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#34
Januar / Februar 2013
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Blacky | Alain Nef | Nordkorea | Zamorano
(bwin inserat)
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ZWÖLF
braucht wärme Ü
blicherweise sind wir in dieser Jahreszeit jeweils froh, dass wir es doch nie ganz in den Profifussball geschafft haben. Während wir in der warmen Redaktionsstube sitzen dürfen, müssen die Protagonisten unserer Artikel in irgendeinem zugigen Stadion bei arktischen Temperaturen einem orangen Ball nachrennen. Dieses Mal hätten wir aber gerne getauscht. Denn ausgerechnet während der Schlussredaktion versagte unsere Heizung, so dass wir mit unseren klammen Fingern nur noch mindestens vier Tasten gleichzeitig drücken konnten. Es sollte nicht das einzige Missgeschick bleiben. Kollege Sykora etwa musste nach dem aufschlussreichen Interview mit Alain Nef mit Schrecken feststellen, dass das Aufnahmegerät plötzlich vollkommen leer war. Stundenlang schusterte er aus der Erinnerung und in ständiger Rückfrage mit dem Fotografen Breitler einen Text zusammen, bevor er dann doch mal noch den dubiosen Knopf mit der Aufschrift «Folder» drückte und feststellen durfte, dass die hochbrisanten Antworten Nefs lediglich in einem anderen Ordner abgelegt waren. Just einen Tag vor Drucklegung kam es in St.Gallen zum fussballerischen Aufeinandertreffen zwischen eben jenem Alain Nef und einem anderen Hauptdarsteller dieses Hefts. Im Cup spielte YB gegen den FC Wil und damit auch gegen den Nordkoreaner Cha Jong-hyok. Während der Arbeit an der Geschichte über die «Friends of Korea» wähnte sich unser Autor zeitweise in einem Politthriller. Trotz unzähligen Hindernissen in Form von Diplomaten, Anwälten, ängstlichen Dolmetschern, aufgescheuchten Zeitungsredakteuren und zwielichtigen Spielervermittlern fand das Treffen mit dem frischgebackenen Cup-Viertelfinalisten statt. Dabei lernte er einen jungen Alex-Frei-Kritiker kennen und wurde selber zum hervorragenden Koreanisch-Imitator. Um der Kälte in unseren bescheidenen Räumlichkeiten beizukommen, versuchten wir es mit der klassischen Mehrschichten-Technik. Besonders begehrt waren die Blacky-Trikots, die zwecks eingehenden Studiums für den Artikel über den kurzen Höhenflug des Schweizer Trikot-Herstellers in der Redaktion herumlagen. Freilich war es nicht das Polyester, das uns erwärmte, sondern alleine das spektakuläre Design mit den brennenden Leuchtfarben. Ganz mit Schwarz-Weiss auskommen mussten wir indes, als wir in der Wühlkiste unseres Fussball-Flohmarkts ganz tief gruben und die unglaubliche Geschichte hervorholten von den Schweizern, die ausgezogen waren, um in Marseille den Franzosen den Meister zu zeigen. 2013 jährt sich der letzte Erfolg von Stade Helvétique de Marseille zum 100. Mal. Anlass genug, uns auf Spurensuche zu begeben. Was sich übrigens die Leute aus dem Fussball-Business gegenseitig für das neue Jahr wünschen, erfährt ihr weiter hinten in diesem Heft. Wir jedenfalls wünschen Euch natürlich nur das Allerbeste und uns selber dahin, wo Ex-FCBler-Dominik Ritter gerade ist. Bei bescheidenen 30 Grad im Schatten Australiens. Da bereuen wir es doch ein wenig, es nicht bis in den Profifussball geschafft zu haben. In Roger-Staub-Mütze und Fausthandschuhen Euer ZWÖLF
Cover: Florian Kalotay
Einlaufen 6
Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton
6
Wie gesagt, äh…: Fussballer reden
7
Das Billett: Frieren in Lausanne
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Die Tabelle: Die Trainerstürzer
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Die Liste: Die Bad Boys des Schweizer Fussballs
Rubriken 56
Auslandschweizer: Dominik Ritter spielt in Australien
58
Was wäre, wenn...: ...YBs Steve Gohouri im Cupfinal
an der Seite von Emile Heskey 2006 nicht vom Platz gestellt worden wäre 62
NLA-Legende: Iván Zamorano bescherte dem FCSG ein unvergleichliches halbes Jahr
10 Auswärtsfahrt: Stromausfall in Split 12 Turnier-Irrsinn: Verfluchtes aus Afrika
63
Das schwarze Brett: Für unter den Weihnachtsbaum
12
Das Fundstück: Der Borussia-Wecker
64
Unser Mann in London: Peter Balzli über die neue
13
Der Cartoon: Alex Freis Kracher 66
Alles Gute fürs neue Jahr: Was sich Fussballer
67
Smalltalk und Impressum
14
Barbesuch: «Little Italy» in Bern
englisch-französische Feindschaft gegenseitig wünschen
18 Grelles aus Polyester Der kurze Höhenflug des Schweizer TrikotHerstellers Blacky 22 Kampf der Passionen Der Zürcher Viktor Bänziger spielte für GC und Arsenal. Die Liebe zur Musik machte aus ihm aber einen Gastro-Revoluzzer 28 Der FCB am Abgrund Ende der 1980er-Jahre fiel der heutige Ligakrösus in die NLB 32 Amrokgang Style Seit vier Jahren kickt der Nordkoreaner Cha Jong-hyok in der Schweiz – heute in Wil. 38 Fussball im Bild Reinaldo Coddou H. veröffentlichte einen erstaunlichen Fotoband. 44 Als die Helvetier kamen Vor 100 Jahren dominierte ein Schweizer Team die französische Liga 50 Das Gegenstück zum Klischeekicker Alain Nef erzählt aus seiner ungewöhnlichen Karriere
Planet Constantin «Ja, ich bin schön. Aber das sieht man nicht so gut.» Die innere Schönheit: Christian Constantin auf die Frage von «Le Matin», ob er sich selber schön finde.
«Die Freiheitsstatue.» CC auf die Nachfrage, wen er schön finde. Wegen der Freiheit, der Kreativität und überhaupt. Nun gut.
«Der Trainer ist je länger, je mehr ein Sherpa, der seine Gruppe auf den Gipfel tragen muss. Wenn ihm die Energie fehlt, muss man ihn durch einen anderen Sherpa ersetzen. Die Steigung bleibt die gleiche, die Höhe auch.» Die meisten Sherpas schaffens in Sion 10 bis 15 Schritte vom Basislager weg. Um es in der Bildsprache von CC auszudrücken.
«Es gibt Trainer, die schon zurücktreten, wenn ich ihnen nur in die Augen schaue.» Christian «the eye of the tiger» Constantin erklärt der französischen Presseagentur AFP, wie das so läuft in der Schweiz.
«Wenn ich im Studium das gleiche Engagement gezeigt hätte wie als Sion-Präsident, hätte ich den Nobelpreis in Wirtschaft gewonnen.» Und wenn nicht, hätte er ihn sich vor Gericht erstritten. CC in «Le Matin».
«Wir haben das angeschaut. Die Vereine, die eher selten den Trainer wechseln, sind jene, die am stärksten verschuldet sind.» Das bedeutet: jede Entlassung ein Batzen in die Kasse. CC in «Le Matin».
«Sie meldet sich heute noch und reklamiert, wenn sie nicht einverstanden ist mit dem, was ich tue. Das war zum letzten Mal vor drei Wochen der Fall.» Die Sion-Flüsterin? CC erinnert sich in «Le Matin» an seine erste grosse Liebe als 16-Jähriger.
«Liga und Klubs sorgen für einen Lohn von 100 000 Franken pro Jahr und Schiedsrichter. Die Schiris trainieren mit den Klubs.» Und wenn die anderen nicht mitziehen, zahlt das vorerst halt Sion alleine. Auszug aus CCs 5-Punkte-Plan gegen die Schiri-Misere in der Schweiz.
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«Wenn der Präsident dafür sorgt, dass sich alle auf den Fussball konzentrieren und ruhig bleiben, dann kann der Trainer doch zufrieden sein.» CCs eigenwillige Argumentation im SF-Wirtschaftsmagazin «Eco», warum es dem Trainer hilft, wenn er sich während des Spiels gerne mal zur Spielerbank begibt.
wie gesagt, äh . . . Zu Beginn Auszüge aus der Rede der YB-Besitzer Hans-Ueli und Andy Rihs, als sie die Trennung von CEO Ilja Kaenzig verkündeten. Einfach so, ohne Zusammenhang – also so ähnlich wie die ganze Rede war. «Wir sind Investoren mit Herz. Fussball ist Dünger für das Geschäftsmodell. Wir sind ein Unternehmen, nicht nur ein Fussballklub. YB ist keine Dekoration, sondern ‹Core-Business›. Wir haben mit Kaenzig keine ‹dirty loundry› gewaschen, wir bleiben ‹friends›.»
Während dieser Rede erwähnte der selbst ernannte «Fussball-Banause» Andy Rihs auch noch, dass er selber zum Beispiel nie Christian Gross als Trainer vorgeschlagen hätte. Er habe einfach mal gehört, das sei einer, der kommen solle, und da habe er gesagt: «Ja, das ist ein bekannter Name, das ist gut. Fertig Schluss.» Fertig Schluss auch auf der Pontaise. Und nach dem 1:1 bei Lausanne – «auf der Maladière», wie die TeleclubDame Annette Fetscherin wusste – suchte FCB-Debütant Fabian Schär nach Gründen für den Punktverlust: «Wir haben halt auch schon sehr viele Spiele absolviert.» Genau! Für ihn wars immerhin schon das erste, und die Meisterschaft stand bereits in der 10. (!) Runde. Egal, wie viele Spiele er zuvor schon absolviert hatte. Vom Fallrückzieher-Tor von Zlatan Ibrahimovic gegen England waren alle hin und weg. Alle, ausser die Kollegen von der FAZ. Dort erinnerte Sportredakteur Uwe Marx nämlich mit erhobenem Finger daran, «dass es mal einen Spieler gab, der nicht nur aus 25, sondern gleich aus 40 Metern per Fallrückzieher traf. Es war auch ein Schwede, Rade Prica. Der hatte im Spiel für Rosenborg BK gegen den FC Basel tatsächlich mal die Unverfrorenheit, es aus noch grösserer Entfernung als Ibrahimovic zu versuchen – und zu treffen.» Allein schon dass es sich um den einstigen Rostocker Chancentod Rade Prica handelte, hätte die Alarmglocken zum Schrillen bringen müssen. Und weil Prica erst seit 2009 für Rosenborg spielt, müsste man sich zumindest als Schweizer an diese Partie gegen den FCB erinnern. Die Peinlichkeit war rasch aufgedeckt: Der Sportredakteur hatte dieses Tor tatsächlich auf Youtube entdeckt, wohl weitergeleitet vom Ibrahimovic-Geniestreich. Allerdings handelte es sich dabei um eine Szene aus dem Playstation-Game «Pro Evolution Soccer 2011».
Tragisch und peinlich auch dies: «Alex Alves an Leukämie gestorben», titelte Tagesanzeiger.ch/Newsnet zum Tode des Ex-Hertha-Spielers, nur um einen Tag später nachzulegen: «Alex Alves nicht an Leukämie gestorben». Die grosse Wiederauferstehung erhoffte man sich dann doch vergebens. Wenige Stunden später liess «Tagi»-Online die Spekulationen um die Todesursache ganz bleiben und meldete dafür: «Alex Alves verarmt verstorben».
das billeTt Nicht verarmen musste Sion-Stütze Gennaro Gattuso bei den Rangers. Dennoch gingen andere für ihn auf Shopping-Tour. «In einem Warenhaus kaufte mir Paul Gascoigne vier, fünf Anzüge. Der Klub hatte ihn damit beauftragt. Das Geld werde mir vom Lohn abgezogen werden, hiess es, aber Paul hatte bezahlt.»
Wenn wir schon beim Abziehen sind, gleich nochmals Gattuso: «Nach dem ersten Training mit den Rangers ging ich duschen, kam zurück in die Garderobe. Da stieg mir ein übler Geruch in die Nase. Ich nahm meine Unterhose und sah, dass etwas Schweres drin ist. Gascoigne hatte seine Kacka in meine Unterhosen gemacht.» Von Kacka zu Pipi. «Ich will Pipi zum Torschützenkönig machen.» Und damit möchte ein Alex Frei aktiv verhindern, dass er selber zum dritten Mal in Folge als bester Torschütze in der Schweiz ausgezeichnet werden müsste, oder wie?
Phrasen, Teil II: «Ich dachte in den letzten zehn Jahren fast jeden Tag an YB», sagte Fredy Bickel bei seinem Comeback-Auftritt vor der Presse in Bern. Wenn er nicht schon weg wäre, müsste FCZ-Boss Ancillo Canepa Bickel spätestens jetzt entlassen. Nachtreten auch in Basel: «Ich sehe, dass die Kontinuität und der Zusammenhalt im Klub im Moment am Zerbrechen sind. Wenn das so weitergeht, ist der FCB bald ein Klub wie jeder andere.» Ja, Gigi Oeri gibts noch. Sie äusserte ihre Kritik im «Sonntag» übrigens nach sechs FCB-Siegen in Folge.
«Was ist denn bloss los hier?», könnte man sich ob Oeris Worten also in Basel fragen. Es war aber Ancillo Canepa, der diese Frage laut stellte. Und zwar vor der Pressekonferenz nach dem Rauswurf von Trainer Rolf Fringer, um dann ob all der Kameras nachzuschieben: «Ich bin doch nicht Barack Obama.»
Text: Pascal Claude
Lausanne-Sports – FC Zürich 1:1 Pontaise (Stade Olympique) 24. Februar 2001 Eine Erinnerung ist noch so klar wie ein eiskalter Februarsamstag: Es war ein eiskalter Februarsamstag. Zum Auftakt der Finalrunde trafen zwei Teams aufeinander, die um den Titel am Ende wenig mitzureden hatten. Erwärmend war an diesem Spiel nur eines: Die Ehrenrunde eines FCZ-Anhängers. Irgendwann hatte er sich aus lauter Frost und Langeweile über den Zaun auf die Tartanbahn aufgemacht, wo er, seinen Schal straff in die Luft gestreckt, in Winterschuhen eine Runde ums Feld drehte, bejubelt von seinem überschaubaren Freundeskreis. Als er wieder beim Gästesektor angelangt war, kehrte er auf seinen Platz zurück, und das wars. Nicht auszudenken, was heute wäre, würde er dasselbe noch einmal wagen.
Die Tabelle Rang
1. 2.
Klub
FC Thun FC Basel
ZWÖLF präsentiert den Tabellenstand der Super League. gegner vor entlassung
11 7
3.
GCZ
6
4.
FC St. Gallen
5
Servette FC
5
6.
Young Boys
4
FC Luzern
4
8.
Lausanne
3
10.
FC Zürich FC Sion
3 1
Diesmal: Die Trainerstürzer. Untersucht man in der Zeit seit Einführung der Super League 2003, welche Vereine jeweils der letzte Gegner vor einer Trainerentlassung war, ergibt das ein erstaunliches Bild. Wir lernen: Verliert ein Trainer gegen Thun, wird er wohl bald ins präsidiale Büro beordert. Dass Sion am Schluss steht, kann kaum verwundern: Im Wallis feuert man lieber selber.
Apropos Identität: Die seinige besser verleugnen muss wohl Neo-ThunTrainer Urs Fischer, will er im lauschigen Berner Oberland glücklich werden. Sportchef Andres Gerber lobte Fischer bei der Vorstellungspressekonferenz jedenfalls erst mal dafür, dass er «eigentlich eine Berner Mentalität» habe: «Nur sein Dialekt verrät ihn als Zürcher.» Na dann ist ja gut.
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Die Liste
Bad Boys
Passend zum besinnlichen Fest: die grössten Haudegen – hinter Aggressivleader Carlos Varela.
Serey Die 2000: Per Faustschlag schickt Basels George Koumantarakis GC-Hüne Boris Smiljanic zu Boden – nach drei Minuten. 2001: Eine Gerade von Pape Thiaw beschert Servettes Sébastien Fournier den Knockout und dem Lausanner 12 Spielsperren. Das sorgt für rote Köpfe und blaue Augen, aber für weniger Empörung als Serey Dies flache Hand 2012. Nach einer Niederlage auf der Pontaise muss Sion in die Barrage. Die Klatsche für die Walliser wird zur Ohrfeige für einen Lausanner Balljungen. Die gerechte Strafe wegen Spielverzögerung, wie der Täter findet? Vielmehr ein weiterer Aussetzer des Ivorers. Zuerst avanciert der passionierte Sammler von Platzverweisen im «Blick» zum «FendantRüpel». Dann verdächtigt ihn der Klubpräsident des Wettbetrugs. Später verbietet er ihm den Casino-Besuch. Und schliesslich gewinnt Christian Constantin gegen ihn auch noch eine Weitschuss-Wette. Kein Wunder, kam der gläubige Christ Serey Die früh zum Schluss: «Der Teufel stellt dir im Leben Fallen.»
Lucien Favre zertrümmerte. Als Trainer des B-Ligisten Renens manövrierte er sich gleich selber ins Aus. 1993 erhielt Papi Chappi drei Monate Berufsverbot – aufgrund von Lappalien: Beschimpfung des Schiedsrichter-Assistenten. Rennen aufs Spielfeld nach Penaltypfiff. Wegschubsen des Referees. Nicht-Verlassen des Rasens nach Roter Karte. Weigerung, sich auf die Tribüne zu setzen. Versuch, sich Zutritt zur Kabine der Unparteiischen zu erzwingen. Und Wurf von Weisswein gegen das Schiedsrichter-Trio. Was uns als Anhänger edler Tropfen irritiert: Warum hat sich der letzte Punkt nicht strafmildernd ausgewirkt?
«Gabet» Chapuisat Jean-Pierre Ein Beinschuss hier, ein Dribbling dort: Pierre-Albert «Gabet» Cyprien Chapuisat hatte Stil. Ausser ihm brannten die Sicherungen durch. Was öfters vorkam. Unvergessen bleibt, wie der Vevey-Libero mit gestrecktem Bein das Knie von Servettes
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Mit einer Eric-Cantona-Gedenk-Einlage verströmte JeanPierre Cyprien 1996 den Hauch von asiatischer Kampfkunst in der Neuenburger Maladière. Kaum war die Partie beendet,
stand der Verteidiger schon vor St. Gallens Claudio Moura – und kurz darauf FCSGTrainer Roger Hegi nicht mehr. Was war passiert? Cyprien schob die Schuld ab: Moura habe ihm zuvor den Ellbogen ins Gesicht gedonnert und einen Faustschlag versetzt. Da muss sich der Franzose an seinen Landsmann Eric erinnert haben. Doch genau in diesem Augenblick mischte sich Hegi ein. Der Tritt in bester Kung-Fu-Manier an die Adresse Mouras traf den Unterleib des gegnerischen Trainers. 15 Spieltage Sperre! Das Verdikt kühlte Cypriens Temperament aber nicht ab. 2003, mittlerweile in Frankreichs Amateurfussball gelandet, sinnte der zupackende Zeitgenosse nach Spielschluss wieder auf Rache. Nun nahm er es gleich mit der ganzen Mannschaft auf. Dreimal rammte Cyprien deren vollbesetzten Mini-Bus mit dem eigenen Auto. Die Quittung: 18 Monate wegen «Gewalt unter Benutzung einer Waffe». Abzusitzen nicht auf der Tribüne, sondern im Gefängnis.
Alexander Rytschkow Der Russe war nicht nur auf dem Platz unberechenbar, sondern auch daneben. Unbewilligte Ferien, Frauengeschichten, Haschischkonsum, Alkoholprobleme: Alexander Rytschkow lieferte seinen Arbeitgebern immer einen Entlassungsgrund. In Basel verscherzte er es sich, weil er im Training auf
Assistenztrainer Marco Schällibaum losgegangen war. Nach weiteren Disziplinlosigkeiten verschlug es Rytschkow um die Jahrtausendwende nach Delsberg und Bellinzona. Der begnadete Dribbler war über sich selbst gestolpert.
Alex Germann Der Ball war noch mitten in der Luft, da hatte Schiedsrichter Bruno Klötzli 1989 genug. Abpfiff im Tourbillon, Sieg für Sion. Gegner Wettingen versank noch mehr im Schla-
massel. So weit, so klar. Blöd nur, gibts die Erdanziehungskraft. Sekunden nach Klötzlis Griff zur Pfeife schlug Martin Ruedas Lobball auf, im Tor der Sittener. Es wäre das 1:1 gewesen. Die frustrierten Aargauer rasten im Rudel auf den indisponierten Schiedsrichter zu – und der panikartig davon. Vier Wettingern ging es später selbst an den Kragen. Am härtesten traf es Alex Germann. Der Verteidiger erhielt wegen Fausthieben ein Jahr Sperre aufgebrummt. Zu Unrecht, wie er im «Blick» findet: «Hätte ich
Rubrik
wirklich zugeschlagen, wäre der Ref nicht mehr so schnell aufgestanden.»
Mirsad Baljic Das Sittener 1:0 hatte damals übrigens Mirsad Baljic erzielt. Der Bosnier gehörte zu den treffsichersten Stürmern, in jeder Hinsicht. Ob gegnerisches Tor, Schienbein oder Gesicht:
Mehr vereint Gilbert Gress und Trifon Ivanov aber nicht. So lagen sie sich bei Xamax ständig… in den Haaren. «Wenn ihr nicht artig seid, hole ich Gress», pflegte der Bulgare seine Kinder jeweils mit launigen Worten ins Bett zu schicken. Und der Elsässer konterte mit Blick auf seine Schäfchen: «Ich lasse mir das Kollektiv nicht von einem einzigen Spieler kaputtmachen!» Nach einer Saison war die Ära Ivanov in Neuenburg vorbei. Der kompromisslose Verteidiger hatte dem Trainer 1995 Unfähigkeit vorgeworfen. Ivanov dagegen bewies Sachverstand. Auf die Frage, was er geworden wäre, wenn nicht Profi, antwortete er: «Gangster.»
Wilco Hellinga Er liess nichts aus. Setzte er zum Kopfball an, befanden sich seine Ellbogen längst im aviatischen Nahkampf. Überhaupt, seine Vielfliegerei – vom Platz oder zumindest durch den Strafraum in formvollendeter Anmut einer Schwalbe – hätte jedem Meilensammler zur Ehre gereicht. Intellektuell gab sich Baljic aber als Tiefflieger: «Ich wüsste nicht, was an meinem Spiel provokativ oder unfair sein sollte.»
Der Treter der Liga nietete jeden um. Und bewies selber Standfestigkeit, auch gegen Maradona. Alle Spieler hatten 1999 bereits beim Aufwärmen vor Ehrfurcht Reissaus genommen. Nur einer verharrte auf dem Rasen des Letzigrunds: Wilco Hellinga. Den Niederlän-
der liess kalt, dass es sich bei Maradona um einen Stier handelte, der sich als temporäres FCZ-Maskottchen verselbstständigt hatte. Zuletzt flüchtete denn auch… Maradona. Angeblich, weil ihn der Gestank des nahen Schlachthofs störte. Wir glauben: wegen Hellinga.
René van Eck Und gleich noch ein Niederländer mit Aussicht auf den Friedensnobelpreis: Kurz nach seiner Ankunft 1990 in Luzern erfreute sich René van Eck schon grösster Beliebtheit bei all seinen Gegenspielern. Adrian Kunz schätzte den unbändigen Einsatzwillen: Van Eck sei ein Typ, der jede Berührung «mit doppelter Münze» heimzahle. Jean-Pierre La Placa lobte die Konsequenz des Verteidigers, weil der es richtig geniesse, «wenn der Gegner nach seinen brutalen Tacklings nicht mehr auf die Beine kommt.» Frédéric Chassot strich die Fokussiertheit hervor: Das einzige Ziel van Ecks bestehe darin, «den Gegner zu verletzen». Und Giovane Elber konnte sich nur noch mit einem Superlativ behelfen, um dem Sympathieträger gerecht zu werden: Der Niederländer sei schlicht der «unfairste Mann der Liga».
Rolf Bollmann Trifon Ivanov Beide hegen sie Sympathie für eine – nun ja – diskutable Art, das Haar spriessen zu lassen.
Raubein trug einen passenden Übernamen, aber keiner hiess wie er: Rolf Bollmann, der «grösste Verbrecher im Schweizer Fussball». Der Verteidiger in Winterthurer und St. Galler Diensten empfing den Gegenspieler stets ausnehmend freundlich: «Wenn du mich zu umspielen versuchst, dann tragen sie dich mit der
Bahre vom Platz.» Prompt trat er in den 70er-Jahren Georg Volkert «fast zum Invaliden». Das war «nicht sehr flott, muss ich zugeben». Allerdings habe ihn der FCZler zuvor auch «schwer durch den Seich» gezogen. Da sei klar gewesen: «Er oder ich». Anspucken gehörte zum guten Ton, der Einsatz von Stecknadeln auch, Hodenklemmen sowieso. In diesen Genuss kam Raoul Lambert. Den deckte Bollmann im Länderspiel gegen Belgien hautnah, weil er seine Kontaktlinsen im Hotel vergessen hatte. Er hielt den Stürmer «unten in der Mitte» fest, «um ihn wenigstens zu hören, wenn ich ihn schon nicht sehen konnte». Er sei halt «nicht der Allerfeinste auf dem Feld» gewesen. So kann man es auch sagen.
