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Siegeszug des Schnees
WIE DIE „ZWEITE SAISON“ ZUR ERSTEN WURDE
Heute ist Tirol Wintersportland erster Güte. Doch der Weg dorthin verlangte viel Pioniergeist, Innovation und Improvisation. Historiker Michael Forcher und Seefelds ehemaliger Tourismusdirektor Walter Frenes berichten, wie der Winter im Tiroler Tourismus Einzug gehalten hat.
Text: Daniel Feichtner
egen Ende des 19. Jahrhunderts wusste die Tiroler Bergwelt bereits weithin zu faszinieren. Grüne Almwiesen, klares Wasser und frische Luft fernab der überfüllten, schmutzigen Städte lockten Gäste aus ganz Europa in die Alpen – zumindest während der Sommermonate. Im Winter sah die Sache noch anders aus: Klirrend kalt, nass und düster präsentierte sich Tirol potenziellen Gästen mit den Bergen, die im Sommer Verkaufsschlager Nummer eins waren, mit Schneedecken umhüllt und weithin unzugänglich.
KALT, NASS UND DUNKEL
„Es hat in den 1890ern schon ein paar Vorstöße in Richtung Wintertourismus gegeben“, sagt Historiker und Autor Michael Forcher. Das waren vor allem Kurorte im Süden, die sich anboten, um dem kalten Winter zu entfliehen. Allerdings wurde bereits damals die Schönheit der winterlichen Natur betont – als Kulisse für Spaziergänge, und noch kaum für Sport. Und: „Sogar Innsbruck hat zeitweise versucht, sich als ‚milde Winterstation‘ zu etablieren und mit geringem Schnee im Winter zu werben“, meint Forcher. Doch im Großen und Ganzen waren Schnee und Winter bestenfalls im Weg und eine lästige Unterbrechung des im Sommer bereits zunehmend blühenden Tourismus. Doch das sollte sich bald ändern. MIT ZWEI BRETTERN ZUM ERFOLG
Im wahrsten Sinne des Wortes die Spur legte dem Wintertourismus im Winter 1892/93 der Tourismuspionier Franz Reisch mit den norwegischen „Schneeschuhen“, die er nach Tirol brachte. Heute weithin als Ski bekannt, waren sie ursprünglich als Abstiegshilfe für Alpinist:innen in den winterlichen Bergen gedacht. Doch die Bretter selbst wurden schnell zum Fokus der Freizeitindustrie, und so fanden bereits Mitte der 1890er jährliche Skirennen in Kitzbühel statt. Und auch sonst hielt der Sport Einzug in den Tiroler Winter: „Um etwa 1900 haben schon rund ein Dutzend Orte zum Rodeln, Eislaufen, Eisschießen, Bobrennen und Skilauf eingeladen“, erklärt Forcher. „Zugleich sind auch die ersten Wintersportvereine entstanden, wie die Wintersportvereinigung Kitzbühel oder der Skiclub St. Anton. Den Winter zu einem bedeutenden Faktor zu machen, ist am Anfang aber nur wenigen Destinationen gelungen.“
→ Wachstumstendenzen
Hatte Kitzbühel 1913 noch 1.800 Wintergäste, auf die rund 8.500 Übernachtungen kamen, waren es 1927/28 bereits 7.521, auf die 67.500 Nächtigungen entfielen. Im Winter 1931/32 stieg diese Zahl auf 11.400 Gäste und mehr als 100.000 Übernachtungen. St. Anton gelang es, sich alleine im Zeitraum zwischen den Saisonen 1928/29 und 1930/31 von 6.000 Gästen mit 43.600 Übernachtungen auf knapp 10.000 Gäste mit 70.000 Übernachtungen beinahe zu verdoppeln.
→

