt dem Betrachter die Auswertung der jeweiligen Szenen.

der Titel bezieht sich auf das gleichna-

mige Buch von Precht, Richard David. 2007. Wer bin ich, und wenn ja wie viele?, Goldmann Verlag

Zwei junge Afroamerikanerinnen in grauem Pullover schauen dem Betrachter von dem Plakat aus entgegen, das für die aktuelle Ausstellung im Kunsthaus Bregenz (KUB) wirbt. Sie sehen vollkommen identisch aus. So identisch, dass man im ersten Moment nicht erkennt, ob hier nun zwei unterschiedliche Personen abgebildet sind, oder ob der Betrachter nicht vielmehr der Illusion einer Spiegelung erliegt. Hat man die Ausstellung von der 1972 in Johannesburg geborenen Künstlerin Candice Breitz  weitere Informationen zur

Für die Videoreihe „Factum“, 2009 in Kanada realisiert, führte sie mit sieben Zwillingspaaren einstündige Interviews durch, die mit der Kamera dokumentiert wurden. Ihre Fragen stellte die Künstlerin den Zwillingen allerdings einzeln, sodass es für jedes Paar zwei auf dem gleichen Monitor laufende Videos gab. Abwechselnd sprechen sie in diesen Doppelportraits über ihr Leben als Zwilling, über Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung. Die feinen optischen Unterschiede zwischen den Zwillingen erkennt man, wenn man sich die Videoarbeiten genauer ansieht. Beschäftigt man sich eingehender mit dem Werk, merkt man, dass es nicht nur in der Optik Differenzen gibt, sondern dass auch die Lebensentwürfe divergieren: Während beispielsweise bei einem männlichen Zwillingspaar mittleren Alters einer der Zwillinge schon viermal verheiratet war, denkt der andere noch gar nicht daran, sich länger zu binden. So wechselt „Factum“ ständig zwischen Ähnlichkeiten und Unterschieden, welche vom Besucher nur entdeckt werden müssen. Dass die Aufnahmen im alltäglichen Umfeld der Zwillinge gedreht wurden, verleiht den Videos einen persönlichen Rahmen. Dem Betrachter wird eine intime Atmosphäre vermittelt, denn „Factum“ ermöglicht einen tiefen Einblick in das Leben und Fühlen von (eineiigen) Zwillingen.

Künstlerin, Homepage der Künstlerin http://www.

im KUB besucht, so weiß man: Es sind eineiige Zwillinge. candicebreitz.net

Das Zwillingsthema, welches in den Arbeiten „Factum“  Robert Rauschenberg, „Factum-I“ und „Factum II“ http://www.moma.org/collection und „New York, New York“ aufgegriffen wird, ist nur eine der zahlreichen Facetten der von Rudolf Sagemeister kuratierten Ausstellung „The Scripted Life“. Breitz interessiert sich ganz allgemein für das Thema Identität: wie sie geformt wird, welche Aspekte sie beeinflussen und wie sie von anderen wahrgenommen wird; bei Zwillingen, Stars, deren Fans und im alltäglichen Leben bei jedem von uns. Für die Umsetzung dieses Themas arbeitet die Künstlerin mit Videoinstallationen, welche in den Ausstellungsräumen eine spezielle Stimmung herstellen: Während in der Eingangshalle das Licht noch durch die Glastüre kommt, sind in den oberen drei Stockwerken die Bildschirme die einzige Lichtquelle. So steht das Werk bei Betreten der Räume zwar unmittelbar im Fokus der Aufmerksamkeit, das fahle Monitorlicht erzeugt jedoch eine eher unbehagliche, fast schon gespenstische Atmosphäre.

„Wären wir nicht als Zwillinge geboren, sondern als eine Person, was wäre passiert?“ – diese Frage bildete den Ausgangspunkt für das Projekt „New York, New York“. Wie auch in der Arbeit „Factum“ nahmen hier mehrere Zwillingspaare teil, sie wurden allerdings gemeinsam interviewt. Breitz bat die Zwillingspaare in der ersten Projektphase, im Gespräch vor der Kamera einen gemeinsamen fiktiven Charakter zu entwickeln. In der zweiten Projektphase wurden die Charaktere in zwei Stegreif-Theaterstücken zum Leben erweckt, welche in New York aufgeführt wurden. Die beiden gefilmten Aufführungen zeigt Breitz parallel auf großen Leinwänden, sodass das Verhalten der Zwillinge verglichen werden kann.

