zweintopf
An A for an A Austria for America
An a for an A - Austria for America zweintopf in Amerika
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Intro Die zweintopf ’s waren 2007 auf großer Reise und haben sich dabei ein noch größeres Projekt vorgenommen. Begleitet von den Kardinals tugenden Mut und Wissbegier zogen sie drei Monate lang aus, um Good Old America, angeblich ja „God’s Own Country“ für Österreich einzunehmen. Mit dem Ziel als Reiseroute die proportional vergrößerte Außengrenze Österreichs den USA einzuschreiben - frei nach dem Motto: „Wir sind gekommen, um euch zu erobern“ - wurden zahlreiche symbolische, österreichische Stadtneugründungen auf amerikanischem Boden getätigt. zweintopf auf Kulturimperialismus in Übersee – drei Monate Kitsch, Kunst und Kampf ums kulturelle Überleben. Wir zeigen, wie es uns dabei ergangen ist: Der ultimative „Reiseführer“ zum Blog beschreibt blumigst unser Erlebtes. Wir wünschen viel Freude und eine schöne Reise!
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Konzept In Zeiten fortgeschrittener Kulturgleichschaltung in allen westlichkapitalistischen Ländern, immer noch geprägt durch eine einseitige Beeinflussung durch die USA, will Zweintopf sich aufmachen zu einer künstlerisch/ interaktiven Forschungsreise nach „Good Old AMERICA“. Getarnt wird die Aktion als eine Art Gegenkolonisation, als Antwort auf jahrzehntelangen amerikanischen Kulturimport in unseren Breiten und die erfolgreiche Integration solcher Amerikanismen in unser bestehendes System und damit die nachhaltige Beeinflussung des Gesellschaftslebens in Hinblick auf Einrichtungen, Werte, Traditionen, Verhaltens- und Vorgehensweisen. Die vom „Hollywoodsystem“ rund um Film und Fernsehen geschaffene universelle Massenkultur fernab jeglicher ortsspezifischer Tradition wurde innerhalb aller westlich orientierten Länder installiert und somit zur Weltkultur und Trägerin des Massenkonsums … und plötzlich feiern alle Halloween - in Reykjavik wie Singapur … schließlich schauen die Kostümierten in den amerikanischen Filmen und Sitcoms immer so lustig aus und man kann neuerdings alles was man zum Kostümieren braucht im nächsten Supermarkt problemlos finden. Mit der Reise „AN A FOR AN A“ will Zweintopf den Versuch starten gewissermaßen als größenwahnsinniges Land- Art Projekt Österreich in Amerika Fuß fassen zu lassen – kulturell wie örtlich. Die Grenze, die Österreich als einen (Groß)Teil der Vereinigten Staaten 6
beschreibt, soll wenn möglich örtlich greifbar werden - mittels 1m2 großen „Landeroberungen“, symbolischen Schenkungen und österreichischen Stadtgründungen. Die Grenzen Österreichs sollen als Reise innerhalb der USA maßstäblich und vergrößert nachgefahren werden, unser Land wird den Grenzen des „Beeinflusserlandes“ eingeschrieben werden – eine symbolische Sichtbarmachung, wo wir massenkulturelltechnisch gesehen (ohnehin) hingehören. Die Grenze steht dabei für Ein- wie auch Ausgrenzung. Für Ausgegrenzte, Menschen in weniger entwickelten Ländern scheint die amerikanische Massenkultur, die USA als Land, als Traum einer Freiheit, die im eigenen Land nicht gelebt werden kann und damit als das erstrebenswerte Ziel. So wie es in den 50er Jahren auch im nachkriegsgebeutelten Europa der Fall war. Ein wichtiger Aspekt der Reise ist einhergehend mit diesen Stadtneugründungen die Untersuchung der
österreichischen Kultur bzw. dem, was gemeinhin darunter verstanden wird. Darum beginnt die Reise auch in Österreich selbst, um später von Außen einen geschärften Blick auf das typisch Österreichische zu schaffen bzw. im Vergleich dazu das so genannte typisch österreichische aus amerikanischer Sicht. Wichtig ist Zweintopf dabei der Kulturbanalismus des „Heimatfilmlandes“ Österreich mit Stereotypisierungen vom naturverbundenen Volk, das in Dörfern im Gebirge oder im Wald lebt. Frei nach dem „Sound of Music“ - Österreichbild eines Durchschnittsamerikaners. Als adäquates Reisefahrzeug denkt Zweintopf an ein Wohnmobil, das zum fahrenden Souvenirladen ausgebaut werden könnte und, allen Klischees entsprechend dekoriert, mit uns die Grenzziehung vornehmen wird. Neben der beschriebenen Idee der
Reise als Grenzziehung und Kulturaustausch sollte das Konzept rund um den Ansatz des Kulturstereotyps neben geplanten Aktionen auch spontane Interventionen zulassen.
Und was kam dabei heraus? Dokumentiert wurde die Reise mittels Tagebuch in einem Weblog, wo mit Text und Bild der Fortschritt des österreichischen Kulturimperialismus in Übersee Stück für Stück nachvollziehbar gemacht wurde. Als handfestes Ergebnis entstand dieser Reiseführer, der zum Nachreisen in österreichische Stadtneugründungen einladen bzw. Erfahrungen, Erlebnisse und Sichtweisen einer österreichisch- amerikanischen Kulturreise rund um Innen- und Außensicht, um Fremdheit und Heimatssehnsucht schildern soll.
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01.12.2008
zweintopf vor! Wenn ich im Nachhinein über diese Idee, die damals kurz vor dem Dämmerschlaf kam, nachdenke, kommt wieder alles. Es war eben eine Idee, sicher eine von den Ideen, die ich gut fände, wenn sie jemand anders ausführen würde, weil ein bisschen verrückt und so. Aber sympathisch und ein wenig zynische Ironie oben drauf. Spannend. Aber ich, wir; würden wir das tun können? Zuerst war es nur eine Einreichung - wieder mal eine, die daneben ging, eine, die uns am Herzen lag. Trotz des nicht genehmigten Stipendiums wollten wir es wagen - und nun stehen wir kurz davor. Aber bevor „alles“ kam, ging auch so ziemlich alles daneben. Zuerst Zeitverschiebungen ohne Ende. Ich, der dann doch am Architekturstudium hängt, wie der Floh am Hund (gerne allein unterwegs, wenn’s aber ans Fressen geht, immer am Anzapfen) musste ein Entwerfen zu Ende bringen. Dann kam auch noch ein Essen mit den Eltern dazwischen und so fort. Sie kennen das ja. Da glaubt man einmal eine Woche für sich zu haben, schon ist wieder der Müll runter zu tragen und danach gleich Sonntag. Egal, dieser Termin stand fest, der 10.Juli. Flug, Gewand, Koffer, österreichische Souvenirs, alles war besorgt. Ja, sogar meinen Pass habe ich kopiert, in Evas „All in One“, Druck, Fax, Scan und Kopierkiste, zwecks Verlust und so. Die letzte Nacht war gut in Graz, 8
die Eva hat so fantastische Bettwäsche vom xxx, eine Decke, die sich 210 *240 über deinen und den Körper des anderen spannt und die Eva hat das andere Wunderding, das 4 Sachen in einem, wenn auch nacheinander erledigen kann. Der Wecker ging dann um vier. Eine kleine Marotte, die wir uns erlauben - den Wecker immer eine Stunde vor dem Aufstehen zu stellen. Danach ist der andere, der nicht den Wecker bedient genervt, warum der andere, also derjenige welche den Wecker bedient den Wecker nicht einfach eine Stunde nach vorne stellt, um weiterzuschlafen, sondern ihn alle zehn Minuten wieder erklingen lässt. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben wir noch keine Einigung darüber erzielen können. Aber ab fünf geht alles nach Aufstehen. Frühstücken. packen. Die Wohnung zweimal absuchen. Eva’s, ne habe ich ja an
Plan. Aufnoch meidrei
Tschetschenen vermietet (die wahrscheinlich gerade meine absuchen). Um 6:31 geht der Zug nach Wien, dort dann der Flug um 11:00 nach München und dann weiter nach New York. Alles im Plan, wir sind um 6:20 am Bahnhof, um 6:25 am Bahnsteig, ÖBB Neusprech Gleis 4. (eine Ermunterung zum Selbstmord?). 6:26 im Zug und 6:27 Platz genommen an einem freien Vierer. Die Eva sieht noch mal alles durch, Gepäck, Bauchtasche (gefüllt mit Dokumenten, Geld, Pässe - laut Eva eigentlich nur mit einem Pass). Ich gleich am Suchen. Tasche oben auf, am Rucksack (den ich übrigens schon seit 8 Jahren mit auf Reisen habe), nichts Rucksack in der Mitte auf - zwar frische Boxershorts anwesend, aber nicht mein Pass - Rucksack unten auf, die Kopie vom Pass anwesend, aber das Original nicht auffindbar.
Im gleichen Moment kommt dann immer die Erinnerung an früher, an ähnliche Momente als andere Aussteigen mussten, aber auch an den Moment, als im „All for one“ oder im „All in one“ Gerät die schwarz weiße Kopie einer schlechten Fotografie raus kam - also auch gleichzeitig der Moment, als man beim Niedermeyer einer schrecklichen Fratze von Passfotografie für 12 Euros entgegenblickte und meinte man sei zufrieden mit dem Ergebnis. 6:31: Kurz bevor der Zug abfährt, stürmen wir raus, dann steht man am Bahnsteig (Gleis 4) und weiß im ersten Moment nicht so recht weiter. Der Depp des Tages steht schon fest und die Eva ist grantig ohne Ende (und das ist verständlich). Mit dem nächsten Zug kommen wir sicher nicht rechtzeitig in Schwechat an, trotz CAT, der ja nur 5 Minuten schneller ist und viermal so viel kostet. Um das ganze ein wenig abzukürzen, jetzt sitze ich in Wien, die Eva auch. Unser neuer Flug geht am 15. Juli - zum Glück. (davor ist alles
ausgebucht) Der Gram und die Wolken sind schon ein wenig verzogen, und wieder mal sehen wir uns das Musemusquatier an. Die Kosten für die Umbuchung muss ich bezahlen, aber dafür gehen wir das erste Mal nach Schönbrunn, und ich sehe Tiere in Gefangenschaft. Vorher waren wir im Rup’s essen und finden einen Zettel, der zum Tierschutzlunch einlädt (natürlich vegan). Dabei stoßen wir zum ersten Mal, auf dem mir unbekannten Begriff des „Speziesismus.“* mit Stern dabei. * Kampf gegen die Ausbeutung der Tiere nur ihrer Spezies wegen. (ein bisschen eleganter formuliert ein bisschen lachen muss man dabei schon, auch wenn die Veganer nicht einstimmen werden.) Aber eines ist klar, Wien ist ein guter Ausgangspunkt für die Weiterreise nach New York und Eva scheint auch schon ein wenig versöhnlicher - bilde ich mir zumindest ein. Aber Das Abenteuer wartet, in der Warteschleife.
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15. Juli 2007
vor der sause Die letzte Nacht in Wien, nicht zu Hause, aber in Österreich. Unsere Finger sind ordentlich geputzt, man will ja schließlich saubere Fingerabdrücke abliefern. Im Reiseführer steht, man reise in „Gods own country“ - endlich wissen wir wo er nach der Georgienpleite hingezogen ist. Georgien, so will es die Legende, war als Wohnsitz Gottes entworfen. Als aber am Ende der Schöpfung, ein Volk noch keinen Platz auf Erden hatte, schenkte Gott, ganz uneigennützig, den Georgiern seinen Wohnsitz. Jetzt aber ohne Land, wo sollte er hin. Anscheinend war es die USA. Mir bleibt nur noch den Schlaf der Flugangstgeplagten zu schlafen.
18. Juli 2007
nach dem Flug ist vor dem Flug Das Zittern in den Händen ist vorbei. Nach einem Frühstück, Cafe im Halbliterbecher und einem Bagel, vor allem aber einer weiteren Nacht, also einem noch größeren zeitlichen Abstand zur Flugreise, gelingt es mir, den Becher wieder ruhig zu halten. Habe ich schon gesagt, dass ich das Fliegen hasse? Ich glaube schon. Ist man mit dem Schiff unterwegs, das auch nicht in New York ankommen könnte, versinkt es in den Fluten, dann ertrinkt man. Begeben wir uns aber in ein Flugzeug, stürzt das zuerst ab, und dann ertrinkt 10
man trotzdem. Oder es macht eine Bruchlandung in Grönland und die Erfrierung ist dein zweites Schicksal. Immer der doppelte Scheiß. Ich möchte nicht sagen, der Flug war ganz die Hölle im Himmel, aber Turbulenzen sind mir am Boden schon lieber. Wobei, seit vor Monaten ein Zug so im Schwanken fast entgleist wäre… Der Mann der neben mir saß, blieb dabei ganz gelassen: Dann auch noch das, wir hatten gerade vor einer Stunde einen Triebwerksschaden. Ich derweil schon fast einen Herzinfarkt. Aber nach dem dreimaligen übertreten der normalen Schwankamplitude und dem Herunterfallen der Gepäcksstücke, setzt das Metallrad wieder fest am Metallgleis auf und wir rollen weiter. Ich hasse den Verkehrstod, aber dieser wäre wenigstens auf der Erde gewesen, dort, wo das Sterben hingehört. Der Absturz ist dagegen ein langsames Gleiten in den Tod, der beim
Flug zumindest im Flugzeug nach New York, mit großer Wahrscheinlichkeit im Wasser endet. Zuerst das langsame Lufttodgleiten, danach der Wassertod und erst zuletzt, der von mir geforderte Erdtod. Wäre man schon älter, könnte das Lufttodgleiten zum Nachdenken über die Vergangenheit genutzt werden, der Film, der vor einem abläuft, könnte ein wenig ausschweifen - mit mehr Dramatik in den Szenen - man könnte noch Frieden mit sich und seinem Gott schließen. Aber ich, der noch so jung ist, dessen Film gerade noch im Intro steckt, was würde ich machen - ich würde vor Panik nur schreien, um danach einen für mich falschen Tod zu sterben. Deshalb haben wir überlebt. Der einzige, der in Mitleidenschaft gezogen wurde, weil ich danach forderte und Eva ihn mir freiwillig überließ, war ihr rechter Arm. Viele Turbulenzen, viel und festes Armdrücken, keine Turbulenzen auch ein wenig Armstreicheln.
20. Juli 2007 Ärger hat es da schon unsere Sitznachbarin zur meine Linken erwischt. Ob die auch vor den Beamten aus der Flasche trinken musste, damit sie sie mit an Bord nehmen durfte? Das Baby hat zwar nach der Flaschenfütterung sich ein paar Mal mit partiellen Auswürfen gemeldet, aber so richtig kam es der Mutter. Zum Glück das meiste in den Papiersack und nur kleine Reste auf ihre Bluse. Obwohl ich fast immer mitspeipen muss, wenn es jemandem neben mir kommt, was zum Glück nicht oft passiert, blieb es bei wenigen Aufstoßen meinerseits. Arm und Eva sei Dank. Die Ankunft am Flughafen ist groß, wie der Flughafen selbst - aber ist nicht sowieso alles groß wenn man als Reisender aus Graz kommt. Wie in Graz alles klein ist, kleine Häuschen, kleine Geister, die darin leben, das Kleinbürgerturm und die Anderen, die zwar behaupten keine zu sein, denen aber die Negation auch nicht zur Großdenkerei verhilft - zu viel Rednern, zu großen Rednern, zu größer reden, vielleicht.
Zwei gestrandete Trümmer im Park Wir sitzen gerade im Central Park, als die Trümmer durch die Lüfte fliegen und eine Rauchsäule aus Richtung Süden aufsteigt. Dann mischen sich die Sirenen dazu, bei uns nimmt die Unsicherheit Platz. Gerade redet man noch über die Zukunft, schon schweifen die Gespräche in die Vergangenheit. Genau wie die Zeitungen es uns am nächsten Tag bestätigen, an einen Unfall will in dieser Stadt nach dem 11. September anfangs niemand niemals mehr glauben. Der Terrorismus ist allgegenwärtig, in den Köpfen, also überall und den legt man nicht so einfach ab. Auch wenn das Problem diesmal hausgemacht war, und eine alte Dampfleitung ihren letzten abließ. Wir schweifen aus in unseren Gesprächen, ins Jahr 2001 - ich war damals das erste Mal auf Interrail,
und der Zug hatte uns am 10. nach Bilbao gebracht. Am 11. schien die Sonne, ich glaube es war Mittag und wir am Basketballplatz. Nicht am Spielen, nur am Schauen. Die Langeweile nahm Platz und um mich ihr zu entziehen, bin ich zurück in die Herberge. Am Gang entlang gehend, blicke ich auf einen der unzähligen Bildschirme, die dort von der Wand hängen und starre wie einige vor mir, auf die Bilder. Dem Spanisch nicht mächtig, mochten mir die Bilder auch nicht wirklich etwas sagen. Ein immer wieder im Repeat Modus abgepieltes Video wurde gezeigt. Zwei Türme, anscheinend das World Trade Center, danach ein Flugzeug, ein Einschlag - und wieder zurück. Genau das gleiche Video, das noch heute im Repeat-Modus läuft. Besonders in den Köpfen aller Amerikaner - Video an, ab, zurückspulen ... bleibt da noch Zeit über andere Sachen nachzudenken? Man will den auslöschen, der das Video in die Köpfe brachte. Die Löschtaste des Abspielgerätes finden. Die Sirenen werden immer mehr
Wir sind jetzt im Land der Träume gelandet. Dabei dachte ich, wir wollten ins Land der Verwirklicher.
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und lauter, ein Parkwächter empfiehlt uns, entweder nach Hause zu gehen, oder uns nicht vom Platz zu bewegen. Wir bevorzugen, das Grün gegenüber unserem neuen Dachgeschoßzimmer. Eva erinnert mich an unsere „erste gemeinsame Bombenexplosion“. Damals 2005 in Kairo. Wieder ein Land, dessen Sprache nicht in unserer Mächtigkeit stand. Eine SMS aus dem Heimatland, die um unserer Versehrtheit, zwecks Bombenexplosion im Basar wissen wollte, brachte unsere Knie ins schwingen. Die nun überall und allseits präsente Polizei und die Anwesenheit eines Miltärwagens neben dem anderen, steigerte eher die Unsicherheit. Unser Hotel verließen wir zwei Tage nur noch zur Nahrungsaufnahme. Dazwischen versponnen wir uns in Angstszenarien. Die nächste potentielle Explosion heuer in Istanbul, ein Polizeiwagen sperrt großräumig einen Mistkübel ab, den sie danach vielleicht sprengen. So lange haben wir mit
dem Warten nicht gewartet - lieber in den gut gefüllten Basar hinein. Mit Schmerzen im Bauch. Wir wollten nicht, dass 2007 noch eine dazukommt, hier in New York Am nächsten Tag stellte sie sich ja auch glücklicherweise als Nichtbombe heraus. Ich glaube das Video beginnt sich auch in uns zu wiederholen. Dabei wollten wir über die Zukunft reden. Wo bekommen wir unseren
fahrbaren Untersatz für die Reise her, wie klappern wir systematisch die Autohändler ab? Die Reiseroute muss noch genau festgelegt werden. Wie kommunizieren wir die Reise? Das Schreiben hinkt immer ein wenig, aber nach all den Eindrücken, die einem jeden Tag passieren, bleibt dann oft nur mehr wenig Lust am Abend wieder alles raus zu lassen. Aber wir beginnen noch mal von vorne, zumindest beim Ankommen. Die Taxifahrer in diesem Land sind die gleichen wie bei uns. Hier ist auch keiner von hier. Außer die Rothäute, aber die hat man vorsichtshalber in Reservate eingewiesen. Also alle Zuwanderer oder besser Zufahrer - Zuschiffer. Wir genießen die Fahrt durch die Stadt, über eine der Brücken, deren Namen ich schon wieder vergessen habe, leisten uns den unnötigen Luxus vom Taxi ins Hotel, bzw. in die Absteige gebracht zu werden.
