Gesundheit Emmental - 1/2025 | Spital Emmental AG

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Leben mit Nierenversagen: Das Team der Nephrologie setzt sich mit grossem Engagement für die individuelle Betreuung von nierenkranken und dialysepflichtigen Patientinnen und Patienten ein, um deren Lebensqualität bestmöglich zu fördern.

Weitere Themen

Nieren leiden leise – Prävention, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten Depressionen im Alter – gut behandelbar

Care@home – Spital Emmental beteiligt sich an Forschungsprojekt

Zu viert gut angekommen

«Wenn ich in den Kindergarten laufe, sehe ich meine Freunde», erzählt die vierjährige Ayana mit einem stolzen Lächeln und wirft ihrem kleinen Bruder Lenyo einen ebenso stolzen Blick zu. «Ayana ist eine grossartige grosse Schwester. Für uns ist der Altersunterschied zwischen den beiden perfekt, auch wenn wir uns nach Lenyos Geburt als Familie erst mal neu finden mussten», erklärt Linda Huber.

Mittlerweile hat sich die Familie bestens aufeinander eingespielt und meistert den Alltag zu viert gut. «Nicht nur für Ayana war es eine grosse Umstellung, auch für uns Eltern», gibt Linda Huber zu. «Mit Ayana hatten wir altersbe dingt wieder mehr Freiheiten gewonnen. Diese treten mit einem Säugling natürlich erst einmal erneut in den Hintergrund. Aber die Geschwister verstehen sich grossartig, und heute geniessen wir unser neues Leben als Familie zu viert in vollen Zügen.»

Die zweifache Mama hat beide Kinder im Spital Emmental auf die Welt gebracht und wusste weder bei ihrer Tochter noch bei ihrem Sohn, welches Geschlecht die Kleinen haben würden. «Für uns war bereits bei Ayana klar, dass wir im Spital Emmental gebären möchten, da eine Kollegin von uns dort als Hebamme arbeitete. Die Geburt verlief, nach einer unkomplizierten Schwangerschaft, ebenfalls reibungslos. Daher haben wir uns auch für Lenyos Geburt wieder in Burgdorf angemeldet», erzählt die 35-Jährige weiter.

Im Unterschied zu seiner Schwester ist Lenyo im Geburtshaus Emmental auf die Welt gekommen. Das Geburtshaus Emmental ist eine Alternative zur Hausgeburt oder zur Geburt in einem Spital. Hier können Familien ihr Kind in einem familiären und persönlichen Umfeld zur Welt bringen, umsorgt von der Hebamme, welche die werdende Mutter und die Familie bereits durch die ganze Schwangerschaft begleitet hat.

«Während meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich die Möglichkeit, mir das Geburtshaus anschauen zu können. Die Räume

gefielen mir sehr gut, alles wirkte sehr familiär», so Linda Huber weiter. Die werdende Mama erfüllte die Voraussetzungen für eine Geburt im Geburtshaus – beispielsweise, dass die Schwangerschaft einen normalen physiologischen Verlauf hat oder dass sich das Baby in Kopflage befindet. «Ich habe grossen Respekt vor dem Beruf der Hebammen – was sie während einer Geburt vollbringen und wie sie uns als werdende Mütter vorher und nachher unterstützen, ist eine wirklich grosse Leistung», fasst Linda Huber zusammen.

Schon bald kehrt auch der gewohnte Arbeitsalltag zurück: Linda Huber, die als HR-Fachfrau tätig ist, plant, mit einem Teilzeitpensum von 40 Prozent an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Dabei können Hubers auf die wertvolle Unterstützung der Familie zählen, welche bei der Betreuung der Kinder mithilft. Alle blicken voller Vorfreude auf die neuen Routinen und das Leben in der neuen Familienkonstellation.

TEXT TERESA SCHMIDT BILD ADRIAN SIEGENTHALER

Die stillen Helden unseres Körpers

Nieren leiden oft unbemerkt – wir legen in dieser Ausgabe den Fokus auf ein Organ, das oft unterschätzt wird. Die beiden Nieren sind zwar klein, aber sie übernehmen viele lebenswichtige Aufgaben im Körper – sie sind gewissermassen unser Reinigungs- und Regulationszentrum. Ihre Arbeit verrichten sie weiterhin, auch wenn sie bereits geschädigt sind. Leider machen sich Nierenschäden erst mit Symptomen bemerkbar, wenn sie bereits einen Teil ihrer Funktion eingebüsst haben. Umso wichtiger ist es, über die Gesundheit dieser lebenswichtigen Organe informiert zu sein.

In dieser Ausgabe nehmen wir Sie mit auf eine Reise durch das Thema Nierengesundheit. Unser Nephrologe Ivo Bergmann gibt Einblicke in die Ursachen von Nierenerkrankungen und zeigt moderne Behandlungsmöglichkeiten auf. Seine Kollegin Maja Klein Lüthi legt den Fokus auf die Prävention. Ein Patient schildert anschaulich, wie es sich anfühlt, mit einer chronischen Nierenerkrankung und der Dialyse zu leben.

Auch dem Alter räumen wir in dieser Ausgabe einen Platz ein, sei es mit unserem Beitrag zur alterspsychiatrischen Station, sei es mit einem Text zu Depressionen im Alter. Auch diese werden leider – ähnlich wie Nierenschäden – oft sehr spät diagnostiziert.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Titelseite

Das Nephrologieteam (v. l.): Regula Strahm, Dipl. Pflegefachfrau; Nadine Marti, stv. Leitende Ärztin; Melanie Röthlisberger, Dipl. Pflegefachfrau; Mathias Moor, Assistenzarzt Medizin; Maja Klein Lüthi, Leitende Ärztin; Andrea Zwahlen, Fachfrau Gesundheit; Livia Zingg, stv. Abteilungsleiterin; Beat Allemann, Abteilungsleiter; Rebecca Wüthrich, Dipl. Pflegefachfrau; Ivo Bergmann, Leitender Arzt. Bild: Conrad von Schubert

Nieren leiden leise

Nephrologe Ivo Bergmann über die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Nierenerkrankungen.

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Leben mit Nierenversagen

Markus Ramseier erzählt, wie sich sein Leben mit der Dialyse verändert hat.

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Wasser, das Leben rettet

Bis das für die Dialyse benötigte Trinkwasser gereinigt ist, durchläuft es mehrere Reinigungsschritte.

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Anpassung der Essgewohnheiten

Funktionieren die Nieren nicht mehr richtig, müssen sich die Erkrankten auch mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen.

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Prävention von Nierenerkrankungen

Mit einer gesunden Lebensweise und der Kontrolle von Risikofaktoren kann jede und jeder einen entscheidenden Beitrag zur Nierengesundheit leisten.

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Kleines Gerät kann Leben retten

Implantierbare Herzmonitore können bei ungeklärten Schwindelanfällen oder bei Verdacht auf Vorhofflimmern eine wertvolle Hilfe sein.

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Auf die Lebensgeschichte eingehen

Auf der alterspsychiatrischen Station werden Menschen ab 65 Jahren, die sich in einer psychischen Krise befinden, behandelt.

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Oft

übersehen, aber gut behandelbar

Depressionen im Alter werden häufig erst spät diagnostiziert, weil die Symptome als Begleiterscheinungen des Alters betrachtet werden. 24

Im Alltag gut aufgehoben

Die psychiatrische Pflege der SPITEX Region Emmental steht Menschen in belastenden Lebensphasen unterstützend zur Seite. Ein Betroffener berichtet. 26

Palliative Care – ganzheitliche Pflege und Betreuung

Das dahlia Emmental bietet seinen Bewohnerinnen und Bewohnern auch in der letzten Lebensphase ein Zuhause, das von Achtung und Respekt geprägt ist. 28

Besser vernetzt für optimale Behandlung

Mit Care@home sollen Patientinnen und Patienten dank telemedizinischen Technologien und einer engen Vernetzung in ihrem Wohnumfeld versorgt werden. 30

Herausforderungen gemeinsam meistern

Im neuen «Gesundheitsnetz Emmental» sollen Synergien genutzt werden, um die Gesundheitsversorgung nachhaltig und effizient zu gestalten. 32

IMPRESSUM

Herausgegeben von der Spital Emmental AG. Erscheint zweimal jährlich | Postadresse: Spital Emmental, Marketing und Kommunikation, Oberburgstrasse 54, 3400 Burgdorf, kommunikation@spital-emmental.ch | Redaktion: Kerstin Wälti, Spital Emmental; Gestaltung: Adrian Siegenthaler, as-graficdesign, Hohengasse 19, 3400 Burgdorf; Korrektorat: Marie-Claire Hofstetter, Lektorat Feinschliff, Eyzälg 34a, 3400 Burgdorf | Druck: Merkur Druck AG, Gaswerkstrasse 56, 4900 Langenthal | Auflage: 87 000 Exemplare | Spedition: D’REGION Emmental, Wochen-Zeitung Langnau, Anzeiger Konolfingen.

«Nierenerkrankungen werden oft erst spät entdeckt»

Die Nieren haben im Körper viele verschiedene Aufgaben. Kommt es zu schweren Funktionsstörungen, kann dies den Alltag betroffener Personen stark beeinflussen. Ivo Bergmann, Leitender Arzt Nephrologie am Spital Emmental, über Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Nierenerkrankungen.

Herr Bergmann, was fasziniert Sie an der Niere?

Ivo Bergmann: Die Niere hat mich schon während der Studienzeit interessiert. Einerseits ist es ein sehr komplexes Organ mit vielen verschiedenen Funktionen und biochemischen Prozessen, die darin ablaufen. Andererseits gibt es bei Erkrankungen gute Behandlungsmöglichkeiten bis hin zur Dialyse oder Transplantation.

Was ist denn nun genau die Funktion der Niere?

Die Nieren sind etwa faustgross und befinden sich hinten im Rücken unterhalb des Brustkorbs. Die beiden Organe sind für vieles zuständig: Die Hauptfunktion der Nieren besteht darin, das Wasser- und Mineralstoffgleichgewicht des Körpers aufrechtzuerhalten. Eine andere wichtige Aufgabe liegt im Entgiften des Körpers. Viele Schadstoffe, die vom Stoffwechsel im Körper anfallen, werden über die Nieren ausgeschieden. Weiter spielt die Niere für die Blutdruckregulation eine wichtige Rolle. Zu guter Letzt produziert sie gewisse Hormone, die wichtig sind für den Körper, beispielsweise Erythropoietin für die Blutbildung oder Vitamin D, das für den Knochenstoffwechsel und die Calciumaufnahme aus der Ernährung von Bedeutung ist.

Wer ist besonders von Nierenerkrankungen betroffen?

Wir behandeln in der Nephrologie am Spital Emmental viele Patientinnen und Patienten mit Diabetes, Bluthochdruck und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Erkrankungen schädigen häufig die Nieren. Es gibt zahlreiche weitere Ursachen wie rheumatische Krankheiten, Autoimmunerkrankungen oder gewisse Medikamente, die für die Nieren schädlich sind. Es kommt auch vor, dass Prostataprobleme zu Nierenschädigungen führen, wenn der Urin nicht richtig abläuft und es zu einem Rückstau kommt. Seltener sind erbliche Nierenerkrankungen, die zum Teil schon in jüngeren Jahren auftreten können.

Was, wenn die Niere nicht mehr richtig funktioniert?

Bei den erwähnten Erkrankungen kann die Nierenfunktion immer weiter abnehmen. Es sammeln sich dann beispielsweise Schadstoffe im Körper an und gewisse Stoffwechselprozesse funktionieren nicht mehr wunschgemäss. Allerdings merken die Betroffenen nicht viel davon. Lange zeigen sich keine spezifischen Symptome. Schreitet das Nierenversagen fort, können Symptome wie nächtlicher Harndrang, Ermüdung, Übelkeit, Juckreiz, Muskelkrämpfe, Appetitlosigkeit, Verwirrtheit, Atemprobleme und Flüssig-

keitseinlagerungen im Körpergewebe auftreten. Treten diese Symptome auf, ist die Niere aber meist bereits stark beschädigt.

Was dann?

Je früher eine Erkrankung bemerkt wird, desto besser kann man sie behandeln oder desto früher kann man eingreifen und den Prozess vielleicht stoppen. Aber es kommt sehr auf die Ursache der Krankheit an. Bei Diabetes und Bluthochdruck ist es wichtig, diese Erkrankungen bestmöglich zu behandeln, damit die Nieren weniger in Mitleidenschaft gezogen werden. Dazu gehören auch ein gesunder Lebenswandel, Vermeiden von Übergewicht, kein Tabak. Parallel dazu können gewisse Medikamente helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Komplikationen zu reduzieren.

Kann sich die Niere wieder erholen?

Ja, bei gewissen akuten Erkrankungen schon. Aber bei chronischen Krankheiten, bei denen sich der Zustand der Nieren über Jahre hinweg verschlechtert, ist dieser Prozess kaum umkehrbar. Funktionieren die Nieren praktisch nicht mehr, ist manchmal ein sogenanntes Nierenersatzverfahren nötig.

Welche Möglichkeiten gibt es da?

Einerseits jene der Nierentransplantation, andererseits gibt es zwei verbreitete Dia-

TEXT LUK VON BERGEN BILD CONRAD VON SCHUBERT

Ivo Bergmann (51) stammt ursprünglich aus St. Gallen. Er ist seit 2011 Leitender Arzt Nephrologie am Spital Emmental. Davor arbeitete er unter anderem an der Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie am Inselspital Bern und an der Renal and Transplantation Unit am Royal Adelaide Hospital in Australien. Er ist verheiratet und Vater von drei Teenagern. In seiner Freizeit erholt er sich beim Segeln, Velofahren oder Skifahren und geniesst die Zeit mit der Familie.

Nephrologie am Spital Emmental

Das nephrologische Ambulatorium bietet eine breite Palette an Untersuchungen und Behandlungen von Nierenerkrankungen und Bluthochdruck an. Die Zuweisung erfolgt grundsätzlich über den Haus- oder einen Facharzt. spital-emmental.ch/nephrologie

lyseformen, bei denen es darum geht, die Nierenfunktion zu ersetzen. Die häufigere Form ist die Hämodialyse, die meist im Spital durchgeführt wird. Dabei leitet man das Blut aus dem Körper und führt es durch eine künstliche Membran, einen Dialysator. Über diese Membran werden Abfallprodukte und überschüssige Flüssigkeiten rausgefiltert. Anschliessend gelangt das gereinigte Blut wieder in den Körper. Eine solche «Blutwäsche» ist meist dreimal pro Woche nötig und dauert etwa vier Stunden.

Wie fühlt man sich nach einem solchen Prozess?

Der Vorgang wird vom Körper in der Regel sehr gut toleriert. Manche Patientinnen und Patienten sagen, sie seien ein bisschen müde, einige beklagen Kopfschmerzen, anderen ist es ein wenig «sturm». Aber all diese Nebenwirkungen sind selten und gut behandelbar. Während des Prozesses kann man übrigens lesen, TV schauen oder sich mit einer Begleitperson unterhalten.

Wie funktioniert die zweite Dialyseform?