Zum Verwechseln ähnlich, aber doch individuell und verschieden präsentieren sich die Zwillingspaare, mit denen Candice Breitz zusammengearbeitet hat. Besonders im Bereich der Psychologie und Philosophie sind Zwillinge im Zusammenhang mit dem Thema Identität interessant. Auch in ihrem Werk verknüpft Breitz die Kunst mit den beiden Disziplinen,

Fremdzuschreibung Zwillinge Portrait Fan Dokumentation spiegeln Unterschiedlichkeit John Karaoke Lebensentwürfe Identisch Videos Jack Selbstfindung

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Identität


„Tell us about it!”, „Who are you?”, „Do you wanna be me?”, „Well, I really gotta know”. Mal verzweifelte, mal fordernde, mal zynische Satzfetzen werden bei der Videoinstallation „Him” in den Raum geworfen. Gesprochen werden sie vom Schauspieler Jack Nicholson, als Ausschnitte aus Rollen, die er in verschiedensten Hollywoodfilmen von 1968 bis 2008 spielte. Breitz hat sie in einem langwierigen Arbeitsprozess extrahiert und die Hintergründe der Szenen, in denen Nicholson sie verwendet, geschwärzt. Dies führt zu einer Fokussierung auf die Person und ihre Aussage. Da man den eigentlich in dieser Szene auftauchenden Gesprächspartner weder sieht noch hört, erhält der Besucher den Eindruck, einem Selbstgespräch zuzuhören. Durch die Verbalisierung selbstreflexiver Gedanken wird Breitz’ Werk sehr introperspektiv, man „hört dem anderen beim lauten Denken zu“. Auf insgesamt sieben übereinander geschichteten Bildschirmen spricht Nicholson abwechselnd in verschiedenen Rollen kryptische Sätze in den Raum. Daneben steht das weibliche Pendant „Her“: Hier erscheint die Schauspielerin Meryl Streep auf den verschiedenen Bildschirmen. Während es scheint, als würde Nicholson in den von Breitz ausgewählten Szenen eher in philosophischer Absicht um sich selbst kreisen, geht Streep in ihren Rollen deutlich härter mit sich ins Gericht: „Selfish, stupid – that’s me.“, „Soon you realize: It’s just too MUCH.“ Dabei bezieht sie sich auch auf eine andere

Person: „He just wasn’t there for me!“, „We need to talk“, „He found somebody else that he likes more…“ Ganz offensichtlich spielt Breitz mit „Him+Her“

„Father+Mother“ (2005) Genau wie „Him+Her”

verschiedene weibliche und männliche Rollenmuster präsentiert, zeigt Breitz in dieser früheren Arbeit unterschiedliche Mutter- bzw. Vaterrollen. Auf der Biennale in Venedig gelang ihr damit der Durchbruch. auf das Klischée der sozial eingestellten, sich selbst vergessenden Frau an, und setzt ihm den anscheinend nur an der eigenen Person interessierten Mann gegenüber, dokumentiert also ein noch immer medial vermitteltes tradiertes Rollenbild. Einige für die Künstlerin wahrscheinlich prägnantere Sätze werden durch zwei- bis dreifaches Abspielen hintereinander hervorgehoben. Auch in diesem Werk wird dem Besucher durch verschiedene Perspektiven und im ersten Moment zusammenhangslos erscheinende Sätze ein surrealer Eindruck vermittelt.

Die Arbeit „Working Class Hero“ von 2006 portraitiert Stars durch ihre Fans. In Newcastle suchte Breitz in Fanmagazinen und Fanforen eingefleischte Fans von Madonna, John Lennon, Britney Spears, Bob Marley und Michael Jackson und ließ sie selbst künstlerisch tätig werden. Beispielsweise filmte sie für „Working Class Hero: A Portrait of John Lennon“


Fans, wie sie bei inszenierten Karaoke-Performances sämtliche Songs von John Lennons erstem Soloalbum „Plastic Ono Band“ interpretierten. Diese Filme der seine Songs nachsingenden Fans laufen in der dritten Etage gleichzeitig nebeneinander auf 25 Bildschirmen ab. Fangen alle Teilnehmenden an zu singen, ergibt sich – obwohl in den einzelnen Videos jeder individuell singt – ein großer Chor. Nicht zuletzt durch den Verzicht auf jegliche Instrumentierung wirkt der Gesang imposant und intensiv. Das Beeindruckende an dieser Arbeit ist die Performance durch die Fans. Sie sind das aktive Element und formen mit ihrer ganz individuellen Interpretation – manche singen leiser, manche grölen begeistert mit – ein Charakterportrait des Idols. Doch geht es bei dem Werk nur um ein Portrait des Stars? Oder wird hier nicht der Fan durch seinen Fremdbezug zu John Lennon oder Madonna präsentiert?  Da in den Werken, welche sich mit dem Thema der eineiigen Zwillinge beschäftigen, ganze Monologe oder Diskussionen zu hören sind, muss der Besucher ausreichend Zeit mitbringen – doch selbst dann wäre es nur schwer möglich alle Videos in voller Länge anzusehen, denn die Videos in „Factum“ beispielsweise haben jeweils eine Laufzeit von einer Stunde. So erhält man bei jedem Video und somit letztendlich bei jedem Werk nur einen kurzen Ausschnitt des Ganzen. Dies erschwert zwar die Vergleichbarkeit der Arbeiten, gerade wenn man jedoch in einer Besuchergruppe durch die Ausstellung läuft und sich anschließend austauscht, ist es interessant zu erfahren, welche Aspekte die anderen Besucher über die Kopfhörer „aufgeschnappt“ haben und an welcher Stelle der Videos man selbst angefangen hat zuzuhören. Die Frage nach der eigenen Identität beschäftigt jeden von uns, vor allem in jungen Jahren. Die Ausstellung zeigt mögliche