A propos charmante Charakterisierungen: Heinz «die Eiche» Lüdi? «Eisen-Charly» In-Albon? «Terror-John» Linford? Dario «rot, röter» Rota? Manch ein
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Die Auswärtsfahrt
RNK Split Inter Zapresic
1 0
Prvna Liga, 1.9.2012 Park Mladeži, 200 Zuschauer Text&Bild: Manuel Jakob
Lausiger Fussball zum Weltuntergang
Wenn die Lokalmatadoren von Hajduk Split im Poljud-Stadion einlaufen, ist die Spannung beinahe mit Händen greifbar. Die Luft scheint vor Begeisterung zu vibrieren, der beissende Rauch der Pyros hängt darin fest. In Split an der dalmatischen Küste ist Fussball allgegenwärtig, an jeder zweiten Hauswand prangt ein Hajduk-Logo. Am frühen Abend des 1. September ist nichts davon zu spüren. 40 Minuten vor der Partie des Stadtrivalen RNK Split gegen Inter Zaprešic´ sind die Tore des Park Mladeži – keine 800 Meter vom Poljud entfernt – noch fest verschlossen. Das Stadion ist nicht mit dem Hexenkessel von Hajduk zu vergleichen: Gerade mal 4000 Zuschauer fasst das Rund, eine Überdachung der Tribünen sucht man vergebens. Der Kassenwart muss beim Erwerb der Tickets zum Preis von je 40 Kuna (etwa 7 Franken) für die guten Plätze erst noch bei einem anwesenden Türsteher die genaue Anspielzeit erfragen. Ob denn viele Zuschauer zu erwarten seien, will der Besuch aus der Schweiz wissen. Er schüttelt nur den Kopf und lässt die trockene Begründung folgen: «Because it’s lousy football, that’s why.» So verlieren sich dann auch lediglich gut geschätzte 200 Zuschauer im Stadion, obwohl eine Partie der Prvna Liga ansteht, der höchsten kroatischen Spielklasse. Möglich, dass die Menschen dem Spiel auch deswegen fernbleiben, weil sich über der Hafenstadt Split gerade ein Jahrhun-
dertgewitter entlädt. Kurz vor Spielbeginn schüttet es wie aus Kübeln, und alle Zuschauer dürfen unter dem einzigen Dach im Stadion Platz nehmen, worunter sich eine Art improvisierter VIP-Bereich befindet. In der hintersten Reihe sitzt man auf hundskommunen Küchenstühlen. Mit Spielbeginn wird das Unwetter noch heftiger. Blitze entladen sich im Sekundentakt über dem Stadion, und der starke Wind verunmöglicht ein geordnetes Spiel. Die Abschläge des Heimtorhüters bleiben in der Luft beinahe stehen. Die Welt scheint unterzugehen und mit ihr RNK. Nur dem starken Torhüter Vukovic´ ist es zu verdanken, dass sich die Spliter über Wasser halten können. Vor weiterem Schlamassel bewahrt RNK ein Ausfall des Flutlichts nach gerade mal fünf Minuten. Die Partie muss unterbrochen werden – ungläubige Blicke auf der Tribüne und dem Feld. Rund zwanzig Minuten später flammt das Licht wieder auf, aber das Gezeigte auf dem Rasen bleibt wenig erhellend. Dank eines Platzverweises gegen einen Zaprešic-Spieler ´ nach einer Stunde erhält RNK plötzlich doch Oberwasser, geht in Führung und schaukelt den 1:0-Vorsprung mit Mühe und Not über die Zeit. Doch das geht ob des Spektakels am Himmel beinahe unter. Übrigens: Weil am selben Abend das grosse Hajduk in Rijeka mit 1:0 tauchte, setzte sich RNK Split in der Tabelle vor den Rivalen – auf Platz drei.
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turniersinn
Das Fundstück
Heute: Afrika Das verfluchte Turnier In den 1980er-Jahren schossen in Afrika regionale Turniere für Nationalmannschaften wie Pilze aus dem Boden. Jede Nationalelf konnte sich gleich in mehreren Wettbewerben mit den Nachbarn messen. In Westafrika etwa wurde u. a. der CSSA Nations Cup eingeführt, der ab 1982 ausgetragen wurde, dem es allerdings angesichts der Dominanz von Ghana etwas an Spannung fehlte. Bis 1987 gewannen die Black Stars jede Austragung und verloren dabei kein einziges Spiel. Kein Wunder, hatte in der Folge niemand mehr Lust auf eine Teilnahme. Mit der Erstarkung der Konkurrenz kam um die Jahrtausendwende der Wunsch nach einem regionalen Kräftemessen wieder auf. Senegal sollte im September 2001 der Gastgeber sein, doch schon die Qualifikation barg Probleme. Niger und Benin zogen sich zurück, Guinea wurde von der FIFA ausgeschlossen, und das Team aus Burkina Faso blieb auf dem Weg zum Spiel in Gambia stecken. Als die acht Teilnehmer endlich feststanden, schaltete sich der afrikanische Verband CAF ein und verbot das Turnier wegen der zeitlichen Nähe zum Afrika-Cup. Nach langem Betteln seitens der Organisatoren und dem Hinweis darauf, der neue WAFU Nations Cup sei ausschliesslich für Spieler aus den heimischen Ligen gedacht, willigte der CAF doch noch ein. Dafür hatte der Hauptsponsor «TV Africa» genug von den Querelen und sprang ab, womit ein Turnier in Senegal unmöglich geworden war. Kurzfristig sprang die Côte d‘Ivoire als Gastgeberin ein und bestimmte in letzter Minute die Stadt Bouaké als zweiten Spielort neben Abidjan. Doch kaum waren die ersten beiden Partien gespielt, brach ausgerechnet in Bouaké ein Militärputsch aus, worauf das Turnier abgebrochen wurde und die Teams noch eine Woche in einem Hotel gefangen waren. Erst 2010 – 23 Jahre nach Ghanas letztem Triumph – fand der WAFU Nations Cup eine Fortsetzung.
Schlangen und Leoparden Es gibt Mächte, dagegen kommt man einfach nicht an. Im Entscheidungsspiel des Gossage-Cups, des Vorläufers des ost- und zentralafrikanischen CECAFACups, unterlag Kenia 1951 überraschend Tanganijka (heute Tansania) mit 1:2, was Stürmer Omari Okumu damit begründete, dass sich der Ball jedes Mal, wenn er ihn habe treten wollen, in Schlangen verwandelt habe, worauf er grosse Angst bekommen habe. 15 Jahre später kam in Afrika eine ebenso furchteinflössende Macht der anderen Art auf: Mobutu Sese Seko, der «Leopardenmann», hatte sich eben erst im Kongo an die Macht geputscht, da durfte er bereits ein erstes Mal stolz auf die sportlichen Leistungen seiner Landsleute sein. Tout Puissant Mazembe hatte es auf abenteuerliche Weise ins Endspiel des afrikanischen Champions‘ Cup 1967 geschafft. In der ersten Runde entschied das Los nach Hin- und Rückspiel gegen den FC Abeilles aus dem «anderen» Kongo, vor den Viertelfinals zog sich Gegner Al-Ittihad aus Libyen ohne Angabe von Gründen zurück, immerhin das Halbfinale wurde tatsächlich gespielt. Im Endspiel traf man auf Asante Kotoko aus Ghana. Auswärts holte TP Mazembe ein 1:1, das Heimspiel endete 2:2, worauf der Schiedsrichter ankündigte, dass nun wiederum ein Los gezogen werde. Dem widersprach allerdings der auftauchende Generalsekretär des afrikanischen Verbandes, der ein Wiederholungsspiel in Kamerun versprach. So standen am 27. Dezember die Kongolesen in Yaoundé bereit, doch aus Ghana tauchte niemand auf. Der ghanaische Verband hatte es nicht für notwendig erachtet, Asante Kotoko über den Termin des Entscheidungsspiels zu informieren. Inwiefern diese «Glückssträhne» etwas mit der Macht des Leopardenmanns zu tun hatte, bleibt weiterhin ungeklärt.
Heute: Borussia-Dortmund-Wecker Text: Gregory Germond www.sportantiquariat.ch Liebe Freunde des raren Sportstücks Vielleicht wisst Ihr es nicht, aber ich habe von ZWÖLF seit über fünf Jahren die Order, nur über Fundstücke aus der Schweizer Fussballwelt zu schreiben. Doch dieses Mal habe ich ein Schlupfloch gefunden, um über ein tolles Merchandisingprodukt von unseren nördlichen Nachbarn zu schwärmen – ein ungewohnt m odernes noch dazu. Allenthalben tauchen in letzter Zeit Fan- uten silien von Borussia Dortmund auf. Nicht etwa nur aktuelle, weil sie amtierender deutscher Meister sind, sondern auch solche aus der letzten Glanzzeit in den 1990er-Jahren, als Stéphane Chapuisat für die Tore und die Titel sorgte. Der Romand war vielleicht der erste richtige Star, den die Schweiz in der Bundesliga hatte. Mancher Schweizer unternahm an den Wochenenden einen Ausflug nach Dortmund. Die meisten brachten eines dieser gelben Trikots heim, jener grauenvollen Warnwesten; doch die fidele Rentnerin, bei der ich diesen Hammerwecker kaufte, hatte einen originelleren Geschmack. Man stelle dieses geile Teil auf 15.30 Uhr ein – also wenn die Samstagspiele beginnen –, und, hoppla, da öffnen sich die Tore, der Scheinwerfer beleuchtet die Miniaturspieler in Schwarz-Gelb, und es ertönt massiv laut die Dortmunder Vereinshymne. Das muss man erlebt haben! Zum Glück hat es einen On/Off-Knopf und einen Lautstärkenregler. Übrigens: Dieser Chappi-Weichgummischlüsselanhänger wurde von einem Sportmanager mit Telefonnummer im Bündnerland vertrieben. Sinnbildlich für manches Merchandisingprodukt aus den Neunzigern. Bad, bad taste! PS: Der Wecker spinnt, er lässt sich nicht mehr ausschalten, und nach einer geschlagenen Viertelstunde «BOOORUUUUUSSSSIIIIAAA» stand ich kurz davor, das Teil in die nächste Ecke zu pfeffern. Versprochen: Das nächste Mal gibts wieder etwas stilles Antikes!
Die Lehrstunde Nachhilfeunterricht aus versierter Quelle Das klingt doch vielversprechend: «Strategien e ntwickeln», «Fallen umschiffen», «Geld verdienen» – all das lehrt ein neuartiges Seminar für Spielervermittler, für das auch «Zwölf» eine Anmeldung erhalten hatte. Es kündigt an, die Teilnehmer in die letzten Geheimnisse der Vertragsverhandlungen einzuweihen. Da dünkten uns die K osten von 3500 Franken gut angelegt. Hätte nur nicht der Name des Veranstalters dumpfe Erinnerungen g eweckt: Marc Roger. War da nicht was, chers Servettiens?
Mit zehn Verteidigern gegen den Angstgegner Es war ein eindrücklicher Beweis für die Vormachtstellung des FCZ in dieser Saison: die FCB-Taktik am 28. Oktober 2012. Die Aufstellung im Liveticker eines hier bewusst ungenannten Internet-Portals zeigt: Nicht weniger als 24 Spieler schickten die Basler aufs Feld, um die Zürcher Angriffs maschinerie zu stoppen – darunter drei Torhüter. Der FCZ dagegen beschränkte sich auf zwei Mann und einen, der aus Bern zuschaute. Auf einen Goalie verzichtete er gänzlich. Die Zürcher sind ja auch Basels Angstgegner. Aus den letzten 26 Direktbegegnungen holten sie sagenhafte zwei Siege. Und auch Basels Catenaccio hätten sie fast geknackt.
KAREMBEU Christia
n – ROGER Marc
PELE – Marc ROGER
PELE – Marc ROGER
OGER nimé par Marc R Stage intensif a nternational sionnel/Coach i + Formateur profes surprise n invité + U
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Der Cartoon
Von: Konrad Beck, Christian Wipfli www.konradbeck.ch
Text: Re Wilk / Bilder: Janosch Abel
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Fussball schaut man im Stadion. Für viele Zugewanderte ist dies bei ihren Lieblingsklubs aber oft nicht möglich. So wird der Barbesuch zum wöchentlichen Highlight. ZWÖLF besucht fortan an Spieltagen Lokale, in denen Fans ausländischer Mannschaften die Partien verfolgen.
Casa d’Italia, Bern AC Milan – Juventus Turin, 25.11.2012 ********************************************
Ein kurzer Klarsteller zu Beginn: Wir kehren hier nicht bei einem x-beliebigen Italiener ein. Das «Casa d’Italia» ist auch ein wenig «Casa Zwölf» und kann mit Fug und Recht als Brutstätte deiner liebsten Fussball-Lektüre bezeichnet werden. Zwei Stockwerke über der eigentlichen Beiz ist die heilige Halle angesiedelt, in der die ersten Sitzungen zur Gründung vom «Zwölf – Verein für Fussballkultur» stattgefunden haben. Hier oben ist es auch, wo der «Casa»-Fussball stattfindet, denn im Restaurant unten hat der Pizzaiolo das Sagen, und am Flachbildschirm läuft der Damenslalom aus Aspen. Nichts wie rauf also. Zuerst wollen wir das Okay einholen, und weil das «Casa» ebenfalls ein Verein ist, tun wir das beim «Presidente». Der noble Herr um die 70 ist, wie gefühlte neunzig Prozent aller Italiener am Sonntagabend, perfekt gekleidet und kein Mann der grossen Worte. Nachdem er begriffen hat, dass wir ihm keine Werbung verkaufen, sondern wohlwollend und gratis über sein Lokal berichten wollen, offeriert er uns mit einer filmreifen Geste an den Barkeeper zwei Stangen. Er sei für Juve, klar, sagt er auf Anfrage leicht verdutzt. Alles andere wäre eine Todsünde, glaubt man ihn noch murren zu hören. 20.43 Uhr. Die rund 35 Nasen sitzen im stockdunklen Raum, der gut und gerne auch für ein Computerkürsli der Migros herhalten könnte. Das Spiel beginnt. Bild und Ton stimmen. Mit gut zehn Metern Distanz zum gebeamten HD-Bild erkenne ich rasch einmal, dass Lichtsteiner fehlt und Robinho sein Haar irgendwie neu trägt. Milan macht ordentlich Dampf, derweil einer der Zuschauer schon mal drei Kerzen holt, damit man nicht plötzlich an Nachbars Bierchen nippt. Es kommt Adventsstimmung auf. Man wähnt sich hier nicht wirklich in einer Fanhochburg. Das Gros ist für Juventus. Der mit den Kerzen trägt sogar einen Schal der Alten Dame. Ansonsten herrscht eher noble Zurückhaltung, wie es sich für waschechte Norditaliener gehört. Man vernimmt zwar hier und dort ein Fluchen und Raunen über Juves Ungenauigkeiten und Milans Härte. Als aber Robinho in der 31. Minute den Handspenalty versenkt, bricht weder Jubelgeschrei noch das grosse Jammern aus. Es geht einfach weiter. Als wäre nichts geschehen. Die zweite Hälfte bringt dann noch mehr Härte, viel Tempo und gegen Schluss auch mächtig Spannung. Doch es bleibt bei Milans Heimsieg. Zwanzig Sekunden nach dem Pfiff ist der Laden leer, das Neonlicht geht an. Alles bleibt unaufgeregt. Ausser die Pizzen. Die sind aufregend gut.
Retro-Chic
Verstaubt? Nein, verstaubt sind diese Geschichten bestimmt nicht. Vielleicht nicht mehr die allerjüngsten, aber wer von uns ist das schon noch? Da halten wir's mit Manni Burgsmüller: je älter, desto besser. So klauben wir aus der Tiefe nicht nur des Raumes, sondern der Fussball-Historie ein paar besonders erzählenswerte Anekdoten. Also, ab jetzt zum Stöbern auf dem Flohmarkt der Fundstücke!
Schicksalsjahre eines Traditionsvereins S. 28
Legendäre Augenblicke S. 38
Von GC via Arsenal hinter den Tresen S. 22
Buntes Treiben aus Polyester S. 18
Von Pjรถngjang nach Wil S. 32
Schweizer Pioniere in Frankreich S. 44
Text: Michele Coviello Bild: Frank Blaser / Keystone
Miami Vice auf Rasen
Keine Trikots verkörperten den Zeitgeist vor 25 Jahren so gut wie diejenigen von Blacky. Die Schweizer Textilfirma trieb es bunt – nicht nur auf den Shirts.
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icht einmal der Hintern blieb verschont. Die Designer von Blacky entdeckten auch diesen als Arbeitsfläche – so gross war ihre Lust, mit Mustern zu spielen, mit Farbtönen Kontraste zu setzen. Deshalb mussten auch die Shorts des FC Wettingen in der Saison 1989/90 für eines ihrer Experimente herhalten. Das linke Hosenbein hell-, das rechte dunkelblau. Und als wäre das nicht genug, zeichneten sie kurzerhand noch eine Tasche auf die rechte Pobacke. In kontrastierendem Blau, versteht sich. Es war die Zeit der leuchtgelben Stirnbänder und der Schlabberhosen mit Ethnomustern. Und Blacky brachte diese Farben und Designs der späten 80er- und frühen 90er-Jahre in die Turnhallen und auf die Fussballplätze der Schweiz. Neonviolett war plötzlich nicht mehr nur eine
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Extravaganz für den Abend in der Disco oder ein Privileg für die Stars aus « Miami Vice». Hunderte von Amateurkickern im ganzen Land schlüpften nun auch am Sonntagmorgen in die flippigen Shirts aus Schweizer Fabrikation und hätten glatt mit einer Tanzgruppe von DJ Bobo verwechselt werden können. Was wir heute belächeln, war damals aber innovativ. «Die Muster waren schon ein wenig diskutabel», sagt Jörg Stiel. Der damalige NLA-Goalie des FC Wettingen ist heute selber in der Sportartikelbranche tätig. Auf seinen pinkfarbenen Torwartpullover von Blacky sei er damals nicht besonders gestanden. Aber aus heutiger Sicht sei die Marke einen Schritt voraus gewesen. «Farblich war Blacky top. Die hatten fast etwas Futuristisches.» Der Visionär dahinter hiess Bruno C.
Schwarz. Der Aargauer aus Hägglingen baute in der Ostschweiz Ein- und Mehrfamilienhäuser. Daneben interessierte er sich für den Sport und nutzte ihn rege als Werbeträger seines Unternehmens. Er unterstützte Radfahrer, übernahm Patronate, trat als Sponsor an Sechstagerennen auf, wo die meisten Fahrer in Ausrüstungen von Descente auf den Sattel stiegen. Und irgendwann dachte sich Schwarz: Wieso nicht selber eine Marke kreieren? Ein starkes Nischenprodukt 1984 entstand in Anlehnung an seinen Nachnamen die Blacky Modedesign in Wil. Ein Pferd im Logo setzte zum Sprung an. Die erste Kollektion erstellte Schwarz für den Radsport. 100 000 Franken, das war der überschaubare Umsatz. Doch danach hob das Pferdchen ab. Die farbenfrohen Stoffe mit guter Schweizer Qualität fanden Absatz. Laut der Zeitung «Cash» setzte Schwarz 1991, nur sieben Jahre nach der Gründung, 32 Millionen Franken um. Damit war Blacky ein starkes Nischenprodukt, eine Alternative zu den damaligen Markt-
blacky-story
führern Adidas und Puma – wenngleich noch weit von ihnen entfernt. Der schnelle Aufstieg gelang nicht nur dank dem Radsport. Daneben begann das Unternehmen Ausrüstungen für Tennis, Fussball, Eishockey, Unihockey und viele weitere Teamsportarten zu fabrizieren. Schwarz bediente sich dabei eines Verfahrens, das er aus der Produktion der Velobekleidung kennengelernt hatte: des Thermodrucks. Früher war es üblich, den Fussball-Dress zu beflocken oder zu besticken. Das bedeutete, dass jedes Element in getrennten Schritten auf den Stoff aufgetragen wurde. Für Sponsor, Vereinslogo und Herstellermarke waren somit drei Arbeitsgänge nötig. Nicht so mit dem Thermodruck. Man zeichnete das gesamte Design auf Papier und druckte dieses direkt auf den Stoff. Besonders im Eishockey fand das Verfahren Anklang, wo zahlreiche Sponsoren die Leibchen bevölkern und sogar der Kragen des V-Ausschnitts als Werbefläche genutzt wird. So produzierte Blacky etwa mehrere Jahre lang die Leibchen des SC Bern. In dieser Zeit entstanden die unterschiedlichsten Exemplare der Trikot-Kunst. Das SCB-Shirt aus dem Jahr 1988 zeigt schwindelerregende farbige Wirbel auf Brust, Rücken und beiden Ärmeln. Ein Eishockey-Blog bezeichnete diese Reliquie als «bizarr», «seltsam», als einen «unerklärlichen Angriff aufs Auge». In Kontrast dazu steht aber die äusserst geschmackvolle Ausrüstung aus der Saison 1991/92. Auf fast schon künstlerische Art ziert ein brüllender Bär die Brust. Ein Sujet, das sich selbst heute, 20 Jahre später, noch gut auf dem Eis tragen liesse. 200 Personen in Ungarn Gross waren die Fortschritte in den Anfangsjahren. Die Umsätze sollen sich laut einem Zeitungsartikel von Anfang der 90er-Jahre jeweils von Geschäftsbericht zu Geschäftsbericht verdoppelt haben. Schon bald zog der Betrieb von Wil ins benachbarte Münchwilen und
richtete sich in einer bestehenden Weberei ein. Vorerst produzierte man alles in der Schweiz, bald aber ging ein grosser Teil der Arbeit ins Ausland. Während im Thurgau an die 50 Personen in Verwaltung, Druck und Schneiderei arbeiteten, beschäftigte Blacky zu ihren besten Zeiten bis zu 200 Personen in Ungarn. Drucker und Näherinnen verarbeiteten dort die Waren für grössere Serien und für den Ladenverkauf, in Münchwilen entstanden die Produkte für die Profiteams. Der Einstieg in den Fussball hatte viel mit dem Radsport zu tun. Wie Bruno Schwarz war auch der damalige Präsident des FC Wettingen im Radsport involviert. Hubert Stöckli vertrieb Spielautomaten
und machte damit lange viel Geld, das er grosszügig für den Sport einsetzte, unter anderem für den Radsport und den Fahrer Max Hürzeler. Durch die Radszene lernten sich Hubert Stöckli und Bruno Schwarz kennen. Die erste Kooperation von Blacky im Fussball – mit dem FC Wettingen – hatte aus heutiger Sicht schon fast ketzerische Züge: Die Aargauer spielten immer noch in einem Adidas-Trikot, setzten aber kurzerhand einen Blacky-Schriftzug als Sponsor auf die Brust. Eine Saison später wurde Blacky schliesslich zum Ausrüster des FC Wettingen. Der damalige Sportchef Fredy Strasser erinnert sich daran, wie er mit Hubert Stöckli und dem Finanzchef
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des Vereins nach Münchwilen fuhr und einen halben Tag lang die Ausrüstung zusammengestellt wurde. «Vom Design her konnte Adidas nicht mithalten», sagt Strasser über die damals revolutionären Produkte. Die Trainingsanzüge seien perfekt gewesen. «Ab und zu hatten wir aber Probleme mit den Schuhen», sagt Strasser. Der Verein war dazu verpflichtet, sogar am Fuss mit der Hausmarke aufzutreten. Auch Martin Rueda, damals Verteidiger in Wettingen und heute Trainer der Young Boys, hat schlechte Erinnerungen an den Schuh. «Der war nicht besonders gut, und manchmal musste man Änderungen vornehmen.» Umso lieber trug Rueda aber das legendäre Dress des FC Wettingen. Leicht und angenehm sei es gewesen. Es war ein Trikot, das 1989 durch mehrere Ereignisse reichlich im Bild war. Blackys Aushängeschild FC Wettingen stand laufend in den Schlagzeilen – negativ und positiv. Am 7. Oktober 1989 hatte der Schiedsrichter Bruno Klötzli das Spiel zwischen Sitten und Wettingen mit dem üblichen dreifachen Pfiff beendet. Etwas zu früh. Ein Schuss von Martin Rueda flog gerade ins Sittener Tor. Es wäre der Ausgleich zum 1:1 gewesen. Doch der Treffer zählte nicht. Einige Wettinger trieben darauf den Schiedsrichter wie verängstigtes Wild über den Rasen
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des Tourbillon, traten mit Fäusten und Blacky-Schuhen nach ihm, die dafür wohl ganz gut geeignet waren. Die Bilder gingen über die Schweizer Bildschirme und füllten die Sportseiten der Zeitungen: ein verängstigter Klötzli mit weit aufgerissenen Augen, nach Luft japsend. Dahinter einige Wettinger – im Blacky-Dress. Sichtbar gegen Gott Nur elf Tage nach dem Skandal von Sitten stand Wettingen in einem ganz anderen Licht. Im Zürcher Letzigrund als Ausweichstadion ging so etwas wie das Spiel des Jahres über die Bühne, nicht nur für den FC Wettingen, sondern auch für den Schweizer Fussball. Im UEFA-Cup waren der SSC Napoli und ihr Weltstar Diego Armando Maradona die Gäste des kleinen Klubs aus dem Mitteland. Mit der Partie im Letzigrund nahmen die Aargauer so viel ein, wie sie sonst in einer ganzen Saison zur Verfügung hatten. Alle Schweinwerfer waren auf sie gerichtet – oder besser gesagt: auf den lebenden Fussballgott, dem damals unerreichten Maradona, Weltmeister 1986, Serie-A-Champion 1987 und Titelverteidiger des UEFACups. Die Partie war beste Werbung auf nationalem und internationalem Parkett für Blacky. Und als wäre der schachbrettartige Dress mit der schicken Hosentasche
auf der rechten Pobacke nicht auffällig genug gewesen, dachten sich die BlackyVerantwortlichen einen Plan für mehr Sichtbarkeit während des Spiels aus. Eigentlich war die Idee simpel, aber sie grenzte an Genialität. Dumm nur, dass sie hochgradig illegal war. Wer würde der auffälligste Spieler der Partie und somit am häufigsten im Bild sein? Logisch. Diego Armando Maradona. Wer würde am meisten neben ihm stehen? Klar. Sein d irekter Gegenspieler und Manndecker, Jan Svensson. Die Legende besagt, dass zehn Wettinger Spieler mit einem gewöhnlichen Leibchen und dem Sponsor Continentale Versicherungen auf der Brust auf den Platz gingen. Nur einer nicht. Jan Svensson soll einen Blacky-Schriftzug auf dem Shirt gehabt haben. Auf den wenigen überlieferten Bildern jenes Abends ist dieses Detail nicht zu sehen. 23 Jahre später können sich Mitspieler wie Stiel oder Rueda nicht mehr an diesen Vorfall erinnern. Der d amalige Sportchef Fredy Strasser kennt diese G eschichte. Er erzählt sie, räumt aber ein, den effektiven Wahrheitsgehalt nicht zu kennen. «Ich als Sportchef war damals nicht eingeweiht. Vermutlich handelte es sich um eine Abmachung zwischen dem Blacky-Besitzer Schwarz, unserem Präsidenten Stöckli und Svensson.» Strasser vermutet, Svensson habe den Dress erst auf dem Platz angezogen, um zuvor nicht aufzufallen. Wer könnte es also besser wissen als der Schwede selbst? Längst ist er nicht mehr im Fussball tätig. In seiner Heimat arbeitet er seit 15 Jahren für die Lotteriegesellschaft, bei der er sich mit Sicherheitsfragen beschäftigt. «Schon lange nichts aus der Schweiz gehört», sagt er in den Telefonhörer. Spricht man ihn auf die Marke Blacky an und jenes Spiel gegen Maradona, so lacht er laut und lange. «Ja, das stimmt», sagt Jan Svensson sogleich, «irgendetwas war an meiner Trikotwerbung nicht erlaubt.» Was genau vom Shirt seiner Kollegen abwich, weiss er nicht mehr. «Nicht einmal ich wusste etwas davon», berichtet Svensson, «erst nach dem Spiel wurde ich darauf angesprochen. Gemerkt hatte ich selber nichts.» Der Schwindel habe viel zu reden gegeben, und eine
blacky-story S trafe sei dem Verein angedroht worden – ob von der UEFA oder vom eigentlichen Sponsor, auch daran kann sich Svensson nicht genau erinnern. Im Rückspiel in Napoli war Maradona intern gesperrt. Dort spielte Svensson mit dem legalen Schriftzug. Und diesen Dress kann man kaum vergessen: feuriges Rot mit gelben Sternen. Ein Weltstar als Generalvertreter Es war nicht der einzige Wirbel, den Blacky 1989 verursacht hatte. Bruno Schwarz wählte seine Werbeträger gut aus. Im Tennis spielte etwa der Schweizer Heinz Günthardt mit seinen Produkten. Und im Fussball hatte er Uli Stielike einen Vertrag unterbreitet. Der deutsche Europameister von 1980 wechselte am Ende des Jahrzehnts von Real Madrid zu Neuchâtel Xamax, Schwarz rüstete ihn aus und beschäftigte ihn als Generalvertreter seiner Firma in Spanien. Später wurde Stielike sogar in den Verwaltungsrat berufen. 1989 hatte er aber noch eine ganz andere Aufgabe – diejenige des Schweizer Nationaltrainers. Und damit entstanden auch Probleme. Die Schweiz war damals von Adidas ausgerüstet. Diese wollte nicht, dass Stielike mit der Marke Blacky fürs Nationalteam auftrat, und Blacky wollte seinen Mann nicht in Waren des grossen Konkurrenten sehen. Nach einigen hitzigen Wochen im Sommer 1989 entstand der Kompromiss: Stielike trat im Rahmen des Nationalteams weder mit Blacky noch mit Adidas auf, sondern neutral. Die Verhältnisse waren aber längst zerrüttet. Am Ende der Saison kündigte der deutsche Hersteller den Vertrag über rund 400 000 Franken jährlich fristlos. Das Blacky-Pferd sprang ein. Der Vertrag mit dem SFV zeigt gut, worin der Schweizer Produzent Blacky Vorteile hatte. Durch den nahe gelegenen Standort konnte die Firma schnell Aufträge von grossen Kunden aufnehmen und ausführen. So geschah es mit dem Fussballverband. Blacky hatte einen Termin in Bern mit dessen Exponenten. Zugegen war auch der Blacky-Marketingleiter, niemand Geringeres als Christian Gross, der damals erste Erfahrungen als Trainer in
Wil sammelte und daneben mit grossem Engagement die junge Trikotmarke anpeitschte. Nach drei Stunden war der lukrative Vertrag mit dem SFV unter Dach und Fach. Und schnell ging es weiter: Schon einen Tag später präsentierte Blacky dem Verband den Entwurf für die neue Ausrüstung. Die wenigsten haben sie vergessen. Es war diejenige mit dem grossen Schweizer Kreuz auf dem Bauch und vielen, vielen Streifen, quer und diagonal. Man ist geneigt, zu sagen, dass es manchmal vielleicht etwas gar zu schnell ging mit dem Design. 5 Millionen in Flammen Und schnell kam auch der Untergang. Statt wie geplant den Branchenriesen den Kampf anzusagen, schlitterte das Unternehmen in grosse Probleme. 1990 übernahm Bruno Schwarz eine angeschlagene Produktion für Bademode, die aber schliesslich auch für Blacky zur Belastung wurde. Ein Jahr später verspekulierte sich der umtriebige Unternehmer, indem er ein unrentables Sportzentrum für 6,5 Millionen Franken ersteigerte und auch dieses nicht mehr in Schwung brachte. Schwarz, der zu besten Zeiten Herr über 20 Aktiengesellschaften war und ein Kapital von rund 20 Millionen gehabt haben soll, geriet immer mehr ins Schleudern. Am
23. September 1993 vermeldete die «Neue Zürcher Zeitung» den Konkurs der Blacky Holding und zweier Tochtergesellschaften. Die Zeitung «Cash» berichtete im darauffolgenden Mai von einem Finanzloch von geschätzten 20 bis 30 Millionen Franken. Es bestünden Lohnausstände für entlassene Mitarbeiter von rund einer halben Million Franken, und Schwarz habe Betreibungen in Höhe von rund 8 Millionen Franken am Hals. Zudem wurde er verdächtigt, Lagervorräte in eine neue Firma übernommen zu haben und der alten so Vermögen entzogen zu haben. Schwarz stritt ab, dass er aus der Liquidation der Ware nur selber verdient habe. Wenige Tage vor einem Liquidationsverkauf Ende Mai 1993 entstand ein Brand in einem Lager in Münchwilen. 150 000 Badehosen, Trainingsanzüge und andere Kleidungsstücke wurden zerstört, gut 5 Millionen Franken gingen in Flammen auf. Die Thurgauer Kantonspolizei stellte Brandstiftung fest. Gefasst wurden die Täter nie. Das Blacky-Pferd sprang nicht mehr. Michele Coviello ist Sport-Redaktor der NZZ.
