CHF 6.50 Euro 6.00
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Juli / August 2013
revolution Ugs | Düdelingen | gretarsson verwaltungsrat | diego benaglio
Damit Ihr Lieblingssport Sie nicht ans Bett fesselt: das Präventionsprogramm «Sport Basics».
10 Übungen für alle Ballsportlerinnen und -sportler: Sie trainieren Ihre Muskeln, verbessern die Körperstabilität und die Bewegungskoordination. Erhältlich auf DVD (Bestell-Nr. 373.d) und als App. Weitere Infos: www.suva.ch/sportbasics
ZWÖLF
schreibt geschichte J
a, wir waren gelangweilt. Gelangweilt und verärgert. Weil die allermeisten Ligen einmal mehr schon im Frühling entschieden waren. Weil immer dieselben Mannschaften vorne stehen. Weil in der Champions League oft die ewiggleichen Duelle ausgetragen werden. Weil andauernd unsinnige Handelfmeter gepfiffen werden. Weil sich Fussballer bei jeder Berührung eine gefühlte Ewigkeit auf dem Boden wälzen. Weil viele Vereine geschröpft und unfair behandelt statt gefördert werden. Weil, weil, weil. Hundert-, tausendfach. Und statt die «Früher war alles besser»-Keule auszupacken, haben wir den ersten ZWÖLF-Kongress einberufen und nächtelang darüber diskutiert, wie man den Fussball besser, lieber, schöner, spannender, fairer und attraktiver machen könnte. Wir haben tonnenweise Reglemente durchgeackert und Excel-Tabellen in Acht-Punkt-Schrift ausgewertet, Entwicklungen analysiert und unzählige Stellen mit fürchterlich komplizierten Nachfragen belästigt. Und vor allem haben wir exzessiv unseren Teil zur Verknappung von Rohstoffen wie Kaffee und Hopfen beigetragen. Bis wir die Faust nicht nur im Sack machten, sondern sie gemeinsam in die Höhe reckten, uns zunickten und einig waren: Es ist Zeit für eine Revolution! Eine weiter reichende als die Französische, eine friedlichere als die Nelkenrevolution und eine überfälligere als die Samtene. Deshalb präsentieren wir euch in diesem Heft unsere eigene grosse Fussball-Revolution. Durchdacht bis in kleinste Detail und mit mehr Zündstoff als Christoph Meilis gerettete Akten. Und weil wir schon mal grössere Zusammenhänge endlich begriffen haben, nutzten wir die Gelegenheit gleich, um mal aufzuzeigen, wer in unseren Klubs eigentlich das Sagen hat. Längst gibt es keine Patrons mehr, die in Alleinregie Spieler holen und Trainer feuern – ausser im wilden Walliser Westen. Heute dominieren undurchsichtige Konstrukte aus Holdings, AGs und Investoren. Das neue Machtzentrum heisst Verwaltungsrat, und diese Macht bekamen in dieser Saison so viele Trainer wie noch nie zu spüren. Unliebsames zu spüren bekam diese Saison auch Red Bull Salzburg. Die österreichischen Millionarios scheiterten in der Champions-League-Quali an F91 Düdelingen. Der Coup des luxemburgischen Meisters sorgte europaweit für Schadenfreude und bei ZWÖLF für exorbitante Reisespesen. Unser luxemburgischer Praktikant scheute nämlich weder Mühen noch Kosten, als er in der Heimat der Frage nachging, ob die standhafte Weigerung seiner Landsleute, sich dem Profitum zu verschreiben, tatsächlich so gut funktioniere. Auch sonst reisten wir wieder unglaublich weit. Im bezaubernden Stade de Frontenex verfolgten wir den tiefen Fall eines weiteren Genfer Traditionsvereins, UGS. Wir spürten FCL-Ikone Sigur∂ur Grétarsson in Island auf, damit wir endlich mal diesen lustigen Buchstaben ∂ benutzen können. Wir fingen den Nati-Keeper aus Wolfsburg ab und dürfen an dieser Stelle – was die bedrohlich starke Bündner Fraktion bei ZWÖLF besonders freut – dem FC Chur 97 herzlich zum Aufstieg in die 1. Liga Classic gratulieren. Und jetzt: Hasta la victoria siempre! Mit gestreckter Faust Euer ZWÖLF