Wege, wie mit diesem Thema künstlerisch, aber auch im alltäglichen Leben umgegangen werden kann: Einige definieren sich darüber, dass sie Verhaltens- und Denkweisen der Eltern, des (Zwillings-)Bruders oder der (Zwillings-)Schwester konsequent ablehnen. Andere orientieren sich gewollt an Medienpersönlichkeiten wie Schauspielern, Musikern und anderen Vorbildern. Ganz gleich, ob wir uns abgrenzen oder dazugehören wollen: Die Identitätsentwicklung ist ein fortlaufender, individueller und auf Erfahrungen basierender Prozess, welcher zu keinem Zeitpunkt im Leben abgeschlossen ist. Candice Breitz setzt sich mit einem Thema auseinander, das jeden von uns betrifft. Somit stellt „The Scripted Life“ sicherlich für jeden Besucher eine Bereicherung dar. Um es mit den Worten der Künstlerin auszudrücken: „Die Art und Weise, in der sich Identität formt, ist spannend. Ich glaube nicht, dass wir eine natürliche Beziehung zu dem haben, was wir sind. Wir erfinden uns immer wieder ein Stück weit neu und wir spielen immer wieder ein bisschen, was wir sind.“ (Candice Breitz, KUB-Mitarbeitergespräch, 2.2.2010) 


 Identitätsfindung durch Abgrenzung oder Identifikation?

Warum wurde gerade Candice Breitz für eine Präsentation ihrer Werke im KUB ausgewählt? K.H. Candice Breitz wurde noch von unserem früheren Direktor Eckhard Schneider ausgewählt ihre Werke im Kunsthaus zu präsentieren. Viele Jahre war man mit ihr im Gespräch, es gab einige Besuche der Künstlerin vor Ort und für 2010 konnte man endlich einen Termin für die Ausstellung fixieren. Die ausstellenden Künstler werden vom Direktor ausgesucht, nachdem er ihre Arbeit über mehrere Jahre verfolgt hat. Für junge Künstler ist eine Einzelausstellung im Kunsthaus eine besondere Herausforderung und bietet oft ein Sprungbrett in ihrer Karriere, wie z.B. bei Olafur Eliasson und Tino Sehgal. Gibt es einen generellen Ansatz oder eine Grundidee, die Candice Breitz verfolgt? Candice Breitz beschäftigt sich in ihrem Werk mit dem Finden der eigenen Identität im Zeitalter der Massenmedien: „Wer bin ich? Wie stehe ich im Bezug zu anderen? Welche meiner Eigenschaften sind erworben oder angeboren?“ Wie sieht der Bezug vom Ausstellungstitel „The Scripted Life“ zu den Ausstellungsinhalten aus? Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf die Frage, inwieweit unser Leben durch unsere Herkunft vorgeschrieben ist und wieweit wir dieses selber gestalten. Besonders wird dies im Werk ‚Factum’ deutlich: Die Zwillinge, welche unter gleichen Voraussetzungen aufwachsen, sind doch ganz verschiedene Persönlichkeiten. Gibt es einen Bezug von “Him+Her” zu „Factum“ und „New York, New York“? In beiden Werken geht es um das Rollenbild, das wir einnehmen. Bei „Him & Her“ ist es das Bild, das uns Hollywood vorgibt und das die Schauspieler umsetzen. Bei „New York, New York“ ist es die Rolle, die durch die Zwillingspaare entwickelt und später auch gespielt wird. Es ist aber auch im wirklichen Leben so, dass man verschiedene Rollen einnimmt und diese darstellt im Bezug zu anderen. Warum wird im KUB ausgerechnet „Working Class Hero“ gezeigt und nicht eines der anderen Portraits? Wir wollten gerne eine Arbeit der Serie der Fanportraits zeigen, und „Working Class Hero“ ist das aktuellste Werk aus dieser Reihe. Es passt in seiner Einfachheit der ungeschminkten Portraits der Lennon-Fans besonders gut in die minimale Architektur des Kunsthauses. Außerdem ist es die Lieblingsarbeit unseres Kurators Rudolf Sagmeister.

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 Candice Breitz / New York, New York, 2009 /

Was ist der Unterschied zwischen Selbstund Fremdinszenierung? Worin unterscheiden sich Selbst- und Fremdinszenierung bei berühmten Personen eigentlich noch?

