16 DER KONSULENT
AGV NR. 5 | 18. MAI 2022
UNTERBROCHENE LIEFERKETTEN – FOLGEN FÜR UNTERNEHMERVERTRÄGE Unterbrochene Lieferketten und massiv gestiegene Materialpreise – wie sollen wir Unternehmer darauf reagieren?
Lieferverzögerungen, sofern es Beschleunigungsmassnahmen getroffen und die Verzögerung nicht zu verschulden hat. ➔ WICHTIG: Vertragspartner sowohl betreffend Verzöge rungen als auch betreffend Preissteigerungen sofort in Kenntnis setzen!
Z
u den durch Covid-19 hervorgerufenen Lieferverzögerungen und Unterbrechungen kommen die Auswirkungen des RusslandUkraine-Krieges dazu. Immer grössere Kreise sind betroffen und mittlerweile kennt wohl jedes KMU das Problem, dass Lieferfristen nicht mehr zugesichert werden können und mit Verzögerungen zu rechnen ist. Zudem belastet der starke Franken und es ist von steigender Inflation auszugehen.
Gesammelte Tipps – Lieferverzug nach Vertragsschluss • Termingeschäfte: wenn ein bestimmter Tag für die Lieferung vereinbart wurde, dann gerät die Lieferantin mit Ablauf dieses Tages in Verzug. • Andere Geschäfte: ohne Vereinbarung eines bestimmten Datums (Art. 107 Abs. 1 OR): – Mahnung – Angemessene Frist (je nach Ware) • Möglichkeiten, wenn trotz Mahnung nicht geliefert wird: – Vgl. AGB – Lieferung weiterhin verlangen (➔ daher die eigenen Verträge mit Kunden entsprechend formulieren) – Schadenersatz für Verspätung verlangen (➔ z. B. Pönalen, welche man dem Kunden zahlen muss für jeden späteren Tag der Auftragserledigung) – Rücktritt vom Vertrag (➔ wenn die Leistung beim Kunden keinen Sinn mehr macht)
Wer seine Kalkulation laufend prüft, meistert auch allfällige Krisen. Folgende Tipps sind nicht von mir, – «Force Majeure»- oder «Höhere Gesammelte Tipps – sondern stellen eine Sammlung von Gewalt»-Klauseln (unvorher- Preissteigerung nach VertragsTipps von Unternehmerinnen und sehbare Ereignisse, welche die schluss Unternehmern dar, als Checkliste für • Wenn folgende Voraussetzungen Leistungspflicht ruhen lassen) den eigenen Betrieb. Achtung: Nicht alle Tipps eignen sich für alle Unter- • Liquidität erhöhen, wenn möglich erfüllt sind, kann das KMU gegen• Offerten zeitlich befristen, aufnehmen! über dem Abnehmer eine Preisangrund der Zugeständnisse der passung verlangen (Art. 59 SIA Lieferanten Gesammelte Tipps – Norm 118 und Art. 373 Abs. 2 OR): • Konventionalstrafen (fraglich, ob vor Vertragsabschluss – Preissteigerung war zum Zeitsinnvoll) • Bonität der Kundinnen / Kunden punkt des Vertragsabschlusses intensiver beobachten. nicht absehbar • Stärkerer Austausch mit Lieferan- ➔ WICHTIG: Es sind alle betrof– Keine der Parteien musste dafen. Daher ist es langfristig ten mit rechnen zielführender, Lösungen mit • Breit aufgestelltes Lieferanten– KMU hat offensichtlich ein den Lieferanten und Abnehnetzwerk Missverhältnis zwischen Vergümern zu suchen, als nur allei• Ausreichende Lager, wer es sich tung und Ausführungskosten. ne für sich zu schauen. leisten kann • Wurde die SIA Norm 118 (Art. 96 • AGB überarbeiten im Hinblick auf Abs. 1) vereinbart, kann das KMU – Lieferschwierigkeiten und -verFristerstreckung beantragen bei zögerungen – Ersatzprodukte ➔ WICHTIG ist in speziellen Zei– Preisänderungen ten die Kommunikation: Mitarbeitende zur Gesamtschau aufrufen – alte Denkmuster müssen über Bord geworfen werden.
Ich wünsche Ihnen in diesen turbulenten Zeiten viel Erfolg. Der AGV unterstützt die Mitglieder, wenn Schwierigkeiten auftauchen. Dr. Hans R. Schibli Konsulent AGV
Trübe Aussichten für das Gewerbe oder legt sich der Sturm bald wieder?