Bei der Peritonealdialyse oder Bauchfelldialyse wird das Peritoneum, also das Bauchfell, als Filter genutzt, um das Blut von Abfallstoffen zu reinigen. Im Bauch hat es zwischen dem Darm und den anderen inneren Organen eine Art Hohlraum. In diesen Hohlraum wird ein kleiner Schlauch operativ eingelegt, über den man eine Dialyselösung in den Bauchraum fliessen lassen kann. Aufgrund der Zusammensetzung dieser Flüssigkeit und der Filterfunktion des Bauchfells gelangen entsprechende Schadstoffe in den Bauchraum und sammeln sich dort an. Nach einigen Stunden lässt man das «Dreckwasser» ab und gibt eine neue Dialyselösung in den Bauchraum. Dieser Vorgang ist mehrfach täglich nötig.

Und – wenn ich das richtig verstehe –selbstständig zu Hause durchführbar. Ja, das ist der grosse Vorteil der Peritonealdialyse. Die Betroffenen sind viel selbstständiger und nur selten im Spital. Allerdings bevorzugen in der Schweiz viele Patientinnen und Patienten die Hämodialyse. In anderen Regionen der Welt sieht das anders aus. Da sind die Distanzen zu den nächsten Spitälern oder Dialysezentren grösser, die selbstständige Perito-

Im Podcast spricht Ivo Bergmann über die Ursachen und die Behandlung von Nierenkrankheiten und darüber, wie schwierig es ist, in der Schweiz eine Spenderniere zu bekommen. blog.spital-emmental.ch/ nierenerkrankungen-ivo-bergmann

nealdialyse ist weiter verbreitet. Auch wir versuchen diese Methode etwas zu «promoten», da sie viele Vorteile mit sich bringt, beispielsweise, was die Selbstständigkeit betrifft. Wöchentlich drei Halbtage in der Hämodialyse im Spital zu verbringen, ist schon ein grosser Eingriff in die Lebensqualität der Betroffenen. Gerade auch, wenn man berufstätig ist oder anderweitige Verpflichtungen hat.

Wie sieht es mit Ferien oder einem verlängerten Wochenende im Ausland aus – liegt das nicht mehr drin? Doch, das lässt sich gut einrichten. Dialysezentren gibt es auf der ganzen Welt. Wenn man also zwei Wochen ins Ausland fahren möchte, schaut man am besten, wo es ein solches Zentrum hat, und fragt an, ob man regelmässig vorbeikommen darf. Bei der Peritonealdialyse muss man im Vorfeld sicherstellen, dass genügend Material und Dialysemittel am Ferienort vorhanden sind. Sie sehen: Mit ein bisschen Planung funktioniert es gut mit den Ferien.

Die «einfachste» Variante ist wohl aber trotzdem die Nierentransplantation?

Stimmt, das Leben mit einer transplantierten Niere ist viel angenehmer als das Leben an der Dialyse. Lebensqualität und -erwartung sind höher als bei Dialysepatientinnen und -patienten. Aber auch wenn eine Nierentransplantation chirurgisch gesehen keine allzu komplizierte Sache ist: Der Körper reagiert auf fremde Organe, unser Immunsystem stösst diese ab. Nach einer Transplantation sind eine engmaschige Betreuung und die Einnah-

me diverser Medikamente gegen die Abstossung der Niere nötig. Aufgrund des Alters und von Begleiterkrankungen sind aber nicht alle Patientinnen und Patienten für eine Transplantation geeignet.

Wie schwierig ist es denn, überhaupt ein geeignetes Organ zu finden?

In der Schweiz wurden 2023 etwa 400 Nieren transplantiert. Es warteten aber fast 1500 Betroffene auf eine Spenderniere, wobei die Wartezeit im Durchschnitt etwa drei Jahre beträgt. Das ist leider auf die eher zurückhaltende Organspenderfreudigkeit in der Schweiz zurückzuführen.

Braucht man denn zwingend zwei Nieren oder würde eine auch reichen?

Eine Niere reicht. Es besteht auch die Möglichkeit einer Lebendspende. Durch den Mangel an Spenderorganen wird diese Art der Nierentransplantation immer bedeutender. 2023 war jedes vierte Organ der 400 transplantierten Nieren eine Lebendspende.

Wie kann ich einem Nierenleiden vorbeugen?

Wie bei vielen anderen Krankheiten auch: ein gesunder Lebensstil mit viel Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung, Übergewicht vermeiden, nicht rauchen. Faktoren, die eben auch andere Krankheiten verursachen, die wiederum ein Nierenleiden begünstigen. Bei Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen, anderen chronischen Erkrankungen oder erblicher Vorbelastung empfehlen wir regelmässige Nierenfunktionstests beim Hausarzt.

Dankbar für das, was noch möglich ist

Aus einem Sich-schlecht-Fühlen wurden für Markus Ramseier Ambulanz, erste Tage auf der Intensivstation, drei Wochen Spital und ein neuer Alltag mit wöchentlich drei Tagen auf der Dialysestation. Wie es ihm heute geht, erzählt er im Gespräch.

Würde das Dialysegerät nicht neben ihm stehen und sein Blut reinigen, wäre Markus Ramseier einfach ein gut gekleideter, entspannter Pensionär, der mit einem gewissen Schalk in den Augen im Bett liegt. Aber das Liegebett befindet sich auf der Nephrologie und die blutroten Schläuche zeigen, dass der 74-Jährige ein Leiden hat, das seinen Alltag massgeblich beeinflusst. «Es ging mir schon eine Weile etwas schlecht. Wir waren gerade zurück aus den Ferien und ich wollte noch das Auto reinigen, als mir plötzlich sehr viel Blut aus der Nase lief», beginnt Markus Ramseier das Gespräch.

Intensivstation als Zwischenstopp

Mit der Ambulanz ging es ins Spital Emmental, wo die Ergebnisse der Laboruntersuchungen sehr schnell anzeigten, dass die Nierenfunktion stark beeinträchtigt war. Der Pensionär meint: «Ich hatte immer ein kleines Bäuchlein, aber ich war überrascht, dass dieser Bauch wegen vier Litern Flüssigkeit in meiner Blase entstanden war. Meine Niere hat zehn weitere Tage geblutet, ich brauchte eine Bluttransfusion und habe – nach den ersten Tagen auf der Intensivstation – drei Wochen im Spital verbracht.» Dort wurden auch ein notfallmässiger Zugang für die Dialyse sowie anschliessend ein Dialysekatheter gelegt, der später durch eine sogenannte Fistel, einen Dialyse-Shunt, ersetzt wurde.

Neuer Alltag: Dialyse

Seit zwei Jahren kommt Markus Ramseier an drei Tagen pro Woche für jeweils vier Stunden auf die Nephrologie – wenn das Wetter stimmt, sogar mit dem Velo –, nimmt seinen Platz auf einem der Betten ein und lässt sein Blut reinigen. «Am Anfang lese ich jeweils meine E-Mails und Zeitungen und irgendwann schaue ich ein bisschen TV. Nach der Behandlung geht es mir sehr gut, ich gehe zum Mittagessen nach Hause und erst danach bin ich dann wirklich müde, sodass ich eine Stunde oder mehr schlafe. Aber da ich abgesehen von Medikamenten für die Regulierung meines Blutdruckes und der Verdauung (Darmregulans) keine Einschränkungen habe, kann ich sagen, dass die Situation stabil ist», erklärt Markus

Ramseier seinen Dialysealltag. Die Kaliumwerte wie auch die übrigen Blutwerte werden nach den Richtlinien für die Dialysebehandlung regelmässig bestimmt.

Möglichkeiten und Einschränkungen im Alltag Der Pensionär schätzt es heute, dass er weiterhin trinken darf, da er – im Gegensatz zu vielen anderen Patientinnen und Patienten mit Nierenversagen – weiterhin Wasser ausscheiden kann. Selbst Ferien sind möglich: «Meine Frau und ich verbringen seit mehreren Jahren jeweils zwei Monate pro Jahr auf Mallorca. Dort habe ich zwei Dialysezentren gefunden, in denen ich meine Behandlung unkompliziert fortsetzen kann. Das Spital Emmental stellt mir die nötigen Unterlagen zur Verfügung, und dann kann ich reisen gehen.»

Einschränken muss sich Markus Ramseier aber dennoch – vor allem beim Essen. Seine Frau und seine Tochter unterstützen ihn als Ernährungsberaterinnen dabei, die Empfehlungen einzuhalten. «Ich war nie ein Hansdampf in allen Gassen, sodass mir nicht sehr viel fehlt. Was ich jedoch vermisse, sind die Einsätze, die ich nach der Pensionierung für Pro Senectute übernommen hatte. Als gelernter Pflegefachmann hat es mir immer Freude bereitet, anderen zu helfen und sie zu unterstützen. Durch den veränderten Alltag war es jedoch nicht mehr möglich, regelmässige Einsätze zu übernehmen», erklärt Markus Ramseier.

Medizinische Fortschritte ermöglichen gutes Leben

Für Markus Ramseier war auch die Heimdialyse eine Möglichkeit, aber mit dem Abwägen der Vor- und Nachteile hat er sich für die Dialyse im Spital Emmental entschieden. Der Pensionär hat sich mit seinem Leben und der Situation arrangiert und empfindet vor allem Dankbarkeit für das, was die Medizin heute leistet. «Es bringt nichts, über das nachzudenken, was nicht mehr geht. Ich bin froh, dass ich mein Leben so weiterleben kann, wie ich es jetzt tue, und geniesse das, was alles weiterhin möglich ist.»

Nützliche Links

Schweizerische Nierenstiftung: www.nierenstiftung.ch

Kampagne «Nieren leiden leise»: nieren-leiden-leise.ch

Verband Nierenpatienten Schweiz: www.nierenpatienten.ch

Verein Nierenpatienten Kanton Bern: www.nierenpatienten-bern.ch

Schweizerische Gesellschaft für Nephrologie SGN-SSN: www.swissnephrology.ch/patients/ Selbsthilfe Schweiz – Nierenerkrankung: www.selbsthilfeschweiz.ch > Selbsthilfeangebot finden > Themenliste > Nierenerkrankung

Fresenius Medical Care: www.freseniusmedicalcare.ch > Patienten und Familien > Überblick über Patienten und Angehörige

Meine Nieren und ich: mykidneyjourney.baxter.de/de

Hohlfasern, die Leben retten

Dreimal pro Woche, vier Stunden am Stück: in dieser Zeit wird bei der Dialyse – im Volksmund «Blutwäsche» genannt – das Blut der Patientinnen und Patienten gereinigt.

Wie dies technisch funktioniert, erklärt Beat Allemann.

Die zwei benötigten Grundkomponenten für die Dialyse sind Trinkwasser und Blut. «Das Trinkwasser, das für die Dialyse verwendet wird, durchläuft vom Eintritt ins Spital Emmental bis an die Dialysemaschine mehrere Reinigungs- und Aufbereitungsschritte», erklärt Beat Allemann, Abteilungsleiter Nephrologie am Spital Emmental. Es fliesst in einen Grob- und einen Feinsedimentfilter – zur Entfernung von Rost, Sand und Schwebstoffen –, die Partikel bis zu einer Grösse von fünf Mikrometern (0,005 Millimetern) zurückhalten. Die weitere Wasserbehandlung besteht darin, Calcium und Magne sium mittels eines Harzbettes aus dem Trink wasser zu entfernen. Das Harz ist im be triebsbereiten Zustand mit Natriumionen belegt. Wird nun hartes Wasser über das Harzbett geleitet, werden die im Wasser enthaltenen Calcium- und Magnesiumionen gegen die im Harz vorhandenen Natriumionen ausgetauscht.

Umkehrosmose und Zufuhr von Elektrolyten

Am Ende der Wasseraufbereitung steht die Umkehrosmose. In der Umkehrosmose wird das Weichwasser mit einem Druck von 15 bis 25 Bar durch eine semipermeable (halbdurchlässige) Membran gepresst. Diese wirkt wie ein Filter mit einer Filtrationsfeinheit von 0,0005 Millimetern. So werden 95 Prozent aller Ionen und gelösten organischen Substanzen – Mikroorganismen, Viren und Partikel – entfernt. Nach Passage der Membran und einer permanenten Desinfektion (UV-Anlage) entsteht das sogenannte Permeat: entionisiertes, steriles Reinwasser. Für einen Liter Permeat braucht es zwei Liter Weichwasser.

Haushalt im Blut auszugleichen, wird dem Permeat zudem eine Puffersubstanz in Form von Bicarbonat zugefügt. Es entsteht die sogenannte Dialysierflüssigkeit.

Ablauf einer Hämodialyse

Der Anschluss an das vorbereitete Dialysesystem des Dialysegerätes erfolgt durch einen chirurgisch angefertigten Zugang zum Gefässsystem der Patientin oder des Patienten, die sogenannte arteriovenöse Fistel. Dabei wird eine direkte Verbindung von der Arterie zur Vene geschaffen, sodass ein grosses Blutgefäss entsteht, an das die Dialysemaschine angeschlossen werden kann.

Das Blut wird über einen definierten Zeitraum durch eine Blutpumpe fortbewegt, die einen Unterdruck erzeugt und somit einen fortlaufenden Fluss (Transport) durch das Schlauch- und Filtersystem bewerkstelligt. Nach der Passage des Blutes durch das Dialysesystem wird das Blut der Patientin oder dem Patienten fortlaufend wieder zurückgeführt.

Funktionsweise der Hohlfasern

Das aufbereitete Permeat wird von der Aufbereitungsanlage im Untergeschoss des Spitals Emmental nach oben in das Dialysegerät gepumpt. «Im Dialysegerät werden in einem letzten Schritt die lebensnotwendigen Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Calcium, Magnesium, Chlorid und Glukose in einer vordefinierten Menge beigemischt», sagt Beat Allemann. Um den Säure-Basen-

Die einzelnen Fasern im Dialysator sind hohl und semipermeabel, was bedeutet, dass sie nur für bestimmte Stoffe durchlässig sind. Die Dialysierflüssigkeit umfliesst die Hohlfaser, während das Blut in der Hohlfaser fliesst. Der Stoffaustausch (Elektrolytund Säure-Basen-Korrektur) zwischen dem Blut der Patientin oder des Patienten und der Dialysierflüssigkeit und eine Entfernung der harnpflichtigen Substanzen wie Harnstoff oder Kreatinin finden durch Diffusion (Teilchenwanderung von hoher zu tiefer Konzentration) statt. Die Entfernung von überschüssigem Wasser geschieht durch einen definierten Überdruck auf der Blutseite und einen definierten Unterdruck auf der Wasserseite. Auf diese Weise wird überschüssiges Wasser bei den Patientinnen und Patienten abgepresst, die zu wenig Urin ausscheiden.

Beat Allemann, Abteilungsleiter Nephrologie und Dipl. Pflegefachmann, im «Untergrund» des Spitals Emmental, wo das Wasser für die Dialyse aufbereitet wird.

Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse)

Als Alternative zur Hämodialyse im Spital können Betroffene auch für die Peritonealdialyse, also die Dialyse zu Hause, geschult werden. Hier findet die Blutreinigung in der Bauchhöhle statt – also nicht ausserhalb, sondern innerhalb des Körpers.