Ausstellungsansicht 2. OG, Kunsthaus Bregenz / Foto: Markus Tretter / © Kunsthaus Bregenz /

 KUB Billboards / Candice Breitz / Double Oun, 2009 / Bregenz, Seestraße / Foto: Rudolf Sagmeister /

Fragen zur Ausstellung „The Scripted Life“ von Candice Breitz, beantwortet von Kirsten Helfrich, Assistentin der Kunstvermittlung des Kunsthaus Bregenz


Innovationsidylle über den Dächern Stuttgarts Ein Tag in der Akademie Schloss Solitude Kina Julie Deimel

Es ist ein strahlender Mittwochmorgen, einer der ersten sonnigen Tage in diesem Jahr. Ein leichter Wind weht uns entgegen, als wir aus den beiden Autos steigen und durch die romantische Baumallee in Richtung Schloss schlendern. Links und rechts grasen Pferde auf den Koppeln, an deren Zaun der Raureif zu tauen beginnt. Es ist noch früh, außer den Handwerkern, die in ihre Streicharbeiten an den kleinen Häusern am Wegesrand vertieft scheinen, begegnen wir niemandem. Himmlische Ruhe. Das Geräusch unserer Schritte auf dem grauen Kies, Vogelgezwitscher. Lediglich der freie Blick auf Stuttgart erinnert an die städtische Hektik, das wilde Treiben auf den Straßen und den Lärm. Wir gehen weiter, durch die Säulen hindurch, erreichen das Schloss. „Haltestelle Solitude, Buslinie 92“ steht auf einem Schild geschrieben, das unmittelbar am Eingang steht und so gar nicht in die barocke Schlossidylle passt – schwer vorstellbar, dass hier jemals ein Bus entlangfährt. Etwas irritiert gehen wir weiter, steigen die Stufen zum Eingang hinauf, über dem ein großes Plakat die aktuelle Ausstellung „Arbeitstitel. Working Title“ ankündigt. Was uns dahinter wohl erwarten wird? – Neugierig schieben wir die schwere Eingangstür auf...

waren Hunderte von Künstlerinnen und Künstlern an diesem Programm beteiligt. Somit steht die Institution heute im Mittelpunkt eines dichten, weltweiten, aus ehemaligen Stipendiaten bestehenden Netzwerkes, das sich von Jahr zu Jahr erweitert. Mit dem Ziel, nicht nur die Kunst, sondern auch den Dialog zwischen Kunst, Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern, integrierte die Akademie Schloss Solitude 2006 das Programm art, science and business in ihre allgemeine Förderarbeit. Jean-Baptiste Joly, Gründer und Leiter der Akademie Schloss Solitude, ist davon überzeugt, dass die Fragestellungen der heutigen Zeit die Grenzen einzelner Disziplinen überschreiten. Sie erfordern seiner Ansicht nach eine breite Herangehensweise, die nur durch den Erkenntnistransfer zwischen den einzelnen Fachgebieten und die Vernetzung entJean-Baptiste Joly, Akademieleiter sprechender Institutionen erreicht werden kann. Mehrdimensionale Erfahrungen, der Mut, den Blick über den Tellerrand zu wagen und die Fähigkeit, interdisziplinär zu denken. Stipendien werden deshalb im Rahmen des Programms auch an junge Wissenschaftler und Manager vergeben, welche das bestehende Netzwerk der Akademie erweitern und dazu beitragen, dass sowohl individuell als auch institutionell neue Denk- und Arbeitsweisen erschlossen werden. Gleichzeitig gilt es jedoch auch, die Kernkompetenzen der Akademie nicht aus den Augen zu verlieren. Wenngleich die Erschließung und Einbeziehung neuer Bereiche und Disziplinen zweifellos eine Bereicherung darstellt, muss sie sich langsam entwickeln, denn nur dann kann auch die Qualität der Projekte gesichert werden.

„In der Auswahl der Stipendiaten manifestiert sich der Moment, in dem das Schloss am Meisten ‚Solitude’ ist.“

Die Akademie Schloss Solitude Ein einleitender Vortrag von Jean-Baptiste Joly Seit 1990 besteht die Akademie Schloss Solitude als Stiftung des öffentlichen Rechts. Gefördert mit Mitteln des Landes Baden-Württemberg, hat sie laut Satzung die Aufgabe, vor allem jüngere, besonders begabte Künstler aus den Sparten Bildende und Darstellende Kunst, Design, Literatur, Musik und Klang, sowie Video, Film und Neue Medien durch Wohnstipendien zu fördern und durch die Veranstaltung von Aufführungen, Lesungen, Konzerte und Ausstellungen ihrer Gäste in die Öffentlichkeit zu wirken.  Homepage der Akademie http://www.akademie-solitude.de Seit Eröffnung der Akademie