MICHAEL FORCHER, HISTORIKER UND AUTOR
ZWISCHEN DEN KATASTROPHEN
Mit dem Ersten Weltkrieg erlebte der sich gerade entfaltende Wintertourismus eine Zäsur – allerdings nicht für lange. Im Gegenteil: Nach dem Ende des Konflikts gelangten viele Skiausrüstungen aus Heeresbeständen in den Besitz von Zivilist:innen. „Und auch die mittlerweile zahlreichen Skiclubs, die sich 1913 zum Tiroler Skiverband zusammengeschlossen hatten, nahmen ihren Betrieb bald wieder auf“, beschreibt Forcher. „Im Winter 1921/22 gründete Hans Schneider in St. Anton die erste Gruppenskischule. Damit ist nicht nur die Grundlage für das moderne Skischulsystem geschaffen, sondern auch St. Antons Position als skipädagogisches Zentrum zementiert worden.“
ERNEUTER RÜCKSCHLAG
Die Pionierarbeit, die durch das Genre des Skifilms ebenso vorangetrieben worden war wie durch die Etablierung von Wintersport-Wettkämpfen, bei der Tirol eine international führende Rolle einnahm, sollte bald einen weiteren jähen Dämpfer erleiden. Die Weltwirtschaftskrise, die eine 100-Mark-Gebühr für deutsche Reisende mit sich brachte, war dabei nur der Auftakt. 1933 folgte die 1.000-Mark-Sperre, die den Tourismus aus Deutschland nahezu vollständig zum Erliegen brachte. Zwar gelang es teilweise, Gäste aus anderen Ländern zu mobilisieren, und mit dem Fall der Sanktion und dem zwei Jahre später erfolgten Anschluss kamen auch wieder Deutsche nach Tirol, „doch das war ein kurzes Aufflackern, bevor der Kriegsausbruch das Leben völlig veränderte“, schreibt Forcher in seinem Buch „Zu Gast im Herzen der Alpen“. „Und bei den vielen Städtern, die später in den Bergen Schutz vor den Bomben suchen, von Touristen zu sprechen, wäre zynisch.“ Und so erlebte der Fremdenverkehr in seiner Gesamtheit einen erneuen Stillstand.
→ Vom Hundertsten ins Tausendste
1931 erreichte die Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt in Deutschland –dem wichtigsten Herkunftsmarkt für den Tiroler Tourismus. Um ihre eigene regionale Wirtschaft zu entschädigen, erlegte die deutsche Regierung ihren Bürger:innen eine Gebühr von 100 Reichsmark – heute rund 450 Euro – bei Reisen ins Ausland auf. 1933 wurde aus dieser Maßnahme eine Wirtschaftssanktion des eben an die Macht gekommenen nationalsozialistischen Regimes: Mit der 1.000-Mark-Sperre mussten deutsche Staatsbürger nun die zehnfache Gebühr entrichten, wollten sie nach oder durch Österreich reisen. Die Folgen für den Tourismus waren desaströs.
NEUSTART
Mit dem Wiederaufbau erfolgte der Reboot des Fremdenverkehrs – erst langsam, aber stetig. Dabei gewann auch der Winter als „zweite Saison“ zusehends an Bedeutung: Die vielen neuen Betten mussten besser ausgelastet werden. Und auch das Skischulwesen bekam neuen Aufschwung. „1952 gab es bereits 60 Skischulen“, erSchon zu Beginn des 20. Jahrhunderts luden einige Orte in Tirol Gäste zu Wintersportaktivitäten aller Art ein.

zählt Forcher. „20 Jahre später sollte sich diese Zahl verdoppeln.“ Dazu kam eine weitere Entwicklung: die mechanischen Aufstiegshilfen. „Ich erinnere mich noch an den ersten Sessellift, der 1949 auf dem Schlossberg in Lienz in Betrieb genommen wurde“, berichtet er aus seiner Kindheit. „Das war damals etwas ganz Sensationelles.“ Damit wurden die Berge auch im Winter deutlich einfacher zu bezwingen, und einem breiten Skitourismus stand nichts mehr im Wege.
→ Hoch hinaus
1956 waren in Tirol 20 Seilbahnen und Sessellifte sowie 102 Schlepplifte in Betrieb. Bis 1967 sollten es 116 Seilbahnen und Sessellifte werden, dazu kamen dann bereits 872 Schlepplifte. Und 2013 erwarteten in ganz Tirol nicht weniger als sechs Standseilbahnen, 136 Seilschwebebahnen und 321 Sesselbahnen die Wintergäste, die in den Skigebieten selbst mit 517 Schleppliften zu den Gipfeln des Wintersportvergnügens gebracht wurden.
NACHZÜGLER AUF AUFHOLJAGD
Mit diesen Voraussetzungen erkannten auch mehr und mehr Regionen, die bislang auf den Sommer gesetzt hatten, das Potenzial der kalten Jahreszeit – darunter nicht zuletzt Seefeld –, deren Nächtigungen bis in die 1950er vor allem auf die warme Jahreszeit und britische Reisegruppen entfallen waren. „Wir haben Anfang der 1960er begonnen, uns mehr und mehr um Wintergäste zu bemühen“, sagt Walter Auch Eislaufplätze wie in Kitzbühel um 1910 waren mancherorts früh eine Attraktion.