Cover: Emanuel Roth
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Einlaufen 6
Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton
6
Wie gesagt, äh…: Fussballer reden
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Das Billett: Millionenschuss in Aarau
7
Die Tabelle: Die Kehraus-Könige
8
Die Liste: Fussball, leicht verschoben
10 Auswärtsfahrt: Beim Cup des Thai-Königs 12 Turnier-Irrsinn: Interkontinentale Schlachten 13
Das Fundstück: Erinnerungen ans Comunale
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Barbesuch: Finaler Fado in Zürich
Rubriken 46
53 56
Unser Mann in London: Peter Balzli über den unbeliebtesten Spieler der Premier League Das schwarze Brett: Brüder, Apps und Schuhwerk Schweizerreise: Der unbemerkte Niedergang der einst stolzen UGS
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NLA-Legende: Mit Sigur∂ur Grétarsson kam der Erfolg nach Luzern
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Smalltalk und Impressum
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32 Was nun, Hatsch? Das triste Ende der Karriere von Yakin dem Jüngeren. 34 Die Ruhe selbst Diego Benaglio lässt seine ungewöhnlichen Karrierestationen Revue passieren. 40 Salzburger Albtraum In Luxemburg balanciert man auf dem schmalen Grat zwischen Profitum und Amateurismus. 48
Die heimliche Macht Kaum einer kennt ihre Mitglieder, obwohl sie praktisch alles in den Klubs bestimmen: die Verwaltungsräte.
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Bieler Chaostage Mit einem neuen Konzept wollte der FC Biel durchstarten. Dabei blieb kaum ein Stein auf dem anderen.
65 Football on Ice Wenn Fussball doch nur viel mehr wie Eishockey wäre …
DIE ZWÖLF-REVOLUTION Das Programm, das die Fussballwelt verändern wird!
18 Regelfest: Wenige Anpassungen reichen, um die Diskussionen um Schwalben, Simulieren, Hands und Fehlentscheide zu beenden. 21 Europa umwälzen: Unser Gegenentwurf für eine faire Champions League und damit ausgeglichenere Ligen. 27 Strukturprobleme: Kein weiterer Fall Xamax, dafür mehr Verantwortung für die Spieler. 28 Fussball ist Kultur: Auch der Fussball hat ein Recht auf Subventionen!
Planet Constantin «Margairaz rebellierte wenigstens. Das habe ich von der Mannschaft auf dem Platz nicht gesehen. Er ist halt ein Winnertyp.» Merke: Fluche unflätig, beschimpfe den Präsidenten, gehe auf ihn los – und du bist CCs Darling, oder hast ehrlich Angst davor, dass der auch noch wegläuft. Constantin im «Walliser Bote» nach der vereitelten Attacke von Xavier Margairaz.
«Spieler mit Charakter habe ich lieber als lebende Tote.» Macht auf dem Platz ja auch durchaus Sinn. CC in der «Sonntagszeitung».
«Diese Saison ist versch…, weil wir nie Fussball gespielt haben.» Man müsste den Spielern halt mitteilen, ob man von ihnen Fussball verlangt – oder mit ihnen «Reise nach Jerusalem» spielt und „Mensch ärgere dich“. CC regt sich in «Le Matin» auf.
«Das Schlimmste an allem: Ich liebe vertrackte Situationen. Aber ehrlich gesagt, weiss ich gar nicht, ob das mit dem FC Sion zusammenhängt oder mit den vertrackten Situationen generell.» CC ist Sion ist eine vertrackte Situation. Und umgekehrt. Wer hat da schon den Durchblick?
«Nein, das stimmt nicht. Wenn ich wählen könnte, würde ich schon gerne gewinnen.» Constantin auf die Nachfrage, ob er solche vertrackten Situationen denn nicht regelrecht suche.