Ausgehend von der Erkenntnis, dass künstlerische Qualität nicht unbedingt konsensfähig ist, wurde das spezielle Auswahlverfahren der Akademie konzipiert. Die unabhängige Jury besteht aus einem

Innovation/innovativ Freier Lauf Idylle Kreativität Austausch Begegnung Interdisziplinarität grenzüberschreitend Pioniere Gegensatz Wesen der Erbse Pflichten inszenieren Traumschloss Märchenschloss

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Dynamik


Juryvorsitzenden und zehn Fachjuroren, die für ihre Kunstsparte die Stipendien nach individuellen Kriterien vergeben. In einem Turnus von 24 Monaten werden jeweils neue Juroren benannt. Das bewusst subjektive, aber zeitlich begrenzte Prinzip erhöht die Chance, besondere Begabungen zu finden und zu fördern. Zugleich lassen solch individuelle Entscheidungen eine gewisse Nähe zwischen Juroren und Stipendiaten, aber auch fruchtbare Gegensätze unter den Stipendiaten selbst erwarten.  Diese Aspekte, davon ist Joly überzeugt, begünstigen und fördern den Austausch der Stipendiaten untereinander sowie mit der Institution und ihren Mitarbeitern. Besonderer Wert wird darauf auf Solitude gelegt, weil die Kommunikation als Inspirationsgrundlage und Anregung für neue und bestehende Projekte dient.

Dass der Austausch so gut funktioniert, liegt nach Ansicht des Akademieleiters maßgeblich daran, dass Hierarchien hier lediglich auf dem Papier existieren. Es sind vor allem diese Aspekte, welche die innere und ganz eigene Dynamik der Akademie Schloss Solitude charakterisieren und konstituieren. Generell gibt es deshalb auch nur wenige Vorgaben. Ganz dem Bonmot des französischen Philosophen Yves Michaud entsprechend, Künstler bräuchten keine zu strenge und gute Schule, ist die einzige Anforderung an die Stipendiaten, zwei Drittel der Zeit ihres Stipendiums im Schloss zu verbringen.  Wie Stipendiaten ihre Spuren hinterlassen Die Bibliothek als wachsendes Werk Die Bibliothek – Lieblingsplatz von Julia Warmers, Referentin für art, science and business, und Ausgangspunkt unseres Rundgangs – wurde 1990 von der Künstlergruppe ABR-Stuttgart gestaltet. René Straub und Harry Walter entwarfen damals die gesamte Einrichtung und wählten

rund 130 Bücher aus, die – mit blau-schwarz gemustertem Einband und goldener Titelprägung versehen – bis heute den Kern der Bibliothek bilden. Nach und nach sollten sich weitere Bände daran anlagern, bis die Regale eines Tages gefüllt sein werden und das Musterhafte an dieser Bibliothek durch den bedächtigen Austausch und die Umgruppierung einzelner Bände voll in Erscheinung treten wird. Bis heute besteht die Tradition, dass jeder Stipendiat am Ende seiner Zeit auf Schloss Solitude ein bis zwei Bücher auswählt, die in den Bestand der Bibliothek eingehen.

Vom Wesen der Erbse und anderen ungewöhnlichen Ideen Ein Blick in das Künstleratelier von Ole Aselmann Jeder Stipendiat bekommt für die Zeit seines Aufenthaltes in Solitude neben einem monatlichen Budget von 1.000 Euro ein eigenes Studio gestellt, das er individuell gestalten kann. Für die Künstler sind diese nicht nur Wohn- und Rückzugsort, sondern gleichzeitig auch Atelier und Werkstatt. Ole Aselmann, von Christoph Schlingensief als Stipendiat für Darstellende Kunst im Zeitraum 2009/2010 ausgewählt, gewährte uns bei unserem Rundgang einen


Einblick in sein kleines Reich, voll von gold- und rosafarbenen Muttersäuen und Würsten auf Kaffeebechern, an der Wand ein kleines umrahmtes Bild des Dalai Lama – alles wesentliche Elemente seines letzten Projektes „Vom Wesen der Erbse – Entwurf einer Hybrid-Kathedral-Kultur zum Erhalt der Weltmachtstellung Europas“. Unter dem Thema „Wanderung und Aufbruch“ kombinierte der Hamburger Künstler darin Videoschnipsel, Fotografien, Zeichnungen und Texte, die 2005 im Zuge seiner Wanderung von London nach Berlin entstanden waren, zu einer Installation. Mit seinem aktuellen Projekt „Berlin-Beijing“ will er nun daran anknüpfen und

mit dem Ziel, die europäische Kultur in Asien zu hybridisieren, in mehreren Etappen von Berlin nach Beijing wandern. Der erste Teil der Wanderung führte ihn im Sommer 2009 durch Polen und die Ukraine bis an die russische Grenze. Neue Kulturen, neue Würste, neue Kaffeebecher; Aselmann hat sich vorgenommen, auf seiner Reise sämtliche Mahlzeiten, die er zu sich nimmt, in Fotografien festzuhalten. Was er ansonsten erlebt, schreibt und skizziert er in seinem Notizbuch; oder spricht es einfach auf ein Ton-