Über einen Peritonealdialysekatheter (operativ im Bauchraum eingelegter Katheter) füllt man sich selbst über ein spezielles Schlauchsystem die Dialysierflüssigkeit (1,5 bis 2 Liter speziell aufbereitete, sterile Flüssigkeit) direkt in die Bauchhöhle ein. Zwischen Blut und Dialysierflüssigkeit befindet sich dann nur noch eine dünne Haut, das Bauchfell (Peritoneum). Diese gut durchblutete Haut kleidet die Bauchhöhle aus und umhüllt Organe wie den Dünn- oder den Dickdarm. Bei der Peritonealdialyse wird das Peritoneum als semipermeable (halbdurchlässige) Membran genutzt: Aus seinen Blutgefässen wandern die Schadstoffe via Diffusion in die Dialysierflüssigkeit.

Die Dialysierflüssigkeit enthält Zucker, der Wasser aus dem Blut in den Bauchraum zieht. Das funktioniert über Osmose. Dieses Prinzip kennen viele aus dem Alltag – zum Beispiel, wenn man eine Schüssel frisch geschnittenes Obst mit Zucker bestreut. Der Zucker zieht das Wasser aus dem Fruchtfleisch und nach einer Weile schwimmen die Fruchtstücke im Fruchtsaft. Dasselbe Prinzip nutzt man bei der Peritonealdialyse, um den Körper von überschüssigem Wasser zu befreien.

Nach einigen Stunden lässt man die Dialysierflüssigkeit wieder ab und füllt erneut frische Dialysierflüssigkeit nach, damit der Austauschprozess von Neuem ablaufen kann. Alternativ nutzen einige Betroffene für den Flüssigkeitswechsel ein Gerät (Cycler), an das sie über Nacht angeschlossen bleiben. «Grundsätzlich schafft die Peritonealdialyse mehr Freiheit für die Betroffenen, sofern sie bereit sind, mit einem dauerhaften Katheter im Bauch zu leben, und die Verantwortung für die Dialysetherapie selbst in die Hand nehmen», sagt Beat Allemann.

Gesundheit Emmental 11

Balance zwischen pflegerischer Nähe und professioneller Distanz

Während ihren regelmässigen Dialysestunden lernen Patientinnen und Patienten das Pflegeteam intensiv kennen. Wie die Pflege von Dialysebetroffenen aussieht und wo es auch Abgrenzung braucht, darüber berichtet Liliane Plüss.

TEXT TERESA SCHMIDT BILD CONRAD VON SCHUBERT

Das Team der Nephrologie setzt bei der Pflege von Patientinnen und Patienten auf die Bezugspersonenpflege, das heisst, die Betroffenen sehen in den Dialysestunden die Pflegenden vor Ort, die Dienst haben. Für das Jahresgespräch und sonstige wichtige Themen oder Fragen ist die definierte Bezugsperson als Ansprechperson da. «Unsere Patientinnen und Patienten verhalten sich sehr unterschiedlich – manche kommen, warten ihre etwa vier Stunden ab und gehen dann wieder. Andere schauen TV, hören Musik oder beschäftigen sich mit ihrem Handy oder Tablet. Wir überlassen es den Betroffenen, ob sie während der Behandlung das Gespräch mit uns suchen wollen oder nicht. Wir versuchen aber immer, bei unkomplizierten Alltagsgesprächen zu bleiben, um für uns einen professionellen Abstand zu wahren», erzählt die Pflegefachfrau Liliane Plüss, die seit 14 Jahren auf der Nephrologie des Spitals Emmental arbeitet.

Familienzentrierte Pflege als Kommunikationsinstrument

In der familienzentrierten Pflege wird die Familie der Betroffenen in den Behandlungsprozess integriert. Das Ziel ist es, Veränderungen im Alltag, Krankheiten in der Familie und weitere Faktoren zu besprechen und damit einen Austausch unter allen Beteiligten zu fördern. «Oftmals möchten die Betroffenen das in einem ersten Schritt nicht und das respektieren wir.» Nach drei bis sechs Monaten wird «obligatorisch» ein Gespräch mit dem engsten Familienkreis organisiert – idealerweise an einem Dialysetag. «Im Familiengespräch gehen wir auch darauf ein, wie sich die Beteiligten die Zukunft vorstellen, und wir geben Tipps und Denkanstösse», so Liliane Plüss. «Die Familie ist ein bisschen wie ein Mobile und unser Anliegen ist es, dieses Mobile in ein gutes Gleichgewicht zu bringen», erklärt die Pflegefachfrau weiter.

Aufgaben der Dialysepflege Neben der Überwachung der Dialysepatientinnen und -patienten kümmern sich Liliane Plüss und das gesamte Pflegeteam vor

allem um medizinisch-pflegerische Themen und Anliegen. Dazu gehört die monatliche Blutentnahme bei Patientinnen und Patienten jeweils vor und nach der Dialyse, die 24-Stunden-Urinprobe bei Personen, die noch Wasser lassen können, oder die Pflege von Haut und Dialyse-Shunt. «Wir beraten die Dialysepatientinnen und -patienten bei der Pflege ihrer Haut und erklären ihnen, welche Bewegungen mit einer Fistel im Arm möglich sind. Zudem werden sie für die Ernährungsberatung angemeldet, damit sie wissen, welche Ernährung sie bei ihrer Krankheit unterstützt», berichtet Liliane Plüss aus ihrem Alltag. Der Ablauf ist für alle Patientinnen und Patienten immer gleich: Vor der Dialyse müssen sie auf die Waage, um zu prüfen, welche Gewichtsveränderungen es gab. Danach legen sie sich auf ihre Behandlungsliege und werden für vier Stunden an das Dialysegerät angeschlossen. In dieser Zeit werden das Befinden, der Blutdruck und die Behandlung regelmässig überwacht.

Grenzen ziehen für das eigene Wohlbefinden

Die Schicksale auf der Abteilung gehen den Pflegenden nah und dennoch – oder gerade deshalb – hat das Team für sich einen Weg gefunden, um Abstand halten zu können. Neben dem regelmässigen Austausch im Alltag kommt das Team dreimal pro Jahr mit externen Austauschpersonen zusammen, um besonders kritische Fälle zu besprechen. Liliane Plüss erklärt dies so: «Im Gegensatz zu vielen anderen Krankheiten können unsere Patientinnen und Patienten nicht mehr ohne die Dialyse leben. Ihr Leben ist davon abhängig, dass sie ihr Blut regelmässig reinigen lassen. Das beschäftigt nicht nur die Betroffenen, sondern auch uns als Team.»

Pflegefachfrau Liliane Plüss betreut seit 14 Jahren Patientinnen und Patienten der Nephrologie.

NIEREN UNTERSTÜTZEN DURCH BEWUSSTE ERNÄHRUNG

Unsere Nieren erledigen rund um die Uhr wichtige Aufgaben für unseren Körper. Sind sie nicht mehr voll funktionsfähig, können sie diese Aufgaben nicht mehr zuverlässig ausführen. Dann kann eine Anpassung der Ernährung notwendig werden.

Bereits bei der Diagnose einer chronischen Niereninsuffizienz kann das Thema Ernährung aufkommen. Grundsätzlich ist dabei keine Umstellung der Essgewohnheiten nötig, es gilt die allgemeine Empfehlung, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Allerdings kann die Niere unterstützt werden, indem auf einen stabilen Blutzuckerspiegel geachtet, der Salzkonsum auf fünf bis sechs Gramm pro Tag reduziert und auf eine übermässige Eiweisszufuhr verzichtet wird, sagt Ernährungsberaterin Karin Rix und fährt fort: «Ziel dieser Anpassungen ist es, die Nieren zu entlasten und somit das Fortschreiten der Erkrankung hinauszuzögern.»

Wenn die Dialyse notwendig wird

Spätestens wenn die Niereninsuffizienz einen gewissen Grad erreicht hat und die Dialyse notwendig wird, müssen sich die Erkrankten zwingend mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen. Denn die Dialyse übernimmt zwar die Arbeit der Nieren, allerdings nicht rund um die Uhr. Bei der Hämodialyse, welche bei ca. 90 Prozent der Dialysepatientinnen und -patienten angewendet wird, wird das Blut beispielswiese nur dreimal pro Woche während rund vier Stunden gereinigt. In der Zeit zwischen den Dialyseterminen sammeln sich Stoffwechselprodukte im Blut an, welche in erhöhter Konzentration zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen können. Ausserdem entzieht die Dialyse dem Körper gewisse Nährstoffe, die durch die Ernährung wieder aufgenommen werden müssen. «Durch gezielte Anpassungen der Ernährung sollen unerwünschte Nährstoffe minimiert und gleichzeitig die Aufnahme wichtiger Nährstoffe gesteigert werden», erklärt Karin Rix.

Ernährung wird individuell abgestimmt Wie sich eine Person in Dialysebehandlung optimal ernährt, ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Unter anderem müssen das Ausmass des Nierenversagens und die Art der Therapie berücksichtigt werden. Die Blutwerte und die Urinmenge geben Auskunft über die Leistungsfähigkeit der Niere, anhand welcher die Ernährung schrittweise angepasst und regelmässig überprüft wird. Karin Rix erklärt: «Durch die Nierenunterfunktion wird nur wenig oder kein Urin mehr produziert, dementsprechend darf nur wenig Flüssigkeit zu sich genommen werden.» Eine individuelle Ernährungsberatung durch eine Fachperson gehört für jede Person, die im Spital Emmental eine Dialysebehandlung erhält, zum Standard. «Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass besonders die Aufnahme von Eiweiss, Natrium (Salz), Phosphat und Kalium überwacht werden muss», so die Ernährungsberaterin.

Schrittweise Anpassung der Essgewohnheiten

Mit dem Start einer Dialysebehandlung muss nicht automatisch die ganze Ernährung umgestellt werden. Oftmals reichen einzelne Anpassungen der bisherigen Essgewohnheiten aus, damit sich die Blutwerte verbessern. Zu den ersten Anpassungen gehört meist die Reduktion von Salz. Salz bindet Flüssigkeit im Körper, was durch die verminderte Urinproduktion zu Wassereinlagerungen und erhöhtem Blutdruck führen kann. Zudem werden wir durch salzreiche Speisen und Lebensmittel durstig. Der Verzicht auf Salz mag anfangs ungewohnt sein, «doch bereits nach wenigen Wochen passt sich der Geschmackssinn an», beruhigt Karin Rix.

TEXT ANJA GERBER BILDER ADOBE STOCK / ANJA GERBER

«Gerichte lassen sich zudem mit Zwiebeln, Knoblauch, frischen Kräutern und Gewürzen verfeinern.»

Die Dialyse kann keine Wunder vollbringen. Trinken die Patientinnen und Patienten zu viel, muss dem Blut bei der Dialyse mehr Wasser entzogen werden. Je mehr Wasser aus dem Blut gefiltert werden muss, desto eher entsteht ein tiefer Blutdruck, was zu Unwohlsein und Schwäche führt.

Ein weiteres häufiges Thema ist die ausreichende Eiweisszufuhr. Eiweiss, auch Protein genannt, spielt eine zentrale Rolle im Körper: Es dient als Baumaterial für Muskeln, Organe, Blut sowie für Enzyme und Hormone, die unter anderem das Immunsystem stärken. Bei einer fortgeschrittenen chronischen Niereninsuffizienz kann das Eiweiss schlechter verarbeitet werden. Durch die schlechtere Verwertung sowie den Verlust durch die «Blutwäsche» haben Personen in Dialysebehandlung einen erhöhten Eiweissbedarf. Ein Mangel führt zu Muskelabbau, reduzierter Immunabwehr, erhöhter Infektanfälligkeit, verringerter Effizienz der Therapie und in diesem Kreislauf zu weiterhin vermindertem Appetit. Der Muskelabbau wird durch die Messung der Faustschlusskraft und/oder durch Laborwerte überprüft. Zeigt sich ein Rückgang der Muskelkraft, sollte die Ernährung vorzugsweise durch eiweissreiche pflanzliche Lebensmittel ergänzt werden.

Wahl und Verarbeitung der Lebensmittel Phosphat- und Kaliumwerte können zu Beginn wie auch im Verlauf der Dialysebehandlung erhöht sein und in den Fokus rücken. Bei der Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse) bleibt der

Die Dipl. Ernährungsberaterin Karin Rix hilft Patientinnen und Patienten bei der Anpassung ihrer Essgewohnheiten.

Ernährungsberatung am Spital Emmental

Ernährungsberatung

Die Ernährungsberaterinnen beraten und coachen Sie in Ihrer individuellen Ernährungssituation und erarbeiten mit Ihnen gemeinsam Lösungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Ernährungsumstellung und Verhaltensänderung. spital-emmental.ch/ernaehrungsberatung

In der Ernährungsberatung schauen Dipl. Ernährungsberaterinnen die individuellen Essgewohnheiten von Nierenpatientinnen und -patienten an und zeigen einfache Wege auf, um die Ernährung optimal an die Dialyse anzupassen. spital-emmental.ch/ernaehrungsberatung

Kaliumwert oft sogar unproblematisch, da die Blutreinigung häufiger durchgeführt wird. Kalium findet sich überwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln. Je nach Zubereitungsart kann der Kaliumgehalt in Gemüse und Früchten variieren. So wird beim Kochen von Gemüse der Kaliumanteil deutlich verringert, da er ins Kochwasser übergeht. Die Wahl von faserreichen Nahrungsmitteln wie Vollkornbrot oder Hülsenfrüchte kann den Kaliumspiegel im Blut erhöhen. Aufgrund der zahlreichen gesundheitlichen Vorteile wird trotzdem empfohlen, faserreiche Produkte auf den Speiseplan zu setzen.

Die Reduktion von Phosphaten stellt hingegen eine grössere Herausforderung dar, da diese in fast allen Lebensmitteln enthalten sind. Entscheidend ist, wie gut der Körper den Mineralstoff aufnimmt: Während Phosphate aus Zusatzstoffen, wie etwa der Zusatz E450, in verarbeiteten Lebensmitteln wie beispielsweise Coca-Cola oder Schmelzkäse zu 100 Prozent ins Blut gelangen, werden Phosphate aus tierischen Lebensmitteln nur zu 60 Prozent und aus pflanzlichen Lebensmitteln lediglich zu 20 Prozent absorbiert. Phosphatbindende Tabletten, die gleichzeitig mit der Nahrung aufgenommen werden, helfen ebenfalls, den Phosphatspiegel im Zielbereich zu halten. «Dialysepatientinnen und -patienten haben zwar spezielle Ernährungsbedürfnisse, an die sie sich erst gewöhnen müssen», sagt Karin Rix und fährt fort: «Doch auch mit den individuellen Einschränkungen ist ein abwechslungsreiches und genussvolles Essen und Trinken möglich.»

Mit gesundem Lebensstil einem Nierenversagen vorbeugen

Die Nieren finden oft erst Beachtung, wenn sie bereits geschädigt sind. Doch mit einer gesunden Lebensweise und der Kontrolle von Risikofaktoren kann jede und jeder einen entscheidenden Beitrag zur Nierengesundheit leisten.