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Ein Leben zwischen Jimi Hendrix und Erich Vogel
Erich Vogel war sich sicher, Viktor Bänziger hätte es bei GC schaffen können. Aber dessen Herz war schon vergeben: an die Musik. Heute ist Bänziger trotzdem eine Grösse. Mit seinem «El Lokal» prägt er die Zürcher Gastroszene. Text: Mämä Sykora / Bilder: zvg
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ie Musik spielte meist die wichtigste Rolle in seinem Leben. 1968, als Viktor Bänziger 16 Jahre alt war, brachte Hans-Ruedi Jaggi nach den Stones eine ganze Reihe weiterer grosser Stars ins Zürcher Hallenstadion. Eric Burdon, Traffic, The Move, Small Faces, John Mayall und Jimi Hendrix. Jaggi, mit der Schwester von Bänzigers Jugendfreund André Grieder liiert, brauchte die beidenjungen Musikfans nicht zweimal bitten, für Jimi Hendrix eine Cola und ein Sandwich zu organisieren, weil dieser als Schwarzer nicht bedient worden war. Den Ärger, den er später zu Hause bekam,weil H endrix so spät spielte und Viktor deshalb nicht rechtzeitig daheim war, nahm er gerne in Kauf. Elf Jahre später war Viktor mit dabei, als in einer Zürcher WG die Geschichte des Jamarico begann, der später zum Treffpunkt der Musikliebhaber der Stadt werden sollte. Und dazwischen, da war der Fussball die zweite Leidenschaft. Eine Kombination, die nicht selten ist. Zu den JamaricoKunden zählte auch sein früherer Trainer bei GC. Sein Name: Erich Vogel. In Zürich ist Viktor Bänziger heute weit herum bekannt. Jedoch nicht als der Mann, der für GC und Arsenal gespielt hat, sondern als jener Mann, der die Gastroszene der Stadt nachhaltig verändert und geprägt hat. Erst mit dem «El Internacional», seit zwölf Jahren mit dem «El Lokal». Wer die Türe zur «allerletzten Insel an der Sihl» öffnet, dem springen seine beiden Leidenschaft sofort ins Auge. Auf der kleinen Bühne spielten im Laufe der Jahre schon Grössen wie Taj Mahal oder Bonnie «Prince» Billy, mit bestem Blick auf die berühmte Jagdszene auf die Schweizer Nationalspieler nach dem WM-Barragespiel in der Türkei und ein gemaltes Porträt des jungen Maradona. Fussball und Musik. Beides gehört zu Viktor Bänziger. Aus seinem bewegten Leben passt fast in jede Situation eine Anekdote. Als das Aufnahmegerät für das Gespräch installiert wird, erinnert er sich an jenen fürchterlichen Moment, als er für den ersten
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«Züritip» ein Interview mit Bob Marley führen durfte und danach feststellen musste, dass die Kassette völlig leer geblieben war. Damals hatte er mit dem Fussball schon längst abgeschlossen. Seine kurze Karriere begann im Alter von 11 Jahren beim Ballspielclub Zürich, zu dem er und sein Bruder über einen Cousin gestossen waren. Die Liebe zur Musik wurde fast gleichzeitig geweckt. Denn ein Zimmer in der Wohnung der Familie Bänziger hatte der Sohn des Abwarts beschlagnahmt, der dort drin an Fernsehgeräten und Radios herumbastelte und der zudem eine grosse Schallplattensammlung sein Eigen nennen durfte. Dort lernte Bänziger die Beatles, die Stones und vor allem Elvis kennen, am Wochenende im Stadion die grössten Fussballer des Landes. «Mein Bruder und ich gingen jedes Spiel in Zürich schauen», blickt Viktor zurück. «Wir waren zwar für den FCZ, aber wenn GC zu Hause spielte, dann unterstützten wir sie auch.» Besser als Familienschlauch. Falsches Trikot geklaut Im Jahr, in dem Jimi Hendrix in Zürich gastierte, hatte auch Pelé seinen Auftritt in der Stadt. Der FCZ empfing den FC Santos, und Viktor lauerte zusammen mit seinem Bruder Peter am Ausgang auf Souvenirs. Als dieser einen Santos-Spieler entdeckte, dem aus der Sporttasche ein Trikot herausschaute – weiss wie die eleganten Santos-Hemden –, schnappte er sich dieses und sprintete los. Zur grossen Enttäuschung der beiden prangte auf dem Rücken eine blaue «10». Er brachte dieses FCZ-Trikot umgehend zurück und bekam als Entschädigung immerhin eine Autogrammkarte von Pelé. Von Pelé, der ungleich grösseren Nummer 10, hing in Viktors alter Beiz, dem «El Internacional», ein gerahmtes Foto mit Unterschrift – bis eine übereifrige Putzfrau diese wegputzte. Mit der Nummer 10 begann auch Viktor Bänziger. «Dann wurde ich zur Nummer 6, dann zur 4, dann zur 3 und schliesslich zur 12», erzählt er. Noch heute sei das seine Num-
mer, und er fügt schmunzelnd hinzu: «Aber ich bin wohl eine der besten Nummern 12 weltweit.» Andere sahen für ihn indes spielbestimmendere Positionen vor. Im seinem zweiten Spiel mit den C-Junioren des Ballspielclubs kassierte Viktor eine 0:17-Ohrfeige gegen die von Erich Vogel trainierten Grasshoppers. Der zeigte schon damals grosses Interesse an André Grieder und Viktor Bänziger. Während André den Wechsel wagte, blieb Viktor beim Quartierklub. Trotz der Velofahrt quer durch die Stadt ins Training. Auch den jährlich wiederkehrenden Angeboten von GC und Red Star widerstand er. «Ich bin einfach ein zu treuer Mensch», sagt er mit einem Schulterzucken. Zudem fühlte er sich beim BC Zürich wohl. Mit 15 stand er schon in der ersten Mannschaft, mit den um einiges älteren Mitspielern kam er bestens klar; «Ihnen verdanke ich auch meinen ersten Rausch.» Als Erstes einen Tunnel Vielleicht war es auch die Angst davor, schon wieder etwas Neues kennenlernen zu müssen. Viktors Vater arbeitete als Coiffeur, ein gefragter Star dieser Gilde. Die Familie musste seinen oft wechselnden Arbeitsorten nachreisen. «Am schlimmsten war Stuttgart», sagt er heute, «da reiste meine Mutter mit uns Söhnen schon nach einer Woche wieder ab.» Als er nach einem Pfingstturnier in Deutschland, wo er in die Mannschaft des Turniers gewählt wurde, ein Angebot von Hessen Kassel erhielt, war das für ihn deshalb keine Option. Erst 1972, als er das KV auf einer Bank machte und dort auf seinen Nachbarn Max Müller traf, der schon bei GC spielte, schaffte es der Coach Ernst Lador, ihn zu einem Wechsel zu bewegen. «Der Lador kannte keinen Spieler beim Namen, der hat einfach alle ‹Pumpi› genannt.» Er kommt in eine hoch talentierte Inter-Juniorenmannschaft der Grasshoppers, in der Roger Berbig, Ruedi Elsener, Christian Gross, André Grieder, Hans Stemmer und die Zwillinge Hans und Thomas Niggl stehen. Schon nach
VIKtor bänziger
▲ Weggefährten an alter Wirkungsstätte: Mit Ruedi Elsener im Hardturm. (Bild: Ueli Meier) Viktor Bänziger mit Bruder Peter auf dem Balkon ihrer Zürcher Wohnung ▼ Zwei GC-Generationen zu Besuch in Viktors «El Internacional»: Ruedi Elsener, André Wiederkehr und Fige Ruoff. (Bild: Ueli Meier)
dem ersten Einlaufen muss sich Bänziger noch vor dem Anpfiff in ein Gebüsch übergeben. Seine erste Aktion im Mätschli ist ein Tunnel bei Hans Niggl, «keine zwei Sekunden später grätschte mich sein Bruder Thomas von hinten um. Er sagte mir: ‹Das können wir alle auch, das brauchst du hier nicht zu machen›.» Erich Vogel lässt seine Jungs intensiv trainieren. GC dominiert die Inter-Meisterschaft mit einem vorgezogenen Libero und unzähligen Standar-
dvarianten. «Erich Vogel», sagt Bänziger anerkennend, «versteht wirklich etwas von Fussball.» Noch härter sind die Trainingsspiele gegen Amateurteams aus der ganzen Schweiz unter der Woche, verbunden mit einer späten Heimkehr und einer dementsprechend kurzen Nacht. Der Aufwand ist gross, eine finanzielle Entschädigung hingegen gibt es nicht. Entlöhnt wird nur die erste Mannschaft, und um es dahin zu schaffen, braucht es zwei Dinge, die Viktor fehlen: immen-
sen Ehrgeiz sowie den Willen, sich die Haare schneiden zu lassen. «Wir trugen natürlich alle die Haare lang», erklärt Viktor, «selbst Chrigel Gross!» Unter Trainer Rolf Hüssy ist das ein Tabu. Überhaupt ging es ziemlich «militärisch» zu und her bei den Grasshoppers. Als Bänziger in einem Freundschaftsspiel der Inter-Junioren gegen Red Star beim Stand von 6:0 ein Eigentor – «schöner als später Urs Meier gegen Sampdoria» – unterläuft, spricht Erich Vogel zwei
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Viktor nimmt 2011 von Stadtpräsidentin Corine Mauch die Auszeichnung für Kunstvermittlung entgegen. (Bild: Mischa Scherrer)
Nach der Fussballkarriere wuchsen nicht mehr nur die Haare: Viktor 1974 auf Formentera.
ochen nicht mehr mit ihm. Von da an W trägt er die Nummer 12. Nachsichtiger ist der Verein nur mit Ove Grahn, dem überragenden Schweden in einer durchschnittlichen GC-A-Mannschaft. Ihm, dem Frauenheld, sieht man es gar nach, wenn er ab und an die Jungen auf ein Bier ins «Neue Stadion» auf der anderen Strassenseite einlädt. Und wenn die Adidas-Streifen seiner Schuhe nicht mehr ganz weiss sind, verschenkt er sie sogleich und findet in Viktor einen dankbaren Abnehmer. «Der wusste wohl gar nicht, dass man Schuhe auch putzen kann», lacht Bänziger. Attraktive Kindergärtner aus Schwyz Während seine Freunde die Welt erkunden und von tollen Erlebnissen berichten, bleibt Viktor neben der Arbeit und dem Fussball nur wenig Zeit, sich auszuleben. Etwas Abwechslung bieten die gemeinsamen Abende mit Teilen der Mannschaft. Mit dabei ist nicht selten Hans' Freundin Monika Kälin, eine attraktive Kindergärtnerin aus dem Kanton Schwyz. Viktors
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Mitspieler André Grieder erinnerte sich im «Magazin» an solche Abende: «Sie pflegte hie und da – ich war Augenzeuge – barbusig an Hans Niggls Pult Platz zu nehmen. Jahre später wurde Kälin ‹Penthouse›-Playmate des Jahres.» Während es die Niggl-Zwillinge und viele andere Mitspieler später zu Leistungsträgern in der ersten Mannschaft bringen sollten, stehen Viktors Karten bei Erich Vogel schlecht. Oft läuft er sich bei Meisterschaftspartien gefühlte Ewigkeiten im Trainingsanzug an der Seitenlinie ein. «Noch heute könnte ich alleine vom Duft sagen, ob das Sägemehl aus Sion, Lugano oder Basel ist», schätzt er. «Seither kann ich keine Trainerhosen mehr tragen, und auch mit Einlaufen war danach Schluss. Das hat mir für den Rest meines Lebens gereicht.» Als Bänziger nach langer Zeit endlich wieder einmal für die Starformation vorgesehen ist beim Auswärtsspiel in Bellinzona, fängt das Auto von Hans Niggl auf dem Gotthard an zu brennen. Die beiden verpassen das Spiel. Es ist der Anfang vom Ende
der Liason mit GC, in der er vor allem neben dem Platz einiges von Erich Vogel gelernt hat. Der studierte Literatur- und Theaterwissenschaftler schwärmt seinen Spielern gerne von wegweisenden Büchern, Filmen und – für Viktor besonders interessant – Platten vor. Bis Viktors Neugier so gross wird, dass er sich dazu entschliesst, GC zu verlassen und nach London zu gehen. Dahin, wo all die Musik herkommt, die er so gerne mag. 1973 veröffentlichen The Sweet den Kracher «Ballroom Blitz» und David Bowie verkündet bei einem Konzert in London das Ende seines Alter Egos Ziggy Stardust. Mainstream für Viktor Bänziger. Seine Ohren gehören Hawkwind, Man oder Rory Gallagher. Er saugt die neuen Klänge gierig auf, besucht so viele Konzerte wie möglich. Doch auch seine zweite Passion meldet sich wieder. Weil GC gute Beziehungen zu Arsenal pflegt, geht er kurzerhand auf deren Geschäftsstelle vorbei und fragt, ob er mitspielen durfte. Er darf. Fortan trainiert er mit Englands Vizemeister und FA-Cup-
VIKtor bänziger
eine Faust eines gehörnten Ehemannes. Auch sportlich kann Hendon für Furore sorgen: Im FA-Cup erreichen sie die vierte Runde und trotzen Newcastle im St. James' Park ein 1:1 ab. Die Bilder davon gehen um die Welt, Viktors Eltern kriegen sie auf ZDF in «Sport aus aller Welt» zufällig zu sehen: «Da waren sie beruhigt, dass ihr Sohn also doch etwas Anständiges macht.» Das Wiederholungsspiel geht dann 0:4 verloren. Länger will sich Viktor Bänziger die britische Dunkelheit nicht antun. Es Lauwarmes Bier aus der Giesskanne Betreut wird die Mannschaft von einer locken die Sonne, die Wärme, die Ferganzen Schar von Assistenztrainern, ne. Mit zwei Freunden und einem VW und dennoch gibt es kein Einlaufen vor zieht er gen Süden mit dem Plan, erst dem Training, das zudem meist aus ein dort anzuhalten, wo es ihnen gefällt. paar hart gespielten Pässen und einem Das ist erst auf Formentera. Die Baleaintensiven Mätschli im Anschluss be- reninsel ist zu der Zeit ein Pflichtstopp steht. «Da war das Training bei Erich auf der «Hippieroute» nach Marokko: Vogel um Welten besser und fortschritt- Bob Dylan soll hier für ein halbes Jahr in licher», urteilt Bänziger heute. «Dass einer Windmühle gehaust haben. Viktor England besser als die Schweiz war, hatte lässt es sich gutgehen, spielt ein bisschen lediglich mit der grösseren Auswahl an für ein Inselteam mit Auswärtspartien Spielern zu tun. Technisch und taktisch auf Ibiza, Menorca oder Mallorca. 1974 war das wirklich rückständig.» Wären findet aber auch die Weltmeisterschaft in nicht diese vielen Konzertbesuche gewe- Deutschland statt. Und auf Formentesen, dieser Durst nach guter Musik, wäre ra gibt es keine Möglichkeit, die Spiele der Ehrgeiz nur ein bisschen grösser ge- zu schauen. Für die Zeit der Endrunde wesen, hätte er es sicher packen können mietet er deshalb in Alicante ein Zimmer bei den Gunners. Doch so wird das En- und lässt vom Eröffnungsspiel Brasilien gagement nach zwei Monaten beendet, - Jugoslawien bis zum Endspiel DeutschViktor zieht weiter zum Reserveteam land - Holland keine Partie aus. Letzteres Hendon FC im Nordwesten Londons, nimmt für Viktor den falschen Ausgang. bei dem hauptsächlich Waliser, Nordiren Das bessere Leben und Schotten aktiv sind. «Dunkel war es da. Immer war es dun- Noch heute ist er kein Freund des deutkel.» Es ist die Zeit der Energiekrise, die schen Fussballs: «Im Moment meinen Stadt ist abends nur spärlich beleuchtet. die Deutschen, sie spielten tollen FussDamit die Spieler die Dunkelheit nicht ball. Oliver Kahn labert, dass es wieder ausnutzen, um beim Rundenlaufen einmal Zeit für einen internationalen Abkürzungen zu nehmen, platzieren sich Titel sei. Aber das stimmt nicht. Dafür die auch bei Hendon vielfach vorhande- braucht es die deutschen Tugenden. Die nen Assistenztrainer rund um den Platz. sind irgendwie verloren gegangen.» MittDer gesellschaftliche Teil kommt beim lerweile verfolgt er den Fussball wieder, Amateurteam indes nie zu kurz. Nach zwischendurch hatte er die Nase voll. den Spielen gibts lauwarmes Bier direkt «Die guten Typen im Fussball wurden aus einer Giesskanne, im Pub bezahlen einfach immer weniger», urteilt er. Erst die Fans Runde um Runde. Einmal kas- sein ehemaliger Mitspieler Christian siert Bänziger sogar in Begleitung des als Gross, damals Vertreter des TrikotherSchürzenjäger bekannten Mittelstürmers stellers «Blacky» (siehe Seite 18), konnte Halbfinalist. Arsenals grosse Figuren heissen damals Alan Ball und Charlie George. «Charlie habe ich an Konzerte mitgenommen, beide hatten wir den Plausch. Nicht lange, denn das wurde nicht gerne gesehen. Dafür gabs vom Coach eine harsche Ermahnung, die sich Charlie zu Herzen nahm. Wie alle meine Mitspieler lebte auch er in seiner behüteten Umgebung und war ziemlich unselbstständig.»
ihn 1989 wieder zu einem Stadionbesuch überreden. Wettingen gegen Napoli. Im Letzigrund, in dem er ein Vierteljahrhundert zuvor Köbi Kuhn, Otto Lutrop, Rolf Blättler oder Klaus Stürmer («der beste Ausländer, der je in der Schweiz gespielt hat») hatte bewundern dürfen. Gross nahm in auch später ab und zu an ein Spiel mit, wenn er Gegner beobachten sollte. Wenn Gross gefragt wurde, wer der Mann neben ihm sei, stellte er Viktor jeweils als «neuen Ausländer» vor. Den Gross-Humor kennen nicht viele . Doch da hatte ihn schon eine neue Passion erfasst: das Gastrowesen. Für sein «El Internacional» liess er im Appenzell das heute weitverbreitete Vollmond-Bier brauen, das Lokal wurde dank Konzerten und der lebendigen Atmosphäre zum Vorbild für viele weitere Bars und Restaurants. Im «El Lokal» führt er die Traditionweiter. Bänziger bewege sich «jenseits der Trends und sei diesen durch sorgfältige, engagierte kuratorische Arbeit sogar voraus», wie es in der Laudatio zur Auszeichnung für Kunstvermittlung der Stadt Zürich 2011 hiess. 40 Jahre nach seinem Abschied von GC läuft er heute wieder in Violett-Weiss auf, wenn es die Knochen erlauben. BC Albisrieden Veteranen II oder U-70. «Mit Chancen auf den Meistertitel!», fügt er an. Hin und wieder steht er – im wahrsten Sinne des Wortes – noch zusammen mit André Grieder für den Saints F.C. in der Zürcher Alternaivliga auf dem Platz und zelebriert Doppelpässe mit seinem Jugendfreud. Dass er es im Fussball nicht weiter geschafft hat, bedauert er nicht: «Ich hatte das bessere Leben, als wenn ich auf Fussball gesetzt hätte. Einige meiner damaligen Mitspieler bei GC waren bis ins hohe Alter total unselbstständig. Die konnten weder einkaufen noch kochen noch sonst was.» Vielleicht hätte Viktor auch als einer von ihnen geendet, wäre da nicht diese grosse Lust an der Musik gewesen. Für die Zürcher Kultur wäre es ein Desaster gewesen.
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Von 1986 bis 1999 taumelte der FCB finanziell am Abgrund. In der NLB mühte er sich gegen Gegner wie Châtel-Saint-Denis oder Bümpliz ab. Dass der FCB je wieder den Schweizer Fussball dominieren würde, war damals so unvorstellbar wie heute ein Abstieg des Vereins.