band. Einige der so entstandenen ungewöhnlichen Bilder und Erlebnistonaufnahmen führte Aselmann uns bei unserem Besuch vor und nahm uns so kurzfristig mit auf die Reise. Weitergehen soll es Anfang April 2010. Dann will Aselmann seine Wanderung durch Russland in Richtung Kasachstan fortsetzen. Nur allzu sehr hat sich nach diesem intensiven Einblick in das Projekt wahrscheinlich manch einer von uns gewünscht, sämtliche anstehenden Hausarbeiten, Essays und Forschungspapiere einfach liegen zu lassen, um sich stattdessen mit dem Künstler auf die abenteuerliche Reise gen Osten begeben und „Feldforschung“ einmal ganz anders zu betreiben.

Die Kantine als Ort der Begegnung Das gemeinsame Mittagessen Jeden Mittag um 13 Uhr findet in der Kantine der Akademie das gemeinsame Mittagessen statt. Der Großteil der Stipendiaten versammelt sich tagtäglich um dieselbe Uhrzeit hier, auch wenn keine Anwesenheitspflicht besteht. Als Gäste des Hauses waren auch wir an diesem Tag herzlich eingeladen, zusammen mit Stipendiaten und Mitarbeitern eine Mahlzeit in dem kleinen belebten Saal zu uns zu nehmen und unsere Eindrücke mit ihren Erfahrungen auszutauschen. 


Schafft hier, wie an der Zeppelin Universität, das Bewusstsein, „ausgewählt“ worden zu sein, eine besondere Art der Gemeinschaft unter den Stipendiaten?

 Würden das Personen, die in der „Hierarchie“ nicht so weit oben stehen wie Herr Professor Joly, tatsächlich auch so sehen?  Perfekte Realität oder schöner Schein?

testens auf der Autobahn zurück in Richtung Friedrichshafen werden uns die Gedanken an universitäre Pflichten, Abgabetermine und sonstige Deadlines wieder einholen. Ein letzter Blick zurück auf das prunkvolle Gebäude. Um einige Erfahrungen und Erkenntnisse reicher und angestoßene Gedanken vertiefend, öffnen wir die Autotüren... 

Konstantin Lom, Stipendiat für Kunstkoordination und Co-Kurator, führte uns an diesem Tag durch „Working Title“. Die anlässlich des 20. Jubiläums der Akademie konzipierte Ausstellung wurde am 11. März 2010 eröffnet. Ende 2009 bereits im Schloss Ujazdowski, dem polnischen Zentrum für zeitgenössische Kunst, präsentiert, thematisiert und reflektiert sie kreative Prozesse in internationalen Künstlerresidenzen. Authentische Kreativität oder Druck zur Innovation? Was wir im Laufe unseres Tages auf Solitude gesehen haben, lässt sicherlich keinen Zweifel daran, dass das Schloss ein Ort des Schaffens, der Begegnung und des Austauschs ist, ein Ort, der Freiraum für kreative Prozesse lässt und den Stipendiaten eine Plattform zur Präsentation dort entstandener Werke bietet. Doch fast schon zu perfekt erscheint die abgelegene Schlossidylle mit ihrer scheinbar zwanglosen Dynamik, in der die kühnsten Ideen fast ganz ohne Richtlinien und Vorgaben umgesetzt werden können, in der sozialer Austausch ständig neue Impulse gibt und die Kreativität im Fluss hält. Brauchen wir denn nicht manchmal ein gewisses Maß an Druck von außen, um kreative Schaffensprozesse anzukurbeln? Und sind es nicht oftmals gerade die städtische Hektik, das wilde Treiben auf den Straßen und der Lärm, die mancher Künstler braucht, um zu arbeiten? Was ist, wenn den Stipendiaten vor lauter „Solitude“, vor lauter Abgeschiedenheit und Ruhe, ja vielleicht sogar „künstlerischer Inzucht“, nichts Innovatives einfällt?

„Es wäre eine willkürliche Entscheidung, sich ausschließlich auf die Förderung von Kunst zu beschränken.“ Jean-Baptiste Joly, Akademieleiter

Als wir am späten Nachmittag den kleinen Weg zurück zum Parkplatz entlang laufen, fängt es zu dämmern an. Es war ein langer, aber vor allem spannender und erkenntnisreicher Tag auf Schloss Solitude. Wir verlassen die scheinbar sorgenfreie Idylle, die inspirierende, zugleich etwas inszeniert wirkende Atmosphäre und lassen die vielen Gegenstände, die jeder für sich die Geschichte des Schlosses erzählen, hinter uns. Spä-