TEXT KERSTIN WÄLTI BILD CONRAD VON SCHUBERT

Die zwei ca. zwölf Zentimeter langen, bohnenförmigen Nieren sind mit je 150 bis 170 Gramm Leichtgewichte, doch die Hochleistungsorgane erfüllen in unserem Körper lebenswichtige Aufgaben: Sie filtern Gift- und Abfallstoffe aus unserem Blut und erzeugen ein bis zwei Liter Urin pro Tag. Sie regeln den Wasser-, Salz- und Säure-Basen-Haushalt, regulieren den Blutdruck und produzieren wichtige Hormone, welche für die Bildung der roten Blutkörperchen und für den Knochenstoffwechsel notwendig sind.

Sind die Nieren geschädigt, laufen diese Prozesse nicht mehr reibungslos ab. Abfall- und Giftstoffe aus dem Stoffwechsel sammeln sich im Blut an und der Salz- und Wasserhaushalt im Körper gerät aus der Balance, was zu Bluthochdruck und Wasseransammlungen im Körper führt. Zudem kommt es zu einer Übersäuerung und zu Blutarmut. Wegen der reduzierten Vitamin-D-Produktion werden überdies die Knochen geschwächt.

Nieren leiden leise

«Eine Nierenschädigung entwickelt sich schleichend und bleibt oft über einen langen Zeitraum unbemerkt, da sie anfangs kaum Symptome verursacht. Meist spüren Betroffene das Nierenversagen erst, wenn die Nieren bereits 85 bis 90 Prozent ihrer Funktion eingebüsst haben», sagt Maja Klein Lüthi, Leitende Ärztin der Nephrologie am Spital Emmental, und fährt fort: «Beschwerden wie Atemnot, Erschöpfung, Appetitlosigkeit, Juckreiz, Schwellungen an den Beinen oder Gewichtszunahme wegen einer verminderten Urinproduktion treten meist erst auf, wenn die Nierenfunktion bereits erheblich eingeschränkt ist.» Viel früher machen sich Folgeerscheinungen wie Bluthochdruck, Blutarmut oder Knochenerkrankungen bemerkbar. Deshalb spricht man auch vom «stillen Leiden der Nieren».

Etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung in der Schweiz sind von einer chronischen Nierenerkrankung betroffen – neun von zehn Personen wissen nichts davon. Eine Nierenschwäche kann zwar in jedem Alter auftreten, allerdings nimmt auch beim gesunden Menschen die Nierenfunktion etwa ab dem 35. Lebensjahr langsam ab und das Risiko, an einem Nierenleiden zu erkranken, steigt ab dem 60. Lebensjahr. «Es ist normal, dass die Funktion der Nieren im Alter leicht abnimmt. Der Abbau kann jedoch durch gewisse Lebensstilfaktoren verlangsamt werden – andere wiederum wirken beschleunigend und sollten reduziert werden», sagt die Nephrologin.

Früherkennung äusserst wichtig

Die wichtigsten Risikofaktoren für Nierenerkrankungen sind Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht. Weitere Ursachen sind Entzündungen der Nierenfilterchen (eine sogenannte Glomerulonephritis), eine familiäre Belastung für Nierenerkrankungen, Herzerkrankungen, Infektionen und Nebenwirkungen von Medikamenten. Wer unter diesen Erkrankungen leidet, sollte ein besonderes Augenmerk auf die Nierenfunktion haben. «Bei Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen suchen Hausärztinnen und Hausärzte gezielt nach einer Nierenschwäche», so Maja Klein Lüthi. Damit folgen sie den Richtlinien für Allgemeinmedizinerinnen und Internisten der Schweizerischen Gesellschaft für Nephrologie. Für Patientinnen und Patienten mit Diabetes oder Bluthochdruck ist ein jährlicher Check der Nierenfunktion in der hausärztlichen Sprechstunde empfohlen.

«Gerade weil sich Nierenschäden so spät bemerkbar machen, ist es wichtig, die Erkrankung frühzeitig zu erkennen, damit

Kampagne für Nierengesundheit

Seit 2022 läuft in der Schweiz eine Öffentlichkeitskampagne, um ein Bewusstsein für Nierengesundheit und chronische Nierenerkrankungen zu schaffen. Die Kampagne «Nieren leiden leise» bietet zahlreiche Informationen zum Krankheitsbild, zu Risikofaktoren und Behandlungsmöglichkeiten der Niereninsuffizienz. Auf der Website kann ein Risikocheck gemacht werden und Betroffene erhalten Informationen zur Selbsthilfe und erfahren, wie andere Patientinnen und Patienten mit ihrer Erkrankung umgehen. nieren-leiden-leise.ch

Maja Klein Lüthi (55) arbeitet seit 20 Jahren als Leitende Ärztin in der Nephrologie des Spitals Emmental. Die Fachärztin FMH für Allgemeine Innere Medizin und für Nephrologie schätzt an ihrem Fachgebiet besonders, dass sie ihre Patientinnen und Patienten über lange Phasen ihres Lebens begleiten und beraten kann. Maja Klein Lüthi ist im Aargau aufgewachsen, hat in Zürich studiert und sich in Davos, Chur, St. Gallen und Bern zur Fachärztin ausgebildet. Maja Klein Lüthi ist im Vorstand der Schweizerischen Gesellschaft für Nephrologie engagiert. Sie lebt mit ihrem Ehemann und dem erwachsenen Sohn in der Region Burgdorf, fährt mit dem Velo zur Arbeit und hält sich in der Freizeit fit mit Joggen, Trailrunning, leichtem Krafttraining und Wintersport, zudem liest und strickt sie gerne.

die Patientinnen und Patienten optimal betreut werden können und der Verlauf der Nierenerkrankung durch eine Therapie positiv beeinflusst werden kann. Oft können so schwerwiegende Folgen wie die Dialyse aufgrund eines Nierenversagens oder eine Nierentransplantation aufgeschoben oder verhindert werden», erklärt die Spezialistin. «Zwar erholen sich die geschädigten Zellen bei einer chronischen Nierenerkrankung nicht mehr, aber der Verlauf der Erkrankung kann mit einer Veränderung des Lebensstils verlangsamt oder sogar gestoppt werden.»

Schützende Lebensstilmassnahmen

Die Nieren sind sehr gut durchblutete Organe – oder anders ausgedrückt: Ihre Funktion hängt stark vom Zustand der winzigen Blutgefässe ab. «Deshalb gilt grundsätzlich: Alle Massnahmen, die Gefässe und Kreislauf schützen, schützen die Nieren», sagt Maja Klein Lüthi und fährt fort: «Das heisst, man muss den Blutdruck gut einstellen, das Rauchen stoppen, bei

Diabetes den Blutzucker gut einstellen, die Salzzufuhr drosseln, Übergewicht reduzieren und auf genügend Bewegung und eine gesunde Ernährung achten.» Parallel helfen allenfalls Medikamente, die Grunderkrankung zu behandeln und die Eiweissausscheidung im Urin zu reduzieren und so das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.

Zudem dürfen potenziell nierenschädigende Medikamente nur mit Vorsicht und über einen beschränkten Zeitraum eingesetzt beziehungsweise bei bereits vorgeschädigten Nieren gar nicht eingenommen werden. «Dazu gehören beispielsweise antientzündliche Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac, gewisse Antibiotika, zu stark entwässernde Medikamente oder Röntgenkontrastmittel», sagt Maja Klein Lüthi. «Es empfiehlt sich darum, die Medikation regelmässig ärztlich überprüfen zu lassen und auch rezeptfrei erhältliche Schmerzmittel nicht über einen längeren Zeitraum auf eigene Faust einzunehmen.»

Tipps zur Förderung der Nierengesundheit

Blutzucker regelmässig kontrollieren und allenfalls gut einstellen

Diabetes ist eine der Hauptursachen für chronische Niereninsuffizienz.

Blutdruck im Blick behalten

Bluthochdruck kann sowohl Auslöser als auch Folge von chronischer Niereninsuffizienz sein.

Rauchstopp

Rauchen schädigt die Nieren direkt und durch eine Erhöhung des Blutdruckes. Der Konsum von Tabak wirkt auch als Verstärker von bereits vorhandenen Organschäden.

Gesundes Gewicht halten Übergewicht ist ein eigenständiger Risikofaktor und geht zudem häufig mit Diabetes und Bluthochdruck einher.

Ausgewogene Ernährung

Eine Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Fisch, gesunden pflanzlichen Ölen und wenig rotem Fleisch hilft, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht zu senken.

Salzarm essen Zu viel Salz kann Bluthochdruck verursachen, was die Nieren zusätzlich belastet.

Sich regelmässig bewegen Aktivitäten wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren fördern die allgemeine Gesundheit und beugen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht und Muskelschwund vor.

Vorsicht bei Schmerzmitteln

Medikamente wie Ibuprofen oder Diclofenac sollten nur nach Absprache mit einer Ärztin, einem Arzt und in Ausnahmefällen verwendet werden. Die Einnahme über einen längeren Zeitraum kann den Blutfluss zu den Nieren beeinträchtigen und das Risiko einer Niereninsuffizienz erhöhen.

Massvoller Alkoholkonsum

Zu viel Alkohol kann Bluthochdruck fördern.

Ernährungsanpassung bei Nierenerkrankung

Bei bestehenden Nierenschäden und auffälligen Blutwerten sollten kalium- und phosphatarme Lebensmittel in Rücksprache mit der Ärztin, dem Arzt bevorzugt werden.

Minimalinvasiver Eingriff mit grossem Nutzen

Implantierbare Herzmonitore sind nicht für alle Betroffenen notwendig, aber bei ungeklärten Schwindelanfällen oder bei Verdacht auf Vorhofflimmern kann die kontinuierliche Überwachung des Herzrhythmus in der Diagnostik eine wertvolle Hilfe sein.

Ein plötzlicher Schwindelanfall, das Gefühl von Herzrasen oder eine unerklärliche Ohnmacht – solche Symptome können beängstigend sein und werfen oft die Frage auf, ob das Herz dahintersteckt. Auch Schlaganfällen können Rhythmusstörungen des Herzens zugrunde liegen, ohne dass diese durch die Patientin oder den Patienten wahrgenommen werden. Die Standard-EKG-Aufzeichnung bei der Hausärztin oder beim Kardiologen ist für solche nur intermittierend auftretenden Rhythmusstörungen häufig nicht ausreichend respektive lässt nur eine Beurteilung für die Aufzeichnungsdauer zu. «In solchen Fällen kann die Implantation eines Herzmonitors eine wertvolle Hilfe sein», sagt Dezsö Körmendy, Facharzt FMH für Kardiologie und Leitender Arzt am Spital Emmental. Das Gerät, kleiner als ein USB-Stick, bietet eine lückenlose Überwachung der Herzaktivität während bis zu 4,5 Jahren und kann damit entscheidende Hinweise auf mögliche Unregelmässigkeiten im Herzschlag liefern.

Verlängerter Arm des EKGs

Ein Langzeit-EKG, das über ein bis sieben Tage Herzrhythmusstörungen erfasst, ist oft der erste Schritt in der Diagnostik. Doch nur selten liefern diese Geräte die erhofften Ergebnisse. «Das Problem ist, dass Symptome wie Vorhofflimmern oder Synkopen (plötzliche Bewusstlosigkeit) nicht vorhersehbar auftreten und daher selten eine EKG-Aufzeichnung während eines Ereignisses gelingt», erklärt Dezsö Körmendy. Hier kommt der Herzmonitor ins Spiel: «Ein implantierbarer Herzmonitor ermöglicht eine Überwachung über Jahre hinweg – bis zu drei oder sogar vier Jahre – und ohne dass die Patientinnen und Patienten ständig die Arztpraxis aufsuchen müssen.»

Wann ist ein Herzmonitor sinnvoll?

Die Implantation eines Herzmonitors empfiehlt sich vor allem bei ungeklärten Symptomen wie Ohnmachtsanfällen, Schwindel oder Herzklopfen, bei denen ein Zusammenhang mit intermittierenden Rhythmusstörungen vermutet wird. Besonders wichtig ist die Überwachung bei einem Verdacht auf Vorhofflimmern, der häufigsten Herzrhythmusstörung. «Vorhofflimmern bleibt oft unbemerkt, kann aber unter Umständen zu einem Schlaganfall oder einer Herzschwäche führen», warnt der Herzspezialist und fährt fort: «Deshalb ist es gerade nach einem Schlaganfall ohne eindeutigen Auslöser wichtig, verstecktes Vorhofflimmern zu suchen und gegebenenfalls die notwendige Therapie einzuleiten.»

Die Implantation eines Herzmonitors ist ein unkomplizierter Eingriff. Über einen kleinen Schnitt wird das Gerät in der Nähe des Brustbeins unter die Haut geschoben. «Der Eingriff dauert nur wenige Minuten und wird unter lokaler Betäubung durchgeführt», erklärt Dezsö Körmendy. Dank der geringen Grösse und des minimen Gewichts von nur wenigen Gramm spüren die meisten Patientinnen und Patienten das Gerät kaum und können ihrem gewohnten Alltag, inklusive Sport oder Schwimmen, ungehindert nachgehen.

Gerät kann Leben retten

Der sogenannte Ereignisrekorder leitet kontinuierlich ein EKG ab. Wenn mögliche Rhythmusstörungen erkannt werden, erfolgt eine Aufzeichnung und das EKG wird automatisch an den behandelnden Arzt, die behandelnde Ärztin übertragen. Die Fachperson prüft dann die dokumentierten Sequenzen und kann, wenn nötig, eine Therapie einleiten. «Durch die Langzeitüberwachung des Herzrhythmus können wir das Risiko schwerwiegender Ereignisse wie Schlaganfälle deutlich reduzieren. Und insbesondere bei nur selten auftretenden Symptomen gelingt eine definitive Abklärung der Beschwerden praktisch nur mit diesen Geräten», erklärt der Kardiologe und fährt fort: «Wir können unseren Patientinnen und Patienten damit nicht nur Sicherheit geben, sondern auch gezielt Behandlungen einleiten, die Leben retten können.»

Dezsö Körmendy

Facharzt FMH für Kardiologie und Leitender Arzt der Kardiologie am Spital Emmental

TEXT KERSTIN WÄLTI BILD ADOBE STOCK

«Menschen im Pensionsalter leiden oft unter Verlustängsten»

Pensionärinnen und Pensionäre haben zwar viel Freizeit, allerdings fehlt es bei manchen an einer Tagesstruktur und einer sinnvollen Aufgabe. Aber auch Themen wie Krankheit und Verlust gehören zum «goldenen Herbst des Lebens». Janine Fischer, Leitende Psychologin, und Stefanie Schnarwiler, Abteilungsleiterin, über die Arbeit auf der alterspsychiatrischen Station E3 am Spital Emmental.

Frau Fischer und Frau Schnarwiler, was ist die Grundidee der Station E3 in Burgdorf?

Janine Fischer: Wir sind eine offene alterspsychiatrische Station für Menschen ab 65 Jahren, die sich in einer psychischen Krise befinden. Unser Ziel ist es, den psychischen Gesundheitszustand unserer Patientinnen und Patienten zu stabilisieren.

Wie schafft man das?

Fischer: Einerseits durch Gespräche mit unserem psychologischen und medizinischen Fachpersonal, aber auch mit den Pflegefachpersonen, mit dem Sozialarbeiter oder der Aktivierungstherapeutin. Andererseits bekommen die Patientinnen und Patienten auch medikamentöse Unterstützung – je nach Krankheitsbild. Die Behandlung wird ganz auf die gesundheitliche Lebensgeschichte der Menschen angepasst.