Frenes, der Mitte der 1950er als Direktor das Ruder des Tourismusverbands Seefeld übernahm. „Auch wenn wir nicht die geografischen Möglichkeiten für den alpinen Skilauf hatten wie andere Destinationen.“ Als Zugpferd diente dabei anfangs vor allem Skiweltmeister Toni Seelos, der die Werbetrommel für seine Heimatregion rührte.
Einen der wichtigsten Aha-Momente hat Seefeld dabei Olympia zu verdanken: Ein Jahr vor den Winterspielen 1964 wurde Frenes nach Norwegen eingeladen, wo er unter anderem den Holmenkollen, eine 317 Meter hohe Erhebung nahe Oslo, einen Besuch abstattete. „Dort haben wir gesehen, wie Zigtausende Norweger am Wochenende zum Langlaufen in die Wälder verschwunden sind, Eltern mit Kindern, Wettläufer, Senioren – einfach alle“, beschreibt er. „Da war uns klar, dass wir uns da dranhängen mussten.“ Und der Moment war perfekt. Denn mit den ersten Olympischen Spielen in Innsbruck blickte die Welt des Wintersports nach Tirol.
IMPROVISATIONSTALENT
„1952 gab es bereits 60 Skischulen. 20 Jahre später sollte sich diese Zahl verdoppeln.“
MICHAEL FORCHER
Zum Skifahren und Skispringen, das ursprünglich als eine kombinierte Disziplin galt, wurden in ganz Tirol Schanzen errichtet, wie hier die Husselhofschanze in Innsbruck im Jahr 1908.
Direktor der Schanzenanlage Holmenkollen, der selbst ehemaliger norwegischer Nationalläufer war, nach Tirol holte. Er brachte den Touristiker:innen drei Wochen lang die Grundprinzipien bei – inklusive praktischer Einweisungen ins Langlaufen. „Das hat uns, die wir nur Ski Alpin kannten, ziemlich die Augen geöffnet, als wir gesehen haben, was für eine Herausforderung selbst ein kleiner Hügel sein kann“, meint Frenes amüsiert. Und auch die Technik steckte noch in den Kinderschuhen: Erst versuchten die Touristiker:innen Bauhofmitarbeiter:innen zum Präparieren der Loipen zu rekrutieren. Als das nicht zu den erwünschten Resultaten führte, griffen sie zu einem damals aus Kanada importierten Skidoo, hinter dem sie zwei in Spurbreite zusammengeschraubte und mit einer Bleiplatte beschwerte Langlaufskier herzogen. „Im Tiefschnee hat das toll funktioniert“, lacht Frenes. „Aber sobald der Schnee ein wenig härter geworden ist, hat es das Konstrukt aus der Spur geworfen.“ Schlussendlich war es aber eine Kooperation mit dem Fahrzeugentwickler Kässbohrer, der zum Erfolg führte: Innerhalb weniger Jahre stand den Seefelder:innen hervorragendes Gerät zur Verfügung, um Loipen vorzubereiten. „Da sind dann die Skandinavier zu uns gekommen, um sich anzuschauen, wie wir das machen“, meint Frenes nicht ohne Stolz.
ÜBERREDUNGSKUNST
Und auch den Gästen den neuen Sport näherzubringen, war eine Herausforderung. Frenes selbst klapperte Sportgeschäfte ab, um die Betreiber zu überreden, dort Langlaufausrüstung anzubieten. Und der bekannte Sportjournalist Hans Breidbach-Bernau bezog vor dem Seekirchl, Seefelds Wahrzeichen, Stellung, um dort mit Leihschuhen und -skiern Gäste direkt an den Winterwanderwegen zu rekrutieren. „Mitte der 1960er hatten wir rund zehn Prozent Langlaufgäste“, erinnert sich Frenes zurück. Und auch die restliche Infrastruktur wuchs. „Ende des Jahrzehnts konnten wir Winterwanderern 40 Kilometer Wanderwege bieten.“ Dazu kamen acht Fünf-Sterne-Häuser, 40 Eisstockschießplätze und viele Nachtlokale. „Das ist so weit gegangen, dass die Innsbrucker am Wochenende zu uns gekommen sind, um auszugehen.“