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Wobei für mich fraglich scheint,
ob in dieser Absteige das Absteigen wirklich noch möglich ist. Eva ist eine genaue Hotelzimmerinspizientin, auf ihre Meinung verlasse ich mich gerne, auch wenn sie hier nicht besonders positiv ausfällt. Der Boden sieht aus, als ob er schon das Blut mehrer Bluttaten aufsaugen musste. Die Spritzer auf der Wand, dem Bodenflecken folgend, würde die Theorie unterstützen. Der Dusche fehlt der Kopf und der Duschakt wird zu einer Hochdruckreinigung. Mit anschließend zwar gewaschenen Haaren, aber dafür Kopfweh.
die Nachbarfassaden starren. Dürfen uns das erste Mal dem amerikanischem Fernsehen hingeben, welches seine angepriesene Dummheit, dank anfänglicher Sprachschwierigkeiten, noch nicht ganz zu Geltung brachte. Dürfen unsere mitgebrachte, aus China nach Europa importierte, USA Karte aufhängen. Dankbar setzen wir uns nach einem Besuch im Natural Histroy Museum in den Central Park, um uns die Explosionstrümmer um die Ohren fliegen zu lassen.
Schnell ist beschlossen sich etwas Neues zu Suchen, so billig es hier auch war - das könnte keine weitere Nacht, mit vielleicht anschließender Bluttat rechtfertigen. Am nächsten Morgen brechen wir auf - Internetrecherche und ein Zeitungsinserat brachten uns auf die West 82nd Street, Upper West Side. Dank sei unserer Privatvermieterin. In der Nähe des Natural History Museums und des Central Parks, dürfen wir nun im Dachgeschoß des 15. auf 13
25. Juli 2007
Zweikomponentenkleber Guten Tag, wenn ich mal gleich selber vorstellen darf … hier meldet sich nun endlich nach langen Tagen der männlichen Blog-Domäne Eva zu Wort, ihres Zeichens weibliche Komponente des Vierphasen-Zweikomponentenklebers zweintopf … Jene Eva, die sich angeblich dazu eignet eine Karriere als biestige Hotelzimmerinspizientin anzustreben, die nebenbei aber hin und wieder einen auf Flugangsttherapeutin macht und vor allem jene, die organisationstechnisch scheinbar immer alles unter Kontrolle hat (außer Gerhards Pass, den sie sich nun aber zu guter Letzt aufbewahrungstechnisch auch unter den Nagel gerissen hat) und wenn nicht, dann zumindest die Oberhand. Womit wir beim Thema wären ... Organisationsmäßig ist so ein Trip nämlich leider nicht so einfach ... Man sagt halt mal so … also naja, dann fliegen wir halt mal nach Amerika, nach New York, und da nehmen wir dann aber nur das Nötigste mit, weil Übergepäck ist teuer und man kann den Rest ja eh dort auch kaufen … und wenn man dann allen nötigen Kram beisammen hat, kauft man noch einen günstigen (und hier liegt zweifelsohne die Betonung) fahrbaren und wenn möglich auch bewohnbaren Untersatz, packt all das wichtige Zeug hinein und fährt los … Ja wenn … Hier in der großen Großstadt aller großen Großstädte (also großartig) … all das zu finden was man braucht, erfordert sehr viel 14
Aufwand und Nervenstärke. Allein schon ein „normaler“ Lebensmitteleinkauf, zu dem man sich mit genauer Liste aufmacht, mutiert mitunter zur Expedition, wenn man die endlosen zurückzulegenden Distanzen zwischen Butter und Zucker hin und retour nehmen muss, weil man was vergessen hat, das man dann dort nicht findet, wo man es vermutet, also wieder zurück und dann irgendwo anders hin, und so weiter …hat man erst einmal das richtige Regal gefunden, muss man sich vergegenwärtigen, was und in wie viel verschiedenen Arten und Verpackungen da alles möglich wäre … und der Vormittag zerfließt … ist die Beute nach Hause geschafft, ist man so K.O., dass zu einer neuerlichen Tour in beiderseitigen Einverständnis gar nicht erst aufgebrochen wird … Die größte Hürde ist da wohl der Autokauf, sind wir doch so was wie Spezialisten auf diesem Gebiet: Ich für meinen Teil interessiere mich wahnsinnig für Hubräume, Brems-
wege und schicke Seitenspiegel, denn außer dem, was ich mir bisher bei meinen geschätzten fünf Spielen mit dem Auto- Quartett meines Bruders gemerkt habe (öfter durfte ich leider nicht mitspielen), ist mein Wissen über Autos gleich null – nun gut, eines weiß ich: fahren muss es! Wie es um Gerhards Wissen um Autos bestellt ist, weiß ich zwar nicht so genau (wir sprechen ja nie über so was, vielleicht hat er ja verborgene Talente), aber wenn meine Einschätzung richtig ist, ist er mir wohl eher ebenbürtig als ein Benzinbruder. Und nun stellen sie sich uns beide vor, wie wir vor einem englischsprachigen Autoverkäufer stehen, hinter ihm ein seltsam und etwas alt aussehende Gefährt von für uns undefinierbarer Marke … Mein Misstrauen gegen derlei Personen geht in solchen Fällen immer so weit, dass ich sowieso schon von vornherein glaube, der Typ will uns da irgendwas
27. Juli 2007 verchecken, was zwar fahrbar aussieht, aber mindestens im nächsten Bundesstaat den Geist aufgibt bzw. einen ständig mitfahrenden Mechaniker erfordern würde. Sie sehen, unsere Chancen auf einen anständigen fahrbaren Untersatz sind gering – außer wir geraten an einen gutmütigen Gutmenschen, oder der glücklichste aller Zufälle tritt ein. Am Freitag haben wir es immerhin zu zwei Gebrauchtwarenpseudogutmenschen geschafft und mal „geschaut“, waren dann aber erstmal so desillusioniert, dass wir uns das Wochenende über nicht damit befassen konnten … so kamen wir immerhin zum Sightsehn … Ground Zero und so … schließlich darf auch auf das gängige Touristenprogramm nicht verzichtet werden … das wars erst mal von meiner Komponente. C U … ums amerikanisch zu sagen.
Nazikommunisten in der Bronx Am Freitag wollen wir endgültig los. Ein Auto oder Wohnwagen wurde uns noch nicht beschert, aber wir hoffen auf das Land. Die Preise in New York sind einfach zu hoch, und Fernsehserien, die uns weismachen wollen eine Wagen für 500$ zu bekommen wurden wohl in den 70ern gedreht. Vorerst wird den Transport der Bus übernehmen. New York ist wahrlich ein Paradies für Architekten und angehende, wie ich mich einen schimpfe. Aber darüber zu schreiben finde ich so langweilig, wie in der Nase bohren - meistens weiß man schon was rauskommt, nur die Größe ist noch ungewiss. Die größte Strafe dabei scheint mir das Lesen von Texten im „Architektur Aktuell“. Den Schlaf der Kinder versucht man mit dem Vorlesen von Märchen zu erreichen - warum eigentlich? Die scheinen mir spannend. Zum Einschlafen sollten
Beschreibungen über Gebäude zum Besten gegeben wer den. Dabei bleibt aber immer eine kleine Bewunderung denen gegenüber, die darüber schreiben können. Nach dem Touristenprogramm fahren wir in die Bronx. Ich liebe diese Orte, denen man die Identität absprechen will (im architektonischen Sinn). Der Streifzug bringt uns am Stadium, an weiteren gefangenen Tieren und an Bunkern, die man als Wohnungen bezeichnet vorbei. Wir sind aber nicht die einzigen Besucher hier, Mc Donald’s war auch schon hier. Hunger hat wohl jeder, der Magen an der untersten Stufe der Gesellschaft wird nicht kleiner. Nach einem Burgermahl setzen wir uns wieder mal protestierend auf eine Bank, um mehr Geschmack zu fordern. Sicher, man könnte auf die Suche nach den verborgenen Spezialitäten gehen, aber der Hunger ist oft schneller als der Wille.
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Also - wir so dasitzend und verdauend unseren weiteren Plan besprechend (wir wollen endlich weg von New York), kommt ein Herr älteren Alters auf uns zu und bequatscht uns auf Deutsch. Die Deutsch-Sprechenden scheinen hier schon eine eigene Community aufgebaut zu haben - bleibt uns nur zu hoffen, das sie nicht den gleichen Weg eines deutschen Chinatowns gehen. Aus Deutschland käme er, der nette Herr, aber aus dem Osten. Nach ein wenig Geplänkel über das Wetter, versucht er uns seine Lebensgeschichte zu erzählen. Und wir nicht viel am tun, hören ihm willig zu. Er ist nach Amerika ausgewandert, denn in Deutschland steht alles zum Schlechtesten. Die Jungen gehen nach Österreich oder in die Schweiz arbeiten, er sei eben nach Amerika gewandert, habe sozusagen den Traum seiner Eltern verwirklicht. Heute könne man ja nicht mehr in Deutschland wohnen, überall nur noch Kriminelle und am Abend traut man sich nicht mal vors Haus. Alles Räuber und Banditen,
vom Politiker bis zum Bäcker. Damals unter dem Hitler, da sei wenigstens noch Ordnung gewesen, da hätte es so was (was?) nicht gegeben. Der hat nur einen Fehler gemacht, der Krieg wäre nicht notwendig gewesen. Unser Einwand, dass das ganze Regime eigentlich nur auf Krieg ausgerichtet war, wurde ganz elegant überhört. Aber der Hitler wurde Vergangenheit, und unser redseliger Gast arrangierte es sich mit den Kommunisten.
Pfadfinder kaufte er wahrscheinlich mehr Kekse ab, als sie tragen konnten. Höflich ist er schon, redet mit jedem, hat immer eine Meinung, dieser alte nette Herr - wahrscheinlich wird er bald sterben. Ich denke an Heinrich Böll, der in seinen irischen Tagebüchern über das Zurechtweisen rechter Recken nicht mit Resignation antwortet, sondern sein so genanntes Zähneziehen beginnt.
Diese standen auch für Ordnung, also im Sinn unseres Erzählers. Diebstähle im Park, das hätte es nicht gegeben, die Hand hätte man ihnen abgehackt.
Ich denke an lange Abende im Dom Cafe in Gurk, wo das Zähneziehen meist mit lautstarken Gelächter quittiert wurde. Ich denke daran, dass meine Missionsarbeit nach dem Rausch des Vortages, einfach in die katerliche Vergessenheit des nächsten Morgens gespült wurde.
Langsam erschaudert es mich vor diesem kapitalistischen Nazikommunisten. Aber zu seinen Enkeln war er sicher immer nett. Hat ihnen Taschengeld zugesteckt. Der gehbehinderten Nachbarin hat er immer über die Stiege geholfen. Den
Ich denke daran, wie oft ich in Kärnten mit Nachbarn und Freunden und Verwandten über das Problem Haider geredet habe. Einen Monat später kommen die gleichen alten Fragen: Was hat der den schlechtes gemacht? Die Lust auf das Zähneziehen vergeht, wen man merkt, dass es hydratische Ausmaße annimmt. Warum es hier in Amerika besser sein sollte als in Deutschland blieb mir während des Gespräches ein Rätsel aber er wollte wohl den Traum seiner Eltern leben. Morgen geht es los, nach Nowhere - unser Ziel heißt Sayre und kein Mensch auf der Welt hat je davon gehört. Außer die 7000 Einwohner dort.
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29. Juli 2007
Ernüchterungen im Hot Texas New York liegt im Rückspiegel. Nach drei Stunden im Ausfahrtsstau beginnt die Landschaft vorbeizurauschen. Die Musik in den Kopfhörern schafft es, daraus ein dramatisches Ereignis zu machen. Die Landschaft dabei scheint gleich, der in Österreich, oder zumindest Deutschland - es ist um einiges flacher, aber mit viel Wald. Der Himmel beginnt die Schleusen zu öffnen und die Natur trinkt. Dazu der Soundtrack im Ohr. Melancholisch, trauig ein wenig sad eben. Die fünf Stunden Fahrtzeit vergehen wie im Flug (wenn das Flugzeug auf der Erde fahren würde) und man kommt am Kellogg Moutain vorbei, der uns ohne sein Wissen die Kindheit versüßte. Ein Hotel war schnell gefunden und nun residiert es sich im „Young mens and womens Youthhostel „ - sehr kreativ. Nach einem nachmittäglichen Schlendrian, sitzen wir am Abend im scheinbar einzigen Restaurant (Texas Hot) des Ortes und versuchen ein wenig die letzten Tage Revue passieren.
würde sich die Reisegeschwindigkeit zwischen den Orten erhöhen und die Anzahl der Aufenthalte verringern müssen. Fahren wir aber kontinuierlich weiter, bleibt die Zeit vor Ort ziemlich beschränkt. Nach langen Diskussionen erscheint es uns aber in jedem Fall am wichtigsten die Reise vollständig hinter uns zu bringen, den Kreis zu schließen. Die Grenze vollständig abzuriegeln. Sollte sich kein einziger Mayor bereit erklären uns Gemeindegebiet zu schenken, werden wir der ameri-
kanischen Tradition folgend, einfach mit Besetzungen reagieren. Wir beschließen, uns am Montag einfach zur City Hall zu bewegen um anzufragen. Der von uns in Auftrag gegebene Vertrag (bei unserem Anwalt) lässt weiter auf sich warten. Vielleicht funktioniert es auch mit einem selbst geschriebenen. Den Sonntag wollen wir vorerst mit herumstreunen begehen, um anschließend die weitere Route festzulegen.
Beim Gespräch kommt man darauf, dass uns die weitere Vorgangsweise der Reise, selbst nicht mehr so klar ist, und Dinge wie Essensbeschaffung, Schlafstättensuche, Transportfragen oder auch nur das vorübergehende Auskundschaften eines Ortes, so viel Zeit verschlingen, dass die künstlerische Produktion eigentlich die ganze Zeit darunter leidet. Würde man sich entscheiden länger an einem Ort zu verweilen, immerhin schafft es sich eher selten innerhalb zweier Tage in die lokale Kunstszene aufgenommen zu werden, 17
31. Juli 2007
Vormittags Schreie, Nachmittags Schweigen
Wieder bemerken wir, wie schlecht unser English eigentlich ist, als vormittags ein streitendes, älteres Paar an uns vorübergeht und wir gerne verstanden hätten, was es denn an so einem Morgen schon zu brüllen gab. Sie hatten unsere Aufmerksamkeit, aber das schien ihnen egal. Dass die alte Dame wie wild mit den Händen fuchtelte, ließ vermuten, Verfehlungen von Mannesseite seien der Grund des Geschreiausbruches. Vielleicht ist aber ja auch er der arme Teufel und kann gar nichts dafür. So ziehen sie dahin, die Mainstreet runter und wir sitzen weiter und schlürfen wieder mal Kaffee aus dem Becher. Hätte er nicht den Vorteil ein wenig Leben ins unsere laschen Glieder zu hauchen, man müsste ihn wegschütten - geschmackstechnisch gesehen. Waren wir in den letzen Jahren in Europa unterwegs, war es immer ein absonderliches Rätsel im Ausland einen Verlängerten zu bestellen. Auf der Karte gab es meist Cafe Latte, Cappuccino, Sorten eben, die verbreitet sind, aber Verlängerter war keinem bekannt - und zumindest mir in der Übersetzung nicht. In Bulgarien versuchte ich es mit einem Cafe Vienna - schlecht war er nicht, aber sein Geheimnis bestand in zugemengtem Alkohol, vermutlich Likör. In Istanbul, ich schäme mich fast es 18
zu schreiben, in einem „Starbucks“, kommt dann das alles errettende Aha Erlebnis. Ein Verlängerter ist ein Cafe Americano. Viele behaupten ja, nur ein Espresso sei ein richtiger Cafe, die Vermengung mit heißem Wasser dagegen eher eine Angelegenheit für die Oma - da war man dann gleich doppelt entlarvt. Schlechter Kaffeegenießer und dann heißt das auch noch Americano. Vergleichbar am ehesten mit einem Burger vs. Nobelrestaurantkategorie. Aber wir schütten den Kaffee nicht weg - wir sind in Americano! Weiter beobachten wir das Treiben in der Stadt, nicht viel los hier, könnte man schreiben. Das Treiben wäre eher als Leere mit vereinzeltem Treibengesprenkel zu bezeichnen. Aber in der Leere, in dieser Abwesenheit von Tun, kommt man gut ins Reden. Über Kaffee zum Beispiel. Später läuft eine Kinderschar an uns vorüber, für den Schulschluss scheint es zu früh. Dann fragen wir uns,
ob es auch in Amerika Schulferien gibt. Vielleicht sollte da jemand mal nachschauen. Wir machen uns auf und wandern auf eine nahe Anhöhe, West Athens ihr Name und wie wir meinen auch ein ausgezeichneter Platz für eine Stadtneugründung. Zwar liegt es nicht direkt am Fluss, aber bei nur einem Quadratmeter wäre das auch zu gefährlich. Stiege der Flussspiegel nur um Weniges an, schon läge unser Land unter Wasser. Außerdem positiv am Standort, die direkte Nähe zum Blue Swan Airport, aber nicht in der direkten Einflugschneise. Eva, die aus der Nähe von Zeltweg kommt, kann einige Lieder davon singen, was das für „Vorteile“ bedeutet. Der Blick ist fantastisch. Von der Neustadt blickt es sich direkt auf die Alte. Dann das Eintreffen in der City Hall. Die Sekretärin, eine blond Gelockte, war noch freundlich, lachte ein wenig, sah gar nicht verächtlich auf
uns hernieder. Sie war uns höhenmäßig einfach unterlegen. Der Mayor tauchte dann in einer unglaublichen Kürze auf, um uns mitzuteilen, er habe keine Zeit für unsere Angelegenheiten und es scheint ihm mehr als unmöglich, in den von uns dargelegten Worten einen Sinn zu finden. Ob es an der englischen Aussprache lag oder an unserem Vorhaben? Wer weiß. Aufgrund dieser Bauchlandung haben wir beschlossen, die zukünftig von uns beglückten Bürgermeister zuvor schriftlich mit Konzept zu kontaktieren. Dafür werden wir uns in der nächsten Stadt Zeit nehmen. Nach der offiziellen Schlappe wird erneut West Athens erklommen, um zu unserem ersten inoffiziellen Akt zu schreiten. Mit leidiger Notdurft der etwas spärlichen Mitbringsel (MERKE: wir müssen mehr Utensilien besorgen), errichten wir in einstiger Siedlermanier unsere erste Enklave und taufen sie Zweintopfingen.
