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März / April 2012
AN DER SCHWELLE SÜDAFRIKA BRASILIEN CHINA
DEL CURTO | SPIELERBERATER | NLB-REFORM | AILTON | HELD CC
Š 2011 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
Rubrik
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Um die Welt mit
I
ZWÖLF
m Winter ruht der Schweizer Fussball. Zumindest wenn man von den paar Lizenzentzügen, Betreibungsverfahren, Rekordtransfers, Massenverkäufen, gesperrten Kurven und Fahnenverboten absieht. Und weil derart tote Hose herrscht hierzulande, haben wir mal wieder einen Blick über die Grenzen gewagt. Dabei sind wir dem Tross des Weltfussballs gefolgt, blicken zurück auf seine letzte Station Südafrika, den nächsten Halt Brasilien sowie auf das weit entfernte China, wo er auch irgendwann mal ankommen sollte. Auf einem solchen Trip lernt man allerhand. So zum Beispiel, dass man einem chinesischen Journalisten nicht angeben sollte, sein Text solle 20 000 Zeichen umfassen. Diese Anzahl chinesischer Zeichen entspricht nämlich in etwa dem Umfang des Roten Buchs von Mao. Überhaupt hatten wir wegen der fehlenden Kenntnis der Sprache gewisse Mühen; da nützte alle Hilfsbereitschaft von dort ansässigen Medienschaffenden wenig, wenn wir zum Schluss ratlos vor einer Bilddatenbank sitzen, in deren Suchfeld nur chinesische Zeichen eingegeben werden können. Da wars in Südafrika schon einfacher, wo bereits ein versprochener Ritterschlag reichte, um einen Expat davon zu überzeugen, sich eineinhalb Jahre nach der WM mal im nationalen Fussball umzuschauen. Gleiches wurde im Gastgeberland der nächsten Endrunde gemacht, wo unser Autor feststellen musste, dass auch der Fussball das Zeugs zu einer Telenovela hat. Obwohl im Reisefieber, haben wir doch auch unsere Heimat nicht vernachlässigt. Um mal einen frischen Blick auf den Fussball zu bekommen, besuchten wir Arno Del Curto in seinem kleinen Büro, in dem jedes Papier mit Taktikzeichnungen vollgekritzelt ist. Nach 90 wilden Minuten mit Del Curto sehen wir um einiges klarer und sind mehr denn je überzeugt davon, dass der Herr jeden Fussballverein an die Spitze bringen würde. Besonders viel zu tun im Winter hat nicht nur ein Eishockeytrainer, das haben auch die Spielerberater im Fussball. Bei uns erzählen zwei der angesehensten aus diesem Metier von ihrer Arbeit und ihren Erlebnissen. Und wir wissen nun definitiv: Da gibts nicht nur Bösewichte! Weitere nette Menschen gesellen sich in dieser Ausgabe dazu. Etwa der umtriebige Monsieur Salvi, dem der FC Baulmes so am Herzen liegt, dass es ihn praktisch die Existenz kostete. Oder der immer lustige Ailton, an dessen Engagement bei GC wir nostalgisch zurückdenken. Und der Herr mit der wohl grössten Sammlung an Stadionpostkarten der Schweiz. So viele nette Leute! Und das alles niedergeschrieben für die nettesten von allen. Wir wünschen Euch viel Spass bei der Lektüre. Euer ZWÖLF-Team
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Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton
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Wie gesagt, äh…: Fussballer reden
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Circus Tschagajew: Letzte Töne vom Xamax-Tschetschenen
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Die Liste: Nicht nur diese Saison wurde am grünen Tisch durcheinandergewirbelt
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Auswärtsfahrt: Bei den falschen Bohèmes
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Das Fundstück: Ein sehr rares Nati-Matchprogramm
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Grüsse aus der Challenge League: Neue Fans in Vaduz
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Der Cartoon: Turbulenzen im Leiterlispiel
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Beni Thurnheer: Trainer sind Gurus!
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Die Single: Penalty Goal
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Klassenfahrt: Auf Reisen mit YB
DIE ZWÖLF-WELTREISE 16 Was von der WM übrig blieb In Südafrikas Fussball ist die Tristesse zurückgekehrt. Das Gejammer darüber hält sich freilich in Grenzen. 22 Der Ligaalltag als Telenovela In Brasilien brummt nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das nationale Championat. 26 Brasil vs. Blatter Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat sich im Vorfeld der WM 2014 mit der regulationswütigen FIFA angelegt. 28 Wo bleibt der Aufschwung? Trotz Anelka steht in China der Durchbruch des Weltsports Nummer eins immer noch nicht kurz bevor. 36
Auslandschweizer: Der Ex-Xamaxien Dylan Gissi in Argentinien
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«Ich würde auch Tévez wieder hinkriegen» Wir wollten wissen, ob HC-Davos-Trainerlegende Arno Del Curto auch im Fussball reüssieren würde – und sind nach unserem grossen Interview mit ihm mehr denn je davon überzeugt
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Die Saison der Herausforderungen Warum die Reduktion der Challenge League eine gute Sache ist
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Schöne Grüsse aus dem Olympiastadion Pascal Claude hat einen Stadionpostkarten-Sammler aufgespürt
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Bewunderter Widerstandskämpfer: Die Spanier lieben CC
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Die Seriösen In einer Welt voller Abenteuer, Millionendeals und verpasster Chancen bewegen sich die Spielerberater-Brüder Cedrola
54 Unser Mann in London: Peter Balzli über die selbst verschuldeten Probleme der Three Lions
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Schweizerreise: Der FC Baulmes wollte das Ambri-Piotta des Fussballs sein – und ist gescheitert
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Schwarzes Brett: Bücher und eine App
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Spiel meines Lebens: Ivo Frosio erinnert sich an den letzten Nati-Sieg gegen Deutschland
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NLA-Legende: Schöner als sein Spiel waren Ailtons Sprüche während seiner Zeit bei GC
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Mämä erklärt: Wie man über Fussball spricht
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Smalltalk und Impressum
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Planet Constantin «Das ist lustig. Aber nicht nötig.» Sion-Präsi Constantin in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) zur Frage, wie er es finde, dass in Visp Unterschriften gesammelt werden, damit die Joseph-Blatter-Schule umbenannt wird, weil Blatter ein Verräter an seiner Heimat sei.
«Ghadhafi hat dasselbe gemacht. Natürlich gibt es keine Toten, aber das Prinzip ist dasselbe.» Wir verstehen: Wer in diesen Dimensionen der Weltgeschichte denkt, dem ist doch der Name eines Schulhauses egal. CC in der FAZ über Sepp Blatter.
«Der Ankläger des Kantons fragte ihn am Ende, ob er eine Art König von England sei, der unterschreibt, was man ihm vorlegt, und der nicht liest, was er eigentlich lesen müsste.» Aha, es gibt noch mehr Tölpel auf der Welt. CC in der FAZ, diesmal zur Rolle von... UEFA-Präsident Michel Platini.
«Jede ganz grosse Ära eines schweizerischen oder europäischen Vereins hing direkt mit der Anwesenheit eines grossen Präsidenten zusammen.» In «Le Matin Dimanche». Wir haben nachgemessen: CC ist nicht grösser als 1,75 Meter. Allerdings haben die Gerichte diese Grösse noch nicht bestätigt.
«Am Tag, an dem mir etwas passiert, steigt der Verein in die zweite oder dritte Liga ab.» «Etwas passiert» heisst auf Planet CC gleich viel wie: «Das Gericht hat entschieden.»
«Erzählen Sie keine Dummheiten! Es geht um Menschenrechte, dafür stehe ich ein.» Insbesondere für das Menschenrecht, zu klagen, jenes, jederzeit transferieren zu können, und jenes, dass Sion Cupsieger wird. CC in der «SonntagsZeitung».
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«Ich habe in zwei Tagen in Thailand die Lizenz erworben, Elefanten zu führen. Ich habe also die nötige Munition, um FIFA und UEFA zu bewegen.» CC in der «Tribune de Genève».
wie gesagt, äh . . . Mit der Wahl des Trainingslager-Orts ist das so eine Sache. Der FCL wählte El Gouna in Ägypten. «Zu viel Wind und zu wenig kleine Kaffeehäuser. Auch die Köche können nichts. In der Türkei ist das alles besser», kritisierte... ja, wer wohl? Die mitgereiste Emine Yakin!
Nichts können auch die Journalisten, die in Luzern über Emines Filius Murat schreiben. Das fand jedenfalls Letzterer an der Pressekonferenz nach dem 1:1 gegen Zürich. «Egal, was du für Medikamente nimmst, nimm einfach weniger davon», schnauzte er den FCL-Berichterstatter an. Dieser erst verdutzt und dann einen Tag später mit dem Dementi: «Ich nehme keine Medikamente!» Bei ZWÖLF-Redaktionsschluss versprach der «Blick»: «Wir bleiben dran!» Über Medikamentenkonsum von GC-Jung-Altstar Johann Vogel ist ebenfalls nichts bekannt. Auch nicht in jenem Moment, als er von sich sagte: «Ich fühle mich wie ein junges Reh» und dann später in der NZZ nachdoppelte: «Ich nenne es nicht Comeback. Wiedergeburt klingt doch viel schöner.» Der Hintergrund dieses Zitats ist unbekannt. Vogel selber: «Ich muss nicht immer recht haben. Ich bin keine Fussball-Bibel.» Viel beachtet war das Comeback von Johann Vogel bei GC. Erstaunt las man aber am Tag danach auf seiner privaten Website unter «News»: «Ich beende meine aktive Laufbahn.» Die Verwirrung hielt nur kurz an, denn dieser neuste Eintrag datiert vom 5. November 2009. Nur noch ein paar Monate muss der Romand ausharren, dann ist die Schlagzeile ja ohnehin wieder aktuell.
FCZ-Präsident Canepa glaubt an Fifi und Bello und ihre Besitzer. «Wenn meine Frau mit unserem Hund unterwegs ist, bekommt sie Bestätigung, dass der FCZ bei allen Transfers richtig gehandelt hat, und zwar zu 99,9 Prozent», so Canepa in der «Basler Zeitung». Über die nächsten FCZ-Transfers kann nur spekuliert werden. Also: Wir kalauern mal auf Winnie Schäfer. Oder Aaron Hunt. Wau, das wärs doch.
YB-Chef Ilja Kaenzig sieht derweil immer mehr das Grosse und Ganze und bellte zur Personalie Nassim Ben Kalifa: «So hart das klingt: Einzelschicksale sind nicht diskussionswürdig.» Auch nicht jenes von François Affolter, der mit seinem Einzelschicksal bei Werder Bremen allerdings ganz gut zurechtkommt. «Ich wäre gerne in Bern geblieben, aber es ist wichtig, dass ich spiele. Und die Chancen sind hier grösser als in Bern», so Affolter in der «Bild». Die nehmen auch wirklich jeden, die Bremer.
Und unter dieser URL kündigte «Bild» den Ersteinsatz von François Affolter bei Werder Bremen an: www.bild.de/sport/fussball/werder-bremen/ naechster-bubi-vor-premiere.html
Circus TSCHAgajew In den letzten Wochen hat Bulat Tschagajew nicht mehr viel gesagt. «Ich will Zigaretten» ist der letzte, aber auch nicht hundertprozentig wasserdicht überlieferte Satz aus dem Gefängnis. Zum Ende dieser Rubrik ein Rückblick in Titel von NZZ und «Blick». «Pakt mit dem Teufel» «Blick», 18.4.2011
«Fremde Fahnen und ihre Mahnmale» NZZ, 24.4.2011
Wie viel Affolter mit seinem neuen Trainer Thomas Schaaf geredet hat, ist nicht überliefert. Schaaf wüsste dann auf jeden Fall, wie fit Affolter ist. In Basel läuft das jedenfalls so. Ungekürzt der vom «Blick» überlieferte Small Talk zwischen FCB-Trainer Heiko Vogel und Philipp Degen: «Philipp, ich habe gehört, dass dein Zwillingsbruder David noch mehr spricht als du. Das ist nicht möglich, oder?» Degen: «Ich bin einfach ein glücklicher Mensch und froh, gesund zu sein. Ich bin gerne unter den Leuten, lerne gerne neue Kulturen und Menschen kennen und spreche deshalb auch viel mit ihnen.» Vogel: «Heisst das auch: Je mehr du sprichst, desto besser geht es dir?» Degen: «Nein, nicht unbedingt.» Vogel: «Schade, denn sonst wärst du wirklich richtig fit!» Jetzt noch zwei Zahlen des Tages: «Reels 31 Pts.» – Aufschrift auf dem Trikot von Sions Fitness-Coach Frederic Lambortin. Und: «576» – Anzahl Tickets, die GC beim Match gegen Thun an der Tageskasse verkaufte. Und – ja liebe Fussball-Freunde, so stehts um GC – Medienchef Desiderato staunte über diese «erfreuliche und überraschende Zahl».
«Maradona zu Xamax?» «Blick», 11.5.2011
«Ich töte euch!» «Blick», 31.5.2011
«Bin kein Mörder» «Blick», 3.6.2011
«Die Tschetschenisierung von Xamax» NZZ, 12.6.2011
«Kommt jetzt Gullit?» «Blick», 17.6.2011
«Chaostage in Neuenburg» NZZ, 26.7.2011
«TschaGAGAjew schlug wieder zu!» «Blick», 26.7.2011
«Für Politiker ist Tschagajew widerlich» «Blick», 27.7.2011
«Tschagajew verteilt Beruhigungspillen» NZZ, 30.10.2011
«Xamax ist klinisch tot» «Blick», 24.12.2011
«Hier verkündet die Liga das Todesurteil» «Blick», 19.1.2012
«Bulat hinter Gittern» «Blick», 27.1.2012
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Rubrik
Die Liste
Wichtig ist am grünen Tisch
Punktabzüge für den Saison 1931/32 Saison 1999/2000 1930 war die Nationalliga ge- Einen Punkt brauchte der FCZ FCZ und Sion, die gründet worden, doch anschei- auswärts noch, um sich auf KosZwangsrelegation nend hatten in den Modusdiskus- ten von Xamax für die Finalrunde sionen nicht die vernünftigsten zu qualifizieren. Dieses Minimalvon Xamax – und Köpfe gesiegt. Von den zwei ziel wurde auch erreicht, doch trotzdem ist die Gruppen qualifizierten sich die der Blick auf das Matchblatt Saison 1922/23 diesjährige Saison Die erste Chaos-Saison wurde beiden Ersten für die Finalspiele, schon früh ausgetragen. Nach die beiden Zweitklassierten trukeineswegs die Abschluss der Gruppenphase gen ein Barrage-Spiel aus. Und chaotischste der stand YB auf Platz 1 der Zentral- weil 3 so eine unschöne Anzahl ein Finalturnier ist, kam man Schweizer Fussball- Gruppe und wäre für die Final- für auf die gloriose Idee, Lausannespiele qualifiziert gewesen. Dann geschichte. Sports als Sieger der 2. Division bekam aber der FC Bern einen Saison 1899/1900
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Um die erste offizielle Schweizer Meisterschaft spielten nur gerade 8 Mannschaften mit, als Favorit musste nach den souveränen Gruppenspielen der Lausanne Football and Cricket Club gelten, der vielleicht älteste Fussballklub Kontinentaleuropas. Am 5. März 1899 sollte Lausanne sein erstes Finalrundenspiel gegen die Old Boys aus Basel austragen. Die britischen Spieler des Klubs zeigten sich wenig «amused», ihren heiligen Sonntag für so etwas Unwichtiges wie ein Finalspiel zu opfern, und liessen den Match sausen. Weniger heikel waren ihre Landsmänner vom AngloAmerican Club Zürich, die am darauffolgenden Sonntag die Old Boys ganz unheilig mit 7:0 zerlegten und dafür Meisterehren einfuhren.
Forfaitsieg zugesprochen, weil in der Partie gegen Biel der Gegner einen nicht qualifizierten Spieler eingesetzt hatte. Somit waren die Berner Teams punktgleich. YB hatte indes keine Lust auf ein Entscheidungsspiel, also durfte der FC Bern die Finalpoule bestreiten, die er sogar gewann. Nach diesen Spielen kam heraus, dass auch für den FC Bern in den Gruppenspielen gegen den FCB mit Torwart Zorzotti ein Akteur ohne Spielerpass aufgelaufen war, worauf der 4:0-Sieg in eine Forfaitniederlage umgewandelt wurde – womit wiederum YB Anrecht auf die Finalspiele gehabt hätte. Zum Zeitpunkt dieses Entscheids war es allerdings schon Herbst, für eine Neuaustragung blieb keine Zeit, denn die neue Meisterschaft war schon im Gange. So ist die Saison 1922/23 bis heute die einzige, in der kein Titel vergeben wurde.
(!) auch noch einzuladen. Die Waadtländer wussten diese hirnrissige Geste zu schätzen, errangen im Entscheidungsspiel gegen den FCZ gleich den Titel und waren damit Aufsteiger und Meister im gleichen Jahr. Weltweit wohl ein Unikum.
Saisons 1990–1995
Es war die Zeit der trüben Tage nach dem Jahreswechsel. Nach der Qualifikationsrunde durften sich 8 Teams auf die Finalrunde freuen, der grosse Rest spielte Wochenende für Wochenende unter Ausschluss der Öffentlichkeit ums Überleben. Besonders die NLB-Abstiegsrunde erwies sich als Vereinsfriedhof. Alleine in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre wurde Montreux, Malley, dem SC Zug, Wettingen, Bellinzona und Grenchen die Lizenz entzogen. Die meisten davon haben es nie mehr in den Profifussball geschafft.
weckte die Hoffnung bei den Romands: Aufseiten des FCZ standen da 8 anstelle der erlaubten 7 Ausländer, wenngleich nur 5 zum Einsatz kamen. «Eine Bagatelle», kommentierte Trainer Ponte das Vergehen, Präsident Hotz rechnete «schlimmstenfalls mit einer Geldstrafe». Im Februar aber wurden die drei Punkte Xamax zugesprochen, beim FCZ war man entsetzt: «Wir fühlen uns ins sportjuristische Mittelalter zurückversetzt!», liess Jurist Urs Scherrer verlauten. Der FCZ fiel in die Abstiegsrunde, Ponte musste im April gehen.
Saison 2003/04
Tatsächlich gab es unter den Verantwortlichen in der SFL Personen, die überzeugt waren, nach über 100 Jahren Ligafussball endlich den idealen Modus gefunden zu haben. Die Neuerung war bahnbrechend idiotisch: Hin- und Rückspiele innerhalb
Rubrik einer Woche, dazu gabs zwei Zusatzpunkte für den Gesamtsieger nach Europacup-Formel. Und das war noch nicht einmal das Irrste in jener Saison. Sion war in die 1. Liga zwangsrelegiert worden, Christian Constantin kratzte dies wenig. Er liess die wenigen verbliebenen Spieler vier Monate trainieren und kämpfte derweil um die Wiedereingliederung in die Challenge League. Ende Oktober musste dann die SFL klein beigeben, da waren bereits 12 Runden gespielt. Sion wurde als 17. Team aufgenommen und absolvierte einen Marathon an englischen Wochen, der sie immerhin noch auf Platz 5 führte. Durch den frei gewordenen Platz in der 1. Liga – und das wird unseren Layouter besonders gefreut haben – musste immerhin der FC Bex nicht absteigen.
Saison 2004/05
Lugano, Lausanne und Sion gingen zwei Jahre zuvor in Konkurs, Servette sagte trotz Millionenschulden Basel den Kampf an. «Wir haben die Mittel, um Basel zu entthronen!», verkündete der neu eingestiegene Spielerver-
Das Fundstück
mittler Marc Roger. Einen Monat später stellt Roger den 21. Neuzugang vor, im Winter wird bekannt, dass sich 10 Mio. Franken
Schulden angehäuft hatten. Im Januar muss die Bilanz deponiert werden, während Roger um Investoren weibelt. Ein libanesischer Erdölmagnat soll 17 Mio. einschiessen, hat aber in Tat und Wahrheit keinen Rappen. Die angekündigten syrischen Investoren tauchen ebenfalls nie auf, der Spendenaufruf in der Stadt verläuft enttäuschend. Selbst eine Solidaritätskundgebung der Fans kommt erst im zweiten Anlauf zustande. Die Genfer nehmen nahezu emotionslos hin, wie im Februar der Konkurs verhängt wird. Die Rückrunde muss wie in dieser Saison mit 9 Teams gespielt werden.
den. Die Charrière in La Chauxde-Fonds, wohin die Neuenburger während des Baus des neuen Stadions ausweichen mussten, war noch immer mit zwei Wochen altem Schnee bedeckt, sodass das Spiel abgesagt werden musste. Bei Leader FCB rieb man sich die Hände ob der Aussicht auf drei kampflose Punkte, die Disziplinarkommission sah dies indes anders. Xamax habe die mündliche Zusage der Stadt gehabt, dass das Feld schneefrei sein werde. Deshalb beliess man es bei einer Busse und setzte das Spiel mitten im Meisterschaftsschlussspurt neu an. Beim FCB war man gar nicht erfreut, denn zusammen mit den UEFA-CupViertelfinalspielen ergab das ein dichtes Programm. «Nicht unser Problem», meinte Odilo Bürgi, der Chef der Disziplinarkommission dazu. Noch heute gilt das bei vielen FCB-Supportern als einer der Gründe, weshalb ihr Team in den letzten Partien gegen YB (2:4) und den FCZ (1:2) versagte.
Saison 2005/06
Saison 2006/07
Und wieder mussten wegen Xamax die Juristen bemüht wer-
Und wieder spielte die Disziplinarkommission mit. Philipp
Muntwiler flog am Samstag im Einsatz mit der U21 des FC St. Gallen vom Platz, worauf man sich bei einem Mitglied der 1.-Liga-Kommission erkundigte, ob er dennoch für die SuperLeague-Partie gegen den FCZ am Tag darauf spielberechtigt sei. Der Funktionär gab grünes Licht, und so kam der Jungprofi denn auch zum Einsatz und hielt mit dem FCSG das 0:0 beim Tabellenführer. Leider hatten sich die Ostschweizer an die falsche Instanz gewandt. Konsequenz: Forfaitniederlage. Vergeblich
wies der FCB darauf hin, dass der FCSG gar keine Gelegenheit gehabt hätte für Nachfragen, denn der Pikettdienst der SFL erteile keine Auskunft zu Spielerqualifikationen und Sperren, und die Büros seien am Wochenende nicht besetzt. Die Beschwerden wurden vom CAS abgewiesen, der FCZ stand am Schluss einen Punkt vor dem FCB.
Text: Gregory Germond www.sportantiquariat.ch
Liebe Freunde des raren Sportstücks Heute: Grosse Momente im Sportantiquariat! Eine wichtige Kundschaft im Sportantiquariat ist der Matchprogramm-Sammler. Die gesuchtesten Programme aus der Schweiz sind neben denen der Fussball-WM 1954 die der Nationalmannschaft. Im Gespräch mit Sammlern stellt sich immer wieder die Frage: Gab es zu diesem oder jenem Spiel überhaupt ein Programm? Nun, bei WM- und EM-QualiSpielen gab es eigentlich immer eines, da kann sich die Schweiz zum erlauchten Kreis der grossen Programm-Nationen wie England, Schottland oder
Deutschland zählen! Bei Freundschaftsspielen auf Schweizer Boden gab es ebenfalls eigentlich fast immer ein Matchprogramm. Aber wie steht es mit Freundschaftsspielen, die auf neutralem Terrain ausgetragen wurden – wo es also keine Heimmannschaft gab? Die Chancen stehen schlecht, würde jeder denken, und wenn, dann wäre es ein Wunder, käme man in Besitz eines solchen Programms. Just dies geschah mir aber unlängst beim Ankauf einer gewichtigen Programmsammlung eines Sportjournalisten, der – Fuss-
ballgott sei Dank, gibt es solche Leute – von jedem Spiel ein Programm aufbewahrte. Und jetzt kommts: Wie viele können sich an dieses Spiel erinnern? Mexico vs. Switzerland, 26. Januar 1994, Oakland Coliseum, USA! Was für eine Freude, als ich es in den Händen hielt, denn dieses Spiel gehört eindeutig zu den tollsten der Nati, die ich jemals sah! Das Spiel war eine Art Aufwärmübung für die WM 1994 in den USA, es wurde um 2 Uhr nachts live übertragen im Schweizer Fernsehen. Ich hatte den Wecker gestellt und sah ein
berauschendes Spiel der Nati vor circa 40 000 Exilmexikanern. Ich kann mich noch gut erinnern: Die letzten 20 Minuten wurde jeder Ballkontakt der Nati mit Olé-Rufen der Zuschauer bedacht, so unterirdisch war die Leistung der «Tri»! Marco Grassi schoss in der 87. Minute das letzte Tor zum 5:1-Sieg! Unglaublich, gibt es ein Matchprogramm von diesen unvergesslichen 90 Minuten. Wer hätte das gedacht?
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Rubrik
Die Auswärtsfahrt
FK Bohemians Praha FK Banik Sokolov
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Druha Fotbalova Liga (2. tschechische Liga) – 9.11.2011 Prosek-Stadion, 310 Zuschauer
Ohne Sympathien, mit Eifer
Es ist November, aber unüblich warm in Prag. Und wenn die Sonne hinter den Wolken hervorblinzelt, denkt man, die Stadt könnte nie schöner sein. Die Touristen flanieren über den Wenzelsplatz und die Karlsbrücke und kaufen Souvenirs, die sie nicht brauchen. Prag bietet viel für kulturell Interessierte. Wer trotzdem übrige Zeit hat, nimmt im Zentrum an der Station Mu° stek die Metro bis nach Strˇížkov im Nordosten der Stadt, dann den Bus bis Lovosická im Wohnquartier Prosek. Hinter Zäunen und Bäumen versteckt, gleich neben einer Grundschule, liegt das Prosek-Stadion, das nicht mehr ist als eine kleine Tribüne mit farbigen Schalensitzen. Zwei Rentner verkaufen Tickets; umgerechnet vier Franken kostet der beste Sitzplatz. Auf dem Feld duellieren sich an diesem Mittwochnachmittag der FK Bohemians Prag und der FK Banik Sokolov. Es ist der 14. Spieltag in der zweithöchsten tschechischen Liga. Bohemians, da war doch was? Richtig, 2005 musste der Klub Insolvenz beantragen; die Namens- und Logorechte wurden an den Drittligisten Strˇížkov verkauft. Gleichzeitig formierten sich aber die Fans des alten Bohemians zu Bohemians 1905, um ihren ehemaligen Klub wieder zum Leben zu erwecken. Als sich 2009 beide Klubs in der höchsten Liga trafen, wollte der neue FK Bo-
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Text & Bilder: Samuel Burgener
hemians nicht gegen das alte Bohemians 1905 spielen, was zum Ausschluss aus dem Verband führte. Heute spielt der FK Bohemians dank einem Gerichtsurteil wieder in der 2. Liga. Ohne viel Geld, ohne Sympathien, aber mit viel Eifer. Seit einer Stunde spielen die beiden Teams mehr schlecht als recht gegeneinander. Auf der Tribüne harren rund fünfzig Zuschauer aus, sieben davon sind verkleidet und machen Lärm. Selbst sitzt man so da, hat mittlerweile das Lied in den Ohren, das die sieben Tollkühnen ununterbrochen singen, und wünscht sich besseren Fussball. Und man denkt daran, dass der begnadete Tomáš Rosický in diesem Klub einst seine ersten Gehversuche mit Ball gewagt hat. Das Spiel gegen die rustikalen Arbeiter aus der Bergbau-Stadt Sokolov gewinnt der FK Bohemians diskussionslos 3:0. Heute, rund vier Monate später, lauert der FK Bohemians in der zweiten Liga auf einem Spitzenplatz. Der Aufstieg ist möglich. Was wird wohl passieren, sollten der FK und 1905 im nächsten Jahr beide der 1. Liga angehören? Libor und Erich, die Ticketverkäufer, die etwas Englisch sprechen, bringen es auf den Punkt: «Dann hauen wir die anderen weg.» Den Namen Bohemians 1905 nehmen sie nicht in den Mund.
Rubrik
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beni thurnheer
Trainer sind Gurus! Was unterscheidet Gurus und Sektenführer einerseits und Fussball-Trainer andererseits voneinander? Recht wenig, fürchte ich. An beide muss in erster Linie einmal geglaubt werden, und beide suggerieren eine direkte Verbindung zur höheren Instanz. Bei den Religiösen ist dies ein Gott, bei den Trainern die neueste Trainingslehre. Dass diese Instanzen etwas mit Erfolg zu tun haben, kann aber nicht wirklich nachgewiesen werden. Beckenbauer etwa wurde ohne Lizenz Bundestrainer und Weltmeister. Sein Symbol, an das seine Gefolgschaft glaubte, lautete «Erfolg», und das Bemerkenswerte daran war, dass man einen Erfolg als Spieler offenbar für das Gleiche hält wie einen Erfolg als Trainer. Ist der Glaube da, kommt es nicht mehr so sehr auf den detaillierten Inhalt an. Wichtig ist nur, dass alle Spieler an das Gleiche glauben. Das heisst: an ihren Trainer. Je mehr Erfolge einer aufweisen kann, desto einfacher wird es für ihn. Wer zweimal die Champions League gewann, übersteht sogar locker eine Heimniederlage gegen Luxemburg. Das Problem ist lediglich der allererste Erfolg.