WINTER ALS LUXUSVORREITER
Das stand im klaren Kontrast zum Sommer: Dort gab es noch immer relativ billigen Massentourismus. Viele Hotels hatten Verträge mit britischen Reiseveranstaltern, die die Hotels gut füllten – allerdings bei deutlich geringerer Wertschöpfung. Kein Wunder also, dass die Billiggäste den Touristiker:innen zusehends ein Dorn im Auge waren. „Wir haben es echt schade gefunden, dass die tollen Häuser im Sommer mit Gruppenreisenden gefüllt waren“, meint Frenes. Doch die Wintermonate machten dies durch das höhere Preissegment schnell wett. Also versuchte man Das Seekirchl diente den Wintersportpionier:innen des TVB Seefeld als ideale Lokation, um neugierige Gäste für das Langlaufen zu gewinnen.

„Wir haben Anfang der 1960er begonnen, uns mehr und mehr um Wintergäste zu bemühen. Auch wenn wir nicht die geografischen Möglichkeiten hatten wie andere Destinationen.“
WALTER FRENES, EHEMALIGER DIREKTOR TOURISMUSVERBAND SEEFELD
sich daran, auch das zu ändern. Schlüssel dabei war das Golfspiel. „Wir hatten bald rund sechs Prozent Sommergäste, die wegen des Golfs nach Seefeld kamen – und wir konnten ihnen den zweiten 18-LochPlatz in ganz Österreich bieten“, sagt der Touristikpionier. Damit gelang den Hotels der Umstieg von Gruppen auf Privatgäste – und die damit einhergehende Steigerung der Wertschöpfung. BALANCE IN DEN 1980ERN
Spätestens mit den Olympischen Winterspielen 1976, die die Bilder aus dem Wintersportland ein zweites Mal in die ganze Welt trugen, wurde klar, dass der Siegeszug der Wintersaison ein voller Erfolg war – sowohl in Seefeld als auch im Rest Tirols. Entfielen landesweit Anfang der 1950er noch rund 20 Prozent der Nächtigungen auf den Winter, waren es Ende des Jahrzehnts ein Viertel und zu Beginn der 1970er ein Drittel, während der Sommerreiseverkehr stagnierte und 1972 sogar leicht zurückging. „Im Winter 1985/86 haben sich die Übernachtungen zwischen Winter und Sommer schließlich fast die Waage gehalten“, sagt Michael Forcher. Und neu erschlossene Skigebiete inklusive der Tiroler Gletscher schufen viel Raum für die neuen Wintergäste.

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Das Projekt „Bewusst Tirol“ hat ein klares Ziel
Die Förderung des Einsatzes von heimischen Lebensmitteln in der Tiroler Hotellerie und Gastronomie und die Stärkung der Zusammenarbeit von Tourismus und Landwirtschaft

Die teilnehmenden Betriebe werden für ihren hohen Einsatz heimischer Produkte ausgezeichnet und sind somit zweifelsohne Vorbilder für die regionsbewusste Tourismusbranche. Die Auszeichnung „Bewusst Tirol“ ist auch ein Wegweiser für Konsumenten und Gäste, die Tirol am Teller genießen möchten.
KOOPERATION VON LANDWIRTSCHAFT UND TOURISMUS
Gemeinsam mit der Gastronomie, der Hotellerie, dem Gastrogroßhandel und dem Tourismus werden Aktivitäten gestartet, die den Einkauf von Tiroler Produkten transparent und attraktiv machen.
KAUF HEIMISCHER LEBENSMITTEL SCHAFFT ARBEITSPLÄTZE
Bewusstsein für Regionalität wächst in der Bevölkerung gerade in diesen Tagen. Dieses gilt es weiterhin zu stärken und vor allem in der Gastronomie zu verankern.
NACHHALTIGER IMAGEGEWINN
Tirol zählt zu den beliebtesten Tourismuszielen in Österreich. Gäste, aber auch Einheimische verbinden das Land Tirol mit schmackhaften, traditionellen Speisen aus heimischen Lebensmitteln. Genau hier setzt das Projekt „Bewusst Tirol“ an. Die ausgezeichneten „Bewusst Tirol“ Betriebe bieten ihren Gästen nicht nur Schmankerln aus Tiroler Produkten an, sie geben auch Wissenswertes zu diesen Spezialitäten weiter und ermöglichen Einblicke in die handwerkliche Herstellungsweise. Matthias Pöschl GF Agrarmarketing Tirol

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