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3. August 2007
Größer ist nicht gleich Besser In Amerika ist alles größer - keine Frage. Das sieht man. Die Burger, das kleine Cola fasst 0,5 Liter, jeden Stadtnamen gibt es mindestens fünf Mal, Bäuche hängen doppelt so oft über den Hosenbund und auch noch doppelt so weit in die Atmosphäre - und wenn in Amerika eine Brücke einstürzt, dann aber eine ordentliche - damit es sich gesalzen und gepfeffert hat. Während bei uns nur kleine Reichsbrücken einstürzen, tun es hier 8-spurige Autobahnbrücken. Die Zeitungen sind voll damit, Minneapolis hier, Minneapolis dort. Und gleichzeitig wagen es auch noch die Russen unter den Nordpol vorzudringen, um dort eine russische Flagge aus Titan auf den Meeresgrund zu stellen. Die schämen sich gar nicht, den zweintopfschen Praktiken zu folgen. Die armen Amerikaner: auf der einen Seite die offensiven Russen und im eigenen Land die subversiven zweintopfs. Geographisch gesehen sind wir gerade in Wellsville und schon wieder am weiterfahren. Unsere nächsten Ziele werden Toronto, Owen Sound, South Baymouth und Tomahawk sein. Haben wir die umständlichen großen Seen endlich hinter uns gebracht, wollen wir auf einen eigenen fahrbaren Untersatz umsteigen, damit streckenmäßig was weiter geht, wo doch sonst nichts geht. Vorausschickend haben wir die dort ansässigen Mayors bereits benachrichtigt (ausgenommen Toronto) 20
und sie von unserem Vorhaben in Kenntnis gesetzt. Bleibt wieder mal abzuwarten. Unseren letzten Tag hier haben wir mit einer Neugründung verbracht. TwoStew der Name. Der Island Park musste einen Meter lassen, dafür haben wir dort unsere Botschaft eingerichtet. Offizielle der Stadt waren keine anwesend. Nur ein junges „Girlie“ leistete uns Gesellschaft und fand die ganze Sache „shit“ oder „fucking“ oder beides. Dazu öffnete der Himmel feierlich seine Schleusen. Vorher noch, beim Erkunden der Stadt, müssen wir traurig feststellen, dass wir das beste Ereignis im Jahr, die Wellsville Ballonralley versäumt haben. Vom stattgefundenen Ereignis zeugten nur noch halb verfärbte Plakate an jeder zweiten Wand. Als man sich aber zu Mittag im Ponderosa Steak House von dessen ausgezeichnetem Fleisch überzeugen konnte, wurde ein Einheimischer sich nicht überflüssig uns vom großen Ereignis zu berichten. Anschließend holte er seine Digitalkamera heraus um uns alle seine 120 Bilder der Ralley zu zeigen. Viele Ballons kann ich nur sagen. Am Abend unterhält uns ein Folksinger namens Nan Hoffman, ein wirklich fähiger Mann, auch wenn ich die Hoffnung aufgegeben habe, dem Folk näher als zwei Autostunden zu kommen. Aber dem Authentischem niemals ausweichend, verbringen wir Stunde um Stunde dort, um zu beobachten. Das Balzverhalten erinnert mich an Gurk, die Schlägereien auch. Da muss man schon aufpassen, dass es nicht zu nostalgisch wird. Angeheitert geht es zurück zum Long Vue Motel, bei dem nur die Gänge lang sind. 21
5. August 2007
Die Toronto Barbie vorzeitig unser Studienobjekt, wenn auch nur für kurze Zeit, verlassen müssen. Wer weiß, lassen sie uns ein zweites Mal überhaupt noch hinein, jetzt wo sie unser Vorhaben und unsere Landgewinnungsabsichten bereits beinhart zu spüren bekommen haben. Wir werden sehen…
Waren wir in den letzten Tagen in verschlafenen Nestern mit ländlicher Scheinidylle ein wenig verschlafen unterwegs, so treibt es uns heute in den frühen Morgenstunden durch das ebenfalls verschlafene Toronto. „Durch Toronto?“, werden sich einige wenige aufgeweckte Geister nun sofort fragen. „Ja geht das denn? Mit dem Konzept und so?“ Und was werde ich darauf antworten?
Ich muss wohl oder übel sagen: „Ja, es geht!“ Derjenige welche, welcher fleißig mit dem AutoCAD unsere Route gezeichnet und über sämtliche Landkarten maßstabsgerecht darüber gelegt hat, hat bereits vor langer Zeit anscheinend einfach entschieden, dass es geht. Nein, er wurde nicht stutzig, als unsere Route bereits ganz zu Anfang die Landesgrenzen schnitt und wir nun quasi
Also dazu später. Wir sind jetzt in Toronto/Kanada, atmen frisch fröhlich freie kanadische Luft und befinden: es ist hier wie zu Hause, nur schöner, größer und weitläufiger. Also haben die Fehlplanungen ja scheinbar auch ihr Gutes… Und da wir schon einmal hier sind, wollen wir immerhin zumindest mal schauen, was die Kanadier so treiben. Wie gesagt ist heute Sonntag, und wir sitzen entgegen aller Fast- FoodRegeln ausgiebig lange beim Frühstück und studieren die lokale Zeitung. Es gibt hier so tolle Veranstaltungen mit Namen wie „Tasty Thursdays“ und „Freaky Fridays“ oder so ähnlich. Für uns kommen aber eher, weil Sonntag, die „Sunday Serenades“ in Frage – gratis Freiluftkonzerte, heute mit der „Uptownswingband“ … naja mal schauen … klingt ja eher altbacken und nicht so spannend, aber die White Stripes kommen erst am 7. und da sind wir schon wieder weg, hopefully. Ich erobere einen Zeitungsteil und interessiere mich gleich brennend für die vielen Single- Events, die von einer eigenen Agentur mit dem klingenden Namen „Meetmarketadventures“ angeboten werden. Da ich aber einzig auf „Meatmarketerfahrungen“ aus Georgien zurückgreifen kann, reizt mich das sehr. Bei uns gibt es schließlich neuerdings auch diese
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SPEED- DATING- Geschichten… Gerhard scheint eifersüchtig, oder halt grantig, weil er sich schon den Tag langweilig und allein verbringen sieht, während ich mit den knackigen Burschen, die in meiner Wunschvorstellung natürlich alle so aussehen, wie der „Mounty in Chicago“ in seiner adretten roten Uniform, den ich definitiv als einen meiner Liebingsserienlieblinge bezeichnen kann, in den Bäumen herumklettern darf (ich vergaß zu erwähnen, dass der Ausflug in die Baumwipfel geht – die Beschreibung lautet wie folgt, sehr einfach und gut nachvollziehbar: „The concept of this new sport is to travel between the trees at the top of the forest“) Als wir spontan die nette, blonde Kellnerin fragen, ob sie sich mit solchen „Veranstaltungen“ auskennt, weil wir „from Australia“ so was noch nie gehört haben, meint sie nur, man müsse sich früh anmelden, weil meist alles gleich ausverkauft wäre… Wir debatieren gleich über die Geschäftsidee, die sich doch in heimischen Gefilden sicher auch
umsetzen lassen müsse, träumen, wie wir uns eine goldene Nase samt Swimmingpool verdienen könnten usw., wissen aber nach dem vierten Kaffee immer noch nicht, wo wir eigentlich hin wollen… Ich bin für den Toronto Zoo, erstens, weil ich zwar Grizzlys sehen will, aber nicht unbedingt in freier Wildbahn, zweitens, weil er (der Zoo) riesig sein soll und drittens, weil Barbie kommt… Ja, Sie haben schon richtig gelesen, Barbie, die Puppe, allerdings in „personal appearance“ - man darf mir ihr Fotos machen, es gibt Autogramme und ein „Barbie Package“ zu gewinnen. Ich muss zugeben, ich war zwar nie wirklich zuhause in dem großen rosa Barbiehaus mit üppigem Kleiderschrank, aber die Vorstellung kleiner Barbiefans inkl. ihrer Mamies, die statt Puppe plötzlich ein lebendes Exemplar vor sich haben und dabei total ausflippen, klingt doch sehr sehenswert. Gerhard erkundigt sich gerade nach einer „personal appearance“ von Ken, aber ich frage mich, wen diese männliche Ausgabe je wirklich interessiert hat… Also, auf zu Barbie, damit auch endlich mal meine Jungmädchenträume verwirklicht werden!
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7. August 2007
Tanz mit der Vergangenheit Im Bus nach Owen Sound bringt mich der Gedanke an den CN Tower in das Jahr 1996. Es ist wieder HTL- Zeit in meinem Kopf und da war es im Lehrplan vorgesehen, die ersten drei Jahre des Unterrichtes mit handwerklichen Fächern aufzulockern, oder wie in meinem Fall, eher zu verschärfen. Hämmer waren nie meine Freunde, auch heute noch nicht. Ein blauer Daumen kommt öfters vor als ein Nagel, der zur Abwechslung mal richtig in der Wand stecken bleibt. Meist bleiben Bilder unaufgehängt und monatelang an die Wand gelehnt. Aber die HTL hatte uns nicht nur mit Hämmern in der Zimmereiwerkstätte versorgt, nein es gab ein Rotationssystem quer durch alle Werkstätten. Mein größter Feind dabei war die Minimunduswerkstätte. Jetzt muss man kein Kärntner sein, um zu wissen, dass hier bestimmt Modelle für die „kleine Welt am Wörtersee“ hergestellt werden. Der Leiter der Werkstätte, ein kleiner Kauz mit Schnapsnase, der ein
wenig wie Hubert Gorbach aussieht, den ich damals natürlich noch nicht kannte, war ein Feinspitz in Sachen Talenterkennung. So wurde ich meist für die für ihn minderwertige Arbeiten eingeteilt. Während die anderen mit Fräswerkzeug Ornamente zauberten, durfte ich den Staub wegwischen. Wenn die anderen an einem Relief über „Auer von Welsbach“ arbeiteten, durfte ich in vorgefertigte Formen aus Kautschuk (die hatten geschicktere Kollegen bereits hergestellt), Gips einfüllen, um Weihnachtssterne oder Engel zu…zu…äh…(formen war es ja keines mehr) generieren. Trottelarbeit also. Aber selbst dabei kam die Schnapsnase vorbei, um mir mit einer Spachtel und einem abgespreiztem kleinen Finger zu zeigen, dass ich den Gips falsch in die Form streiche. Es war nicht mein Jahr in dieser Werkstätte. Als aber ein Jahr später die komplizierten arbeiten am Dresdner Zwinger abgeschlossen waren und
das neue Projekt der CN Tower sein sollte, war meine Zeit gekommen. Bei so viel Betongrobheit konnte nicht viel schief gehen und so durften ein Kollege und ich (oft war man in Zweierteams gespannt) beim Betonieren helfen. Er, der auch nicht der Hellste in Sachen Handwerk war, verwickelte mich in ein wunderbares Spiel. Die Betonschalung aus Holz für den Turm war nach einer Seite hin geöffnet (da wird der Beton rein gefüllt) und darin, quasi in den Bauch des Turmes, waren Unmengen Bewehrungseisen gespannt. Um dem ganzen also noch ein wenig an Haltbarkeit hinzuzufügen begann er, Nägel in die Schalung zu schmeißen. Daraufhin schmiss ich ein paar Schrauben hinein. Wir hörten, wie sie langsam die Schalung runter flogen, dabei immer aufschlagend an bestimmten Eisen. Das Ding war doch immerhin 7m lang. Wie es so läuft, wird ein Spiel nicht einfach nach ein paar Schrauben
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Einwohner zählende Stadt, gibt uns dabei Herberge. Die Hoffnung hier mit offenen Armen empfangen zu werden (wir hatten uns mailmäßig angekündigt), war nicht eingetroffen, aber wir lassen uns nicht entmutigen. Schon wurden die nächsten Aufenthaltsorte angeschrieben. Am Morgen lese ich im Internet, dass Georgien Russland beschuldigt, in der Region Südossetien (ein Gebiet, das sich weigert, zu Georgien zu gehören) eine Bombe abgeworfen zu haben. Zu Mittag erfahren wir, dass in Owen Sound im Roxy Theatre ein „Georgian Theatre Festival“ stattfindet. Am Nachmittag kommen wir bei unserer Stadtbesichtigung am Billy Bishop Museum vorbei, der im 1. Weltkrieg ein gefeierter „flying ace“, also Bomberpilot war. Solche Ketten passieren mir in letzter Zeit öfters. Unheimlich bleibt es allemal. Trotz all der Liebe zu Museen und Theaterfestivals müssen sie dieses Jahr aber ohne uns auskommen.
beendet. Der Reihe nach ließen wir noch einen Schraubenzieher, einen Hammer und zu guter letzt einen Schraubbohrer hineingleiten.
war nach dem Betonieren zu sehen, aber noch heute steht der CN Tower in Klagenfurt mit einer Makita im Bauch da.
Eine Woche später wurde betoniert und unsere größte Sorge, das der Schraubbohrer nicht bis ganz zur Innenseite der Schalung durchdrungen war. Das würde nämlich bedeuten, dass nach dem Ausschalen ein großes „Makita“ Zeichen im Beton zu lesen gewesen wäre.
Jetzt sind wir 120 km nordwestlich von Toronto.
Wir hatten Glück, keine unserer Teile
Owen Sound, eine kleine 20.000
Den Plan endlich Kilometer machen wurde beim Anblick großen Seen verschoben und nutzen wir die Chance noch wenig in Kanada zu verweilen.
zu der so ein
Gegen Abend begeben wir uns zum Lake Huron. Friedlich schauen wir in eine romantische Gefühle erweckende, amoralische Landschaft. Wir üben uns im „Flache Steine auf der Wasseroberfläche tanzen lassen“ - tanzen in den Sonnenuntergang und gründen ganz nebenbei Neu Pörtschach. Ganz ohne Touristen und so.
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9. August 2007
Szenarien einer Reise Vom schleppenden Weiterkommen der letzten Wochen frustriert, wollen wir endlich vorwärts auf unserer Landkarte, so haben wir es uns zumindest vorgenommen und starten von Owen Sound aus, bepackt mit allen erdenklichen Habseligkeiten und mit dem Ziel Tomahawk (ja, das ist auch eine Stadt und nicht nur ein schwungfreudiges Indianerbeil), das wir noch vor Sonnenuntergang erreichen wollen und wir merken gleich: das wird nicht einfach. Besonders auch deshalb, weil ein Teil des Weges per Schiff zurückgelegt werden soll… Schiffe und Fähren sind, wie ich bisher an dieser Stelle wohl noch nicht zugegeben habe, nicht so ganz mein Metier, ehrlich gesagt, ganz und gar nicht. Die Stunden einer solchen Überfahrt werden für mich stets zur Qual… Ausprobiert habe ich ein solches Abenteuer zuletzt in Irland auf einer Fähre von Galway nach Inisheer. Gut ausgerüstet mit Reise-Anti-MirWird-Übel-Beruhigungskaugummis begebe ich mich in Tobermory auf schwankenden Boden, um konzentriert und einen Punkt fixierend vor mich hin zu starren und mich von Gerhards Anwesenheit und seinen Witzeleien ja nicht ablenken zu lassen und damit wir irgendwann hoffentlich South Baymoth erreichen… Aber es hat keinen Zweck… nach gut einer halben Stunde Fahrt gehe ich ganz unaufgefordert raschen Schrittes auf das schiffseigene Klo, dessen Lage ich schon zuvor in Abstimmung mit meiner Sitzplatzwahl ausspioniert hatte, um mich 26
dort während der restlichen Fahrt zum zweiten Mal an diesem Tag mit meinem Frühstück zu beschäftigen, wenn auch nun wesentlich eingehender, als beim ersten Mal… Ich verlasse das Klo, das mich sehr an das Innere einer Waschmaschine erinnert, weil vor dem runden Bullauge ständig Wasser wogt und schäumt, nur, um mal nachzufragen, wie lange noch… Gerhard und die Mitglieder der Crew grinsen mir ent-
gegen, sodass ich die Tür gleich wieder schließen muss und mich erneut der Kloschüssel zuwende… Endlich festen Boden unter den Füßen geht die Odyssee auch schon weiter, mit dem Bus von einem Kaff zum nächsten tuckernd. Das Busfahren scheint mir nun, ob meines völlig entleerten Magens und des geschwächten Zustandes kaum mehr was auszumachen. Ich döse vor mich hin, bis in Kaff sowieso ein
würde man sprachmäßig rein gar nichts verstehen. Mit neuem Platz in der ersten Reihe hinter dem nach Aftershave duftenden Fahrer kann ich hier nun getrost schreiben, Tomahawk, wir kommen wirklich! Noch heute!
ziemlich heruntergekommener Typ einsteigt, der leider den Sitz hinter uns gebucht hat und dessen Fußtranspiration von direkt unter meinem Sitz sich derart in der Nase festsetzt, dass ein griffbereiter Kübel wieder dringend notwendig gewesen wäre.
weil ja dann unsere Tickets verfallen. Lautstark beginne ich AUF Deutsch zu protestieren, dass ich keineswegs vorhabe, an durch fremden Schweißfuß herbeigeführter Atemnot zu sterben und das vor allem nicht qualvoll und über acht Stunden hin…
Ich habe keine Ahnung, wie lange man sich nicht waschen muss, um so zu riechen, aber, wenn ich ehrlich bin, will ichs gar nicht wissen. Ich bin also für sofortiges Aussteigen, Gerhard ist natürlich dagegen,
Also versuchen wir, uns umzusetzen, was bei reservierten Plätzen zwar einigen Tumult auslöst, aber man glaubt gar nicht, was man erreichen kann, wenn man sich dumm und uneinsichtig stellt und so tut, als
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10. August 2007
Ladies and Gentlemen, we proudly present our new founded city „New Admont“ Hier nur eine kurze Meldung, aber eine sehr euphorische immerhin, weshalb sie sofort und dringendst gepostet gehört. Tatatataaaaaaaa (Trommelwirbel und so weiter …) wir haben unsere erste, halbwegs offizielle Stadt gegründet!!! Und das ging so: also wir sind ja jetzt in Tomahawk, einem Örtchen mit ca. 3 500 Einwohnern und haben uns nach der übelriechenden Busfahrt und einigen Burgern zur Magenauffüllung gleich ins hießige Nachtleben geschmissen – heißt, wir waren im einzigen „Fortgehlokal“ und haben ein „Gute- Nacht- undGut- Einschlafen- Bier“ nach dem anderen getrunken und da kommt man natürlich leicht ins Gespräch. Ja und da haben wir so mir nichts dir nichts einen edlen Landspender kennen gelernt. Brad Riley hat hier in Tomahawk eine Farm – er und seine Frau Suzy bewirtschaften sie mit vielen Rindern und Getreide. Nach ein paar Bieren haben wir schließlich unser Anliegen herausgerückt und Brad war gleich total begeistert. So was Verrücktes habe er noch nie gehört! Und, ja da müsse er unbedingt mitmachen: Er bot uns an, doch am nächsten Tag vorbeizukommen und mit ihm die Stadtgründung vorzunehmen!!!!! Wir haben uns also heute etwas abseits in seinem Hof ein schottriges Plätzchen ausgesucht und darauf „Neu – Admont“ gegründet und gleich ein cooles neues Museum in Gehry Manier errichtet – schließlich gibt es in Admont (in 28
Real Austria) ja auch ein sehenswertes Stiftsmuseum. Suzy war ganz gerührt von soviel „Kultur“ in ihrer neuen Umgebung und hat mir verraten, dass sie, wenn sie in die nächste größere Stadt fährt, immer am liebsten durchs Kunstmuseum schlendert (natürlich ohne Brad – weil der hat mehr für Maschinen was übrig). Ja und jetzt müssen wir schleunigst los, weil Suzy uns zum feierlichen Essen eingeladen hat und da will man ja nicht unbedingt zu spät kommen… 1 m2 geschenkt von den Rileys und mittels notdürftig angefertigter „Urkunde“ auch schriftlich festgehalten ist nun in österreichischen Besitz gelangt - wir berichten in Kürze mehr… Falls ihr mal nach Tomahawk kommen solltet (45° 28’ 28’’ N, 89° 43’ 53’’ W), besucht die gastfreundschaftlichen Rileys, setzt euch mit dem Klappstuhl auf das Fleckchen Österreich und gedenkt derer, die Euch ein solches außerösterreichisches Heimatvergnügen ermöglicht haben! Lang lebe zweintopf!