«Ich habe es gemacht, wie die Kommunisten: Alle Macht den Spielern. Ich überliess die Macht für einen Monat der kommunistischen Partei Italiens. Es war die schlimmste Zeit für Sion.» Also blitzschnell wieder zurück zur Diktatur! Constantin gegenüber «Canal 9».
«Wenn ich 200 Soldaten habe und ich muss 20 opfern, um uns zu retten, mache ich das natürlich.» Kleiner Einblick in die wahre Kadergrösse Sions. Oder wie haben wir das zu verstehen? CC auf «Canal 9».
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wie gesagt, äh . . . Wir kennen sie nicht, Manuela (31), Bürofachfrau aus Baar ZG. Wir wollen sie eigentlich auch nicht kennenlernen, Manuela (31). Wir möchten aber erfahren, wie die Dinger heissen, von denen Manuela (31) mutmasslich viel nahm, um so lustig zu werden, dass sie die Frage des «Blicks», wen sie nicht von der Bettkante stossen würde, mit… «Köbi Kuhn» beantwortete.
Lustig war in den letzten Wochen auch Uli Forte unterwegs. «Ich möchte so unabhängig sein, als hätte ich 100 Millionen auf dem Konto, leider habe ich nur 10 Millionen.» Entsprechende Rückfrage des «Tagi». Antwort Forte: «Nein, Dinar.» Noch interessanter war im selben Interview aber eine andere Antwort Fortes: «Die Mannschaft ist eine Schafherde, die unterwegs ist, und ich bin der Hirte, der schaut, dass alle dabeibleiben und keiner verloren geht.» Als der Grossteil der Leser die «Tagi»-Ausgabe mit diesem Interview am Samstag vor Augen hatte, war allerdings der Hirte selber schon auf dem Weg zum neuen Weideland Stade de Suisse. Völlig vergrast hatte sich am gleichen Tag bekanntlich der «Blick», dessen YB-Korrespondenten keine neuen Feinde mehr brauchen. Nur wenige Monate nach dem Märchen von Kuno Lauener, der YB mit Freunden übernehmen sollte, legte das Blatt nach: «Sforza zu YB!», brüllte die Titelseite. Nur das Okay der Rihs-Brüder fehle noch. Online verschwand der Artikel übrigens kurz nach dem Mittag, gedruckt war er halt schon.
Vorsichtiger hätte vielleicht auch Valon Behrami vorgehen sollen. «Wir haben ein Team mit vielen jungen Spielern, die sich nicht zu viele Gedanken machen», charakterisierte er in der NZZ die Schweizer Nationalmannschaft. Zu welcher Kategorie sich wohl Behrami selber zählt? Er ist 28. Mehr Lebenserfahrung weist der Trainer der leidgeprüften AC Bellinzona auf. Hier fehle es nicht nur an Geld, wetterte Martin Andermatt im «Blick» in einem der seltenen Momente, in denen er eben mal richtig wetterte. «Es mangelt auch an kleinen Dingen, die in der Summe auf die Moral schlagen. Zum Beispiel wird unsere Wäsche nicht sauber gewaschen, Leibchen falsch bedruckt. Oder schauen Sie sich den Rasen an. Ich bat den Verantwortlichen, diesen zu schneiden. Er hat ihn zwei Millimeter gestutzt. Vielleicht wollte er den Rasensack nur einmal leeren.»