Was genau gehört in den Aufgabenbereich von Ihnen als Pflegefachfrau, Frau Schnarwiler?

Stefanie Schnarwiler: Wir arbeiten mit den Patientinnen und Patienten zusammen und pflegen einen engen Kontakt mit ihnen. Wir sind jederzeit für sie da und begleiten sie ein Stück weit auf ihrem Weg. Das ist eine sehr spannende Aufgabe.

Sie beide leiten die Abteilung gemeinsam. Wie muss man sich das vorstellen?

Schnarwiler: Wir arbeiten sehr gerne zusammen und ergänzen uns aufgrund der unterschiedlichen beruflichen Hintergründe sehr gut. In der Leitung übernehmen wir viele organisatorische Aufgaben wie die Bettenplanung oder die Koordination der Ein- und Austritte.

Fischer: Die Station hat 17 Betten, also 17 Patientinnen und Patienten, die wir gleichzeitig aufnehmen können. Das erfordert eine sorgfältige Planung – stets in Absprache und Zusammenarbeit mit unserem multiprofessionellen Team.

Wer kommt zu Ihnen? Was beschäftigt die Leute im Pensionsalter?

Fischer: Die Patientinnen und Patienten kommen mit ganz unterschiedlichen Krisen zu uns. Was wir aber oft wahrnehmen ist, dass das Thema Verlust bei vielen Menschen im Vordergrund steht. Dazu gehört der Verlust von Angehörigen, was in diesem Alter zunehmend aktuell wird. Aber auch der Verlust von körperlichen Ressourcen ist präsent –oder der Verlust der beruflichen Rolle, da man sich nach der Pensionierung neu orientieren muss. Wir betreuen aber auch Menschen mit Schlafstörungen, Ängsten oder Schwierigkeiten mit dem Gedächtnis.

Schnarwiler: Manche Leute sind nach der Pensionierung überfordert mit der neuen Situation und der ganzen Freizeit, die sie plötzlich haben. Nicht alle haben ein Hobby oder eine andere Aufgabe, die sie erfüllt. Gerade während der Corona-Krise haben wir auch festgestellt, dass der Verlust von sozialen Kontakten ein enorm grosses Thema ist, Stichwort «Einsamkeit».

Wann ist eine stationäre Behandlung nötig?

Fischer: Wenn das ambulante Setting nicht mehr ausreicht, zum Beispiel, wenn sich Menschen zu Hause nicht mehr wohlfühlen, wenn Sicherheit fehlt oder das Umfeld überfordert ist. Meistens werden die Patientinnen und Patienten via Hausärztin oder durch einen ambulanten Psychiater zugewiesen. Wir nehmen dann Kontakt auf mit den betroffenen Personen, um einen raschen Eintritt bei uns zu planen.

Wie sieht der weitere Ablauf aus?

Schnarwiler: Wir führen noch am selben Tag ein Eintrittsgespräch mit der Patientin oder dem Patienten durch. Mit dabei ist eine Pflegefachperson, ein Assistenzarzt oder eine Psychologin. Danach geht es für die Betroffenen darum, die Abteilung kennenzulernen. Wir sind eine of-

Alterspsychiatrie in Burgdorf

Die Station E3 richtet sich an Menschen ab 65 Jahren mit schweren psychischen Krisen. Das Angebot in der offenen Abteilung umfasst eine interprofessionelle Betreuung mit Fachleuten aus Psychiatrie, Pflege, Sozialarbeit und Aktivierungstherapie. spital-emmental.ch/alterspsychiatrie_Burgdorf

Stefanie Schnarwiler (35) stammt aus dem bernischen Kernenried. Sie ist seit 2019 in der Alterspsychiatrie tätig und hat im September 2022 die Abteilungsleitung der Station E3 am Spital Emmental übernommen. Sie lebt mit ihrem Partner und ihrem Hund zusammen. In ihrer Freizeit ist sie gerne in der Natur, sie liebt das Campen und singt in einem Chor.

Janine Fischer (31), ursprünglich aus Luzern, ist seit 2019 als Psychologin am Spital Emmental und seit Januar 2023 als therapeutische Leitung auf der Station E3 tätig. Zuvor arbeitete sie in der Alterspsychiatrie der Universitären Psychiatrischen Dienste in Bern. Sie ist verheiratet und Mutter einer einjährigen Tochter. In ihrer Freizeit verbringt sie gerne Zeit mit ihrer Familie, beispielsweise beim Wandern oder Skifahren in den Walliser Bergen.

«Die Behandlung wird ganz auf die gesundheitliche Lebensgeschichte der Menschen angepasst.»

Janine Fischer

«Für uns ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise wichtig – körperliche, psychische und soziale Faktoren.»

Stefanie Schnarwiler

fene Station mit einem grossen Aufenthaltsraum und einer öffentlichen Küche. Bei uns kann man sich frei bewegen und auch das Gebäude verlassen, sofern das für alle Beteiligten in Ordnung ist.

Man soll sich gewissermassen wie zu Hause fühlen. Welche weiteren Termine und Programmpunkte kommen auf die Patientinnen und Patienten zu? Schnarwiler: Wichtig ist, individuell zu schauen, was die betroffene Person gerade braucht. Wenn es der psychische Zustand zulässt, motivieren wir sie, an unserem vielfältigen Wochenprogramm teilzunehmen. Wir haben zum Beispiel ein Atelier, das rege genutzt wird, eine Bewegungs- und Entspannungsgruppe oder eine Kochgruppe. Das schätzen unsere Patientinnen und Patienten sehr.

Fischer: Menschen, die sich in einer Depression befinden, tendieren dazu, sich zurückzuziehen, was zunächst eine natürliche Reaktion darstellt. Dennoch ist es unser Ziel, sie zu ermutigen und zu motivieren, an unseren therapeutischen Aktivierungsprogrammen teilzunehmen, da erwiesen ist, dass die gezielte Aktivierung helfen kann, aus der psychischen Krise herauszukommen. Unsere Aktivierungsprogramme haben demnach alle einen gezielten therapeutischen Hintergrund.

Wie sieht die begleitende medizinische und psychiatrische Behandlung aus?

Fischer: Die pharmakologische Therapie hat einen zentralen Stellenwert. Da geht es unter anderem darum, die Medikamente individuell einzustellen. Ergänzend führen wir therapeutische Gespräche mit den Patientinnen und Patienten.

Worum geht es da konkret?

Schnarwiler: Um die Wünsche und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten. Wo brauchen sie Hilfe? Wie können wir

sie unterstützen? Wichtig ist, dass sie realisieren, dass sie begleitet werden – das tut ihnen enorm gut.

Welche Fähigkeiten braucht es, um diese Aufgaben wahrzunehmen?

Schnarwiler: Ein grosses Herz und viel Empathie. Man muss in den Schuhen des anderen gehen und sich in die jeweilige Person hineinversetzen können. Dafür leben wir auf der Station – und für mich ist das mein Traumjob.

Welche Rolle spielen die Angehörigen?

Haben Sie Kontakt mit den Familien der Patientinnen und Patienten?

Fischer: Dieser Kontakt ist sehr wichtig. Wir versuchen, die Angehörigen einzubeziehen – optimalerweise schon beim Eintrittsgespräch. Zudem führen wir – sofern dies die Patientinnen und Patienten wünschen – gemeinsam mit den Angehörigen Standortgespräche durch und schauen, was es noch braucht, damit die betroffene Person wieder nach Hause kann.

Ein Aufenthalt bei Ihnen dauert durchschnittlich zwischen sechs und acht Wochen – und dann?

Fischer: Das übergeordnete Ziel ist natürlich, dass sich die Patientinnen und Patienten genügend stabil fühlen, um ihren gewohnten Alltag wieder meistern zu können. Gerade bei den Austrittsgesprächen merken wir immer wieder, dass die Patientinnen und Patienten mit gemischten Gefühlen nach Hause gehen. Einerseits freuen sie sich, andererseits ist der Austritt auch mit einer Nervosität, einer Ungewissheit verbunden.

Was tun Sie, wenn das soziale Netz fehlt und jemand gar nicht mehr nach Hause möchte?

Fischer: In solchen Fällen müssen wir noch genauer hinschauen. Dank unserem Sozialarbeiter sind wir in der Region sehr gut vernetzt. Er informiert die Patientinnen und Patienten bereits während des stationären Aufenthaltes über Angebote und Möglichkeiten zur sozialen Vernetzung. Beispielsweise ist die Pro Senectute eine gute Anlaufstelle, die soziale Kontakte fördert. Wenn die Unterstützung daheim langfristig nicht gewährleistet werden kann, ist manchmal auch der Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim eine mögliche Option. Aber das kommt stark auf die persönliche Situation und die Diagnose der Patientinnen und Patienten an.

Worauf muss man im Umgang mit älteren Menschen achten?

Schnarwiler: Für uns ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise wichtig – körperliche, psychische und soziale Faktoren. Man muss verstehen, wie die Menschen aufgewachsen sind, was sie erlebt haben. Kennt man die Betroffenen und ihre Geschichte etwas besser, verändert sich auch der Umgang mit ihnen.

Die Station E3 gibt es nun seit fünf Jahren. Welche Bilanz ziehen Sie?

Fischer: Man kennt uns mittlerweile in der Region Emmental, die Zuweisungen werden immer mehr. Ich denke, wir sind ein fester Bestandteil des Versorgungssystems geworden und haben in den letzten fünf Jahren kontinuierlich an unseren Konzepten gearbeitet. Die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten zeigt, dass wir wichtig sind und es uns braucht.

Machen Sie sich persönlich schon Gedanken darüber, womit Sie sich im Pensionsalter beschäftigen könnten?

Fischer: Eine wichtige Frage, die ich mir auch schon gestellt habe. Ich versuche bereits jetzt, nebst der Arbeit ein Leben mit viel Struktur und sozialen Kontakten aufzubauen und diese auch zu pflegen, um später darauf zurückgreifen zu können. Wandern und Musik machen – Dinge, die heute etwas zu kurz kommen –könnten nach meiner Pensionierung zum Freizeitprogramm gehören. Sofern es die Gesundheit zulässt.

Schnarwiler: Das sehe ich ähnlich. Es ist wichtig, die sozialen Kontakte und die Hobbys schon jetzt, in jüngeren Jahren, zu pflegen. Ich wünsche mir, nach der Pensionierung mehr Zeit zum Reisen zu haben.

Im Podcast sprechen Janine Fischer und Stefanie Schnarwiler darüber, wie ein möglicher Aufenthalt auf der Station E3 abläuft und welche Bilanz die Verantwortlichen der Station nach fünf Jahren ziehen. blog.spital-emmental.ch/alterspsychiatrischestation-schnarwiler-fischer

«Ich nehme mir jetzt mehr Zeit für mich»

Eva Kobel (67) war im Sommer acht Wochen Patientin auf der stationären Abteilung der Alterspsychiatrie des Spitals Emmental in Burgdorf. Im Interview erzählt sie, wie ihr der Aufenthalt geholfen hat.

Eva Kobel, erzählen Sie uns etwas über sich – wer sind Sie?

Eva Kobel: Ich bin eine gesellige, kreative Person und mag es, Menschen um mich zu haben. Ich lache viel und mache gerne den einen oder anderen Witz. Seit 25 Jahren bin ich verheiratet, meine Ehe war aber nicht immer einfach. Bis zu meiner Pensionierung habe ich viel gearbeitet, mich weitergebildet und hatte meistens Freude an der Arbeit.

Im Sommer haben Sie sich für einen Aufenthalt in der Alterspsychiatrie angemeldet. Was waren Ihre Beweggründe? Nach meiner Pensionierung vor drei Jahren habe ich mehr Zeit in die Pflege meines Mannes investiert. Er ist krank und kommt nicht ohne Unterstützung aus. Ich habe bald einmal gemerkt, dass diese Aufgabe eigentlich zu viel für mich ist. Ich habe mir zwar immer wieder Auszeiten genommen, bin zum Beispiel zwischendurch für ein Wochenende mit dem Camper weg. Doch nach drei Jahren konnte ich nicht mehr. Ich fühlte mich ausgebrannt, hatte keine Energie mehr, und obwohl ich eine gesellige Person bin, hatte ich keine Lust, andere Menschen zu treffen. Ich merkte auch, dass ich böse wurde gegenüber meinem Mann – egal, was er machte. Das war schlussendlich der Auslöser, dass ich etwas ändern wollte und mich beim Arzt meldete.

Wie fühlte sich der Aufenthalt in der Alterspsychiatrie an? Es war herrlich! Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich keine Verpflichtungen und konnte alle Verantwortung abgeben. Ich hatte endlich wieder Zeit für mich. Die Tage waren gut strukturiert und ich konnte mein Programm aus einem vielfältigen Angebot zusammenstellen. Es gab ein Atelier, da konnte ich mich kreativ ausleben, ich war unter anderem im Gedächtnistraining, in der Achtsamkeits-Gruppe, machte Sport, ging spazieren und hatte regelmässig Gespräche mit den Pflegenden und dem Arzt. Ich verbrachte auch Zeit mit den anderen Leuten auf der Station. Wir kochten, backten und spielten Spiele zusammen.

Ich fühlte mich in der Alterspsychiatrie wahrgenommen, mit all meinen Facetten. Ich wurde als eigenständige Person mit eigenen

Bedürfnissen und Wünschen angenommen und mir wurde gezeigt, dass ich wichtig bin. Das hat mir geholfen. Natürlich gab es auch schwierige Momente, aber es ist ein sehr positives Zurückdenken.

Wie reagierte Ihr Umfeld auf Ihren stationären Aufenthalt?

Geschockt. Den meisten Personen habe ich erst nach fünf Wochen davon erzählt. Viele zeigten kein Verständnis für meinen Aufenthalt. Es kam mich auch niemand besuchen ausser meiner Schwester. Noch heute wissen etliche Leute nicht, wie sie mit mir umgehen sollen.

Wie sollen die Menschen denn mit Ihnen umgehen?

Ganz normal, wie vor dem Aufenthalt auch. Ich bin immer noch die gleiche Person wie vorher. Wenn sich jemand ein Bein bricht und einen Gips trägt, verhält man sich ja auch noch gleich wie vor dem Beinbruch.

Wie hat sich Ihr Leben seither verändert?

Um 180 Grad. Ich habe mich von meinem Mann getrennt und ziehe demnächst in eine eigene Wohnung. Wir verbringen aber weiterhin regelmässig Zeit miteinander. Ich nehme mir jetzt auch Zeit für mich und achte darauf, dass es mir gut geht. Einmal pro Woche gehe ich ins «Living Museum» Bern, ein offenes Atelier, wo ich mich künstlerisch ausleben und andere Leute treffen kann. Ich habe gelernt, besser mit meinen Emotionen umzugehen, und weiss, wo und wie ich mir Hilfe holen kann, wenn ich sie brauche. Ich glaube nicht, dass ich nochmals an diesen Punkt komme, an dem ich letzten Sommer stand. Ich habe wieder Energie und Lust, Dinge zu unternehmen und Neues auszuprobieren. Letztens war ich sogar bouldern – das habe ich vorher noch nie gemacht!