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 © Akademie Schloss Solitude /  Viola van Beek, Stipendiatin 2009/2011 der Kunstsparte art, science and business, führt die Studierenden der Zeppelin Universität durch die Ausstellung „Working Title“ / Foto: Redaktion Logbuch /  © Akademie Schloss Solitude /

Künstlerresidenzen als Ort des Schaffens Eine kurze Führung durch die Ausstellung „Working Title“


Ver[ORT]ung – Magazin, Installation, Kunst Ein Projekt von A. Baur, R. Bruderhofer, J. Eurich und L. Palm Die Studierenden über ihr Projekt

Wie versteht sich ein Kulturbüro in Friedrichshafen? Und welchen Unterschied macht es im Vergleich zu einem Zeppelin Museum? Was leistet eine Plattform 3/3 in Abgrenzung zu einer ZF Kunststiftung? Wie beheimatet ist eine Galerie Lutze im Vergleich zu einem artsprogram oder einem Kunstverein? Durch das Projekt/Magazin „Verortung“ wollen wir nicht nur die ansässigen Kunst- und Kulturinstitutionen vorstellen, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen der Kunst Friedrichshafens werfen. Als angehende Kunstmanager drängt sich die Frage auf: Wie versteht sich eine Kunstinstitution selbst? Und inwiefern spiegelt sich dieses Verständnis in ihrem Handeln wider? Gerade in der Interaktion innerhalb der Kunstszene und zwischen Institution

und Publikum zeigt sich das vom Gegenüber antizipierte Selbstverständnis des Akteurs, dessen Vorhandensein er selbst wieder antizipiert. Aus der Dualität des Dialogs entspringt ein Wechselspiel, das bei jedem Kontakt stattfindet. Die Intervention im Kunstbus stellt genau eine Unterbrechung dieser Wiederholung dar, die es dem Publikum ermöglicht, Beobachter des Dialogs der jeweiligen Kunstinstitution bzw. des Geflechts der Kunstinstitutionen mit sich selbst zu werden. Das Magazin stellt eine weitere beobachtende Instanz dar, während der Kunst-Bus die räumliche Verknüpfung der Institutionen ermöglicht. So kann das Publikum nach der Beobachtung wieder selbst Teil der Kommunikation werden und sich selbst verorten.

weitere Informationen zu dem Projekt Veror-

tung, S. 12


 Verortung – Magazin, Installation, Kunst, 2009 / Installationsansicht/ Foto: Jenny Eurich /


Bildungscamp Ein Projekt von C. Breuer, A. Lindner, R. Mietusch, S. Sihler, C. Wagner und T. Werth Die Studierenden über ihr Projekt

Das Bildungscamp, ein Kunstprojekt von Thom Barth und Studierenden der Zeppelin Universität, wurde Ende März auf dem Friedrichshafener Adenauerplatz durchgeführt. Für den Zeitraum vom 22. bis 25. März 2010 war mitten in der Altstadt eine Forschungsstation eingerichtet, die öffentlich, an einem zentralen Platz zwischen Kirche, Rathaus, Handel und Banken, alle Bürger zum gemeinsamen Nachdenken über Bildung einlud.

vielen Interessierten und angeregten Passanten kamen die beteiligten Studenten ins Gespräch über „ideale Bildung“ und ihren eigenen Bildungsbegriff. Das Bildungscamp wagte den Versuch, sich dem vielseitigen Terminus „Bildung“ auf nahezu ebenso vielseitige Weise zu nähern. Dies gelang unter anderem akademisch, beispielsweise in der Lehrveranstaltung Kulturphilosophie mit Dr. Joachim Landkammer von der Zeppelin Universität.

Geplant hatten die Studierenden Carolin Breuer, Alicia Lindner, Robert Mietusch, Svenja Sihler, Christine Wagner und Tim Werth das Projekt zusammen mit der Kuratorin des artsprogram der Zeppelin Universität Ulrike Shepherd seit rund sieben Monaten. Gemeinsam mit dem in Tettnang lebenden Künstler Thom Barth entstand die Idee einer Installation, die an einem öffentlichen Ort Bildung künstlerisch und in verschiedenen Programmbausteinen thematisiert. Gekennzeichnet war das Forschungsgebiet „Bildungscamp“ durch die künstlerische Intervention von Thom Barth und überdacht durch eine Bambusstruktur des Ateliers „Sanfte Strukturen“. Von tibetischen Gebetsfahnen inspiriert, griff Thom Barths Installation die Vielseitigkeit und Bruchstückhaftigkeit, aber auch die Vernetztheit von Bildung auf. An dem so markierten Ort erforschte ein vielfältiges Programm den Bildungsbegriff in seiner Komplexität: Impulsreferate in der „Speakers Corner“, öffentliche Lehrveranstaltungen im „Fliegenden Klassenzimmer“, eine öffentliche Chorprobe, sowie verschiedene spontane Beiträge setzten einen vielfältigen Kommunikationsprozess in Gang.