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13. August 2007
Der Regenmacher Es regnet seit zwei Tagen und keine Besserung in Sicht. Dabei bleibt in der Ferne oft nicht mehr zu tun, als sich im 5m² Zimmer für 60 Dollars pro Nacht zu verkriechen. Der Regen prasselt auf ein schmutziges Dachflächenfenster, zusammen mit den erzählten Geschichten die einzige Verbindung zur Außenwelt. Wenn ich dabei die Augen schließe, kann ich mir vorstellen ich würde bei mir zuhause in Gurk liegen, bei Nacht - wenn der Sturm die schrägen Fenster zum klingen bringt. Momente in denen das Einschlafen nicht zur Qual wurde. Gemeinsam erinnern wir uns an die vergangenen Tage bei den Riley’s, das abendlich familiär zubereitete Essen, das auch sie nur monatlich genießen können. Denn die Kinder sind schon lange ausgezogen. Wie so viele andere Jugendliche dieser Gegend versuchten sie ihr Glück in der Stadt. Während der eine auf die Universität geht, versucht sich der andere in der Fastfoodbranche an der Theke. Kein Job mit vielen Zukunftschancen, wie uns die Mutter sichtlich enttäuscht erzählte. Noch bestehe aber die Hoffnung, er komme eines Tages zur Vernunft, um den Hof des Vaters zu übernehmen. Immerhin seien hier 100 ha zu bewirtschaften. Eine Fläche, die einen österreichischen Bauern zum Großgrundbesitzer mache, hier aber als kleine Landwirtschaft zu sehen sei. Der Durchschnitt, so wurden wir belehrt, liege bei 200ha pro Hof. Für die Riley’s ist es besonders 30
schwer im Wettbewerb zu überleben. Die Hoffnungen auf die Rückkehr des „verlorenen“ Sohnes, besonders aber die Rückkehr einer verlorenen Arbeitskraft, wiegen damit doppelt. Dass Gott alles richten werde, wenn die Zeit gekommen sei, wurde dabei besonders oft bekräftigt. Den Leitspruch der Nation, den hatten sich die Riley’s besonders gut gemerkt. So speiste man nicht zu
viert, nein, oft schien es, dass ein unsichtbarer Fünfter zu Gast sei. Er wurde oft befragt oder beschworen, befleht oder mit Dank überschüttet. Selbst unsere Anwesenheit wurde ihm zugeschrieben. Die Gastfreundschaft war überschwänglich, die Freude über unseren Besuch eine wahrlich Ehrliche. Auch durfte das nächste Getränk nie
14. August 2007 das Letzte sein davon gab es reichlich.
und
Der Ohrentrost
Die Mitternacht kam und schlich sich in Form von Müdigkeit in die Gastgeber. Uns ließ man nicht mehr ins Motel, sondern bat ins Gästezimmer. Dem nicht abgeneigt, verbrachten wir, nach einem Spaziergang unter klarem Sternenhimmel, die Nacht in kuscheligen Federkissen. Dass nach solchen Tagen jetzt im fünf Quadratmeterzimmer mit Blick in die Endlichkeit die Reisemelancholie an die Zimmertüre klopft, versteht sich fast von selbst. Wir machen auf und lassen sie herein. Immer im Kampf zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsangst.
Ein Trost im langen Weltbestehen ist die unaufhörliche Vermehrung von melancholischen Musikstücken, die das Verweilen erträglicher gestalten. In traurigen Momenten gestaltet es sich besonders tröstlich Musik zu hören, die noch entrückter als man selbst scheint. Trost aus dem Leid der anderen. Bei sich selbst aufräumen, das ist wohl zu viel Arbeit und oft sind auch die Regale nicht vorhanden. Die Musik ist meist der einzige Trost, der auch uns auf den zurückgelegten Kilometern begleitet. Die Suche nach Nähe, nach Freunden, die sich im baldigen Aufbruch ins nächste Kaff nicht zu verfestigen vermag, macht uns zu Ruhelosen. Die freudige Tatsache neue Menschen kennen gelernt zu haben, wird mit jedem Abschied wieder getrübt. Freundschaft ist ein langer Prozess, Bekanntschaft ein banales Filigranerlebnis. Nicht zu vermissen, niemals befriedigend und vor allem
nicht zu verhindern. So bleibt jedes Bekanntschaftsereignis eben nur ein Temporärereignis - und danach müssen wieder die Tempos herhalten. Also lieber doch bei der Musik bleiben. Ein Hoffnungsschimmer, solange die Batterien voll sind. Mit zusätzlich vierfacher Hoffnungsverlängerung wenn man Duracell geladen hat. Nachtrag Detroit Lakes: Nach dem Regen ist vor dem Regen - dazwischen siegt die Glut über das Wasser und die Welt ist am dampfen. Die Temperaturen steigen in den Himmel und die Lust etwas anderes zu tun, als unserer Entspannung zu frönen, liegt irgendwo im Kanal. Dabei gestaltet es sich besonders vorteilhaft, dass der Ort über ein paar Seen verfügt. Personen, die auf besondere Attraktionen des Ortes befragt wurden, waren besonders stolz auf zwei 31
ganze Public Beaches, die natürlich zu bezahlen waren. Dazwischen breiten sich die Privaten aus. Ganz wie in Kärnten - Detroit Lakes - die Kretins der Zukunft. Für den zweiten Höhepunkt, das Bird Festival, sei man schon zu spät dran, da werde schon für 2008 geplant. Die Frage, ob es so früh stattfinde, weil danach die Vögel nicht mehr da seien, konnte uns keiner beantworten. Nach diesen spärlichen, einheimischen Kontakten, blieb der ganze Tag zum Braten. Für mich eher ein panisches Suchen nach Schatten in dieser gerodeten Gegend. Wenige Bäume hier, dafür eine gute Sicht auf die Seen. Eva verbringt die meiste Zeit im Wasser, dem ich lieber aus der ferne lausche. Immer mit dabei, Buchstaben die sich zu Wörtern formen, die auf Papier gepresst sind, welche sich zwischen zwei Deckeln aus Pappe, laminiert mit Kunststoff, befinden - damit lässt es sich gut durch den Tag kommen. Beim Abendessen besprechen wir unsere weitere Vorgehensweise, die sich, wie so oft in ein „man werde schon sehen“ verflüchtigen. Dazwischen schmeichelt sich eine Gemüsesuppe an unseren Gaumen. In jedem Fall würde der nächste Ort Aberdeen (New Braunau ruft) sein, dieser Schritt wurde einem quasi aufgezwungen, wollten wir im weitergehen nicht umstürzen.
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17. August 2007
I love KFC Wenn ich so richtig schlecht drauf bin, muss ich leider deutschen Punkrock hören. Heute ist so ein Tag. Und würde es nicht in meinen Ohren dröhnen, würde ich wahrscheinlich die Wände hochgehen. Ich meine, es gibt sicher Schlimmeres als deutschen Punkrock. Ich höre halt dann die Ärzte, noch lieber Farin Urlaub oder so. Gerhard interpretiert die Geräuschkulisse aus den Kopfhörern bereits richtig, er lässt mich in Ruhe. In Ruhe Musikhören und aus dem Fenster starren. Ich genieße solche Fahrten, wo man mit niemandem reden muss. Reisepartner, die ständig ein gegenseitiges Unterhaltungsprogramm abspulen, halte ich daher nur bedingt bis gar nicht aus. Unser Bus fährt gegenwärtig nach Aberdeen – ich glaube kaum, dass das jemandem was sagt, aber der Vollständigkeit halber wollen wir es natürlich nicht unerwähnt lassen. Auch uns sagt das nichts, aber es liegt nun mal auf der Route und getrödelt wird später – außerdem hat es gerade günstigen Reiseabstand zum letzten Ort usw. 10:00 Abend in Aberdeen – ich denke, wir sind am Hauptplatz oder so – das einzige Motel? Irgendwo außerhalb. Wir? Rucksäcke, Taschen, usw., bepackt wie zwei Esel, machen und auf den Weg. Taxis um diese Zeit? Hier? Die Leute tun gerade so als redeten wir von Schnee im Juni. Also. Nein. „Wir brauchen unbedingt ein Auto …“, lamentiere ich. In einer großen Stadt mag man ja autolos auskom-
men, aber nicht auf dem Land. Hier fährt wirklich jeder. Führerschein, und dann sofort irgendein Auto – auch die letzte Schrottkarre ist okay. Aber erwähne ja nicht, du fährst Bus, dann bist du sofort unten durch! Mein Gejammere stößt bei Gerhard nur scheinbar auf taube Ohren, denn ich glaube insgeheim verflucht auch er seine 25 Kilo auf dem Rücken. Wir latschen auf das neonpinke Motelschild zu, das einfach nicht näher kommen will. Von Neonreklamen verstehen sie wirklich was, die Amerikaner, das muss man ihnen lassen.
Parklücken hineinkomme. Endlich das Hotel erreicht geht unser Zimmer auf die Straße raus …direkt vor dem Fenster prangt eine KFCLeuchtreklame … damit ich auch im Schlaf nicht vergessen kann, wo ich bin … wie war das doch gleich, das mit der Leuchtreklame haben sie echt drauf, die Amis …
Ich nehme mir vor, morgen die leidige Autogeschichte in die Hand zu nehmen. So schwer kann das ja nicht sein … Wir kaufen einfach was Billiges, das fährt. Am besten so einen richtig breiten Amischlitten. Einparken kann hier sowieso keiner, da fällt sicher nicht auf, dass ich mit dem Gefährt dann halt auch nicht rückwärts in irgendwelche Mini33
24. August 2007
Froschteiche und was daraus folgt wenden, wäre absolut unpassend … dürfte ich mich im Dialekt bewegen, würde ich sagen „Riesenschüssel“)
Das hast du eben davon, weil du zwischen New York und Aberdeen halt in jedem Froschteich baden musstest … Ja, Mama … äh … Gerhard … das nächste Mal werde ich sicher auf dich hören … Ich muss zugeben, ich bin die letzten Tage daniedergelegen und habe das Bett nur zu notwendigen Bedürfnissen verlassen. Habe geniest, gehustet und gefiebert soviel nur ging und kenne mich jetzt absolut aus, was an Zeichentrickfilmen und Serien hier täglich so läuft. Gerhard hat mich trotz aller Vorwürfe gegen meine Fahrlässigkeit liebevoll umsorgt, hat Unmengen an Tee, Taschentüchern und Aspirin und natürlich auch genug zu Essen in mein temporäres Krankenzimmer herangeschafft. An ein Weiterfahren oder an irgendwelche anderen Outdooraktivitäten war nicht zu denken, sodass wir das jetzt und heute nachholen, wo ich doch seit gestern fieberfrei bin, um 34
dann auf dem schnellsten Weg Aberdeen zu verlassen. Endlich. Und auf dem schnellsten Weg bedeutet ab heute nicht mehr mit dem Bus über viele Umwege durch die Gegend sondern straight genau da hin, wo wir hin wollen … denn wir sind seit ca. 5 Stunden und zwanzig Minuten stolze Besitzer eines amerikanischen Großwagens (hier das Wort Kleinwagen zu ver-
Es handelt sich um einen alten Buick, ein sehr cooles Gefährt, dunkle etwas undefinierbare Farbe, ein langer Schlitten mit so netten Details, wie einem silbernen Cowboystiefel mit Sporen, den irgendein Vorbesitzer angebracht haben mag. Wir haben eine Probefahrt gemacht und dann eigentlich ohne Zögern zugeschlagen, denn mit Auto wollen wir nun endlich um einiges schneller unterwegs sein. Der Kofferraum ist schon voll gepackt, die Rückbank mit allerlei Zeug bedeckt … Nach der langen Zeit des Lebens in Rucksäcken und Taschen ist es schön zumindest einen kleinen Platz zu haben, wo man sein Zeug ausbreiten kann, ohne es zwei Tage später wieder einpacken zu müssen. Und irgendwie freue ich mich schon auf weite lange Autofahrten, wo das einzige Highlight des Tages das Tanken irgendwo im Niemandsland ist und das einzige Ziel: VORANKOMMEN…
26. August 2007
Iranische Schweinekinder im Kopf derzeitiger geographischer Status: Jackson Nachtrag Aberdeen Aberdeen, Aberdeen immer wieder Aberdeen… Es mag nicht vergehen, ein Kaff wehrt sich gegen das nächste und die einzige Waffe uns länger in den Fängen zu behalten wurde gebraucht - Eva ist krank. Liegt danieder, wo vier Wände einen grauenhaften Raum aufspannen. Rosarot kotzt es von den Seiten. Einzig eine Rose in der Wasserflasche macht die Umgebung lebend - gekauft von einer alten Frau, die fünf Dollar dafür wollte. Während die Eva einsam im Bett liegt, laufe ich im Niemandsland herum. Sitze im Cafe und trinke einen Apfelsaft und lausche den Buchstaben. Amerika steckt wieder mal in der Krise, steht in der Zeitung und ich denke mir, „Fuck the News“ - gibt es den Schlimmeres als jeden Tag etwas Neues zu erfahren.
Lieber sollte man die Banalität kultivieren. Und in diesem Moment wünsche ich mich nach Hause. Dem Apfelsaft folgt ein Cafe Americano und ein unfreiwilliger Gesprächspartner. Ich bin es zwar gewohnt, mir das Leid Betrunkener am Abend anzuhören, aber am Tag, das ist neu. Die Gurker Schule hat mich gelehrt, aber dem Amerikanischen immer noch nicht mächtig, setzt mich die delierende Nuschelei vor ein Problem. Aber ein „Yes“ auf den Lippen ist schon die halbe Miete - und so lässt mich das Holzfällerhemd nach Hasstiraden gegen die Regierung Bush in Ruhe. Die Nacht treibt mich in einen unruhigen Schlaf. Neben mir die grippige Eva, in mir ein wütendes Unterbewusstsein. … wir befinden uns auf einem Bauernhof, daneben ein Gasthaus mit Asyl suchenden Familien. Man freundet sich an (im Heimatdorf Evas existierte bis vor Kurzen genau
jene beschriebene Szenearie). Eine der iranischen Frauen erwartet, wie sie uns in einem vertrauensvollen Moment erzählte, ein uneheliches Kind. Nach dem Geständnis verschwimmt alles ein wenig im Nebel... das Kind ein Problem….niemand darf es wissen…Panik…Angst… Wir versuchen zu helfen. Nach der Geburt, bei der ich und Eva zusehen, verstecken wir das Neugeborene in einem Schwein, welches das Baby am nächsten Tag erneut auf die Welt bringt - und wir sind dann Eltern, von einem iranischen Schweinekind - aber glücklich ... … Aufwachen, Eva die neben mir hustet. Amerika ist wieder da, ohne Kind - dafür mit kranker Eva. Zwei Tage später. Ein Morgen, eine sich zeigende Sonne und ein Lächeln im gegenüberliegenden Bett. Die Krankheit zog ihren Hut, ließ uns wieder allein. Danach ein Frühstück, das uns an unsere Aufgaben zu erinnern versucht. Am Nachmittag lassen wir uns fußläufig in die Peripherie entführen. Sitzen ein wenig zwischen den Feldern, die hier alle kreisförmig sind und von rotierenden Armen bewässert werden. Das macht sie zwar nicht besser, aber von oben sieht es aus wie ein frischer Paul Klee in rund. Würden wir in einem 5fach vergrößerten Österreich sitzen, das sich in den USA befindet, wäre unser Arsch gerade in Braunau. Und so beim Sitzen, kommen ein paar Einheimische vorbei mit denen es zum Gespräch kommt. Wir er35
klären wieder mal unser Vorhaben. Die Notwendigkeit, New Braunau zu gründen wurde dabei unterstrichen und derweil sich hinten über den runden Klee-Feldern, die Sonne senkt, erfahren auch die Amerikaner etwas Neues – Hitler war ein Österreicher. So half man uns bei der Gründung eines antifaschistischen New Braunau, was die Zukunft bringt, muss
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dort ohne uns entschieden werden, aber wirkliches Verständnis blieb aus, kategorisch antifaschistisch präsentierte man sich übertrieben nationalistisch – das gleiche Übel in ähnlicher Konfektion. Einen Schlaf später, erfülle ich einen dringenden Wunsch Evas, wir besorgen uns ein Auto…und noch wichtiger wir sind schon viel weiter, aber mein schreiben hinkt hinten nach…
30. August 2007
Angstbeißer Ich habe Angst. Am meisten vor dem Tod und seinen Gefährten. Also Krieg, über eine Straße ohne Schutzzone gehen (aber auch über eine Straße mit Schutzzone gehen), vor Einbrechern (vor allem vor jenen, die mit der geringen Ausbeute in meiner Wohnung unzufrieden sind) - also eigentlich immer. Aber die Angst treibt einen über die Straße, lässt einen nicht in der Mitte stehen bleiben. Todesangst ist also Lebensbejahung. Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich mir nicht vorgestellt habe zu sterben, oder eben mir das Gegenteil bekräftigt habe. Nach Jahren mit dieser morbiden Auseinandersetzung habe ich aber noch immer keine Lösung gefunden. Nur die Vorstellung, die Welt sei einer Erfindung von mir, bringt manchmaliges Aufatmen, was ja gleichzeitig ein vollkommener Blödsinn ist - ich würde mir das schließlich alles nicht ausdenken.