INTERVIEW ANJA GERBER BILD ADOBE STOCK

Häufig übersehen, doch gut behandelbar

Depressionen im Alter stellen eine häufig unterschätzte, jedoch ernst zu nehmende Herausforderung dar. Denn oft werden die Symptome nicht als Ausdruck einer Depression erkannt, sondern als Begleiterscheinung des Alters.

Depressionen gehören neben demenziellen Erkrankungen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Schätzungen zufolge zeigen bis zu 40 Prozent der über 65-Jährigen in der Schweiz depressive Symptome. Oft bleiben diese Depressionen jedoch unbehandelt. Die häufigen Folgen unbehandelter Depressionen, wie ein Rückgang der Lebensfreude oder die Aufgabe von Hobbys sowie anderen Aktivitäten, werden fälschlicherweise oft als unvermeidbare Alterserscheinungen interpretiert.

Vergleichbare Symptome wie bei Jüngeren «Depressive Störungen im Alter haben unterschiedliche Gesichter», sagt Markus Guzek, Chefarzt der Alterspsychiatrie im Spital Emmental und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie mit Schwerpunkt Alterspsychiatrie und -psychotherapie, und fährt fort: «Grundsätzlich treten im Alter vergleichbare depressive Symptome wie bei jüngeren Personen auf.» Dazu gehören unter anderem Verstimmungen, Antriebslosigkeit und Interessensverlust, das Gefühl, keine Kraft zu haben, Anspannung, Freudlosigkeit und Müdigkeit, negative Denkinhalte, Veränderungen des Appetits und fast immer auch Schlafstörungen. Allerdings treten bei älteren Menschen gehäuft auch ande -

re Beschwerden auf, die dominieren können und den Blick auf die Depression oft verschleiern.

Körperliche Beschwerden als Symptome

Ältere Menschen erleben in der Depression häufig körperliche Beeinträchtigungen, aber auch kognitive Einschränkungen, z. B. Konzentrationsstörungen oder Gedächtnisstörungen. «Die Patientinnen und Patienten klagen über körperliche Symptome wie Schmerzen, Beklemmungsgefühle, Schluckprobleme, MagenDarm-Probleme, Schwächegefühl oder Gangunsicherheit», so der Alterspsychiater. Solche Probleme werden jedoch meist dem Alter und nicht der psychischen Verfassung zugeschrieben, natürlich vor allem deswegen, weil sie auch bei anderen im Alter häufigeren Erkrankungen vorkommen. Mögliche körperliche Auslöser für diese Probleme werden in der Regel rasch ausgeschlossen, an eine Depression als Ursache der Beschwerden wird deutlich seltener gedacht.

Was im Alter ebenfalls zunimmt, sind Ängste, beobachtet Markus Guzek. «Häufig ist es die Angst vor Stürzen, vor Armut, davor, an Demenz zu erkranken. Schwierig wird es dadurch, dass diese Ängste oft einen realistischen Kern haben. Eine

solche Angst kann sich in der Depression verselbstständigen, sodass sie Lebensfreude und eine befriedigende Alltagsgestaltung verhindert, statt vor Gefahren zu schützen. Solche Ängste werden leider lange nicht als Ausdruck einer Depression wahrgenommen. Die Menschen ziehen sich immer stärker zurück, was die Depression verstärkt.»

Ebenfalls typisch für ein höheres Alter sind kognitive Störungen. Verschlechtert sich das Gedächtnis, denken die meisten Betroffenen wohl zuerst an eine Demenz. «Schwierigkeiten beim Denken und Sprechen sowie Konzentrationsstörungen

«Der Übergang in den Ruhestand, der Verlust des Partners oder langjähriger Freunde sowie gesundheitliche Einschränkungen tragen erheblich zum Risiko bei, im Alter eine Depression zu entwickeln.»

TEXT KERSTIN WÄLTI BILD ADOBE STOCK

Markus Guzek

Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie mit Schwerpunkten Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie, Alterspsychiatrie und -psychotherapie

können sowohl Symptome einer Demenz als auch einer Depression sein», erklärt Markus Guzek. Aus Angst vor der Diagnose einer Demenz werden Abklärungen vermieden, weshalb oft auch an sich gut behandelbare Altersdepressionen nicht als solche erkannt werden.

Ein weiterer, häufiger Grund für das Nicht-Erkennen einer Altersdepression ist, dass die älteren Menschen sich seltener beklagen und nicht über ihre Gefühle und psychische Beschwerden reden. «Depressionen gehören zu den wichtigsten Ursachen von Suiziden, sie werden nicht selten erstmals nach einem Suizidversuch festgestellt. Im Alter steigt das Suizidrisiko steil an, gerade bei Männern. Dies, obwohl die Ursache – hier die Depression – behandelt werden kann, wodurch das Risiko wieder sinkt.»

Suche nach Auslösern

Die Ursachen für Depressionen im Alter sind vielfältig. Sie reichen von Veranlagung, biochemischen Veränderungen im Gehirn, körperlichen Auslösern bis hin zu sozialen und psychologischen Faktoren. Typischerweise spielen alle diese Elemente eine Rolle. «Der Übergang in den Ruhestand, der Verlust des Partners oder langjähriger Freunde sowie gesundheitliche Einschränkungen tragen erheblich zum Risiko bei», erklärt Markus Guzek. Körperliche Erkrankungen wie Herzprobleme, Diabetes oder chronische Schmerzen erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Depression zusätzlich, ebenso wie Hormonveränderungen. «Bei älteren Menschen muss man daher herausfinden, weshalb sie eine Depression entwickelt haben und warum zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens, was sich in ihrem Leben geändert hat.»

Ambulant oder stationär?

Viele Altersdepressionen können gut ambulant behandelt werden. Oft geht es darum, dass die Betroffenen ermuntert werden, etwas Neues auszuprobieren und neue Strategien zu erlernen, mit denen sie ihre Depression mindern können. Sie sollen negative Denkmuster erkennen und verändern. «Manchmal reichen wenige Anpassungen im Alltag, dank derer die Betroffenen

ihre Bedürfnisse wieder besser befriedigen und ihre Lebensqualität verbessern können.» Dafür kann eine Psychotherapie, in der Regel eine kognitive Verhaltenstherapie, hilfreich sein. Auch medikamentöse Behandlungen haben einen wesentlichen Stellenwert. «Diese müssen sorgfältig ausgewählt werden, weil ältere Menschen in der Regel mehrere Medikamente einnehmen, die zueinander in Wechselwirkung stehen», bemerkt Markus Guzek. Eine grosse Bedeutung kommt auch den Angehörigen zu: «Die soziale Einbettung spielt eine wichtige Rolle: Die Angehörigen können die Erkrankten motivieren und unterstützen.»

In manchen Fällen reicht die Betreuung im ambulanten Rahmen jedoch nicht aus. «Wenn die älteren Menschen zu Hause den Alltag nicht mehr bewältigen können, nicht mehr in der Lage sind, einzukaufen, sich richtig zu ernähren, dann braucht es eine stationäre Behandlung.» Dort erhalten die Betroffenen ein sicheres und strukturgebendes Umfeld sowie die notwendige medikamentöse und therapeutische Betreuung. Eine stationäre Behandlung wird oft auch dann notwendig, wenn die für eine Behandlung der Depression erforderliche aktivierende Tagesstruktur nicht mehr selbstständig aufrechterhalten werden kann. Dies gelingt auf einer Station zusammen mit anderen Betroffenen und dem Behandlungsteam in der Regel deutlich besser. «Das Therapieziel ist, dass die Seniorinnen und Senioren so stabil sind, dass sie in ihr bisheriges Lebensumfeld zurückkehren und die Therapie dort fortführen können.»

Gute Aussichten

«Depressionen im Alter lassen sich in der Regel gut behandeln, auch wenn der Behandlungsprozess langsamer verläuft als in jungen Jahren», sagt Markus Guzek und fährt fort: «Oft haben ältere Menschen ein grösseres Erfahrungsrepertoire, auf das sie zurückgreifen können. Sie haben in der Vergangenheit bereits erfolgreiche Strategien zur Lösung von Problemen angewandt, die sie mit der entsprechenden therapeutischen Hilfe wieder nutzen können.»

«Das Schönste ist, wenn es mich nicht mehr braucht»

Psychische Herausforderungen, persönliche Krisen oder schwierige Situationen: Die psychiatrische Pflege der SPITEX Region Emmental steht Menschen in belastenden Lebensphasen unterstützend zur Seite. Ein Betroffener berichtet.

Michael Nussbaumer (26) erzählt mit einer ansteckenden Lebhaftigkeit. Sein offenes Wesen und die Lebensfreude, die er ausstrahlt, lassen kaum erahnen, welche dunklen Kapitel sein Leben in den letzten Jahren geprägt haben. Erst wenn er beginnt, seine Geschichte über depressive Phasen und Abhängigkeiten zu teilen, schimmert in seinen wachen Augen immer wieder Nachdenklichkeit durch. Heute blickt er zurück auf einen be -

schwerlichen Weg aus der Krise hin zu einem normalen Leben und einem geregelten Alltag. An seiner Seite sitzt Iris Habegger, diplomierte Pflegefachfrau der SPITEX Region Emmental. Sie war eine wichtige Begleiterin auf den letzten Etappen seines Genesungsprozesses: «Iris Habegger gab mir in schwierigen Phasen Zuversicht und auch mal einen <Stupf ins Füdle>», erzählt Michael Nussbaumer –und beide lachen.

Wenn der Druck zu gross wird

So unbeschwert, wie Michael Nussbaumer heute wirkt, war es in den letzten Jahren jedoch nicht immer. Angefangen hat alles im Jahr 2021. Michael Nussbaumer, damals gerade 23 Jahre alt, fühlte sich an seinem Arbeitsplatz zunehmend unwohl. Vor allem die fehlende Wertschätzung belastete ihn. Auch zu Hause war die Situation nicht einfach: Die Beziehung zu seiner Mutter war schwierig

Das Team der psychiatrischen Pflege der SPITEX Region Emmental: Celina Jenk, Karin Stauffer, Jacqueline Bresnik, Barbara Stalder, Martina Bättig, Iris Habegger (v. l.)

Im Alltag gut aufgehoben

Die psychiatrische Pflege der SPITEX-Organisationen im Emmental begleitet Menschen in jedem Alter und arbeitet interdisziplinär mit Hausärzten, Psychologinnen, Sozialarbeitern sowie Angehörigen zusammen. Zu den häufigsten Krankheitsbildern, die im Alltag betreut werden, zählen Depressionen, Burn-out, Angst- und Panikstörungen, Abhängigkeitserkrankungen, Schizophrenie sowie Schlafstörungen. Die Leistungen reichen von kurzfristiger Überbrückungshilfe bis hin zu Langzeiteinsätzen. Dabei unterstützen die Fachpersonen aktiv bei der Alltagsbewältigung, entwickeln gemeinsam mit den Klientinnen und Klienten eine stützende Tages- und Wochenstruktur und helfen dabei, ein stabiles soziales Netzwerk aufzubauen. Zusätzlich kann die PsychiatrieSPITEX Gruppenangebote zu Themen wie Entspannung, Bewegung oder Kochen organisieren. «Es gibt immer einen Weg, wenn man nur will», sagt Michael Nussbaumer.

und er musste viel Verantwortung übernehmen. Irgendwann wurde der Druck zu gross, und Michael Nussbaumer rutschte in eine Depression. «Plötzlich hatte ich Sehstörungen, sah Doppelbilder und Regenbogenfarben. Das hat mir Angst gemacht», erinnert sich der gelernte Müller und fügt nach einer kurzen Pause an: «Gleichzeitig fehlte mir jeglicher Antrieb, und ich hatte keine Motivation mehr.» Schliesslich begab sich Michael Nussbaumer im Psychiatriezentrum Münsingen für drei Monate in stationäre Behandlung. Nach dieser Zeit kehrte er ins Arbeitsleben zurück, lernte eine Freundin kennen und zog mit ihr zusammen. Auch sein Vater, die Schwester und Freunde unterstützten ihn in dieser Zeit sehr. Es schien, als ginge es ihm wieder gut, und er setzte in Absprache mit seiner Hausärztin seine Antidepressiva ab. Rückblickend jedoch viel zu schnell, wie er heute weiss. In der Folge verschlechterte sich sein Zustand erneut. Michael Nussbaumer verlor seine Arbeitsstelle und versuchte, die Situation mit einem anderen Medikament unter Kontrolle zu bringen. «Ich dachte lange, dass ich nur das richtige Medikament finden müsste, damit es mir besser geht. Dass ich eigentlich eine langfristige Therapie gebraucht hätte, wollte ich mir nicht eingestehen», erzählt er nachdenklich.

Von der Depression in die Sucht Diese Haltung führte schliesslich dazu, dass Michael Nussbaumer in eine Abhängigkeit von Benzodiazepinen geriet; einem Wirkstoff, der unter anderem im Medikament Temesta enthalten ist. Dieses wird bei Angstzuständen und Schlafstörungen eingesetzt und kann schon nach kurzer Zeit abhängig machen. «Der Wirkstoff nahm mir meine Angst und ich konnte wieder funktionieren, doch im Grunde hat das Medikament mich nur betäubt und ich lebte in einer Scheinwelt», erinnert sich Michael Nussbaumer. Es folgten lange Monate des Kampfes und

mehrere stationäre Aufenthalte im Psychiatriezentrum Münsingen. Einerseits durchlief er mehrere Entzüge, andererseits nahm er schliesslich auch seine Depression und seine Ängste in Angriff, unterstützt durch verschiedene Therapien und Medikamente. «Es war kein einfacher Weg und ich brauchte mehrere Anläufe, um den Entzug vollständig abzuschliessen», berichtet Michael Nussbaumer.

Feinschliff für normales Leben Nach mehreren Monaten wechselte der junge Mann vom Psychiatriezentrum in die Tagesklinik Langnau in Bärau. «Allmählich konnte ich alltägliche Dinge wieder selbst erledigen und baute mir eine feste Tagesstruktur auf», erzählt der gebürtige Emmentaler. Danach zog er in eine Wohngemeinschaft und begann in einem geschützten Rahmen zu arbeiten. Dieser Schritt war für Michael Nussbaumer ein bedeutender Meilenstein auf seinem Weg. An dieser Stelle traten bei ihm die Psychiatrie-SPITEX und Iris Habegger auf den Plan. «Ihre Begleitung war für mich der Feinschliff, den ich auf meinem letzten Wegabschnitt in die Normalität brauchte», so Michael Nussbaumer. Dabei war es für ihn von Anfang an entscheidend, eine professionelle Bezugs-

person zu haben, mit der er offen sprechen konnte. Für ihn spielte der Unterschied zu einer Klinik oder Praxis in dieser Phase eine wichtige Rolle: «Iris Habegger begleitete mich sehr kompetent und war gleichzeitig auf menschlicher Ebene nahbar, sodass ich mich sofort wohlfühlte», erzählt Michael Nussbaumer.