Der Cartoon
Von: Konrad Beck, Christian Wipfli www.konradbeck.ch
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Über diesen entscheidet auch das vorhandene Talent. Ein Trainer muss das Glück haben, in den fussballerischen Hochadel hineingeboren zu werden. Dann kannst du deine Laufbahn gleich bei Barcelona starten und die Champions League gewinnen wie Guardiola. Andernfalls wirst du dich jahrelang bei Thun oder St. Gallen abmühen und im Erfolgsfall einen desolaten Bundesligisten übernehmen dürfen. Ohne Fortune bist du bald wieder da, wo du hergekommen bist. Ist Guardiola der bessere Trainer als Marcel Koller oder Latour? Es ist zwar blasphemisch, doch wir bewegen uns hier auf dem Terrain des Glaubens und nicht der Wissenschaft. Hätte Guardiola mit Thun gleich viel Erfolg gehabt? Gar nicht so sicher! Wäre auch Koller mit Barça Champions-League-Sieger geworden? Eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Trotzdem: Im Falle eines Scheiterns wird Koller wieder beim FC Wil anklopfen müssen, während Mourinho nach einer Entlassungen bestimmt bei einem Grossen unterkommen wird. Treiben wir die Blasphemie noch weiter: Der Einfluss des Trainers wird völlig überschätzt. Bei Misserfolg ist es einfacher
(und günstiger), den Trainer zu entlassen als das ganze Spielerkader. Dies wissen der Klubpräsident und der Coach schon bei Vertragsunterzeichnung. Die eine Hälfte des Lohns ist deshalb eine Art Versicherungsbeitrag, eine vorsorgliche Entlassungsprämie, in der Wirtschaft als «goldener Fallschirm» bekannt. Gewisse Grundkenntnisse und ein minimales Talent muss jeder Trainer mitbringen. Über Triumph oder Versagen entscheiden dann aber die vorhandenen Spieler sowie der Zufall. Es braucht das Glück, dass man gerade in einer Phase der «Hausse» einsteigt und die nächste «Baisse» noch weit weg ist. Klar kann der Trainer eine Mannschaft stärker machen: Ist er gut, schöpft er nahezu 100 Prozent des Potenzials aus; ist er schlecht, vielleicht ein Drittel. Über 100 Prozent aber geht nicht, umgekehrt können auch 30 Prozent gegen schwächere Teams reichen. «Jetzt mal ehrlich, Timo», wagte ich einst zu Konietzka zu sagen, als dieser eben mit dem FCZ Meister wurde, «mit diesem Team musstest du doch den Titel fast gewinnen.» «Ja schon», erwiderte er, «aber wenigstens habe ich es nicht verhindert.» Dieser Satz enthält mehr Weisheit, als die Fussball-Glaubensgemeinschaft erträgt!
grüsse aus der challenge League
Die Single
Leidenschaft im Ländle Text: Gerry Wildkop, Krienser Supporter Text: Michael Falk Nach der mässigen Leistung in der Vorrunde startet der FC Vaduz mit viel Zuversicht in die Rückrunde. Mit dem neuen Fanclub Rhinos auf der Nordtribüne macht er sich auf zur Mission Klassenerhalt. Das ist für die verwöhnten Vaduz-Fans doch etwas Neues, sieht man mal von der Super-League-Saison ab. Dennoch herrscht bei den Fans und auch bei den Spielern Zuversicht, die Saison 2011/12 versöhnlich abzuschliessen. Neuzuzüge gabs keine in der Winterpause, Trainer Orie sieht die von Langzeitverletzungen genesenen Rückkehrer als Neuverpflichtungen an. Ausserdem gibts beim FC Vaduz das Luxusproblem auf der Bank: Roland Schwegler, Reto Zanni und Mario Kienzl sind alles Spieler mit einer Vergangenheit bei höherklassigen Vereinen. Um dieses «Problem» werden wir in der Challenge League sehr beneidet. Gute News gabs von der Swiss Football League. Der Vertrag wurde verlängert, damit ist die weitere Teilnahme des FC Vaduz am Spielbetrieb sichergestellt – unter der Voraussetzung der sportlichen Qualifikation in der laufenden Saison natürlich. Statt wie bisher aufgrund eines jeweils auf zwei Jahre befristeten Vertrags darf der FC Vaduz von nun an auf unbefristete Zeit in der Schweizer Liga spielen, mit einer Kündigungsfrist von zwei Jahren. Mit diesem positiven Entscheid wurde ein Meilenstein für die weitere Entwicklung des Fussballs in Liechtenstein gelegt. Letzte Saison hatte der FC Vaduz einen Zuschauerschnitt von 1056 pro Spiel. Und dies bei einem Einzugsgebiet von ca. 35 000 Einwohnern. Gar nicht schlecht, oder? Die Vorwürfe von manchen Vereinen, dass wir keine Auswärtsfans mitbringen, können wir so auch nicht gelten lassen: Zu jedem Spiel fährt mindestens ein Fanbus. Wenn man bei unseren Heimspielen die gegnerische Tribüne so anschaut – Wil, Winti und St. Gallen mal ausgenommen –, schaut das auch nicht gerade rosig aus. Wir als der jüngste Fanclub des FC Vaduz haben uns auch auf die Fahnen bzw. auf die Website geschrieben, dass wir den FCV bei jedem Heim- und Auswärtsspiel lauthals unterstützen werden. Auf eine verletzungsfreie Rückrunde! Hopp Vadoz! Das Schweizer Sportfernsehen überträgt jeweils die MontagsPartien der Challenge League live ab 20 Uhr. Die nächsten Partien: Biel - Bellinzona, 27.2. Delémont - Winterthur, 5.3. Wohlen - Aarau, 12.3. Kriens - St.Gallen
Penalty Goal The Ganglords, One Ton Records 2008 Aus der Sammlung von Pascal Claude Zur Europameisterschaft im eigenen Land veröffentlichten die Reggae-Veteranen der Ganglords einen Song, der in seiner Coolness den Carlsberg-Public-Viewing-Hype vortrefflich unterlief. Angefeuert von einem Beni-Thurnheer-Sample, tuckert «Penalty Goal» mit seinem Bläser-Thema eingängig Richtung Auslaufrille und macht deutlich, dass Fussballmusik wohl immer dann am besten ist, wenn sie keine zu sein versucht. Da stört es auch nicht, wenn die Platte Genre-konform ohne Cover erscheint. Goal! Diese und die früheren «Singles» zum Anhören auf www.zwoelf.ch
Die Tabelle Rang
Klub
ZWÖLF präsentiert den Tabellenstand der Super League. Zugänge
Abgänge
Total
1. 2.
FC Sion FC Thun
42 35
46 38
88 73
3.
Young Boys
33
33
66
4.
FC Luzern
27
31
58
5.
FCZ
29
28
57
6.
Lausanne
31
23
54
7.
GCZ
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8. 9.
FC Basel Servette
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26 19*
49 38
* ohne die Abgänge nach dem Konkurs 2005
Diesmal: Anzahl der Wintertransfers seit der Einführung der Super League 2003 (ohne Leihgeschäfte von U21-Spielern). Im Spätherbst zeigt sich, wer nicht gut geplant hat und mit verzweifeltem Nachrüsten korrigieren will. Selbstverständlich liegt da Sion vorne, während der FCB im Winter kaum Kaderveränderungen vornehmen muss.
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Beim Flugplatz-Ausgang warteten Auslandschweizer in Trachten: YB mit Walter Eich, den Casalis, Eugen «Geni» Meier, Trainer Albert Sing & Co absolvierte 1953 als erste Schweizer Mannschaft eine Tour durch Nordamerika. (Bild: Alphons Stadler/zvg)
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Im blauen Sommeranzug mit dem YB-Emblem: Empfang beim Mayor of New York, der die «Young Boys Berne» als «Söhne eines friedlich gesinnten Volkes» begrüsste. Danach gings unter Sirenengeheul im «70-Kilometer-Tempo» zurück ins Hotel. (Bild: Alphons Stadler/zvg)
Heute: Mit den Young Boys. Fussballer sind viel unterwegs. Wir zeigen auf diesen Seiten Juwelen aus den Reisefotoalben von Schweizer Mannschaften.
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249 NLA-Tore auf dem Fussballplatz, hier für einmal als Torverhinderer auf dem Eis: Geni Meier in den YB-Winterferien in Lenk im Januar 1959. (Bild: Keystone)
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Anfang 90er, bunte Skijacken und die richtigen Jeans: Neues Standbild für das nächste «Last Christmas»-Cover der Young Boys. Ganz links Martin Weber, in der Mitte Fussballgott Erich Hänzi und ganz rechts aussen Howie, pardon Martin Trümpler. (Bild: zvg)
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Mit ZWÖLF um die Welt In Südafrika war sie, in Brasilien ist die nächste, und in China wollen sie sie unbedingt haben: die Fussball-WM. ZWÖLF nutzte die Winterpause, um sich an diesen Stationen des Weltfussball-Trosses mal genau umzuschauen. Was geblieben ist, was sein wird und was sein könnte.
«Es war wie ein MichaelJackson-Konzert» Die WM 2010 in Südafrika ist Geschichte. Reisen zu den sagenumwobenen weissen Elefanten und ein Besuch bei Südafrikas einzigem weissem Fussballfan geben Aufschluss darüber, was vom FIFA-Grossereignis übrig geblieben ist.
Text: Adrian Marti / Fotos: Christian Theiler
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in wunderschöner Dezemberabend in Tshwane (Pretoria). In der ehemaligen Hochburg der Apartheid, der Hauptstadt Südafrikas, wird im Staatstheater «Dornröschen» aufgeführt. Ein burischer Countrysänger besingt wahrscheinlich in einem Vorortspub die prosperierenden Apartheidjahre, die grossen Farmen mit ihren weidenden Kühen und die Zeiten, als der Baas den Kaffern noch zu Recht den Arsch versohlte. Kulturell vergnügt sich der Rest der Weissen am Grill, tafelt in gesicherten Shoppingcentern oder beklagt hinter NATO-Stacheldraht die Unfähigkeit der schwarzen Regierung. Wunderbare Aussichten für einen Fussballfan. Es braucht keine Liebesschwüre und Schalmeienklänge, um der Partnerin, die Goal und Goalie semantisch unentschieden behandelt und immer, wenn
der Ball in die Nähe des Strafraums gerät, die unmöglichsten Fragen bereithält, den Besuch des abendlichen Spitzenkampfs der nationalen Liga zwischen Supersport United und Mamelodi Sundowns abzuringen. Auf gehts, vorbei am WM-Stadion Loftus Versfeld, durch die rückeroberte schwarze Innenstadt, wo nur noch einige weisse Junkies geschäftig die Nähe ihrer nigerianischen Handelspartner nützen, ins nahe gelegene Township Atteridgeville. Eine geteerte Strasse führt an kleinen Backsteinhäuschen und winzigen Verkaufsläden vorbei zum Stadion mit dem wohlklingenden Namen Lucas «Masterpieces» Moripe. Es wurde kurz vor der Weltmeisterschaft nach jenem Fussballer benannt, der in den 70er-Jahren als «The God of Football» gerühmt wurde und bei
seinen Auftritten scheinbar alle Shebeens (illegale Kneipen) leerte. Unweit des Stadions, das der DFB-Auswahl während der Weltmeisterschaft als Trainingszentrum diente, zeigen sich die weniger schmucken Facetten des Township-Lebens: aus Holz, Blech und Karton zusammengefügte Hütten, beschäftigungslose Jugendliche, der tagtägliche Überlebenskampf und die Perspektivlosigkeit. Im Jahre 2008 wurden auch hier bei den landesweiten xenophoben Übergriffen mosambikanische Einwanderer lebendigen Leibes abgefackelt. Kurz vor dem Stadion stoppt uns ein Steward und führt mich in einen Hinterhof, wo aus einem Auto mit halb offenen Scheiben Eintrittstickets zu 40 Rand (Fr. 4.50) verkauft werden. Vor dem Stadion preisen einige wenige Händler Vuvuzelas
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und Fan-Devotionalien der landesweit beliebtesten Klubs Kaizer Chiefs, Orlando Pirates und Mamelodi Sundowns an. Artikel der gastgebenden Mannschaft Supersport United sind nicht im Angebot. 1994, am Ende der Apartheid, kaufte sich die südafrikanische M-Net Television einen lokalen Fussballklub, und seither benutzt sie ihn zu Werbezwecken für ihren gleichnamigen Sportsender Supersport. Das Engagement zeitigte mit drei Meistertiteln in den letzten Jahren beachtlichen Erfolg, doch konnte der seelenlose Retortenklub – allen afrikanischen Gottheiten sei Dank – keine sichtbare Fangemeinde generieren. Mehr Unterstützung, so zeigt sich im Stadion, erfährt der Rekordmeister und Traditionsklub aus dem Township Mamelodi, wegen ihrer gelben Shirts und der blauen Hosen «The Brazilians» genannt. Trotz Derby, trotz Spiel um die Wintermeisterschaft – oder eher um die afrikanische Sommermeisterschaft – ist das Beton-Oval mit 5000 Zuschauern spärlich besucht, wobei geschätzte 4900 davon den Weg aus Mamelodi oder sonst woher im Sammeltaxi auf sich genommen haben. Im ganzen Areal sind – die Haupttribüne ausgenommen – lediglich ein rudimentär eingerichteter Essstand und ein Getränkestand sichtbar. Dazu drei gezählte weisse Zuschauer, mit eth-
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nografischen Studien beschäftigt. Unser Dritter im Bunde, ein mitgereister YBUltra, begeistert sich trotz Leichtathletikbahn an der urtümlichen Stadionarchitektur und den freundlichen und gut organisierten Einlasskontrollen, bemängelt aber gleichzeitig die fehlenden Pyros und die nicht sehr kreativen Zaunfahnen, die nur den Mannschaftsnamen und die jeweilige Provenienz der unterstützenden Branch aufzeigen. Die Jugend halt. «Vermutlich wird auf keinem Kontinent so häufig aus drei Metern Entfernung über die Querlatte oder neben den Pfosten gedroschen wie in Afrika», schrieb 2010 der fussballaffine AfrikaExperte Bartholomäus Grill. Das trifft auf das Spitzenspiel, trotz ungemeiner Hitze, nicht zu. Sehenswerte Ballstafetten und dynamische Einzelvorstösse durch den südafrikanischen Nationalspieler Teko Modise führen schliesslich Mamelodi mit einem 3:1 an die Tabellenspitze. Das Team, seit 2011 geführt von Johan Neeskens, zeigt erfrischenden Fussball, und die Fans, die zwischen Euphorie und Apathie das Spiel verfolgen, singen und tanzen in kleinen Gruppen. Beim Verlassen des Stadions gibt der eine oder andere Fan den weissen Besuchern ein «Thank you! Thank you for coming» mit auf den Weg. Gerne geschehen.
Fussball ist eine schwarze Sache Die nationale Liga, Premier Soccer League (PSL) oder nach dem Bankensponsor ABSA Premiership genannt, ist gemäss ihrem CEO Stanley Matthews die fünfzehntreichste Liga der Welt und die finanzstärkste des ganzen Kontinents. Möglich wurde dies durch den lukrativen Vertrag mit dem Pay-TV-Sender Supersport, der 2007 erstmals abgeschlossen und im Jahre 2011 für weitere fünf Jahre verlängert wurde. Er garantiert jedem Klub eine monatliche Summe von umgerechnet 175 000 Franken. Leider vermochten die gut und aufwendig produzierten Übertragungen, die neuen WM-Stadien und die verbesserte Infrastruktur die Attraktivität der Liga nicht zu steigern. Der Ligadurchschnitt liegt wie vor der Weltmeisterschaft bei 7000 Zuschauern. Gründe dafür sieht Matthews einerseits in den Fernsehübertragungen, andererseits bemängelt er die Qualität des südafrikanischen Fussballs, die magere Torausbeute von 2,1 Toren pro Spiel und bedauert die grosse Konkurrenz durch Rugby und Cricket. Mazola Molefe, der für die Tageszeitung «The Times» die Ligaspiele analysiert, treffe ich in einer der unzähligen Shoppingmalls in Johannesburg. Die WM, so der Journalist, sei eine wunderbare Sache für Südafrika und für den ganzen afrikanischen Kontinent gewesen. Leider zeige sie aber nur wenig Nachhaltigkeit. Arbeitsplätze seien vor und während der WM entstanden, mit dem Abzug des FIFATrosses aber wieder verschwunden. In den viel kritisierten überdimensionierten Stadien sieht er dennoch mittelfristig ein gewisses Potenzial für die Liga und das Land. Südafrika habe der Welt gezeigt, dass Afrika solche Grossanlässe durchführen könne, und die besseren Rahmenbedingungen könnten der Liga früher oder später von Nutzen sein. Des Weiteren würden gewisse Stadien für Konzerte, Rugbyspiele und Länderspiele genutzt. 2013 werde der Afrika-Cup in Südafrika ausgetragen, und die Soweto-Giganten Kaizer Chiefs und Orlando Pirates würden ihre Spiele ab und zu in eher verwaiste Stadien verlegen. Auf die Fans angesprochen, auf deren
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Verhalten und darauf, ob nach der WM mehr weisse Fussballfans den Weg ins Stadion gefunden hätten, entgegnet mir der 26-Jährige mit einem herzhaften afrikanischen Lachen: «My friend, Fussball in Südafrika ist eine schwarze Angelegenheit, mit einigen weissen Spielern und einer Handvoll weissen Zuschauern. So war es immer, und daran hat die Weltmeisterschaft nichts verändert.» Eine Fahrt auf einem teilweise achtspurigen Highway führt mich ins Trainingszentrum des aktuellen Tabellenführers Mamelodi Sundowns. In Midrand, einem Aussenbezirk von Johannesburg, residiert der momentan wohl reichste Klub der PSL. Der 50-jährige Vereinsprä-
sident Patrice Motsepe, aufgewachsen in einem Township, wurde kurz nach Ende der Apartheid Inhaber von mehreren Bergbauunternehmen und ist mittlerweile alleiniger Besitzer des Klubs. Sein Medienkommunikator Thulani Thuswa zeigt mir voller Stolz das Trainingsgelände und entschuldigt sich für die Abwesenheit des Coaches Johan Neeskens, der mitten in der Saisonvorbereitung in Polokwane weilt. «Nein, die Weltmeisterschaft hat auf unseren Klub, unser Team, weder finanziell noch sportlich Auswirkungen gehabt. Wir haben keine Zuschauer dazugewonnen, auch keine weissen.» Der momentane Zuschauerdurchschnitt liegt bei 12 700. Die Stadionfrage scheint ihn
auch nicht sehr zu belasten. «Wir spielen momentan im WM-Stadion Loftus Versfeld, weil es zentral gelegen ist. Wir werden aber, sobald die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, wieder in unserem Heimstadion im Township Mamelodi antreten.» Und die Fans? «Schau, my man», sagt Thulani, «das grosse Problem des südafrikanischen Fussballs ist, dass die jungen Leute nicht mehr ins Stadion kommen. Wir haben wie die meisten Klubs grossmehrheitlich Leute mittleren Alters an den Spielen. Die Jungen hängen in Clubs rum, ziehen sich womöglich den englischen Fussball rein und sind natürlich finanziell nicht auf Rosen gebettet.» Rund 50 Prozent der schwarzen Jugendlichen sind arbeitslos. Im Verlaufe des Gespräches gesellt sich noch der sympathische Brian Baloyi, von Thulani als «Spider-Man» vorgestellt, zu uns. Der langjährige Torhüter der Nationalmannschaft hat kürzlich seine Karriere beendet und ist nun für das Marketing der Sundowns verantwortlich. Er erzählt von seinen 300 Ligaspielen und seinen Einsätzen in der Nationalmannschaft. Gründe für das Ausbleiben der Fans sieht er in der Erhöhung der Eintrittspreise und den miserablen Leistungen der südafrikanischen Nationalmannschaft, der Bafana Bafana. Nach der Weltmeisterschaft wurden die Eintrittspreise landesweit um 100 Prozent erhöht. «Vor der WM kostete ein Eintritt 20 Rand (Fr. 2.30), jetzt 40 Rand, und», fügt er schallend lachend hinzu, «seit ich nicht mehr in der Bafana Bafana spiele, läuft eh nichts mehr.» Die Nichtqualifikation für den Afrika-Cup 2012 war der letzte Tiefschlag für die Nationalmannschaft und wohl den ganzen südafrikanischen Fussballverband (SAFA). Nach einem 0:0 gegen Sierra Leone im letzten Spiel der Qualifikation glaubte man sich qualifiziert. Nationaltorwart Khune hatte minutenlang das Spiel verzögert, um das Remis über die Runden zu bringen. Die Spieler drehten Ehrenrunden, die Fans in Nelspruit jubelten ekstatisch, bis Stunden nach dem Match ein Funktionär dem südafrikanischen Volk, den Spielern und dem Trainer zähneknirschend die Regeln bei Punktegleichstand erläuterte.
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Offensichtlich lebt die nationale Liga vor allem von den grosszügigen Fernseheinnahmen. Die drei Zuschauerkrösusse Kaizer Chiefs, Orlando Pirates und Mamelodi Sundowns bescheren bei ihren Auftritten den Ligakonkurrenten zumindest ansprechende Zuschauereinnahmen. Die durchschnittlichen Spielergehälter belaufen sich auf etwa 60 000 Franken pro Jahr, ein ansehnliches Salär für südafrikanische Verhältnisse. Viel mehr kassieren einige Topspieler der Liga wie Benni McCarthy, Luís Boa Morte und Siphiwe Tshabalala, der das erste Tor der WM 2010 erzielte. Sie verdienen geschätzt eine halbe Million Franken im Jahr. 40 Millionen schwarze Fans und Bruce Wir fuhren vorbei an den Drakensbergen, durchquerten Halbwüsten, überwanden Highways und Löcherpisten, streiften Kudus und wichen Zebras aus, um ihn ausfindig zu machen. Im tiefsten KwaZulu Natal, inmitten der historischen Schlachtfelder, wo sich im 19. Jahrhundert die Zulus mit den Engländern und den Buren stritten, wo um die 40 Prozent der Bevölkerung mit dem HI-Virus leben, wo sich vor fünf Jahren die jungen Frauen noch oberkörperfrei in der Öffentlichkeit bewegten (was sich heutzutage nur noch die männlichen Fussballfans getrauen) und wo der Zulu heutzutage noch mehrere Frauen heiraten darf, treffen wir Bruce, 48-jährig, weiss, Fussballfan. Auf die Fussball-WM angesprochen, präsentiert sich Bruce stolz in einem Maritzburg-UnitedShirt und bewaffnet sich mit einer Vuvuzela. Der Geschäftsführer einer Lodge mit wunderbaren Bungalows, eingebettet in die faszinierende Hügelwelt, verfolgt seit Mitte der 90er-Jahre die fussballerischen Überlebensübungen seines Heimklubs. Wahrlich, Bruce ist kein Modefan. Das Motto seines Klubs «Through thin and thinner» sollte dafür Beweis genug sein. Maritzburg United, aus der Stadt Pietermaritzburg, bewegt sich sportlich immer im hinteren Mittelfeld der Tabelle. Der Trainer, der deutsche Ernst Middendorp, der deutsche Globetrotter, wurde entlassen, als er sich öffentlich über seine Spieler mokierte. Zehn Monate später wurde er
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aber erneut engagiert. Sachen gibts. Das Heimstadion wurde im Zuge der WM ebenfalls aus- und umgebaut. Durchschnittlich unterstützen um die 6000 Fans den Klub. «Nur wenn die Chiefs oder die Pirates ein Gastspiel geben, füllt sich das Stadion», erläutert uns Bruce, der die Anzahl der weissen Maritzburg-Fans auf doch beträchtliche 400 schätzt. Über die Fussballweltmeisterschaft ist Bruce des Lobes voll. Klar sei die Sache mit den überdimensionierten Stadien und deren Unterhalt noch nicht gegessen. Aber die Stimmung vor und während der WM habe Weiss und Schwarz etwas geeint, «äh... zumindest ein bisschen mehr Verständnis füreinander geschaffen». Zudem ist Bruce überzeugt, dass Südafrika dank der perfekten Durchführung der WM bald die Olympischen Spiele in Durban veranstalten werde. Und wegen der Mehreinnahmen durch den Tourismus habe die eine oder andere touristische Einrichtung die Folgen der Weltwirtschaftskrise überstanden. Im Jahre 2010 kamen 8,1 Millionen Besucher nach Südafrika, rund 15 Prozent mehr als im Vorjahr. Als positive Folge der WM sieht Bruce auch die veränderte kollektive Selbstwahrnehmung der Südafrikaner in Bezug auf den afrikanischen Kontinent. Nach dem Ausscheiden der eigenen Nationalmannschaft habe sich die Unterstützung auf das erfolgreichere Ghana verlagert. BaGhana BaGhana habe die sonst eher chauvinistische Sichtweise der Südafrikaner auf andere afrikanische Länder und Leute und den Kontinent erheblich verändert. Meine investigative Arbeit wurde aber plötzlich durch meinen Begleiter unterbrochen, der sich völlig dehydriert nach einem kubanischen Rum erkundigte. Irgendeine Synapse meldete sich bei mir, und mein Einwurf bezüglich der heroischen Schlacht der Kubaner gegen die südafrikanische Armee 1988 in Angola brachte das Fussballgespräch definitiv zum Stillstand. Fortan versuchte Bruce die Niederlage in der Schlacht bei Cuito Cuanavale mit neuesten Erkenntnissen von russischen Zeitzeugen und seinen profunden Kenntnissen der ehemaligen südafrikanischen Waffenindustrie schön-
zureden, ja zu widerlegen. Als er uns auch noch den Einsatz des Pilatus Porter im angolanischen Bürgerkrieg vorwarf, traten wir den halb geordneten Rückzug an. Bruce humpelte davon. «Siehst du, er war dabei», flüsterte ich meinem Kollegen zu. Worauf er sich verständnislos an mich wandte: «Maritzburg gegen wen?» Gute Nacht. Bin Laden am Soweto-Derby «Gibt es ein schöneres Stadion auf der Welt?», fragt mich mein afrikanischer Begleiter. Wir stehen vor dem Stolz Sowetos und womöglich ganz Johannesburgs. Das von der Form her an eine Kalebasse erinnernde Soccer City oder FNB-Stadion ist zu einem Wahrzeichen Südafrikas geworden. Der heisse Sommertag und der aufgewirbelte Staub des ockerfarbenen Minenaushubs ringen mir eine partielle Zustimmung ab. Trockenen Halses gehen wir an den ambulanten Händlern vorbei, die Vuvuzelas, verzierte Minenarbeiterhelme und sonstigen Kopfschmuck beider Teams verkaufen. Der erste Schlag streift mich bereits beim Treffen der beiden befreundeten Paare aus Soweto. Die Männer erscheinen in den gelb-schwarzen Kaizer-Chiefs-Shirts, während die beiden Frauen die schwarzen OrlandoPirates-Trikots tragen. Dasselbe Bild zeigt sich auch im grossen Rund des Stadions, das nur zu zwei Dritteln, also mit etwa 60 000 Zuschauern, gefüllt ist. Ausser hinter den Toren sitzen oder stehen die Fans der beiden Erzrivalen nebeneinander. Kauzige Gestalten, verkleidet als Priester in vereinsfarbenen Talaren mit Kruzifixen und Bibeln in der Hand, beten um göttlichen Beistand. Geschminkte Skelette wirbeln durch die Zuschauerränge. Fans mit verzierten Minenhelmen singen um die Wette. Larventräger mit Bin-Laden- und Nelson-Mandela-Konterfeis erschrecken mit martialischen Gesten den sportlichen Gegner, und – es muss wohl die Hitze sein – auch eine Moritz-Leuenberger-Maske geistert durch die Reihen. Mit grossen Telefonen und Plüschtieren werden übersinnliche Kräfte mobilisiert, mit Mitteilungen auf Plakaten wird um die Aufmerksam-
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keit der TV-Kameras gebuhlt. Das Spiel wird zur eigentlichen Nebensache. Man schaut, schwatzt, trötet, tanzt, singt, dann passiert ein Tor, man rastet aus. Das alles friedlich und durch wenig Polizeipräsenz gestört. Weisse Zuschauer sind nur wenige gekommen. Immer wieder werden in kleinen Gruppen Songs auf Zulu und Sotho angestimmt. Der Klassiker: das Bergarbeiterlied «Shosholoza», das von den beiden rivalisierenden Gruppen gesungen wird. Daneben intonieren die Anhänger adaptierte ANC-Songs, tanzen zu Gospelmelodien («Oh God, help us with blessings; now is the time to play, help us all») und würdigen den Torwart, den Trainer und die besten Spieler in einem Zulu-Song: «We told them, Kaizer Chiefs are coming; we told them, Shabba is coming... ». Das unterhaltsame Fussballspiel neigt sich dem Ende zu, die Kaizer Chiefs gewinnen, und ihre Fans necken die geschlagenen Brüder und Schwestern aus Soweto. Auf dem riesigen Parkplatz werden mit Bier und dröhnender Musik aus den Sammeltaxis der Sieg und die Niederlage gefeiert. Einzig die Rückfahrt wird zu einem Hindernislauf, da die gesamte Strasse plötzlich zur Einbahnstrasse wird. Es gibt uninteressantere Sachen als in einem Stau in Afrika zu stecken, denke ich mir mit stoischer afrikanischer Gelassenheit.
Katerstimmung nach der WM? Ja, es herrscht Katerstimmung am Kap. Schuld daran ist aber nicht (nur) die FIFA und sind auch nicht die horrenden Kosten der Fussballweltmeisterschaft. Es fällt schwer, eineinhalb Jahre nach dem Grossanlass auf der Strasse, in Townships, an der Universität oder auf dem Fussballplatz Leute zu finden, die wünschten, die Weltmeisterschaft hätte nie stattgefunden. Zu gross ist der Stolz der schwarzen Bevölkerungsmehrheit, dass dieser Anlass in ihrem afrikanischen Land erfolgreich durchgeführt wurde. Klar haben sich viele Kapbürger einen ökonomischen Nutzen versprochen, waren perplex über das rigide Diktat der FIFA und bemängeln die fehlende Nachhaltigkeit, doch es überwiegt die Freude über das Geschehene. Aber vielleicht trifft die blumige Betrachtung von Thulani eher Volkes Seele. Der Mediensprecher der Mamelodi Sundowns beschrieb die WM folgendermassen: «Es war wie ein MichaelJackson-Konzert. Du freust dich ungemein auf den Gig, bezahlst einen stattlichen Preis für einen bestenfalls mediokren Platz, verfolgst halb euphorisiert das Geschehen, und wenig später ist es vorbei.» Die weissen Elefanten in Nelspruit und Kapstadt, die überdimensionierten und nach der WM weitgehend nutzlos gewordenen Stadien und deren hohe Unterhaltskosten sind die offensichtlichsten Kleckse
der Weltmeisterschaft. Vielleicht sollte man aber dieses Thema etwas mehr afrikanisch und weniger ökonomisch angehen und sich an den umtriebigen Erzbischof Desmond Tutu halten, der meinte: «In Afrika passiert so viel Negatives. Wenn wir deshalb [wegen der WM] weisse Elefanten haben, soll es halt so sein.» Leider scheint der nationale Fussball, abgesehen von der verbesserten Infrastruktur, nicht sonderlich profitiert zu haben. Die Zuschauerzahlen stagnieren, die Qualität der Matches ist ein Auf und Ab, und die Aktionen der Spieler sind bisweilen herausragend, häufig katastrophal. Die Organisation der Spiele ist aber seit der Weltmeisterschaft ordentlich und einladend. Katerstimmung herrscht, weil das Land 17 Jahre nach Ende der Apartheid die ungleichsten Einkommensverhältnisse der Welt aufweist. Oder anders ausgedrückt: Die rassistische Apartheidpolitik ist einer ökonomischen Apartheid gewichen. Die Literaturnobelpreisträgerin Nadine Gordimer brachte es in einem Interview mit der «Frankfurter Rundschau» auf den Punkt: «Die Leute brauchen Brot und Spiele. Die WM hat den Leuten wunderbare Spiele beschert, und das freut mich. Aber was das Brot angeht, hat sich an den riesigen Problemen für die armen Menschen in Südafrika nichts geändert.» Die immense Jugendarbeitslosigkeit und der desaströse Zustand des Arbeitsmarktes manifestierten sich kürzlich im WM-Austragungsort Bloemfontein, als sich auf eine Ausschreibung hin 10 000 Stellensuchende um Arbeit balgten. Es gab 69 Verletzte und 30 Festanstellungen. Friedlicher wird es bestimmt am 19. Februar in Port Edward zu- und hergehen, wenn die Piraten aus Soweto in der afrikanischen Champions League auf den angolanischen Meister Grupo Recreativo do Libolo treffen. Am Staatstheater in Tshwane wird dann womöglich immer noch «Dornröschen» aufgeführt, und in einem Vorortspub besingt wahrscheinlich ein burischer Countrysänger das harte Farmerleben, die feschen Burentöchter und die Zeiten, als der Baas noch ein Baas und der Kaffer noch ein Kaffer war. Und ich – guess what?