Aber bei der Ankunft hatte der Abend schon seine ersten Kunden losgeschickt - Und dass die Nacht uns nichts zu lachen bringen würde, war nicht nur eine Vorahnung.
Aber ich wusste nicht, dass keiner da sein würde, um sie zu bekämpfen. In dieser Nacht wurde ich wieder drei - und hatte zwei Erinnerungen, beide mit Schmerz bepackt.
Jung und noch eher unerfahren zu sein, hat den Vorteil noch nicht auf reichliche Erfahrung zurückgreifen zu müssen. Bevor uns die Riesenspinnen in Alliance überfielen, wusste ich von meiner Arachnophobie.
Früher noch, bevor die Spinne kam, waren meine Eltern in ihr neu gebautes Haus am Kredithügel in Gurk gezogen. Mit Krediten kannte ich mich nicht aus, aber Hügel, das war meine Welt.
Schönheiten sind die Hotels hier wirklich nicht, dafür haben viele große Schilder. Meist größer als das Zimmer. Alliance macht da in der Liste keine Ausnahme. Diesmal beglückt uns das Days Inn (Kategorie Four Sunnbursts???) für 2 Nächte. Der Name des Hotels klang wie eine Empfehlung zur Tagesnutzung. 37
gab es keine Vorwarnungen, zumindest das Personal hüllte sich in Laken des Schweigens. Und wir musste unsere selber aufziehen. In der ersten Euphorie des bevorstehenden Schlafes ist man auf einem Auge blind. Erst wenn Ruhe einkehrt nach dem Hochlegen der Füße, wenn das Herumschweifen der Augen beginnt, sich dort an einem Riss, da an einem Fleck stößt, bemerkt man wieder mal, dass man das Zimmer vielleicht allzu voreilig als Ok eingestuft hatte. Wenn sich die Flecken beginnen dreidimensional auszuformen und haarige Beine bekommen, ist die Panik nicht mehr weit. Das war auch die Zeit, als im Urtlfeld das Gras noch nicht gesprossen war, es mich aber am Plastiktraktor sitzend, durch die Berberritzen trieb. Immer schön den Brettern zu, die das Anwachsen des Grases am Hügel erleichtern sollten, die sich langsam rollend und schmerzhaft näherten. Zum Schluss blieb man meistens mit Gesicht nach oben am Kanaldeckel von Urtlfeld 18 liegen. Später wurden mir die Berberitzen wieder zum Feind, als sie sich im männlichen (bübischen) Zweikampf neuerlich in meinen Rücken bohrten. Aber zwischen den körperlichen Schmerzen kam der Tonebühel, ein weiterer Hügel, der anfangs mein Verlangen zu Insekten stillte. Mit Liebe zum Entdeckertum ließ ich auch eine Spinne an mein Fleisch, die aber meine guten Absichten ausnutzte und gleich ordentlich zubiss. Diese Erfahrung beherrscht die Erinnerung, der psychischen Schmerz begann sich im Dreijährigen auszubreiten. In den Jahren darauf folgten immer 38
mehr Spinnen in dem neu gebauten Haus. Die Begegnungen wurden öfter und schmerzlicher. Wo in Gurk meine Mutter einschritt um die Situation zu klären, oder zumindest ein Leitz-Ordner um die Ecke lag, um das Vieh endgültig zu beruhigen – besser gesagt darunter zu begraben, blieb in Alliance nur die peinliche Angst zweier erwachsener Menschen. Am Tag des Einzugs in Days Inn,
Zitternd versuchen wir Gegenstände in Erwägung zu ziehen, um den Biestern habhaft zu werden. Wir schlagen auf sie (meist Eva), aber sie wollen nicht vergehen. Sie beginnen zu laufen - ich glaube, die haben auch Todesangst. Der Marathon beginnt. Die halbe Nacht jagen wir wachsam im Zimmer herum, um danach Schweiß gebadet, unter den Laken Platz zu nehmen.
1. September 2007 Der Schlaf überkommt uns, fast am Ende der Nacht wacht Eva auf, dabei fuchtelnd nach einer vermeintlich neuen Spinne zeigend. Wieder stehen wir bei Licht dämlich im Raum herum. können diesmal aber nichts finden.
Worlds largest whatever … ne zu besichtigen, die irgendwo am Straßenrand steht.
Auf die Beschwerde hin wurde uns ein neues Zimmer versprochen wohl mit neuen Spinnen drin. Um den Tag nicht im Spinnenzimmer zu verbringen, begeben wir uns nach Carhendge - der international bekannten künstlerischen Installation in Alliance. Die nächste Nacht kam viel zu schnell, mit ihr der erhöhte Blutdruck. Diesmal blieben die Flecken nur Flecken. Joghurt. Sperma. Blut Next Stopp: Jackson, wo wir uns schon am 25. aufhielten.
Jackson in Wyoming mit seinen ganz und gar 8 000 Einwohnern besitzt den angeblich „Worlds largest Ball of Barbed Wire“ Wow Wenn sich jetzt einige sofort zum nächsten Englischwörterbuch durchklicken, um bei ihren miesen Sprachkenntnissen nicht auch noch ertappt zu werden, dann muss ich zugeben, dass es mir ähnlich ging. Mich, als mit allen Wassern gewaschenen Hollywoodfilmjunkie erinnerte das aber natürlich sofort an den Film „Michael“ indem John Travolta als verfressener, sexsüchtiger Erzengel Michael mit ein paar kaputten Existenzen quer durch Amerika fährt um, ich weiß nicht mehr was zu tun und, jetzt kommt der wichtige Part des Films, dabei am Rücksitz des Autos mit einer Art „Reiseführer“ auf dem Schoß immer wieder durchsetzt, dass stehen geblieben wird, um zum Beispiel die weltgrößte Bratpfan-
Ja und was soll ich sagen, diesen „Reiseführer“ im Guiness- Buchder- Rekorde- Style gibt es wirklich. Er nennt sich „Worlds largest Roadside Atrractions“ und führt einen überall hin. In der Kategorie „Balls of Stuff“, zu der natürlich auch unser „Ball of Barded Wire“ gehört, gibt es außerdem noch einen „Ball of Paint“, was ja jetzt wohl jeder versteht oder eben auch nicht. Befinden tut er sich in Alexandria/Indiana und es handelt sich schlichtweg um einen Baseball, der bis dato so oft mit Farbe überstrichen wurde, dass er heute 2,300 Pfund schwer und um 20.270 Schichten farbreicher ist. Das Ehepaar, das diesen Ball wahrscheinlich stündlich betreut, wird sehr treffend mit „That’s exactly what my wife and I have done for the past 31 years“ zitiert. Man beachte: 31 years! Solange muss man erst mal verheiratet sein… und dann noch die Ballpinselei… Und da sage noch einer, die Amerikaner tun in ihrer Freizeit nichts als Fernsehen. Weiters in der „Balls of Stuff“Kategorie, eine der besten, finde ich, weil Sinnlosesten – ich meine, wie soll man das überhaupt übersetzen? Weltgrößte Bälle aus irgendwas??? – Einer von ihnen ist der „World Largest Ball of Twine“, um Euch nicht vollends zu verwirren (was für ein Wortspiel), das ist der Welt größtes Garnknäuel… Hier behaupten überhaupt gleich drei Knäuel in unterschiedlichen Staaten jeweils der Größte zu sein!
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Außerdem hat Dresden/Ohio den weltgrößten Einkaufskorb und die ganze Stadt scheint sich damit zu identifizieren. Um auf John Travolta zurückzukommen: „Worlds Largest Frying Pan“ steht in Long Beach/ Washington.
Es handelt sich bei allen diesen Absurditäten, wie sollte es auch anders sein, um Lebenswerke einzelner Menschen, die dann ihrer Stadt so ein einmaliges Sight hinterlassen, das sie von allen anderen Städten unterscheidet. Man beachte: es gibt mindestens acht Orte mit Namen Jackson in den USA, aber nur eines hat den weltgrößten „Ball of Barbed Wire“, das ist doch was. Auch gibt es noch „Worlds largest Shoe“, der ein Haus ist, aber
kein Schuhhaus (Hallam/ Pennsylvania) und, um bei den Bällen zu bleiben, „Worlds Largest Ball of Stamps“. Wie auch immer. Auch die Kana-dier machen mit und haben in Mani-toba „Worlds Largest Smoking Pipe“ aufgestellt. www.hatnboots.org (= Überdimensionaler Hut und Stiefel) hat sogar eine eigene Homepage und wird, man höre und staune, gerade restauriert. Ja so was macht man hier auch und nicht nur in Old Europe.
Unsere deutschen Nachbarn können immerhin mit „Worlds Largest Bycyle“ in Kolpin, sowie dem größten Gartenschlauch (Freidburg in Breisgau) oder der größten Spitzhacke (Kassel) aufwarten, England hat logischerweise mit 55 Tonnen den weltgrößten „Cookie“ und in Paris steht das weltgrößte Schweizermesser - was es dort macht, ist mir schleierhaft… Alles in allem das passende Sightseeingprogramm für den oberflächlich Durchreisenden, günstig, weil meist direkt an der Straße und ideal für Leute, die gern Fotos von sich vor allen möglichen Dingen machen… Dieser größenwahnsinnige Mist hat jetzt meinen gesamten Artikel verbraucht, aber da wir ja gerade selbst in so einem größenwahnsinnigen Projekt drinstecken – ich meine, wenn ich die Wahl hätte, entweder mein Leben lang einen Knäuel Garn aufzuwickeln oder monatelang eine vergrößerte Grenze auf einem anderen Kontinent mit Bus und Auto nachzufahren, würde ich mich zwar wieder für die Reise entscheiden, vielleicht, weil ich nicht soviel Platz in meinem Wohnzimmer habe, oder weil die Reise kürzer ist, als das ganze Leben mit Garnwickeln. Was von beidem jetzt aber Sinnvoller ist, kann man nicht sagen, was dämlicher auch nicht. Schnapsidee. Dabei wollte ich in dieser Ausgabe von „Eva und Gerhard und die große weite Welt“ soviel von diesem
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Ort erzählen, der mich totally beeindruckt hat. Direkt vor den Toren des Yellowstone Nationalparks, bei dessen Erwähnung nicht umsonst wieder Großartigkeit und Erhabenheit mitschwingen. So schön, so weit, so natur. Und für uns so wenig Zeit. Ich durfte keine Tour into the High Countrys machen, kein Fishing, kein Hiking, kein Rafting, kein Birdwatching oder Horseriding. Nur eine Übernachtung und ein Breakfast. Aber sollte ich mir je eine Pferderanch leisten können – ich meine so eine richtige und nicht bloß fünf Hektar, dann wäre dies MY MOST FAVOURITE PLACE, um bei den Superlativen zu bleiben … Übrigens: ein „Ball of Barbed Wire“ ist der Alptraum eines jeden praktizierenden Rinderfarmers - ein riesiges Knäuel Stacheldraht, dass man nie wieder entwirren kann. Zweites übrigens: gleich in der Nähe haben wir den WORLDS SMALLEST Flughafen gegründet: Fliegerhorst Horst. Und das ganz ohne Stacheldraht….
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3. September 2007
Der 1000 km Tag - Teil 01
Ich bilde mir ein, es würde noch dämmern, als am „Tag der 1000km“, Eva aus dem Bett hüpft, mir einen Kuss auf die Wange drückt und meint, sie wolle noch für unsere Wegzehrung sorgen. Ein paar Geräusche später sinke ich wieder in den Dämmerschlaf. In diesem Zwischenraum denke ich an den auf dem Nachkästchen liegenden Sloterdijk. Ich denke: Ziehen wir auch einen metaphorischen Weltinnenraum des Kapitals. Wir haben mittlerweile schon viel Geld ausgegeben und noch keines verdient. Die Mauer hat immer zwei Seiten, sonst hat sie keinen Sinn. Sloterdijk meint, dass nach dem Aufheben der Apartheid der Rassimus diffiziler wurde. Nicht mehr reine leicht fassbare Äußerlichkeiten sind mehr Kriterien, sondern schwerer fassbare Zustände ökonomisch - kultureller Ausformung. Hoffentlich bringt die Eva keinen Käse aus der Tube mit. „Der Kosmopolitismus kann man sagen, ist der Provinzialismus der 42
Verwöhnten“. Ich fordere keine interdisziplinären Arbeitsgruppen - ich fordere interdisziplinäre Köpfe. Ein Bohrhammer ist ganz schön laut, wenn er so für sich alleine hämmert. Die wenigsten sind Denker - die meisten nur Nach-Denker. Ich auch, ich auch, ich auch… Ein weiterer Kuss lässt mich endgültig auf nur einer Seite der Wirklichkeit landen. Ob es die Bessere ist? Beim Anblick Evas weiß ich es. Ich stehe auf. Seit wir den Buick haben, ist die morgendliche Arbeit geschrumpft. Wir wissen, es ist unvernünftig Teile des Gepäcks im Auto zu lassen, aber ich finde es genauso unvernünftig jeden Tag das Gepäck auf ein Zimmer zu schleppen. Das Praktische siegt über die reine Vernunft. Autofahren ist nicht unser Ding. Ich habe das Problem, dass es mir keinen Spaß macht und ertappe mich immer wieder beim Gedankenkreisen lassen. Es kann schon passieren, dass ich Minuten später nicht mehr weiß, was die letzten Minuten fahrmäßig passiert ist. Wie die Geier kreisen
die Gedanken über mir. Hoffen auf mich als Aas. Was ich im Bett zu Hause nicht schaffe, funktioniert im Auto hervorragend, nach wenigen Minuten könnte ich schlafen. Das Autofahren wird zum Kampf. Ein Dreieck spannt sich auf: Schlafen, Gedankensurfen, Verhinderung eines Unfalls. Es wird nicht langweilig und ich habe Gesellschaft. Während eine ansprechende Landschaft vorbeirast, reden wir über noch nicht erfüllte Erwartungen. Sicher, wir haben ein paar Orte gegründet, aber immer ohne offizielle Unterstützung. Also entgegen unseren Wünschen. Wir haben kein Wohnmobil. Hatten nie Zeit etwas Neues zu Entwickeln - und zeitmäßig wird es nicht besser. Heute ist bestimmt nicht unser letzter 1000km Tag. Eine Reise bedeutet jeden Tag auf der Jagd zu sein. Essen und Schlafen rauben einem die Zeit. Dazwischen ist Fahren. Romantisch werden die Gedanken immer erst im Nach-
5. September 2007 hinein. Alle paar hundert km wechseln wir uns ab.
Der 1000 km Tag - Teil 02
Zuerst über die Grenze nach Idaho. Dann beginnt alles zu fallen. Idaho Falls. American Falls. Twin Falls. Bei Twin Falls gönnen wir uns eine Pause. Jause aus Evas mit gebrachten Schätzen und eine Markierung, die die Kreuzung der österreichschen Grenze mit dem US Highway 39 zeigt. Nach sieben Stunden „cruisen“, erreichen wir Boise, Hauptstadt Idahos, die wir vom Umfahrungsring aus bewundern und die uns zwei Tage später wieder einholen wird … Die Möwen kreisen schon über uns, als wir am 3. das erste Mal auf unserer Reise den Strand zum Meer betreten. Seit meinen jugendlichen Enttäuschungen über das Meer, war ich schon unzählige Mal wieder an Orten des salzigen Wassers, aber die Wunden konnten nicht mehr geheilt werden. Zypern, damals gerade so zwischen Kind und Geschlechtsreife
war ich dort – auf der Insel meines Vaters, der damals als Blauhelm die Griechen vor den Türken oder umgekehrt beschützt hat und sich später zusammen mit Arnulf Prasch auf den Weg machte, um ihnen mit österreichischer Volksmusik endlich richtige Kultur beizubringen. Damals war es Winter und ich wurde ein zweites Mal vom Meer im Stich gelassen. Nach den Träumen eines Siebenjährigen, der von seinen Eltern mit nach Kroatien genommen wird - und mit geschlossenen Augen schon Palmen und Sand sieht - um sich danach mit bloßen Füßen auf Felsen die Sohlen aufzureißen und sich nicht ins Meer zu trauen, weil dort so viele Pflanzen und Tiere herumschwimmen, kam dieses Mal die Kälte und der raue Wind den Weg entlang. Es war Dezember. Zweimal wurde mir das Meer genommen, und seitdem mag ich es nur noch um des Sehens willen oder 43
um es zu hören. Manchmal wate ich noch in den Wogen dahin, um meine Fußabdrücke zu hinterlassen und ihnen nach der zweiten oder dritten Welle beim Verschwinden zuzusehen. Die ersten entspannten Stunden seit Tagen bringen mich zurück auf unsere Fahrt durch Idaho/ Oregon. Bevor das getrunkene Wasser uns vor einer dubiosen Tankstelle zum Stehenbleiben zwingt, beglücken wir ein weiteres Falls (Valley) mit unserer Markierung. Mit einem W auf der Straße bringt man sich dem Traum eines überdimensionalen, Amerikawürdigen Zweintopfschriftzuges näher. Zuerst mussten die Schlüssel im einem kleinen verdreckten Verschlag, von einem großem verschwitzten Typ im dunkelblauen Willamette University Salem Shirt geholt werden, um danach in einen noch dreckigeren Winkel geschickt zu werden. Wir konnten das WC nur hintereinander benutzen und als Eva dran war, verschwand auch der Typ. Ich dachte mir nichts dabei, nur wie später Eva bestätigte, hatte die schleimige Gestalt nichts Besseres zu tun, als über ein kleines Loch ins Klo zu starren. Als sie lauthals protestierte, fuhr er auf und kam wieder zu mir zurück. Wortlos übergaben wir ihm den Schlüssel und, dem Ekel möglichst schnell fliehend, rasten wir davon. Die nächsten Stopps der selben Art versuchen wir in seriöseren stillen Örtchen zu verbringen. Am Strand besorgen wir uns eine Zeitung und da fällt uns eine Schlagzeile über eine Sexaffäre am Klo ins Gesicht. Darin verwickelt der jetzt ehemalige Senator von Idaho, mit Sitz in Boise. (Boise, die Zweite). Dieser moralapostolische Republikaner hatte nichts Besseres zu tun 44
als sich in so genannten Cruising Zones (in homosexuellen Insiderkreisen „ausgewiesene“ Flächen für den schnellen Verkehr) herumzutreiben. Als er aber am 11. Juni auf einer Flughafenherrentoilette einem verdeckten Ermittler auf dem Leim ging (der fand die Signale aus der Nachbartoilette nicht besonders erotisch), musste er politische Federn lassen. Klar, dass es einer Partei, die für ihre homophobe Haltung bekannt ist, nicht gut in den Plan passt, wen die eigenen Senatoren außerehelichen Vergnügungen frönen. (und wenn es doch vorkommt, sollte man sich wenigstens nicht dabei erwischen lassen). Heute gab er „in front of his family“ den Rücktritt bekannt. David Letterman meinte dazu
nur: “Einige Republikaner fordern Senator Larry Craig auf, schleunigst zurückzutreten. Und zwei von ihnen wollen seine Telefonnummer haben“. Mit einem erschreckten Lächeln im Gesicht, widme ich mich meiner mitgebrachten Lektüre. „Mond über Manhatten“, von Paul Auster. Nach den ersten 30 Seiten der Lektüre stirbt der letzte Verwandte der Hauptfigur Marco Fogg. In Boise (Boise, die Dritte). Ich glaube wir wissen nun alles über diese Stadt. Sie lässt sich gut umfahren, eignet sich besonders, um die politische Laufbahn zu beenden und auch dem Sterben verschließt sie sich keineswegs.