«Den Baslern ist der FCB wurscht» Text: Claudio Miozzari / Illustration: Brainfart/André Bex / Bilder: Keystone
D
ie Leidenszeit des FC Basel in der Nati B ist eine freudig gepflegte Fan-Erinnerung. Gerne wären Tausende Fans mit dabei gewesen, in Chênois oder gegen Malley. Dass der FCB damals nicht viel zu lachen hatte, wird ausgeblendet. Die Geschichte von 1986 bis 2001 liest
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sich als andauernder Überlebenskampf. Wie so oft im Fussball waren die Protagonisten Männer, die grosse Ambitionen hegten, aber unbefriedigende Ergebnisse erzielten und Schuldenberge aufhäuften. Mitte der 1970er-Jahre war es dem FCB so gut gegangen wie noch nie. Das
Team von Helmut Benthaus dominierte die Liga, der Verein fand Anerkennung in breiten Kreisen der Stadt, und auf dem Konto des Ligakrösus lag rund eine Million Franken. Der Kontostand sollte in der Folge jährlich sinken, bis der Verein in der Zeit von Präsident Pierre-Jacques
fCB IN DER NLB Lieblich (1980–82) tief in den roten Zahlen steckte. Lieblich wurde in der Folge eine Profilierungsneurose nachgesagt, doch auch seine Vorgänger und Nachfolger schafften es nicht, das Budget ins Lot zu bringen. So titelte der «Blick» im Oktober 1986 – gerade mal sechs Jahre nach dem letzten Meistertitel: «Über dem FC Basel kreist der Pleite geier». Präsident Urs Gribi, ein Immobilienmagnat (und heute Verwaltungsrat einer Dachgesellschaft von Christoph Blochers «Basler Zeitung»), hatte mitten in der Saison sein Amt aufgegeben. Der Verein hatte je nach Quelle zwischen einer und vier Millionen Franken Schulden. Das Gespenst des Konkurses ging um. «Fünf Lahme und sieben Blinde» Peter Ramseier, Teamstütze in Benthaus’ erfolgreichen Jahren und von 1980 bis 1987 im Vorstand des Vereins, erinnert sich an die extrem schwierige Situation: «Wir haben im Vorstand nur noch darüber diskutiert, welche Rechnung nun wie be-
zahlt werden sollte. Das Sportliche geriet zur Nebensache.» Captain Erni Maissen musste derweil jungen Kollegen Geld vorschiessen: «Wir warteten auf unsere Löhne und halfen uns gegenseitig aus.» An der turbulenten Generalversammlung 1987 kriegten die Spieler dann vom ehemaligen Präsidenten René Theler zu hören, dass die Mannschaft aus «fünf Lahmen und sieben Blinden» bestehe. Nach dem knapp geschafften Klassenerhalt und dem endgültigen Abschied von Trainerlegende Helmut Benthaus setzte der grosse Exodus ein. Schon im Vorjahr waren Stützen oder Talente wie Jeitziner (YB), Irizik (St. Gallen) Sutter (Xamax) und Zbinden (Wettingen) weitergezogen, nun kehrten mit Grossenbacher, Schällibaum (beide Servette), Maissen (YB), Ladner (Lugano), Süss (Karlsruher SC) und Strack (Fortuna Düsseldorf ) weitere prominente Namen dem Verein den Rücken. «Man hat alle verkauft, die man loswerden konnte», erinnert sich Maissen. Dies wirkte sich freilich auf die Qualität aus. Den einstigen rot-blauen Giganten fürchtete niemand mehr. Als GC in der Folgesaison im Joggeli kurz vor Schluss
zum Siegestor traf, jubelten die Spieler des Rekordmeisters nicht einmal mehr. Ein Sieg über das inferiore Team von Trainer Urs Siegenthaler war schliesslich eine Pflichtübung. Der heutige einflussreiche Scout des Deutschen Fussballbundes blieb mit seinem jungen Team chancenlos, der FCB stieg 1988 ab. In der Abstiegsrunde waren selbst Malley und Wettingen zu stark. Dass es den Rivalen FCZ im gleichen Jahr ebenfalls erwischte, war da nur ein schwacher Trost. Ein Koffer voll Geld für einen Altstar Wie konnte der grosse FCB so tief fallen? «Der Spielbetrieb wurde immer teurer, die Zuschauerzahlen sanken», erinnert sich Peter Ramseier. Der mehrfache Meisterverteidiger des FCB und seine erfolgreichen Kollegen hatten neben dem Fussball noch gearbeitet, ihre Nachfolger ab 1978 spielten hingegen als Profis. Zugleich mochte sich das verwöhn te Basler Publikum nicht über zweite oder vierte Plätze freuen. Die schwierige Ertragslage im Stadion St. Jakob, wo der FCB weder an der Werbung noch an der Restauration partizipierte, sowie unglückliche Transfers trugen das Ihre zum Absturz bei. «Mit Transfers wie jenem von Harald Nickel hat der FCB viel Geld verlocht», meint Maissen heute. Der alternde Starstürmer
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aus der Bundesliga kam 1980 von Gladbach, wurde von den Verantwortlichen aber aufgrund mangelnder Leistungen schon bald entlassen. Die Folge war ein langwieriger Rechtsstreit um den hohen Lohn des Deutschen, den Präsident G ribi erst Jahre später aus der Welt schaffte, als er Nickel im Rahmen eines Testspiels in Deutschland einen Koffer voller Geld überbrachte. Aus seiner dramatischen finanziellen Situation fand der FCB nur langsam heraus. Schon 1987 hatte der Konkurs nur dank eines teilweisen Verzichts von Gribis «Fussball Finanz AG» (Fuba), die sich gegen Finanzspritzen alle Transferrechte gesichert hatte, sowie Bettelkampagnen gerade noch verhindert werden können. In der Nati B war der Verein erst recht von Spenden und Schuldenerlassen abhängig. Ramseier erinnert sich an die Verzweiflung der damaligen Jahre: «Wir hatten das Gefühl, der FCB sei den Baslern wurscht. Aber manchmal braucht es einen solchen Niedergang, um eine Neugeburt zu erleben.» Der FCB war eben doch nicht ganz allen wurscht. Der angestrebte Wiederaufstieg war in den folgenden Spielzeiten zwar meist schon mehrere Runden vor Schluss nicht mal mehr theoretisch noch möglich, während etwa Wettingen, B ulle oder Chiasso die Promotion gelang. Dennoch hielt die Führung nach dem Abstieg noch eineinhalb Jahre am erfolglosen Urs Siegenthaler fest; doch auch mit seinen Nachfolgern Ernst-August Künnecke und Friedel Rausch gelang der Sprung über den Strich nie. Trotz des sportlichen Kriechgangs blieb das Mobilisierungspotenzial ungebrochen. Der FCB profitierte vom Stellenwert aus der Ära Benthaus und war regional als ambitionierter Sportverein weiterhin ohne Konkurrenz. Die Basler zelebrierten bei jeder aufkeimenden Aufstiegshoffnung im Stadion ein tausendfaches «Nie meh, nie meh Nati B» und strömten zahlreicher ins Stadion als die Fans aller Klubs im Oberhaus. Jedenfalls so lange, wie auch nur ein Fünkchen Hoffnung bestand. Und dies Jahr für Jahr.
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Zwar verweigerten die mächtigen lokalen Chemieunternehmen und der Basler Daig dem FCB noch ihre Unterstützung, die öffentlichen Spendenaufrufe mobilisierten aber Kleinunternehmer und Private: 1987 beispielsweise bemühte sich der Basler Kulturunternehmer Klaus Littmann um eine Benefiz-Künstleraktion für den FCB. 1990 wiederum liess FIFA-Schiedsrichter Rolf Blattmann seine Reinigungsfirma zugunsten des FCB arbeiten. Selbst Klublegende Karli Odermatt rannte von Beiz zu Beiz und bettelte um Unterstützung – in Form von 5000-Franken-Beiträgen. Mit der Balair, der BaZ, Coop und dem Bankverein beteiligten sich auch grössere Unternehmen an den Rettungsaktionen für den FCB. Der Bankverein rettete den Verein von 1987 bis 1997 gleich mehrfach vor dem Aus. Es sollte nicht die letzte Rettungstat bleiben. Retter auf der Bank Die Klubleitungen um die Präsidenten Charles Röthlisberger (Amtszeit 1987– 1992) und Peter Epting (1992–1996) schafften es, den FCB zu sanieren, und 1994 stieg der Klub endlich wieder auf. Wie gross die Sehnsucht der Basler nach NLA-Fussball war, bewiesen die über 42 000 Zuschauer gegen den FCZ in der Aufstiegsrunde eindrücklich. Nun wollte man am Rheinknie mehr: Der ambitionierte ehemalige Adidas-Chef René C. Jäggi (1996–2002) hatte den FCB innerhalb von fünf Jahren in die Champions League führen wollen. Sein Experiment «Bundesliga» scheiterte aber kläglich: Unter Trainer Jörg Berger wurden mit Maurizio Gaudino, Oliver Kreuzer und Jürgen Hartmann mehrere deutsche Stars geholt, doch die Mannschaft schrammte 1998 nur haarscharf am Abstieg vorbei. Daneben sah sich der Verein mit altbekannten Sorgen konfrontiert: Die 1997 gegründete FC Basel Marketing AG musste jährlich Millionen in den Verein einschiessen. Schon 1999 stand die AG vor dem Konkurs. Als Nachfolgerin des Bankvereins sprang die UBS nochmals mit über 4,5 Millionen Franken in die Bresche: «Ohne den Bankverein
und nachher die UBS gäbe es den FCB sicher nicht mehr in dieser Form. Aber wir helfen jetzt mit bis zum Einzug ins neue Stadion, dannzumal rechnen wir mit höheren Einnahmen. Der FCB sollte dann fähig sein, eigenständig zu überleben», betonte damals in der BaZ Hanspeter Weisshaupt, Leiter der Region Nordwestschweiz der UBS. Jäggis risikoreiche Strategie ging schliesslich doch noch auf. Sportlich schaffte der FCB im neuen Stadion unter Trainer Christian Gross den Sprung nach ganz oben. Die unvergesslichen Abende in der Champions League in der Saison 2002/03 liessen den Verein finanziell in neue Sphären vorstossen. Noch bedeutender für die Entwicklung des Vereins war aber ein weiterer Coup Jäggis: Mit Gigi Oeri überzeugte er die Gattin des Roche-Erben Andreas Oeri für eine Mitarbeit im Vorstand. Damit war sie die erste Vertreterin des reichen Basler Daigs, die sich für den FCB einsetzte. Mit ihrem Vermögen im Rücken musste man sich 1999 bis 2011 keine Sorgen mehr ums Überleben des FCB machen. Die finanzielle Sicherheit, welche die Milliardärin dem Verein verlieh, trug massgeblich zu den zahlreichen Titeln des FCB bei. Dank Einnahmen aus dem internationalen Geschäft und lukrativen Transfers musste Oeri auch nicht allzu tief in die eigene Tasche greifen. Das Budget des FCB ist heute rund sechs bis sieben Mal so hoch wie damals, als Jäggi mit den alternden BundesligaStars durchstarten wollte. Der Verein ist damit zum Erfolg verdammt. Es müssen regelmässig Prämien und Transfererlöse erzielt werden, um das Niveau zu halten. Der FCB hat ein kompetentes Präsidium, das mit dieser Situation umzugehen weiss. Die Situation erin nert an das erste goldene Zeitalter in den 70er-Jahren. Und damit auch daran, dass im Fussball manchmal alles anders kommt. Der Klassenerhalt 2025 ist noch nicht gesichert.
fCB IN DER NLB
Nicht immer waren es in der NLB über 40 000 Zuschauer: Spiele wie dieses gegen den FC Chur gab es ab 1988 unzählige für den FCB.
Fröhlich waren im Herbst 1992 nur die Farben der Krawatte von Klub legende Karl Odermatt (rechts). Basels Gegner in dieser Zeit hiessen Old Boys, Fribourg, Urania Genf oder SC Bümpliz.
Am 7. Mai 1988 verliert der FCB in der Auf-/Abstiegsrunde zuhause gegen die AC Bellinzona 0:2. Damit wird das Team von Trainer Urs Siegenthaler vorentscheidend zurückgebunden.
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Den Fussball im Kopf, das Regime im Nacken Text: Silvan Kämpfen / Bilder: Claudio Baeggli
«U
nd wo ist jetzt der vom FC Wil?», fragt die Kellnerin verdutzt. Dabei stand Jong-Hyok Cha direkt vor ihr – beim Eingang des Cafés am Bahnhof. «Die ganze Mannschaft isst hier manchmal zu Mittag, aber den habe ich noch nie gesehen.» Nordkoreanischen Fussballern begegnet man eben nicht einfach so – erst recht nicht als Journalist. Interviewsituationen sind einzig dem in Japan aufgewachsenen und bei Bochum spielenden Jong Tae-se vertraut. Um ei-
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nen Challenge-League-Spieler zu treffen, musste sich ZWÖLF schliesslich mehrere Male an die Botschaft in Muri bei Bern wenden. Cha ist gross und kräftig, umso gebrochener dafür sein Englisch. Ursprünglich hätte ein Vertreter der Botschaft das Interview an diesem winterlichen Nachmittag übersetzen sollen. Doch der Diplomat war kurzfristig verhindert und liess deshalb einen externen Dolmetscher zu. Voraussetzung: Schweizer Staatsbürger.
3 von 25 So befremdlich diese Forderungen auch wirken, so ganz unaufgeregt gibt sich Cha. Der rechte Aussenverteidiger bestellt einen Cappuccino, zückt zwischendurch sein iPhone und freundet sich sogleich mit unserem Dolmetscher an, einem Studenten mit südkoreanischen Wurzeln. Cha fühlt sich offensichtlich geehrt vom Interesse. Über eine Stunde sitzt er mit uns in den Sesseln zuhinterst im Lokal. Der 27-Jährige markiert durch
FRIENDS OF KOREA
Unter eigenartigen Bedingungen spielen seit 2008 nordkoreanische Fussballer in der Schweiz. Zuerst bei Concordia Basel, jetzt vor allem in Wil. Der Nationalverteidiger Cha Jong-hyok ist einer von ihnen. ZWÖLF wollte wissen, wie das Projekt «Friends of Korea» gedeiht.
und durch den Fussballer: «Ich bin nach Wil gekommen, weil es mich motiviert hat, mit europäischen Spielern zu spielen und zu trainieren. Mein Traum ist es, zu einem grösseren Klub zu wechseln, und ich bin froh, dass ich den Schritt nach Europa habe machen können.» Selbstverständlich will er vorerst einmal in die Super League aufsteigen. Diesem Unterfangen räumt der Mann mit Kurzhaarschnitt grosse Chancen ein. Cha gibt viel auf die Gewinnermentalität im Team. Und ja, es gefällt ihm in Wil. «Meine Teamkollegen und den Trainer habe ich mittlerweile richtig ins Herz geschlossen.» Cha gibt dasselbe zu Protokoll wie 95 Prozent aller Fussballspieler. Dennoch bleibt die Situation speziell. Stand Dezember 2011 lebten nur 25 Nordkoreaner in der Schweiz. 3 von ihnen spielen Fussball – als Einzige ihres Landes ausserhalb Asiens. Was auch heute noch aberwitzig scheint, wurde vor vier Jahren publik. Die Schweizer Organisation «Friends of Korea» besitzt offenbar die Transferrechte für Westeuropa an sämtlichen nordkoreanischen Kickern. Beteiligt an dem Projekt sind drei Basler: der Textil unternehmer und frühere Fussballer Karl Messerli, Ex-Concordia-Präsident Stephan Glaser und Wirtschaftsanwalt Gert Thönen. Messerli verdient sein Geld mit Plüschtieren, die er seit gut 15 Jahren in Nordkorea produzieren lässt. Nachdem der 64-Jährige im Land der Morgenstille den einen oder anderen Match gesehen hatte, witterte er das grosse Geschäft. Rund zwei Jahre hätten die Verhandlungen gedauert, sagte er später in der «Basler Zeitung». In der Schweiz wurde der Ex-Goalgetter von
In der letzten Ausgabe fragten wir: Wer war der letzte Ausländer, der sowohl für die Basler Stadtklubs FCB und Concordia wie auch für die Zürcher Rivalen GC und FCZ gespielt hatte? Die Antwort: Miroslav König. Der Slowake hatte das Tor von Concordia gehütet, noch bevor die Basler mit Ausländern ganz «exotischer» Herkunft auf sich aufmerksam machten. Wie heute Wil.
GC, Basel, St. Gallen, Luzern und Chiasso bei mehreren Klubs vorstellig. Concordia Basel entschloss sich letzten Endes, in das Projekt einzusteigen. Am 25. September 2008 begann für Kim Kuk-jin und Pak Chol-ryong das Abenteuer «Suissu». Nur Wil will Damals posierte auch Stephan Glaser noch mit den beiden Neuen für das Congeli-Matchprogramm. Heute reagiert der Immobilienunternehmer weder auf Anrufe noch auf E-Mails. Im Frühling 2009 musste Glaser einsehen, dass die Basler Behörden kein neues Rankhof-Stadion wollOben: Nordkorea-Intimus Karl Messerli mit seinem ten, und zog die Profi-Lizenz Schützling und Rohdiamanten Pak Kwang-ryong. des FC Concordia zurück. Unten: Die beiden wieder heimgekehrten Congeli-Spieler Pak Chol-ryong flog wieder begleitet von ihrem ominösen Betreuer. in die Heimat. Kim und all Bei Wil stehen heute zwei Nordko jene Nordkoreaner, die erst noch in die reaner unter Vertrag: Der 37-fache NatiSchweiz geholt werden sollten, brauchonalspieler Cha Jong-hyok kam im Somten einen neuen Verein. Wieder fragte mer 2010 nach der Weltmeisterschaft, Messerli mehrere Klubs an. Zu seinem wo er gegen Portugal, Brasilien und die grossen Unverständnis winkten sie alle Elfenbeinküste in der Startaufstellung ab. Manchen Trainer stimmte die Vorgestanden hatte. Trainer und Sportchef stellung misstrauisch, dass die Spieler imAxel Thoma zeigt sich zufrieden mit ihm: mer noch eine Begleitperson dabeihaben «Cha ist ein sehr wichtiger Teil unserer könnten. Doch der FC Wil, dessen PräMannschaft und bei den Teamkollegen sident Roger Bigger mit Stephan Glaser äusserst beliebt.» Bei Wil muss er derbekannt ist, machte mit. Seither ist die zeit um einen Stammplatz kämpfen. Der Äbtestadt am Eingang des Toggenburgs Zweite im Bunde ist der junge Stürmer die Drehscheibe der Freunde Koreas.
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Rim Chol-min, seit Anfang 2012 im Kader. Aufgrund einer Verletzung ist dieser bisher zu keinem einzigen Einsatz gekommen. Auch Shootingstar Pak Kwangryong trainierte ein halbes Jahr beim FC Wil mit. Heute spielt der 20-jährige Stürmer beim FC Basel, wo er als erster Nordkoreaner überhaupt Einsatzminuten in der Champions League bekam. Brisant: Bei Basel spielt er mit Park Jooho zusammen, einem Südkoreaner. Politische Fragen sind im Gespräch mit Cha tabu. Das hat die Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Korea zur Genüge klargemacht. Auch der Dolmetscher mahnt zur Vorsicht, um keinen Eklat zu riskieren. Umso lieber redet Cha über den FC Wil und die nordkorea nische Nati. Die WM sei – ungeachtet der Resultate – mit Abstand das Grösste, was ein Fussballer erleben könne. Er erzählt von seinen Gegenspielern Cristiano Ronaldo oder Kaká. «Ich bin unglaublich stolz darauf, dass ich für mein Land gegen solche Stars antreten durfte.» Da funkelt es in seinen Augen. Und als ich Cha Maicons Aussenristtor vorzeigen will, lacht er herzlich auf. Doch bereits auf Fragen wie «Was würdest du machen, wenn du nicht Fussballer geworden wärst?» oder «Was hast du nach deiner Karriere für Pläne?» kommen keine brauchbaren Antworten zurück. Für seine Verhältnisse vermutlich schon sehr weit hinaus wagt sich Cha, wenn er sich dafür starkmacht, dass noch mehr nordkoreanische Spieler ins Ausland wechseln, um Erfahrung zu sammeln. Ausserdem konfrontieren wir ihn mit einer Aussage von Andy Egli. Dieser gastierte 2010 während zweier Monate als Trainerausbildner in Pjöngjang. Zurück in der Schweiz, schrieb er in der NZZ, Nordkoreas Fussballern fehle es an Entscheidungsfreudigkeit, Eigeninitiative, Kreativität. Cha dementiert das nicht, stimmt Egli aber auch nicht zu – ganz diplomatisch eben: «Wir wurden so ausgebildet, dass das Team im Mittelpunkt steht und nicht der Einzelne. Deshalb
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dribbeln wir weniger und versuchen weniger selber. Dass wir gemeinsam als Team etwas erreichen wollen, ist aber auch unsere Stärke.» Seltsame Liga der dritten Art Hierzulande amüsieren sich viele darüber , wie Kim Jong-un Dinge betrachtet, und die Welt staunt über die megalomanen Gymnastik-Paraden. Die Bilder wirken surreal und skurril. Doch die Berichte aus dem nordkoreanischen Alltag erschüttern. Freiheiten duldet das stalinistische Regime keine. Die Infrastruktur ist grösstenteils auf dem Stand der 1960er-Sowjetunion und funktioniert obendrein nur unzuverlässig. Auch eine Schale Reis ist ein rares Gut. Gemäss UNO-Welternährungsprogramm wissen die meisten Bewohner nicht, woher sie ihre nächste Mahlzeit herbekommen. Kleinwüchsigkeit und Missbildungen sind bei vielen Nordkoreanern die Folge chronischer Mangelernährung. Dass in so einem Land einer Fussballer wird und heute so pausbäckig daherkommt, verrät einiges über seinen sozialen Status. Cha stammt aus der Hauptstadt Pjöngjang, quasi einer Enklave der nordkoreanischen Elite. Für japanischstämmige Koreaner, einstige Kriegs-Überläufer oder solche, die jemals ein Wort über die Statur des «Geliebten Führers» verloren haben, ist hier kein Platz. Sportlern dagegen wird in sozialistischen Ländern traditionell der rote Teppich ausgelegt. Vor seinem Wechsel nach Wil spielte Cha bei Amrokgang, dem Verein des Ministeriums für Staatssicherheit. Über die nordkoreanische Liga ist wenig bekannt. Selbst den amtierende Meister kennt die Fussballwelt nicht. Internetquellen zufolge spielen zehn Mannschaften in der 2010 gegründeten «Highest Class League». Die Teams tragen Namen wie April 25, das Gründungsdatum der Armee, oder Kyonggongop, Klub des Ministeriums für die Leichtmetallindustrie. Laut Cha handelt es sich dabei um Profiteams.
Fast alle spielen sie in der Hauptstadt. Im Netz finden sich einige Videos von nationalen TV-Übertragungen, angezapft von russischen Antennen. Die Ligaspiele im Kim-Il-sung-Stadion ziehen offenbar nur wenige Hundert Zuschauer an. Weil sich die nordkoreanischen Teams nicht um das internationale Transferfenster scheren, dürfen sie auch nicht an den a siatischen Klubwettbewerben teilnehmen. Karl Messerli nervt sich darüber, wenn seine «Friends of Korea» mit Politik in Verbindung gebracht werden. Trotzdem schlüpft er sogleich in die Rolle von Nordkoreas Botschafter. «Vieles von dem, was in den Medien steht, ist an den Haaren herbeigezogen. Das war vielleicht vor 30, 40 Jahren so, heute hat sich das aber alles geändert», beschwichtigt der Geschäftsmann. Angesprochen auf die Hungersnot in den Neunzigern, während der rund zwei Millionen Menschen starben, macht er Vorwürfe an Südkorea und wendet ein: «Ich habe in Nordkorea schon so gut gegessen, dass ich mir sagte, ich gehe gar nicht mehr zurück.» Weder Sohn noch Berge gesehen Cha seinerseits vermisst nicht nur das koreanische Essen. Vor sechs Monaten ist er Vater geworden. Seinen Sohn in Pjöngjang hat er noch nie gesehen. Über Weihnachten verbringt Cha nun drei Wochen zu Hause. Sein Trainer zeigt Mitgefühl: «Es ist schwierig für ihn.» Thoma spricht von der ungenügenden Stromzufuhr in Nordkorea, die das Telefonieren erschwert. Und wenn Cha in die Heimat reise, wisse man nie, ob er das Land denn auch rechtzeitig wieder verlassen könne. «Mit der Nationalmannschaft bin ich ja schon viel gereist und habe viel gesehen von anderen Ländern. Als ich jedoch gewusst habe, dass ich hier leben würde, war das schon ein sehr spezieller Moment für mich», sagt Cha über sein Leben in der Schweiz. Auch mit Alltäglichem wie dem Einkaufen gehe es mittlerweile. Neben seinem Teamkollegen
FRIENDS OF KOREA
Rim hat Cha vor allem viel Kontakt mit Pak Kwang-ryong vom FC Basel. «Wir telefonieren fast täglich, und ich bin sehr stolz darauf, dass mein Land einen solch talentierten Spieler hervorgebracht hat.» Privat unternimmt Cha wenig mit seinen Teamkollegen. Im Rahmen von TeamEvents gehen sie aber oft schwimmen oder in die Sauna. Sonst unternimmt er am liebsten einen Spaziergang. Oder er schaut Tennis und natürlich Fussball: «Champions League, Bundesliga, Clásico.» In Zürich oder in den Bergen war Cha in den zweieinhalb Jahren noch nie. Der Schiri passte auf Doch die Verlockungen existieren, und nicht jeder kann ihnen widerstehen. Deshalb hatten die nordkoreanischen Spieler bereits bei Concordia stets einen ehemaligen FIFA-Schiedsrichter im Schlepptau, der wahlweise als Dolmetscher, Koch, Betreuer oder Personal
Trainer fungierte. Ein früherer CongeliSpieler erinnert sich: «Der Aufpasser war bei jedem Training mit dabei. Die Spieler hatten keinen Lohn. Wenn sie Kleider oder Essen kaufen wollten, gab er ihnen Geld. Wenn sie ins Kino wollten, sagte er Nein. Sie durften nicht mit uns zu Mittag essen und nicht über Nordkorea reden.» Und doch schmiedete einer wie Kim Kuk-jin hier andere Pläne. Ein ehemaliger Wil-Spieler liess ihn nach einem Auswärtsmatch einmal bei ihm übernachten. Da hat Kim bei ihm einen südkoreanischen TV-Sender entdeckt – eine Offenbarung – und die ganze Nacht kein Auge zugetan. Auch sonst habe der heute 23-Jährige «Flausen im Kopf» gehabt, wie es Messerli beschreibt. Man habe ihn ein paar Mal verwarnt, er solle sich mehr auf den Fussball konzentrieren und nicht alles seiner Schweizer Freundin unterordnen. «In einem solchen Projekt müssen die Spieler hier Vorbild sein für andere,
die noch kommen werden.» Und so ist Kim wieder dort, wo er einst herkam. Inzwischen hätten Cha und sein Wiler Teamkollege Rim eigentlich mehr Freiheiten. Der Personal Trainer ist nicht mehr Zaungast im Bergholz-Areal. Die «Wiler Nachrichten» berichteten im Mai 2012 von einem 44-jährigen Nordkoreaner, der sich an seiner blinden Nachbarin vergangen haben soll. Besteht hier ein Zusammenhang? Der zuständige Staatsanwalt Kuno Hinrichs äussert sich dazu wie folgt: «Das Untersuchungsrichteramt Gossau führt eine Strafuntersuchung gegen einen früheren Betreuer von Fussballspielern des FC Wil. Der Mann steht unter Verdacht, sexuelle Übergriffe auf eine Frau verübt zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung.» Vielleicht können sich die Spieler ohne Aufpasser besser im Team eingliedern und befreiter aufspielen. Damit wäre letztlich auch Karl Messerlis «Friends
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friends of korea of Korea» gedient. Seine deutliche Zwischenbilanz nach vier Jahren: «Der Schlüsselspieler für das ganze Projekt ist jetzt Pak.» Die Bundesliga-Klubs stünden im Moment Schlange. Allerdings hat Pak, dreifacher Torschütze mit dem Nationalteam, in dieser Saison noch keine einzige Super-League-Minute in den Beinen. Ein Leihgeschäft mit Eintracht Braunschweig zerschlug sich im Juli am Widerstand Paks. Messerli hegt und pflegt den Stossstürmer, dessen Vertrag bei Basel bis 2016 läuft. Nach wie vor verbringe Pak viel Zeit bei ihm zu Hause.Der 20-Jährige habe inzwischen sogar die Theorie-Fahrprüfung bestanden. «Wir wollen künftig vor allem mit jungen Spielern arbeiten», betont Messerli. Pak hätten sie schon an sich gebunden, als dieser erst 15 war. Vieles unklar Mancher in der Fussball-Szene ist sich nicht im Klaren, wie ernst das Projekt «Friends of Korea» zu nehmen ist. Karl Messerli ist nicht als offizieller FIFAAgent eingetragen. Dies bedeutet, dass
seine Verträge in der Schweiz allenfalls nicht anerkannt werden. Gezweifelt wird auch daran, ob die Basler Gruppe wirklich sämtliche Rechte innehat. Müssten in diesem Fall nicht schon längst mehr Spieler hier in Europa spielen? «Die Qualität liegt eben nicht in der Menge», entgegnet Messerli diesen Vermutungen. Fragen wirft zudem der FC Vestsjælland aus Dänemark auf: Kurt Andersen, Präsident des Zweitligisten, schwebte eine ähnliche Idee vor wie Messerli. Der Banker verfügt in Asien über gute Kontakte und holte so im Sommer 2011 zwei Nordkoreaner in die Kleinstadt Slagelse. Nur ein halbes Jahr später kehrten sie dann aber auch schon wieder heim. Und wie steht es um die fussballerische Zukunft von Cha? Vor seinem Wechsel in die Schweiz bezeichnete Messerli ihn als «zu gut für den FC Wil» und sprach von Interessenten aus Italien oder Deutschland. Tatsächlich hegt der Nationalspieler Ambitionen: «Fussballer wollen immer zu einem noch besseren Klub.» Beim FC Wil hat man indes noch keine Anfrage erhalten. Messerli erwähnt
ein Angebot des FC St. Gallen, von dem Wil ihm nichts mitgeteilt habe. Doch auch der Pressechef der Espen meint: «Es wäre mir neu, wenn wir Interesse an diesem Spieler hätten.» Das Zeug für die Super League hätte Cha, bekräftigt Trainer Thoma. Zu gönnen wäre es ihm allemal. Cha will Fussball spielen und Spass haben. Dass ihn seine Mitspieler trotz Sprachbarriere und anderen Einschränkungen so sehr mögen, erstaunt überhaupt nicht. Auch sein Nachbar in Wil betont, wie Cha immer freundlich grüsse. Nach dem Interview klopft Cha einem auf die Schulter, fragt, ob es gehe mit der Erkältung. Als sich im Zug eine attraktive Frau ins Abteil setzen will, zieht er die Mundwinkel zu einem breiten Schmunzeln hoch. Den Sportteil des Gratisblatts kommentiert er mit: «Alex Frei. Old man. Down, down play.» Zürich Hauptbahnhof, ein letzter Handschlag mit Cha. Für ihn geht die Reise weiter. Die Botschaft in Bern ruft – wohl nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal. Und man fragt sich: Warum nur ist das alles so kompliziert?