Auch für Iris Habegger ist es jeweils zentral, eine professionelle und vertrauensvolle Beziehung zu ihren Klientinnen und Klienten aufzubauen. Dadurch können individuelle Ziele festgelegt, regelmässig überprüft und bei Bedarf angepasst werden. «Bei Michael Nussbaumer ging es darum, ihn im Alltag zu unterstützen und in schwierigen Situationen an seine bereits erarbeiteten Strategien zu erinnern, um auch diese Momente durch- und auszuhalten», erklärt Iris Habegger. Besonders wichtig ist es der Fachfrau, Lösungsstrategien gemeinsam zu erarbeiten und die Menschen in die Selbstständigkeit zu begleiten.

Michael Nussbaumer steht mittlerweile kurz davor, wieder in den Arbeitsmarkt einzutreten. «Mir geht es gut und ich fühle mich stabil», sagt er zufrieden und Iris Habegger fügt an: «Das Schönste ist, wenn es mich nicht mehr braucht.»

ADRESSEN DER SPITEX-ORGANISATIONEN

SPITEX Burgdorf-Oberburg: Farbweg 11, 3400 Burgdorf Tel. 034 420 29 29, info@spitexburgdorf.ch, www.spitexburgdorf.ch

SPITEX Region Emmental: Burgdorfstrasse 25, 3550 Langnau Tel. 034 408 30 20, info@spitex-re.ch, www.spitex-re.ch

SPITEX Region Lueg: Rüegsaustrasse 8, 3415 Hasle-Rüegsau Tel. 034 460 50 00, info@spitexlueg.ch, www.spitexlueg.ch

SPITEX AemmePlus AG: Industrie Neuhof 23, 3422 Kirchberg Tel. 034 447 78 78, info@aemmeplus.ch, www.aemmeplus.ch

SPITEX AareGürbetal: Südstrasse 1, 3110 Münsingen Tel. 031 722 88 88, info@spitex-aareguerbetal.ch, www.spitex-aareguerbetal.ch

Von der Trauer zum Trost

Unter dem Titel «Brügge boue zwüsche Läbe u Stärbe» fanden letzten Herbst in der Region mehrere Veranstaltungen statt, die sich mit dem Tod und dem Sterben auseinandersetzten. Auch der dahlia Verein Emmental organisierte einen Gesprächsabend, um diese Themen zu beleuchten, Fragen zu beantworten und Berührungsängste abzubauen.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod fällt den meisten Menschen schwer. Fragen wie «Wie gehe ich mit dem Verlust eines geliebten Menschen um?» oder «Wie stelle ich mir mein eigenes Sterben vor?» werden im Alltag häufig verdrängt. «Es braucht Mut, sich diesen Fragen zu stellen. Doch die Auseinandersetzung damit kann helfen, Unsicherheiten und Ängste abzubauen», sagt Franziska Furer, Geschäftsleiterin dahlia Verein Emmental. Aus diesem Grund wurde im dahlia Lenggen ein Gesprächsabend veranstaltet, der sich dem Thema Palliative Care widmete. Denn im dahlia ist diese Thematik allgegenwärtig, hier steht das Wohlbefinden der sterbenden Person und ihrer Angehörigen im Zentrum.

Palliative Care – ganzheitliche Pflege und Betreuung

Unter dem Motto «wohl und geborgen» bietet dahlia seinen Bewohnenden auch in der letzten Lebensphase ein Zuhause, das

von Achtung und Respekt geprägt ist. Die Palliative Care im dahlia wird von einem Team aus verschiedenen Fachbereichen angeboten und beinhaltet medizinische Behandlungen, pflegerische Massnahmen sowie spirituelle Unterstützung. «Wir richten uns nach wichtigen Grundsätzen: Sicherheit geben, Selbstbestimmung respektieren, Symptome lindern sowie Angehörige und Bezugspersonen unterstützen», erklärt Franziska Furer. Das Ziel dieser umfassenden Palliative Care ist es, den betroffenen Menschen bis zum Lebensende eine bestmögliche Lebensqualität zu bieten und ihre Angehörigen sowie Bezugspersonen während des gesamten Prozesses angemessen zu begleiten und zu unterstützen. «Der Umgang mit Todesfällen konfrontiert auch uns als Mitarbeitende unweigerlich mit unserer eigenen Endlichkeit. Diese Situationen können uns tief berühren und uns daran erinnern, dass wir menschlich sind», so Franziska Furer.

Den Sterbeprozess verstehen

Im dahlia darf ein sterbender Mensch bis zum Lebensende in seinem vertrauten Zimmer bleiben und wird dort auch im Beisein von Angehörigen und Bezugspersonen begleitet. Die Unterstützung der Bezugspersonen ist in dieser schwierigen Phase besonders wichtig, da der Tod eines geliebten Menschen starke Gefühle der Hilflosigkeit auslösen und den Druck erzeugen kann, alles «richtig» machen zu wollen. «Es ist hilfreich, den Sterbeprozess zu verstehen und zu wissen, was man konkret tun kann. Dabei unterstützen wir die Angehörigen», erklärt Franziska Furer. Ein Beispiel hierfür ist die Belastung, die entstehen kann, wenn der sterbende Mensch kein Bedürfnis nach Nahrung mehr zeigt. Dabei ist es entscheidend zu verstehen, dass dies aus medizinischer Sicht ein natürlicher Teil des Sterbeprozesses ist und dass eine unnötige Zufuhr von Nahrung den Sterbenden zusätzlich belasten könnte. Häufig verspüren Sterbende auch keinen Durst mehr, sondern leiden eher unter Mundtrockenheit. Die Heimärztinnen und -ärzte sowie Pflegefachpersonen des dahlia unterstützen die Angehörigen im Umgang mit solchen Situationen und zeigen ihnen, wie sie dem sterbenden Menschen kleine Mengen Flüssigkeit verabreichen oder mit einem Tuch den Mund befeuchten können.

Selbstbestimmt und würdig – bis zum Ende Auch wenn Angehörige den tiefen Wunsch verspüren, das Sterbebett nicht zu verlassen, um bis zuletzt bei ihrem geliebten Menschen zu bleiben, ist es wichtig, die Wünsche und Bedürfnisse der sterbenden Person wahrzunehmen und zu respektieren. Beispielsweise, wenn diese darum bittet, einen Moment allein zu sein. Denn Erfahrungen zeigen, dass das Leben eines sterbenden Menschen oft in einem Augenblick endet, in dem er allein ist. Für Angehörige kann es schmerzhaft sein, den letzten Atemzug nicht miterlebt zu haben. Das Pflegeteam ist in solch schwierigen Situationen für sie da und unterstützt sie dabei, darauf zu vertrauen, dass die sterbende Person diesen Moment vielleicht bewusst gewählt hat. «Möglicherweise fällt es den Menschen so leichter, loszulassen», erklärt Franziska Furer. Die Würde und

Folgende Fachpersonen waren am Gesprächsabend im dahlia mit dabei:

Susanne Macaluso und Franziska Studer, Verantwortliche Palliative Care dahlia

Eva Maria Genewein, Heimärztin dahlia Lenggen

Markus Bieri, pensionierter Heimarzt dahlia Oberfeld

Roland Jordi, Gemeindepfarrer in Langnau und Heimseelsorger im dahlia Lenggen

Martin Benteli, Gemeindepfarrer in Lauperswil und Heimseelsorger im dahlia Zollbrück und Lenggen

Autonomie der Bewohnenden stehen bei dahlia im Mittelpunkt – bis zum Lebensende. Manche Menschen scheinen in ihren letzten Tagen gar nicht mehr ansprechbar zu sein. Dennoch nehmen sie noch vieles wahr, was um sie herum geschieht. Es ist daher besonders wichtig, in Anwesenheit eines sterbenden Menschen nicht über, sondern mit ihm zu sprechen. «Auch wenn keine Antwort kommt, kann eine Reaktion kommen. Der Mensch bleibt selbstbestimmt und würdig bis zum Schluss», so Franziska Furer.

«Menschen sterben nicht, weil sie nicht essen, sondern sie essen nicht, weil sie sterben.»

Cicely Saunders (1918–2005), Pionierin der Sterbebegleitung und Palliativpflege

Spiritualität am Sterbebett

Zur umfassenden Palliative Care im dahlia gehört auch die spirituelle Begleitung. Spiritual Care wird in engem Austausch mit den Kirchen umgesetzt und in Zusammenarbeit mit dahlia werden regelmässig auch Freiwillige und Jugendliche miteinbezogen. Seelsorgerliche Begleitung wird im dahlia nach den Wünschen der betroffenen Person oder ihrer Angehörigen und Bezugspersonen angeboten. Die Heimseelsorgenden sind reformierte Pfarrpersonen, die ihre seelsorgerliche Arbeit in einer offenen Haltung gegenüber anderen Konfessionen und Religionen sowie Konfessionslosen ausüben. Im Bewusstsein der eigenen Endlichkeit entdecken sterbende Menschen im dahlia häufig die tiefere Bedeutung und Kraft der Spiritualität neu. Dazu gehört nicht nur das Streben nach der Sinnhaftigkeit des Lebens, sondern auch die Frage, was auf den Tod folgt.

Die tiefe Auseinandersetzung mit dem Sterben kann in einem doppelten Sinne wichtig sein: Die betroffene Person möchte den Zurückbleibenden eine Erinnerung hinterlassen, während sie selbst hoffnungsvoll ihren bevorstehenden, wichtigen Übergang erwartet. Spirituelle Begleitung nimmt dieses Fragen und Hoffen mit verschiedensten Angeboten auf, geht dabei auf die Wünsche und Bedürfnisse der sterbenden Person ein und achtet auch darauf, was es braucht, damit Ruhe einkehren kann. «Es kann ein sehr intensiver, tiefgreifend besinnlicher Moment sein, wenn ein Mensch den letzten Atemzug macht. Durch Rituale und Spiritualität können die Hinterbliebenen gemeinsam das Leben würdigen und Abschied nehmen», sagt Franziska Furer.

Bessere Vernetzung für optimale Behandlung

Das Spital Emmental beteiligt sich an den Forschungen zum Projekt Care@home. Durch den Einsatz telemedizinischer Technologien und eine enge Vernetzung mit Partnern soll eine medizinische, pflegerische und therapeutische Versorgung im Wohnumfeld der Patientinnen und Patienten ermöglicht werden.

Das Schweizer Gesundheitswesen steht unter Druck. Steigende Kosten, Fachkräftemangel und eine alternde Bevölkerung stellen Kantone, Institutionen und Fachpersonen vor immer neue Herausforderungen. Doch gerade in diesem Spannungsfeld entstehen auch innovative Lösungen, die zeigen, wie das Gesundheitssystem zukunftsfähig gestaltet werden kann. Eines dieser zukunftsweisenden Projekte ist das «Swiss Center for Care@ home», das unter der Federführung der Berner Fachhochschule (BFH) im Kanton Bern aufgebaut wird.

Das Emmental als Innovationsregion Gemeinsam mit 50 Partnerorganisationen hat die BFH in den letzten Jahren die Grundlagen für das Swiss Center for Care@home geschaffen. Zudem wurden im vergangenen Jahr sechs Forschungsprojekte mit einer Anschubfinanzierung durch den Kanton unterstützt. Das Spital Emmental hat eines dieser Projekte in Angriff genommen: «Remote Care in der Grundversorgung im Emmental». Dabei soll unter anderem geprüft werden, wie der Einsatz telemedizinischer Dienstleistungen den Fachkräftemangel abfedern und die interprofessionelle Zusammenarbeit fördern könnte.

«Mit Care@home vernetzen wir bestehende Partnerschaften und entwickeln gemeinsam innovative Versorgungsmodelle», erklärt Neal Breakey, Oberarzt der Medizin im Spital Emmental, und fährt fort: «Im Emmental haben wir die ideale Umgebung, um solche innovativen Ansätze zu testen. Als Spital sind wir bereits gut vernetzt und kennen unsere Partner. Zudem sind wir es gewohnt, über Distanz an mehreren Standorten zusammenzuarbeiten.»

Verbesserung

von Abläufen

Konkret hat das Spital Emmental das Projekt Care@home in den vergangenen Monaten mit dem Zentrum Schloss-

matt Region Burgdorf vertieft, wo es bereits heute die ärztliche Betreuung sicherstellt. Weitere Partner sind Post Digital Health Services, Post Sanela Health AG, das BFH Institut für Medizininformatik I4MI sowie Roche Diagnostics AG. In einem ersten Schritt wurde analysiert, wie Informationen am besten geteilt werden können, um eine effiziente Zusammenarbeit zu ermöglichen. «Die enge Kooperation mit dem Zentrum Schlossmatt zeigt, welches Potenzial in der digitalen Vernetzung steckt. Wenn alle Fachpersonen zur richtigen Zeit Zugang zu den relevanten Informationen haben, können wir unsere Expertise gemeinsam noch besser für unsere Patientinnen und Patienten einsetzen», erklärt Neal Breakey und fährt fort: «Darauf aufbauend entwickeln wir neue Versorgungsmöglichkeiten, die auf die persönlichen Bedürfnisse der Bewohnenden ausgerichtet sind.»

Smarte Technologie im Alltag

Ein Schlüsselbestandteil des Emmentaler Projekts ist der Einsatz moderner Technologien für eine erweiterte medizinische Versorgung direkt im Zentrum Schlossmatt. Dort wird aktuell ein speziell ausgestatteter Pflegewagen getestet. «Der Wagen unterstützt die strukturierte klinische Beurteilung mit zusätzlichen Messmöglichkeiten. Pflegefachpersonen können Vitalparameter wie Blutdruck oder Puls erfassen und in Echtzeit mit dem Spital teilen. Ein digitales Stethoskop und EKG, eine Ultraschallsonde und eine hochauflösende Kamera ermöglichen eine detaillierte Dokumentation der Situation – das schafft eine solide Grundlage für die gemeinsame Beurteilung», erklärt der Oberarzt. In Zusammenarbeit mit Roche Diagnostics AG wird zudem der Einsatz von Point-of-Care-Diagnostik evaluiert. Schnell verfügbare Laborwerte am Aufenthaltsort würden die Entscheidungsfindung im interprofessionellen Team unterstützen.

TEXT KERSTIN WÄLTI BILDER ADOBE STOCK / KERSTIN WÄLTI

Das Ziel: Die medizinische Versorgung durch strukturierte Prozesse und moderne Technologien stärken. «Diese technologische Unterstützung hilft uns, die medizinische Betreuung noch effizienter zu gestalten», betont Breakey. «Das ermöglicht dem gesamten Behandlungsteam, schneller fundierte Entscheidungen zu treffen – zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner.»

«Die technologische Unterstützung hilft uns, die medizinische Betreuung noch effizienter zu gestalten.»

Optimale Versorgung am gewohnten Ort

Auch Sandra Wiederkehr, Bereichsleiterin Pflege und Therapie im Zentrum Schlossmatt, sieht ein grosses Potenzial in diesem Ansatz. «Für unsere Bewohnenden wäre es ideal, wenn wir ihnen eine rasche Diagnostik in der gewohnten Umgebung ermöglichen könnten, selbst wenn unsere Ärztin nicht anwesend ist.» Momentan wird geprüft, wie gut der Wagen funktioniert – von der WLAN-Abdeckung bis zur Handhabung.