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Der Casanova
Der Star
wesley
Der Altmeister
Der r端ckkehrer
Der Jungspund
adriano
lucas
Der Dicke
NER love
NEYMAR ronaldinho
matchbericht
VA
weltreise: Brasilien
Eine Liga wie eine Telenovela Text: Fabian Ruch Fotos: Imago, zvg
Knapp zweieinhalb Jahre vor der WM in Brasilien erlebt das Gastgeberland einen gewaltigen Wirtschaftsboom. Das wirkt sich auch auf die heimische Liga aus.
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ie Meldung sorgte Anfang Februar für Erstaunen: Der brasilianische Mittelfeldspieler Wesley, bei Werder Bremen zuletzt bloss noch Tribünengast, wechselt für rund 7,5 Millionen Franken Ablösesumme zurück in seine Heimat. Bei Palmeiras São Paulo will der erst 24-jährige zweifache Nationalspieler seine Karriere neu lancieren. Wesley ist das aktuellste Beispiel für eine spektakuläre Trendwende. Brasiliens Fussballklubs verkaufen nicht mehr nur ihre besten Kräfte, sie kaufen auch fleissig Spieler im besten Fussballeralter teuer ein – oder entlöhnen sie zumindest grosszügig. Naldo, ein anderer Brasilianer in Diensten Bremens, wollte in der Winterpause ebenfalls zurück nach Hause, doch in seinem Fall konnten sich die Vereine nicht über die Transfermodalitäten einigen. «Aber Naldo hätte in Brasilien deutlich mehr als bei uns verdienen können», sagte Werder-Manager Klaus Allofs über seinen Verteidiger, der bereits in der Bundesliga ein jährliches Millionensalär kassiert. Und Allofs meinte: «Im brasilianischen Klubfussball ist richtig viel Geld vorhanden.»
Neymar ist immer noch da Wesley vermochte sich in der Bundesliga nie durchzusetzen, doch er ist bei Weitem nicht der einzige hochbegabte Brasilianer, der sich in Europa schwertat. Spielmacherjuwel Thiago Neves beispielsweise erwies sich in Hamburg einst als Millionenflop, schaffte aber nach einem Gastspiel bei Al Hilal-Riad in Saudi-Arabien zuletzt bei Fluminense den Sprung zurück ins Blickfeld des Nationalteams. «Ich war damals mit 23 Jahren nicht bereit für das Leben in Deutschland», sagt der 26-Jährige heute. «Und jetzt gefällt es mir in Brasilien ausgezeichnet. Ich muss nicht mehr unbedingt zurück nach Europa gehen.» Hinter dem überragenden Fred, dem früheren LyonTorjäger, brillierte Neves in der letzten Saison, die Fluminense als Dritter beendete. Beim grossen Rivalen aus Rio, Flamengo, zog derweil ein erstarkter Altmeister Ronaldinho, 31 Jahre alt, elegant und torgefährlich die Fäden. Früher wäre ein Spieler seiner Sonderklasse erst mit 35 Jahren zurück in die heimische Liga gewechselt, jetzt träumt der Superstar sogar wieder von der Teilnahme an der WM 2014 im eigenen Land. «Das Niveau in Brasilien ist ausge-
zeichnet», sagt Ronaldinho, der in seiner Heimat insgesamt weit über 10 Millionen Franken im Jahr an Spielerlohn und Werbegagen einnimmt. Vor wenigen Wochen erst erhielt die bereits vorzüglich besetzte Offensive Flamengos zudem weitere Verstärkung, als Stürmer Vágner Love für rund 12 Millionen Franken Ablösesumme von ZSKA Moskau verpflichtet wurde. Vágner Love, der seinen eigenwilligen Künstlernamen seinem abwechslungsreichen Liebesleben verdankt, tauschte den kalten Arbeitsplatz in Moskau mit einer fantastischen und ebenfalls sehr gut bezahlten Anstellung im wunderbaren Rio de Janeiro. Die begabten Offensivspieler Fred und Vágner Love sind beide 27 Jahre alt, und sie sehen ihre Nationalmannschaftsambitionen gleichfalls nicht mehr gefährdet, wenn sie nicht mehr im europäischen Schaufenster stehen. Und Neymar, derzeit der spektakulärste brasilianische Fussballspieler, wird seit Langem Halbjahr für Halbjahr als Verstärkung bei globalen Grössen wie Real Madrid und Barcelona gehandelt, hat aber bisher noch allen Avancen widerstanden. Kein Wunder: Bei Santos soll er über 7 Millionen Franken pro Saison verdienen, netto selbstverständlich – und dabei sind die gewaltigen Werbeeinnahmen des beliebten, seit Anfang Februar 20 Jahre jungen Dribblers noch gar nicht eingerechnet. «Um ein echter Superstar des Weltfussballs zu werden, muss Neymar aber bald zu einem europäischen Spitzenverein gehen», sagt Ronaldo, der frühere Weltfussballer. «Denn nur bei Real Madrid oder Barcelona
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kann er sich international einen Sonderstatus erarbeiten.» Vom Wirtschaftsboom profitiert Neymar wird bestimmt nach Europa wechseln, doch sein langer Verbleib in Brasilien verdeutlicht nur die massiv gestiegene Attraktivität der brasilianischen Meisterschaft. Die Brasileirão A hat sich zu einem beachteten, ausgezeichnet vermarkteten Produkt entwickelt – endlich ist auch eine gewisse Struktur vorhanden und wechseln die Anzahl teilnehmender Mannschaften oder der Modus nicht jährlich. 20 Teams, darunter alle Traditionsvereine mit klingenden Namen, werden 2012 den Meister ausspielen, und weil es Land und Leuten dank des aussergewöhnlichen Wirtschaftsaufschwungs Brasiliens so gut wie noch nie geht, stimmen auch die finanziellen Zahlen. TV-Gigant Globo pusht wie viele weitere Unternehmen die Liga, dazu werden die Teams deutlich professioneller geführt. Natürlich stehen teilweise immer noch zwielichtige Baulöwen oder andere schwerreiche Exzentriker an der Spitze der Vereine, natürlich wirken manche der vielen Transfers undurchsichtig, und natürlich werden im hektischen Tagesgeschäft immer noch überdurchschnittlich viele Trainer entlassen – aber nicht mehr über 50 in einem Jahr wie noch vor Kurzem. Fussballzeitungen wie «Lance» produzieren jeden Tag seitenweise Geschichten und Gerüchte und Schlagzeilen, der Ligaalltag wird wie eine Seifenoper präsentiert, und genau darauf stehen die Brasilianer ja besonders. Ein Ende des Aufschwungs ist jedenfalls nicht auszumachen, im Gegenteil, der Wirtschaftsboom
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geht weiter, zudem heizen die Olympischen Spiele 2016 in Rio und vor allem die WM 2014 in Brasilien die Sportbegeisterung weiter an. Zumal der Standard der Spielstätten durch die im Hinblick auf die WM gebauten Arenen erheblich verbessert wird. Viele Spiele, tieferes Tempo Die Stimmung in den brasilianischen Stadien ist oft heissblütig, zuweilen explosiv, derart massive Fanausschreitungen wie in Argentinien aber gibt es nicht. Und weil in den diversen Bewerben sehr viele Partien ausgetragen werden und die Personenkontrollen äusserst scharf sind (Tickets gibt es nur gegen Vorweisen eines Ausweises), verzichten mittlerweile viele Anhänger auf den regelmässigen Besuch der Spiele. Als es Anfang Dezember am letzten Spieltag im Fernduell zwischen Corinthians São Paulo und Vasco da Gama aus Rio um den Titel ging, herrschte dafür in den Kneipen an der Copacabana Volksfeststimmung. Und als Corinthians schliesslich die Meisterschaft feierte, mussten sich die enttäuschten Vasco-Anhänger überdies den Spott der Supporter der Rio-Rivalen Flamengo, Fluminense und Botafogo anhören. Sowieso sind die regionalen Meisterschaften, die immer Anfang Jahr ausgetragen werden, zumindest für Klubs aus Rio de Janeiro und São Paulo (wie Corinthians, Santos, Palmeiras oder FC São Paulo) mindestens so wichtig wie das nationale Championat, das von Mai bis Ende Jahr dauert. Und weil sich in der Brasileirão am Ende weit über die Hälfte aller 20 Teams für einen kontinentalen Bewerb wie die Copa Libertadores oder die Copa Sul-Americana qualifizieren und
es auch noch einen nationalen Pokalbewerb gibt, bestreiten nicht nur Nationalspieler in einem Kalenderjahr locker über 60 Partien. Das Tempo in den Partien ist deshalb – und wegen der klimatischen Verhältnisse – teils deutlich tiefer als in Europas Topligen. Es wird immer noch stark auf Ballhalten gesetzt, Kontertore sind selten, und auch taktisch agieren die meisten Teams anders als europäische Mannschaften. So gehören sehr offensive Aussenverteidiger – wie früher Roberto Carlos oder heute Dani Alves – zum Standardprogramm, während die Offensivstars sich eher nicht mit Beharrlichkeit der Defensivarbeit widmen. Fussballkulturell jedenfalls trennt Brasilien immer noch sehr viel von Europa, darum brauchen die Künstler vom Zuckerhut manchmal auch relativ lange, um sich ans Leben fernab der Heimat zu gewöhnen. Adriano ist vielleicht das prominenteste Beispiel dafür, doch auch zurück in Rio verfällt der bullige Stürmer – wie überraschend – zu oft den Verlockungen der Nacht und des süssen Lebens. Zum Trainingsstart Ende Januar erschien der Angreifer von Corinthians mit einem stattlichen Kampfgewicht von 105 Kilogramm – und das war erst noch die offizielle Version für die Medien. Der 29-Jährige soll jetzt einige Monate aufgebaut werden, doch es erscheint äusserst fraglich, ob der einstige Weltklassemann noch einmal seine Bestform erreicht. Zu stark, mächtig und gross ist die Brasileirão geworden, als dass ein Altstar einfach noch gemütlich seine Karriere ausklingen lassen könnte. Wesley ist auf jeden Fall längst nicht der letzte Brasilianer, den es früh zurück in die Heimat zieht.
weltreise: Brasilien
Mission «Hexa campeão» Vielleicht ja so: Júlio César (Inter); Dani Alves (Barcelona), Thiago Silva (Milan), David Luiz (Chelsea), Marcelo (Real Madrid); Ramires (Chelsea), Ganso (Santos); Robinho (Milan), Kaká (Real Madrid), Neymar (Santos); Pato (Milan). Nein, das ist keine Weltauswahl, es ist bloss eine der unzähligen Möglichkeiten, wie das brasilianische Team an der WM 2014 im eigenen Land aussehen könnte. Mano Menezes ist 49-jährig, und wenn er in zweieinhalb Jahren noch als Nationaltrainer im Amt ist, hat er schon viel erreicht. «So eine lange Zeit mit fast nur Testspielen ist sehr schwierig», sagt Menezes, der nach einigen missglückten Auftritten in Freundschaftsbegegnungen letztes Jahr heftig in die Kritik geriet. Es ist ja bei geschätzten 195 Millionen heimlichen Nationaltrainern im 195-MillionenMenschen-Land Brasilien nicht ganz so einfach, einen tadellosen Job zu verrichten. Menezes ist ein ruhiger, freundlicher Typ, und er setzt mehr auf die Offensive als sein bei den Landsleuten ungeliebter Vorgänger Dunga, der an der WM 2010 bereits im Viertelfinal an Holland scheiterte. Menezes betrachtet die aktuelle Phase als Zeit für Experimente. Der Coach erklärt, auf seiner
Liste seien derzeit noch rund 80 Akteure, wobei es nicht ausgeschlossen ist, dass sich noch ein heute relativ unbekanntes Talent ins WM-Kader 2014 spielt – schliesslich wurde die brasilianische U20-Auswahl letztes Jahr Weltmeister. «Die Türe ist nie zu», sagt Menezes, «wir beobachten Spieler auf der ganzen Welt.» Eigentlich will Mano Menezes sein WM-Team um die junge Garde um die Supertalente Neymar und Ganso aufbauen. Doch als im Vorjahr die Rückkehr der arrivierten Kräfte Lúcio oder Maicon und vor allem der Superstars Ronaldinho und Kaká gefordert wurde, knickte Menezes teils ein. Ronaldinho jedenfalls gehört gerade wieder zum engeren Kreis. In der Offensive hat Menezes so oder so eine grandiose Auswahl, und es wird vor allem darum gehen, die richtigen Partner für Neymar zu finden. Hulk, Fred, Nilmar, Willian, Renato Augusto, Leandro Damião, Vágner Love oder Coutinho sind weitere Kandidaten – und ganz viel hält man in Brasilien vom 19-jährigen Regisseur Lucas von São Paulo. In der zentralen Defensive könnten Thiago Silva und David Luiz ein exzellentes Bollwerk bilden, Dani Alves oder Maicon sind rechts hinten
Weltklassekräfte, doch es gibt auch einige Problemzonen. Torhüter Júlio César wird 2014 fast 35 Jahre alt sein, und seine Formkurve zeigte zuletzt nach unten. Hinten links sucht Fussballbrasilien seit dem Nationalteamrücktritt von Roberto Carlos vor einigen Jahren nach einer Lösung – der giftige, aber gleichfalls sehr offensive Marcelo könnte sie sein. Und ausgerechnet im zentralen defensiven Mittelfeld, dem Schaltzent rum des modernen Fussballs, fehlt Brasilien derzeit ein Weltklassemann. Kandidaten wie Sandro (22, Tottenham), Lucas Leiva (25, Liverpool) oder Luiz Gustavo (24, Bayern) sind aber wie Ramires (24) und Ganso (22) nicht am Ende ihrer Entwicklung. Noch bleibt dem ersten unter 195 Millionen Nationaltrainern Zeit, die richtige Mischung zu finden – Mano Menezes dürfte froh darum sein. Denn das grosse Ziel der Seleçao ist es, den Wunsch einer ganzen Nation zu erfüllen und 2014 im Maracanã-Stadion in Rio den sechsten WM-Titel zu gewinnen. «Hexa campeão» nennen das die Brasilianer, und getilgt wäre dann auch die brutale Schmach des verpassten WMTitels 1950 beim 1:2 gegen Uruguay vor über 200 000 Zuschauern an gleicher Stätte. (fru)
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07.10.11 08:31
Brasil vs. Blatter Text: Amauri Segalla, Alan Rodrigues, Pedro Marcondes de Moura (Courrier international)/ Übersetzung: Wolf Röcken / Bilder: Keystone
Die FIFA stellt Bedingungen für die WM 2014. Zwischen Brasiliens Präsidentin Rousseff und Sepp Blatter tobt ein heisses Duell.
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Monate geht es noch bis zum ersten Anpfiff an der Fussball-WM in Brasilien. Doch der Kampf zwischen dem Land und der FIFA wütet schon längst. Der Weltfussball-Verband fordert einmal mehr eine ganze Reihe staatlicher Massnahmen im Hinblick auf den Grossanlass. Nur: Sollten sie alle konsequent durchgesetzt werden, gäbe es in Brasilien während des Turniers eine Art Parallelstaat. Die FIFA fordert Brasilien nicht nur auf, nationale, regionale und kommunale Gesetze anzupassen oder aufzuheben. Sie will auch die Auswahl der Sponsoren auf jeder Ebene mitbestimmen – und sogar neue Straftatbestände im brasilianischen Strafgesetzbuch festschreiben lassen. Für die Sympathisanten der FIFA, unter ihnen sind auch die Funktionäre des Brasilianischen Fussballverbands, ist es ganz selbstverständlich, diese Auflagen zu akzeptieren. Denn schliesslich hat ihnen der Weltfussball-Verband den weltgrössten Sportanlass ins Land gebracht. Die FIFA-Kritiker hingegen sehen durch die Auflagen nicht weniger als die Souveränität des Landes gefährdet. Die Profit-Fabrik, die Gesetze macht Ende September haben sich die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, Sportminister Orlando Silva und FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke in Brüssel getroffen, um über die strittigsten Punkte zu reden. Rousseff zeigte sich dabei bereit, einige Anliegen aufzunehmen und im Kongress
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zu diskutieren. Bei anderen Punkten stellte sie sich hingegen stur. Etwa, als es um ein Sonderrecht der über 60-Jährigen in Brasilien ging. Diesen ist im Land nämlich ein Eintritt zum halben Preis für alle kulturellen und sportlichen Veranstaltungen garantiert. Eine Regel, mit der die FIFA nichts anfangen kann, will sie doch die totale Kontrolle über den Ticketverkauf und die Preise. Es war aber nicht das einzige Schlachtfeld, das die Präsidentin an jenem Treffen eröffnete. Sie sei auch nicht bereit, nur ein Komma bei den Regeln des brasilianischen Verbraucherschutzes anzupassen, sagte Rousseff. Auch hier steht die FIFA vor einem Problem, wenn sie für Vorrunden-Partien weiterhin KombiTickets verkaufen will. Denn genau das ist im brasilianischen Gesetz streng verboten. Das Machtgebaren der FIFA beunruhigt die Vertreter diverser Branchen. «Wir können uns dem FIFA-Diktat nicht beugen», sagt etwa Wadih Damous, Präsident des Anwaltverbands von Rio de Janeiro, «die FIFA steht nicht über dem nationalen Recht.» Rechtliche Unklarheiten gibt es im riesigen Land Brasilien auch, weil in den einzelnen Teilstaaten zum Teil verschiedenes Recht gilt. Es liegt zwar an Präsidentin Rousseff, ob der Staat die allgemeinen Bedingungen der FIFA akzeptiert oder nicht. Aber lokale Besonderheiten kann auch Rousseff kaum ändern. Und deren gibt es einige: etwa Halbpreis-Garantien für Studenten oder spezifische Regeln für den Verkauf von Alkohol in den Stadien.
Jedermann ist aber überzeugt, dass die FIFA einen Studententarif niemals akzeptieren wird. «Ich habe gehört, dass FIFAMitglieder klarmachten, dass keine wichtigen Spiele bekommt, wer an solchen Reduktionen festhält», sagt der Sportkoordinator der brasilianischen Host Cities. Die Non-Profit-Organisation FIFA zeigt im Vorfeld der WM ihr wahres Gesicht als Geldfabrik zum Nutzen ihrer Chefs. Immer wenn wirtschaftliche Interessen betroffen sind, reagiert die FIFA heftig. Allen voran Boss Sepp Blatter. Dieser gab vor Kurzem seiner Besorgnis Ausdruck, dass er über den Rückstand der Arbeiten in Brasilien besorgt sei. Und zwischen den Zeilen gab er auch zu verstehen, dass Brasilien im Fall der Fälle die WM durchaus auch noch verlieren könnte. In Tat und Wahrheit geht es ihm mit solchen Äusserungen nur darum, ein Zeichen der Stärke an Präsidentin Rousseff auszusenden: «Es ist zur Regel geworden, dass sich ein FIFAMitglied kritisch zur brasilianischen Infrastruktur äussert, sobald sich die Regierung weigert, eine Anordnung zu akzeptieren», sagt ein Direktor einer Host City. In der Tat könnte auch eine grosse und wichtige Stadt wie São Paulo unter den Sanktionen der FIFA leiden. Das Gesetz «Saubere Stadt» verbietet in der Stadt Plakate und Poster an den Fassaden und an Gewerbebauten. Man muss nicht Hellseher sein, um vorauszusehen, dass dieses Gesetz die Marketingpläne der 20 kommerziellen FIFA-Partner ziemlich fundamental durchkreuzt. Was tun? Das Gesetz ändern? Hinter den Kulissen wird die Stadt offenbar unter massiven Druck gesetzt. Es steht die Drohung im Raum, dass São Paolo das Eröffnungsspiel abgeben muss. Obwohl Rousseff mit mehr Widerstandslust agiert als ihr Vorgänger Lula,
weltreise: Brasilien
hat die FIFA bereits einige Schlachten gewonnen. Der offizielle Bierbrauer des Verbands zum Beispiel hat die Exklusivrechte für den Ausschank in den Stadien erhalten. Interessantes Detail: In der brasilianischen Meisterschaft ist der Verkauf von alkoholischen Getränken seit 2008 verboten. Viele brasilianische Bundesstaaten und Städte haben ihre eigenen Gesetze, was den Alkoholkonsum angeht. Können sie sich dem FIFA-Regime widersetzen? Wahrscheinlich nicht immer. «Wenn die Kommunen nicht nachgeben, werden sie wohl keine Spiele erhalten», sagt Francisco Müssnich, rechtlicher Berater des WM-Organisationskomitees, entwaffnend ehrlich. Sondergerichte für die WM Südafrika und Deutschland, die letzten beiden Veranstalterländer, fügten sich den meisten Anforderungen, und die FIFA demonstrierte bedingungslosen Respekt gegenüber ihren Sponsoren. Für die WM in Brasilien schlägt sie ausserdem noch vor, eine bis zweijährige Strafe einzuführen gegen alle jene, die das Image eines Sponsors negativ beeinträchtigen. Der Weltverband will sogar Sondergerichte für juristische Verfahren schaffen. «Die Zeiten, als sich Brasilien jedem internationalen Druck beugte, sind vorbei», hält hingegen Alexandre de Assis Camanho fest, der Präsident des nationalen Verbands der Prokuristen. «Nachzugeben, hiesse, unsere
Souveränität zu untergraben.» Uni-Professor Robert Alvarez sieht in den FIFAManövern eine gezielt geführte Kampagne. Bei der Wahl der Austragungsländer könne man die Tendenz feststellen, die WM an strukturell schwächere Länder zu vergeben, sagt Alvarez. An Länder, die in der Liste der korruptesten Staaten auftauchen, wie Südafrika, Katar und Russland. Brasilien habe eine einzigartige Chance, zu beweisen, dass es nicht Teil dieser Gruppe ist. Dunkle Geschäfte im Zusammenhang mit der WM sind keine Seltenheit. Beim Bau und der Renovierung der Stadien kann es schnell passieren, in den Sog von Unregelmässigkeiten und unsauberen Geschäften zu geraten. Laut einer Quelle, die der FIFA nahesteht, soll dies sogar Teil einer Strategie sein, die schon in Südafrika zum Zuge gekommen sei. Bei den öffentlichen Ausschreibungen formuliere die FIFA die Kriterien derart streng, dass es für einheimische Unternehmen unmöglich sei, den Zuschlag zu erhalten – nicht einmal wenn es um die Vermietung von Baumaschinen gehe oder die Lieferung von simplem Material. So waren die neuen Stühle für die Arena da Baixada, das Stadion von Atlético Paranaense, bereits bestellt. Aber die FIFA protestierte gegen dieses Geschäft, bis der Kauf tatsächlich annulliert wurde. «Merkwürdigerweise war es dann der europäische Anbieter, mit dem die FIFA ständig zusammenarbeitet, der den Zuschlag erhielt», sagt die Quelle. Solche und ähnliche Probleme gibt es
offenbar überall in den Städten, die WMSpiele organisieren wollen. «Wir sind begeistert von der WM. Aber wir organisieren sie nicht auf jeden Fall», sagt Ney Campello, Staatssekretär von Bahia und hier verantwortlich für die WM. Die Regierung von Bahia weigerte sich kürzlich, der FIFA Land für offizielle Trainingsfelder abzutreten. Laut den Vertragsbedingungen könnte es die FIFA dem Staat in Rechnung stellen, wenn sie auf den Fussballfeldern Anpassungs- und Umbauarbeiten vornehmen möchte. Eine Gruppe von FIFA-Vertretern lobbyiert direkt bei öffentlichen Institutionen, um die Ziele zu erreichen. Keine Baustelle kann ohne Zustimmung des von der FIFA rekrutierten Architekten Carlos de La Corte eröffnet werden. Und alle Marketingaktionen müssen durch das FIFAMarketing-Duo Jay Neuhaus/Thierry Weil genehmigt werden, die ebenfalls bei Abgeordneten Stimmung machen. In einem derart riesigen Land wie Brasilien ist es schwierig, Regeln zu definieren, die sowohl in São Paolo als auch am Amazonas gelten. Aber auch wenn Brasilien viele Facetten aufweist, heisst das nicht, dass eine nationale Identität fehlt. Und der Fussball ist ein Teil dieser gemeinsamen Identität. Einem Land drakonische Regeln aufzuzwingen, könnte sich als ähnlich schwerwiegend erweisen, wie einen Penalty in der letzten Minute eines entscheidenden Spiels zu verschiessen.
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Boom dank Ego-Shooter Der chinesische Fussball tritt auf der Stelle – trotz neuem Geld und grossem Erfolgshunger. Mittendrin: Nicolas Anelka. Er soll nun mithelfen, China zur Fussballmacht zu formen. Text: Lang Liang, deutsche Fassung: Tobi Bilder: Wu Hao/XXV Photos, osports
A
ls Mitte November 2011 die letzte Runde der Chinesischen Super League (CSL) gespielt ist und der neue Meister aus der südchinesischen Millionenmetropole Guangzhou jubelt, wird es im Norden des Landes bereits kälter – für chinesische Fussballfans sogar noch kälter als sonst. Während in Europa noch immer einige Mannschaften auf eine Teilnahme an der EM 2012 hoffen können, müssen die Chinesen bereits ihren Traum von der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien begraben. Am 15. November schlug das chinesische Team zwar Singapur mit 4:0, aber dennoch ist das letzte Gruppenspiel gegen Jordanien im Februar dieses Jahres bereits bedeutungslos. Einst waren die Chinesen der Welt in fussballerischer Hinsicht weit voraus. Spätestens im 3. Jahrhundert v. Chr. spielte man Cuju, einen Vorläufer des Fussballs. Dabei versuchten Teams aus 12 Männern, einen Ball in ein an Bambusstangen hängendes Netz zu kicken. Und selbst der Grosse Vorsitzende Mao Zedong stand in den 1920er-Jahren im Tor seiner Hochschulmannschaft. Danach versank der chinesische Fussball in der Bedeutungslosigkeit, und er ist nach einem kurzen Aufleben um die Jahrtausendwende erneut tief gefallen. Drei WM-Qualifikationen hintereinander endeten für die Mannschaft des bevölkerungsreichsten Landes der Welt mit einer
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herben Enttäuschung. Trotz gleich vielen Einwohnern wie sämtliche WM-Teilnehmer 2010 zusammen wurde nun eine weitere Endrunde verpasst. Ein Fan fragt sich zu Recht: «Wir sind 1,3 Milliarden Leute. Warum finden wir nicht mindestens 11, die gut Fussball spielen können?» Die WM 2002 in Japan und Südkorea ist nach wie vor die einzige, für die man sich qualifizieren konnte, und das auch nur, weil mit den beiden Veranstaltungsländern die stärksten asiatischen Mannschaften als Konkurrenten wegfielen. Vom Abwärtstrend ist mittlerweile sogar die ehemals starke Frauennationalmannschaft betroffen, welche sich zum ersten Mal nicht für eine WM-Endrunde qualifizieren konnte und deshalb im vergangenen Jahr in Deutschland fehlte, während die einst inferioren Japanerinnen den Titel holten. Nati-Aufgebot zu verkaufen Auch in der nationalen Liga sieht es nicht rosig aus. Die Chinese Super League ist geprägt durch Verschwendung, Betrug und Konkurse ganzer Teams. Anfang der 2000er-Jahre wurde eine ganze Serie von Skandalen bekannt, diverse Schiedsrichter und Spieler wanderten daraufhin wegen Spielmanipulationen ins Gefängnis. Der Chef des Autokonzerns Geely, der 2001 ein Team übernommen hatte, warf schon wenige Monate später das Handtuch: «Ich war schockiert! Für ein einzelnes Spiel wurden 300 000 Franken geboten, und kein einziger Funktionär, Spieler oder Schiedsrichter wurde jemals erwischt.» Momentan steht gar Chinas bekanntester Schiedsrichter, Lu Jun, der auch schon an Weltmeisterschaften eingesetzt wurde, wegen Spielschiebung vor Gericht. Seit mehr als einem Jahrzehnt geistert das Phantom der Korruption durch die Liga, auch wenn in den vergangenen Jahren wenige Vergehen nachgewiesen werden konnten, sieht man einmal von der Relegation Guangzhous und Qingdaos im Jahr 2010 wegen Manipulationen ab. Letztere trieben es etwas gar bunt: In einer Partie gegen Chengdu bei einer 3:0-Führung häuften sich plötzlich die sehr scharf getretenen Rückpässe der Verteidiger, die der Torwart aber allesamt mit Müh und Not parieren konnte. Kurz
vor Schluss beorderte der Assistenztrainer den Keeper wild gestikulierend nach vorne, worauf ihn prompt ein Mitspieler mit einem Heber überraschte, der das Tor nur um Zentimeter verfehlte. Der Schlusspfiff ertönte, im Lager der Sieger tobte man dennoch. Dies war unter anderem der Anlass zu langwierigen Untersuchungen, im Laufe deren sich herausstellte, das Qingdaos Eigentümer in jenem Match auf ein Total von vier Toren gewettet hatte. Der Verein wurde ausgeschlossen, doch es war längst nicht das Ende der Fahnenstange: Gemäss dem Versprechen der Behörden, den chinesischen Fussball sauber zu halten, wurde Ende 2010 gar der Präsident des Chinesischen Fussballverbandes wegen korrupter Machenschaften verhaftet. Er gab sogar zu, dass die Spieler sich einen Platz im Nationalteam für lediglich 15 000 Franken kaufen konnten, was erklärt, weshalb in lediglich zwei Jahren 100 verschiedene Spieler aufgeboten wurden. Kein Tor für Jancker Gibt es in diesen trüben Zeiten tatsächlich Hoffnung für den chinesischen Fussball? Ein Geschäftsmann aus Shanghai, berühmt für seine Schlitzohrigkeit, entfacht mitten im kalten chinesischen Winter ein Feuer, an dem sich die leidgeprüften chinesischen Fans wärmen können. Dabei geht fast vergessen, dass man sich an einem Feuer ebenso leicht verbrennen kann. In der trostlosen Situation, in der sich der chinesische Fussball befindet, verspricht es zumindest Hoffnung. Entfacht wurde dieses Feuer durch den im Dezember angekündigten Transfer von Nicolas Anelka. Der französische Weltstar wechselte vom FC Chelsea zum Shanghai Shenhua Football Club, ausgestattet mit einem Zweijahresvertrag. Auch wenn gewisse Leute daran zweifeln, ob sich Anelka in China zurechtfinden wird, sollte der 32-Jährige in der Lage sein, gegnerische Verteidigungen in Verlegenheit zu bringen. Da in einem Ligaspiel der CSL nur drei ausländische Spieler sowie zusätzlich ein asiatischer Spieler eingesetzt werden dürfen, kann ein ausländischer Star viel bewirken. Dass Anelka in Shanghai mehr erreichen wird als Carsten Jancker, welcher 2006 ebenfalls
weltreise: China bei Shenhua unter Vertrag stand, kann man sich leicht vorstellen: Der ehemalige Mittelstürmer von Bayern München brachte es nur auf 11 Spiele und blieb ohne Torerfolg. Jancker machte für seine schlechte Form allerdings eine langwierige Verletzung verantwortlich, bevor er nach nur einem halben Jahr wieder zurück nach Europa ging. Die Meldung über den Zuzug eines Weltstars wie Anelka, kurz nach der schmerzlichen Niederlage in der WMQualifikation, bringt viele chinesische Fans ins Träumen. Selbstverständlich trugen auch die grossen chinesischen Medien zur Ausweitung dieses Rummels bei. Kaum ein Spielername, der seither nicht auch irgendwie mit einem chinesischen Verein in Verbindung gebracht werden konnte. Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass auch Ronaldinho und Didier Drogba bald nach China wechseln werden. Anelkas Landsmann Jean Tigana ist bereits da. Den Job als neuer Trainer von Shanghai Shenhua trat er laut eigenen Angaben selbstverständlich der neuen sportlichen Herausforderung wegen an. 600 Millionen Fussballfans In Shanghai haben viele Fussballfans schon angekündigt, in der kommenden Saison die Heimspiele von Shenhua zu besuchen, und die grösste lokale Sport-Zeitung, «Oriental Sports Daily», prophezeit, dass das Hongkou-Stadion mit einer Kapazität von 35 000 Plätzen die ganze Saison lang ausverkauft sein werde. Dies wäre ein krasser Unterschied zur abgelaufenen Spielzeit, in der Shenhua nach desolaten Leistungen jeweils nur einige Tausend Fans anlockte. Sollten tatsächlich auf einen Schlag diverse klanghafte Namen von chinesischen Vereinen unter Vertrag genommen werden, würde das die Popularität der Liga massiv steigern und die einheimischen Fans mit Stolz erfüllen, wodurch das erneute Scheitern in der WM-Qualifikation etwas in den Hintergrund rückte. Denn Fussballfans gäbe es genug im Land, man schätzt deren Anzahl auf sagenhafte 600 Millionen. Doch des bescheidenen Niveaus der heimischen Liga wegen richtet sich deren Aufmerksamkeit eher auf die Topligen Eu-
ropas. Der Erfolg hingegen kann Wunder wirken: Meister Guangzhou Evergrande verzeichnete etwa in der abgelaufenen Saison einen stolzen Schnitt von fast 46 000 Zuschauern, während es beim erfolglosen Stadtrivalen gerade mal ein Sechstel davon war. Und im Vorfeld der ersten WM-Teilnahme der Nationalelf wurden 170 Millionen neue TV-Geräte angeschafft. Derzeit nützen diese Geräte den Fans der nationalen Vereine nicht viel: Nach der Fülle an Skandalen hat der nationale TV-Sender CCTV die Live-Übertragungen bis auf Weiteres eingestellt. Ausländische Ligen sind hingegen weiterhin zu sehen. Sogar ein Hooligan-Problem wird China nachgesagt. Nicht alle Vorfälle sind so harmlos wie der Fall eines Mannes,
sondern lediglich Fans, die spontan zusammenfinden, um ihre Unzufriedenheit kundzutun.»