In Bellinzona geht das nicht, in Dietikon würds eventuell reichen. Der dortige FC trainiert dreimal in der Woche von 20.30 bis 22 Uhr. Da reicht die Puste nicht lang, wie Dieti-Trainer Boris Smiljanic der «Zentralschweiz am Sonntag» verriet. «Wenn ich den Spielern sage, macht mal drei Runden um den Platz, erscheinen sie nächste Woche nicht mehr im Training.»
das billeTt Lieber nicht im Training als nicht im Spiel. Thuns Trainer Urs Fischer vor dem Spiel gegen Lausanne in der knallharten Analyse: «Wir werden auch gegen Lausanne elf Spieler auf den Platz bringen.» Er sollte recht behalten. Derart Erstaunliches hat immer eine gute Chance, es in die Medien zu schaffen. Das fanden die Medienforscher Galtung und Ruge schon vor Jahrzehnten heraus. Sie erstellten die Liste der Nachrichtenfaktoren und hielten fest, dass Überraschendes die grösste Chance hat, zur Nachricht zu werden. Und weil es tatsächlich ziemlich überraschend und erstaunlich war, schaffte es die folgende Schlagzeile landesweit im April in die Medien: «Sepp Blatter handelte nicht korrupt.»
Wird der FC Aarau in der neuen Saison der neue FC Thun? Man freut sich in Aarau auf jeden Fall schon mal über jede zusätzliche Zeile, in der es um Aarau gehen wird. Der Imagegewinn durch den FCA sei der grösste Wert für die Region, sagt FCA-Pressechef Remo Conoci: «Wie oft berichten nationale Medien sonst über Aarau?» Da räuspern wir uns dreimal und halten – diskret, wie wir sind – die letzte ZWÖLF-Ausgabe mit dem BrügglifeldCover in die Kameras. Bis dahin bleiben wir hellwach, wie Aleksandar Dragovic im BaZ-Interview: «Ehrlich gesagt, ich finde das Thema Müdigkeit eine faule Ausrede.» Logisch: Müdigkeit – faul, checksch nä, Dragovic? Wenig später im selben Interview wird auch klar, weshalb sich Drago so kompetent über Müdigkeit äussern kann. Dann erzählt er nämlich von seinen traditionellen Mittagsschläfchen – die er je länger, je weniger nötig habe. Er ist schon ein richtig Grosser, der Drago!
Gross war auch die Saison der Grasshoppers. Ein Teil lag sicher an den messerscharfen Analysen der GC-Profis. So wusste zum Beispiel Shkelzen Gashi, wie man nach dem 0:1-Pausenrückstand bei YB nun fortzufahren gedenke: «Wir müssen das 1:1 schiessen, und dann können wir die Aufholjagd starten.» Und Kollege Hajrovic rundete die Mathematik-Stunde nach dem Cupfinal so ab: «Wir hatten einfach die hundertprozentigeren Chancen als der FCB.» Wer weiss, vielleicht hatten die beiden den gleichen Lehrer wie Klubikone Stéphane Chapuisat und dessen ehemaliger Mitspieler Michael Zorc. Der Dortmund-Manager bewies im Interview mit «Sport1» am Vorabend des Champions-League-Finals Übersicht und trumpfte mit stringenter Beweisführung auf: «Wir sind Aussenseiter, aber die Chancen stehen 50 zu 50, ist ja klar!» Sonnenklar, Susi!
Und zum Schluss die Arbeitsbedingungen von Rolf Fringer. Frage: Würden Sie unter Christian Constantin arbeiten? «Ja, für ein verlängertes Wochenende.»
Text: Michael Spillmann
FC Aarau - Omonia Nikosia, Brügglifeld 1. September 1993 Der frischgebackene Schweizer Meister durfte bei den Grossen mitspielen. Champions League hiess es damals neu. Die Matchzeitung blieb bei «Europacup der Landesmeister» und titelte trotz Hinspiel-Niederlage des FCA keck: «Heiss auf den Millionenschuss». Über 8000 Zuschauer im Brügglifeld! Das Märchen der Aarauer ging weiter: Marcel Heldmann und Arne Stiel schossen die Tore. René Weiler kam in der 90. Minute rein, für Ratinho. Petar Aleksandrov trug sein Glücks-Stirnband. In der nächsten Runde spielte der FCA gegen die grosse AC Milan. Und verpasste den Millionenschuss wegen eines mickrigen Törchens.
Die Tabelle
ZWÖLF präsentiert den Tabellenstand der Super League.
Rang
Klub
SpielE
schnitt
1.