9. September 2007
Roadside Attraction Jetzt bin ja ich auf dieser Reise und damit auch in diesem BLOG die Spezialistin für alles jene, was sich am Straßenrand abspielt, gemeint ist also nicht direkt auf der Straße, aber doch zur Straße gehörig und eben nicht so weit weg von der Straße, dass es ein Umweg wäre. Naja, wie eben eine Tankstelle, die halt auch besser an der Hauptstraße zu situieren ist, als 20 km landeinwärts. Entschuldigung, ich meinte natürlich Meilen. Aber wo führt das hin. Es führt dahin, dass ich nicht weit entfernt von einer weiteren Roadside- Attraction, die ich unbedingt sehen musste, selbst zu einer solchen wurde. Aber dazu später. Zuerst der Reihe nach. Unsere vorgenommene Reiseroute für die nächsten 12 Stunden: Gold Beach/Oregon to Middlegate/Nevada, mehr als 900 km. Reine Fahrtzeit ca. 9-10 Stunden. Was wir die letzten beiden Tage in Gold Beach getrieben haben? Das wofür es sich am besten eignet und das ist laut örtlichem Tourismusprospekt: „Gold Beach is probably one of the best places in the world to do nothing like walking along a sandy beach just clearing your head“ und besonders Letzteres hatten wir für die zweite Strecke, denn ab jetzt geht’s geographisch gesehen ja wieder zurück, dringend nötig. Aber dazu ein andermal mehr. Jetzt zu Middlegate/Nevada. Denn die Fahrt selbst hat trotz ihrer Länge kaum Probleme gebracht. Hin und wieder tanken, Sprit und Coffee, durch die menschenleere Gegend entlang der Straße starren. Lesen und gegenseitig vorlesen. Radiohören.
Und dann zu Middlegate, vorläufiges Ziel unserer Fahrt. Wir suchen uns ein Motel, um mal auszuruhen. Aber es ist noch hell und man will ja noch etwas erleben, schließlich ist man in der Fremde immer doppelt neugierig. Und so fahren wir noch für einen kurzen Abstecher aus der Stadt hinaus, zum „Shoe Tree“, der berühmten Roadside Attraction von Middlegate, wie man uns erzählt hat. Ein „Shoe Tree“ ist ganz simpel ein Baum, auf den Schuhe geworfen werden, damit sie sich in seinem Geäst verfangen und den einfachen Baum damit zu einem vielbeachteten und besuchten „Shoe Tree“ aufsteigen lassen – es gibt wie immer mehrere solcher Trees in den USA. Dieser unser Shoe Tree hat sehr viele Schuhe abbekommen und ist noch nicht daran erstickt. Neben Schuhen hat er immer noch grüne Blätter. Was die Schuhe im Baum für einen Sinn haben, weiß keiner. Eine
„spezifische“ Webside mit Schwerpunkt Straßenrand meint dazu: “The roadside phenomenon of “Shoe Trees“ appears to be on the rise.” Scheint so als hätten die Menschen zu viele Schuhe, würde ich sagen. Angeblich entstand die hiesige Turnschuh- Collage im Megaformat sogar aufgrund einer Legende: Ein frisch verheiratetes Paar hat angeblich unter diesem Tree gecampt (sehr romantisch) und sich dabei gleich so zerstritten, dass die Braut davonlaufen wollte (für mich sehr nachvollziehbar, wenn sich der Bräutigam nicht einmal für die Hochzeitsnacht ein Hotelzimmer leisten will). Er aber war das, was man hierzulande einen gerissenen Hund nennt, denn er hat ihre Schuhe einfach auf den Baum geworfen und die Flucht damit zu einer wesentlich beschwerlicheren Angelegenheit gemacht (wahrscheinlich gab es damals nur Schotterstraßen..). Wie in einer wirklich guten Geschichte versöhnen sich die beiden natürlich, weil er sich nach einem ausgiebigen Barbesuch 45
14. September 2007 volltrunken und reuig zeigt und es wird auch gleich Nachwuchs produziert, dessen erstes Paar Schuhe, wie könnte es anderes sein, auch gleich am Baum landet. Wem die restlichen 10.000 Paar gehören ist leider nicht überliefert. Falls sie also dringend ihren Schuhkasten entrümpeln wollen, werfen sie die Schuhe einfach auf den Baum vor ihrem Haus und schon haben sie eine Roadside Attraktion. Andere Schuhe werden folgen. Ein Tipp am Rande: Besonders wirksam wird der Aufruf, es ihnen gleich zu tun, wenn sie erzählen, dass man sich nach dem Schuhwurf etwas wünschen darf. Das wirkt immer … Münze in Brunnen, Schuhe auf Baum, Stofffetzen auf Strauch, alles ist möglich … Seien sie kreativ Achja, und warum ich zur Roadside- Attraction wurde: ganz einfach – ganz tragisch: unserem treuen Buick namens Fred (der Name stammt natürlich von mir) haben die 1000 km am Stück nicht so gut bekommen (ich habe ja immer gesagt wir hätten mehr trainieren müssen…), er hat sich während der Rückfahrt vom „Shoe Tree“ einfach verabschiedet und wir sind an den Straßenrand gerollt. Nach unzähligen erfolglosen Neustartversuchen blieb mir dann nichts anderes übrig, als on the Roadside den Daumen zu zücken und uns eine Mitfahrgelegenheit zu organisieren. Was erstaunlich einfach ist, vorausgesetzt natürlich, man ist weiblichen Geschlechts. Hier bekommt das Wort Roadside Attraction eine ganz neue Bedeutung, aber darüber will ich gar nicht näher nachdenken. Erstmal mussten wir schließlich zurück in die Stadt. Und Fred? Fred mussten wir zurücklassen, um einen Abschleppdienst für ihn zu besorgen. 46
Amanda
Erste Neuigkeit gleich vorweg: wir haben ein neues Gefährt und sind schon wieder auf Achse! Zweite, eher unlogische Neuigkeit: wir sind eigentlich schon weiter als wir sind. Heißt: während ich jetzt über Delta in Utah schreibe, sind wir eigentlich schon weitergefahren. Heißt also weiter: wir sind weiter, hinken also mit dem Schreiben hinterher. So ist das also.
Und wen es wundert, dass Fotos fehlen: Gemeinsam mit unserem lieben Fred hat uns auch ein äußerst wichtiges Kamera-Computer-Verbindungskabel verlassen, für das ich allerdings keinen Namen hatte. Vielleicht war es deswegen nicht so gut auf uns zu sprechen… Wo war ich? Ich war in Utah und Utah ist da, wo die Mormonen schön wohnen und die Österreicher im Winter
immer die Schirennen verlieren (Salt Lake City). Und die Mormonen wohnen übrigens wirklich schön und Mormonen heißt ürbigens eigentlich „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, hier mitten im Bible Belt der USA (erinnert sich noch jeder an den Geographieunterricht: Corn Belt, Bible Belt…) Übrigens. Hier heißt es Gürtel enger schnallen: Besagte Menschen, die sich besagter Religion zugehörig fühlen, trinken nämlich weder Kaffee noch Alkohol, Rauchen ist nicht und auch sonst scheinen sie sehr sehr arbeitsam. Bekehren wollte man uns auf unserer Durchreise glücklicherweise nicht und Kaffee war zu bekommen, was das stundenlang im Auto sitzen erst möglich gemacht hat.
ten und hohen Sitzen, auf denen man gewissermaßen über der Landstraße thront vorne. Unsere Amanda ist bereits etwas älter, aber wir haben uns trotz des Altersunterschiedes (ein Menschenjahr sind ja sieben Wohnmobiljahre) angefreundet und immerhin ist auch noch von Mercedes. I feel sorry for you Fred, we had a great time together, but now I LOVE AMANDA. Amanda’s last stopp: Delta, Utah
Und so winken wir dem Bible Belt in unserer Windeseile mehr von hinter der Windschutzscheibe zu, als mit den „Dortigen“ in Berührung zu kommen und nehmen uns vor, genauer über die Mormonen nachzulesen und unsere wenigen Beobachtungen, die allesamt von diversen Raststationen und Diners stammen, später mit der Theorie zu vergleichen. Mehr sozialer Kontakt ist momentan anscheinend nicht möglich, die langen Tage des Fahrens haben uns zu Ruhelosen gemacht. Und Utah kommt uns entgegen – viel weites Land und wenige Menschen. Worüber ich hier und heute noch viel lieber schreiben möchte, ist Amanda, benannt weder nach Amanda Klachl noch nach der intrigantisch blonden Amanda in Melrose Place, sondern einfach so. Amanda ist groß und geräumig mit Schlafplatz und Platz für Zeugs hin47
18. September 2007
mit den Ohren sehen Wolken und Berge - wurde dieses Spiel bald zu einer verbalen Meisterschaft. Die Welt dringt in uns durch die Augen, aber um sie für den anderen fassbar zu machen, müssen wir sie beschreiben. Gleichzeitig wird uns klar, wie schnell unüberlegte Worte zu Missinterpretationen führen.
Wir sagten dem Lenz ade, um uns wieder in unsere Welt zu begeben die Transistorische. Wenn man seine meiste Zeit bewegend zubringt und das auf wenigen Quadratmetern (der Nachfolger des defekten Buick brachte mehr), beginnt man eine eigene Welt zu bauen, mit eigenen Ritualien, eigenen Codices. Vor Tagen haben wir während des Fahrens mit einem Spiel begonnen zu dem uns Paul Auster inspirierte. Der Beifahrer schließt dabei seine Augen und lässt sich vom Fahrer Gesehenes erzählen. Was sich anfangs simpel und einfach anhört, verwandelt sich schon bald in ein Gewaltspiel der Worte. Zuerst kamen die Definitionen ziemlich banal durch den Raum geflogen. (Ich sehe einen Baum). Als aber das Gegenüber zu fragen begann - was für eine Baum-art, welche Farben siehst du, beschreibe den Asphalt, ändert er sich, welche Formen besitzen die 48
Einmal versuchen wir mit blumiger Sprache, ja fast poetisch dem Gegenüber die Welt zu erklären, danach wieder mit mathematischer Genauigkeit. Einmal vergleicht man Wolken mit Formen, dann wieder mit Eigenschaften. So vergehen die Stunden zwischen unseren kurzen Stopps fast unmerklich. Mit immer größerer Begierigkeit wird die nächste Kurve herbeigesehnt, und wer die Straßen hier kennt weiß, es kann sich oft um ein langes Sehnen handeln, um dem Gegenüber mit neuen Beschreibungen eine Welt zu zaubern. Sieben, acht Stunden am Tag im Auto sind keine Seltenheit. Neben dem Spielen ergibt sich eine andere Möglichkeit - das Lesen. Während die Eva lenkt ergebe ich mich dem Sachbuch „Macht Glaube Politik, Religion und Politik in Europa und Amerika“ (Tobias Mörschel Hg.), in einigen oft stark divergierenden Aufsätzen werden Positionen aufgezeigt, die meinem Verständnis nach doch ein paar gute Ansätze bilden. Grund genug für uns ausgiebig darüber zu diskutieren, vor allem darüber, warum die Amerikaner so religiös sind: Ein Grund der erhöhten Religiosität in Amerika könnte angeblich die fehlende Sozialversicherung sein. Eine einfache Formel legt dar, wer versichert ist, braucht nicht mehr darauf
Hoffen, dass sein leibliches Wohl nur aus dem Gebet resultiert. Umgekehrt würde bedeuten, Säkularisierung komme aus dem Zurückdrängen sozialer Not. Ganz unrecht mag der Gedanke nicht sein, aber alle Punkte von Nichtreligiosität ist er nicht fähig zu erklären Eine zusätzliche Komponente der Diskrepanz zwischen Europa und Amerika wird mit dem erhöhten Angebot religiöser Gemeinschaften erklärt. Wo das Angebot vermehrt auftritt, dort steigert sich ebenfalls der Konkurrenzdruck. Um seine Schäfchen in diesem Überangebot zu halten, müsste die Leistung der Kirche gesteigert werden, was dadurch die Kundschaft erhöht. Religionszugehörigkeit im Sinne von Markenzugehörigkeit. Ein ziemlich profanes Phänomen. Aber auch diese Tatsache kann nicht im europäischen Kontext angewandt werden. In Deutschland konkurrieren immerhin zwei große Weltreligionen miteinander und von ansteigenden Mitgliederzahlen kann hier nicht die Rede sein - auch die neuen Bundesländer bilden da keine Ausnahme. Eine der eindeutigsten Erklärungen versucht die Frage mit der Einwanderung zu verbinden. Jeder, der in ein Land einwandert, wird zuerst Anschluss an eine schon vorhandene, nämlich die ihm am ehesten zuordenbare Gruppe suchen. In Amerika als einem traditionellen Einwanderungsland (melting pot) waren diese Anschlussgruppen religiöser Natur. Dort wurde gemeinsam gefeiert, politisiert, einfach Gesellschaft gelebt. Diese Beobachtung kann sicher auch auf europä-
ische Einwanderer umgelegt werden. Warum aber trotzdem immer mehr Europäer von der Religion abfallen wird folgendermaßen erklärt: Die Europäer wurden im 20.Jahrhundert von einer dogmatisch- religiös geprägten Politik in die nächste gedrängt. Heute hat man genug vom Absolutismus und schwört der Religion ab. Was aber ist mit den Jungen, die nicht unter Faschisten oder Kommunisten leiden mussten? Kann das eine Erklärung sein? Hat sich die Religiosität im Sinne der katholischen Kirche, nicht einfach in Ersatzreligionen aufgelöst. Frönen wir nicht lieber doch dem Diesseitsparadies, als dass wir auf später warten (wo doch die Lage so unsi-
cher ist). In dem Fall müsste man sagen, ist Selbstmord nicht viel unsicherer als das Leben selbst. Wir hören auf zu diskutieren und beschreiben wieder die Dinge, die uns umgeben, und so im durchfahren malen wir das zwEintopf auf die Straße.
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20. September 2007
Linsenstoppel mit USB Anschluss Als der Buick starb ging auch ein Teil von uns verloren, damit meine ich vor allem das USB Kabel und meine Toilettetasche. In der Eile des Abschleppdienstes blieben diese Dinge einfach in Fred liegen. Nicht das es ein Problem wäre in Amerika diese Dinge wiederzubekommen, mit Geld lässt sich schließlich alles regeln. Dies aber, bringt mich in meiner Erinnerung zurück auf meine Maturareise und nach Kreta. Nach einer Woche dem Clubleben abgeneigt, jeden Tag Trinken bis zum Umfallen, dann aufstehen und wieder das Gleiche von vorne, fanden einige Leute schon ziemlich fad - wir waren, glaube ich, zu fünft. Darauf beschloss man, sich mit Motorrädern zu versorgen, in meinem Fall war es nach einem kleinen Missgeschick bei der Ausleihe nur ein Moped. Wer konnte denn wissen, dass eine unter Vollgas gestartete Maschine sich und seinen Fahrer gleich in das gegenüberliegende Auto parken würde. Schließlich hatte man vorher nur acht Fahrstunden absolviert. Angesichts des Missgeschicks bezweifelte der Verleiher die Gültigkeit des Führerscheines und war nur noch bereit, besagtes Moped zur Verfügung zu stellen. Bevor es aber zu diesem Unfall kam, konnte ich den Linsenstoppel nicht mehr finden. So ein kleines verfluchtes Plastikding, das Unmengen kostet und meine einzige Möglichkeit darstellt, mich von plagenden (aber auch Schärfe) spendenden Kontaktlinsen zu trennen. Vielleicht nahm ihn die Putzfrau mit, 50
nachdem wir sie vier Tage nicht in unser Zimmer gelassen hatten. Sieht mit gesunden Augen ja aus, wie ein Stück Müll. Aber egal, er war nicht mehr da und die Mopeds eine gute Gelegenheit, um in der Stadt einen Neuen zu besorgen. Nur statt einen Neuen zu bekommen, versuchten ungefähr zwanzig Optiker mir beizubringen, die Dinger ohne Stoppel, also mit den Händen, aus den Augen zu
klopfen. Ohne Erfolg. Die ersten zwei Tage waren noch halbwegs erträglich. Nach dem Aufstehen sah ich zwar Stunden verschwommen und meine Augenlieder schabten auf dem Apfel, aber nach Stunden der Qual siegten die Tränen über den Schmerz. Tag drei und vier waren da schon ein wenig anstrengender. Zum Reiben und verschwommenen Sehen kam auch noch übertriebenen Empfindlichkeit gegen das Licht. Da auch
21. September 2007 noch der Helm ziemlich zerkratzt war, wurde die Fahrt mehr eine Reise durch das Schattenreich. Die Umrisse waren oft bloß nur noch monochrome Flächen. Im Nachhinein, bleibt nur der Unglaube diese Reise überlebt zu haben. Zurückgekommen im Hotel kam der Reisebegleiter, der sich meinem Problem annahm und zum Glück eine Frau hatte, die gleich „Schaßaugat“ durch die Welt wandelt und einen kleinen Linsenstoppelvorrat auf der Insel angelegt hatte - denn verkauft wurden sie tatsächlich nirgends. Aber was sag ich, Amerika ist nicht Kreta und im nächsten Kaff hatten wir beides wieder. USB Kabel und Linsenstoppel. Glücklich über die Aussicht nach einer „Linsen aus den Augen Nacht“, gründen wir Rush Hour City.