der mit einem einjährigen Stadionverbot belegt wurde, nur weil er während eines Matches Obszönitäten in Richtung der Spieler gerufen hatte. In der Tat kam es in den letzten zehn Jahren wiederholt zu Randalen um Fussballspiele. In Xian wurde Profifussball deswegen gar zwischenzeitlich verboten. Meistens sind es aber nicht rivalisierende Fangruppen, die aufeinandertreffen, sondern es kommt dann zu Auseinandersetzungen, wenn die Polizei rigoros gegen Fans vorgeht, die ihrem Ärger über die Leistungen ihres Teams oder den Schiedsrichter Luft verschaffen wollen. Blogger Terroir relativiert deshalb: «Das sind keine Hooligans,
Anelka ist mit seinen 32 Jahren noch durchaus leistungsfähig. Dank Spielern wie ihm wird das Niveau der Super League zumindest kurzfristig ansteigen. Fraglich ist, ob es auch einen nachhaltigen Effekt haben wird oder ob das entfachte Feuer sich als Strohfeuer entpuppen wird. Im chinesischen Sportsystem werden etwa noch immer Kinder mit bestimmten physischen Eigenschaften – wie etwa langen Beinen o. Ä. – ausgesucht und gefördert. Das mag bei der Leichtathletik, beim Schwimmen oder der Gymnastik Erfolg versprechen, im Fussball gibt es hingegen kein Idealmodell, wie nur schon das Beispiel Messi beweist. Der ehemalige chinesische Na-
Ein-Kind-Politik bremst Fussball Um Spieler von der Klasse Anelkas in die chinesische Liga zu locken, braucht es vor allem eines: Geld. Sehr viel Geld, wenn man sich die enormen Gehälter, die in der englischen Premier League bezahlt werden, nochmals vor Augen führt. Bei Anelka, der in seiner Karriere schon praktisch alles gewonnen hat, wird ein Jahresgehalt von 12 Millionen Franken kolportiert. Welcher alternde Star gerät bei solchen Summen nicht in Versuchung, zumal er ja nicht wie im Falle von Eto’o in ein Krisengebiet wechseln müsste?
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tionalspieler Sun Jihai (acht Profijahre in England, 2002–2008 bei Manchester City) äusserte sich gegenüber der Zeitung «China Daily» kürzlich wie folgt: «In den vergangenen zehn Jahren wurden grosse Fehler begangen, das Niveau des Nachwuchstrainings muss nun endlich dringend verbessert werden. Die oberste Liga nennt sich zwar ‹super›, aber der Name verdeckt, dass viele Bereiche der Liga zu wenig professionell sind.» Es sei vor allem wichtig, dem Fussball an den Schulen wieder zu mehr Popularität zu verhelfen, damit mehr Eltern ihre Kinder ins Training schickten. Durch die Ein-Kind-Politik schrecken mittlerweile viele Eltern davor zurück, ihre Kinder Fussball spielen zu lassen, weil sie befürchten, dass die Hausaufgaben dadurch zu kurz kommen. Zudem erlebte der Basketball dank der aggressiven Vermarktung der NBA und ihrem chinesischen Star, dem 2,29m-Hünen Yao Ming, einen Popularitätsschub und wurde so zur Konkurrenz. Ein vergleichbares Vorbild gibt es im Fussball nicht. Vom aktuellen Kader der Nationalelf spielt lediglich ei-
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ner in Europa, Zhang Chengdong bei SC Beira-Mar in Portugal. Auch wegen der fehlenden Fussballplätze ist die Anzahl der lizenzierten Nachwuchskicker erschreckend: Gerade mal 7000 unter 18-Jährige sind beim Fussballverband registriert, bei Nachbar Japan sind es 500 000. Laut Sun müssten die Hebel an verschiedenen Orten angesetzt werden. Die kleine Korrektur, wie sie einige anlaufende Programme im Jugendbereich anstreben, könne das Niveau nicht entscheidend anheben. Er drückt das mit der chinesischen Passion für eine bildliche Sprache so aus: «Um ein gutes Essen zuzubereiten, braucht man eine Pfanne, Zutaten und Sauce. Wenn nicht alles vorhanden ist, wird es nicht schmecken.» Geld aus Videogames Shenhua, Anelkas neuer Arbeitgeber, war noch vor sechs Monaten als mittelloser Klub mit schlechtem Umfeld verschrien. Wie kommt es, dass man sich auf einmal einen solch extravaganten Transfer leisten kann? Die Antwort darauf heisst Zhu Jun
und ist Besitzer des Vereins. Der Geschäftsmann hat durch das bekannte Computerspiel World of Warcraft (WoW) eine Unmenge Geld verdient. Er ist Eigner des Unternehmens The9, welches von 2005 bis 2009 die alleinige Lizenz für WoW in China innehatte. Mit diesem Geld hat er 2007 Shenhua übernommen. Bald war er berüchtigt dafür, bei der Aufstellung seines Teams mitreden zu wollen, und erlangte sogar kurzzeitige internationale Berühmtheit, als er im August 2007 den Trainer zwang, ihn beim Freundschaftsspiel gegen seinen Lieblingsverein FC Liverpool in die Startelf zu berufen. Der damals 41-Jährige blieb aber nur 5 Minuten auf dem Feld. Drei Jahre später zeigte er ein starkes Interesse, den englischen Traditionsverein zu übernehmen. Zhu ist zwar einiges extrovertierter als die übrigen Besitzer der chinesischen Klubs, aber trotzdem steht er exemplarisch für den professionellen Fussball in China. Shenhua erlebte nach der Übernahme durch Zhu Jun keinen Siegeszug, wie dieser es mit World of Warcraft erreicht hatte.
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Im Gegenteil: Es ging stetig bergab – auch für Zhu persönlich. Im Jahr 2009 verlor seine Firma die Lizenz für WoW, der Aktienpreis der Firma halbierte sich, und sein Privatvermögen schrumpfte drastisch. Also begann er, die wichtigsten Spieler zu verkaufen, das Team stürzte ab. Bis zur Saison 2011 waren alle Teamstützen verkauft, die Mannschaft fiel in den Tabellenkeller. Im August 2011 provozierte er dadurch einen Protest der Fans, die ihn erzürnt aufforderten, das Stadion zu verlassen. Die im November abgelaufene Saison beendete Shenhua, sonst stets ein Titelanwärter, auf dem ernüchternden 11. Tabellenplatz, und in der Gruppenphase der asiatischen Champions League blamierte sich die Mannschaft und holte nur zwei Punkte. Von allen Seiten wurde Zhu Jun kritisiert, weil die Leistungen der Mannschaft den Ansprüchen Shanghais als bedeutendste Wirtschaftsmetropole Chinas auf keinen Fall gerecht würden. Und nun, nur einen Monat nach dem Ende der höchst enttäuschenden Saison, wird ebendieser Zhu Jun dank des Transfers von Nicolas Anelka zum
heissesten Mann im chinesischen Fussball. Denn Shenhuas Teambesitzer ist zu neuem Geld gekommen: Eine Tochterfirma von The9 hat mit dem Shooter-Game Firefall ein Spiel entwickelt, dem ein enormes Potenzial – vor allem im asiatischen Markt – vorhergesagt wird. Für die Veröffentlichung und die Promotion des Spiels ist eine umfangreiche Zusammenarbeit zwischen The9 und Shenhua, insbesondere mit Nicolas Anelka, vereinbart worden. Firefall wird neuer Trikotsponsor, zudem sollen verschiedene Cross-MarketingKampagnen die Popularität von Shenhua und Anelka in China und im internationalen Markt steigern. Eigentlich bezahlt also nicht Shenhua Anelka, sondern The9, und zwar als Werbeträger. Neben den erwarteten Einnahmen durch Firefall muten die jährlich 12 Millionen Franken für Anelka fast schon lächerlich an. Mit dieser Rechnung und den enormen Summen, die investiert werden können, besteht durchaus die Möglichkeit, dass Anelka lediglich ein Vorreiter ist und ihm tatsächlich bald weitere Stars wie etwa Ronaldinho folgen
könnten. Doch nicht alle teilen diese Euphorie. Einige Kritiker werfen nüchtern die Frage auf, was passieren wird, wenn Firefall dereinst dasselbe Schicksal ereilen werde wie World of Warcraft. Würde Zhu Jun wieder gleich handeln und das Team verkümmern lassen? In Zeiten positiver Meldungen aus dem chinesischen Fussball und dem spürbaren Aufschwung werden kritische Stimmen aber kaum gehört. Arbeitsscheue Kicker In China sagt man, dass neue Trends ihren Ursprung in Shanghai hätten und sich dann innerhalb einiger Jahre in ganz China verbreiteten. Im Fussball trifft dies aber nicht zu. Denn schon im vergangenen Jahr, vor dem Wechsel Anelkas, sorgte ein Geschäftsmann namens Xu Jiayin für einige Aufregung und startete den Trend hin zu teuren ausländischen Stars. Der milliardenschwere Immobilienmogul ist Eigentümer des südchinesischen Teams Guangzhou Evergrande. Nachdem Guangzhou 2010 aufgrund eines Falls von Spielschiebung zwangsrelegiert worden war, über-
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nahmen Xu Jiayin und seine Evergrande Real Estate Group das Ruder. Er investierte viel auf dem Transfermarkt, schaffte den Wiederaufstieg, und in der abgelaufenen Saison gewann sein Klub – wie einst Kaiserslautern – direkt nach dem Aufstieg die Meisterschaft. Grossen Anteil daran hatte der argentinischen Spielmacher Darío Conca, der 2010 als bester Spieler der brasilianischen Liga ausgezeichnet worden war und sich trotz diverser Angebote von europäischen Topadressen für einen Wechsel in den Süden Chinas entschieden hatte. Neben den 11 Millionen Franken Ablöse leistet sich Guangzhou für den 28-Jährigen auch noch ein stolzes Gehalt. Conca verdient über 1 Million Franken – pro Monat wohlgemerkt. Der scheue Filigrantechniker fand sich schnell zurecht und erzielte auf dem Weg zum Titel 9 Tore, obwohl er nur die Rückrunde bestritt. Die Tatsache, dass Joel Griffiths im Torschützenklassement noch vor ihm klassiert war, sagt einiges über die Qualität der Liga aus. Der Australier war vor einigen Jahren bei Xamax unter Vertrag, in 43 Partien kam er lediglich auf 2 Treffer. Es wird angenommen, dass die Klubs aus anderen Städten diesem Trend bald folgen werden. «Dies war erst der Anfang», meint Rowan Simons, in Peking lebender Autor und Kenner des chinesischen Fussballs. «Von jetzt an werden in jeder Transferperiode Ü-30-Spieler mit grossem Namen und ehemalige Weltstars vorgestellt werden.» Die finanziellen Möglichkeiten sind vorhanden: In 14 der 16 SuperLeague-Vereine sind grosse Immobilienfirmen involviert. Die Fussballvereine profitieren somit von der rasanten Entwicklung der Branche, in der viele der Teambesitzer ihr Vermögen gemacht haben. An sich eine gute Sache, denn endlich müssen chinesische Vereine nicht mehr um ihre Existenz kämpfen, und es sind gar Mittel für Investitionen vorhanden. Andererseits hängt das Schicksal der Liga damit von den Entwicklungen des Immobiliensektors ab, denn man kann sich denken, dass in einer Krise das Geld für die Vereine ähnlich schnell verschwinden wird wie das Wasser bei Ebbe. Bei einer derart unsicheren Zukunft sind die Klubbesitzer nur an Prestige und
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raschem Erfolg interessiert, was die Zuzüge von prominenten Spielern versprechen. Das strukturelle Umfeld ihres Vereins zu verbessern oder die Förderung der einheimischen Talente unterlassen sie gänzlich. Dies ist wahrlich keine nachhaltige Strategie für den Erfolg einer Mannschaft, aber die reichen chinesischen Vereinsoberen verhalten sich damit kaum anders als die neureichen russischen Oligarchen im Stile von Roman Abramowitsch. «Es geht nur um die Egos», urteilt Simons, «ihr Wirken trägt absolut null und nichts zu einer gesunden Entwicklung des Fussballs in China bei.» Sie werfen Geld aus dem Fenster, damit ein wenig über sie geredet wird – oder damit sie eben auch mal in die Hosen des eigenen Teams steigen können, wie Zhu Jun gegen Liverpool. Das Interesse dieser Oligarchen am Fussball ist höchstens zweitrangig. Viel wichtiger ist das Streben nach Ruhm und Geld. Diese Einstellung machte Darío Concas Coach bei Guangzhou Evergrande, der Südkoreaner Lee Jang-Soo, auch als grösstes Hindernis bei den Profis aus: «Chinesische Fussballer arbeiten längst nicht so hart wie ihre Kollegen in den besseren Ligen. Alles, was sie anstreben, ist ein gutes Verhältnis zu ihren Vorgesetzten. Es geht in erster Linie um Beziehungen, nicht um harte Arbeit.» Die Regierung hat die Finger drin Es gibt unbestätigte Gerüchte in chinesischen Medien, dass Zhu Juns grosszügiger Einkauf durch eine kräftige Finanzspritze einer staatlichen Firma für seinen Klub Shanghai Shenhua ermöglicht wurde, gesprochen wird von bis zu 250 Millionen Franken. Dies wäre wenig verwunderlich angesichts der Tatsache, dass erfolgreiche Immobilienunternehmen eng mit kommunalen Regierungen verknüpft sind. Denn gerade in diesem Geschäftsfeld ist man auf gute Beziehungen zur Regierung angewiesen. Immobilienunternehmen brauchen die Unterstützung der politischen Führung, da der gesamte Grund und Boden in der Volksrepublik im Besitz des Staates ist. Sich mit den Mächtigen gutzustellen, ist deshalb unumgänglich. Und diese Mächtigen würden sich nur allzu gerne eine Scheibe des Ruhms abschnei-
den, den ein erfolgreicher Fussballverein mit sich bringt. So ist Shenhua längst nicht der einzige Verein, der mit der politischen Führung verbandelt ist. Diese Verknüpfungen bringen es mit sich, dass bei einem Scheitern der erst 2004 eingeführten Super League auch viel Geld der Regierung verloren ginge. Dies führt zu einer Reihe von Unsicherheiten für die Zukunft. Gerade die enge Verflechtung von Politik und Sport wird von Kritikern für den schlechten Zustand des Fussballs im Reich der Mitte verantwortlich gemacht. Wenn die Regierung will, kann sie die heimische Liga zum Florieren bringen. Bisher lag der Regierung aber offensichtlich wenig daran, deshalb fiel die Liga in eine Art Winterschlaf – und mit ihr auch die chinesische Nationalmannschaft. Ohne das Zutun und die Unterstützung der Regierung ist nicht zu erwarten, dass sich der chinesische Fussball weiterentwickelt, trotz des positiven Inputs durch die Transfers ausländischer Stars. Warum die allmächtige Regierung bisher nicht eingegriffen hat, um die Talfahrt des chinesischen Fussballs zu stoppen, ist unklar. In anderen Bereichen führen Grundsatzentscheide, die gegen jeglichen Widerstand durchgesetzt werden, immer wieder zu grossen sportlichen Erfolgen. So holten Chinesen eine wahre Flut an Goldmedaillen an den Olympischen Spielen 2008 in Peking, während ein Kommentator des nationalen Fernsehens das schnelle Aus des Fussballteams im damaligen Turnier damit begründete, dass «die Mannschaft sich dazu entschieden hat, schnell auszuscheiden, um nicht die Laune der OlympiaZuschauer zu verderben». Diese Aussage ist typisch für die Beziehung zwischen den Fans und der Nationalmannschaft. Nach schwachen Auftritten – und das ist leider fast immer der Fall – bricht jeweils eine Welle der Häme über die «guo zhu», die nationalen Schweine, wie sie nach einigen Sexskandalen genannt werden, herein. Zeitungen richteten gar eigene Kästchen ein, in denen das Team verspottet wurde. Daraus stammt auch dieser weitverbreitete Witz: «Es gibt nur zwei Dinge, die China davon abhalten, Erfolg zu haben: der rechte und der linke Fuss.»
weltreise: China Die Mannschaft wurde so geschmäht, dass sich das Propagandaministerium gezwungen sah, die Medien dazu anzuhalten, die Kritik zu mässigen. Drei kleine Wünsche Möglicherweise hat die Durststrecke für Chinas Fussballfans aber bald ein Ende. Die kommende Führungsriege könnte mehr Interesse am nationalen Wohlergehen des Weltsports Nummer eins haben. Xi Jinping etwa, Chinas Vizepräsident, gilt als grosser Fussballfan und besucht auf seinen Auslandreisen gerne Spiele in Europas Topligen. Er wird als Nachfolger des Staatsoberhauptes Hu Jintao gehandelt – und wird aller Wahrscheinlichkeit nach am Parteitag im kommenden Herbst an die Spitze von Staat und Partei nachrücken. Vor einigen Monaten verblüffte er die heimische Öffentlichkeit, als er seine «drei kleinen Wünsche» verriet: Erst solle sich China wieder für eine Weltmeisterschaft qualifizieren, dann eine Endrunde ausrichten und schliesslich selbst den Titel holen. Ein nicht eben leichtes Unterfangen, denn dazu müsste auch der politisierte Chi-
nesische Fussballverband umgekrempelt werden, auf dass der weiterhin bestehende Korruptionssumpf endgültig trockengelegt würde. Als ersten Schritt in eine bessere Zukunft sah man die Verpflichtung der spanischen Legende José Antonio Camacho als neuen Nationaltrainer. Sein dreijähriges Engagement lässt er sich angeblich mit 15 Mio. Franken vergolden; so lässt es sich verschmerzen, lediglich eine mittelmässige Truppe führen zu dürfen. Bis jetzt ging die Rechnung nicht auf. Während die asiatischen Fussballleichtgewichte Oman, Jordanien oder Libanon noch immer das Ticket für die WM 2014 lösen können, ist für China der Zug schon abgefahren, und selbst Heimspiele gegen das kleine Laos wurden nur mit Mühe gewonnen. Das Gehalt des teuren Spaniers bezahlt übrigens nicht der Chinesische Fussballverband, sondern die Wanda Group, die grösste Immobiliengesellschaft des Landes, mit der der Fussballverband eine strategische Kooperation eingegangen ist. Im Gegensatz zu den Unternehmen, die hinter den Vereinen stehen, bemüht sich Wanda
um einen nachhaltigen Aufschwung. So schickt die Firma zum Beispiel in diesem Jahr 90 Chinesen im Alter von 12 und 13 Jahren zwecks Ausbildung nach Spanien, wo sie bei Atlético Madrid, Villareal und Valencia trainiert werden. Zudem sollen drei nationale Juniorenligen entstehen. Wie ein chinesisches Sprichwort sagt, kann Wasser ein Boot tragen, aber es kann das Boot ebenso kentern lassen. Staatliche Unterstützung und Kapitalspritzen für den chinesischen Fussball sind eine gute Sache. Es ist aber keine dauerhafte Lösung, und leicht können die Hoffnungen der chinesischen Fans zerstört werden. Denn niemand weiss, ob der Geldstrom nicht plötzlich versiegen wird. Immerhin: Im frostigen chinesischen Fussball ist ein wärmendes Feuer entflammt worden. Es kann den Fans Wärme spenden, auch wenn der Brennstoff nicht rein ist und niemand weiss, wie lange es lodern wird. Lang Liang arbeitet für eine der grössten chinesischen Sportzeitung und lebt in Shanghai. Tobi lebte für einige Zeit in China und verfolgt seither den chinesischen Fussball mit Interesse
AUSLAN Auslandschweizer
Junior mit Shaqiri, Profi mit Verón Text: Claudio Spescha / Bild: zvg
Dylan Gissi spielte mit 21 Jahren schon beim FC Basel und bei Atlético Madrid sowie in den Nachwuchsauswahlen der Schweiz und Argentiniens. Heute steht er bei Estudiantes vor dem Durchbruch.
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ommer 2010: Nach einer Saison im Nachwuchs von Atlético Madrid verbringt der 19-jährige Dylan Gissi seine Ferien im argentinischen Winter bei den Eltern und Geschwistern in Buenos Aires. Sein Vater Oscar ist zu der Zeit Trainer der U17-Mannschaft von Estudiantes de La Plata und lässt Dylan Gissi mittrainieren. Gissi, der sich eigentlich nur fit halten will, darf sich auch ein paar Mal im Training der ersten Mannschaft präsentieren und beeindruckt dabei Trainer Alejandro Sabella, der Estudiantes de La Plata 2009 zum Gewinn der Copa Libertadores führte und heute die argentinische Nationalmannschaft trainiert. Estudiantes bietet dem 1,89 m grossen Innenverteidiger einen Profivertrag über drei Jahre an. Gissi unterschreibt und bleibt in Argentinien.
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Dylan Gissi ist in Genf aufgewachsen, wo sein Vater neun Saisons bei Chênois in der Nationalliga B und in der 1. Liga spielte und danach auch als Trainer tätig war. In die Schweiz hatte es Oscar Gissi Ende der Achtzigerjahre verschlagen, nach sieben Länderspielen für Argentinien zur grossen Zeit von Diego Armando Maradona, langen Jahren bei Vélez Sársfield und einer Saison bei Estudiantes. Sein Sohn Dylan wird Junior bei Etoile Carouge und wechselt mit 15 Jahren zur U16 des FC Basel, wo er mit Xherdan Shaqiri spielt und für einen Lehrgang der U16-Nationalmannschaft aufgeboten wird. Es ist bis heute das einzige Aufgebot des Schweizer Fussballverbands. «Ich habe die Zeit bei Basel in guter Erinnerung. Die Betreuung der Junioren war besser als später bei Atlético
Madrid.» Das Engagement in Basel dauert jedoch nur ein halbes Jahr. In Argentinien stirbt Dylans Grossvater, worauf die ganze Familie in die alte Heimat zurückkehrt. Dylan Gissi und sein um ein Jahr jüngerer Bruder Kevin schliessen sich dem Nachwuchs des Erstligisten Arsenal de Sarandí an. Doch schon eineinhalb Jahre später ist Dylan Gissi zurück im Schweizer Fussball: Der argentinische Trainer Néstor Clausen hat ihn zu Neuchâtel Xamax gelotst. Erneut ist das Engagement aber nur von kurzer Dauer: Clausen wird ein halbes Jahr später entlassen, und Dylan Gissi wechselt nach einer Saison im U21-Team von Xamax zu Atlético Madrid. Ein offizielles Spiel in der Super League hat Dylan Gissi bis heute nicht bestritten. Rückschlag nach Trainerwechsel Januar 2012: Estudiantes bereitet sich auf das Torneo Clausura vor, die Rückrunde in Argentiniens Primera División. Im 18-Mann-Kader dabei: Dylan Gissi, mittlerweile nominell dritter Innenverteidiger. Ganz reibungslos verlief dieser Aufstieg aber nicht. Zwar feierte Gissi im letzten Frühling sein Debüt in der Primera División und wurde gar ins 30-Mann-Kader Argentiniens für die U20-WM berufen, zu einem
Auslandschweizer Bald vor vollen Rängen im Estudiantes-Trikot? Dylan Gissi wäre nicht der erste Schweizer Stammspieler bei den «Rattenaufspiessern».
Platz im WM-Team reichte es ihm aber nicht. Im Sommer kam jedoch ein neuer Trainer nach La Plata, brachte 15 neue Spieler mit, und Gissi fiel aus Rang und Traktanden. So blieb es bis jetzt bei einem Meisterschaftseinsatz und mehreren Freundschaftsspielen. Eine für Estudiantes enttäuschende Hinrunde brachte aber einen erneuten Trainerwechsel und plötzlich wieder Perspektiven für den schnellen Innenverteidiger. Der Konkurrenzkampf ist hart, denn auf Gissis Position spielt der aktuelle argentinische Nationalspieler Desábato, ein Routinier. Dass Estudiantes kürzlich zwei Anfragen aus Englands 2. und 3. Division abblockte, fasst Gissi aber als Signal auf, dass man auf ihn setzt. «Ich fühle mich wohl hier. Estudiantes ist einer der besten Adressen in Argentinien, neben den Boca Juniors und River Plate.» Unbestrittener Chef der Mannschaft ist Captain Juan Sebastián Verón, der nach zehn Jahren in der Serie A und der Premier League zu seinem Stammklub zurückgekehrt ist. «Auf dem Platz und in der
Kabine ist er sehr streng und gradlinig. Ich kann viel von ihm lernen. Als junger Spieler darf man sich hier nicht einschüchtern lassen. Die gegnerischen Stürmer in der argentinischen Meisterschaft kämpfen mit allen Mitteln. Da muss man dagegenhalten», meint der 21-Jährige, der neben dem Platz sehr sympathisch und höflich ist. Nati? Ja gerne Dagegenhalten und selbst Nadelstiche setzen – getreu dem Übernamen der Estudiantes, die «Pincharratas» genannt werden, Rattenaufspiesser. Über die Herkunft des Namens gibt es verschiedene Theorien. Eine verweist auf die Studenten der medizinischen Fakultät der Universität von La Plata, eine weniger harmlose gründet auf der grossen Estudiantes-Mannschaft von Ende der 60er-Jahre, mit Spielern wie dem späteren Weltmeistertrainer von 1986 Carlos Bilardo und Juan Ramón Verón (dem Vater des heutigen Captains). Diese Mannschaft pflegte einen sehr physischen und ein-
schüchternden Stil, was 1969 auch die AC Milan feststellen musste: Beim Rückspiel des Intercontinental-Cups wurde nach 18 Minuten ein Milan-Spieler bewusstlos geschlagen, einem zweiten die Nase zertrümmert, die «Gazzetta» schrieb von «90 Minuten Menschenjagd». Bis heute hält sich in Argentinien der Mythos, dass die Spieler Nadeln benutzten, um die Gegner zu verletzen. Dylan Gissis Ziel ist jedenfalls klar: Er möchte Stammspieler werden und sich bei Estudiantes de La Plata einen Namen machen. Er wäre der zweite Schweizer, dem dies gelänge. Der erste hiess Jorge Luis Hirschi und war Präsident von Estudiantes in den 1920er- und 1930erJahren. Nach ihm ist das alte Klubstadion benannt. Und wenn der Name Gissi einmal auf dem Trikot der Schweizer Nationalmannschaft stünde? Die Frage macht Dylan Gissi etwas verlegen. Aber er antwortet mit Bestimmtheit: «Ein Angebot für die Schweizer Nationalmannschaft würde ich kaum ablehnen. Das wäre eine grosse Ehre.»