Das grosse adidas-Quiz ZWÖLF präsentiert in jeder Ausgabe das etwas anspruchsvollere Quiz. Zusammen mit adidas stellen wir euch jeweils eine Frage, für die einschlägige Internetsuchportale mit einer einfachen Abfrage keine brauchbaren Resultate liefern. Wer hier reüssiert, darf sich mit Recht zum erlauchten Kreis der Fussballkenner zählen. Stellt ihr euch der Herausforderung?
FRAGE: Welcher ehemalige Schweiz-Legionär weist die beeindruckende Bilanz von 13 Toren in 15 Spielen für die Nationalmannschaft des Rekord-Weltmeisters auf? Mitmachen geht so: Email mit der richtigen Lösung an wettbewerb@zwoelf.ch. Einsendeschluss ist der 25. Januar 2013. Der Gewinner des letztmaligen Wettbewerbs ist Riet Lareida.
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Zu gewinnen gibts natürlich auch etwas. Wer die richtige Antwort auf diese Frage weiss, darf sich mit etwas Glück bald stolzer Besitzer des «Adidas Clima Teambag M» nennen.
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▲ Warten auf Gigi: Spieler von Ipswich Town im Jahre 1939 nach dem Spiel gegen Aston Villa. West Hams Bobby Moore muss gar auf dem Weg unter die Dusche die FA-Cup-Trophäe zur Schau stellen.
Die Fankurve von Corinthians, dem Verein von Sócrates, Ronaldo und Rivaldo.
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Kunstschuss
Momente für die Ewigkeit
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u Zeiten von Live-Streams und 24-Stunden-Fussball im Fernsehen hat das einzelne Bild einen schweren Stand. Zu Unrecht. Denn manche Fotos erzählen grosse und kleine Geschichten – besser als ganze Dokus und Biografien. Da sind die Menschenmassen, die im EM-Halbfinal 1970 die Auslinien des Heyselstadions säumten, auf den Platzsturm aber artig verzichteten. Da spielten vor buddhistischen Mönchen und in himalayischer Höhe die beiden schlechtesten Nationalteams gegeneinander: Bhutan und Montserrat. Doch Fussball ist auch Alltag: Pinkeln in Dublin, Weinen in Hamburg, Küssen auf Schalke. Reinaldo Coddou H., Mitbegründer von «11 Freunde», ist bekannt für seine Panoramaaufnahmen aus den Stadien der Welt oder die Fussballbilder aus Buenos Aires. Jetzt hat er selber seine persönlichen Highlights zusammengestellt. Entstanden ist ein wunderbares Buch, das Erinnerungen weckt und gleichzeitig den Fussball so ganz anders zeigt als jede TV-Kamera. Einige der Bilder gingen um die Welt, andere blieben Jahrzehnte verborgen. «Kunstschuss – die schönsten Fussballfotos aller Zeiten» darf getrost unter den Weihnachtsbaum und wird nicht so schnell im Regal verschwinden wie andere Fotoalben.
Reinaldo Coddou H.: Kunstschuss. Gebunden, 232 Seiten. Erschienen bei Edition Panorama.
Bei Chelsea werden an der Stamford Brigde 1955 künftige Kopfballungeheuer herangezüchtet. ▼ Der grosse Ernst Happel zeigt beim HSV in der Saison 1983/84 wo's lang geht. Inspiration für seinen Spieler Felix Magath.
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Stuttgarts ÂŤMagisches DreieckÂť in ihren Predator-Tretern.
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kunstschuss
Der Bökelberg-Rasen hat unter dem 3:3 zwischen Gladbach und Dortmund im November 1994 gelitten. ▼ Staunen, Bangen, Hoffen: Sunderland-Fans im alten Roker Park. ▼ Im Old Firm ist den Celtic-Fans jede Hilfe recht, von wie weit oben sie auch kommen mag.
Stade helvétique de Marseille
Schweizerreise
Blamage für die Grande Nation: Vor 100 Jahren gewann mit Stade Helvétique de Marseille ein Schweizer Verein gleich mehrmals den französischen Meistertitel. Was skurril klingt, ist der Höhepunkt einer abenteuerlichen Geschichte. Text: Silvan Lerch / Bilder: BnF, Sportmuseum Schweiz
er Chronist wusste kaum, wie ihm geschah. «Fast etwas Unglaubliches» habe sich ereignet, verkündete Hans E nderli seinen Lesern 1909. Da sei doch tatsächlich ein Schweizer Verein Fussball-Meister Frankreichs geworden! Enderli hatte ja schon so manches erlebt in dieser ereignisreichen Zeit, als sich der Fussball dazu aufschwang, die Gunst a ller Bevölkerungsschichten zu erlangen. Immerhin war er Jahre zuvor Mitgründer des FC Zürich gewesen. Diese Meldung sprengte aber beinahe die Vorstellungskraft. «Ein Jubel erscholl an gar manchem Ort in unserem Lande, als (…) der Telegraph die freudige Kunde von dem Siege
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lebten in Marseille. Hier lassen sich Spuren einer Schweizer Kolonie bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Zu ihren Mitgliedern zählten vor allem Kaufleute, Bankiers, Industrielle und Inge nieure. Sie bildeten im Süden Frankreichs keine grosse ausländische Gemeinschaft, doch eine offenbar durchaus festfreudige. So soll sich die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebildete GymnastikGesellschaft statt des Turnens immer mehr dem gemeinsamen Trinken verschrieben haben. Als ob sie geahnt hätte, wozu ihr junge sportbegeisterte Eidgenossen bald Grund geben würden. Diese riefen 1904 eine Fussball-Abteilung ins Leben, aus der Suche nach 11 Mann Die aufmüpfigen Gallier aus Helvetien drei Jahre später der Stade Helvétique de unserer wackeren Schweizer brachte», durfte Enderli im «Football» berichten, dem Wochenmagazin der Schweizerischen Fussball-Association. Als deren Präsident und Herausgeber des Blatts verfasste er gleich selbst die Artikel. Und so liess er es sich nicht nehmen, den Erfolg gebührend einzuordnen: «Das Ereignis hat in französischen Sportkreisen geradezu Sensation erregt.» Kein Wunder, zumal die Schweizer den Meistertitel nach einem Duell gegen den haushohen Favoriten aus der Hauptstadt Paris gewonnen hatten. Eine Ungeheuerlichkeit!
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Stade helvétique de Marseille
Sie hat «geradezu Sensation erregt»: Die erste Meistermannschaft des Stade Helvétique de Marseille 1909.
Marseille hervorging: der zukünftige Landesmeister. Prost! Der damalige Spielbetrieb in Frankreich war reichlich unübersichtlich. E inerseits konkurrierten sich vier Verbände. Die Schweizer aus Marseille schlossen sich dem ältesten und mitgliederstärksten an. Dieser vergab seit 1894 einen Meistertitel. Andererseits führte jeder Verband eine zweistufige Ausmachung bis zur Titelvergabe. Zuerst wurden in Regionalligen die Sieger der einzelnen Landesteile erkoren, dann unter ihnen in einer übergreifenden Endrunde der französische Meister. Die Legende will, dass die Eidgenossen zu Beginn wiederholt Mühe bekundet hatten, überhaupt elf Mann für eine Partie aufzubieten. Dennoch gelang ihnen schon 1906, zwei Jahre nach der Gründung, der Aufstieg in die höchste Spielklasse. Zu verdanken war dieser schnelle
Erfolg wohl nicht zuletzt der Schweizer Gemeinde in der Provence. Sie scheint das Treiben der forschen Jünglinge finanziell unterstützt zu haben. Prompt setzten diese ihren Siegeszug fort. Als Stade Helvétique de Marseille (kurz: S.H.M.) avancierten sie in der Saison 1908/09 zum Überraschungsteam. Sie gewannen die Meisterschaft in ihrer Liga, der Südküsten-Staffel, und qualifizierten sich so für die landesweite Endrunde. Damit bot sich einer Mannschaft die Chance, französischer Meister zu werden, die aus lauter Ausländern bestand. Das mag in der heutigen globalisierten Fussball-Welt nicht mehr irritieren, war aber bis vor wenigen Jahren noch undenkbar und auch vor hundert ein Politikum. Zwar bauten schon damals viele Vereine in Europa auf ausländische Kräfte oder waren gar erst durch diese entstanden, wie zum Beispiel
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die Grasshoppers, Inter oder Barcelona. Aber dass eine Kaderliste gleich gar k einen Einheimischen aufführte? Das missfiel dann doch dem einen oder anderen Gegner des S.H.M. Die Einführung einer Mindestquote an Franzosen pro Team erfolgte allerdings nicht – noch nicht. Vielleicht trauten die Verantwortlichen den Schweizern schlicht und ergreifend den Coup nicht zu. Es gab ja auch Gelegenheit genug, zu scheitern. Die Endrunde bestand aus 16 Mannschaften, was zu einem K.-o.-System mit Achtel-, Viertelund Halbfinal führte, ausgetragen jeweils in Hin- und Rückspielen. Bloss: Die Eidgenossen nahmen alle Hürden. Schmach für die Hauptstadt Zur Belohnung wartete im Final ein Gegner, der übermächtiger nicht hätte sein können. Der Cercle Athlétique de
Stade helvétique de Marseille
In gemeinsamer Pose mit dem FC Barcelona – und einem Mann mit Melone, Hans Gamper.
Paris (C.A.P.) stellte bescheidene zehn Nationalspieler, also praktisch die gesamte Équipe tricolore, der S.H.M. keinen einzigen Internationalen. Erschwerend kam die Erinnerung hinzu: Ein Jahr zuvor hatte sich schon einmal ein Schweizer Team mit Frankreich gemessen – die Landesauswahl, zu Hause. Und war unterlegen. Was gab es da vor den Toren Paris’ für eine Klubmannschaft zu bestellen? Nun, die Eidgenossen liessen sich nicht einschüchtern. Sie spielten mutig nach vorne und gingen bereits nach zehn Minuten in Führung. Philipp Burkart hatte getroffen: ein Stürmer, der 1908 noch mit dem Freiburger FC deutscher Meister geworden war. Der Favorit reagierte, und die von Beginn an hektische Partie wurde noch intensiver. Laut einem französischen Berichterstatter lagen die Nerven der Spieler blank, erst recht nach dem «brutalen» Einsteigen eines S.H.M.Verteidigers im eigenen Strafraum. Der C.A.P. glich mittels Penalty aus, dominierte immer stärker und erhöhte bis zur Pause auf 2:1. Die Partie schien ihren erwarteten Verlauf zu nehmen. Doch der Aussenseiter stemmte sich mit aller Kraft gegen «die unaufhörlichen Angriffe» der Pariser. Er verrichtete «exzellente Arbeit», wie der Journalist attestierte. Eine solch gut funktionierende Defensive war keine Selbstverständlichkeit in der Frühzeit
des Fussballs, als auf dem Platz vornehmlich offensiv ausgerichtete Spieler, aber kaum Verteidiger standen und es noch 20 Jahre dauern sollte bis zur Erfindung des Schweizer Riegels. Aufgrund der gegnerischen Überlegenheit konnte der S.H.M. immer seltener eigene Vorstösse lancieren. Bei den wenigen Entlastungsversuchen stifteten die «hervorragenden Dribbler» allerdings sofort Unruhe vor dem Pariser Kasten. Ja mehr noch: Sie erfrechten sich, zwei Konter mit Toren abzuschliessen. Beide Male markierte der einzige Ausländer im Schweizer Kollektiv den Treffer, der Engländer Bill Widdington. Wieder hatte die Partie gekehrt, nun definitiv. Die Sensation war perfekt – und ein Schweizer Team französischer Meister! In der Grande Nation rief diese Nachricht mehrheitlich Missmut hervor. In der Wahlheimat der Schweizer dagegen sorgte sie für Anerkennung. Dank des Stade Helvétique de Marseille hatte es erstmals eine Mannschaft aus dem Süden des Landes geschafft, Frankreichs Nummer eins zu werden, und dies nicht gegen irgendwen. Der Triumph über den C.A.P. bedeutete den ersten Sieg eines Teams aus Marseille gegen einen Pariser Klub. Endlich hatte der ärmliche Süden den noblen Hauptstädtern eins auswischen können! Noch heute finden sich auf Internet-
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Fanseiten von Olympique Marseille Dokumente, die stolz von diesem Er eignis zeugen. Sie loben den S.H.M. für sein taktisches Verständnis, die «weisen Kombinationen» und das Kurzpassspiel. Dabei stellte der Schweizer Verein den grossen Rivalen von Olympique dar, der spätestens nach seinem nationalen Coup die Vormachtstellung in der Stadt übernommen hatte. Kräftemessen mit Barcelona Als Meister gönnten sich die Eidgenossen eine eigene Spielstätte. Sie pachteten ein Terrain an exquisiter Lage nahe der zum Meer führenden Avenue du Prado, «wohin sonntags (…) ein sehr grosser Teil der hiesigen Bevölkerung wallt» und die Tramverbindungen «vorzüglich» waren, wie der Klubpräsident in der Zeitung betonte. Hier empfing der Stade Hel vétique OM zum Derby vor mehreren Tausend Zuschauern. Verschiedentlich trug er auch Freundschaftsspiele aus gegen Teams mit Schweizer Wurzeln. Er stellte sich Urania Genf, einer Vertretung aus Bern oder, im November 1909, gar dem FC Barcelona. Diesen Verein hatte bekanntlich der Winterthurer Hans Gamper geschaffen, seines Zeichens wie Hans Enderli Mitgründer des FC Zürich. Mit 5:1 fertigte der S.H.M. den Gast aus Katalonien ab. Gelegenheit zur Revanche
Stade helvétique de Marseille bot sich aber bald. Auf Einladung führten die Schweizer eine Neujahrsfahrt nach Barcelona durch. «Das Dampfross nach dem fernen Süden» stand schon bereit, als sich «eine stattliche Zahl Fussballjünger» spätabends am Bahnhof von Marseille versammelte, hält der Reisebericht fest. Zum Abschied erklang «ein kräftiges ‹Hipp hipp hurrah›», dann setzte sich der Zug «ächzend» in Bewegung. «Sofort wechselte froher Gesang mit witziger Laune und manch zischendes Wort entschlüpfte ob dieses Lärms unserem lieben Präsidenten, der sich ein molliges Bettchen in einer Hängematte hergerichtet hatte», notierte der vereinseigene Schreiberling. Nachtruhe kehrte keine ein, ging es doch vom alten ins neue Jahr, was zu entkorkten Flaschen en masse führte und einer «kreuzfidelen Stimmung». Als die Eidgenossen an der Grenzstation zu Spanien den Zug wechselten, hatten sie sich schon gehörig Mut angetrunken. Es kam zu einem «lebhaften Augenaustausch unserer Spieler mit den rassigen schwarzen Augen der heissblütigen Südländerinnen». Dieses Schauspiel sollte sich bei jedem Zugshalt vollziehen und erhielt so Gelegenheit genug, perfektioniert zu werden. Beinahe einen Tag dauerte die Reise. Dann war wieder ein dreifach schmetterndes «Hipp hipp hurrah» zu vernehmen, nun im Bahnhof von Barcelona, allen voran durch Hans Gamper. Der lud umgehend ins Vereinslokal zum «Abendschoppen», bevor die Landsleute aus Marseille ihren «müden Gliedern die nötige Ruhe gönnten». Am nächsten Tag ging es «in sausender Autofahrt» auf Entdeckungstour und ans Bankett, das von markigen Reden, «süssen Saitentönen» und dem bewunderten Auftritt eines Schweizer Männerchors geprägt war. Der Anlass schien dem Präsidenten des S.H.M. dermassen gut gefallen zu haben, dass er angeblich erst «den Weg zum Hotel» zurückgefunden hatte, «als die Sonne schon hoch am Himmel stand». Wenig später trafen seine Spieler, die er schon kurz nach Mitternacht ins Bett geschickt hatte, auf die Akteure des F C Barcelona. «Sofort setzte ein äusserst lebhaftes Tempo ein. Der Ball wanderte mit
rasender Geschwindigkeit von einem Tor zum anderen», beobachtete der Chronist. Dennoch fielen bis zur Pause keine Treffer. In der zweiten Hälfte dagegen «führten die Schweizer ein überlegenes Kombinationsspiel vor und dessen F rüchte waren drei Goals». Der «wohlverdiente Sieg» vor versammelter Stadtbehörde und einer «ungeheuren Zuschauermenge», die der Berichterstatter auf 6000 Personen schätzte, sei «begeistert begrüsst» worden. Da überrascht es nicht, dass es sich die Eidgenossen nicht nehmen liessen, «nach einem herzinnigen Abschiednehmen» ein letztes unvermeidliches «Hipp hipp hurrah» anzustimmen. Und so schloss der Artikel mit dem Versprechen, auf ewig «die köstlich verlebten Stunden in Barcelona im Angedenken» zu behalten. Sturm der Entrüstung 1911 lehrten die wackeren Schweizer wieder ihren Kontrahenten in Frankreich das Fürchten. Auf dem Weg in den Final fertigten sie Lyon 12:2 ab. Nichts war aus der vollmundigen Ankündigung des favorisierten Gegners geworden, die Eidgenossen «mit 0:4 ‹abzusägen›», wie der Schweizer Journalist genüsslich in Erinnerung rief. Schon in der ersten Spielminute ging der S.H.M. in Führung, und noch ehe Lyon «recht zur Besinnung kommt, sitzen vier weitere Tore». Trotz Kantersieg blieb Platz für Kritik. So lobte der Berichterstatter zwar Torhüter Scheibenstock, wollte ihm aber dennoch «anraten, mehr mit den Händen als mit den Füssen zu spielen». Die Schweizer waren halt ambitioniert! Mehr Mühe bereitete ihnen, sich mit Verband und Gegner auf den Austragungsort und das Datum des Endspiels zu einigen. Der Racing Club de France aus Paris schlug wenig überraschend die Hauptstadt vor, der S.H.M. Marseille. Und bezüglich Datum telegrafierten die Schweizer: «Am 23. April oder nie.» Worauf die Franzosen antworteten: «Am 30. April oder nichts.» Sie drohten also, die Begegnung platzen zu lassen. Das war dem Verband zu riskant. Es kam zum Kompromiss: Endspiel in Marseille, dafür am Tag, den die Pariser gefordert hatten.
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Die Partie begannen die Eidgenossen «in schneidigem Vordringen», wie der Chronist bemerkte. Doch da sich beide Teams anfänglich «nicht recht im Strümpfchen» befanden, gab es «vorläufig noch keine Prachtleistungen zu sehen». Das änderte sich nach und nach. Die zunehmende «augensichtliche Überlegenheit der Schweizer» zwang die Pariser Defensive nicht nur zu wahren «Hexenleistungen», sondern «entlockte dem staunenden Publikum warmen Beifall». Der Matchbesucher sah «rasende Läufe», «unhaltbare Shots», ein Tempo, das die Pariser «unmöglich viel länger aushalten» konnten, und, vor allem, drei Tore des S.H.M. zum Pausenstand von 3:0. Doch in der zweiten Halbzeit kam der Racing Club auf, aus Schweizer Optik begünstigt durch einen «kühlen Meerwind quer übers Spielfeld», der dem Ball «ein ungewünschtes Effet» gab. Dann «streikte» plötzlich ein Bein des Eidgenossen Hippenmeier. Und zu allem Übel seien auch noch die Finger des Torhüters «vom Nichtstun steif» geworden. Navarro hiess der unterkühlte Mann, und der bekam nun sein Fett weg. Die «unerklärliche Unbeweglichkeit des Goalkeepers» habe auf den Zuschauerrängen und in den Reihen der Spieler «allgemeines Gaffen» hervorgerufen. Süffisant umschrieb der leidende Chronist die Aufholjagd des Gegners mit den Worten, Navarro sei gleich zweimal die Gelegenheit geboten worden, «das Leder hinter sich hervorzuholen, dank seiner Unentschlossenheit». Bevor der bemitleidenswerte Torhüter vollends zur Juxfigur verkam, pfiff der Schiedsrichter die Partie ab, die er «in einer gewissenhaften, vorwurfsfreien, unparteiischen Weise» geleitet hatte. «Unter dem endlosen Jubel der Zuschauer» war es dem Stade Helvétique gelungen, erneut einen Hauptstadt-Verein im Final zu schlagen. Zum zweiten Mal durfte er sich französischer Meister nennen! Der Berichterstatter konstatierte zufrieden: «Für die Eigenliebe des Franzosen ist der abermalige Sieg der Schweizer ein harter Schlag.» Der Eidgenosse machte sich deshalb gefasst darauf, wie schon nach dem ersten Titel 1909 einen weiteren «Sturm der Entrüstung (…)
Stade helvétique de Marseille
Olympique Marseille abgeluchst: Torhüter Mac Queen.
durch die grosse Sports- und Tagespresse Frankreichs» über sich ergehen lassen zu müssen. «Ohne Zweifel», schrieb er, werde wieder «viel Tinte vergossen in melancholischen Betrachtungen». Es blieb nicht bei geharnischten Worten. Im Verband kam eine Motion zur Abstimmung, die eine Beschränkung auf fünf Ausländer pro Team verlangte. Dieser Antrag, «der natürlich ausschliesslich gegen den Stade Helvétique Marseille gerichtet» sei, erlitt indes eine Abfuhr. Das Abenteuer des S.H.M. konnte weitergehen. Kritik am einzigen Torschützen 1913, also wieder zwei Jahre nach dem letzten Triumph, kämpften sich die Schweizer zum dritten Mal bis in den Final vor. Nun sahen sie von jeglichen Querelen vor dem Spiel ab und akzeptierten den Vorschlag des Gegners, in dessen Stadion anzutreten. Als Entschädigung lockten 3000 Francs. Weitere
Geschenke gab es aber nicht, als am 27. April Rouen auf die Gäste aus Marseille traf. Die Partie wogte hin und her. Der Berichterstatter notierte beim S.H.M. einen «Bombenschuss an den Pfosten» durch den unermüdlichen Engländer Widdington, einen umsichtigen Captain Bayerle, der den Ball nie verfehle und wiederholt mit «mächtigem Schlag» rette, und eine «staunenerregende Kaltblütigkeit» des Torhüters Mac Queen. Diesen hatte der Stade Helvétique von Olympique Marseille abgeworben – als Reaktion auf Navarros diskutable Leistung im Final 1911. Der Berufskollege der Pariser Zeitung «Le Matin» interpretierte das Spielgeschehen in Rouen freilich leicht anders. Bei den Gästen hätten nur gerade die Verteidiger einen gewissen Wert, die übrigen Mitspieler seien vor allem damit beschäftigt, zu rennen, Kopfstösse zu verteilen und ihre Gegner zu schubsen. Kurzum: Das Spiel der Schweizer basiere auf Zufall.
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Doch die Kritik des französischen Journalisten ergoss sich nicht nur über den S.H.M. Ganz generell bemängelte er die Qualität der Partie. Wahlweise schob er die Schuld dem schlechten Zustand des Terrains zu, dem seines Erachtens zu prall aufgepumpten Ball oder dem Wind, der irreguläre Zustände verursacht habe. Schliesslich machte er das wahre Übel aus: die Spieler. Bloss zweimal hätten die beiden Torhüter in Halbzeit eins eingreifen müssen – und auch nur, weil es galt, den Ball hinter ihrem Kasten zu suchen. Angesichts einer kaum merklich weniger schlechten zweiten Hälfte wünschte sich der Vertreter von «Le Matin» ein zeitiges Ende. Doch nach 90 Minuten stand es 0:0. Der Fussball-Gourmet musste eine Verlängerung erdulden. In dieser kam es knüppeldick: Kaum hatte der Berichterstatter wohlwollend eine Verbesserung des Spiels ausgemacht, die ihn weniger «leiden» liess, markierten die Schweizer den ersten Treffer der Partie. Zum Leid-
Stade helvétique de Marseille
Kampf um den Titel: Das Finalspiel 1913 in Rouen endet mit dem letzten ganz grossen Triumph in der Vereinsgeschichte.
wesen des Franzosen blieb es der einzige. Wieder hatte der verpönte S.H.M. zugeschlagen! Da linderte wohl nicht einmal die Tatsache den Schmerz, dass neben sieben Schweizern und zwei Engländern nun gar zwei Franzosen im Team des Stade Helvétique de Marseille standen. Der Schweizer Chronist freute sich derweil, wie Spieler «auf den Schultern vom Platze getragen» wurden. Ganz frei von Kritik blieb aber auch sein Matchbericht nicht. Sie traf ausgerechnet den Torschützen. Mouren habe «nicht viel Schönes» geleistet, «ausgenommen das entscheidende Tor, das er per Zufall treten konnte». Wie gesagt, die Schweizer waren halt ambitioniert! Opfer tragischer Ereignisse Als französischer Meister seines Verbands hätte der S.H.M. eigentlich Anrecht gehabt, nun an der neu kreierten Trophée de France teilzunehmen. Dieser Wettbewerb kürte unter den vier Verbandsmeistern den Landeschampion. Die Schweizer
wurden jedoch nicht zugelassen mit der Begründung, zu viele Ausländer im Kader zu führen. Sie waren Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Dieses Verbot leitete den unfreiwilligen Niedergang des S.H.M. ein, den ein tragisches Ereignis noch beschleunigte. 1914 brach der E rste Weltkrieg aus. Er zwang eine Vielzahl der Spieler aus Frankreichs Ligen, in die Armee einzurücken. Ausländer verliessen das Land, selbst solche, die keiner Kriegsnation angehörten. So kehrten auch manche Schweizer in ihre Heimat zurück. Den Verbänden blieb nichts anderes übrig, als mangels Personal den Spielbetrieb einzustellen. 1916 löste sich der Stade Helvétique de Marseille auf. Damit ging eine titelreiche Epoche zu Ende. Sechsmal in Folge war es dem S.H.M. gelungen, innerhalb des grössten Fussballverbands Frankreichs die Südküsten-Staffel für sich zu entscheiden und dreimal gar die nationale Meisterschaft zu gewinnen. Die Eidgenossen hatten für Furore gesorgt! Aber auch für ein
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Rätsel: Ihre Trikots waren gelb-schwarz gestreift. Der Grund für diese Farbwahl erschloss sich aus unseren Quellen nicht. Verbürgt ist dagegen, dass einige Schweizer 1927 einen Neubeginn in Marseille wagten – in roten Jerseys mit weissem Kreuz. Die kurz darauf einsetzende Wirtschaftskrise machte ihnen aber einen Strich durch die Rechnung. Viele Ausländer verloren ihre Anstellung. Diese missliche Lage zwang die Eidgenossen, 1930 auch den neuen Stade Helvétique de Marseille aufzulösen. Das endgültige Aus des Vereins erfolgte aber erst, nachdem sich der S.H.M. mit einem weiteren Erfolg von der Fussballbühne verabschiedet hatte, dem Gewinn der Coupe de Provence. Ein letzter Triumph in einer kurzen, aber bewegten Klubgeschichte! «ZWÖLF» dankt Mike Gosteli vom Sportmuseum in Basel für seine Mithilfe bei der Recherche. Ohne ihn hätte der Artikel in dieser Form nicht erscheinen können.