Ich seh etwas was du nicht siehst ... Amanda macht Vieles leichter und alles schöner. Wir haben uns ihren Bauch gemütlich mit Matratzen eingerichtet. Um jedes billige Motel können wir jetzt einen weiten Bogen machen. Dann suchen wir uns einen einsamen Platz im Irgendwo und haben unsere Ruhe – vor stöhnenden, schnarchenden oder was auch immer Zimmernachbarn, krabbeligen Mitbewohnern, die das Motel seit Jahren zu ihrem Hauptwohnsitz gemacht haben und nicht zuletzt vor der Schmuddeligkeit, die dem ganzen Ambiente meist anhaftet. Das alles tauschten wir mit Amanda gegen lauschige Schlafplätze mit Grillengezirpe oder Vogelgezwitscher, live Sonnenaufgänge, als wäre das Schauspiel nur für uns und das mit dem Luxus einer Tasse dampfenden Kaffees in Händen (Ich glaube, ich habe noch nicht erwähnt, dass Amanda eine Kaffeemaschine besitzt, die gute) Auch wenn es banal klingt, aber so fängt der Tag viel angenehmer an. So eben, wie man sich die Freiheit des
„On the Road“-Seins vorstellt. Na jedenfalls hat uns unsere gute Amanda bis Bloomfield gebracht und das liegt bereits in New Mexico. Landschaftlich ist hier alles eher wüstlich bis ganz trocken mit wenig grün, viel braun-in-braun in allen Schattierungen und noch mehr rot (je nach Sonnenstand). Eignet sich vorzüglich für das Spiel: „Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist braun.“, worauf dann meist die Frage kommt: „Wie braun? Milchkaffeebraun, sandbraun, dunkelbraun, olivbraun, sonnenverbranntbraun, braunwieunserküchentisch?“ Kiefernholzdasgeradeimofenliegtbraun. Das Spiel eignet sich perfekt für das Endlose Weite, das da, durchzogen einzig von der dunklen Straße, meist vor uns liegt. Trotz des die ganze Zeit im Auto Sitzens haben die Sommersprossen Stirn und Oberlippe zu bevölkern begonnen. Braun gefleckt. Und übrigens: Ich bin ganz enttäuscht, dass ich für diese Gegend gar keine Roadside-Atrractions ausmachen konnte und war dermaßen frustriert, vor allem auch weil dann die kulturpolitische Bildung dieses Trips meiner Meinung nach so was von abdriftet ... Auch die kulturelle Ausrichtung dieser kolumnenhaften Äuße-
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23. September 2007 rung geht damit eher ins Banale flöten.Also muss Abhilfe geschaffen werden. Gerhard hat mir versprochen, dass wir in der nächsten Stadt damit beginnen werden, selbst irgendwelche „Attractions“ zu schaffen. Juhu! Es lebe der Aktionismus! Bis dahin sich dem WüstenkaffKleinstadtcharme hingebend, sitze ich im lokalen Starbucks- „Pseudo-Kaffeehaus“ und studiere sämtliche, beinahe kulturlosen Regionalboulevardblätter, bis sogar mein braves Schulenglisch genug hat von der seichten Unterhaltung und so widme ich mich wieder Paul Auster. Ein Herr übrigens, der sich hervorragend eignet, um einen durch Amerika zu begleiten. Nebenbei halte ich nach Amanda Ausschau, die mit Gerhard zum Tanken und Lebensmittel-Aufstocken gefahren ist. Wir wollen nämlich noch gemeinsam an unserer Roadside-Perfomance tüfteln …
Right from the “Sound of Music“-Land Wir sind unterwegs erstens nach Clairemont/Texas und zweitens zur Verwirklichung unserer ersten österreichischen „Roadside Attraction“. Als ich mich im Internet über den Ort schlaumachen will, ist das erste, was ich finde fast bezeichnend: Das Clairemont Jail, also ein altes Gefängnis, heute Ruine, um die sich viele Mythen ranken. Ja, was verbindet man mit Texas? George W. Bush. Und mit Bush? Todesstrafe und Gefängnisse. Also eh logisch. Zuvor haben wir noch eine Nacht in Santa Rosa, „Jewel of New Mexico“ verbracht uns aber tags darauf gleich fürs Weiterfahren entschieden, da wir uns sportlicherseits ohnehin wenig bis gar nicht für fishing, surfing, boating und scupa diving interessieren. Wir machen hier schließlich keinen Wassersport-Urlaub Marke Neusiedlersee. Also nichts wie weiter.
Clairemont in Texas zeichnet sich nicht nur durch seine klischeeerfüllenden Bauwerke, sondern vielmehr durch sein … Da im Internetcafe von Santa Rosa so absolut viel los war, habe ich meine Recherchen und Erledigungen auf ein Minimum reduziert: heißt also: neuen Text posten, emails checken und eben kurz den nächsten Ort abrufen – mal schauen, was einen erwartet. Hätte ich mich länger damit auseinandergesetzt, wäre ich bestimmt draufgekommen… so war es eine Überraschung! Vor allem auch weil wir für dieses Gebiet keinen genauen Reiseführer mithatten…Wir sind aber bewusst Richtung Clairemont gefahren und nicht ins nahe Beaumont, denn dort hätte unsere Aktion möglicherweise mächtige Konkurrenz gehabt vom ortsansässigen „Worlds Largest Fire Hydrant“, der dort zwar schon seit Jahren herumsteht, sich aber sicherlich größerer Beliebtheit erfreut und mehr Besucherzahlen bringt, als bei uns jedes zweite Museum. Außerdem haben sie noch einen really large „Muffler-Man“. Was das ist, da kommt man sowieso nie drauf, wenn man ihn nicht vor sich sieht, den guten alten „Muffler-Man“: nämlich einfach ein Typ, der einen Auspuff in Händen hält, der ihm eben diesen Namen gibt. Wahnsinnig spektakulär also, aber die Amerikaner sind ein so kunstsinniges Volk und verlieren dabei nie den Sinn fürs Wesentliche. Wie eben den Auspuff, denke ich. Aber genug mit Beaumont. Unser gegenwärtiger Aufenthaltsort ist wie gesagt Clairemont. Clairemont war auf unserer Amerika-Straßenkarte eingezeichnet und aus dem
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Grund haben wir es, mit einer überschlagsmäßig berechneten Distanz von Santa Rosa aus eben zu unserem nächsten Ziel und Stützpunkt erklärt. Und zum Ort der Verwirklichung der ersten Roadside-Attraction. Wir waren so was von ahnungslos … Clairemont ist nämlich eine ghost town ... Das heißt auf Deutsch gesagt: Just houses, no people. Sehr seltsam. Alles wurde hier verlassen … kurzzeitig überlegen wir, unsere Aktion abzublasen, bzw. vielleicht eine österreichische Kolonie zu errichten, immerhin sind hier Häuser, die niemand mehr will, aber dann installieren wir doch vor einer ehemaligen Autowerkstatt und dazugehörigem, verrosteten alten Auto unseren ersten zweintopf ’schen Souvenirladen der anderen Art. Dazu schlüpfe ich in ein altes Dirndl, Marke wie zu Haus, Gerhard rüstet sich mit Karohemd und Filzwanderhut aus. Und schon schauen wir aus, als hätten wie die Nacht feuchtfröhlich durchgemacht und kämen direkt vom Bauernbundball in Graz.
In diesem Aufzug wollen wir heute posieren. Wie versprochen, direkt „On the Roadside“ and especially for the American people. Alpenkitsch zum Angreifen eben. Die Försterliesl lässt grüßen, auch mitten im vegetationsarmen Steinwüstengebiet, oder wie auch immer man das geologisch bezeichnen darf. Unser erster Souvenirshop und das einzige Souvenir sind wir. Der Titel der Aktion könnte gut auch: „Zwei „Alpinos“ unterwegs in der Geisterstadt“ lauten. Immerhin haben wir uns sogar einen eigenen Wegweiser gebastelt, der auf der Straße bereits auf uns hinweist. „View tradional Austrian people – right from the Sound of MusicLand“ Wie unser Auftritt angekommen ist, folgt im nächsten Bericht. Wir haben jedenfalls gleich entschieden, in der Ghosttown noch nicht so schnell das Weite zu suchen, sondern hier unbedingt noch etwas auf die Beine zu stellen. Vielleicht spielen wir Ghostbusters?
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26. September 2007
I lost my last shirt, am I now free as a bird? Dort wo das nichts alles wird kommt der Überblick. Menschen gibt es keine, dafür haben wir uns Tage zuvor ausreichend einer gaffenden Masse ausgesetzt. Der Giftshop, der nichts enthielt außer uns war beliebter, als ein Playboy im Rekrutenzimmer. Da kann sich das Künstlerhaus hinten anstellen, die mit ihren 3 Besuchern pro Tag.Hier im ewigen Sand sind wir also nicht in der Kulturwüste gelandet. Aber jetzt ist genug, an Menschen, an Gafferei, an Kulturbotschafterei jetzt haben wir unseren eigenen Staat gegründet: Zweintopf Territory. Die letzten Tage verbringen wir im und um das Gefängnis von Clairemont. Liegen Stunden auf dem Dach, lassen uns die Birne braten und reden danach nur noch Blödsinn. Ich bin ja kein Birnenbrater, aber einmal im Leben sollte es ausprobiert werden – dort oben im braunen Ausguckposten gegen die staubbraune Umgebung. Jede Reise hat seinen unbestrittenen Höhepunkt, während wir uns bis jetzt einig waren, er wäre noch nicht eingetreten, so waren wir uns nun sicher. Zur richtigen Zeit eigentlich. Wäre er zu früh gekommen, wie vielleicht bei unserer Bulgarienreise, wo wir ihn schon nach dem Dritten Tag in Melnik begrüßten und der anschließende Weg, oft nur eine Sehnsuchtsbekundung nach dem stillen Bergdörfchen in den Rhodopen war, waren wir nun überzeugt 54
diesen Höhepunkt genau zur einzig richtigen Zeit geschenkt bekommen zu haben. Die nun seit über zwei Monaten dauernde, oft nicht befriedigende Reise neigte sich dem Ende hin und so blieben uns noch ein paar Tage der Reflexion. Die größte Freiheit sozusagen, dort oben auf dem Gefängnis von Clairemont. Nie noch war uns ein so unendlich weiter und roter Horizont beschieden gewesen. Dort wo die Natur unendlich wird, dort kamen wir ein Stück in uns hinein. Diese Weite erst, macht einen so klein - nicht wie die Enge der Stadt die Lust auf Größe kultiviert, ja einem einredet Größe besitzen zu müssen - nein so klein, dass es erst möglich wird sich selbst zu fassen.
In diesen Tagen verlassen wir unseren Horst nur einmal, um Lebensmittel einzukaufen. Ein paar Kilometer entfernt, dort wo sich das Rötliche ein wenig ins Gelblich zu verfärben beginnt, dort schallt die Ballerei. Ist ja kaum seinen Augen zu Trauen, was die einem da auf die Linse zaubern – stehen da doch wirklich unzählige Jugendliche in der Gegend rum und ballern auf Ziele und Dosen in der landschaftlichen Ferne – gerade so, als ob sie einen ordentlichen Knall hätten. Das sei normal hier in Amerika, bot uns ein Mädchen zur Beruhigung an, schließlich sei es nach der Schule ziemlich fad hier und in der Schule auch nicht besser. Der akustischen Umweltzerstörung einladender Weise beizuwohnen, wissen wir zum Glück wortkarg abzuwehren. Im nächsten Ort kaufen wir eine Zeitung, in der uns die ziemlich reißerische Überschrift entgegen
1. Oktober 2007 springt (aber nur grafisch mag sie uns beeindrucken, denn an richtige Schlagzeilen ist man in einem Kronen Zeitung- Land schließlich gewöhnt). „The Devil himself in New York“, darunter ein Bild mit dem lachenden iranischen Präsidenten.
Dumm ist der, der Dummes tut Sechs Stunden trennen uns nun von unserem Traum. Die Fahrt bringt die Baumasse und auch den Menschen wieder zurück und eine halbe Stunde bevor wir in die Provinzhauptstadt Station College einfahren, brechen die Einfamilienhaussiedlungen über uns herein.
Auf die Aussage: „Im Iran leben die freiesten Menschen der Welt“ müssen wir schon ein wenig schmunzeln – „So ein Unwissender“, meint Eva – die freiesten Menschen leben wohl in Zweintopf Territory. Ich lege mich mit Thomas Bernhard und „Auslöschung“ vor das Gefängnis und denke mir, wie wohl er über all das richten würde. Eine Natur wie keine Zweite, und so an dieser Natur desinteressierte Menschen. Nicht nur nicht interessierte Menschen sondern dieser wunderbaren Natur absolut niederträchtig gegenüber Eingestellte. Und wie sie diese Natur hassen, so versuchen sie sich zu lieben, wo doch eigentlich nur Hass angebracht wäre und dieser Natur doch so viel mehr Liebe entgegengebracht werden müsste. Wohl so irgendwie.
Die Freiheitsbekundung von Millionen Menschen, die ihren Horizont auf 1000 m² einschränkt haben und glauben dort glücklich leben zu können.
Nachdem, die Tage, die nur uns galten, vorüber sind, machen wir uns wassergetränkten Auges auf, um den Rest der Reise hinter uns zu bringen. Der Traum vom eigenen Staat ist vorübergehend ausgeträumt schließlich gehen nicht Viele freiwillig ins Exil.
Wenn wir jetzt durch Texas fahren, würde das in Österreich einer Strecke durch Kärnten gleichen - und da sich rechts und rechtens gerne paaren, muss ich bei der Durchquerung oft an meine Verwandten (nicht meine Eltern, sondern deren Anverwandten) in Kärnten denken, die mir bei jedem Besuch den Alltagsrassismus jedes Mal mit neuer gekonnter Alltäglichkeit servieren. Dummheit wird dort schnell mit Ausländern gleich gesetzt - wo doch dort die meiste Dummheit herrscht. Mit der Überheblichkeit und Überzeugung nie endender Intelligenz, die meist bei den Allerdümmsten im Paar auftreten, wollen sie meine linken Überzeugungen vernichten. Vor drei Monaten, als mein letzter Besuch in Kärnten währte, wurde einer Cousine, die „ausländische“ Euromünzen sammelt, zuerst durch die Kellnerin des Lokales (hier gebe es keine Ausländer, also auch keine derartige Münzen) und dann beim Versuch andere Menschen in der Umgebung zu befragen, von ihrem Freund mit den Worten „Stinkt es hier etwa bei jemandem aus der Taschen nach Knoblauch? zur 55
Einstellung dieses Unternehmens gebracht. Oft stehe ich bei diesen Aussagen hilflos daneben und habe ein Böll’sches Zähneziehen (die Irischen Tagebücher) mit den Jahren schon aufgegeben. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, aber zum fünften Mal mit den gleichen Personen über die gleichen Thematiken zu streiten und beim nächsten Mal wieder bei Null zu beginnen, dafür war mir mit der Zeit, meine zu Schade. Stolz verkündete man mir beim letzten Besuch, von der Fertigstellung des Wörtherseestadions in Klagenfurt (des hot der Haida gebaut) - natürlich erwidere ich, „nachdem seine Regierung nicht mal imstande war, das Projekt ordentlich auszuschreiben.“ Was folgt ist: „Jetzt kumt da Koralmtunnel, den hot der Haider gebracht.“ Komisch, denke ich mir, in der Steiermark war es der Voves. Ein Loch hat immer zwei Seiten. Da Haider hot Kärnten reich gmocht mit dem Verkauf der Hypo. War auch dringend nötig, um den bisherigen Schuldenberg ein wenig einzudämmen. Egal über den Haider kummt nix drüber und die Freistaatserklärung wird überall begrüßt. Aber wie sagt man in Kärnten so schön: „Wer zbled is, den muas ma ja° ausnutzen.“ Selbst die Texaner werden sich über den Haider freuen, schließlich haben wir seinem Besuch bei Saddam Hussein eine Postkarte gewidmet und werden sie in den nächsten Tagen hier verteilen.
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3. Oktober 2007
Vor dem Ort beiden und gemeinsam heben wir eine Kiste Lego und einen Sack voller Plastikmilitärfiguren (die gibts die immer noch, damit hatte auch ich meine Jugend militarisiert) aus einem Meer von Plastik- und Plüschgrausamkeiten.
Zwei Tage lang streifen wir durch College Station und sehen nur Einfamilienhäuser, sechzigtausend Einwohner verteilt auf dreißigtausend Häuser. Eine gestaltete Langweiligkeit reiht sich neben die nächste. Ich habe mir den Arsch der Welt schrecklich vorgestellt, hier scheint man wohl schon drin gelandet zu sein.
Der Orangensaftstand bringt mich dabei gedanklich in meine frühen Kinderjahre zurück, als wir selbst, mein Cousin meine Schwester und ich ganz geschäftstüchtig versuchten Saft an die Mitbürgerschaft zu bringen. Dem Kapitalismus nicht abgeneigt lernten wir bald seine negativen Seiten, den unerhörten Konkurrenzdruck und den andauernden Wettbewerb zu spüren. Meist standen wir tagelang im Freien ohne auch nur ein verdammtes Glas zu verkaufen, meist nur unterbrochen vom eigenen „aufs Klo rennen“, weil vor lauter Langeweile schon wieder ein Krug Saft ausgetrunken wurde. Aber eines Tages leuchtete auch
uns das Glück den Weg, der Nachbar wechselte sein Dach aus und die Bauarbeiter, sowieso eher Männer der durstigeren Sorte, kamen oft mitleidsvoll zu uns, um zusätzlich zu ihrem Bier auch noch einen Saft zu trinken. Nach einem Monat schon hatten wir die Getränkebereitstellung satt und wechselten die Branche, bauten einen Garten an, um das Gemüse zu verkaufen. – aber wie sollte es anders kommen, auch dies blieb ein erfolgloses Unterfangen. Diesen Kindern sollte diese Erfahrung erspart bleiben und wir kaufen ihnen Saft und das andere Zeugs ab. Gestern kam dann die Überraschung, denn die gekauften Soldaten werden uns gleich einen guten Dienst erweisen, immerhin wird unser nächstes Ziel Pensacola sein. Ich dachte ja immer das sei nur eine dämliche amerikanische Sendung zur Verherrlichung der eigenen Schlagkraft. Aber nein, es
Einzig wunderbare Begegnung waren zwei Kinder, Bub und Mädchen, die vor einem der weißen Häuschen, auf 2 cm gemähten englischen Rasen ein paar weiße Tische ausgebreitet hatten, um ihre Spielsachen feil zu bieten. Daneben hatte noch ein Nachbarsjunge einen Orangensaftstand. Traurig geben wir zu Protokoll: Am 1.Oktober, 14h mittags hatten wir den urbansten Moment in dieser „Stadt“. Eva, ganz flohmarkterfahren, durchforstet die kindlichen Schätze der 57
ist ein wirklicher Ort zur Verherrlichung ihrer militärischen Schlagkraft.
nur rich people – also (im deutschen Sinne) alles good people.“
Einen ganzen Tag Fahrt bringen wenig Abwechslung. Wir haben erfahren, dass wir am 23.Oktober einen Vortrag im Forum Stadtpark halten sollten, „worüber eigentlich?“, denken wir uns. Aber es kommt uns gelegen, da unser Flug zurück am zwanzigsten stattfindet.