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interview: Arno del curto
Interview: Mämä Sykora, Gian-Andri Casutt Bilder: Sally Montana
«Was ich sehen will, ist eine Sinfonie!» Mourinho sei einer wie er – oder umgekehrt. Und auch sonst findet HCD-Trainer Arno Del Curto manche Inspiration und einige Parallelen zu seinem Wirken in dem von ihm innig geliebten Fussball. ZWÖLF: Arno, wie kommt ein Engadiner zum Fussball? Arno Del Curto: Ich stamme eigentlich aus einer Ski-Familie. Mich wollten sie in die Junioren-Langlauf-Nati holen, denn ich war ziemlich gut. Bei uns gabs nur Ski, Ski und Ski. Aber mich hat das angekotzt, ich wollte einen Ball. Golf, Tennis, Fussball oder eben einen Puck. Wir spielten jeden Tag draussen Fussball, Strassenmetzgete hiess das. Einen Fussballklub gabs aber nicht bei uns in St. Moritz. Hast du auch den Profifussball verfolgt? Im Fernsehen gab es kaum die Möglichkeit dazu. Oft bin ich zu einem Kollegen gegangen, der war GC-Fan. Ich hatte damals noch keinen Lieblingsverein. Die meisten Engadiner waren entweder Milan- oder Inter-Fan. Es war die Zeit von Mazzola und Rivera. Erst als ich mit 18 nach Zürich ging, habe ich regelmässig Matches verfolgt. Bei GC gegen Real (1978) war ich im Stadion, bei den Euro-
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pacup-Auftritten des FCZ, und auch bei den Spitzenspielen der Zürcher, oft gegen Servette. Und bei jedem Ausflug nach England bin ich ein Spiel schauen gegangen. Bei meinem ersten Arsenal-Besuch gegen Chelsea bin ich fast verreckt, ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Nach wenigen Sekunden standen schon alle auf den Rängen, richtig fanatische Zuschauer. Einmal stürzte nach einem Tor einer über die Zuschauer hinweg nach unten und hat dabei einem Nachbar ins Gesicht getreten. War aber überhaupt kein Problem, der hat nichts gesagt, denn Arsenal hatte ja getroffen, dann ist alles egal. Noch heute gehen ich mindestens einmal im Jahr ein Spiel schauen auf der Insel. Ein Highlight war, als ich vor einem Liverpool-Spiel auf dem Rasen ein Interview geben durfte mit dem Schweizer Fernsehen. Da stand ich auf dem heiligen Anfield-Rasen, und dann begannen sie «You’ll Never Walk Alone» zu singen. Läck du mir! Das ist Kultur! Im Vergleich damit hinken wir noch weit hinterher.
Schaust du darüber hinaus auch Fussball am TV? Champions League schaue ich regelmässig, und die Bundesliga-Konferenz find ich ideal, um mich vor den HCD-Spielen etwas zu entspannen. Da läuft immer was. Im Eishockey läuft ja sogar noch mehr, und es geht härter zur Sache. Fussballer stehen nicht gerade im Ruf, harte Kerle zu sein. Wie ist das Image der kickenden Zunft bei den Hockeyanern? Vermutlich haben viele Eishockeyaner nicht das beste Bild von den Fussballern. Aber ich finde, das ist falsch. Im Hockey gleiten die Spieler, dadurch werden die Muskeln anders beansprucht als die der Fussballer beim Rennen. Mehr als zwei Spiele pro Woche wären im Fussball zu viel. Dazu kommen noch die Grätschen, direkt mit den Stollen auf den Knöchel. Da kann man nicht sagen, das seien Weicheier. Klar, es gibt schwarze Schafe, wenn man da zum Beispiel an die Schwalbenkönige denkt. So was wäre bei euch ja undenkbar. Oh, das hasse ich! Wenn einer meiner Spieler so was macht, reagiere vor allem ich. Das andere ist ja der Stereotyp des Fussballers. Mit Gelfrisur, Täschli, schnellem Auto und Goldketteli. So kann man sich Hockeyaner nicht vorstellen. Man muss schon sehen: Fussball ist die Sportart Nummer eins auf der ganzen
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Welt. Wenn du da zu den Besten gehörst, hast du viel Zuschauer, grosses Medieninteresse. Vielleicht wird man dadurch eher so.
«Wenn ich bei Barça wäre, würde ich variabler spielen lassen.» Ist nicht auch der Personenkult deutlich grösser? Spieler wie Hakan Yakin, der überall erkannt wird, ziehen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit doch stark auf sich. Stars gibt es schon auch im Eishockey, bei uns zum Beispiel von Arx. Aber durch die Helme, die wir auf dem Feld tragen, kennt man die Spieler nicht so gut. Genau darum habe ich ja einen Nachteil: Mich erkennt man überall, wo ich hinkomme. Ein Freund formulierte den Unterschied mal so: «Eishockey ist ein Sport, den geili Sieche spielen, der von halbschlauen Zuschauern besucht wird. Beim Fussball ist es genau umgekehrt.» Es gibt immer und überall schwarze Schafe, im Eishockey aber nur sehr wenige. Ob sich die Profis unterscheiden, kann ich nicht sagen. Ich habe kürzlich bei den «Sports Awards» die U21-Spieler Shaqiri, Sommer, Frei und Xhaka kennengelernt, und das waren zumindest sehr flotte Jungs. Auch die Jungs vom FC Chur sind super Typen. Beim Cupspiel gegen Xamax (1:2) durfte ich in der Halbzeit eine kurze Ansprache halten als Motivation. Da musste ich erst fragen, ob es okay sei, wenn ich einen Spieler lobe, oder ob sie dann gleich umfallen würden. Ein Fussballteam zu führen, ist sicher auch anspruchsvoll, weil so viele Kulturen und Mentalitäten vertreten sind. Bei uns spielen nur wenige Nationen mit, und die sind sich auch noch ziemlich ähnlich und passen sich immer mehr an. Der Fussball hat sich in den letzten Jahrzehnten extrem verändert. Die grossen Mannschaften aus den 60ern und 70ern würden heute wohl kaum noch
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gegen den FC Chur gewinnen. Wie würde sich der sowjetische Atom-Block der 80er mit Makarov, Krutov, Larionov heute auf dem Eis schlagen? Die würden heute auch kein Land sehen. Keinen Zabbel würden sie tun. Heute ist es viel, viel schneller. Sogar heute haben gute Mannschaften Mühe, wenn der Gegner schnell spielt, das ist in allen Sportarten so. Die Bundesliga ist das beste Beispiel. Bayern hat wohl die beste Mannschaft, aber wenn Gladbach oder Dortmund aufs Tempo drücken, haben auch sie Mühe. Der Unterschied zu vor 25 Jahren, zu den Zeiten des Superblocks, ist im Eishockey auch sehr extrem. Schnell zu spielen, ist das Wichtigste. Darum wird Bayern es vermutlich nicht schaffen. Da halten die Stars viel zu lange den Ball, während einer wie Xavi, ein Gott, sofort weiterpasst. Ist das Barcelona-Spiel eine Inspiration für dich? Auf jeden Fall. Im Eishockey ist das aber schwierig umzusetzen, doch ich arbeite täglich daran. Ich will etwas schaffen, was noch niemand gesehen hat. Im Training sieht man schon Ansätze. Wenn man so ein Spielsystem anwenden will, müssen die Spieler das Ego komplett ablegen. Barcelona hat das geschafft, auch Klopp und Favre konnten das umsetzen. Wäre ich bei Barça, würde ich noch etwas variabler spielen lassen. Ab und zu müsste es dann doch schnell nach vorne gehen. Die Gefahr ist dann – und das merke ich auch bei meiner Mannschaft –: Wenn ich etwas Neues einführe, machen die Spieler nur noch das, das andere ist weg. Bei uns im Hockey ist die zusätzliche Schwierigkeit, dass es noch viel schneller gehen muss als im Fussball und zudem Körpereinsatz erlaubt ist. Wo holst du dir sonst noch Inputs für deine Arbeit? Spielzüge, die zumindest teilweise auch im Eishockey möglich sind, gibt es in allen Mannschaftssportarten, egal ob Handball oder American Football. Ich schaue mir überall etwas ab, ausser im Eishockey selber. Da entwickle ich meine
eigenen Ideen. Denn ich bin ein Tüftler, ich liebe das Kreative und das Risiko. Ich sage meinen Spieler immer: «Macht es einfach, wenn es nicht klappt, bin ich schuld.» Wenn ich von irgendwoher – ob vom FC Barcelona oder der NBA – einen Input bekomme, baue ich das gleich in Übungen ein. Die meisten Fussballer antworten auf die Frage nach den Unterschieden zwischen den Trainern, dass die Trainings und die Übungen meistens etwa die gleichen gewesen seien. Du entwickelst also eigene? Jeden Tag! Nur schon im Vergleich mit vor fünf Jahren mache ich kaum noch Gleiches. Gerade jetzt in diesem Gespräch kam mir eine neue Idee. Oder hier, schaut mal... (Er nimmt vom Sofa einen Stapel Blätter, die mit neuen Übungen und Ideen aus dem Handball vollgekritzelt sind, die er uns erklärt.) Ich muss mich jeden Tag bei den Spielern entschuldigen, dass ich so krank bin, dass ich so viel fordere. Das geht gut, weil ich eher ein Kumpel meiner Spieler bin. Nur wenn ich stinksauer bin, dann wissen sie: «Jetzt müssen wir uns zusammennehmen.» Die Perspektiven im Eishockey sind gegenüber dem Fussball ja doch eher beschränkt. Du kannst mit dem HCD Meister werden, aber weiter geht es nicht. Es gibt keinen Europacup, und oberhalb der NLA steht nur die geschlossene NHL. Ich hatte schon Angebote aus der KHL und aus Schweden. Sogar in die NHL hätte ich gehen können, allerdings nur als Assistent. Wohl eher Videoanalyst. Sonst kommt da niemand rein, das ist eine geschlossene Gesellschaft. Aber das stört mich nicht. Klar, es wäre das ultimative Geschenk, wenn man solche Spiele machen könnte wie der FC Basel gegen Manchester United in der Champions League. Das gibts für uns nicht, deshalb will ich einfach an diesem Projekt des Noch-nieDagewesenen arbeiten. Ich werde es wohl nie zu Ende bringen, aber solange ich dran glaube, kann ich mich nicht über fehlende Perspektiven beklagen. Wenn
Interview: Arno del curto
dieser Glaube mal nachlässt, dann bin ich ein armer Siech. Ja, ich bin vielleicht ein Utopist, aber was stört mich das? Solange mich niemand stoppt, versuche ich mit meinen Spielern meinen Traum des perfekten Spiels umzusetzen. Mal ehrlich: Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass Barcelona mal so spielen könnte, wie sie es jetzt tun? Da hätte man auch gesagt, das sei Utopie. Und die gewinnen alles, komme wer wolle. Derzeit hat aber Mourinho die Nase vorn... Mourinho ist ein grosser Stratege, aber vor allem gegen den Ball. Mir ist Konstruktiveres lieber. Aber er ist extrem gut mit den Spielern, denn er ist nicht dieses Arschloch, als das er sich gibt. Ich verstehe nur nicht ganz, warum er immer wieder vom Weggehen spricht.
Das ist vielleicht nur Show mit dem Zweck, die Mannschaft zusammenzuschweissen. Im Stile von: «Da draussen sind alle gegen uns, aber wir halten zusammen.» Darin wärst du sicher auch gut. Du bist ja doch auch ein wenig wie er. Tja, er ist wie ich. (Lacht) Ich bin ja älter. Aber Fussball ist so viel grösser und Mourinho einer der Grössten in diesem Business, es ist also vielleicht doch angebracht, zu sagen, ich sei wie er, anstatt umgekehrt. Ich bin ja vermutlich auch bescheidener. Würdest du dir seinen Job zutrauen, mit all diesen Stars und ihren Allüren umzugehen? Ja, aber sicher! Man muss sie nur zu nehmen wissen. Letztes Jahr spielte der Tscheche Jaroslav Bednář hier. Der hat mich so unglaublich aufgeregt! Ich hab mit dem
tagtäglich arbeiten müssen, eines Tages hab ich ihm gesagt: «Zum Glück gibts dich, Bednář. Ich hätte nie gedacht, dass ich so einen wie dich aushalte. Es ist zum Kotzen, wie lange du den Puck hältst, aber du bist ein geiler Siech. Und jetzt probier mal, die Scheibe einfach früher zu spielen.» Dann hat er vor einem Finalspiel gegen Kloten noch etwas Unpassendes gesagt, da hab ich den so was von zusammengestaucht. Das Spiel haben wir dann sogar verloren, aber im nächsten Match hat er Kloten alleine auseinandergenommen. Eben weil er wusste: «Oh, jetzt hab ich zu viel Seich gemacht.» Du denkst, so könntest du auch mit Cristiano Ronaldo umspringen? Ja aber sicher, ist doch auch ein geiler Siech. Aber unter mir müsste der auch mitarbeiten, auch beim Pressing. Das
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würde ich dem schon einbläuen. Ich habe ja auch viel gelernt, gerade im Umgang mit den Spielern. Wenn ich an meine Zeit beim ZSC zurückdenke, muss ich zugeben, dass ich da völlig falsch reagiert hat-
«Cristiano Ronaldo ist doch ein geiler Siech.» te. Ich wollte alles verbessern, die Spieler zogen nicht gleich mit. Anstatt zu kommunizieren, habe ich sie hart drangenommen und Vollgas gegeben. Das hat nicht funktioniert. Bevor man eine Mannschaft attackieren kann, muss man eine persönliche Ebene schaffen. Dann schafft man alles. Ich würde auch einen wie Carlos Tévez wieder hinkriegen. Wir sind gespannt, auf welche Art. Den würde ich hier ins Büro holen, abschliessen und ihm hier zwei Stunden einen Film zeigen, ohne ein Wort zu sagen. Dann dürfte er einen Kaffee holen, wieder reinkommen, wieder abschliessen. Und dann rede ich mit ihm über den Film. Da sähe man hungernde Kin-
der in Afrika, Not in Afghanistan, Bilder vom Tsunami, einfach, um ihm mal zu zeigen, wie viel Leid es auf dieser Welt gibt. Und der Bursche führt so ein Theater auf, obwohl er so unglaublich viel verdient! «Nie mehr!», würde ich ihm sagen. Beim nächsten Match würde ich ihn aufstellen, aber nach 7 Minuten auswechseln. Beim übernächsten dann nach 14 Minuten. Dann 57. Und eines Tages würde ich ihn in die Arme nehmen und fragen: «So, hast dus kapiert?» Der wäre dann doppelt so gut und würde doppelt so viel laufen. Mit so einem Vorgehen hättest du ziemlich bald Probleme mit den Medien. Viele Journalisten haben in dieser Beziehung keine, nur ganz wenige dafür sehr viel Ahnung! Entschuldigung, wenn ich das so sagen muss, aber ihr seid ohnehin Ausnahmen. Ihr seid wirklich zwei Stars! (Lacht.) In so einem Fall kann man durchaus die Wahrheit sagen. «Ja, ich wollte schauen, ob er gelernt hat aus dem Blödsinn, den er gemacht hat. Schreibt darüber, was ihr wollt.» Vielleicht muss ich dann ein bisschen untendurch, aber wenn Tévez danach wieder am Laufmeter
trifft, werden die Medien jubeln und alles gutheissen. Wie ist dein Umgang mit den Medien? Spielst du auch mit ihnen wie etwa Mourinho? Einerseits kann ich auch etwas mit ihnen spielen, andererseits fühle ich mich so weit entfernt, dass ich sehr heftig auf absichtlich herausfordernde Fragen reagiere. Es ist mir wirklich völlig egal, was über mich geschrieben wird. Ich provoziere sogar, indem ich einem sage: «Schreib doch, ich sei das grösste Arschloch der Alpennordseite.» Das hat sicher auch mit der Erfahrung zu tun. Spinnen wir doch dieses Gedankenexperiment weiter: Wie würdest du eine Fussballmannschaft nach vorne bringen? Bei mir würde eine Mischung aus Barcelona, Manchester, Real, Dortmund und Gladbach gespielt. Wichtig wäre mir in erster Linie das schnelle Spiel. Im Training würde ich mit 11 gegen 0 beginnen, einfach nur schnell den Ball laufen lassen. Dann immer einen Gegner mehr, eine langsame Steigerung. Zum Schluss sogar mit 12, 13, 14 Gegenspielern. Daneben
Del Curto zum FC Winterthur! Wir sind überzeugt, dass Arno Del Curto auch im Fussball ein erfolgreicher Trainer wäre. Zu beeindruckend waren seine Präsenz, seine Cleverness, seine spontanen Ideen und seine Leidenschaft im Interview. Wir waren angesteckt. Und wir denken an die Interviews mit Fussballtrainern zurück. Del Curto hat eine klare Vision, die sich auch auf den Fussball übertragen lässt: Er will das schnellste Spiel spielen lassen. Der Erfolg von Arno Del Curto beim HC Davos ist beispiellos. Nach dem Wiederaufstieg 1993 war der HC Davos ein Mittelfeldklub mit wenig finanziellen Mitteln. Arno Del Curto kam 1996 und machte Davos wieder zu einem Spitzenklub. In den letzten zehn Jahren war der HCD fünf Mal Schweizer Meister, trotz finanziellen Problemen und potenten
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Gegnern wie dem SC Bern und zeitweise Lugano und Servette. Die Zeit ist reif für ein vielversprechendes Experiment. Der erfolgreichste Schweizer Eishockeytrainer soll einen Fusballklub übernehmen! Wir empfehlen als erste Station den FC Winterthur. Der Traditionsklub wurde dreimal Schweizer Meister, zuletzt 1917, spielt in der sechstgrössten Stadt der Schweiz und hat eine tolle Fankurve. Ideale Voraussetzungen! Denn Del Curto lebt für den Sport wie kaum ein Zweiter. Er ist ein Workaholic, verlässt sich nie auf Bewährtes, entwickelt sich und seine Methoden ständig weiter. Ihn verfolgt eine klare Vision, und um diese umzusetzen, gibt er alles. Er träumt von schnellem Fussball, und er weiss auch, wie er den im Training einüben kann. Während Fussballer in Interviews gestehen,
dass die Übungen bei allen Trainern sehr ähnlich seien, weil es da nicht viel zu entwickeln gebe, geht Del Curto neue Wege. Sein Credo: Übungen sollen Spielsituationen entsprechen. Ein 5-gegen-2 bringt zwar für die Technik etwas, im Match gibt es diesen Fall indes nie. Del Curto fordert mehr: hohe Intensität, realitätsnahes Training, sehr viel der Technik Zuträgliches und vor allem die komplette Auflösung der Egos. Es darf nur die Mannschaft geben, der Einzelne zählt nichts. Del Curto verspricht jenen frischen Wind, der im Fussball auch nach Trainerwechseln trotz aller Hoffnung meistens doch ausbleibt. Er hat keine FussballLaufbahn hinter sich, und genau deshalb könnte er als ausgewiesener Mannschaftssport-Fachmann viel bewirken. Seine Inspirationen kommen aus allen möglichen
Interview: Arno del curto natürlich sehr viel technische Übungen und Fokus auf die Schnelligkeit. Klar hat nicht jeder die Möglichkeiten eines Messi, aber den Ball schnell spielen könnte wirklich jeder. Auf jeden Fall würde ich die Spieler mit einbinden, das könnte genau den Ausschlag dafür geben, dass sie so viel zu geben bereit wären. Und es braucht eine Vision, die braucht es immer. Andere haben vielleicht die Vision «Die Null muss stehen». Das kann auch erfolgreich sein, aber ich finde, man muss auch an die Zuschauer und vor allem an die Ästhetik denken. Was ich sehen will, ist eine Sinfonie! Wo siehst du das grösste Potenzial noch im Fussball? Bei der Ballkontrolle. Und beim Willen, als Team zu spielen. Da denke ich, könnte man noch einiges herausholen. Es wäre wirklich das schönste Geschenk für mich, wenn ich mal noch einen Fussballverein trainieren könnte. (Lacht.) Natürlich wäre ich auf die Hilfe der Spieler angewiesen, zumindest zu Beginn. Vor allem aber müsste der Klub wirklich gewillt sein, sich auf dieses Experiment einzulassen. Ich denke, das wäre eine grossartige Geschichte! (Schmunzelt.)
Sportarten, und er versucht stets, Elemente daraus einzubauen, statt nur lang Bewährtes weiterzuführen. Er fordert viel und ruft seine Spieler zur aktiven Teilnahme auf. Wer sich einbringen kann, ist auch eher bereit, mehr zu geben. Und wer mehr gibt, erreicht auch mehr. Ein derart neuer Ansatz gepaart mit der ansteckenden Leidenschaft Del Curtos und seinen klaren Vorstellungen vom Spiel seiner Mannschaft muss ganz einfach Erfolg bringen, davon sind wir nach dem Gespräch mit dem Engadiner mehr denn je überzeugt. Wir legen hiermit Andreas Mösli, dem Geschäftsführer des FC Winterhur, nahe, Del Curto zu verpflichten. Er soll diesem spannenden Experiment zwei Saisons Zeit geben. Bei Misserfolg übernimmt ZWÖLF die Kosten. Und zahlt jedem noch ein Bier in der Bierkurve.
Man merkt schon im Gespräch, wie viel dir der Sport bedeutet. Leute wie dich gibt es im Fussball nicht. Challandes vielleicht, der ist ähnlich impulsiv. Ich bin nicht impulsiv, ich bin leidenschaftlich! Ich bin nur impulsiv, wenn es sein muss. Hast du schon mal reingeschaut, wie Fussballer trainieren? Immer wenn ich in Zürich bin, fahre ich auf die Brunau, hole mir einen Kaffee und schaue dem FCZ beim Training zu. Andy Egli war sogar mal bei uns und hat mit den Spielern eine Woche lang Fussballtrainings gemacht. Daneben haben wir sogar noch unser normales Programm absolviert, das sagt auch einiges über die unterschiedliche Intensität der Trainings aus, auch wenn diese Woche für unsere Spieler sehr hart war. Kicken können sie sowieso, wir spielen fast jeden Tag Fussball. Der HCD könnte sogar in der 1. Liga mitspielen, denke ich. Im Hockey reichts noch zu viel mehr. Wie kann überhaupt so ein kleiner Ort wie Davos zur europäischen Spitze gehören?
Das ist reine Tradition. Der Verein war stets sehr erfolgreich, hat mit Abstand am meisten Meistertitel. Aber man muss eingestehen: Es braucht verdammt wenig, und es wäre für immer vorbei mit Spitzenhockey
«Der HCD könnte sogar in der 1. Liga mitspielen.» hier. Noch einen Absturz wie Anfang der 90er würde der Verein nicht überleben. Ihr beginnt bald mit den Play-offs, ab dann gelten die 50 zuvor gespielten Partien nichts mehr. Es ist aber doch erstaunlich, dass die trotzdem beachtlich viele Zuschauer anziehen. Wir stellen uns gerade vor, wie eine Fussballarena gefüllt wäre, wenn in der 43. Runde der Dritte gegen den Siebten spielen würde... Wer weiss, vielleicht wäre das auch eine Idee für den Fussball. Man könnte auch Play-offs spielen, der Qualifikationssieger brauchte dann aber auch einen Titel. Stellt euch doch mal vor, wenn dann im Play-off FCZ gegen GC spielen würde!
Prima Idee!
Text: Matthias Dubach Bild: Florian Kalotay
Wunder sind im neuen System nicht zu erwarten. Aber eine Challenge League mit zehn Klubs ist einen Versuch wert.
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n der Challenge League herrscht Aufbruch- oder Untergangsstimmung, je nach Sichtweise. Die einstige NLB wird im Mai von 16 auf 10 Teams verkleinert. Noch bei Saisonstart hatte das bedeutet, dass 6 Teams absteigen. Mit dem Konkurs von Xamax sind es nun aber nur noch 5 Klubs, zudem kann der SC Brühl schon jetzt zu den 16 Vereinen gezählt werden, die ab nächster Saison in der neuen 1. Liga Promotion spielen. Damit müssen aber immer noch 4 Klubs runter. Die Folge ist ein erbittertes Wettrüsten auf dem Transfermarkt – könnte man meinen. Doch die Challenge League erlebt die ruhigste Wintertransferperiode seit Jahren. Beim Redaktionsschluss hatte kein Verein mehr als eine Handvoll neue Spieler engagiert. Der spektakulärste Transfer in der Liga, jener von Hakan Yakin zu Bellinzona, stand schon lange vorher fest. ChL-Topskorer Igor Tadic wurde zwar diesen Winter beim SC Kriens abgeworben, wechselt aber erst nach dieser Saison zum FC St. Gallen. Der FC Vaduz verzeichnete sogar gar keine Zu- oder Abgänge. «Wir haben genügend Qualität im Kader», erklärt FCV-Präsident Albin Johann. Ein Spiel mit dem Feuer: Die Liechtensteiner liegen als Achtplatzierter nur drei Punkte vor dem ersten Abstiegsrang. «Einige Langzeitverletzte kommen ins Team zurück, sie sind fast wie Neuzugänge. Wir sind absolut überzeugt, dass wir in der reduzierten Challenge League spielen werden», erklärt Johann. Vaduz gehörte zu den Befürwortern des harten Schnitts. Johann: «Wir standen voll dahinter, obwohl es uns hätte schaden können. Ausserdem hätte es Widerstand geben können, wenn wir als Liechtensteiner Verein einen der raren ChL-Plätze besetzen. Die Schweizer Vereine waren aber sehr
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loyal.» Ebenfalls hinter der Reduzierung stand FC-Schaffhausen-Präsident Aniello Fontana, als im letzten Mai die Delegiertenversammlung bestehend aus den Vertretern der Swiss Football League, der 1. Liga, der Amateurliga und den Regionalverbänden mit einer Dreiviertelmehrheit den Umbau genehmigten. Ein paar Tage später verspielte Schaffhausen die Möglichkeit, sich der Herausforderung überhaupt zu stellen, und stieg in die 1. Liga ab. Fontana sah aber stets das Gesamtbild: «Die Reduktion ist extrem wichtig, unabhängig davon, wer dabei ist. Diese Erkenntnis hatten wir schon Anfang der Neunzigerjahre, als die NLB innert dreier Jahre von 24 Mannschaften auf 12 verkleinert wurde. Die Liga nachher wieder aufzustocken, war ein Blödsinn, das war dümmer, als die Polizei erlaubt. Es ist verrückt, dass man diesen Schritt jetzt wieder korrigieren muss.» 16 Vereine sind zu viel Eine Zehnerliga macht durchaus Sinn, da die ChL in der aktuellen Form weder Fisch noch Vogel ist. Duelle zwischen Vereinen mit Millionenbudgets wie St. Gallen oder Vaduz und ambitionierten Kleinklubs wie Delémont oder Carouge gehören in den Cup – nicht in eine Meisterschaft. Die kleinen Vereine, wie der jurassische, Wohlen oder Kriens, waren gegen die Verkleinerung: Ihre langfristige Zukunft dürfte in der 1. Liga Promotion liegen. Eine nationale Liga mit 16 Teams ist zu gross für ein Land wie die Schweiz, das nur eine begrenzte Anzahl Vereine hat, die von den Strukturen her in eine professionelle Liga gehören – in Schottland und Österreich wird ebenfalls mit je zwei Zehnerligen gespielt. Finanzielle Basis, Infrastruktur und Nachwuchsförderung müssen gemäss Lizenzvorgaben bei
jedem ChL-Klub gewährleistet sein. Brühl, Le Mont, Gossau, Delémont, YF Juventus, Baulmes, Meyrin, Bulle oder Cham – alle spielten in der Challenge League, obwohl ihnen abgesehen von den sportlichen Fähigkeiten die Voraussetzungen für diese Liga fehlten. Die Zeiten, als dort ein paar ambitionierte, von einem Mäzen unterstützte Vereine gegeneinander spielten, sind unwiderruflich vorbei. Niveau ist zu tief für Talente Der moderne Fussball lässt grüssen: Eine gute Mannschaft alleine reicht heute nicht mehr aus, um die Lizenz für die Swiss Football League zu erhalten. Der Verband schreibt eine Mindestanzahl von Vollzeitstellen im Verein vor, kontrolliert die Arbeit in den Nachwuchsabteilungen, hat ein genaues Auge auf die Finanzen und stellt immer strengere Auflagen für die Spielstätten. Die Ligareduktion ist deshalb aus SFL-Sicht ein logischer Schritt, um die Professionalisierung voranzutreiben. Im Idealfall können Grossklubs wie Basel oder der FC Zürich ihre Talente in die Challenge League ausleihen, damit diese einen Schritt vorwärtsmachen. Aber Spiele gegen Halb-
Wie es früher war
Nicht zum ersten Mal wird die zweithöchste Liga angepasst. Von 1944 bis 1976 spielten 14 Teams in der NLB, dann wurde erstmals für drei Jahre auf 16 erhöht. Nach 1979/80 und 1980/81, als die NLB erneut 14 Vereine hatte, folgten wieder sechs Spielzeiten mit 16 Klubs. 1987 kam die Zeit der zweigleisigen Liga, 24 Teams waren auf die Ost- und die Westgruppe verteilt. Diesen skurrilen Aufbau entsorgte man in drei Schritten von 1993 bis 1996. Bis 2003 bestand die NLB aus 12 Klubs. Die neue Challenge League sollte 2003/04 mit 16 Teams starten, aber Sion erstritt sich vor Gericht die Teilnahme. Zwecks sinnvollen Spielbetriebs musste die Liga im Jahr darauf auf 18 Klubs aufgestockt werden, aber erst 2008 wurde wieder auf 16 Teams korrigiert. Mit der neuen Zehnerliga ist die Klubanzahl in der Super und der Challenge League erstmals seit 2002/03 identisch. (md)
Challenge League
profis bringen einen ambitionierten Jungprofi nicht weiter. Auch der FC Luzern nutzt mit Kriens einen ChL-Klub als Station für Talente. «Wir wollen diese Zusammenarbeit beibehalten oder noch ausbauen», versichert SCK-Präsident Peter Glur. Für Kriens, einen der Traditionsvereine in der zweithöchsten Liga und mit kleinem Budget immer wieder sehr erfolgreich, bedeuten die Leihspieler auch eine wichtige finanzielle Entlastung. «Es kommt auf den Spieler an. Luzern übernimmt manchmal den ganzen Lohn, manchmal einen Teil.» Dass aber wohl nicht alle Leihspieler die ChL für der Weisheit letzten Schluss halten, zeigt das Beispiel Janko Pacar: Der ausgeliehene Stürmer meldete sich per SMS von der Krienser Reise ins Trainingslager ab und ging für ein Probetraining nach Holland. Kriens ist als Zweitletzter der Tabelle akut gefährdet. Glur: «Ich bin nicht der Typ, der damit hadert. Wir nehmen es sportlich. Wir planen nicht zweigleisig, ich gehe davon aus, dass wir es am Ende schaffen werden.» Eigentlich wäre aber der SCK prädestiniert für die 1. Liga Promotion, wie auch die gefährdeten Nyon, Wohlen, Carouge oder Locarno. Glur schmunzelt: «Wer das behauptet, hat nicht unrecht. Aber es macht Spass, dass wir seit vielen Jahren das Gegenteil beweisen, weil wir als Underdog trotz eines der kleinsten Budgets schon viele Jahre
in der Nationalliga B und in der Challenge League spielen.» Keine Degradierung der 1. Liga In der Promotion wäre Kriens einer der grösseren Klubs: Wäre die Reform diesen Winter über die Bühne gegangen, wären ausser Kriens noch Wohlen, Nyon, Carouge, Delémont, Brühl, Yverdon, Le Mont, Breitenrain, Solothurn, Eschen/ Mauren, Tuggen sowie die 4 besten U21Nachwuchsteams (derzeit YB, Sion, Basel und FCZ) in der neuen dritthöchsten Liga dabei. Mit der Massnahme, dass diese neue Schnittstelle zwischen Profi- und Amateurfussball unter dem Dach der 1. Liga figuriert, brachte man diesen Teilverband auf die Seite der Reformatoren. Eine Degradierung von der dritthöchsten zur vierthöchsten Meisterschaft hätte das 1.-Liga-Komitee niemals goutiert. Wichtig ist für die Vereine aber anderes. «Als Challenge-LeagueAbsteiger fällt man nicht mehr direkt in den Amateurfussball», erkannte Vaduz-Präsident Johann. «Ein Verein kann sich so gut in der Promotion regenerieren, der Schnitt ist nicht mehr so brutal wie vorher.» Bei der neuen Challenge League soll natürlich die Vermarktung besser werden. Eine kompakte Zehnerliga ohne «Dorfklubs» könnte attraktiver für Sponsoren sein. Wunder sind keine zu erwarten. Jahresraten von 3 Millionen Franken, wie
sie die Axpo der SFL für die Super-LeagueNamensrechte abliefert, sind utopisch. Sicher ist nur, dass es von der Liga für die 10 Vereine 100 000 Franken mehr als bisher geben wird, weil der Kuchen durch weniger Esser geteilt werden muss. Eine entscheidende Rolle bei der Vermarktung spielen die Medien. Seit einigen Jahren überträgt zwar in der Deutschschweiz das Schweizer Sportfernsehen (SSF) jeweils am Montagabend eine ChL-Partie live. Aber das Niveau der Spiele sowie die Stadien sind nur bedingt fernsehtauglich. Durch die Konzentration auf 10 Vereine sollte das Niveau der (ausgeglicheneren) Liga steigen. Bei den Stadien wird sich die Situation indes erst zeitverzögert verbessern. In vielen Städten, die für die reduzierte Liga infrage kommen, wird eifrig an neuen Projekten gearbeitet. In Winterthur, Lugano, Schaffhausen, Kriens, Aarau, Biel und Lausanne werden oder sollen neue Bauten entstehen. Eine ausgeglichene Liga verspricht ausserdem mehr Spannung. In der Meisterschaft mit 16 oder 18 Teams ging es für das breite Mittelfeld der Tabelle bereits früh in der Saison um nichts mehr. «Auch wenn wir pro Jahr vier Mal gegen denselben Gegner spielen werden, wird es attraktivere Paarungen geben», ist sich Vaduz-Präsident Johann sicher. Der Zuschauerdurchschnitt, der diese Saison bei rund 2000 liegt, wird auch in der Zehnerliga nicht explodieren und weiterhin primär davon abhängen, welcher Verein aus der Super League absteigt. Dass nach der Reduktion je nach Verlauf der nächsten Saison vielleicht doch ein Verein den Sprung in die neue Liga schafft, der eher für die 1. Liga Promotion prädestiniert wäre, kann durchaus passieren. Das ist auch gut so: Sportliche Leistungen müssen weiterhin belohnt werden. Auch wenn sich nun die besten 20 Vereine der Schweiz weiter vom Rest abheben und die Durchlässigkeit kleiner wird: Auf- und Abstiege braucht es weiterhin. Denn die besten Geschichten schreibt der Fussball an der Spitze und am Schluss der Tabelle. Das muss so bleiben. Oder bleibt doch alles anders? Kriens-Boss Glur glaubt nicht an Konstanz: «Ich denke nicht, dass das System mit zwei Zehnerligen über viele Jahre in Stein gemeisselt sein wird.»