«Ich würde mir mehr Geduld wünschen»
Interview: Mämä Sykora Bilder: Christian Breitler
Alain Nef, der Zürcher in Berner Diensten, spielte schon gegen Iniesta, Henry und Nedved. ZWÖLF erzählte er beim Spaziergang mit seiner Tochter von italienischen Handwerkern, Christian-Gross-Imitatoren und seiner Kopfhörer-Aversion.
Alain Nef, was wir endlich mal wissen wollen: War dein Einwurf am 13. Mai 2006 im Joggeli, der in der Nachspielzeit zu Filipescus 2:1 geführt hat, wirklich 30 Meter zu weit vorne, wie die FCB-Fans behaupten? Alain Nef: Vielleicht nicht gerade 30 Meter, aber 20 könnten es schon gewesen sein. Der Ball war ins Aus gegangen, ich holte ihn beim nächsten Balljungen, und der stand einiges weiter vorne. Es musste halt so schnell wie möglich gehen. Du warst damals 24 Jahre alt. Noch wenige Jahre zuvor hatte eigentlich nichts darauf hingedeutet, dass du es in den Profifussball schaffen könntest. Die erste Nachwuchsauswahl, in die du berufen wurdest, war die U21. Bis 17 spielte ich im FC Wädenswil, damals noch als Stürmer, und machte gleichzeitig eine Lehre als Landschaftsgärtner ... ... das scheint bei Fussballern weit verbreitet zu sein. Beni Huggel schlug ja den gleichen Weg ein. (Lacht) Ja, das habe ich beim ersten Nati-Zusammenzug auch herausgefunden. Aber unsere beruflichen Erfahrungen halten sich ja in Grenzen, deshalb war das nicht so ein Thema. Die Lehrstelle behielt ich auch, als ich beim FCZ aufgenommen wurde. Das war schon ziemlich anstrengend,
denn so kam ich immer erst spät nach Hause und am nächsten Tag gings gleich weiter. Auch meine Mutter musste einiges auf sich nehmen. Die musste mich ja überall hinfahren, bis ich die Autoprüfung hatte. Was hat den Ausschlag gegeben, dass du es im Gegensatz zu viele anderen geschafft hast? Ich habe schon viele gesehen, die mehr Talent hatten als ich. Aber das alleine reicht nun mal nicht, das weiss man. Es braucht eine Portion Glück, einen starken Willen und vor allem viel Geduld und Beharrlichkeit, wenn es mal nicht so gut läuft. Du wirkst aber nicht wie einer mit einem unbändigen Ehrgeiz wie etwa ein Alex Frei. Das ist wohl das, was mir fehlt. Andere sagen ständig, wohin sie es unbedingt schaffen wollen. Ich habe meine Karriere erst spät begonnen, da sind natürlich auch die Perspektiven anders. Es wäre vielleicht mehr möglich gewesen, aber ich bin sehr zufrieden damit, was ich mit meinen Möglichkeiten erreicht habe. Beni Huggel sagte uns mal im Interview, er lache sich jeweils schief wegen deiner Sprüche. Bist du überall der Mannschaftsclown? Wahrscheinlich würden mich meine YB-Mitspieler schon so bezeichnen. Wenn ich in einer Mannschaft bin und es passt menschlich, dann kann ich mir halt Sprüche nicht verkneifen. Man muss aber aufpassen, mit wem man das macht. Bei einem jungen Spieler könnte das vor einem Spiel auf Kosten der Konzentration gehen. Filipescu
ALAIN NEF zum Beispiel hat vor dem Spiel nur Seich gemacht, aber nach dem Anpfiff war er voll dabei. Das hat sicher auch etwas mit dem Alter zu tun. Dann wird man etwas gelassener. Wie war denn deine Rolle als junger Neuling beim FCZ mit Spielern wie Fischer, Hellinga oder Chassot? Das ist natürlich kein Vergleich zu heute. Es war völlig klar, dass wir Jungen im Training die Tore tragen und das Material verräumen mussten. Manchmal stand ich nur hinter dem Tor und musste Kawelaschwili die Bälle zurückwerfen. Heute kannst du das nicht mehr bringen. Wenn ich einem Jungen sagen würde, er solle die Bälle holen, würde der mich nur kopfschüttelnd anschauen. Oder beim 5 gegen 2: Wenn mir ein Routinier einen schlechten Ball gespielt hatte, war völlig klar, dass dennoch ich in die Mitte musste. Dieses Unterwürfige ist völlig verschwunden. Wie bewertest du diese Entwicklung? Das ist ein zweischneidiges Schwert. Klar, die Jungen von heute sind deutlich besser als ich damals, vor allem technisch. Zudem wollen sie viel mehr und können dies auch viel schneller erreichen. Ein Huggel etwa musste jahrelang in Basel spielen, bis er ins Ausland wechseln konnte. Heute sind einige schon nach einigen Monaten mit guten Leistungen weg. Da sollte man sich sehr gut überlegen, ob das der richtige Schritt ist. Viel mehr als früher ist bei den Jungen das Finanzielle ausschlaggebend. Wenn
«Filipescu hat vor dem Spiel nur Seich gemacht.» heute ein Junger in einen Verein kommt, braucht er schon einen Schuhvertrag, sonst kommt er erst gar nicht. Zum Vergleich: Ich spielte damals für 800 Franken im Monat und hatte erst noch den Zusatzaufwand mit der Lehre. Das kennen die Jungen von heute nicht mehr. Sie sind bestens umsorgt. Überspitzt formu-
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liert, brauchen sie eigentlich nur noch ihr Shampoo mitzubringen (lacht). Wie ging denn etwa ein Urs Fischer mit dir um? Auch er war hart zu den Jüngeren. Er sagte immer, wir sollen zuerst etwas leisten, bevor wir etwas fordern. Ich hatte immer grossen Respekt vor ihm und dachte lange, er möge uns einfach nicht. Aber er hatte auch andere Seiten: Es gab eine Phase, da wurde ich andauernd kritisiert, und es wurde gar diskutiert, mich heimzuschicken. Da stand Fischer als Captain hin und sagte: «Nein, der bleibt hier!» Er setzte sich bedingungslos für die Mannschaft ein. Auch das hat sich gewandelt. Heute steht ein Captain zwischen dem Team und der Vereinsführung, er muss öfters abwägen. Du pflegst noch immer eine sehr gute Beziehung zu Urs Fischer. Stimmt es, dass du noch heute mit ihm einmal jährlich zum Fischen gehst? Ja, das ist so. In letzter Zeit etwas häufiger, er hatte ja viel Zeit (schmunzelt). Wer ist der bessere Fischer? In Sachen Material und Knüpfen eindeutig Fischer. Bei der Fangquote sind wir aber etwa gleich. Im Verlauf der Meistersaison 2005/06 verlorst du deinen Stammplatz an Florian Stahel, gleichzeitig lief dein Vertrag aus. Angenommen hast du ein Angebot von Piacenza aus der Serie B. Gab es keine anderen Interessenten? Zürich offerierte mir eine Vertragsverlängerung, die für mich als langjährigen Spieler nicht akzeptabel war. Zudem war ich noch jung und wollte etwas riskieren. Da kam das Angebot von Piacenza gerade recht, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wie es dort sein würde und wo dieses Piacenza überhaupt liegt. Du warst 24, alleine in einer fremden Stadt. Wie kamst du klar? Der Anfang war sehr hart. Ich konnte die Sprache nicht, war ziemlich verloren und wollte sofort wieder zurück. Zwischen
Ferien in Italien machen und dort zu leben ist eben doch ein riesiger Unterschied. Nur schon ein Konto eröffnen, das Handy zu organisieren oder einen Internet-Anschluss zu bekommen, waren ziemliche Kraftakte. Da sagt dir der Techniker, er komme zwischen 13 und 17 Uhr. Also geht ein ganzer Nachmittag nur fürs Warten drauf, und zuletzt erhältst du einen Telefonanruf, in dem man auf den nächsten Tag vertröstet wird. Gleich hinter der Grenze ist eben schon vieles anders. Das merkte man nur schon an den Garderoben, die waren aus einer anderen Zeit. Das war übrigens selbst in Liverpool so. Die Kabine dort ist winzig und ziemlich alt. So schlimm kann es aber nicht gewesen sein, immerhin bist du ja einige Jahre in Italien geblieben. Es gab natürlich auch Dinge, die mir dort besser gefielen. Man lässt sich in Italien viel mehr Zeit, fürs Essen zum Beispiel. Wir Schweizer rennen immer herum und sind im Dauerstress. Und wenn die Leute in Italien merken, dass man sich mit der Sprache Mühe gibt, dann sind sie auch offen und interessiert. Anfangs war das ein riesiges Problem. Alle sprachen ausschliesslich Italienisch. Selbst der Trainer brabbelte frisch drauflos, ich verstand kein Wort. Und dann in der Garderobe erst! Ich konnte ja nicht einmal wissen, ob die da nicht über mich sprachen. Deshalb habe ich mich beim Lernen angestrengt. Zudem spricht meine Frau als Tochter eines Sarden Italienisch. Sie hat mir sehr geholfen. War es auch auf dem Platz eine Umstellung? Oh ja, total! In Italien steht die Taktik über allem. Da wird alles dutzendfach durchgekaut, bis auch der Hinterletzte weiss, wie er sich auf dem Feld bewegen muss. Wir machten oft tagelang dieselben Übungen. Die Freiheiten sind damit natürlich ziemlich eingeschränkt. Mir persönlich hat der Fussball später in Spanien besser gefallen. Erfolg hatten wir aber. Wir wurden Vierte in jener Saison, in der Juve, Napoli und Genoa im B waren.
Danach gingen leider der Trainer und einige Stammspieler. Das war typisch Italien: sehr viele Leihgeschäfte, sehr viele Transfers, da leidet die Qualität. Du hast als Stammspieler die Aufmerksamkeit der grösseren Vereine auf dich gelenkt. Udinese hat sich für dich aber nicht als Glücksfall erwiesen. Du hast doch bestimmt gewusst, worauf du dich einlässt, wenn du bei einem Verein unterzeichnest, der so viele Spieler unter Vertrag hat, von denen Dutzende irgendwo auf Leihbasis spielen ... Ehrlich gesagt, nein. Udinese hat mir in den Gesprächen das Gefühl gegeben, mich unbedingt zu wollen. Deshalb war ich schon erstaunt, als beim Training 50 Spieler auftauchten. Wir haben drei Garderoben belegt! Es war schnell klar, dass davon nur die besten 25 überhaupt eine Chance erhalten würden. Da gehörte ich
zu Beginn noch dazu, fiel dann aber in die Gruppe jener Spieler, die der Verein im Moment nicht brauchen konnte. Wie geht der Verein mit Spielern, die in derselben Position wie du steckten, um? Wem es nach Ansicht der Trainer nicht in die erste Mannschaft reicht, dem werden Leihgeschäfte angeboten. Wenn du nicht gleich das erste annimmst, ist das noch kein Problem. Aber mit jeder Weigerung werden die Schikanen ein wenig härter. Du hast keine Chance auf einen Einsatz, musst aber dennoch stets anwesend sein und sieben Tage die Woche zum Training kommen. Und der Lohn kommt auch immer später. Man kriegt es ziemlich deutlich zu spüren, dass man woanders Unterschlupf suchen sollte. Einigen ist das egal. Bei uns gab es Brasilianer, die kümmerte es nicht, dass sie einige Jahre auf dem Abstellgleis stan-
den, denn verdient haben sie ja bestens in dieser Zeit. Das wollte ich aber auf keinen Fall. Erstaunt war ich, als ich mit YB in der Europa League gegen Udinese spielen durfte. Die hatten Freude, mich zu sehen, haben mit mir geplaudert, als wäre ich jahrelang dabei gewesen. Und das, obwohl ich dort nie dieses Mannschaftsgefühl hatte. Jeder schaute für sich selber. Schon nach einem halben Jahr bist du auf Leihbasis nach Spanien gegangen, zu Recreativo Huelva. Das war sportlich keine besonders erfolgreiche Zeit. Gewonnen haben wir wahrlich nicht sehr oft. Also nicht ein einziges Mal, um genau zu sein. Das war ein total anderer Fussball als in Italien. Als Verteidiger ist das der Horror. Wenn du da keine gute Mannschaft hast, kassierst du in jedem Match vier Tore. Ich spielte gegen Valencia,
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Alain Nef Geboren am 6. Februar 1982 Mit 17 stiess er vom FC Wädenswil zum FCZ. Unter Lucien Favre war er beim Cupsieg 2005 und dem Meistertitel im Jahr darauf dabei. Ab 2006 lief er zwei Spielzeiten für Piacenza auf, ehe ihn Udinese verpflichtete. Für die Friauler kam Nef kaum zum Einsatz und wurde zu Huelva, später zu Triestina ausgeliehen. 2010 lieh ihn YB aus, das ihn vor einem Jahr auch definitiv übernahm. In der Nationalmannschaft kam er bislang vier Mal zum Zug und erzielte dabei ein Tor. (syk)
Atlético und Barcelona, da agieren die Stürmer total anders. In Spanien läuft ein Gegenspieler zehnmal mit dem Ball am Fuss auf dich zu und will dich ausdribbeln. Das klappt vielleicht acht Mal nicht, aber zwei Mal ist er durch, und dann wirds brandgefährlich. In Italien greift man als Mannschaft an, in der Offensive wird viel mehr abgespielt. Einzelaktionen werden nicht gerne gesehen. Dort sind die Stürmer auch nicht alle derart schnell und wendig. Der Auftritt im Camp Nou hat dir damals nach langer Zeit wieder mal eine Schlagzeile in den Schweizer Medien verschafft. Wenngleich keine sehr schmeichelhafte. «Alain Nef von Henry überlaufen», war da zu lesen. (Lacht) Grausam. Das ist ja schon einigen anderen passiert. In dem Spiel bin ich vielleicht vier Mal über die Mittellinie gekommen, den Rest der Zeit bin ich dem Ball nachgelaufen. Barça ist einfach eine andere Liga. Udinese haben wir jetzt mit YB geschlagen, aber gegen Barça hat man in der Regel keine Chance. Wenn man Iniesta zum ersten Mal auf dem Platz sieht, lacht man noch über dieses kleine Männchen. Wenn das Spiel beginnt, hat er etwas zu lachen. Da ist man nur Zuschauer, wenn einer wie er den Ball annimmt und abspielt. Hast du wenigstens mal einen Zweikampf gegen ihn gewonnen?
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Wie denn? Gegen so einen Spieler kommt man gar nicht erst in die Zweikämpfe.
ein bisschen geredet, und seither ist gut (lacht). Den Dialekt kann ich zumindest schon imitieren.
Nach dem Spanien-Abenteuer stand für dich gleich das nächste Leihgeschäft an: zurück in die Serie B zu Triestina. Bei Udinese hätte ich keine Chance gehabt, also nahm ich die Offerte an. Diese Leihgeschäfte brachten aber einige Probleme mit sich. Noch heute warte ich auf einen Teil des Lohnes von Huelva, und auch in Triest wurde ich kaum je pünktlich bezahlt. Das war nicht fair, wie dort gewirtschaftet wurde. Es gibt in Italien auch Gerüchte, dass es zu Schwarzzahlungen beim Lohn komme. In der Serie B muss gespart werden, wo es nur irgendwie geht. Es ist eine Sauerei, dass die Leidtragenden in solchen Fällen junge Spieler sind, die nichts Anderes wollen als unbedingt Fussball spielen. Die zögern natürlich keinen Moment, wenn ihnen eine dubiose Vereinbarung zur Unterschrift vorgelegt wird. Auch deshalb wollte ich nicht mehr in die Serie B. Udinese schlug mir Cluj vor, das wollte ich ebenso wenig wie die darauf folgenden Angebote. Und dann fingen eben diese Schikanen an. Deshalb habe ich mich selber in der Schweiz umgeschaut.
Christian Gross sollst du auch gut imitieren können, sagt man. Nein, das stimmt nicht. Alain Schultz vom FC Aarau kann das perfekt. Den gibts sogar auf Youtube.
Da hätte doch der FCZ die erste Adresse sein müssen. Canepa wollte dich haben, und an der Seitenlinie stand dein alter Kumpane Urs Fischer. Gespräche fanden auch statt, aber während YB mir gleich eine Offerte machte, wollte man beim FCZ noch abwarten. Zudem war sein Kader schon voll und er spielte nicht europäisch. Hätte ich unbedingt zurück nach Zürich gewollt, hätte ich unter Umständen bis zur Winterpause warten müssen. Und das kam nicht infrage. Deshalb bist du nun der Zürcher in Bern. Ist das ein Problem? Jetzt nicht mehr, nur ganz am Anfang. Als ich das erste Mal in die Garderobe kam, war es mucksmäuschenstill. Da hab ich mir schon gedacht: «Hei, das kann ja heiter werden.» Dann habe ich
Gross war einer der drei Trainer, die du bei YB schon hattest. Trainer, die sehr unterschiedliche Typen sind. Oh ja, da gab es grosse Unterschiede. Der erste war Vladimir Petkovic, den kannte ich zuvor gar nicht. Unter ihm hatten wir eine tolle Mannschaft und spielten schönen Fussball. Leider reichte es nur zum zweiten Platz. Für mein Gefühl hätte er einige Dinge noch besser rüberbringen können und auf der Motivationsebene wäre vielleicht noch etwas mehr dringelegen. Danach kam der Schnitt, und mit Gross änderte sich einiges. Nur schon, wenn er den Raum betritt, haben die Spieler riesigen Respekt vor ihm. Bei den Jungen ist es sogar eher Angst, die werden ganz still. Mit ihm war man selbstverständlich auch nicht per Du. Das war noch alte Schule. Dazu gab es viele Wechsel im Team. Es braucht nun mal seine Zeit, bis neue Spieler integriert sind. Du hast mal gesagt, selbst in Vereinen wie Udinese herrsche mehr Ruhe als in den Super-League-Vereinen. Du bist seit zweieinhalb Jahren bei YB und hast schon einige Umbrüche erlebt. Mich dünkt, im Fussball gehe es immer schneller. In der Schweiz gab es diese Saison schon sieben Trainerentlassungen, nach der Winterpause werden wohl noch mehr folgen. Das ist Wahnsinn, gerade wenn man bedenkt, dass die Super League eine Ausbildungsliga sein sollte. Ich würde mir einfach mehr Geduld wünschen. Unter Lucien Favre brauchten wir auch zwei Jahre, bis wir endlich guten Fussball spielten. Wir waren unter ihm mal Tabellenletzter. Aber ich kann die Geldgeber auch verstehen, dass sie handeln wollen, wenn es nicht läuft.
ALAIN NEF Christian Gross wurde ja damals geholt, um YB endlich die Winnermentalität einzuimpfen. Wie sah das in der Praxis aus? Die Idee war wohl, dass es nur einen Trainer brauche, der diese Eigenschaft verkörpert, um endlich Meister zu werden. Aber so einfach ist es nun mal nicht. Man braucht eine Mannschaft – oder zumindest eine Achse – die das verinnerlicht hat. Sonst klappt es nicht. In einem Jahr kann man das einem Team nicht einfach einprägen. Zudem springt auch nicht jeder Spieler auf das Gleiche an. Einige brauchen möglichst viele Freiheiten, um Topleistungen zu bringen. Das gab es unter Gross weniger. Ist ein Trainer wie Gross noch zeitgemäss? Heute ist es enorm wichtig, wie man mit den Spielern umgeht. Wenn man den Jungen das Vertrauen nicht schenkt, wenn man sie nicht aufpäppelt, wenn es mal gerade nicht so läuft, dann bringen sie ihre Leistung nicht und fallen schnell in ein Loch. Ich glaube, das war Gross nicht so gewohnt. Beim FCB führte er eine Mannschaft aus gestandenen Spielern, die sind sich mehr gewohnt. Mit ihnen kann man anders umgehen. Du wirkst auch ein wenig wie ein Profi aus vergangenen Zeiten, als pures Gegenstück zum Klischee des Fussballers mit der speziellen Frisur, den Tattoos, dem teuren Auto, den schicken Kleidern und dem iPhone. Also ein iPhone habe ich auch (lacht). So unterschiedlich bin ich ja auch nicht. Ich habe letzthin den Film über Thomas Broich gesehen, «Tom meets Zizou». Der passt nicht ins Fussballgeschäft. So ist es bei mir nicht. Ich verstelle mich einfach nicht, kann offen auf Leute zugehen. Damit hast du es beim FCZ wie auch bei YB zu den Publikumslieblingen geschafft. Gerade beim FCZ habe ich viele Fans kennengelernt. Im alten Letzigrund gab es die «Flachpass-Bar», dort habe ich viele Gespräche geführt und etwas über die
Philosophie der Fans erfahren. Das war für mich etwas Neues, ich selber war nie ein Fan. Bei YB wird diese Beziehung weitergeführt. Es gibt regelmässig ein Essen mit einigen YB-Anhängern, mit denen wir uns austauschen. Das ist sehr interessant. Aber ganz so beliebt kann ich nicht sein: Letzthin habe ich eine Rangliste gesehen der unbeliebtesten Spieler. Erster war Alex Frei, ich war aber auch unter den ersten 20. Vielleicht war es eine Umfrage unter den Profifussballern. Als Gegenspieler bist du ja nicht eben harmlos, wenn man sich deine Statistik der Gelben Karten anschaut. Letztes Jahr habe ich ein bisschen gar viele gesammelt, immerhin habe ich mich jetzt gebessert. Mir sagen die Leute immer, ich hätte mir einen Ruf aufgebaut, der den Schiedsrichtern nicht so passe. Ich gelte nun mal als Fighter. Das ist aber auch meine Stärke, da kann ich nicht zurückstecken. Ich habe vielleicht technisch gewisse Defizite, die muss ich mit Kampf und Einsatz wettmachen. Trotzdem: Ein bisschen Fussballspielen gehört natürlich auch bei mir dazu (lacht).
dem Feld. Danach in der Kabine, das war ganz schlimm. Keiner sagte einen Ton. Richtige Weltuntergangsstimmung. Du gehörst mittlerweile zu den Routiniers, bei YB bist du im Mannschaftsrat. Verstehst du dich denn mit den Jungen im Team? Ich würde gerne mehr mit ihnen reden, aber es ist noch schwierig, auf Reisen einen Gesprächspartner zu finden, weil alle Kopfhörer aufhaben (lacht). Ich habe es auch versucht mit dem iPod, aber mit der Zeit wusste ich gar nicht mehr, was ich noch hören sollte. Ich plaudere lieber, als nur für mich zu sein. Aber jeder macht das, was ihm am besten behagt, damit kann ich leben. Auf der Playstation kannst du mit den Jungen mithalten? Ich bin zumindest etwas geübt. Mein Zimmergenosse früher war jeweils Daniel Gygax. Der konnte nicht ohne Playstation sein. Aber gegen die zehn Jahre Jüngeren habe ich null Chance. Ich versuche es stets im Trainingslager, aber ich vergesse immer wieder, welche Knöpfe ich drücken muss.
Immerhin hat dich dein Fussballspiel bis in die Nati geführt. Obwohl du da nur Lückenbüsser bist. Wenn drei, vier Spieler in der Verteidigung fehlen, dann erhältst du einen Anruf. In der Nati sind halt 15 Plätze fix vergeben, da gehöre ich nicht dazu und das kann ich akzeptieren. Aufgefüllt wird je nach Formstand oder Verletzungen, ab und zu kommt noch einer dazu, der kurzzeitig einen Lauf hat. Oder eben ich (lacht). Dein Pflichtspiel-Einstand für die Nati verlief nicht gerade optimal. Das war beim 1:2 gegen Luxemburg. Immerhin war ich beim zweiten Tor nicht mehr auf
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AUSLAN Auslandschweizer
Text: Mämä Sykora / Bild: Newcastle Jets
16 000 Kilometer von zu Hause Dominik Ritter verlor in der Schweiz die Lust auf den Fussball. In Aus tralien fand er sie wieder. Heute spielt der Ex-FCBler zusammen mit Emile Heskey bei den Newcastle Jets und gegen Möwen auf dem Spielfeld. Dominik Ritter (oben) spielt wieder in Rot-Blau, aber auf einem anderen Kontinent.