FC Zürich
10
2,3
2.
FC Basel
10
2,1
3.
FC Luzern
7
1,71
4.
Young Boys
10
1,6
5.
FC Sion
7
1,57
FC Thun
7
1,57
7.
Lausanne
2
1,5
8.
FC St. Gallen
8
1,12
9.
GCZ
10
0,8
10.
Servette FC
2
0
Diesmal: Die Punkteausbeute am letzten Spieltag. Die Teams wollen ihre Fans versöhnlich in die Sommerpause verabschieden. Während dem FC Zürich dies in aller Regelmässigkeit gelang, konnte der Stadtrivale GC die Fans nur selten mit einem Sieg zum Abschluss vertrösten.
7
Die Liste
Verschoben und verschroben Bahamas statt Cup
Es gibt wenige Konstanten im Schweizer Fussball. Eine davon war, den Cupfinal entweder am Oster- oder am Pfingstmontag auszutragen – je nachdem, wie früh im Jahr Jesus jeweils auferstand. Das war 83 lange Jahre der Fall, bis 2009. YB bereitete sich schon auf ein weiteres Versagen gegen Sion vor, da wurde der Cupfinal kurzerhand auf Mittwoch, 20. Mai, 20:30 Uhr verschoben. Ein Cupfinal an einem Werktagabend, dafür musste es schon triftige Gründe geben. In der Tat war es ein Fall von höherer Gewalt. Immerhin lud die FIFA genau an Pfingsten zu einem Kongress auf die Bahamas, weshalb SFV-Präsident Ralph Zloczower und Generalsekretär Peter Gilliéron unabkömmlich waren. Aber was hat denn der FIFAKongress mit dem Cupfinal zu tun, Herr Zloczower? «Ich und
der Generalsekretär könnten am Cupfinal nicht dabei sein.» Die Absurdität, dass YB und Sion auch spielen könnten ohne die zweifellos überaus wichtigen Männer im Stadion,
8
kommentierte SFV-Hausjurist Robert Breiter so: «Der Cup ist der Wettbewerb des Schweizerischen Fussballverbandes schlechthin. Da wäre es doch ein Witz, wenn die Mitglieder des Zentralvorstandes nicht anwesend wären.» Ein Witz war wohl eher, dass der Final deswegen verschoben wurde.
mitleidige (oder bemitleidenswerte) Leser, schliesslich finde ein Weihnachts-Sonntagsverkauf statt, weshalb alle Parkhäuser in Aarau belegt seien und die Polizei einen neuen Parkierplan verlangt habe, wo doch auch auf dem Parkplatz
Brügglischneefeld Wenn im Schweizer Cup die Achtelfinals anstehen, ist Frau Holle stets besonders fleissig. Mitte Dezember kämpfen Platzwarte jeweils gegen Schneemassen und rüsten Armeen von Freiwilligen vor dem grossen Tag mit Schaufeln aus. Ist der Kampf aussichtslos, belassen es die Vereine meist bei einer kurzen Mitteilung: «Das Spiel muss wegen unbespielbaren Terrains verschoben werden.» Nicht so der FC Aarau, dessen Partie gegen St. Gallen 2012 dem Schnee zum Opfer gefallen war. Das Communiqué erklärte lang und breit, wie die Auflage des SFV, die Schneehaufen aus dem Stadion zu tragen, dazu geführt hätte, dass bei frühlingshaftem Tauwetter die Keller der Nachbarn überflutet worden wären. Und dann auch noch das Problem mit den gesperrten Quartierstrassen! Eine Alternative für Parkplätze gäbe es nun mal nicht, erfuhr der
im Schachen so viel Schnee liege. Ganz zu schweigen von den versicherungstechnischen Auflagen für schneefreie Stehplätze, auf die man jetzt nicht auch noch im Detail zu sprechen kommen wolle. Der heroische Kampf mit «Schneefräsen, Kipplaster, Lastwagen und Manpower» endete übrigens erfolgreich. Im Nachholspiel putzte Aarau St. Gallen mit 2:0 weg.