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«Viele Grüsse aus dem Olympiastadion» Text: Pascal Claude / Bilder: Aus der Sammlung von Thomas Tschanz
Wenn Lausanne Basel schlägt und Bahnhofskioske zu Fundgruben werden, sind wir in der Welt der Stadionpostkarten. Eine Annäherung an einen Sammler.
«B
regenz zum Beispiel ist sehr gut,» sagt Thomas Tschanz, «dort findest du am Kiosk zwei verschiedene Postkarten, auf denen man das Stadion sieht.» Er steht auf, zieht den blauen Ordner mit dem Österreich-Wappen aus dem Regal und legt die Beweise vor: zwei Luftaufnahmen des Städtchens am Bodensee, und in der Bildmitte, nahe am Seeufer, die Sportanlagen. Für einen Sammler ein Glücksfall. Thomas Tschanz sammelt Stadionpostkarten, und als Stadionpostkartensammler hat er sich diesen spezifischen Blick auf Postkartenständer angeeignet, den nur Leute seines Schlages nachvollziehen können. Statt wie gewöhnliche Touristen nach Baudenkmälern, Sonnenuntergängen oder Spassmotiven scannt er das Kiosksortiment gezielt nach meist unspektakulären Totalen, in der Hoffnung, die Aufnahme beinhalte die lokale Sportstätte. Und das ist gerade in der Schweiz nicht sehr oft der Fall: Lagen Fussballstadien schon in der Vergangenheit nur selten mitten im Ortskern oder im Stadtzentrum, so hat sich dies
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mit dem Bau neuer Arenen noch verstärkt. Die neuen Stadien in Genf oder St. Gallen an eher depressiv stimmenden Rändern der Stadt stehen für diese forcierte Entwicklung. Wer Stadionpostkarten sammelt, hat es darum nicht immer leicht. Und trotzdem ist einiges zusammengekommen bei Thomas Tschanz in all den Jahren. Irgendwann habe er aufgehört zu zählen, sagt er. «Aber so um die Zehntausend werden es wohl sein.» Tschanz hat schon immer gesammelt: Autogrammkarten zum Beispiel oder Pins mit Sportmotiven. Als er 1992 aber von einem Bekannten eine Postkarte des Münchner Olympiastadions erhielt, lenkte der 49-Jährige seine Veranlagung nachhaltig in eine neue Richtung. Fortan galt seine Aufmerksamkeit den Stadien. In den bald 20 Jahren seit dem ersten Sammlerstück aus München ist nicht nur Ordner um Ordner hinzugekommen, Tschanz hat sich in dieser Zeit zwangsläufig auch mit der Veränderung der Stadionlandschaft, dem Umgang mit dem historischen Erbe einer Spielstätte oder den politischen Debatten rund um
neue Stadien befasst. Als GC-Fan betrifft ihn all dies auch persönlich. Zwar besucht Tschanz, der seit 31 Jahren bei den SBB arbeitet, noch immer jedes Heimspiel seines Klubs, wenn es der Arbeitsplan erlaubt. Den Hardturm, «mein Lieblingsstadion», wie er sagt, kann er aber nicht vergessen. Mit dem neuen, redimensionierten Stadionprojekt der Stadt Zürich könne er sich anfreunden, sagt Tschanz, grundsätzlich bleibe es aber dabei: «3000 in Aarau ist etwas anderes als 3000 im Letzigrund.» Obwohl sein Herz blutet, wenn ein altes Stadion verschwindet, verschliesst sich der Sammler nicht der Realität. Im Gegenteil: Anhand seiner Karten nachzuvollziehen, wie sich ein Ort und mit ihm sein Stadion verändern, nennt er als einen der interessantesten Aspekte seines Hobbys. So ist Tschanz auch regelmässig auf Flohmärkten unterwegs, wo er für eine Karte aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts auch einmal 30 Franken bezahlt. Man könne die Zeit nicht anhalten, sagt er, «aber manchmal vermisse ich bei Neubauprojekten das Bewusstsein, dass ein Stadion mehr ist als einfach eine Sportanlage, nämlich Teil der Identität des Klubs». So hätte Tschanz beim Wankdorf-Neubau dem historischen Erbe mehr Gewicht verliehen. Heute wirkt die alte Matchuhr auf dem Stadionvorplatz verloren. Über den einheimischen Stadionpostkartenmarkt kann Tschanz präzise Angaben machen. Und die erstaunen insofern,
Postkarten Allmend, Luzern
Pontaise, Lausanne
als die sportliche Bedeutung eines Klubs offenbar nicht mit der Anzahl Karten seiner Spielstätte korrespondiert. So wurde die Lausanner Pontaise mit Abstand am häufigsten auf Postkarten verewigt, wohingegen das Basler Joggeli oder die Genfer Charmilles kaum zu finden sind. Mit den neuen Stadien ändert sich dies allmählich. So hat die für den Bau zuständige Generalunternehmung Karten von der St. Galler AFG-Arena herstellen lassen. Und die Betreibergesellschaft Ba-
sel United verkaufte nach Eröffnung des St.-Jakob-Parks gleich eine ganze Postkartenserie, von der die beiden Luftbilder des Stadions in Sammlerkreisen bereits als Tauschobjekte begehrt sind. Für Tschanz, dem Kollegen und Bekannte Stadionpostkartengrüsse aus allen Weltgegenden ins Toggenburg schicken, ist das Kartensammeln selber ein Tor zur Welt. Als Mitglied der «Deutschen Stadion-Ansichtskarten-Vereinigung DSS», auf die er vor Jahren durch ein In-
serat im «kicker» gestossen war, tauscht er sich mit Gleichgesinnten aus und erweitert am Jahrestreffen seine Sammlung. Gehandelt wird dort vor allem mit «Sammlerkarten», die im Gegensatz zu den meisten «Kioskkarten» das Stadion bewusst als Motiv in der Bildmitte führen und oftmals auf 100 oder 200 Stück limitiert sind. Stadionpostkartensammler beschränken sich dabei aber nicht, wie der Name nahelegt, auf grosse Arenen mit steilen Tribünen, sondern erwei-
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postkarten
Kirchenfeld, Bern
Charrière, La Chaux-de-Fonds
Comunale, Bellinzona
sen jedem erdenklichen Provinzplatz die Ehre. Thomas Tschanz hat sich dennoch Grenzen gesetzt, um seine Sammlung nicht ins Uferlose wuchern zu lassen: zwei Karten pro Stadion, aus verschiedenen Perspektiven oder Jahrzehnten,
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sollen künftig reichen. Und irgendwann, «vielleicht in ein paar Jahren», will er sich an die Verwirklichung seines Traumes machen: ein Buch nur mit Karten von «Lost Grounds». «Das alte Wembley, das Amsterdamer Olympiastadion,
Heysel, das Waldstadion, die Maladière», das stelle er sich grossartig vor. Bis es so weit ist, erweitert Thomas Tschanz seine Sammlung und sein Wissen – im Stadion, an der Sammlerbörse, am Bahnhofskiosk.
Constantin
Rebel With A Cause Text: Wolf Röcken / Bild: Keystone
In der Deutschschweiz hat Christian Constantin vor allem Kritiker. Im Wallis einige Anhänger. In Spanien wahre Fans.
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er Mann muss ziemlich gut sein. Acht Seiten in der grossen spanischen Sportzeitung «AS». Auf dem Cover nur sein Gesicht. Nicht jenes von Messi, nicht jenes von Ronaldo, auch nicht das Gesicht von Özil war es, dem «AS» Ende letzten Jahres den ganz grossen Auftritt gewährte. Zum Titel «Rebende con causa» prangte Christian Constantins Kopf vom Cover. Sion-Präsident Constantin: der «Rebell mit Grund». Für das spanische Massenblatt war es ein wahrer Triumph, dass sich Constantin im letzten Herbst nach Madrid begeben hatte, um über die aktuelle Lage der Rechtsstreite mit FIFA, UEFA und CAS zu berichten. 50 (!) Tage in Folge berichtete «AS» über den Schweizer «Asterix» und seinen Kampf gegen die VerbandsObrigkeiten. «Sion ist der Vorschlaghammer, um dieses korrupte System zu zerschlagen», schrieb der Sportchef von «AS» persönlich. Constantin sprach in Madrid an einem Forum vor 120 Personen: Journalisten, Trainer, Funktionäre. Der Präsident von Atlético Madrid wollte ihn auf ein paar persönliche Worte treffen. Sie alle wollten wissen, was den verrückten Schweizer antreibt und was er erreichen kann. Denn viele drücken Constantin anerkennend die Daumen und könnten ihre Freude kaum zurückhalten, sollte der Sion-Zampano die Fussball-Mächtigen in die Knie zwingen. «Ich wäre froh, die Funktionäre
in den spanischen Vereinen hätten eine solche Courage wie Sie», liess sich der ehemalige Vizepräsident des spanischen Verbands nach CCs Besuch laut «Blick» zitieren. Und der Präsident der spanischen Liga kriegte gerade noch die Kurve der anstandsmässigen Neutralität, als er im Interview zum Fall Constantin die Aussage wagte, er habe das Gefühl, dass die UEFA ein Problem habe – und er denke, dass die Lösung des Falls einen grossen Einfluss auf den europäischen Fussball haben werde. Wo seine Sympathien liegen, blieb offiziell unbekannt. Vorauseilende Schadenfreude In der Deutschschweiz ist Constantin der nervende Sonnenkönig aus dem Wallis, der die Liga punktemässig in stetiger Ungewissheit hält und dem selbst eine Klage gegen die GrashalmLänge zugetraut wird. Im Wallis hingegen stellt sich die Kioskfrau hinter CC, da er gegen «die da oben» kämpft. Und das wiederum gefällt auch den Fussball-Entscheidkräften ausserhalb der Schweiz. Nicht nur in Spanien jedenfalls wird Constantins Justiz-Irrlauf mit einer Mischung aus Genugtuung und vorauseilender Schadenfreude beobachtet. In diversen Ländern mit bedeutenden Ligen würde man sich freuen, bekämen Leute, die Weltmeisterschaften an Katar vergeben, kräftig eins ans Bein. In England etwa freute man sich, dass da
jemand den Kampf gegen «den Administrativ-Terror der Verbände» führt – quasi stellvertretend für sich selber. «Constantin hat nichts zu verlieren», kommentierte Goal.com, «für die UEFA und die FIFA hingegen geht es um alles – und er weiss das.» Kommentar im OnlineForum: «Endlich mal einer, der die Eier hat und der FIFA die Stirn bietet.» Der Erdrutscher Wilhelm Tell, Robin Hood, Asterix oder Rumpelstilzchen wird Christian Constantin in Fussball-Blogs quer durch Europa genannt. Ein Nationalheld, ein Kämpfer für die Mittellosen, ein internationaler Held oder ein Choleriker. Gewohnt nüchtern schlug sich hingegen die «Süddeutsche Zeitung» nicht auf die Seite des Sion-Zampanos, schrieb aber von einem sehr hohen Sprengpotenzial, das von Constantin ausgehe. In einem Kommentar schrieb das Blatt zwar fälschlicherweise vom «neuen» Schweizer Medienhelden. Aber man sollte sich nicht in Details verlieren, wenn es ums Grosse und Ganze geht: ein potenzielles Bosman II, wie die «Süddeutsche» orakelte. Der Fussball stehe «in gruseliger Erwartung eines noch grösseren Erdrutsches für den Sport, als er vom damaligen Urteil ausging, das das Transfersystem pulverisierte». Dann würden sie ihm in Spanien vielleicht ein Denkmal setzen.
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Milito! Tévez! Neymar! Text: Silvan Lerch / Fotos: Claudio Bäggli
Ihr Ruf ist schlecht, doch mit den Stars sind sie auf Du und Du: die Spielervermittler. Eintauchen in eine Welt voller Abenteuer und verpasster Chancen. Mit zwei renommierten Vertretern.
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ie Zeit drängte. Längst hatte das Boarding für den Flug zurück nach Istanbul begonnen, doch vom Geld war weit und breit nichts zu sehen. Da wurde selbst Renato Cedrola nervös: er, der nach über zehn Jahren als Spielervermittler gedacht hatte, dass ihn so schnell nichts mehr aus der Ruhe bringen würde. Was sich dann aber an diesem Morgen auf dem Flughafen in der türkischen Provinz zutrug, erweiterte den Erfahrungsschatz des Mannes aus St. Gallen um eine ungeahnte Dimension. Dabei war das Geschäft gut angelaufen, vielleicht zu gut. Einige Tage zuvor hatte Cedrola den Anruf eines befreundeten Agenten aus der Türkei erhalten, eine bedeutende Figur der Süper Lig, zu dessen Klienten Nationalspieler gehören wie Fenerbahçes Emre oder Volkan. «Ich suche einen Stürmer. Hast du mir einen?» Cedrola hatte. Der Zufall wollte es, dass der international tätige Spielerberater gerade Ausschau hielt nach ei-
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nem neuen Verein für eine Offensivkraft aus Chile. Kurz darauf sass er im Flieger nach Istanbul, im Gepäck seine Vorverträge, die er unterschrieben zurückgefordert hatte vom Verein, der an den türkischen Agenten herangetreten war. Ohne diese Papiere wäre Cedrola nie zu den Verhandlungen gereist. «Zu hohes Risiko», sagt er lapidar, zu hohes Risiko, dass der Klub von gemachten Versprechen plötzlich nichts mehr wissen will. «Der Fussball in der Türkei wird von Emotionen gesteuert. Da ändern die Präsidenten manchmal schlagartig ihre Meinung. Es ist wie auf dem Basar.» Filmreife Kofferübergabe Von Istanbul ging es weiter in den asiatischen Teil des Landes, fast bis zur Grenze nach Syrien. Dort, umschlossen vom Taurus-Gebirge, liegt Südostanatolien. Gaziantep hiess das Reiseziel, eine Stadt, die bekannt ist für ihre Paprika, Pistazien und das Nationalgebäck Baklava, kaum aber
für den lokalen Fussballverein: den Mittelfeldklub Gaziantepspor. Der junge Mann aus Chile schaute Cedrola skeptisch an. Hier sollte er das grosse Geld verdienen? Um elf Uhr betraten die beiden das riesige Sitzungszimmer des Vereinspräsidenten, begleitet vom türkischen Agenten und Mittelsmann. Immer mehr Personen stiessen dazu. Ein Palaver ergriff den Raum, das sich um alles im Fussball drehte, nur nicht um den angestrebten Transfer. Die Stunden vergingen. Verhandlungen? Fehlanzeige. Spätabends platzte dem Gast aus der Schweiz der Kragen. Er drohte, mit dem Spieler unverrichteter Dinge wieder abzureisen. Plötzlich kam Bewegung in die Sache. Gegen Mitternacht war der Vertrag aufgesetzt. Der Präsident stellte das versprochene Handgeld für neun Uhr morgens in Aussicht, wenn die Bank ihre Schalter wieder öffne. Um zehn war es immer noch nicht da, und um elf ging der Flieger zurück nach Istanbul. Frustriert begab sich Cedrola zum Check-in-Schalter. In diesem Moment erschien ein Klubverantwortlicher. Endlich. Er öffnete den mitgebrachten Koffer, und zum Vorschein kamen lauter 100-Dollar-Scheine. Hektisches Zählen begann, nur halbwegs geschützt vor neugierigen Blicken. Cedrola und sein Spieler nahmen jede Note in die Hand, bis sie Gewissheit hatten: Der geschuldete Betrag lag vor ihnen, 40 000 US-Dollar. Heute kann der Ostschweizer mit italienischen Wurzeln über diese Episode la-
spielervermittler ersatzgoalie
chen. Damals fand er die Unzuverlässigkeit des Präsidenten weniger lustig. Immerhin, der Transfer hat sich gelohnt, zumindest finanziell: Der Klub kam allen Forderungen nach. Lange hielt es der Chilene aber nicht aus bei Gaziantepspor. Nach einem Spiel war Manuel Neira wieder weg. 14 Millionen und eine Bratwurst Cedrola lehnt sich in seinem Büro zurück. Es befindet sich im ersten Stock eines schmalen, unscheinbaren Gebäudes gleich hinter dem St. Galler Bahnhof. Die Räume des Altbaus sind hell, die Böden mit Holz versehen, die weissen Decken mit Stuckatur versetzt. Zusammen mit seinem Bruder Michele betreibt er hier seit über zehn Jahren die Spielerberater-Agentur Front Group. 2000 DVDs stehen im Nebenzimmer, aufgereiht in hohen Gestellen. Alle sind nummeriert. Nur so verlieren die beiden Brüder nicht die Übersicht bei den Dutzenden von Spielaufzeichnungen, die sie wöchentlich machen. Dank Satellitenfern-
sehen lässt sich mittlerweile jede Liga verfolgen. Das ist zentral für die global agierenden Cedrolas. Die Schweiz allein wäre ihnen ein zu kleiner Markt. Ihre Klienten spielen in Portugal, Polen, Serbien und Russland, in Israel, Marokko oder Zypern. Der berühmteste und teuerste unter ihnen ist der 25-jährige Ezequiel Garay. Den argentinischen Innenverteidiger haben die Cedrolas 2011 von Real Madrid zu Benfica Lissabon gelotst. Sein Marktwert wird auf knapp 14 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Renato Cedrola schmunzelt. Für ihn, der die Transferdetails kennt, sind Angaben zu seinen Klienten auf Portalen wie Transfermarkt.ch im besten Fall mehr oder weniger zutreffende «Momentaufnahmen», meist indes schlicht von zweifelhaftem Wert. «Wie diese Summen zustande kommen, ist mir ein Rätsel», sagt er. Das Gegenteil der Millionendeals sind «Freundschaftsdienste», wie es Cedrola nennt. Da wird einem abstiegsbedrohten Challenge-League-Klub schon einmal ein Talent aus der obersten Spielklasse ausge-
liehen – für «1000 Franken und eine Bratwurst». Ein lukratives Geschäft liesse sich dagegen mit Ezequiel Óscar Scarione machen. In der Winterpause bekundeten Vereine aus Spanien und dem arabischen Raum Interesse am Regisseur des FC St. Gallen. Ein Transfer kam für Cedrola allerdings nicht infrage. «Die St. Galler befinden sich mitten im Aufstiegsrennen. Da dürfen wir sie nicht so entscheidend schwächen.» Manchmal wiegt der kurzfristige Profit den längerfristigen Schaden eben nicht auf. Die Cedrolas wissen dies nur zu gut. Spielervermittler sind umstritten, nicht selten zu Recht. Die Branche zieht Wichtigtuer an, Hochstapler, Menschenhändler. Falsches Spiel Die Cedrolas dagegen geniessen einen guten Ruf, auf Klub- und Spielerseite. Sie pflegen beste Kontakte zum Ligakrösus FC Basel. Mit ihm schlossen sie den ersten Transfer ihrer Karriere ab. 2001 suchte der damalige Vereinspräsident René C. Jäggi
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händeringend einen Stürmer von internationalem Format. Als die Brüder davon erfuhren, war ihnen sofort klar, wer dem FCB fehlte. Über einen gemeinsamen Bekannten kamen sie mit den Investoren des FC Lugano ins Gespräch, wo ihr Objekt der Begierde spielte. Nach zähen Verhandlungen flossen 1,8 Millionen US-Dollar ins Tessin. Fortan hatte Jäggi den gewünschten Knipser: Christian Giménez. Für die Tippgeber blieb eine kleine Belohnung von 20 000 Schweizer Franken. Damals waren die Cedrolas glücklich über diesen Betrag. Doch schon wenige Jahre später nahmen sie beträchtlich mehr ein, als sie dem FCB für ein Gesamtpaket von 10 Millionen Franken – inklusive Ablösesumme, Provision und Lohn – César Carignano vermittelten. Die Ostschweizer waren nun etabliert, aber nicht vor Rückschlägen gefeit. 2006 gab ihnen Basels Matías Delgado die mündliche Zusage zum Transfer nach Mönchengladbach. Der damalige Borussen-Coach Jupp Heynckes versprach dem Argentinier die Nummer 10, und die Vereine setzten sich an einen Tisch. Bloss, auf einmal war nichts mehr wie vereinbart. Ohne die Berater zu informieren, hatte Delgado bei Besiktas Istanbul unterschrieben – für das fast doppelt so hohe Gehalt. Gleichwohl fragte sich Renato Cedrola, wie man «einen Ehrenmann wie Heynckes» so vor den Kopf stossen könne. Ihm selber ging eine Provision von über einer halben Million Euro durch die Lappen. Aschewolke als Berufsrisiko Beträge in dieser Grössenordnung stellen keine Selbstverständlichkeit dar für die
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Cedrolas. Zu den weltweiten Topshots gehören sie (noch) nicht. Fünf bis zehn Übertritte von internationalem Format fädeln die Brüder pro Jahr ein. Dabei kann schon einmal eine hohe sechsstellige Summe für sie herausspringen. Aber nicht immer bringt man einen Juan Pablo Sorín von Villarreal zum HSV oder stösst den Wechsel eines Gonzalo Higuaín zu Real Madrid an. Die Realität lautet eher, dass Verteidiger Mido zu Jagiellonia Bialystok nach Polen geht, Mittelfeldspieler César Henríquez zu CD Palestino nach Chile oder Stürmer Lys Mouithys zu Wydad Athletic Club Casablanca nach Marokko. Das sind alles Namen mit austauschbarem Profil.