Ü
ber das Wetter in der Heimat weiss Dominik Ritter bestens Bescheid. Freunde haben ihm Fotos vom Schweizer Schneeregen geschickt, nachdem er sie mit Strandaufnahmen bei 30 Grad vom Südwesten Australiens provoziert hatte. Während seine Ex-Kollegen vom FC Basel und dem FC Winterthur für die Winterferien packen, muss auch Ritter für eine lange Reise planen. Es steht das Auswärtsspiel bei Perth Glory an. Für die Newcastle Jets bedeutet das erst zwei Stunden Busfahrt, danach noch 5 Stunden Flug. Und drei Stunden Zeitverschiebung. Um sich zu akklimatisieren, reist die Mannschaft jeweils schon zwei, drei Tage vor dem Spiel an. Ein ziemlicher Unterschied zur letzten Saison, in der Ritter mit Winterthur zumeist nur kurz in Wil oder Aarau vorbeischauen
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musste. Der 23-Jährige ist in einer neuen Fussballwelt angekommen. «Das letzte Jahr lief gar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe», sagt er über seine Zeit beim FC Winterthur. Vom FCB wurde er erst dahin ausgeliehen und schliesslich definitiv verkauft. Während der Leihdauer hat er von seinem Stammverein indes kaum etwas gehört, die Rückkehr in die Super League schien ausgeschlossen. In der Challenge League kamen ihm die Lust und die Energie immer mehr abhanden, er ging «nicht mehr wirklich gern» ins Training, sodass er sich trotz einer Offerte für eine Vertragsverlängerung dazu entschied, den Profifussball aufzugeben und ein Studium zu beginnen. Das unerwartete Interesse aus Newcastle, 16 000 Kilometer entfernt, liess ihn seinen Entschluss
überdenken. Er telefonierte mit dem CEO der Jets, flog nach Down Under und unterschrieb bald einen Einjahresvertrag. «Das ging alles sehr schnell», sagt der Schweizer. Eine ziemlich europäische Sache Die A-League wurde 2004 als Nachfolger der mangels Sponsoren eingestellten National Soccer League (NSL) eingeführt. Dementsprechend jung sind die meisten der zehn Vereine. Ritters neuer Arbeitgeber wurde im Jahre 2000 gegründet und ist damit bereits der zweitälteste Verein der Liga. Stolz ist man bei den Jets auf den treuen Anhang, die «Squadron N ovocastria», die jeweils zum Spielbeginn und nach der Halbzeit das zur Vereinshymne avancierte «Never Tear Us Apart» der australischen Band
auslandschweizer
Dominik Ritter INXS singt. 15 000 kommen im Schnitt an die Heimspiele ins Hunter Stadium, das entspricht auch etwa dem Schnitt der A-League – und demjenigen der Super League. Überhaupt gehe es auf den Rängen «ziemlich europäisch» zu und her, mit Gesängen, Schals und Jubel. Das sei kein Vergleich zum ebenfalls populären Rugby, bei dem die Stadien zwar gut gefüllt sind, wo aber gespenstische Ruhe herrsche. Die beiden Sportarten kommen sowieso bestens aneinander vorbei: Rugby wird im Winter gespielt, Fussball im Sommer. Ritters Einstand verlief nicht ohne kleinere Schwierigkeiten. Die Medien interessierten sich für den Schweizer Neuankömmling, der fortan einen der fünf erlaubten Ausländerplätze belegen sollte, und nahmen wenig Rücksicht darauf, dass der Aussie-Slang nicht eben einfach zu verstehen ist. Mittlerweile kommt Ritter damit aber bestens klar und findet gar, er sei einfacher zu verstehen als das britische Englisch. Grössere Probleme befürchtete er indes, als er das erste Mal eine Partie der A-League im TV verfolgte. «Da waren überall Vögel auf dem Spielfeld!», erklärt er. Man sagte ihm, diese Möwen seien tatsächlich weit verbreitet, das sei aber beim Spielen kein Hindernis. Newcastle ist für australische Verhältnisse eine kleine Stadt. 300 000 Einwohner zählt sie, aber eigentlich sei es «keine richtige Stadt im herkömmlichen Sinn», eher miteinander verbundene Dörfer. Für Ritter, der ausserhalb Basels aufgewachsen ist, ist diese Ruhe ideal: «Das zwei Stunden entfernte Sydney wäre mir zu gross. Viele sagen, sie seien froh, nicht dort wohnen zu müssen.» Wenn er in Newcastle unterwegs ist, wird er bereits von einigen Passanten erkannt. Seit September stellt aber ein Zugezogener in Sachen Popularität alle in den Schatten: Emile Heskey. Stars trotz Salary Cap «Alleine die Gerüchte um seine mögliche Verpflichtung lösten schon einen Hype
aus», so Ritter. Anfangs sei der Respekt vor der «Maschine» schon ziemlich gross gewesen in der Mannschaft, doch er sei positiv überrascht vom ehemaligen englischen Nationalstürmer. «Er ist sehr ruhig, gibt immer alles und ist völlig normal geblieben. Mit ihm kann man ganz locker plaudern», beschreibt Ritter den schon jetzt besten Torschützen der Jets. Für den Verein hat sich das Engagement bereits gelohnt: Seit der Ankunft des Stars stieg die Mitgliederzahl um 20 Prozent, die Heskey-Trikots sind ausverkauft, weitere 5000 wurden geordert. Er und andere populäre Neuverpflichtungen wie Alessandro Del Piero (Sydney) sowie die Spekulationen um Altstars wie David Beckham verhelfen der Liga zu ungewohnter Aufmerksamkeit. Dass sich die Vereine solche Spieler trotz Salary Cap – die Lohnsumme der Mannschaft darf 2,5 Millionen Franken nicht übersteigen, dafür wird jedem Spieler ein Mindestlohn von 50 000 Franken garantiert – leisten können, ermöglicht die Regelung mit den «Marquee Players»: Jeder Verein darf einen australischen, einen internationalen sowie einen Nachwuchsspieler unter Vertrag haben, dessen Lohn nicht für den Salary Cap zählt. Diese sollen mit ihrer Erfahrung oder ihrem Talent das Niveau verbessern. «Manchmal denke ich im Training schon, es könnte ein bisschen schneller gehen», urteilt Ritter, «aber wir sind auch ein junges Team.» In Partien wie etwa gegen Sydney FC sei das Niveau aber ziemlich gut. Auch von der Bezahlung war der Linksverteidiger überrascht: «Was man hier verdient, reicht zum Leben. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Lohn.» In Australien traf der dreifache U20Nationalspieler auch auf einige bekannte Gesichter. Neben ihm in der Innenverteidigung spielt der ehemalige YB- Brasilianer Tiago, Ende November traf er auf seinen Landsmann Patrick Gerhardt (siehe ZWÖLF #30), der von Sarajevo zu Melbourne Heart gewechselt ist. Auch die Trikots seiner Jets dürften
Geboren am 23. Juni 1989 Der Linksverteidiger wurde vom FC BielBenken in die Nachwuchsabteilung des FC Basel geholt. Auf Leihbasis spielte er für Concordia Basel sowie später für den FC Winterthur, dazwischen kam er unter Thorsten Fink zu 3 Einsätzen in der EuropaLeague-Qualifikation und wurde in die U20Nationalmannschaft berufen. Wiedergenesen von einem Kreuzbandriss wurde er 2011 vom FC Winterthur für ein Jahr übernommen, nach Ablauf des Vertrags wechselte Ritter zu den Newcastle Jets nach Australien und ist dort Stammspieler.
ihm bekannt vorgekommen sein: Wie der FC Basel, bei dem er 2009 unter Thorsten Fink in der ersten Mannschaft debütierte, laufen die Jets in rot-blauen Streifen auf. Fortsetzung nicht ausgeschlossen Die Lust am Fussballspielen hat Dominik Ritter in Australien wiedergefunden. Sein Trainer Gary van Egmond verspricht sich viel vom Schweizer: «Er hat das ideale Alter, um hierher zu kommen, und er hat seine besten Jahre noch vor sich.» Dennoch vereinbarten die beiden Parteien nur einen Einjahresvertrag. «Immerhin war es für beide Seiten ein Risiko, wir kannten uns ja kaum», gibt Ritter zu bedenken. So, wie es derzeit läuft, kann sich der Basler eine Verlängerung durchaus vorstellen. Er gehört zur Stammformation, die Jets – die diesen Zusatz vor einigen Jahren zum eigentlichen Vereinsnamen Newcastle United hinzufügten, um Verwechslungen mit dem englischen Klub zu verhindern – befinden sich nach einem Drittel der «Regular Season» auf Play-off-Kurs. Letztes Jahr fehlten für die Qualifikation zwei Punkte, dieses Jahr soll es dank Heskey und Ritter klappen. Nur die Distanz zur Heimat ist ein Wermutstropfen. Wenn Dominiks Familie und Freunde Weihnachten und Silvester feiern, bereitet er sich auf die Partien gegen die beiden Vereine aus Melbourne vor. 16 000 Kilometer entfernt.
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Was wäre, wenn... Im Fussball entscheiden nicht selten einzelne Aktionen über den weiteren Verlauf einer Karriere. ZWÖLF wagt sich in die Welt der Konjunktive und denkt die Fussballwelt weiter. Es darf wild spekuliert werden.
Als YB Sions Serie stoppte YBs Niederlage im Cupfinal 2006 markierte den Beginn einer beispiellosen Serie des Scheiterns in entscheidenden Momenten. Es hätte ganz anders kommen können. Text: Remo Vogel
Die Ausgangslage Mit Trainer Gernot Rohr spielten die Young Boys im Rennen um die Meisterschaft 2005/06 keine Rolle. Im Cup hingegen trumpften die Berner auf: Den Halbfinal gegen den FCZ gewannen sie 4:1 – nachdem sie die Zürcher in deren Stadion an die Wand gespielt hatten. Die Vorzeichen für den Final standen mehr als günstig, denn der Gegner hiess zwar einmal mehr FC Sion, doch der Cupschreck spielte damals in der Challenge League. Begünstigt wurden die Berner ausserdem durch die viel diskutierte Regel, nach der sie auch im Cup fünf Ausländer einsetzen durften, während der unterklassige Gegner auf deren drei limitiert war. Zudem hatte YB im ersten Cupfinal im neuen
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Stade de Suisse erst noch ein Heimspiel. Ideale Voraussetzungen also, um die schon 19 Jahre andauernde titellose Zeit endlich zu beenden. Tatsächlich schiesst Carlos Varela den Favoriten schon nach einer Viertelstunde in Führung. Doch die 31. Minute bringt die Wende: Auf einen planlos nach v orne geschlagenen Ball der Sittener reagiert Stürmer Paulo Vogt am schnellsten; er wird von YB-Verteidiger Steve Gohouri mit einem Rempler aus dem Gleichgewicht gebracht. Schiedsrichter Reto Rutz taxiert den Einsatz als Notbremse und schickt den Ivorer vom Platz. Mit einem Mann weniger fängt sich YB in der 55. Minute den Ausgleich durch Obrado-
vic ein. Die Berner retten sich in einem zerfahrenen Spiel über die Verlängerung, doch der fatale Fehlschuss von João Paulo im Elfmeterschiessen besiegelt die Finalniederlage. Und macht den FC Sion zum ersten unterklassigen Cupsieger – mit dem zehnten Sieg im zehnten Endspiel. Für YB ist dies der Auftakt zu einer beispiellosen schwarzen Serie: Ab 2008 werden die Berner dreimal in Folge Vizemeister, vergeben dabei zweimal den Meistertitel erst in der Finalissima gegen Basel und geben dazwischen sogar noch einen weiteren Cupfinal gegen die Walliser aus der Hand, nach einer 2:0-Führung…
was wäre, wenn ...
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as wäre passiert, wenn Schiedsrichter Rutz das Eingreifen von Gohouri nicht als rotwürdig eingestuft hätte? Das zum Beispiel: Mit dem Elan, mit dem die Berner die Partie begonnen hatten, mit dem Selbstvertrauen des Führenden und dank eines João Paulo in Topform bringt die Mannschaft von Gernot Rohr die Führung über die Zeit. In Bern brechen alle Dämme. Die Stadt feiert den ersten Titel seit 1987 die ganze Nacht durch. Der FC Sion hingegen kriegt den Zorn des Patrons zu spüren: Nach dem Ende der Cupsieg-Serie kündigt Christian Constantin noch auf dem Platz weitreichende Reformen an. Für einmal steht nicht der Trainer, Christophe Moulin, zur Diskussion, sondern die Spieler, die «das Wallis enttäuscht» hätten. Namentlich die Legionäre und die «Zugewanderten» k riegen ihr Fett weg. Sie hätten laut CC keine Vorstellung von der Bedeutung des FC Sion für die Region. Er habe genug von den «hoch bezahlten Muttersöhnchen» und wolle fortan nur noch jene zum Zug kommen lassen, die «wissen, worum es geht». Sprich: Spieler aus der Region. Derweil löst bei YB der Triumph so kurz nach dem Umzug ins neue Stadion eine wahre Welle der Euphorie aus. Gleich mehrere Personen aus der Berner Finanzwelt bekunden Interesse daran, sich der Investorengruppe um Andy Rihs anzuschliessen. Obwohl die Mannschaft schwach in die folgende Meisterschaft startet und im September Gernot Rohr durch Martin Andermatt ersetzt wird, ist das Stade de Suisse stets sehr gut gefüllt. An Basel und dem FCZ kommen die Berner zwar nicht vorbei, vollmundig kündigen sie aber für die folgende Spielzeit den Angriff auf den Titel an. Ihr Trumpf: der entfesselte Hakan Yakin. Dank dessen 40 Skorerpunkten setzt sich YB in der 33. Runde erstmals an die Spitze. Weder Xamax noch GC sind danach für die Berner Stolpersteine. Und in der Finalissima in Basel erkämpfen sie sich das erwünschte 0:0 – Meister 2008. Bern tanzt! Ungemütlicher ist die Situation in Sitten. Der Präsident steht zu seinem Wort und richtet in Martigny eine grosszügige Fussballakademie für einheimische
Talente ein. Ausser Goran Obradovic müssen sämtliche Legionäre den Verein verlassen. Doch dem Spiel des FC Sion ist dies nicht zuträglich. Erst in der Barrage kann der Klassenerhalt sichergestellt werden. Auf dem Weg dahin verbraucht CC fünf Trainer, bis er den Retter gefunden hat: sich selbst. Angesichts der Champions-LeagueQualifikation stellt die YB-Führung ausreichende Mittel zur Verfügung. Sie bewegen Hakan Yakin, trotz einer Offerte aus den Emiraten zu bleiben. Der Regisseur wird zur grossen Figur. Er schiesst die Berner zum ersten Mal in die Gruppenphase der Königsklasse. Dort ist der Neuling zwar chancenlos, dank der Mehreinnahmen kann er sich aber punktuell verstärken und dreht nach der Winterpause in der nationalen Meisterschaft auf. Der BSC sichert sich nicht nur den zweiten Titel in Folge, nach einem überlegenen Sieg im Cupfinal gibt es sogar das Double. Gegner Sion, der bereits als Absteiger feststeht, blieb inferior. Constantin tobt: Statt während der Saison weiteren fünf Herren die Chance zu geben, wäre besser er Trainer geblieben! Der erfolgsverwöhnte FCB ist mit der Berner Dominanz gar nicht glücklich. Christian Gross' auslaufender Vertrag wird nicht verlängert, zudem wiegt der Ausfall der Champions-League- Einnahmen schwer. 10 Millionen Franken Verlust fährt der Gigant vom Rheinknie jährlich ein. Nichtsdestotrotz investiert er in teure Neuzugänge, hauptsächlich aus Südamerika. Dazu wird Alex Frei heimgelotst. Doch auch unter Thorsten Fink kommt der FCB nicht auf Touren. Die Kritik trifft nicht nur den Trainer, sondern auch die als «Carignanos» verspotteten Transfers, von denen keiner zu überzeugen weiss. Fink wird kurz nach der Winterpause freigestellt und durch Vladimir P etkovic ersetzt. Nun spielen die Basler zwar attraktiven Fussball, doch ihr g ewagtes 3-4-3-System fordert YB nicht ernsthaft. Gegen das Duo Yakin/Doumbia hat in der Schweiz niemand ein Gegenmittel. So kommt es in Basel zur Revolution: Gigi Oeri tritt – enttäuscht und ermüdet wegen der anhaltenden und nicht immer
fairen Kritik – im Frühling zurück. Bernhard Heusler übernimmt und bemüht sich gleich um neue Geldgeber. Gleichzeitig kündigt er an, die immense Lohnsumme angesichts der ausbleibenden Prämien aus der Königsklasse «drastisch zu reduzieren». Zum Saisonende werden viele der teuren Südamerikaner wieder in ihre Heimat abgeschoben. Nach dem Titel-Hattrick nimmt auch YB-Trainer Martin Andermatt eine neue Herausforderung an: den strauchelnden Bundesliga-Dino HSV. Sein Nachfolger wird der zuvor beim FCZ entlassene Bernard Challandes. Dem Romand traut man die Einbindung der grossen französischsprachigen Fraktion am ehesten zu. In der Champions League sahnt YB tüchtig ab – zwar nicht sportlich, doch grosse Vereine werden auf die Spieler aufmerksam. Für Doumbia und Gilles Yapi lösen die Berner zweistellige Millionenbeträge, auch die Verkäufe von Doubaï und Hochstrasser spülen Geld in die ohnehin schon prall gefüllte Kasse. Ersetzt werden sie mehrheitlich durch hoch talentierte Ivorer, die sich schnell einleben. Sportlich läuft es weiterhin optimal (dritte Qualifikation für die Champions League in Folge), doch es kommt zum Knatsch mit Hakan Yakin, der sich öffentlich über seine Reservistenrolle beklagt. Überraschend verkündet er im Herbst seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, in der er bis zuletzt unbestrittener Stammspieler war. Er unterschreibt im Winter beim FC Sion, der nach wie vor erfolglos um den Aufstieg kämpft, einen 10-Jahres-Vertrag. Als Botschafter für den Walliser Fussball soll er den Verein erst ins Oberhaus schiessen und fortan die Jungen in der Akademie ausbilden. Zum Saisonende schliesst sich ihm Alex Frei an, der damit einen Beitrag dazu leistet, die finanziellen Sorgen der Basler etwas zu lindern. Erstmals seit Ewigkeiten hatte sich der FCB 2010/11 nicht für Europa qualifiziert, mit erschreckenden 28 Punkten Rückstand auf Meister YB. Aufgrund der Schuldenlast trifft sich die Basler Klubführung mit einem interessierten Investor, dessen schwerreicher Halbbruder aus dem arabischen Raum angeblich den Verein grosszügig unterstützen will.
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Text: Andreas Kneubühler und Romano Spadini / Illustration: Zoran Lucic
Auf dem Rücksitz nach St.Gallen Er spielte für Real Madrid und Inter Mailand. Seine Karriere begann Ivan Zamorano aber in St.Gallen. Dort ist er eine Legende – nicht nur wegen seiner Tore.
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lar, da gab es den Meistertitel im Jahr 2000. Und sonst? Der FC St. Gallenwurde ein paarmal Wintermeister und verlor in den letzten 40 Jahren zwei Cupfinals. In Erinnerung blieben einige wenige internationale Auftritte: Gegen Inter Mailand 1985. Gegen Chelsea 2000. Es gab diese Underdog-Siege, in denen technisch überlegene Mannschaften aus der Westschweiz niedergekämpft wurden, vorzugsweise auf schneebedecktem Terrain im E spenmoos. Die St. Galler Klubhistorie ist denn auch eher eine Leidensgeschichte. Oft Abstiegskampf und nur selten Finalrunde. Viel Krampf und Kampf. Aber nicht immer: Es gab auch die beiden Saisons mit Ivan Zamorano, später Sevilla, Real Madrid, Inter Mailand. Genau genommen war es nur eine halbe Saison, in welcher der grünweisse Fussball plötzlich ganz anders war: aufregend, beschwingt und erfolgreich – dank Zamorano. 1988 startete der Chilene seine grosse Karriere in St.Gallen, 1990 wurde er zu Sevilla transferiert. Zurück blieben die Erinnerungen an einen
S pieler, der mit seiner Ausstrahlung und seinem Können die Anhänger in der Ostschweiz begeisterte wie kein Spieler vor oder nach ihm. Es hatte einige Umwege gebraucht, bis Zamorano überhaupt in der Ostschweiz landete. Verpflichtet wurde er 1988 vom Serie-A-Klub AC Bologna. Ursprünglich wäre für die Italiener auch eine Ausleihe des Chilenen zu GC infrage gekommen. Doch Manager Erich Vogel lehnte dankend ab: «Zamorano verfügt nicht über die besten Zeugnisse. Der wird keine Stricke zerreissen.» Beim FCSG sah man das anders. In das Geschäft involviert war der Spielervermittler Vinicio F ioranelli, im Nebenamt Pizzeriabesitzer in Herisau. Zuerst schien alles ein Missverständnis zu sein. Der 21-jährige Zamorano fiel in Bologna durch. Erzählt wird, der Trainer habe bloss einen Blick auf den schmächtigen Jüngling geworfen, um ihn sogleich als untauglich einzustufen: Zu leichtgewichtig für das Stahlbad Serie A. Möglicherweise um seine Investition zu retten oder auch aus purem Fussballsachverstand suchte Fioranelli eine
Lösung. Der Plan: Der Stürmer sollte in der Schweiz aufgebaut werden. Versteckt auf dem Rücksitz wurde der Fussballer, der kein Visum hatte, von Fioranelli über die Schweizer Grenze geschmuggelt und dann in einem eilends organisierten Testspiel gegen Schaffhausen zur Begutachtung präsentiert. Er soll als anonymer «Mr. X» auf dem Matchblatt verzeichnet gewesen sein. Stunden vor Transferschluss unterschrieben die St.Galler den Leihvertrag im Restaurant Rössli in Niederwil (SG). Danach ging es nicht gleich los mit Ivan Zamorano und dem FCSG. Nach der Pleite zum Saisonstart in Luzern b egann sich der Anhang der Ostschweizer bereits auszurechnen, dass es wohl wieder nur für die Abstiegsrunde reichen würde. Zwar hatte man bereits von einer Neuverpflichtung mit dem Übernamen «Bam-BamZamorano» gehört. Aber auch in Zeiten, als Bumm-Bumm-Becker in Wimbledon für Furore sorgte, klang Bam-BamZamorano in Ostschweizer Ohren wie ein schlechter Witz. Schlimmer noch, es klang nach einem dieser Discount-Käufe, für welche die Führung des Vereins nicht unbekannt war. Sein Debüt absolvierte der Chilene für das von Markus Frei trainierte St. Gallen am 2. Spieltag der Saison 1988/89 bei der 1:2-Heimniederlage gegen Lausanne. Und auch in Runde drei ging St. Gallen als Verlierer vom Platz. Daraufhin brannte bei den Ostschweizern schon der Baum: Trainer Frei musste das Zepter an Kurt Jara weitergeben.
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Es dauerte ein paar Spiele, bis Zamorano zum ersten Mal für Geraune im bis dahin ziemlich ruhigen Espenmoos sorgte. Das St. Galler Publikum galt lange als eines der fairsten der Schweiz. Nobel wurden auch gelungene Aktionen des Gegners beklatscht, periodisch unterbrochen vom obligaten «Hopp Sangallä». Das alles änderte sich mit Zamorano. Er brachte Leidenschaft und Siegeswille mit und steckte damit das Publikum an. In seinem vierten Einsatz schoss er drei Tore gegen Lugano, eines davon mit dem Absatz. Euphorisiert nach seiner Glanzleistung, gab er dem «Blick» zu verstehen: «Ich bin nach Europa gekommen, um einer der grössten Spieler der Welt zu werden.» Voller Selbstvertrauen verkündete Zamorano: «Ich schiesse in den restlichen 18 Qualifikationspartien 20 Tore – dann sind wir in der Finalrunde.» Doch der Chilene war oft verletzt und sein nicht immer fairer Einsatz des Ellbogens sprach sich unter den Schiedsrichtern herum. Es gab viele gelbe und auch rote Karten. Letztlich wurde es eine missratene Saison, in der St. Gallen in der Abstiegsrunde spielte. Trotzdem fühlte sich Ivan sehr wohl in St. Gallen, was nicht zuletzt der hingebungsvollen Unterstützung durch Teamkollege Thomas Hengartner und dessen Freundin Anna-Maria zu verdanken war. Begeistert gab Zamorano dem «Blick» Einblicke in sein Innenleben: «Ich bin fast jeden Tag bei den beiden. Thomas und AnnaMaria kümmern sich rührend um mich. In Südamerika sagt man, die Schweizer seien kalte, zurückhaltende Leute. Das stimmt nicht. Ich finde es hier super.» Immerhin: Die Zuschauerzahlen stiegen an. Es hatte sich herumge sprochen, dass ein aussergewöhnlicher Stürmer im grünweissen Dress spielte: kopfballstark, schnell, wendig, mit viel Durchsetzungsvermögen und Tor instinkt. Alles was Zamorano konnte, konnten andere Stürmer zwar auch. Den Ball mit der Brust annehmen und abzie-
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hen. Einen Haken schlagen, noch einen und schiessen. Hochsteigen und einköpfeln. Der grosse Unterschied lag in der Geschwindigkeit – und in der Explosivität. Schneller im Kopf und schneller mit den Beinen, das war Ivan Zamorano. Ein Satz für die Unsterblichkeit Danach folgte diese halbe Saison, von der sie in St. Gallen noch heute schwärmen, wenn sie zur Abwechslung mal über die guten Zeiten reden. Zuvor brauchte es allerdings einige Veränderungen. Die wichtigste: Mutter und Schwester Zamorano reisten aus C hile an und blieben. In der Wohnung in der St.Galler Agglomeration wurde nun richtig gekocht. Das lohnte sich, denn Zamorano erhielt Gesellschaft aus seinem Heimatland. Die Klubleitung hatte weiter investiert und von Bologna Hugo Rubio ausgeliehen. In der Winterpause wurde das Chilenen-Duo schliesslich für 1,5 Mio. Franken definitiv übernommen. Das Geld stammte von privaten Geldgebern. Rubio war der Spielmacher auf dem rechten Flügel, ein kongenialer Passgeber für «Ivan den Schrecklichen». Dazu stiess, ebenfalls aus Chile, der fleissige Arbeiter und Zuträger Paco Mardones. Die drei harmonierten bestens – auf und neben dem Platz. Schnell stieg der Zuschauerschnitt im Espenmoos auf über 11 000, knapp 4000 mehr als in der Saison zuvor! Diesen neuen Fussball des sonst so biederen FCSG mussten alle sehen. Plötzlich ging alles mit Leichtigkeit, was zuvor erlaufen und erkämpft werden musste. Es folgten die legendären Spiele: Das grosse Xamax von Gilbert Gress wurde auswärts mit 3:4 besiegt – alle Tore schoss Zamorano, darunter einen Hattrick innerhalb von dreizehn Minuten. Drei Wochen später traf er gegen YB wieder dreimal, dieses Mal brauchte er dafür bloss sieben Minuten. Die St. Galler lagen im Herbst zumeist an der Tabellenspitze und wurden Wintermeister. Alles schien bereit für den grossen Coup.
In der Vorbereitung für die zweite Saisonhälfte wurde die Mannschaft nach Chile eingeladen – und empfangen, als hiesse der Gast Real Madrid. Der mitgereiste Sportjournalist Peter Wyrsch erinnert sich an Dutzende von Radiound Fernsehstationen, die über die Ankunft berichteten. Noch heute werden Touristen aus St. Gallen in Chile auf Zamorano angesprochen. Im Winter 1990 schien der kleine FCSG plötzlich Teil der grossen Fussballwelt zu sein. Vielleicht war dies der Knackpunkt. Es ging alles zu schnell. Neid spielte eine Rolle. Zwischen der Chilenen-Fraktion und den Schweizern kam es zu Unstimmigkeiten. Der Schwung war weg. Es gab Niederlagen. Auch Trainer Kurt Jara konnte die Risse nicht mehr kitten. St. Gallen erreichte schliesslich bloss den fünften Schlussrang. Zamoranowurde mit 23 Treffern Torschützenkönig, aber sein Abgang war nur noch eine Frage der Zeit. «Pavarotti gehört in die Scala», forderte der «Sport» im Frühjahr 1990. Im August bot der FC Sevilla umgerechnet 3,3 Mio. Franken. Die St. Galler akzeptierten. Der grösste Teil der Summe wanderte in die Tasche der Investoren. Fortan versuchte der FCSG vergeblich, das Erfolgsmodell zu kopieren. Immer neue Spieler aus Südamerika wurden importiert – und verheizt. Keiner war wie Zamorano. Der startete danach eine Weltkarriere: Den verpassten Meistertitel holte er mit Real Madrid und Inter nach. In Madrid erzielte er in 137 Spielen 77 Tore. 2004 kehrte er für das 125-jährige Klubjubiläum nach St. Gallen zurück. Auf die Frage, ob ihn denn der Bratwurstgeruch beim Spielen nicht gestört habe, antwortete Zamorano mit dem Satz, mit dem er sich in St. Gallen fast so unsterblich gemacht hat wie mit seinen Toren: «Im Espenmoos riecht es nicht nach Bratwürsten, dort riecht es nach Leidenschaft.»