Die Evaluation dieser erweiterten diagnostischen Möglichkeiten zielt darauf ab, dem Behandlungsteam künftig mehr medizinische Versorgung direkt im gewohnten Umfeld der Bewohnerinnen und Bewohner zu ermöglichen. Durch die enge Vernetzung mit dem Spital könnten dann Behandlungen, die bisher einen Transport erforderten, am Aufenthaltsort durchgeführt werden. «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sagen oft: ‹Wir haben ein gutes Leben gehabt und möchten keine intensive Notfallmedizin mehr.› Für Menschen mit Demenz oder schwerer Pflegebedürftigkeit bedeutet es enorme Lebensqualität, wenn sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und dort behandelt werden können», sagt Sandra Wiederkehr.

Digital vernetzt, persönlich betreut Während der Pflegewagen bereits im praktischen Einsatz getestet wird, evaluiert das Projektteam parallel dazu die digitale Infrastruktur. Die neuen technologischen Möglichkeiten können ihr volles Potenzial nur entfalten, wenn auch die grundlegenden Informationsflüsse zwischen allen Beteiligten gut funktionieren. «Je besser der Informationsfluss zwischen den Einrichtungen ist, desto weniger Zeit verlieren wir mit Administration und desto mehr Zeit können wir der medizinischen und pflegerischen Arbeit widmen», erklärt Neal Breakey.

Das Projekt «Remote Care in der Grundversorgung im Emmental» lief offiziell bis Ende 2024 – das Spital Emmental und das Zentrum Schlossmatt werden ihre Zusammenarbeit aber weiterführen. Die vielversprechenden Erfahrungen aus dem Projekt zeigen neue Wege für die medizinische Versorgung im Emmental auf. Neal Breakey: «Nun gilt es, gemeinsam mit allen Beteiligten die nächsten Schritte zu planen, damit aus der Vision eine nachhaltige Realität werden kann.»

Neue Wege in der medizinischen Versorgung

Das Spital Emmental entwickelt verschiedene Ansätze, um die medizinische Versorgung flexibler zu gestalten. Mit digitalen Hilfsmitteln wie portablen Ultraschallgeräten mit «Remote-Supervision» werden neue Möglichkeiten getestet. Mit diesen Geräten kann das Ärzteteam im Spital Untersuchungen live begleiten und unterstützen. «Unser Ziel ist es, eine sichere und praktische Alternative zu einem stationären Aufenthalt zu bieten», sagt der Arzt Neal Breakey. «Ob im ambulanten Bereich oder in der Zusammenarbeit mit Alters- und Pflegeheimen – das Ziel ist, die Behandlung dort zu ermöglichen, wo sie für die Patientinnen und Patienten sicher und zugleich vertraut ist.»

Neal Breakey, Oberarzt am Spital Emmental, und Sandra Wiederkehr, Bereichsleiterin Pflege und Therapie im Zentrum Schlossmatt, mit dem speziellen Pflegewagen, der eine rasche Diagnostik für Bewohnerinnen und Bewohner des Zentrums Schlossmatt im gewohnten Umfeld bieten soll.

Eine stärkere Vernetzung für eine bessere Gesundheitsversorgung

Die Gesundheitsversorgung im Emmental rüstet sich für die Zukunft: Das Spital Emmental, regionale SPITEX-Organisationen und zahlreiche Langzeitpflegeinstitutionen haben das «Gesundheitsnetz Emmental» gegründet. So sollen die Angebote im Emmental künftig besser auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten abgestimmt und Synergien genutzt werden, um die Versorgung nachhaltig und effizient zu gestalten.

TEXT KERSTIN WÄLTI BILDER KERSTIN WÄLTI / ADOBE STOCK

Die Emmentaler Gesundheitsdienstleister strukturieren die Gesundheitsversorgung neu. Gegen Ende des letzten Jahres haben sich das Spital Emmental, sämtliche SPITEX-Organisationen in der Region und acht Langzeitpflegeinstitutionen formell zum «Gesundheitsnetz Emmental», unter dem Dach des Vereins «gesund i. E.», zusammengeschlossen. Mit dieser Vernetzung wollen sie gemeinsam eine integrierte

und koordinierte Gesundheitsversorgung der Bevölkerung im Emmental sicherstellen. Durch die enge Zusammenarbeit und gezielte Abstimmung ihrer Angebote möchten die Beteiligten die Gesundheitsversorgung konsequent auf die Lebenssituationen und Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ausrichten. Ebenfalls Teil des Gesundheitsnetzes Emmental sind die Post Sanela Health AG und die Berner Fachhochschule (BFH). Die Post Sanela Health AG gewährleistet dabei die Einbindung des Elektronischen Patientendossiers (EPD) in den Patientenpfad. Die BFH ist nebst der Lehre stark auf die Forschung im Gesundheitsbereich fokussiert.

Der Lenkungsausschuss des Gesundheitsnetzes Emmental mit dem Co-Präsidium von «gesund i. E.»: André Burger, Geschäftsleiter des Zentrums Schlossmatt Region Burgdorf; Regula Feldmann, CEO Spital Emmental; Patrik Walther, Co-Präsident «gesund i. E.»; Cornelia Steinmann, Co-Präsidentin «gesund i. E.»; und Claudia Sommer, Geschäftsleiterin SPITEX Burgdorf-Oberburg.

Stärker vernetzt – besser versorgt

Mit der formellen Gründung des Netzwerks und der Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung haben sich die Partner verpflichtet, ihre Leistungen künftig stärker zu koordinieren. Regula Feldmann, CEO des Spitals Emmental, betont die Notwendigkeit einer branchenübergreifenden Zusammenarbeit: «Angesichts der heutigen Rahmenbedingungen können wir es uns nicht mehr leisten, dass jede Organisation nur für sich selber schaut. Wir müssen den Patientenpfad über die ganze Region betrachten, von der Geburt bis zum Tod, und unsere Angebote optimal aufeinander abstimmen. Eine solche Zusammenarbeit kommt der gesamten Bevölkerung zugute. Zudem erhöhen wir dadurch die Arbeitsplatzattraktivität und sichern Arbeitsplätze.»

Patrik Walther, Co-Präsident des Vereins «gesund i. E.», unterstreicht diese Haltung: «Die im Emmental ansässigen Leistungserbringer nehmen das Heft in die Hand und legen den Fokus auf eine zukunftsgerichtete Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Die Patientinnen und Patienten sollen effizient die jeweils notwendige Behandlung erhalten können. Dafür braucht es diesen Schulterschluss.»

Auch die SPITEX-Organisationen sind der Überzeugung, dass nur eine engere Zusammenarbeit aller Leistungserbringer die Versorgung der gesamten Emmentaler Bevölkerung sicherstellen kann, sagt Claudia Sommer, Geschäftsleiterin SPITEX BurgdorfOberburg: «Für die SPITEX-Organisationen ist die vernetzte Zusammenarbeit aller Versorgungspartner zentral. Je koordinierter und verbindlicher diese erfolgt, umso effektiver, effizienter und nachhaltiger kann ambulant gepflegt werden.»

Herausforderungen im Gesundheitswesen gemeinsam meistern

Das Gesundheitsnetz Emmental richtet sich auf künftige Herausforderungen und Veränderungen im Gesundheitswesen aus, die durch die Gesundheitsstrategie des Kantons Bern für die Jahre 2020 bis 2030 vorgegeben werden. Der geplante Übergang zu vier Spitalregionen im Kanton Bern wird tiefgreifende Auswirkungen auf die regionale Gesundheitsversorgung haben. Mit

«Wir müssen heute den Patientenpfad über die ganze Region betrachten, von der Geburt bis zum Tod, und unsere Angebote optimal aufeinander abstimmen.»

Regula Feldmann, CEO Spital Emmental

dem Gesundheitsnetz Emmental möchten die Leistungserbringer sicherstellen, dass eine bestmögliche Versorgung der Emmentaler Bevölkerung auch unter veränderten Rahmenbedingungen gewährleistet bleibt.

«Das Gesundheitsnetz Emmental bildet die Grundlage für die koordinierte und dringend nötige Verbesserung der Zusammenarbeit unter allen Akteuren im Gesundheitswesen. Die Optimierung des Patientenpfades – wer ist wo am besten betreut –, die Minimierung des administrativen Aufwands durch einen höheren Digitalisierungsgrad und der effiziente Einsatz der knappen Personalressourcen sind anzugehende Punkte. All dies trägt zu einer nachhaltigen und finanzierbaren Versorgung bei», so André Burger, Geschäftsleiter des Zentrums Schlossmatt Region Burgdorf.

Aufbau und Entwicklung

Die im Gesundheitsnetz Emmental vertretenen Gesundheitsdienstleister engagieren sich unter dem Dach des Vereins «gesund i. E.», der sich bereits seit Jahren konsequent für die Vernetzung im Gesundheitsbereich einsetzt. Ein Lenkungsausschuss, in dem alle beteiligten Parteien vertreten sind, übernimmt den Aufbau und die Entwicklung des Gesundheitsnetzes.

Nach der Aufbauphase soll das Projekt für alle in der Region ansässigen Gesundheitsdienstleistenden und ihre Partner geöffnet werden. Bereits jetzt sind Hausärztinnen und Hausärzte im Rahmen von «gesund i. E.» in das Projekt eingebunden; diese Anzahl soll künftig erhöht werden.

MEDIZINISCHES WISSEN VON UNS FÜR SIE

BURGDORF: 6.3.2025 LANGNAU: 13.3.2025

Nierengesundheit im Fokus: So bleiben Ihre Organe fit

Referentinnen/Referent: Dr. med. Maja Klein Lüthi, Leitende Ärztin Nephrologie, Dr. med. Ivo Bergmann, Leitender Arzt Nephrologie, Dr. med. Nadine Marti, stv. Leitende Ärztin Nephrologie

Unsere Nieren sind Schwerarbeiterinnen: Sie filtern Gift- und Abfallstoffe aus unserem Körper, regeln den Wasser-, Salz- und SäureBasen-Haushalt, regulieren den Blutdruck und produzieren wichtige Hormone. Es ist darum sehr wichtig, dass unsere Nieren gesund bleiben. Es gibt vieles, was Sie aktiv zur Erhaltung Ihrer Nierengesundheit beitragen können. Im Vortrag wird erklärt, welche Funktionen die Nieren übernehmen, welche Warnsignale auf Probleme hinweisen und wie Ernährung und Lebensstil die Nieren unterstützen können.

BURGDORF: 24.4.2025 LANGNAU: 1.5.2025

Auf der Intensivstation – und die Zeiger der Uhr ticken

Referent: Dr. med. Michael Glas, Leitender Arzt Intensivmedizin

Auf unserer interdisziplinären Intensivstation in Burgdorf betreuen wir Patientinnen und Patienten in besonders kritischen gesundheitlichen Situationen. Die medizinischen und technischen Möglichkeiten nehmen stetig zu, doch es ist auch immer ein Kampf gegen die Zeit. Im Vortrag gibt der Intensivmediziner einen Einblick in seinen Alltag, in die Faszination Intensivmedizin und in die Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen. Zudem erörtert er Fragen, die sich Intensivmediziner immer wieder stellen: Wo liegen die Grenzen der Intensivmedizin für den einzelnen Patienten und wie viel Therapie möchte die einzelne Patientin für wie lange?

BURGDORF: 5.6.2025

LANGNAU: 12.6.2025

Moderne Technologien in der Chirurgie

Referenten: Dr. med. Matthias Schneider, Chefarzt Chirurgie, Dr. med. André Gehrz, stv. Chefarzt Chirurgie

Moderne Technologien revolutionieren die Chirurgie immer wieder und ermöglichen präzisere Eingriffe: Laserbehandlungen werden eingesetzt, um Gewebe minimalinvasiv zu entfernen oder zu behandeln, die ICG-Technologie (Indocyaningrün) hilft, Blutgefässe und Organe während einer Operation besser sichtbar zu machen, die 3-D-Laparoskopie ermöglicht eine verbesserte räumliche Darstellung, was komplexe Operationen erleichtert. Im Vortrag erklären die beiden Chirurgen diese neuen Technologien und zeigen auf, wie Operationen dadurch sicherer werden.

BURGDORF: 27.3.2025

LANGNAU: 3.4.2025

Depression im Alter – aktuelle Behandlungsmöglichkeiten

Referent: Dr. med. Markus Guzek, Chefarzt Alterspsychiatrie

Bei älteren Menschen äussern sich Depressionen nicht immer durch die «klassischen» Symptome wie Traurigkeit, Antriebslosigkeit oder Schlafstörungen. Es können auch Symptome im Vordergrund stehen, die auf den ersten Blick und für den Unerfahrenen nicht an eine Depression denken lassen: Diese Patientinnen und Patienten klagen vorwiegend über Gedächtnisstörungen oder körperliche Symptome wie Schmerzen, Enge- und Beklemmungsgefühle, Magen-Darm-Probleme und andere körperliche Beschwerden. In seinem Vortrag zeigt Markus Guzek, Chefarzt Alterspsychiatri,e auf, wie die Diagnose gestellt wird und wie Altersdepressionen behandelt werden.

BURGDORF: 8.5.2025

LANGNAU: 15.5.2025

Suizidalität – (k)ein Tabu-Thema

Referent: Dr. med. Florian Weiss, Leitender Arzt Psychiatrie

Mehr als eine halbe Million Menschen in der Schweiz haben Suizidgedanken. 280 000 Personen haben mindestens einmal in ihrem Leben einen Suizidversuch unternommen, jede fünfte Person erzählt niemandem davon. «Suizidgedanken können ein Hinweis auf eine seelische Not sein und dürfen nicht tabuisiert werden», sagt der Psychiater Florian Weiss. In seinem Vortrag zeigt er auf, welche Warnsignale es gibt, die auf solche inneren Nöte aufmerksam machen. Wo können suizidgefährdete Menschen Hilfe holen? Wie sollen sich nahestehende Personen verhalten, wenn sie mit Suizidgedanken bei ihren Angehörigen konfrontiert werden? Wie könnten Suizide durch Prävention verhindert werden?

INFOS

Beginn jeweils um 19 Uhr, Dauer ca. 45 Minuten, anschliessend Apéro, Eintritt frei.

Spital Emmental, Standort Burgdorf, Oberburgstrasse 54, 3400 Burgdorf, Kurslokal im Erdgeschoss

Spital Emmental, Standort Langnau, Dorfbergstrasse 10, 3550 Langnau, Restaurant

Nach den Referaten besteht die Möglichkeit, den Fachpersonen Fragen zu stellen.

Hier gehts zur Übersichtsseite über die Publikumsvorträge. spital-emmental.ch/publikumsvortraege

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Besuchen Sie uns im Internet unter: spital-emmental.ch/ wettbewerb und füllen Sie das Formular mit dem richtigen Lösungswort aus. Oder senden Sie uns eine Postkarte mit dem Lösungswort und Ihren Kontaktangaben an: Spital Emmental, Marketing und Kommunikation, Oberburgstrasse 54, 3400 Burgdorf

Teilnahmeschluss: 15. März 2025

Die Gewinnerinnen und Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen, über die Verlosung wird keine Korrespondenz geführt. Keine Barauszahlung. Mitarbeitende der Spital Emmental AG sind von der Verlosung ausgeschlossen. Mit der Online-Teilnahme am Wettbewerb erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten vom Spital Emmental erfasst werden.

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