Bei ihnen begrenzen sich die Verdienstmöglichkeiten schnell auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Das mag immer noch nach viel klingen. Doch Transfers brauchen oft eine mehrmonatige Vorbereitungszeit, und die Gefahr des Scheiterns lauert überall: selbst in einer isländischen Vulkanaschewolke. Die verzögerte 2010 den Flug des Bochumer Trainers zu einem Stürmer aus dem Kundenstamm der Cedrolas um Tage. Als der Coach wieder hätte abheben können, war er entlassen – und der Nachfolger überzeugt von einer anderen Personalpolitik. Die Ostschweizer Berater gingen leer aus. Nicht zuletzt aufgrund dieses Berufsrisikos hatten sie
von Beginn an ein zweites Standbein aufgebaut, das regelmässige Einnahmen garantiert: die Organisation von Fanreisen zu internationalen Spielen. Im Dienste Barças Die sicherste Einnahmequelle eines Spielervermittlers ist, wenn er im Namen eines Vereins das Scouting für eine bestimmte Region übernehmen darf. Dann erhält er einen vertraglich fixierten Monatslohn – ob es zu Transfers kommt oder nicht. Die Cedrolas hatten das Privileg, diese Tätigkeit in der Saison 2005/06 für den FC Barcelona auszuüben. Trainer war Frank Rijkaard, der Chefscout Bojan Krkićs gleichnamiger Vater, der wiederum einen Freund der Cedrolas kannte. Man kam ins Gespräch und gleich zu einer Vereinbarung. So klein und unkompliziert kann die grosse, weite Fussballwelt sein! Fortan beobachteten die Cedrolas im Auftrag der Katalanen den europäischen Markt. Für welchen Betrag, verraten sie nicht. Sie deuten aber an, dass er als alleiniger Verdienst nur knapp ausgereicht hätte. Barcelona interessierte sich damals vor allem für den jungen Stuttgarter Nationalspieler Andreas Hinkel. Während acht, neun Monaten besuchten die Cedrolas Spiele des Rechtsverteidigers und rapportierten Krkić senior, was sie gesehen hatten. Als sich Hinkel verletzte und aus dem deutschen WM-Kader 2006 gestrichen wurde, war das Thema für Barcelona jedoch durch. Für die Cedrolas schloss sich das Kapitel Barça ebenfalls bald. Nach personellen Rochaden im Klub wurde die Zusammenarbeit nicht verlängert. Auch das ist die grosse, weite Fussballwelt.
spielervermittler Ihre Aufgabe scheinen die beiden Brüder dennoch gut gelöst zu haben. Der damalige Sportchef Txiki Beguiristain gehört weiterhin zum Bekanntenkreis, und Shakhtar Donezk wollte ihnen das Scouting für Argentinien übertragen. Die Kooperation kam indes nicht zustande, weil der ukrainische Spitzenklub ein exklusives Anstellungsverhältnis forderte. Das hätte es den Cedrolas verunmöglicht, ihre eigenen Klienten weiter zu betreuen, was für sie nicht zur Diskussion stand. Nebst langjährigen Kunden gibt es immer wieder auch Zusammenarbeiten auf Zeit. Dabei erhält der Berater vom Klub oder vom Spieler ein befristetes Mandat, ihn zu vertreten. Die Cedrolas durften Vertragsgespräche für mehrere (Ex-)Internationale führen wie den Italiener Luigi di Biagio, den in der Schweiz nicht ganz unbekannten Montenegriner Mirko Vučinić oder die argentinischen Gebrüder Milito. Schliesslich treten die Cedrolas auch als blosse Vermittler auf zwischen Klub, Spieler und dessen Berater, wenn sie das Land des zukünftigen Arbeitgebers besser kennen. Ob in China, Marokko oder Russland, überall haben sie lokale Spezialisten, die für sie Kontakte zu den Vereinen vor Ort unterhalten. Laut Renato Cedrola hätte daher Dušan Djurić einen viel lukrativeren Vertrag in Kazan unterschreiben können als bei Valenciennes. Doch der Berater des ExFCZlers habe keinen Mittelsmann akzeptiert. Spieleragenten sind eben Konkurrenten. Da kann ein Hilfsangebot auch als Versuch angesehen werden, einem den Klienten wegzuschnappen. Mitten in den Favelas Das Spezialgebiet der Cedrolas liegt in Südamerika. Das zeigt sich in den Räumlichkeiten ihrer Agentur. Schön eingerahmt hinter Glas und versehen mit persönlicher Widmung, hängen Trikots von Spielern an der Wand, mit denen sie schon zu tun hatten. Das feine Textil von Álvaro Recoba (ex Inter Mailand) oder Juan Riquelme (Boca Juniors) macht sich da besonders gut als Büroaccessoire. Noch mehr beeindrucken würde allerdings das Shirt eines anderen Stars, der einst die
Farben Bocas trug: Carlos Tévez. An dessen Rechten hätten sich die Cedrolas vor zehn Jahren einen Anteil von 30 Prozent sichern können, so vertraut sind sie mit dem argentinischen Markt. Bloss fehlte ihnen damals das nötige Kleingeld von 300 000 US-Dollar. Heute wären sie nach dieser Investition Multimillionäre. Die Cedrolas tragens mit Fassung. Verpassten Geschäften dürfe man nicht nachtrauern, meinen sie unisono. Sie machen sich keinen Vorwurf, den Hinweis eines Bekannten ignoriert zu haben, dass sich beim Zweitligisten FC Chur ein Ausnahmetalent tummle. «Wo kämen wir hin, wenn wir selbst Amateure beobachten würden?», fragt Michele Cedrola. So entging den Brüdern der Jungspund Senad Lulić, der mittlerweile bei Lazio Rom Stammkraft ist. Ihnen entging aber auch Eduardo Vargas, auf den sie früh ein Bekannter in Chile aufmerksam gemacht hatte. Im Dezember wechselte der Stürmer für 14 Millionen Euro zu Napoli. «Ich habe ihm eine solche Entwicklung nicht zugetraut», gibt Renato Cedrola freimütig zu. Doch die Angst, eine Trouvaille zu verpassen, ist ihm fremd: «Gute Spieler hat es wie Sand am Meer.» Der Mann, der für die Cedrolas in Brasilien auf Schatzsuche geht, heisst Jefferson Batista. Anhängern von St. Gallen, Xamax und dem FCZ ist er vielleicht noch als Chancentod in Erinnerung. Als Spielerberater beweist der 36-Jährige mehr Treffsicherheit. Er schreckt nicht davor zurück, in den Armenvierteln der Grossstädte nach Talenten Ausschau zu halten. Um eine Favela betreten zu dürfen, muss man die richtigen Leute kennen. Die Cedrolas sind indes unbesorgt. Sie glauben nicht, dass sich Jefferson mit skrupellosen Personen einlasse. «Er ist erfahren genug, um abschätzen zu können, mit wem er Geschäfte macht», finden sie. In seinen Verantwortungsbereich mischen sie sich nicht ein. Trotzdem mag eine Prise Skrupellosigkeit der Preis sein, um den nächsten Neymar zu entdecken. Jefferson berichtete kürzlich, einen 14-Jährigen gesehen zu haben, dem er den Sprung in den Profifussball zutraue. Bis auf Weiteres erkauft
Die Cedrolas 1997 haben Renato und Michele Cedrola die Front Group GmbH in St. Gallen gegründet. Die 47- und 41-jährigen Brüder zählen zu den angesehensten Spielerberatern der Schweiz. Sie sind bekannt für ihr internationales Netzwerk. Nach Südamerika pflegen sie besonders gute Kontakte. Zahlreiche Weltstars gehören oder gehörten zu ihren Klienten. (ler)
er sich die Sympathie des Vaters mit etwas Geld. Das kann die Armut der Familie lindern. Aus der Ferne der Schweiz betrachtet, wecken solche Vorgänge jedoch auch ungute Gefühle. Gleichzeitig werden nun einmal im heutigen Fussball Talente immer früher gebunden. Es ist wie überall: eine Frage der Perspektive und, insbesondere, eine Frage der Seriosität. Dubiose Kontakte Die Cedrolas wissen um die Problematik. Fast täglich erhalten sie von Unbekannten Mails, in denen junge Fussballer als die nächsten Jahrhunderttalente angepriesen werden. Zumeist stammen sie aus Afrika. In holprigem Englisch bieten die Absender ihre Dienste an, die auch die Vermittlung von Junioren einschliesst. Die Cedrolas löschen solche Zuschriften umgehend. Die Quellen seien zu dubios, als dass sie Zeit hätten, die Inhalte auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Sie konzentrieren sich auf zuverlässige Partner wie den befreundeten Sportchef der AC Milan, Ariedo Braida. Bereits vor Monaten empfahlen sie ihm den damaligen FCZler Ricardo Rodriguez. Sie wollten als Verbindungsglied Klubs, Spieler und Agent zusammenführen. Braida war vom Zürcher angetan, zu mehr fehlte ihm aber der Mut. So konnten die Cedrolas in der Winterpause nur kleinere Transfers vollziehen wie denjenigen Emiliano Dudars von YB zu D.C. United in die Major League Soccer. Nun gleisen sie erste Wechsel für den Sommer auf. Die Berater Shaqiris haben schon einmal vorgelegt...
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England schlägt sich wieder mal selber
Text: Peter Balzli Bild: Keystone
Die englische Nationalmannschaft gleicht vier Monate vor der Euro 2012 einem Scherbenhaufen. Einmal mehr stellt sich das Mutterland vor einem grossen Turnier selber ein Bein.
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ass der Captain einer Nationalmannschaft aus disziplinarischen Gründen abgesetzt wird, ist sehr unüblich. Der Trainer wählt ja für den Posten stets einen Mann mit Format aus. Erst recht in England, wo das «Sportsmanship», also das gute Benehmen der Spieler auf und neben dem Spielfeld, erfunden wurde. Dass aber ein und derselbe Captain gleich zwei Mal innerhalb von
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zwei Jahren aus disziplinarischen Gründen die Armbinde abgeben muss, das übertrifft schon alles, was die Engländer bisher gesehen haben. John Terry heisst der Mann, und man muss kein Fussballfanatiker sein, um schon eine ganze Menge über das Privat- und Familienleben dieses Mannes gehört zu haben. Deshalb das Wichtigste nur in Kurzform: 2008 ernennt Na-
tionaltrainer Fabio Capello den ChelseaVerteidiger zum Captain seines Teams. Terry ist oft in den Schlagzeilen. Nicht immer ist er selber schuld. Einmal erwischt die Boulevardpresse seinen Vater beim Drogenhandel, ein andermal die Polizei seine Mutter beim Ladendiebstahl. Doch mit ihm als Captain – und Capello als Trainer – spielt England die beste Qualifikation seit Jahrzehnten. Dann hat Familienvater John Terry eine Affäre mit der Ex-Partnerin seines besten Freundes und Nationalmannschaftskumpels Wayne Bridge. Die Sache fliegt auf. Die Mannschaft teilt sich in zwei Lager. Wayne Bridge tritt aus der Nationalmannschaft zurück. In der Folge wird John Terry von Fabio Capello als Captain abgesetzt, und die englische Nationalmannschaft spielt eine erbärmliche Weltmeisterschaft 2010.
unser mann in Rubrik london Ungefähr ein Jahr später – der neue Captain Rio Ferdinand ist verletzt – begnadigt Capello John Terry und gibt ihm die Spielführerbinde zurück. Terry scheint geläutert, das verjüngte Team bereit zum Höhenflug. Doch während des West-Londoner Derbys Chelsea Queens Park Rangers deckt John Terry seinen Gegenspieler Anton Ferdinand (pikanterweise der Bruder jenes Mannes, der ihm damals die Captainbinde abnahm...) vor laufender Kamera mit einer rassistischen Beleidigung ein. Terry erklärt zwar später, das Ganze sei ein Missverständnis. Doch in England ist eine rassistische Beleidigung auch auf dem Spielfeld ein Offizialdelikt. Terry muss vor Gericht. Der Prozess wird auf die Zeit nach der Euro 2012 verschoben, doch einige dunkelhäutige Mannschaftskollegen haben keine Lust mehr an der Euro mit Terry als Captain anzutreten. Kurz: schon wieder ein gruppendynamisches Debakel wenige
Wochen vor einem grossen Turnier (vgl. Kasten). Inakzeptabler TV-Auftritt Was tun? Juristisch ist die Sache klar: Jeder gilt als unschuldig, solange er nicht rechtskräftig verurteilt ist. Trotzdem entscheidet der englische Fussballverband (FA), Terry zum zweiten Mal zu entmachten. Und das, ohne Cheftrainer Capello zuvor zu konsultieren. Terry und Capello kochen vor Wut. Der Verteidiger beteuert seine Unschuld, doch kaum einer glaubt ihm, denn die TV-Bilder lassen wenig Zweifel am Sachverhalt offen. Die Nationalmannschaft gleicht jetzt einem Kartenhaus. Jetzt haut ausgerechnet Trainer Fabio Capello auf den Tisch. Er kritisiert den Entscheid der FA (also seines Arbeitgebers, der ihm jedes Jahr neun Millionen Franken Salär überweist) im italienischen Fernsehen. Capellos Chefs sprechen zwar nicht Italienisch, finden
seinen Auftritt aber trotzdem inakzeptabel und zitieren ihn an den Verbandssitz im Wembley-Stadion. Der Startrainer schaut vorbei, diskutiert kurz und tritt dann zurück. Er hinterlässt einen Scherbenhaufen – nur vier Monate vor der Europameisterschaft. Die englische Presse weint Capello keine Träne nach. Sie schreibt, Capello habe sich nie für die englische Kultur interessiert («Guardian»), er habe seine Mannschaft nie im Griff gehabt («Daily Telegraph») oder schlicht, er sei eine totale Geldverschwendung gewesen («The Sun»). Was die Schreiber geflissentlich übersehen: Mit 28 Siegen, 6 Unentschieden und nur 6 Niederlagen ist er statistisch gesehen der klar erfolgreichste englische Nationaltrainer der Geschichte. Wetten, dass die Engländer dereinst auch den Neuen wieder mit Schimpf und Schande aus dem Stadion jagen werden?
Der übliche Skandal vor dem Turnier Dass sich das Nationalteam vor grossen Turnieren einen Skandal gönnt, ist auf der Insel gang und gäbe. Eine Rückschau auf eine sehr englische Tradition: WM 1970: Bobby Moore, Weltmeister-Captain von 1966, wird kurz vor Turnierbeginn in Kolumbien verhaftet und beschuldigt, er habe in einem Juweliergeschäft ein Armband gestohlen. Doch die Beweislage ist äusserst schwach. Moore wird freigelassen. Trotzdem wird der Captain bei einer Zwischenlandung in Kolumbien ein zweites Mal verhaftet und kommt erst auf diplomatischen Druck kurz vor Turnierbeginn frei. England scheitert im Viertelfinal an Deutschland. WM 1990: Trainer Bobby Robson gibt kurz vor der WM bekannt, er werde nach dem Turnier zurücktreten. Fans, Medien und Spieler sind konsterniert. Viele fordern die Absetzung von Robson vor dem Turnier. Er bleibt. England scheidet im Halbfinal gegen Deutschland im Penaltyschiessen aus. Es ist der Beginn eines PenaltyTraumas, das die Engländer (mindestens) zwanzig Jahre lang begleiten wird.
EM 1996: Während der Turniervorbereitung in Hongkong werden Fotos publik, auf denen sich einige Spieler (u.a. Gascoigne und Sheringham) hochprozentige Drinks aus Distanz in den Rachen giessen (dieses Trinkspiel wird in England «der Zahnarztstuhl» genannt). Die Affäre geht ohne Sanktionen über die Bühne. Als Gascoigne gegen Schottland ein Tor erzielt, rekonstruieren die Spieler beim Torjubel die Zahnarztstuhl-Szene mit einem isotonischen Getränk. England scheidet im Halbfinal gegen Deutschland im Penaltyschiessen aus.
WM 2006: Vor dem Turnier gibt sich ein Journalist der Boulevard-Zeitung «News of the World» als arabischer Scheich aus und kontaktiert Nationalcoach Sven-Göran Erikson. Dieser erzählt über die Korruption im englischen Fussball, empfiehlt dem falschen Scheich Aston Villa zu kaufen und dient sich auch gleich noch als Trainer an. Ganz England lacht über seinen Trainer. Doch dieser übersteht den Skandal, scheitert mit England im Viertelfinal gegen Portugal im Penaltyschiessen und tritt dann zurück.
WM 1998: Schon wieder Gascoigne: Als dieser im letzten Trainingslager erfährt, dass er wegen schlechter Form und Disziplin nicht mit ans Turnier fahren darf, zertrümmert er das Hotelzimmer von Trainer Glenn Hoddle. England scheidet im Achtelfinal gegen Argentinien im Penaltyschiessen aus.
WM 2010: Nach einer fast fehlerfreien Qualifikation mischelt sich Nationaltrainer Capello trotz Millionensalär einen lukrativen Nebenverdienst. Mit seinem sogenannten Capello-Index benotet er die Leistungen von Spielern öffentlich – auch die seiner eigenen. Die englische Presse schreit auf. Der englische Fussballverband stoppt den Capello-Index, als Gegenleistung wird das Salär des Italieners erhöht. Der Respekt für Capello schmilzt («Gierig wie ein Banker»). England scheitert im Achtelfinal mit 1:4 an Deutschland.
EM 2004: Rio Ferdinand, ein Schlüsselspieler, «versäumt» eine Dopingkontrolle. Er wird für acht Monate gesperrt und verpasst die WM. Ersetzt wird er durch John Terry. England scheidet im Viertelfinal gegen Portugal im Penaltyschiessen aus.
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Schweizerreise
Triste Guignol Text: Samuel Burgener Fotos: Stefan Bohrer
Der Bauunternehmer Fabian Salvi wollte aus dem Waadtländer Dorfklub Baulmes das Ambri-Piotta des Fussballs machen. Er schaffte es bis in die Challenge League und liess ein Stadion bauen, ohne es je zu bezahlen. Die Geschichte eines HÜhenflugs. Inklusive Absturz.
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Schweizerreise: Baulmes
E
in feuchtwarmer Abend im Juni des vergangenen Jahres im pittoresken Waadtländer Dörfchen Baulmes, das knapp 900 Einwohner zählt. An einem Tisch auf der Terrasse des Restaurant L’Auberge sitzen zwei Herren. Der erste: Fabian Salvi, 48 Jahre, voluminöse Figur, ursprünglich Italiener, aufgewachsen im Waadtländer Dorf Concise, Ingenieur mit Diplom, ehemals Inhaber einer Baufirma und ehemals Komiteemitglied der Swiss Football League. Der zweite: Guy Mathez, 65 Jahre, Jurassier, verwaschenes Poloshirt, verstrubbelte Haare, ehemals Fussballtrainer des Servette FC und des FC Basel. Mathez fragt: «Kennen Sie mich? Ich trainierte einst den FC Basel. Just vor Christian Gross. Unter mir hat Basel noch schönen Fussball gespielt. Erinnern Sie sich?» Dann schweigt er zwei Stunden lang. Mathez ist zu dieser Zeit Trainer im 1.-Liga-Klub FC Baulmes; der Präsident Salvi hat ihn aus der sportlichen Not heraus engagiert. Mit Mathez reiht die Equipe in der Frühjahrsrunde Sieg an Sieg, holt 23 Punkte, entgeht dem Abstieg aus der 1. Liga knapp. Noch im Winter ist sie abgeschlagen im letzten Rang klassiert gewesen. Die sportliche Rettung ist ein weiteres Kapitel in der «triste Saga», wie die Lokalzeitungen am Neuenburgersee die fantastische und zugleich traurige Geschichte Fabian Salvis und des FC Baulmes betiteln. Frühjahr 2001: Fabian Salvi schafft mit dem FC Baulmes als Präsident und Trainer den Aufstieg in die 1. Liga. Die Menschen im 900-Seelen-Dorf im Waadtländer Jura singen und tanzen. Das lokale Gewerbe spendet Geld, so gut es kann. Die Kinder malen das Klub-Emblem auf T-Shirts, und die Mütter verkaufen an den Heimspielen Kuchen und Kaffee. Für Sponsoren und talentierte Spieler in der Region ist der FC Baulmes eine gute Adresse, weil im Nachbarklub Yverdon-Sports der Präsident und Biskuit-Millionär Paul-André Cornu trotz Challenge-League-Fussball keine Sympathien geniesst. Frühjahr 2004: Dem FC Baulmes gelingt ein Coup. Er schafft mit Glück und guten Spielern aus Frankreich den
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Aufstieg in die Challenge League. Salvi telefoniert Minuten nach dem entscheidenden Match gegen Locarno mit Edmond Isoz, dem Direktor der Swiss Football League (SFL). «Was wollt ihr in der Challenge League?», fragt Isoz. Und Salvi sagt: «Mach dir keine Sorgen.» Herbst 2004: Der FC Baulmes mischt in der Challenge League munter mit, gewinnt einmal auswärts beim FC Sion. An einen Match gegen Lausanne-Sports kommen 5750 Zuschauer; die lokalen Medien übertrumpfen sich gegenseitig in der Berichterstattung. Mittlerweile glauben die Leute im Dorf an das Ambri-Piotta des Fussballs. Nur die Swiss Football League bleibt nüchtern; sie macht Auflagen für das Stadion Sous-Ville, das nicht mehr ist als ein Sportplatz am Ende der Welt. Ende 2005: Salvi zögert nicht gerne. Pragmatismus ist nicht seine Stärke. Er lässt sich auf einen Deal mit einer französischen Parkett-Firma ein, die in die Schweiz expandieren will. 3,6 Millionen Franken verspricht die Firma gemäss Salvi. Ein Vertrag existiert nicht; Salvi ist ein Mann des Handschlags. Er und der FC Baulmes gründen eine Aktiengesellschaft, die französische Firma beteiligt sich. Die Gemeinde steigt ins Boot. Sie kann zwar kein Geld anbieten, aber das Grundstück des alten Fussballplatzes – kostenlos. Nebenher sind viele Privatpersonen involviert. Viele sind Freunde Salvis. Herbst 2006: Salvi hat nie Geld erhalten von der Parkett-Firma. Das Stadion lässt er trotzdem bauen. Eine kleine schmucke Tribüne, grosse Kabinen, ein Pressesaal, dazu Stehplätze in allen Himmelsrichtungen. Kosten: knapp 4 Millionen Franken. Im Oktober beginnen die Bauarbeiten, im März ist das Stadion bezugsbereit. Dazwischen spielt der FC Baulmes auf der Lausanner Pontaise, weil der Yverdon-Präsident Cornu 17 000 Franken pro Heimspiel im Stade Municipal verlangt. Frühjahr 2007: Der FC Baulmes spielt erstmals im neuen Stadion. Aber er spielt
schlecht. Im letzten Match der Saison schiesst der FC Locarno in der 90. Minute ein Goal zum 2:2-Ausgleich. Das ist für Baulmes gleichbedeutend mit dem Abstieg in die 1. Liga. Salvi weint und schreit am Spielfeldrand. Frühjahr 2008: Mit der Relegation gerät Baulmes in Turbulenzen. Vieles dreht sich um Geld, das jetzt fehlt. Noch in der Challenge League hat Baulmes einen Mittelwert von mehr als 1500 Fans erreicht. Salvi sagt, ein Spiel in der Challenge League inklusive Catering habe locker 35 000 Franken in die Kasse gespült. Mit dem deutschen Trainer Jochen Dries, der heute im SC Kriens arbeitet, liegt der FC Baulmes in der 1. Liga gleichwohl auf Aufstiegskurs. Doch der Schweizer Fussballverband will Transparenz, macht Auflagen. Weil Salvi die Liquidität des Klubs nicht belegen kann, lässt der Verband die Equipe nicht an der Finalrunde um den Aufstieg in die Challenge League antreten. Salvi zieht daraufhin vor den Internationalen Sportgerichtshof TAS in Lausanne und klagt gegen den Entscheid des Verbands ein. Das TAS bestätigt das Urteil des Verbands bald. Herbst 2008: Salvis Bauunternehmung meldet Konkurs an. Jeden Franken aus seinen Geschäften habe er in den Klub gesteckt, sagt der Patron. Der FC Baulmes hält sich mit Mühe in der 1. Liga. Frühjahr 2010: Die FC Baulmes SA schlittert ebenfalls in den Konkurs. Salvi sagt, er habe mehr als 3 Millionen Franken Privatvermögen verloren. Die Equipe darf in der 1. Liga weiterspielen. Januar 2011: Weil der Klub die Rechnungen für die Stadionnutzung nicht mehr an die Gemeinde bezahlen kann, sperrt diese die Anlage Sous-Ville. Nur: Die Gemeinde hat sich am Stadion nicht beteiligt. Aber das Grundstück gehört ihr, und weil nie jemand das Stadion bezahlt hat, ist sie dazu berechtigt, darüber zu verfügen. Julien Cuérel, Gemeinderat in Baulmes, sagt: «Wir wollen nichts blockieren. Aber jemand muss die Rechnungen bezahlen.»
Schweizerreise: Baulmes
welschen Medien profilieren will. Salvi sagt: «Ich will das Stadion zurück. Dann können wir Geld scheffeln. Konzerte, Testspiele, Catering. Und aufsteigen.»
Zur selben Zeit: Der Yverdon-Präsident Cornu macht dem Baulmes-Sportchef und ehemaligen FC-Basel-Spieler Admir Smajic ein Angebot, das dieser «nicht ablehnen kann». Frühjahr 2011: Die Zeit von Trainer Guy Mathez. Der FC Baulmes trägt seine Heimspiele auf dem Terrain des FC Valmont in Chamblon aus, wo es nur Wind und einen Waffenplatz gibt. Der 3.-LigaKlub gewährt Salvi und seinem Verein Asyl, «weil Salvi ein Kämpfer ist», wie der Vizepräsident Beat Holzer sagt. Vielleicht gründet Holzers Hilfsbereitschaft auch darin, dass sein Klub pro Heimspiel des FC Baulmes 10 000 Franken generiert. April 2011: Für 35 000 Franken pro Jahr dürfte der FC Baulmes wieder zu Hause im Stade Sous-Ville spielen. Das bestimmt die Gemeinde. Früher, im alten Stadion, waren es nur 5500 Franken gewesen, die der Klub berappen musste. Darum lässt Salvi nicht locker. Er engagiert einen jungen Genfer Anwalt, der gratis arbeitet, weil er sich im Scheinwerferlicht der
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Mai 2011: Wenn Salvi vor einem Spiel den Schiedsrichter bezahlen muss, läuft er in der Kantine umher, bis er 900 Franken beisammenhat. Die Busfirma fährt nur noch gegen Bargeld an die Auswärtsspiele. Salvi und seine Copains betteln es in der Dorfbeiz zusammen. Sogar der Trainer Guy Mathez hat einmal 300 Franken gesponsert. Ein Budget gibt es im FC Baulmes nicht mehr. Die 13 Spielertransfers im Winter erklärt Salvi mit guten Kontakten zu Agenten, die ihre Spieler ins Schaufenster der 1. Liga stellen wollen. Der rumänische Stürmer Daniel Costescu habe nach einigen Goals in der Rückrunde schon Angebote aus der Challenge League, sagt Salvi. Costescu ist 34-jährig. Nebenbei: Baulmes schafft mit einer beispiellosen Aufholjagd den Ligaerhalt. Im L’Auberge in Baulmes, an diesem feuchtwarmen Abend im Juni des vergangenen Jahres, spricht Salvi von seiner Lebenseinstellung, vom «System D», von «se démerder». Übersetzt heisst das: sich aus der Patsche helfen, überleben, irgendwie. Dann meldet sich Guy Mathez zum zweiten und letzten Mal zu Wort: «Ich mache diesen Spass hier noch zwei Wochen. Dann gehe ich zum FC Barcelona.» Er lacht laut, bezahlt den Wein und nimmt den Regionalzug in Richtung Genf. Mathez arbeite gratis, sagt Salvi. Andere Trainer wie Jochen Dries, Umberto Barberis,
Jean-Michel Aeby oder Christophe Moulin haben das nicht getan in den vergangenen Jahren. Salvi trinkt ein Ballon Dôle. Schutzlos habe er sich in den letzten Jahren nie gefühlt, sagt er. «Ich habe viele Freunde verloren. Aber nur solche, die erst dann zu mir kamen, wenn es gut lief.» Dass ihn ein Lokalblatt «triste guignol», bedauernswerter Kasper, nennt, akzeptiert er: «Sie haben ja recht.» Salvi steht auf und sagt: «Ich kämpfe bis zum Schluss. Wenn ich jetzt gehe, werde ich höchstens zum Märtyrer.» Sommer 2011: Mittlerweile arbeitet Salvi als Vertreter bei einem renommierten Walliser Weinunternehmen. Das Logo der Firma ziert das Trikot des FC Baulmes. Im Falle eines Aufstiegs in die Challenge League wäre die Firma bereit zu investieren. So sagt der Chef das im welschen Fernsehen. Zur selben Zeit: Baulmes tauscht mit dem polnischen Zweitligaklub Flota Świnoujście mehrere Spieler aus. Herbst 2011: Salvi, selbst ernannter Märtyrer, tritt als Präsident des FC Baulmes zurück. Ein guter alter Freund hat ihm eine gute Stelle angeboten, die er «nicht ablehnen kann». Der Freund heisst Christian Constantin und ist Präsident im FC Sion. Salvi bezieht im Dorf Saillon eine schöne Wohnung und ist oft gemeinsam mit Constantin an Spielen zu sehen. Im FC Baulmes übernimmt der Assistenztrainer Metin Karagülle ad interim den Posten des Präsidenten. Die Equipe ist im Championat der 1. Liga überfordert und mit 4 Punkten aus 15 Spielen abgeschlagen im letzten Rang klassiert. Februar 2012: Christian Mischler ist neuer Trainer im FC Baulmes. Die Equipe darf wieder im Stadion Sous-Ville spielen, weil die Kommune nachsichtig war und der Gemeinderat Cuérel jetzt im Vereinsvorstand sitzt. Mischler, der den FC Baulmes schon zu Konkurs-Zeiten begleitet hat, will erneut den Klassenerhalt schaffen. Mit dem Mut der Verzweiflung und zehn neuen Spielern. Er sagt: «Wenn ich in Baulmes eines gelernt habe, dann, dass hier alles möglich ist.»
Das schwarze Brett Goldene Fifties Glück, zur René Häfeli hatte das grosse geboren zu Ort richtigen Zeit am richtigen relierte die kor 2 193 ng werden. Mit Jahrga jenigen der mit l Gie ner Ber Blütezeit des t es sieh der hiesigen Gesellschaft. So ütigen hm we em zumindest Häfeli in sein 0er195 der t Zei ute tra Blick in die ver g. nun in Ord Jahre. Damals war die Welt tum in fast Fast ununterbrochener Wachs Schweiz die rte inie dom allen Bereichen Lebensn tive rna alte Die . ade dieser Dek r-Gene68e n vorstellungen der unsägliche Häfelis z, Kur g. we it we ration waren noch en sballbuch, sondern gibt ein Fus es rein kein ist ies Fift Blick in die utschDe n ive die Welt eines konservat e, ungeschminkten Einblick in und Fre sten toll i dre e t. So haben sein schweizer Twen dieser Zei nschule rute Rek der in er unk m-F Kontrolltur die unvergessliche Zeit als it verbunAuto «Lisbeth», und die dam das e, Lieb sste grö e sein sowie en Buch. ilig zwe kur t tz in diesem äussers denen Frauengeschichten Pla bei YB und g stie auf NLA die mit Thun in erleHäfeli, der als Schlussmann mit e Näh sse Momente aus nächster lirme als Ersatztorwart etliche gro dsä hem in ten htverdauliche Anekdo andben durfte, erzählt stets leic htw Nac ier Me i Gen ber n, dass der Bom ger Sprache. So erfährt ma -Reisen hinter ssen Umständen Europacup gro n lche we mit ler war, und gglin) Mu vid verbunden waren. (Da den Eisernen Vorhang stets Thun (Verlag en Fifties mit YB und dem FC René Häfeli: Meine golden haefeli.ch für ene ältlich direkt über www.r Schlaefli & Maurer AG). Erh 21 Franken.
Regelfragen geklärt Der Schiedsrichter ist immer er der Trottel. Nach beinahe jed t reg t, triff er die , ung eid Entsch ms sich eine Hälfte des Publiku en fürchterlich auf und tut sein ch htli nsic offe die r Unmut übe haarsträubenden Fehler des Unparteiischen lautstark und nicht immer in jugendfreier eise «Offside!» wenn dann aber beispielsw Sprache kund. Schön blöd, d, wenn der wir lt ube wurf oder irre gej gebrüllt wird nach einem Ein l versenkt. Bal den llen pra ück Pfosten zur Elfmeterschütze einen vom Regelwerk das t hes Spiel, dennoch birg Fussball ist zwar ein einfac illion in Trev l Pau und t haben Keith Hacket einige Fallen. Einige solche Are the u «Yo t. ach gem z Qui aus eine Art Szenarien eingebaut und dar nderbawu als h erschienen, gibt es nun auc ht, in Ref», ursprünglich als Buch suc ver und di Mo wählt zwischen zwei als nen re iPhone-App. Der Spieler atio Situ n ckte zwi ver en illustrierten mit schönen Comiczeichnung en. Referee richtig zu entscheid um einen er verlässt seinen Strafraum, hüt Tor n «Ei ? ällig gef l spie Bei Stürmer dem vor l Bal den t n. Er erwisch weiten, hohen Ball abzufange Tor der hüter t er in den Strafraum, wo ihn mit dem Kopf, von da spring afft es sch d » Oder: «Bei starkem Win mit den Händen aufnimmt. aus dem r zwa rts wa Abschlag eines Tor der Ball nach einem steilen eigenes Tor sein in g we hin per über den Kee Strafraum, wird dann aber e an, steigt ütz i einem Elfmeter läuft ein Sch geweht.» Einen noch? «Be sicher te drit der ehe s macht ein zweiter, aber über den Ball. Gleiche verwandelt.» iche App unterhaltsame wie lehrre Wir empfehlen diese ebenso er. Les n Englischen mächtige uneingeschränkt für alle des CHF 2.– oder erhältlich im iTunes-Store für «You Are the Ref», als App op für £10. als Buch im Guardian Booksh
Statistikwunder
tistikhrlich nicht gesegnet mit Sta Der Schweizer Fussball ist wa n-Pierre Jea ner schafft nun der Lausan werken. Etwas Linderung ver ar tiqu rtan Spo hen t mit dem belgisc Malherbe in Zusammenarbei ord Ligue Rec s‘ yer Pla gue Lea iss rk «Sw Serge Van Hoof mit dem We rke Ziegel 7/2008». Der 249 Seiten sta 200 to 934 3/1 193 A ale 1933, Nation liga nal tio Na der t der Gründung ade enthält für jede Saison sei chaftsk r einen, den kompletten Manns sauber gegliedert nach Ver en, ja Tor sätzen, den geschossenen mit der jeweiligen Anzahl Ein plette kom e ein ist Es r sind aufgeführt! sogar die versenkten Elfmete NLA der in l ma der , eler sem und jeden Spi utier 1960 ist erfasst in die Übersicht über jeden Verein ar die eine Saison des FC Mo Sog r. es ine viel -Tra h NLA noc alle und en und , ütz gespielt hat ellen und Torsch die Ewige Rangliste, alle Tab e aller Buch. Im Anhang finden sich chlossen mit einer Bibliografi ges d wir ört, geh rk We s öse seri ein für sich mehr. Und wie es all (Chapeau!). her zum Schweizer Klubfussb itsfehlern. den Autoren bekannten Büc ung, trotz einigen Flüchtigke her eic Ber te ech e ein de eun ikfr el beheimatet ist? Das Das Werk ist für alle Statist FC Nordstern Bern, der in Bas ens nam b Klu iert en ein and lchen Statistikfreak interess Oder kennt etwa jem des SBB-Kursbuchs, aber we es jen die wie für y sich sex ich der gle en, a Layout ist etw Must-have für jed es Nachschlagewerk und ein rtig ziga ein ein ist Es on. das sch interessiert. Schweizer Fussballhistorie 1933/1934 to 2007/2008». s‘ Record Ligue Nationale A yer Pla gue Lea iss «Sw : rbe J. P. Malhe rtantiquariat oder über iehen für 47 Franken im Spo bez Zu . iert sch bro en, Seit 249 www.sportantiquariat.ch
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«Heute würde ich weniger auffallen»
Aufgezeichnet von: David Mugglin Bild: Keystone
Ivo Frosio: *1930, Locarno (1946–1950), Zürich (1950–1951), Grasshoppers Zürich (1951–1957), Lugano (1957–1961). Schweizer Meister 1952, 1956. Schweizer Cupsieger 1952 und 1956. WM-Teilnehmer 1954. 13 Länderspiele
Ivo Frosio stand beim letzten Sieg der Nati gegen Deutschland auf dem Platz und spielte «keine unwichtige Rolle».