Das schwarze Brett Fussballtennis gibt es Gemäss zuverlässigen Quellen r die an zwa die er, Les tatsächlich noch ion von ens Rez ene hien ersc lle dieser Ste der t nich Tony Hawks – nein, das ist ien» ldaw Mo in all tchb Skater – Buch «Ma r abe sich en, hab n ehe ges in ZWÖLF #21 lar mp Exe dennoch nicht umgehend ein natürlich angeschafft haben. So geht das zlich kür die wir men neh nicht. Deshalb the ying «Pla ung film Ver ene erschien ass, Moldovans at Tennis» zum Anl m jede h klic wir h zumindest das Buc t nich es dem en, tich bos zu z ans Her laut h rfac peinlich ist, beim Lesen meh herauslachen zu müssen. r verlorenen der Tony Hawks aufgrund eine Nun wurde die Geschichte, in aft im Tennis sch ann ischen Fussballnationalm Wette die Mitglieder der moldaw tes. Das lech Sch und es Gut filmt. Das hat besiegen musste, also auch ver inderte beh für um entr s-Z rate pok mt dem Hip etwas Gute: Der Erlös der DVD kom ht leic viel ist Schlechte: Der Film. Das sie Kinder in Chisinau zugute. Das kt wir ist, gut r seh Story an sich schon ache gar hart, aber auch wenn die Spr iger witz ks Haw in sie n besser, wen halb doch noch um ein Vielfaches Des d. wir ren Schauspielern aufgeführt erzählt und nicht von mediok nicht lesen jenen zu raten, die entweder nur ist die filmische Umsetzung hätten wohl die r Abe . sind ar ingb te unbezw können oder für die längere Tex gan Aus gslage d. Womit wir wieder bei der kaum dieses Heft in der Han es von Tony dies es Buch! Und zwar nur wären: Kauft euch einfach dies . gut nso eren seien ebe Hawks. Denkt ja nicht, die and chen und nis. DVD (englisch mit rumänis Playing the Moldovans at Ten uten. russischen Untertiteln), 95 Min ien. 350 Seiten, broschiert. ldaw Mo in all tchb Tony Hawks: Ma Goldmann Verlag.
Rubrik
Parabeln und Diagramme Wusstest du, dass alle Teams die gleiche Chancenauswertungsquote haben? Das ist vermutlich die aufsehenerregendste Aussage im Buch von Professor Andreas Heuer. Heuer ist weder Sportwissenschaftler noch Historiker, sondern er doziert an der Universität Münster Physikalische Chemie und interessiert sich wie so viele Männer für die deutsche Bundesliga. Nun hat er ein Buch veröffentlicht, das eher ein Statistikbuch denn ein Fussballbuch ist. Doch Freunde der Zahlen erwarten hier vergebens die «Ewige Torschützenliste» oder die «Meisten Platzverweise». Bei Heuer jagt eine Parabel die nächste, es finden sich Linien- und Punktdiagramme en masse. Heuers Hobbyprodukt ist reine Statistik, aufgelockert mit einem Schuss leicht bekömmlicher Zitate von den Herren auf dem Platz. Und dort liegt ja bekanntlich die Wahrheit. «Der perfekte Tipp», das vom Verlag in der Reihe Wissenschaft herausgegeben wurde, spricht deshalb eine andere Sprache als Biermanns «Fussball-Matrix». Ihnen gemeinsam ist einzig die herrliche Mythenentzauberung: Die Münchner Bayern benötigen kein Dusel, die 3-Punkte-Regelung hemmt keineswegs Remisausgänge – ausser einst in Bosnien, wo es in der Saison 2008/09 3-Heimpunkte-Absprachen gab – und eine exklusive Heimstärke eines Teams gibt es nicht. Nett ist auch zu wissen, dass es den psychologisch ungünstigen Zeitpunkt für ein Gegentor ebenso wenig gibt. Heuer untersuchte gar die Auswirkungen, wenn das Heimteam in den letzten zehn Minuten in Rückstand gerät. Die Statistik weist in diesem Fall nicht eine gesteigerte Offensivstärke nach, sondern vielmehr eine arg geschwächte Defensive. Wir lernen auch: Wenn die vierte beziehungsweise die achte Torchance des Auswärtsteams ein Konter ist, dann landet der Ball eben im Tor. Egal ob der Stürmer Gomez, Kiessling oder Asamoah heisst. (David Mugglin) Andreas Heuer: Der perfekte Tipp. Gebunden, 321 Seiten mit 101 Abbildungen. Verlag Wiley-VCH. Erhältlich im Buchhandel.
Im Bistro Wenn es auf Weihnachten zugeht, können die Zeitungen ihre dicken Werbebeilagen kaum mehr umfassen. Besonders der Buchhandel macht in dieser Zeit penetrant auf seine Dienste aufmerksam, ist doch ein Buch immer ein gutes Geschenk. Ungefährlich, bezahlbar und bildend. Die meiste Aufmerksamkeit erhalten selbstredend die Neuerscheinungen. Ob qualitativ gut oder schlecht, spielt eine untergeordnete Rolle. Hauptsache neu. Denn dann kann man ebendieses Wort in einen roten Stern setzen und schon fällt es auf. Das ist ungerecht. Deshalb wollen wir dem entgegenwirken, indem wir hier explizit für ein total veraltetes und viel zu oft übersehenes Werk die Werbetrommel rühren. Der Autor ist Jean-Jacques Sempé – ja, das ist der mit «Der kleine Nick» – und das schmucke Büchlein aus dem Jahre 1965 trägt den simplen Titel «Monsieur Lambert». Die liebevoll illustrierte Geschichte spielt im Pariser Restaurant «Chez Picard», in dem sich jeden Tag zur Mittagszeit der Protagonist und seine drei Kumpanen einfinden, um über das Essen, die Politik, die Frauen und – natürlich – über Fussball reden. Über die richtige Aufstellung der «Equipe tricolore», über grosse Siege und bittere Niederlagen. Und dies Tag für Tag.
Nur kleine Nuancen unterscheiden die Konversation von derjenigen während des letzten Mittagessens. Bis Monsieur Lambert eine Frau kennenlernt. Sempé zeigt sich als genauer Beobachter und schafft es, dem neugierigen Leser seine karikierten Figuren mit minimalen Mitteln so lebendig zu vermitteln, als sässe man selber am Tisch jenes Bistros. Dessen Atmosphäre vermittelt die einfallsreiche Kombination aus Text und Illustration unter Einbezug der Sprechblasen dabei perfekt. Kurz: «Monsieur Lambert» ist ganz einfach eine herrliche, schlichte Geschichte, die man auch nach über 40 Jahren noch immer täglich lesen könnte. Und damit ein wunderbares Geschenk für alle, die Fussball mögen. Oder Essen. Oder Frauen. Jean-Jacques Sempé: Monsieur Lambert. Gebunden, 56 Seiten. Erschienen im Diogenes-Verlag.
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Der Kampf gegen die Französische Revolution Engländer und Franzosen mochten sich noch nie so richtig. Seit aber der Franzose Michel Platini UEFA-Präsident ist, erreichen die nachbarschaftlichen Beziehungen neue Tiefstwerte.
S
eit der Niederlage der Engländer im Hundertjährigen Krieg (1337 bis 1453) galten Frankreich und England als «natürliche Feinde» im Konzert der europäischen Grossmächte. Die Europäische Union und der Bau des Kanal-Tunnels liessen Engländer und Franzosen zwar in den letzten vierzig Jahren etwas näher zusammenrücken. Doch dicke Freunde wurden die beiden Völker nie. Bis heute bezeichnen Engländer die Franzosen verächtlich
als «Frogs» (Frösche) und die Franzosen umgekehrt ihre englischen Nachbarn als «Rosbif»; so nennen die Franzosen das Roastbeef, aber in diesem Zusammenhang heisst der Begriff etwa so viel wie Inselaffen. Seit Michel Platini im Januar 2007 zum Präsidenten des europäischen Fussballverbandes UEFA gewählt wurde, hat sich das Verhältnis indes weiter abgekühlt. Englische Beleidigungen in Richtung Frankreich sind an der Tagesordnung.
Platini, der unerwünschte Retter Zusammen mit FIFA-Präsident Sepp Blatter ist Michel Platini so etwas wie der Lieblingsfeind der englischen Fussballfans und Fussballfunktionäre. Seine Wahl verdankt der Franzose vor allem den kleineren Fussball-Verbänden (insbesondere jenen aus Osteuropa), denen er im Wahlkampf mehr Einfluss versprach. Rasch nach seiner Wahl setzte der Franzose durch, dass kleinere Verbände mehr feste Startplätze in der Champions League erhielten. Doch das war erst der Anfang. Platini installierte gegen den erbitterten Widerstand der englischen Grossvereine bald auch das Prinzip des «Financial Fairplay» (siehe Kasten). Das Prinzip setzt finanzielle Kriterien fest, die darauf abzielen, die steigende Verschuldung europäischer Fussballklubs aufzuhalten. Insbesondere die von Multimilliardären finanzierten Vereine (v. a. Chelsea und Manchester City) ärgern sich auf der Insel über das «Financial Fairplay». Es bedeutet für sie, dass sie nicht mehr beliebig viele Spieler kaufen können, weil sie nur noch begrenzt Verlust machen dürfen. Doch nicht nur deshalb sind die Briten dagegen. Inakzeptabel ist für sie, dass Platini erklärte, er wolle mit seiner Politik die englischen Vereine vor dem Ruin retten. Er hätte wissen müssen, dass die meisten Engländer lieber bankrottgehen würden, als von einem Franzosen gerettet zu werden. Kapitalismus vs. Sozialismus Für die englische Presse, die den hoch verschuldeten Grossvereinen seit Jahren
unser mann in london
Text: Peter Balzli Bild: iStockphoto
den Rücken stärkt, ist der Fall klar: Es handelt sich um einen Kulturkampf: «England bedroht von der Französischen Revolution» und «Die französisch-sozialistische Fussball-Philosophie muss aufgehalten werden», titelte die Zeitung «Times». Michel Platini gehe es einzig darum, «das angelsächsisch- kapitalistische Fussball-Modell durch ein französisch-sozialistisches zu ersetzen». «Financial Fairplay» führe zu mehr staatlicher Intervention und mehr Bürokratie im Fussball, und das sei gefährlich, schrieb der englische FussballKommentator Martin Samuel damals. Tatsächlich misstraut Platini den Kräften des freien Markts und will mehr Kontrolle. Das Vorbild für ihn ist Frankreich. Dort wacht die Direction Nationale du Contrôle de Gestion (DNCG) über alle Sportvereine und -verbände. In der DNCG sitzen vor allem Politiker und Juristen, und diese können Transfersperren und Budgetlimiten verfügen, aber auch Punkteabzüge oder Zwangsrelegationen verhängen. In diesem Sinn forderte Platini kurz nach seiner Wahl ein Mindestalter beim Transfer junger Spieler, um zu verhindern, dass minderjährige Afrikaner nach Europa reisen und dort verelenden, wenn sie den Sprung in den Profifussball nicht schaffen. Auf der Insel stiess dieser Vorschlag auf wenig Verständnis. Schliesslich hatte beispielsweise Arsenal 2003 den 16-jährigen Cesc Fabregas ablösefrei unter Vertrag genommen und acht Jahre später für 34 Millionen Euro wieder an Barcelona zurückverkauft. Dazu sind Fälle gestrandeter Fussball-Teenager in England ausgesprochen selten. Die meisten davon dürfte es ausgerechnet in Frankreich geben. Und schliesslich führte Platini auch noch ein, dass von den 25 Spielern, die
ein Verein in der Champions und der Europa League melden darf, mindestens 8 «Eigengewächse» sein müssen. Das heisst, dass sie im Alter von 15 bis 21 Jahren mindestens 3 Jahre in einem Verein im entsprechenden Land trainiert haben müssen. Auch das ist ausgesprochen hinderlich für Vereine, die sich alljährlich die besten Nachwuchsspieler der Welt zusammenkaufen. Der vom Milliardär Mohamed Al-Fayed gefütterte FC Fulham etwa hatte in der Saison 2009/10, als er den Europa-LeagueFinal erreichte, grösste Schwierigkeiten, dieses Kriterium zu erfüllen. Klar, dass all diese Massnahmen Platinis in England heftig kritisiert wurden. Die «Times» etwa schrieb ungeschminkt: «Die französischen Vorschläge sind verkleidet in bequemen Phrasen über Chancengleichheit, Kinderschutz und Fairness. Aber Tatsache bleibt, dass die englischen Klubs die führende Kraft im europäischen Fussball sind, und den Franzosen gefällt das nicht.» Und die nächste (Stink-)Bombe Vor ein paar Tagen – als sich die Engländer langsam an den ungeliebten UEFA-Präsidenten zu gewöhnen schienen – liess Platini die nächste Bombe platzen: Er erwäge die Abschaffung der vor nur vier Jahren eingeführten Europa League und die Aufstockung der Champions League von 32 auf 64 Mannschaften. Die britische Presse zerriss die Idee in der Luft. Vielen in England platzte der Kragen. Der prominenteste unter ihnen ist ausgerechnet Platinis Landsmann Arsène Wenger. Unter dem blumigen Titel «Wenger spats Plat» (etwa: Wenger legt sich mit Platini an) lässt Wenger kein gutes Haar an Platinis Idee. Das Ganze würde das Niveau der Champions League senken, und dabei
Financial Fairplay Financial Fairplay ist ein Reglement der UEFA, das zum Ziel hat, die steigende Verschuldung der europäischen Spitzenklubs aufzuhalten und die Chancengleichheit zwischen reichen und armen Vereinen zu erhöhen. Die wichtigste Regel besagt, dass die Einnahmen eines Klubs im Verlauf der letzten drei Jahre die Ausgaben mindestens ausgleichen müssen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird auch das davorliegende Jahr betrachtet, um zu beurteilen, ob zumindest eine positive Entwicklung zu erkennen ist. Sollten die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, kann die Differenz (vorerst nicht mehr als 45 Millionen Euro) durch private Geldgeber oder Investoren ausgeglichen werden. Ab 2018 soll neu verhandelt werden, wie hoch dieser Betrag maximal sein darf – mit dem Ziel, diesen auf Null zu senken. Sollte ein Verein die Regeln nicht einhalten, kann er durch die UEFA sanktioniert werden. Die Vereine haben mit der UEFA vereinbart, die Sanktionen zu akzeptieren. Die aufgeführten Regeln sollten ursprünglich ab der Saison 2013/14 gelten. Die Einführung wurde im März 2010 durch die UEFA und die European Club Association (ECA) auf 2015 verschoben.
habe diese ohnehin schon ein Zuschauerproblem in der Gruppenphase. Er sei grundsätzlich gegen die Schaffung einer solchen europäischen Liga, weil sie die nationalen Ligen untergraben würde. Zwar ist der Entscheid, die Europa League abzuschaffen, noch längst nicht gefallen. Aber wenn sich Platini etwas in den Kopf setzte, dann hat er sich bisher fast immer durchgesetzt. Auch gegen den Widerstand der Engländer. Es sieht ganz so aus, als würde der Hundertjährige Krieg 559 Jahre nach der letzten Schlacht im Fussball noch eine Weile weitertoben.
stand FCSG-Klubvor hlreichen g gerne an die za s un rn doch so richti ne in Wir er hatten wir es a D . hr Ja zu s te el letz e vom FCSG vi Begegnungen d dann sind Si un – seier au nd as w na et ei s leider schön mit un ir w n be ha euen, . Seither würden uns fr ir früh gegangen W e. Si n se . Wir vermis uben wir uns, nandergelebt en. Daher erla eh us rz de ie w bald zu wünschen. Sie möglichst ein gutes Jahr 13 20 r fü ch no Ihnen nur e League Ihre Challeng
Sehr geehrter
ur le Président
Bonjour Monsie
nen auch möchten wir Ih Wie jedes Jahr beit ge Zusammenar heuer für die en uen issen Ihr Vertra danken. Wir w n ein ne Ih n d wünsche zu schätzen un eiches 2013! abwechslungsr
Sehr geehrter Herr Mehmedi atischen BeWie Sie unter misslichsten klim re Ersatzbänke dingungen Woche für Woche unse n von grossem scho ausgiebig testen, das zeugt Bank! Ihre eine sind Durchhaltevermögen. Sie weiter dend chei ents Erkenntnisse halfen uns Modells, sten neue res unse bei der Entwicklung mals! viel e Dank g». schi flau a dem «Xhaka extr sitze genauso! Wir hoffen, das nächste Jahr Ihre RECARO
V Ihr Walliser RA
Sehr geehrte Damen und Herren von Swiss Sailing Ihre Nation macht dem Ruf, ein Volk von Seefah rern zu sein, alle Ehre! So viele Leuchtraketen wie in der Schwe iz haben wir noch in kein Binnenland verkauft. Wir freuen uns sehr über diesen treuen Kundenstamm, der vor jedem Woche nende riesige Mengen an Seenotfackeln bestellt. Gleichzeitig sorgen wir uns auch ein wenig um die Sicherheit auf Ihren Gewässern. Erleiden derart viele Schweizer Havarie? Wir wünschen Ihnen ein 2013 mit möglichst wenig
Unfällen!
T.I.F.O. Fackeln, Mocalieri, Italia
ew n dann nicht Herr Tschagaj ut, irgendwan G er . rt en eh m ge m in hr ko Se herum ge so schön wie r Swissair viel n nur sagen, de ne it ih m lte ja ol n W bi Ich r Sache. r! Die haben eschenkkultu t hier nichts zu G tu e s es da di er m ab le al ären mehr, nirgends. Vor h. Denn wo w ien fand ich es h Ihnen herzlic ic e nk da ir Tschertschen W ür ! af B eiz. D Jahr? Im cht in die Schw ax vor einem m Xa it zu m ul ug sie ja mitgebra n Rückz rf doch B at r Bulat. Ich da uneigennützige n be re lie Ih n, ne ne he Ih oh lic wir lkstüm itel deshalb Videowand vo intermeister-T f der Stadionau it, nz zu widmen den W re be ee ch au n Lorb rkra Gerne sind wir gümper in eine eu H n de hrung r Ihnen sagen? fa de Er O igen. ir haben r Heimat zu ze m Besuch. W ne ei it m al it m Tänze aus Ihre und! M den ren uns che, Sie beeh felhaftem Leum sa ei pt zw au un H it n. m de klei ter Investoren dré Dosé. ng gut genähr ues Jahr. Ihr An ne s in der Bewirtu he ic sl es spri hen für ein er besten Wünsc
Fussball-Smalltalk Die meistbenutzten Stichwörter auf Fcbforum.ch sind neben dem offensichtlichen «FCB» «Muttenzerkurve», «Jahreskarte», «Zürcher» und «Gaggi». In der Europa-League-Partie in der Basel-Gruppe am 4. Oktober 2012 zwischen Videoton Székesfehérvár und Sporting Lissabon (3:0) standen aufseiten der Ungarn mehr Portugiesen (3) in der Aufstellung als für Lissabon (2). In der 1964 eingeführten ungarischen Profiliga Nemzeti Bajnokság gab es erst drei ausländische Torschützenkönige. Die traditionelle Boxing-Day-Runde am 26. Dezember brachte 1963 eine unglaubliche Torflut: Im Schnitt fielen damals pro Spiel 6,6 Tore. Das Nationalteam von Guam absolvierte bislang 28 Pflichtspiele, woraus ein Torverhältnis von 9:267 resultierte. Immerhin gab es an den letzten Südpazifikspielen den ersten Sieg, ein 2:0 über Amerikanisch Samoa. Der norwegische Flügelspieler Morten Gamst Pedersen (Blackburn Rovers) war auch Frontmann der Boygroup The Players, die bis 2009 aktiv war. Auch die anderen Bandmitglieder waren allesamt Fussballprofis: Kristofer Hæstad (Vålerenga), Freddy dos Santos (Vålerenga), Øyvind Svenning (Randaberg) und Raymond Kviskvik (Fredrikstad). Letzterer ist übrigens auch vierfacher norwegischer Unihockey-Nationalspieler und vierfacher Meister mit seinem Unihockey-Team Greåker Bulldogs. Steve Bruce, von 1987 bis 1996 Spieler von Manchester United und seit Karriereende schon Trainer bei acht Profiklubs, veröffentlichte drei Romane über die Erlebnisse des fiktiven Managers «Steve Barnes» («Sweeper!», «Defender!» und «Striker!») und bezeichnete sie selber als «der grösste Haufen Scheisse, der je geschrieben wurde». Noch nie gab es in der 1992 eingeführten Premier League einen englischen Meistertrainer. Laughter Chilembe, Have-A-Look Dube, Givemore Manuella, Gift Lunga, Method Mwanyazi, Clever Muzuva, Limited Chicafa und Danger Fourpence spielten alle für CAPS United F.C. in Simbabwe. Die Champions-League-Hymne ist nicht im Handel erhältlich. Der 21-jährige schwedische Student Vugar Huseynzade wurde im November als neuer Manager des FC Baku aus Aserbaidschan vorgestellt. Sein Leistungsausweis: Er gewann mit dem englischen Viertligisten Aldershot Town die Europa League – im PC-Spiel «Football Manager 2013». Damit stach er Mitbewerber wie Jean-Pierre Papin aus. Fernando Torres hat bei Chelsea einen Schnitt von 2,75 Toren pro Trainer.
Folgende Mannschaften veröffentlichten schon Singles, die in den Top Ten der britischen Charts landeten: Manchester United (6), die englische Nationalmannschaft (3), die schottische Nationalmannschaft (2), Liverpool (2), Leeds United (2), Chelsea und Tottenham. Für Platz 1 reichte es nur zweimal den «Three Lions» und einmal Manchester. Das grosse SSC Napoli mit dem Star Diego Armando Maradona überstand bei seinen Teilnahmen im Europapokal der Landesmeister insgesamt nur eine einzige Runde. 1987 war schon in der ersten Runde Endstation, 1990 wurde immerhin Ujpest Dósza aus dem Weg geräumt, bevor man an Spartak Moskau hängen blieb. Das Ehepaar mit den meisten Länderspielen bilden die Isländer Hermann Hreiðarsson und Ragna Lóa Stefánsdóttir. Er lief 89 Mal im Nationaldress auf, sie 35 Mal, macht zusammen 124. Dem am nächsten kommen die US-Amerikaner Claudio Reyna und Danielle Egan (111/6). Roger García (Espanyol/Villareal) traf zwischen Oktober 2002 und März 2004 drei Mal mit Weitschüssen aus der eigenen Hälfte. Sam Hammam, der libanesische Klubboss von Wimbledon, schrieb in der Saison 1998/99 seinen Spielern in den Vertrag, dass er sie bei einer Niederlage mit fünf Toren Unterschied zwingen könne, eine Oper zu besuchen und eine Auswahl von libanesischen Innereien-Spezialitäten – «von Schafshoden bis Hirn» – zu essen. Die «Crazy Gang» kam um dieses zweifelhafte Vergnügen herum, die höchste Klatsche dieser Spielzeit war ein 1:5 bei Arsenal. Youri Djorkaeff bat 2006 seinen damaligen Verein New York Red Bulls um eine kurzfristige Freistellung wegen «einer unerwarteten, ernsthaften Familienangelegenheit». Fernsehkameras fingen ihn aber ein, wie er in Frankfurt inmitten französischer Fans den 1:0-WM-Viertelfinalsieg der «Equipe tricolore» über Brasilien feierte.
«ZWÖLF – Fussball-Geschichten aus der Schweiz» wird von ZWÖLF – Verein für Fussball-Kultur mit Sitz in Bern herausgegeben. ZWÖLF erscheint sechs Mal pro Jahr. Verein und Magazin sind unabhängig. Meinungen von Autoren müssen sich nicht mit jenen der Redaktion decken. Kontakt: www.zwoelf.ch ZWÖLF auf facebook.com info@zwoelf.ch leserbriefe@zwoelf.ch Herausgegeben von: ZWÖLF – Verein für Fussballkultur Postfach 8951 3001 Bern PC 60-668720-9 Gian-Andri Casutt, Präsident Abonnemente: ZWÖLF – Das Fussball Magazin. Leserservice, Postfach, CH-6002 Luzern, Tel.: 041 329 23 10. Fax: 041 329 23 03. E-Mail: zwoelf@leserservice.ch Jahresabo (6 Ausgaben/39.– CHF) per Gratis-SMS an 919 mit ABO12 und Adresse (Beispiel: ABO12 Max Muster, Sportweg 12, 8000 Torhausen) Vertrieb: MDS – Media Data Services AG Chefredaktor: Mämä Sykora Stv. Chefredaktor: Sandro Danilo Spadini ZWÖLF, Postfach 8951, 3001 Bern Redaktion: Wolf Röcken, Silvan Lerch, Silvan Kämpfen, Claudio Spescha. Autoren dieser Ausgabe: Peter Balzli, Michele Coviello, Manuel Jakob, Silvan Kämpfen, Andreas Kneubühler, Silvan Lerch, Claudio Miozzari, Romano Spadini, Remo Vogel, Re Wilk. Bild: André Bex (Bildchef), Janosch Abel, Claudio Baeggli, Christian Breitler, Frank Blaser, Florian Kalotay (Cover), Zoran Lucic. Anzeigen: Kilian Gasser Medienvermarktung GmbH Hellgasse 12, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46 kg@kiliangasser.ch Marco Durisch, durisch@zwoelf.ch, Tel. 079 221 11 12
Sowohl im ersten Spiel der Vereinsgeschichte wie auch im ersten Pflichtspiel – beides 1892 – stellte der FC Liverpool keinen einzigen Engländer, dafür 11 Schotten auf. Real Madrid Castilla, die Reservemannschaft der Königlichen, stand 1980 im Finale der Copa del Rey und traf dort auf Real Madrid. Trotz der 1:6-Niederlage war Castilla damit in der Folgesaison die bislang einzige B-Mannschaft, die sich für den Europacup qualifizierte (Out in Runde 1 gegen West Ham nach Verlängerung). Željko Vukovic´ kam als Verteidiger in Diensten des FC Kärnten im stolzen Alter von 39 Jahren und 8 Monaten unter Otto Baric zu seinem Debüt in der österreichischen Nationalmannschaft.
Gestaltungskonzept, Art Direction: bex.fm, Badenerstrasse 415, 8003 Zürich André Bex, Visueller Gestalter (FH) www.bex.fm Druck: Neidhart + Schön AG, Dorfstrasse 29, 8037 Zürich Auflage: 10 000 Exemplare ISSN Nummer: 1662-2456
Das nächste Heft erscheint Im Februar 2013. ZWÖLF gefällt auch online: www.facebook.com/zwoelfmagazin
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