Von Bildern umgeben, die sie speziell für das Bildungscamp gemalt hatten, näherten sich die Kinder des Kindergarten St. Christopherus aus Friedrichshafen-Fischbach spielerisch dem Bildungsbegriff. Möglich wurde dies durch die acht Sandkästen, die unter anderem der Befestigung der Zeltstruktur dienten.

Neben den geladenen Rednern meldeten sich auch spontane Redner während der Zeit des Bildungscamps für ein Impulsreferat in der „Speakers Corner“. Mit

Auch auf musikalische Weise näherte man sich dem Bildungsbegriff in einer öffentlich abgehaltenen Probe des Chors der Zeppelin Universität gemeinsam mit dem Eltern-Lehrer-Chor des Häfler Karl-Maybach-Gymnasiums, die das Programm des Bildungscamps klangvoll beendete. Das Bildungscamp begleitende Zeitungsberichte und -kommentare begrüßten das Bildungscamp auf dem Adenauerplatz als Öffnung der Zeppelin Universität. Diesen Eindruck spiegelten auch die Gespräche wider, die bei strahlendem Sonnenschein im Bildungscamp stattfanden.


Interview mit Thom Ba rth Wie ist die Idee der bun ten Fahnen entstanden? Die bunte Fahne wird ursprünglich am 34. April erstmals urkund erwähnt. Ich habe sie lich eigentlich nur in den Plural versetzt und übe Neuro-Prozesse katapu r interne lsiert. Welchen Bezug zum Thema Bildung sehen Sie zu vorherigen Ar Die Arbeit wirkt insges beiten? amt gebildeter.

 Bildungscamp, 2010 / Installationsansicht / Foto: Cornelius Klingel /

Was war Ihre persön liche Motivation, an diesem Projekt mitzu Die Einladung von Fra wirken? u Shepherd und mein Verständnis von Bil-Du ng. Was war das Besonder e an der Zusammenar beit mit den Studieren Das Besondere waren den? die Fragen; ebenso abe r auch der Humor und die Gastfreundschaft. Gerne wieder.


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Die studentische Publikation Logbuch entstand aus einer Zusammenarbeit der Studierenden Ann Christin Bakhos, Lorna Bösel, Kina Julie Deimel und Jonas Mieke mit dem Künstler Ruediger John. Das Magazin wurde von den Studierenden im Rahmen der Projektarbeit des 3. und 4. Semesters im Studiengang Kultur- und Kommunikationsmanagement an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen erstellt und umfasst die Veranstaltungen des artsprograms der Zeppelin Universität im Zeitraum September 2009 bis Mai 2010. Als Gastdozent an der Zeppelin Universität führte Ruediger John in die grundlegenden gestalterischen Entscheidungen zur Erstellung einer Publikation ein, begleitete den Prozess der Umsetzung und gestaltete das im Projektverlauf entwickelte Layout des Logbuchs. Ruediger John beschäftigt sich mit Wahrnehmungs- und Wertefragen; sie bilden den Ausgangspunkt seiner theoretischen und praktischen Arbeit zur künstlerischen Forschung.

Herausgeber artsprogram der Zeppelin Universität Am Seemooser Horn 20 88045 Friedrichshafen http://www.zeppelin-university.de/artsprogram Redaktion Ann Christin Bakhos, Lorna Bösel, Kina Julie Deimel, Jonas Mieke Gestaltung / Gestaltungsworkshops Ruediger John / A / Künstler / lebt und arbeitet in Berlin http://artrelated.net/ruediger_john Projektbetreuung Ulrike Shepherd / Leitung des artsprogram / Bildende Kunst Dr. Joachim Landkammer / Leitung des artsprogram / Musik Druck Bodensee Medienzentrum, Tettnang Fotos Lars Bösel, Jenny Eurich, Achim Kukulies, Cornelius Klingel, Kunsthaus Bregenz, Rudolf Sagmeister, Markus Tretter, Tony Oursler Studio, Noshe, Redaktion Logbuch, Akademie Schloss Solitude, Ulrike Shepherd, David Shepherd, Siemens Arts Program (Siemens Stiftung), Sasˇa Relic´, Karina Urbat

© 2010 artsprogram der Zeppelin Universität Ann Christin Bakhos, Lorna Bösel, Kina Julie Deimel, Jonas Mieke und die Autorinnen und Autoren ISBN 978-3-9813950-1-3


Herzlichen Dank für die Förderung des studentischen Projektes Logbuch an ZU|G Zeppelin Universitätsgesellschaft Bodensee Medienzentrum, Tettnang artsprogram der Zeppelin Universität Zeppelin Universität Studentisches Projekt ZU|gänglich Schindler, Parent. Identity GmbH Society for Critical Aesthetics/Gesellschaft für kritische Ästhetik

Society for Critical Aesthetics/ Gesellschaft für kritische Ästhetik www.critical-aesthetics.org


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