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ermutlich war der Treffort Bern gewesen, doch da bin ich mir nicht mehr ganz sicher. Aber gewiss waren wir nur eine kleine Gruppe, welche sich in privater Kleidung mit dem Zug nach Frankfurt aufmachte, um sich mit dem amtie-
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renden Weltmeister zu messen. Um dem grossen Bruder die Stirn zu bieten, hatte unser Nationaltrainer Jacques Spagnoli 13 Spieler aufgeboten. So gross ist heute ja alleine der Betreuerstab bei einer Zusammenkunft der Nati.
21. November 1956 Deutschland - Schweiz 1:3 (1:2) 80 000 Zuschauer, Waldstadion, Frankfurt. Schiedsrichter: Friedrich Seipelt (Österreich). Tore: 21. Riva IV 0:1, 25. Hügi II 0:2, 34. Neuschäfer 1:2, 62. Ballaman 1:3. Deutschland: Kubsch, Schmidt, Juskowiak, Eckel, Liebrich, Szymaniak, Vollmar, Walter, Neuschäfer, Pfaff (65. Mai), Schäfer. Schweiz: Parlier, Kernen, Koch, Thüler, Frosio, Müller, Antenen, Ballaman, Hügi II, Meier, Riva IV.
das spiel meines lebens Die Nationalmannschaft befand sich auch wegen der Abwesenheit der «Ausländer» Jacques Fatton und Roger Vonlanthen fern von ihrer Potenzialausreizung. Siege waren rar in diesen Jahren. Deutschland machte eine ähnliche Baisse durch. 1952 hatte ich es bei meiner Länderspielpremiere, der 1:5-Niederlage in Augsburg, unheimlich stark erlebt. Vor allem Ottmar Walter war damals nicht zu bremsen. Wir wurden überrollt von ihrem Tempo und waren in allen Belangen unterlegen. Die deutsche Nationalelf 1956 aber konnte trotz fünf Weltmeistern in der Startelf den Vergleich mit meinem ersten Aufeinandertreffen in keiner Weise standhalten. Es war ein herrlicher Spätherbsttag, dieser 21. November 1956. 80 000 Zuschauer füllten an diesem Nachmittag das Waldstadion. Ein grosser Teil sollte sein Kommen bereuen. Wir standen tief, deckten höchst konzentriert und liessen kaum Torchancen zu. Rassige Kombinationen, schöne Aufbauarbeit und feine Technik sahen die deutschen Anhänger von ihrer Elf nur selten. Genau deshalb war es das Spiel meines Lebens. Ich spielte als Centerhalf – vor der Abwehr agierend – keine unwichtige Rolle für unsere stabile Defensive. Ich war ein wichtiger Faktor, dass das Aufbauspiel der Deutschen nicht ins Rollen kam. Mit meiner Kopfballstärke und meiner ausserordentlichen Ausdauer war ich für diese Position am besten geeignet und ein dankbarer Mitspieler. Heute dagegen laufen ja alle Spieler sehr viel, da würde ich vermutlich weniger auffallen. Ein unwiderstehlicher Slalom In jenem Spiel duellierte ich mich mit dem deutschen Idol schlechthin: Fritz Walter. Seine Klasse am Ball war offensichtlich. Walter benahm sich auch ohne Ball vorbildlich, ich habe ihn als äusserst fairen Sportsmann in Erinnerung behalten. Die deutschen Sturmreihen hatten wie gesagt etwelche Mühe, sich in Szene zu setzen. Und unsere auf Konter angelegte Taktik ging mit einem Doppelschlag nach etwas mehr als zwanzig Minuten unerwartet gut auf. Ich hatte eine Herausgabe des Torwarts Kubschs – er war erst kurz
Spielbeginn für Herkenrath aufs Spielblatt gelangt – antizipiert und gleichauf Fernando Riva auf der linken Seite lanciert. Riva IV umdribbelte alle vor ihm stehenden Akteure im weissen Dress, zu guter Letzt auch noch den Torwart, und schloss mit dem Führungstreffer ab. Ein unwiderstehlicher Slalom, der für Riva IV so typisch war. Er konnte an guten Tagen alle schwindlig spielen. Meiner Meinung nach fand Riva IV insgesamt zu wenig Beachtung. Dies hat vor allem mit seiner Treue zum Tessin zu tun. Er spielte zeitlebens nur für eine Aktivmannschaft: den FC Chiasso. Das kostete ihm etliche Länderspiele. Im Tessin spielende Fussballer hatten – und das war ein offenes Geheimnis in dieser Zeit – bei den dominierenden Medien und dem Nationaltrainer schlechtere Karten beim Kampf um einen Platz in der Stammelf. Neben seiner Treue stand ihm wahrscheinlich nur seine Ballverliebtheit im Wege. Dennoch stufe ich Riva IV besser als den 1956 bei Olympique Lyon spielenden und auf dem linken Flügel agierenden Fatton ein. Zu jener Zeit hätte auch für Riva IV ein Auslandaufenthalt beginnen können. Die Fiorentina bekundete ernsthaft Interesse an ihm, welches nach dem Spiel wohl noch stieg. Riva IV, mit dem ich die Rekrutenschule in Locarno absolviert hatte, lehnte ab und verzichtete somit auf Geld und Ruhm. Zu einfallslos und monoton Seppe Hügi markierte nur wenige Minuten nach dem 0:1 den zweiten Treffer für die Schweiz. Hans Neuschäfer gelang kurz darauf der Anschlusstreffer aus dem Nichts. Mein späterer Mitspieler in Lugano hatte in seinem ersten und letzten Länderspiel für Deutschland mit einem Distanzschuss getroffen. Zum Schlussresultat traf Robert Ballaman nach etwa einer Stunde Spielzeit. Deutschland konnte nicht reagieren, zu einfallslos und monoton waren die Angriffe. Wir kamen nie in Schwierigkeiten, und so war die Sensation perfekt und durchaus verdient. Es bleibt auch 55 Jahre später der letzte Sieg gegen unseren nördlichen Nachbarn.
Neben diesem Highlight durfte ich in meiner Karriere noch viele andere schöne Momente geniessen. Gerne erinnere ich mich an die Weltreise im Winter 1954/55 mit den Grasshoppers. Oder an den RioCup, den Vorläufer der heutigen FIFAKlub-Weltmeisterschaft, anno 1952. Wir waren eben als NLA-Aufsteiger sensationell Doublesieger geworden und hatten mit Fredy Bickel, Roger Vonlanthen und Robert Ballaman überragende Techniker in unseren Reihen. Die Freundin unseres Trainers Willi Treml hatte Kontakt zum Präsidenten von Fluminense, so ergab sich unsere Teilnahme. Eigentlich waren zehn Tage in Brasilien gebucht, doch unser Reiseveranstalter Kuoni vergass, die Tickets für die Rückreise zu reservieren. So durften wir noch weitere 15 Tage an der Copacabana verweilen. Das war herrlich! Auch dank unserem Trainer, dem ich rückblickend mehr Talent in der Reiseführung denn als Trainer attestieren muss. All diese Erlebnisse überdecken meine unschönen Erinnerungen um Längen. So hatte ich vor der Heim-Weltmeisterschaft Pech, dass ich mich einer Meniskusoperation unterziehen musste. Deshalb ersetzte mich Karl Rappan trotz guten Vorbereitungsspielen vor dem ersten Spiel durch den damals physisch stärkeren Marcel Flückiger. Und mein letztes von 13 Länderspielen bestritt ich in Budapest gegen Ungarn. Ach, war das eine Katastrophe – 0:8 hiess am Ende. Frosio lebt heute in Lugano als Pensionär.
In «Das Spiel meines Lebens» erzählen 50 Schweizer Fussballer der letzten 60 Jahre von ihren schönsten 90 Minuten. Das Buch ist für 29.80 Franken erhältlich über www.dasspielmeineslebens.ch Für ZWÖLF treffen die Autoren David Mugglin und Benedikt Widmer weitere Grössen vergangener Tage und lassen sie von ihrem persönlichen Highlight ihrer Karriere erzählen.
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Text: Romano Spadini Bild: Keystone
Ailton gut, alles gut «Froh für den ganzen Schweizer Fussball» war Trainer Balakov zunächst. Bereichert hat sein Wintereinkauf Ailton trotz 9 Toren in 13 Spielen dann aber vor allem den Zitatenschatz der Super League.
M
it der Verpflichtung von Kugelblitz Ailton Gonçalves da Silva gelang Rekordmeister GC im Winter 2007 endlich mal wieder ein regelrechter Coup auf dem Transfermarkt. Manche sprachen sogar vom grössten Wurf, den GC seit der Verpflichtung von Günter Netzer gelandet hatte. Und tatsächlich war Ailton eine spektakuläre Neuverpflichtung, ein buchstäbliches Schwergewicht auf dem Wechselmarkt. Mit seiner Figur hätte er wohl auch den Bösesten unter den Bösen im Sägemehl das Fürchten gelehrt. Doch der stiernackige Ailton war trotz seines stattlichen Gewichts immer noch sehr antrittsschnell, was Trainer Balakov sogleich in höchstem Masse entzückte: «Ich bin froh für den Verein und den ganzen Schweizer Fussball.» Bei seinem ersten Training auf dem Campus in Niederhasli sorgte Ailton denn auch für einen ordentlichen Medienauflauf. Ailton, am 19. Juli 1973 im brasilianischen Mageiro, geboren, war es gewohnt, das Interesse der Medien auf sich zu ziehen. Auf der grossen Bühne der Bundesliga gelang ihm dies in erster Linie durch zwei Tatsachen, die ihn einzigartig
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erscheinen liessen: mit seinem ulkigen Deutsch, das auch nach mehreren Jahren in Deutschland einfach nicht besser wurde («In momento n bisschen guck»), und mit seinen Toren, die er am Fliessband schoss. Der langsame Abstieg Als unbekannte Grösse stiess er im Winter 1998 aus Mexiko zu Werder Bremen – und kam gleich auf dem harten Boden der Realität an. Trainer-Raubein Felix Magath verfrachtete ihn wegen seines Übergewichts schnell auf die Tribüne. Erst mit dem Wechsel des Übungsleiters von Magath zu Thomas Schaaf begann sich der rundliche Brasilianer an der Weser wohlzufühlen. Mit Claudio Pizzaro bildete er einen Traumsturm. Die Saison 2003/04 markierte den Höhepunkt in Ailtons Karriere: Mit seinem Verein holte er das Double, zu dem er mit sagenhaften 28 Toren einen Löwenanteil beitrug. Als erster Ausländer wurde er in Deutschland zum Spieler des Jahres gekürt. Doch danach geriet seine Karriere in Schieflage. Mit dem geldbedingten
Wechsel zu Schalke begann sein Stern zu erlöschen. Auf Schalke legte er sich ständig mit der Vereinsführung und Trainer Rangnick an. Die negativen Seiten seines schwierigen Charakters schlugen durch, was die Vereinsführung dazu veranlasste, den Kugelblitz für 3,5 Millionen an Besiktas Istanbul zu verkaufen. Doch in Istanbul wurde Ailton ebenfalls nicht glücklich. Ja, es war sogar noch dramatischer. Im Dezember 2005 unternahm er einen Fluchtversuch in Richtung Brasilien, wurde allerdings vom Klubmanager höchstpersönlich am Flughafen abgefangen. Daraufhin wurde er aus dem Kader geschmissen, was dem stolzen Ailton gerade recht kam. Sein Wunsch war es ohnehin, nach Deutschland zurückzukehren. Also heuerte er auf Leihbasis beim HSV an, wo er in 13 Spielen 3 Tore erzielte. Nach einem halben Jahr zog er wieder weiter und wurde von Besiktas an Roter Stern Belgrad verliehen. Doch auch in Belgrad blieb er nicht lange, was Ailton wie folgt begründete: «Es war schwierig in Belgrad, die Sprache, die Mentalität.» Mit aufgeblasenen Backen Also landete er im Winter 2007 in Zürich, was vor allem das Verdienst von Sportchef Riedle war. Gleich beim ersten Training präsentierte sich der Paradiesvogel von seiner Schokoladenseite. Auf die Frage, ob sein Wechsel in die Schweiz ein weiterer Rückschritt in seiner Karriere markiere, konterte er freundlich lächelnd: «Ich habe den Schweizer Fussball im Fernsehen kennengelernt und bin zufrieden, dass ich hier sein kann.» Oder
NLA-Legende
im Ailton-Original: «Ich habe muss gut Arbeit und Tore schiessen.» Warum er denn jetzt bei GC gelandet sei, wollte der Fragesteller wissen. Darauf antwortete er: «Schön Land, gut Klub, gut Name.» Alles klar? Kein schnellerer Spieler Dem seit Jahren kursierenden Gerücht, er sei nicht austrainiert, konnte er zunächst nicht entgegenwirken. Der gesetzte Schritt und die aufgeblasenen Backen beim ersten Training liessen auf grosse Anstrengung schliessen. Doch der schlaue Brasilianer schlug seinen Kritikern wieder einmal ein Schnippchen. Bei seinem Debüt für GC war er voll da. Der Kugelblitz erzielte den 1:0- Siegtreffer gegen Aarau und fasste gleich selbst zusammen: «Ailton gut, alles gut.» Und diese Weisheit wollte «Toni» nicht nur auf das Spielfeld gemünzt wissen. «Ich bin ein schöner Mann», merkte er obendrein bescheiden an. Ebenso selbstbewusste Worte fand er in einem grossen Interview mit dem «SonntagsBlick». Der wollte von ihm wissen, ob sein «SchmetterAntritt» eine angeborene Begabung sei. Ailton war um keine Antwort verlegen:
«Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der schneller ist als ich. Wenn ein Klub mich will, schiesse ich auch mit 40 Jahren noch meine Tore.» Auch in puncto Familienplanung wusste Ailton genau, was er wollte. Auf die Frage, ob nach den drei Mädchen noch ein kleiner Toni geplant sei, antwortete er ohne Umschweife: «Ein kleiner Toni muss her. Vorher hören wir mit Kindermachen nicht auf.» Auch hinsichtlich der Chefrolle innerhalb der Familie liess Ailton keine weiteren Fragen mehr folgen: «Zu Hause habe ich als Macho das Kommando.» Auch in der Sturmreihe der Hoppers gab Ailton schon bald das Kommando. Der Spitzenkampf auf dem Hardturm gegen Basel ging zwar mit 1:5 voll in die Hosen, doch auch in dieser Partie traf Ailton. Danach aber nahm er sich gegen Sion in den verschneiten Bergen eine Pause, was Balakov dazu bewog, seinen Starstürmer gegen Schaffhausen nur als Joker einzusetzen. Nach der Partie erklärte er dazu: «Stimmt, er ist keiner für die Bank. Aber er ist auch nicht topfit.» GC lief es im Allgemeinen nicht gut in der Rückrunde, und die Verteidigung des 4. Platzes schien das Höchste der Gefühle zu sein. Als man dann nach
der 1:3-Niederlage gegen Luzern auch noch im Cup scheiterte, lag GC am Boden. Auch Ailton liess jeden Einsatz vermissen, doch laut «Tages-Anzeiger» genoss er trotzdem die Freiheiten des Hofnarren, weil er die Absolution von Balakov erhalten habe. Doch der launige Ailton konnte sich im Laufe der Rückrunde wieder fangen, schoss 9 Tore in 13 Spielen (welch eine Quote!). Seine Tore konnten dennoch nicht verhindern, dass GC auf den 6. Platz abrutschte und damit aus dem Rennen um die UEFA-Cup-Plätze ausschied. Damit wurde Ailton für GC zu teuer, und man entschied sich beim neuen Vorstand um Präsident Berbig und Sportchef Vogel, die Kaufoption für Ailton nicht zu ziehen. Ailton fand schliesslich den Weg zurück nach Deutschland und schloss sich dem Zweitligisten MSV Duisburg an. Bei seiner Vorstellung kündete er gewohnt vollmundig an: «Die Leute warten auf mich, fast alle Klubs bräuchten einen Ailton.» Doch auch im Ruhrpott hielt es Ailton nur ein Jahr aus. Danach wurde er wahllos, was seine zukünftigen Engagements anging. Vereine wie Metalurg Donezk, SCR Altach (unter Longo Schönenberger!) oder Chongqing Lifan (China) zieren nunmehr seine Vita. Offiziell hat Ailton seine Karriere noch nicht beendet. Nach dem Rausschmiss aus dem Dschungelcamp, wo er als Kandidat in der 6. Staffel von «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus» weilte, bot er sich bei der Eintracht aus Frankfurt an, doch Trainer Armin Veh lehnte dankend ab.
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Rubrik
mämä erklärt
Mämä Sykora ist der ZWÖLF-Fussballprofessor und Präsident der Alternativliga Zürich
Wie man über Fussball spricht In Umberto Ecos grossartigem Buch «Wie man mit einem Lachs verreist» erteilt der italienische Autor dem geneigten Leser diverse Ratschläge für Alltagssituationen. Es findet sich sogar ein Kapitel, das erläutert, wie man nicht von Fussball spricht. Denn Herr Eco mag den Fussballfan nicht, und zwar «weil er eine seltsame Eigenart hat: Er kapiert nicht, dass man selbst keiner ist, und beharrt darauf, mit einem so zu sprechen, als ob man einer wäre.» Dabei könnte sich Herr Eco glücklich schätzen in seiner Situation, denn er muss nicht darüber sinnieren, wie man über Fussball spricht. Nach jahrelangen Feldstudien bin ich nämlich zum Schluss gekommen, dass man das am besten überhaupt nicht tut. Ausser – und wirklich nur in diesem einen Fall – man befindet sich in Gesellschaft bester Freunde, die allesamt das Gleiche wertschätzen, sei dies die Art des Fussballspiels oder die bevorzugte Mannschaft. Denn aus irgendeinem Grund – die Suche danach ist eines der am sträflichsten vernachlässigten Forschungsfelder der Wissenschaft – hat jeder, der schon einmal die «Sportschau» verfolgt hat, das Gefühl, er sei die höchste Instanz in Fussballfragen, während jeder andere nur ein bemitleidenswerter Plauderi sei. Eine beliebte Replik in Online-Kommentaren ist denn auch der Klassiker, dass der Vorschreiber «keine Ahnung von Fussball» habe. Sie ist sogar so beliebt, dass sie in den letzten 12 Monaten in exakt dieser Form 179 Mal in Kommentaren zum «Steilpass»-Blog von Newsnetz niedergeschrieben wurde. Erstaunlicherweise wird diese Formulierung in Diskussionen über
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Gentechnologie, die Wirren im Südsudan oder die Weissgeldstrategie kaum bemüht, obwohl in diesen Bereichen tatsächlich sehr viele Leute – mich eingerechnet – «keine Ahnung» haben. Als wären das nicht schon genug Hindernisse in der Fussball-Kommunikation, wird sie zusätzlich erschwert durch die Verbreitung des «Fussball-Babelfischs». In seiner ursprünglichen Form ist der Babelfisch
ein Lebewesen aus Douglas Adams’ unbedingt lesenswertem Roman «Per Anhalter durch die Galaxis», das man sich ins Ohr einführt – also den Fisch, nicht den Roman – und dank dem der Träger alle Sprachen versteht. Fussball-, genauer: Vereinsfans tragen indes eine gefährliche Mutation dieses Symbionten in sich, die sämtliche noch so kuschelweichen Äusserungen des
Gesprächspartners in verbale Attacken auf den Herzensverein des BabelfischTrägers verwandelt. Klagt also etwa Person A aus Zürich über das bescheidene Niveau der Super League, kommt das bei Person B aus Basel in etwa folgendermassen an: «Der FCB ist eine himmeltraurige Gurkentruppe, bestehend aus lauter Unsympathen erster Güte, die selbst gegen eine Auswahl schwer verletzter Strandfussballer aus Kiribati mit wehenden Fahnen untergehen würde.» Darauf folgt zwingend – man kann es sich denken – eine Variante aus der KeineAhnung-Schublade, angereichert mit einem Assortiment erlesenster Beschimpfungen und Beleidigungen. Wer sich auf Fussballgespräche ausserhalb seines engsten Kreises einlässt, wird demzufolge entweder als Nixblicker, Neidhammel oder noch viel Schlimmeres bezeichnet. Lohnt sich das? Nur für ein paar Momente verbalen Klingenkreuzens – zumal man in solchen Diskussionen nicht gewinnen kann? Ja, nicht einmal das Rechthaben ist einem vergönnt, denn meistens dominiert der Konjunktiv. Behandelt werden irgendwelche hypothetischen Fragen und Konstellationen, die niemals verifiziert werden können. Man kann also nicht einmal die gewagte These mit den kiribatischen Strandfussballern widerlegen. Oder dass Georges Bregy die Schweizer Nati in die WM-Viertelfinals führen würde. Fussballdiskussionen sind also nicht nur ermüdend, sondern auch zwecklos. Vollkommen. Es gibt nur eins: aufhören, über Fussball zu sprechen. Und genau das werde ich tun. Für immer. Bis morgen zumindest. Oder sagen wir: bis heute Nachmittag.
Fussball-Smalltalk Der FC Baden konnte nicht an der Serie-A-Meisterschaft 1917/18 teilnehmen, weil seine Spielstätte im Ersten Weltkrieg für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurde. Seit 2007 und seiner ersten Amtszeit bei Wolfsburg wurden von Felix Magath 191 Spieler geoder verkauft. Die meisten Punkte für die 5-Jahres-Wertung der UEFA holte in der Saison 2005/06 Rumänien. Weil Adrian Mutu nach seinem Kokainskandal und der noch ausstehenden Entschädigungszahlung an Chelsea von der FIFPro ausgeschlossen wurde, ist sein Name nicht lizenziert für die Fussballgame-Reihe FIFA. Während alle Spieler ihre richtigen Namen tragen, heisst er im Spiel Andrei Murgu. Der südlichste Meister aller Zeiten ist der Verein Christchurch United, der zuletzt 1991 die neuseeländische Meisterschaft gewinnen konnte. Anna-Maria Lagerblom, die Schwester von Popsängerin Sarah Connor, war schon mit den (Ex-)Werder-Bremen-Spielern Pekka Lagerblom, Ludovic Magnin, Mesut Özil und Marco Arnautovic liiert. Ebenfalls schon gesichtet wurde sie an der Seite des Rappers Bushido. Die ersten drei Trikotsponsoren von Real Madrid gingen allesamt in Konkurs. Der Haushaltsgeräte Hersteller Zanussi (1982–85) wurde von Electrolux gerettet, Parmalat (1985–89) musste 2003 Insolvenz anmelden, und die Autofirma Otaysa (1991–92) gibts schon lange nicht mehr. Schiedsrichter beim Finalrundenspiel der allerersten Schweizer Meisterschaft zwischen den Grasshoppers und Villa Longchamp Lausanne war John Tollmann, der Torhüter des FC Basel. 1998 war definitiv das Jahr von Emmanuel Petit: Mit Arsenal gewann er das Double, mit Frankreich wurde er Weltmeister und war gar Torschütze im Finale. Nur 8 Tage später warf er in einem Hotel in Monte Carlo aus Jux 10 Francs in einen Geldspielautomaten – und wurde dadurch um 35 000 Franken reicher. Zwei Wochen darauf wurde er in einer Umfrage zu «Frankreichs sexyestem Fussballer» gewählt. Zwar trennte er sich Ende Jahr von seiner Freundin Ariane, er kam dafür aber mit der «Miss France 1992» zusammen. Von den 208 Mitgliedsverbänden der Fifa haben lediglich deren 26 noch kein Frauen-Länderspiel absolviert. Die Rückwärtssaltos nach seinen Toren waren bei Hugo Sánchez eine Reminiszenz an seine Schwester Herlinda, die als Turnerin an den Olympischen Spielen 1976 in Montreal teilnahm.
1919 erschien in Berlin die Zeitschrift «Jedermann sein eigner Fussball». Im Editorial wurde freimütig zugegeben, dass der Titel lediglich zum Kauf anregen sollte. In Tat und Wahrheit handelte es sich um eine illustrierte Satirezeitschrift aus dem Umfeld des Dadaismus. Die Zeitschrift, die aus nur vier Seiten bestand, wurde wegen Obszönität sofort beschlagnahmt und umgehend verboten.
«ZWÖLF – Fussball-Geschichten aus der Schweiz» wird von ZWÖLF – Verein für Fussball-Kultur mit Sitz in Bern herausgegeben. ZWÖLF erscheint sechs Mal pro Jahr. Verein und Magazin sind unabhängig. Meinungen von Autoren müssen sich nicht mit jenen der Redaktion decken. Kontakt: www.zwoelf.ch ZWÖLF auf facebook.com info@zwoelf.ch leserbriefe@zwoelf.ch
Um nicht die Hälfte der Kunden zu verlieren, steigen Trikotsponsoren immer gleich bei beiden Glasgower Rivalen gleichzeitig ein. Wenig überraschend sind es seit vielen Jahren Brauereien, die sich die Leibchenpräsenz sichern.
Herausgegeben von: ZWÖLF – Verein für Fussballkultur Postfach 8951 3001 Bern PC 60-668720-9 Gian-Andri Casutt, Präsident
Osama bin Laden erhielt im Jahre 2001 ein Stadionverbot bei Arsenal. In einer zuvor erschienenen Biografie war der Terrorfürst als Fan des Vereins bezeichnet worden.
Abonnemente: ZWÖLF – Das Fussball Magazin. Leserservice, Postfach, CH-6002 Luzern, Tel.: 041 329 23 10. Fax: 041 329 23 03. E-Mail: zwoelf@leserservice.ch Jahresabo (6 Ausgaben/39.– CHF) per Gratis-SMS an 919 mit ABO12 und Adresse (Beispiel: ABO12 Max Muster, Sportweg 12, 8000 Torhausen)
Andoni Goikoetxea, bekannt als «Der Schlächter von Bilbao», bewahrte den Schuh, mit dem er 1983 Diego Maradona bei einer wüsten Grätsche übel am Knöchel verletzte, in seinem Wohnzimmer in einer Vitrine auf.
Vertrieb: MDS – Media Data Services AG Chefredaktion: Wolf Röcken, Sandro Danilo Spadini, Mämä Sykora. Besondere Aufgaben: Stefan Schürer
Nirgends schafften es so viele Fussballer in die Top 100 der jeweiligen Version der TV-Show «Unsere Besten» wie in Portugal, wo bei «Os Grandes Portugueses» gleich 6 vertreten waren. In Deutschland und Holland waren es immerhin 5. Am besten klassiert waren Johan Cruyff und der Ukrainer Valeriy Lobanovskyi, die beide Platz 6 belegten.
Autoren dieser Ausgabe: Peter Balzli, Samuel Burgener, Pascal Claude, Matthias Dubach, Michael Falk, Gregory Germond, Lang Liang, Silvan Lerch, Adrian Marti, David Mugglin, Fabian Ruch, Romano Spadini, Claudio Spescha, Beni Thurnheer.
Als das englische Fussballmagazin «Four Four Two» 2005 die Fans dazu aufrief, die schlechtesten Transfers aller Zeiten ihres Vereins zu wählen, hatte ein Spieler die zweifelhafte Ehre, gleich von zwei Klubs diesen Titel einzuheimsen. Sein Name: Ramon Vega. Er ist sowohl den Fans von Tottenham wie auch jenen von Watford noch in schlechtester Erinnerung.
Anzeigen: Kilian Gasser Medienvermarktung GmbH Hellgasse 12, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46 kg@kiliangasser.ch
GC-Fans, die sich mit der App Livescores über das Testspiels ihres Vereins informierten, werden sich bestimmt gefragt haben, wer dieser viel versprechende Neuzuzug ist, der den zweiten Treffer beisteuerte. Neu ist er mit seinen 35 Jahren nicht mehr, aber englisch klingt einfach fresher.
Bild: André Bex (Bildchef ), Claudio Bäggli, Stefan Bohrer, Samuel Burgener, imago, Florian Kalotay, Keystone, Sally Montana, osports, Christian Theiler, Wu Hao/XXV Photos.
ZWÖLF, Postfach 8951, 3001 Bern, durisch@zwoelf.ch, Marco Durisch, Tel. 079 221 11 12 Gestaltungskonzept, Art Direction: bex.fm, Stauffacherstr. 106, 8004 Zürich André Bex, Visueller Gestalter (FH) www.bex.fm Druck: Swissprinters Zürich AG, Zürcherstrasse 39, 8952 Schlieren. Web (Design & Umsetzung) bex.fm Auflage: 10 000 Exemplare ISSN Nummer: 1662-2456
Das nächste Heft erscheint Mitte APRIL 2012.
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