Anarchist Gavrilo Princip den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand ermordet und damit weltweite Kraftmeiereien ausgelöst. Die Wirren der Kriegsjahre zwangen die Schweiz, sich Gedanken zur Nahrungsversorgung der Bevölkerung zu machen. Sie kam zum Schluss, dringend mehr Anbaufläche zu brauchen. Für besonders geeignet hielt man das Spielfeld des FC Baden im Rüebliland. Eine Ausweichmöglichkeit gab es scheinbar nicht, und so mussten die Badener Kicker eine Spielzeit lang säen und ernten statt flanken und Tore schiessen. Der FC Luzern entschied gleichzeitig die Serie B für sich und verlangte nach einem Gegner für das Aufstiegsspiel, wozu der SFV die völlig aus der Übung geratenen Badener verdonnerte. Gleich 0:7 gingen die Aargauer gegen den FCL unter und stiegen in die Serie B ab. Die
kraut & Rüebli Es ist leider kaum bekannt, aber die Schweiz hat es nicht zuletzt dem FC Baden zu verdanken, dass sie den Ersten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstand. Der damals noch junge Verein spielte ab 1909 in der Serie A, wenngleich mit überschaubarem Erfolg. Doch dann kam die verhängnisvolle Saison 1917/18. Drei Jahre zuvor hatte der bosnisch-serbische
Zeit der Dürre brach an, sollte es doch fast 70 Jahre dauern, bis der FC Baden wieder ein Gastspiel in der höchsten Liga geben konnte – für gerade einmal eine Saison. Und das alles wegen ein paar Rüebli.
Rubrik
Der Berner Penaltypunkt? Verschoben. Die Phase 3? Auch. König Sepps Rücktritt? Sowieso. Im Fussball ist manches und mancher ent- oder «verrückt».
Zürcher Ruinen
1929 wurde das HardturmStadion eröffnet. Die Träumereien begannen aber erst in den 90er Jahren. Eine polysportive Arena sollte entstehen, ein «Gross-Hardturm» mit Mantelnutzung. Als es die niederländischen Planer gewagt hatten, die Realisierbarkeit anzuzweifeln, wurden sie in die Wüste geschickt. Was nichts daran änderte, dass man das Projekt bald darauf dennoch begraben musste. Als die Schweiz den Zuschlag für die EM 2008 erhielt, musste die Weltstadt Zürich natürlich dabei sein. Die Credit Suisse liess sich nicht lumpen und plante einen Neubau mit 30 700 Plätzen, Shopping-Mall, Konferenzhotel und Bürohochhaus. Das Stimmvolk hiess
den 50-Millionen-Kredit für die Beteiligung der Stadt gut, doch Anwohner und Umweltorganisationen verstiessen gegen den EURO-Euphorie-Befehl. Ihre Einsprachen verzögerten das Projekt und brachten es gar zum Erliegen. Schnell wurde der Letzigrund für die EM bereit gemacht. Derweil blieb das «Fünfeck» in der Pipeline, bis im EM-Sommer der Hardturm
besetzt und Ende Jahr abgerissen wurde. 2009 zog sich die CS zurück. Bis dahin hatte sie «einen hohen zweistelligen Millionenbetrag» verlocht. Die Stadt plant nun ein deutlich kleineres Stadion. Im Herbst befindet das Stimmvolk darüber. Eröffnet werden soll es 2017 – 20 Jahre nach den ersten Plänen für den Neubau.