Na dann.
So zum Ende hin fehlt uns langsam die Motivation zum Vorwärtskommen, obwohl die noch zurückzulegende Strecke nicht so unwesentlich ist. Was auf der Karte wie ein Katzensprung, ja sogar nur wie ein Mäuseschritt aussieht, ist meist stundenlanges Sitzen in Amanda. Die freiwilligen Nomaden wünschen sich wieder ein Haus aus festem Stein, eines das nicht gleich auf ein Auto gepackt werden kann, um damit durch die halbe Welt zu fahren. Echte Flexibilität und Freiheit besteht nur, wenn die Dinge zu mir kommen. Ich scheiße auf meine. Heute Morgen haben wir dann die „zweintopf military base“ gegründet. Sie wissen ja was heutzutage alles für ein Gesindel dort draußen so herumläuft und das noch direkt vor der eigenen Haustüre, wo man doch solange gespart hat, bis man sich eine leisten konnte. So läufts bei uns jedenfalls nicht. Schmunzelnd muss ich dabei an eine Geburtstagsfeier bei Evas Onkel denken, bei der geladenen Gäste aus Australien uns zu ihnen einladen wollten und dies mit den Worten (mit englischen Akzent), „wir leben auf eine kleinen Halbinsel vor Sydney und dort leben alles 58
8. Oktober 2007
Keine Dorfkapelle in Sparta Einmal pro Reise reißt es ja jeden nieder, körperlich gesehen und so wie das kommen musste, lag dann ich darnieder, zwei Tage mit Schmerzen von oben bis unten. Sprich mit Kopfweh, hinten und vorne und Gliederschmerzen an allen Seiten. Schuld war wohl der raue Atlantikwind, der stahlgeschwängert von den Kriegschiffen dort drüben vor der Bucht von Pensacola auf uns rüber wehte. Jetzt musste die Eva dran glauben und mir Tee ans Bett reichen, den ich wild schlürfend in Gesundungshoffnung in mich spülte. Zwei Tage später, also vorgestern war es mir dann wieder erlaubt, das Bettliche zu verlassen, damit wir uns auf die Weiterreise vorbereiten konnten. Nie die Hoffnung aufgebend, hat die Eva, wie auch schon die restliche Zeit unserer Reise, die Bürgermeister der von uns demnächst besuchten Orte immer mit einer Mail vorgewarnt und sie über unsere Zielen aufgeklärt (von wegen Eroberung und so..) Mittlerweile ignoranzerprobt, bedarf es bei uns schon einer positiven Nachricht, um Erschütterung auszulösen.
Bei so echter Freude suchten die Schmerzen das Weite und wir unser Gepäck zusammen, um Pensacola ein absolutistisches Ade unsererseits zu gönnen. Weg vom Gegenwartskrieg führte uns die Fahrt durch Evergreen, Greenville, Peachtree Ciy, Forrestpark und Greensboro nach Sparta, das ja auch kein Lercherl in Sachen Kriegen war. Aber heute kommt zweinopf in Frieden und um Frieden zu bringen. Schon bei der Ankunft wurden wir aufmerksam begrüßt, der Mayor hatte extra seinen Sekretär geschickt, der sich entschuldigte nicht gleich mit der Dorfkapelle gekommen zu sein. Das sahen wir dann weniger als Problem, freuten uns aber sehr über die Einladung im dörflichen Hotel auf Kosten der Stadt zu übernachten. Da es aber hier kein Hotel gab, wurden wir in ein ländlich anmutendes B&B verfrachtet, was aber nicht ungelegener als ein grausliches Citymotel kam und so wurde seit Wochen nicht ganz ungelegen wieder einmal
außerhalb Amandas genächtigt. Gestern war es dann so weit. Der Bürgermeister nahm uns in Empfang, sang uns ein Lied über Kleinstädte, zu wenig Kultur, Abwanderung etc. – wir meinten, das kenne man ja, überall das gleiche Problem – auch bei uns. Aber das Klagelied war nicht sein einziges Geschenk. Nicht ganz uninteressiert an der Kunst, schließlich durfte er sich auch mal daran versuchen und schaffte es sogar auf ein Gastjahr an die Wiener Angewandte, um dort unter Attersee ein paar Striche zu führen, zeigte uns gleich den für uns vorgesehenen Platz für die Zeremonie der Landnahme. Für ihn sei es nun vorbei mit der Kunst, die Bilder ließen sich nicht verkaufen (für das Land zu modern und für die Stadt zu wenig avantgardistisch, wie er meinte) und so versuchte er lieber sein Geschick in der Politik. Nicht ganz unerfolgreich, wie er stolz betonte – und mehr Geld sei schließlich auch dabei rausgekommen. Eine nicht zu unter-
So trudelte doch glatt vor drei Tagen eine Nachricht aus Sparta (Georgia, USA) bei uns ein, dessen Mayor wirklich Verständnis für unser Anliegen hat und sich ein Treffen wünscht, um Verhandlungen aufzunehmen. Gibt es Schöneres als Gesundungstee (Kräuter unbekannt) und die Aussicht auf legale Landnahme. 59
1. Oktober 2007 schätzende Tatsache, wenn zu Hause die Frau mit zwei Kindern auf das Essen wartet. Am Nachmittag beginnt die Zeremonie, zu der ganze 4 Leute aufgetaucht sind. Ich denke mir, nicht schlecht, in Graz wären es bestimmt weniger gewesen. Wir schütteln dem Mayor (sein Name ist übrigen John T. White) die Hand, lassen uns von der Regionalpresse fotografieren, schütteln weiter ein paar weitere Hände und vorbei ist der offizielle Spuck. Zum Höhepunkt zeigt man uns die bisher (nun wird es wohl „zweintopf territory“ werden) beliebteste Attraktion hier, die Ogeechee River Mill. Der Nachmittag wird ordentlich begossen, wenn auch nur mit dem Bürgermeister und seiner Frau. Wir denken, zum Glück hat er nicht weiter gemacht mit seiner Kunst, denn sonst hätte seine Frau vielleicht wirklich nicht all die Köstlichkeiten zubereiten können, mit denen wir schließlich bewirtet wurden. Dann der Abschied, der zwar nicht nostalgisch ablief, aber dafür mit der Dankbarkeit sich gegenseitig geholfen zu haben. Der Bürgermeister bekommt die Presse und wir haben einen Vertrag über ein Stück Land. Jetzt reißt es uns schon wieder weiter auf unserer Reise, der 20. ist nicht mehr weit und es warten doch noch 850 Meilen auf uns.
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Grundsatzfragen auf Amerikanisch Lieber Britney Spears oder Christina Aguilera?” Wenn ich schon unbedingt wählen muss, dann natürlich Christina – sind wir uns ehrlich – Britney hat sich ihr Popprinzessinnenimage ja selbst ruiniert … Wie ich jetzt darauf komme? Ganz einfach, das ist eine amerikanische Grundsatzfrage … Das ist so ähnlich wie „Republikaner oder Demokraten“ oder eben wie „Coca Cola oder Pepsi“… jene Einstellung, die auf den ersten Blick alles über einen aussagt oder so ähnlich … Und solchen kulturtechnischen Eigenheiten gilt es nachzugehen, was der einfache Grund ist, warum wir ausgerechnet hier Station machen (behaupte ich zumindest). Wir sind in New Bern und New Bern wurde, wie der Name eindeutig verrät, natürlich von den Schweizern gegründet, welche sich in ihrer Namensgebung ähnlich unkreativ
erweisen, wie zweintopf (was jetzt aber nicht heißt, dass wir irgendwie was mit der Schweiz an Hut hätten) bzw. ähnlich nationalistisch wären … Aber egal. New Bern hat weit wichtigere Wurzeln aufzuweisen, als feiste Berner Sennenhunde, nämlich die von Pepsi und Pepsi ist ein, wenn nicht das amerikanische Statussymbol (um den ewigen Konkurrenten Coca Cola mal für einen Moment auszublenden) Hier in New Bern hat nämlich ein findiger Apotheker einen Trank kredenzt, dessen Wirkung sowohl delicious als auch healthful in aiding digestion and boosting energy (ob es sich da wohl um das gleiche Rezept handelt, wie beim heutigen, laut unseren Eltern äußerst „schädlichen“, zuckertriefenden Gebräu?). Der Name des Apothekers ist Caleb Bradham und sein Getränk nannte er zuerst ganz simpel „Brad’s Drink“, was aber wohl auf lange Sicht
und angeblich aus echtem SterlingSilber. Gerhard hat sich furchtbar aufgeregt über diese Geldverschwendung, war aber sofort ruhig, als ich ihm den Kauf einer Pepsi-Boxershort angedroht habe. So ein eitler Pinkel – ich meine für unten drunter…
marketingtechnisch zu wenig hergab. Er schenkte alles noch selbstpersönlich aus und hatte in seiner obercoolen Apotheke auch eine Jukebox stehen, sodass man dort angeblich so richtig socialisen konnte. Als er vom persönlichen Cola-Servieren berühmt genug geworden war, eröffnete er seine erste kleine Getränkefabrik im Keller seiner Apotheke. (Anmerkung in eigener Sache: Die wirklich guten Projekte beginnen alle im Keller – später, wenn man die Millionen scheffelt, liegt man dann am Pool vor der Villa bzw. um den heutigen Idealen gerecht zu werden am Biobadeteich der eigenen mindestens 100 Morgen großen Organic Farm und isst selbstproduziertes Bioobst – aber davon später mal mehr, das ist jetzt nicht der richtige Ort..) Ab 1902 gings dann so richtig los mit der Massenverbreitung und der Massenproduktion usw. Und wie es so schön heißt: The rest is history …
Schreibt zweintopf auch history? Naja, für unsere Nachfahren konnten wir bis jetzt noch keine mit Swimmingpools und kein stattliches „Grundkapital“ zurücklegen, aber was nicht ist, kann ja noch werden – so heißt es doch auch so schön. Aus der schönen Pepsi-Apotheke der Geschichte ist ein grausiger Pe psi-Fan-und-Goodieshop geworden, eben so tief(gründig) und nutzlos- kitschig, wie wir das für unseren Österreich-Plunder auch immer versuchen wollten. Und, wie könnte es anders sein: Die hier Eingeborenen stehen drauf und decken sich mit Pepsi- Handtüchern, Shirts, Table Wear, Lamps und Kitchen Items ein. Auch ich kann dem Abglanz des Ruhmes und Erfolges kaum widerstehen und erwerbe an diesem Ort ein Paar „Pepsi Earrings“ – sehr schick baumeln sie nun in den Logofarben blau, rot und weiß von meinen Ohren. Eine bleibende Erinnerung an diesen heiligen Boden
Wir verlassen diesen mystischen Ort amerikanischer Helden- und Markenverehrung und stolpern quasi von einem nationalen Kulturbanalismus zum nächsten: Direkt vor dem Ursprung des Amerikanischen hier in New Bern entdecken wir nämlich eine kleine Überraschung, die uns kulturimperialistisch aufjauchzen lässt. Im Gras liegt das Überbleibsel des wichtigsten österreichischen Kulturexports in Richtung Good Old America, nach zweintopf und Schwarzenegger natürlich. Lieber Didi in Salzburg, wir huldigen dir hier auf dem Rasen von New Bern/ North Carolina. Du hast deine Sache gut gemacht und die Amis mit ihren eigenen Waffen, den Dosen, geschlagen. Also, lass die Bullen fliegen, lonesome Cowboy…
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12. Oktober 2007
Nihilismus ist eine Glaubensfrage Die halbe Nacht schlagen wir uns die Pölster um die Köpfe, aber der Schlaf will nicht kommen, nicht seinen Mann mit dem Sack voller Träume vorbeischicken. Na gut, denken wir, dieses verdammte Pepsi Probekosten – nehmen unsere letzte Hoheitsflagge und wandern los, um dem Birthplace noch einen zusätzlichen Grund zur Betrachtung zu verpassen. Während Eva sich mit der Montage der Fahne abmüht, baue ich mir vor der Straßenlaterne aus dem gekauften Lego ein Fort. Militär die Zweite, sozusagen. Das Lego in den Händen lässt Erinnerungsfetzen aufsteigen. Eine Holzkiste, von meinem Opa gefertigt, den wir alle Vater nannten. Der Geruch von Ölfarbe. Bunte Steine, die immer zuwenig waren. Stunden voll des Bauens und Fantasierens. Retten von Piraten aus den Händen der Kolonialen. Ein Zimmer als Meer voller Haie. Ein Stiegenhaus als Tiefseehafen. Eine Schwester, die beim Bauen lästig, aber beim Spielen unabdingbar war. Nervige erzwungene Pausen durch Nahrungsaufnahme. Legowettbewerbe, bei denen immer die anderen gewannen. Vor lauter Aufregung beim über die Straße laufen mit dem Lego in der Hand sich von einem Auto fast in den Tod führen lassen. Mit dreizehn leugnen, jemals damit gespielt zu haben und es in den Keller räumen. Als Student es wieder aus dem stickigen Keller heben, um damit Modelle zu bauen. Mit Lego in der Hand die Erinnerungen anzapfen. 62
Nach einer halben Stunde ein paar Nadelstichen und einem Spagat hält die Flagge auf der Markise. Danach steht noch die Taufe des Forts an. Wenn ich dabei uns so betrachte und die freakigen Legofiguren, dann scheint der Name im nachhinein Fort Nihil (Nihilismus) nicht ganz unpassend gewählt. Erschreckend beugt sich der Glatzkopf mit Beule über den Ausguck und scheint zu sagen: „Mir ist verdammt noch mal alles scheißegal(und das immer), schau nur einmal dumm (oder auch nur mich an) und ich pump dich mit Plastik voll.“ Nicht minder nihilistisch blicken die anderen Figuren. Ich sage ja schon immer, jemandem, der einen Dauergrinser im Gesicht trägt, dem sollte man nicht vertrauen. Zuerst tun sie großartig freundlich und dann warten sie nicht mal bis man sich umgedreht hat, um einen das „Hackl“ in den Körper zu treiben. Genau solche Kerle brauchen wir
hier für diesen Job – grundsätzlich philanthropisch, aber nur zu Misanthropen. So lässt sichs leben. Die Arbeit der Nacht bringt uns am frühen Morgen schließlich doch noch den ersehnten Schlaf. Heute Mittag suchen wir den Tatort erneut auf und zu unserer Überraschung sind Fahne und Fort noch an ihrem Platz. Wie schon vermutet, die Amerikaner haben sich mit dem zweintopfschen Imperialismus abgefunden. Schweigend und mit Haltung nehmen sie ihre Niederlage zur Kenntnis. Hätte diese Welt nun auch diese Macht überstanden - dankend nehmen wir unsere zur Kenntnis.
18. November 2007
Zellkultur Was soll ich sagen, außer vielleicht „We are back“ oder so ähnlich, was natürlich die steirisch-amerikanische Tradition fortsetzten würde und auch ich melde mich nach längerer Sende/ Schreibepause wieder zurück. Quasi auferstanden. Nachdem mir fast die ganze Reise über kein noch so kühles Lüftlein etwas anhaben konnte und ich aufgeputscht durch einen Cocktail gemischt aus Reiselust und äh Schrägstrich Angst und man weiß ja nie und so fast die ganze Zeit über als kerngesund zu bezeichnen gewesen wäre, musste der Absturz ja irgendwann kommen. Das „Heimat“- Land war dann doch ein wenig zu frostig für mein Abwehrsystem. Ich habe ja die Theorie, dass es, endlich entspannt zu Hause und alle Strapazen hinter sich, eben nichts mehr abzuwehren gab und krankheitstechnisch alles über mir zusammengebrochen ist. Also lag ich einige Tage schnupfend - eine ordentliche Brise europäischer Viren eben. Sowas gehört laut Mama halt auskuriert und durchschwitzt … Also schön, also wie neu geboren und alles mit etwas Abstand betrachtend, sitze ich nun hier … alle überschwänglichen Begrüßungen und das viele Erzählen hinter mir und kann endlich in Ruhe selbst zurückblicken ... Ist man die ganze Zeit unterwegs, verzerrt sich die eigene Wahrnehmung auf eine ganz kleine „Zelle“, die plötzlich für den Rest der Welt herhalten muss … Das Auto in dem man sitzt, der andere Mensch, die paar Bücher, die zwei Ruck-
säcke und drei Reisetaschen, der neue vorübergehende Krempel, den man sich irgendwo rasch besorgt hat. Diese „Zelle“ ist aber ständig in Bewegung, ständig woanders, man bewegt sich in ihr oder doch nicht. Im Endeffekt wird so eine Reise um des Reisens willen und um den
bestimmten Weg, den man zurücklegen will seltsamerweise sehr schnell zu einer Reise zu sich selbst. Unmittelbarkeit bestimmt alles Handeln, weil man sowieso nicht vorarbeiten, vorgreifen kann. Warten, bis man da ist. Endlich. Papa, wie weit 63
ist es noch? Das hat man als Fünfjährige gefragt. Wie viele Stunden? Das Zeitgefühl wird ein anderes. Termine haben keine wirkliche Bedeutung, weil es sie schlicht nicht gibt. Alles fließt dahin. Und stockt. Und Fließt. Und man lernt damit zurechtzukommen. Auch ein Gewohnheitstier wie ich. Züchtet sich neue Gewohnheiten und Rituale, um selbst nicht verloren zu gehen ... Und jetzt kommen so die Sentimentalitäten hoch. Schön wars, aber anstrengend, aufregend, aber auch manchmal ziemlich langwierig … Hatten wir eine Durchhalteparole? Ich weiß nicht – ich pfeife gern, wenn ich nicht ganz genau weiter weiß. Weißt du? Eine passende Aussage zum Schluss wäre: Gut, dass wirs gemacht haben. Vielleicht auch: Daheim sein ist schön, und doch kaum auszuhalten. Ich mache es daher in Hinkunft wie die von mir viel bewunderte Ms. Holiday Golightly, auf deren Visitenkarten von Tifany mangels eines „festen“ Wohnsitzes im einfachen wie im übertragenen Sinn, eben einfach keiner verzeichnet ist. Eva Pichler auf Reisen Übrigens: Das zugehörige Foto stammt von unserer amerikanischen Abschiedszelebration in einem einschlägigen Lokal und die Idee von meiner Schwester, die bei einem meiner Anrufe zu Hause vermeldete: Mc Donalds macht übrigens dasselbe wie ihr, nur mir Pommes. Wir wollen also hier festhalten: Österreich besteht außen aus frittierten Kartoffeln und 64
die Welt ist eine Scheibe. Zweites Übrigens: Gerhard ist gewissermaßen wieder an der TU gestrandet und hadert mit seinem Schicksal. Sobald er aber Zeit neben Diplomarbeit und Eichholzers Ehren erübrigen kann, erscheint hier wieder ein Post. Übrigens Punkt.
Š 2008 by zweintopf