Rechenspiele Einen Sieg mit zwei Toren Differenz gegen Honduras hätte die Schweiz im abschliessenden Gruppenspiel der WM 2010 gebraucht, um in die Achtelfinals einzuziehen. Die hoffnungsvolle Fanschar musste dann aber miterleben, wie sich Hitzfelds Mannen vergeblich und ideenlos an der Defensive der Mittelamerikaner aufrieben, die in der Weltrangliste zwischen Burkina Faso und Lettland klassiert waren. Dementsprechend harsch fiel die Kritik nach dem Ausscheiden aus. Nur der Nationaltrainer hielt dagegen und sprach von einem Offensiv-Feuerwerk seiner Schützlinge. «Ungefähr 25 Torchancen» habe er gesehen. Eine erstaunliche Zählweise für einen Mathematik-Lehrer, schliesslich notierte die FIFA ganze acht Schweizer Torschüsse. Die Spielzusammenfassung des Weltfussballverbands beinhaltete gar bloss fünf halbwegs gefährliche hel-
vetische Angriffe – dafür zwei «100-Prozentige» von Honduras. Da hatte der (ausgebliebene) Schweizer Angriffswirbel vor allem für eines gesorgt: eine leicht verschobene Wahrnehmung des Nationaltrainers.
Nasenpfeife Lange vor Ante Sapina, dem Wettkönig aus dem Berliner Café King, machte sich ein Schweizer von bester Reputation daran, die dunkle Seite der Macht zu entdecken. Kurt Röthlisberger aus dem aargauischen Suhr durfte sich fünfmal in Folge zum «Schweizer Schiedsrichter des Jahres» küren lassen, arbitrierte an zwei Welt- und einer Europameisterschaft und leitete einen Final der Champions League. Als sich seine Karriere altersbedingt dem Ende zuneigte, suchte er nach einer neuen Möglichkeit, Spiele zu «leiten». 1996 suchte er GC-Manager Erich Vogel mit der unverblümten Frage auf, ob dieser Interesse daran habe, dass der Schiri im Champions-League-Spiel gegen Auxerre «zumindest nicht gegen den GrasshopperClub» entscheide. Läppische
100 000 Franken wären dafür fällig gewesen. Die gleiche Summe forderte er gemäss «Blick» kurz darauf beim WMQuali-Spiel Schweiz gegen Norwegen. Leider für den umtriebigen Röthlisberger trat niemand auf seine unmoralischen Angebote ein, stattdessen wurde er von der UEFA lebenslang gesperrt. Weil er im Spielverschiebungs-Business nicht Fuss fassen konnte, suchte Röthlisberger neue Betätigungsfelder. Als Geschäftsleiter der Sektion Aargau von «Nez Rouge» verwendete er im Vorfeld der EM 2008 Personendaten von freiwilligen Fahrern, um an möglichst viele Tickets zu kommen. Aufgeflogen ist der Schlaumeier, weil ein Mitarbeiter eine Rechnung der UEFA über 2576 Franken erhalten hatte, worauf ihm Röthlisberger anbot, er dürfe bei ihm «eine günstige EMReise» buchen. Es blieb bei einer Verwarnung. Kürzlich stand der Ex-Schiri wieder in der Schusslinie, nun wegen «eigenmächtigem und lockerem Umgang mit Spendengeldern», so ein weiterer Nez-Rouge-Mitarbeiter. Denn obwohl die Sektion Aargauer Sektion die erfolgreichste im Land ist und mit dem Gewinn gemeinnützige Institutionen unterstützt, flossen nur gerade 3000 Franken weiter – an eine Igel-Stiftung. Einsicht in die Bücher gibt es nicht.
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Die Auswärtsfahrt
Thailand Nordkorea
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King’s Cup, 26.1.2013 700th Anniversary Stadium, 7000 Zuschauer
Text / Fotos: Michelle Blöchlinger
Hühnerfüsse auf Steintreppe
Chiang Mai im Norden Thailands ist vor allem aufgrund des kulturellen Angebots und der landschaftlichen Schönheit als Touristenmagnet bekannt. Ins lokale Mehrzweckstadion verirren sich hingegen nur die wenigsten Touristen. Uns war es aber einen Besuch wert, schliesslich stand der King’s Cup an. Dieses Turnier wurde 1968 ins Leben gerufen, und jedes Jahr werden dafür drei ausländische Teams eingeladen, gegen die die thailändische Nationalmannschaft anzutreten. Heuer waren dies Schweden, Finnland und Nordkorea. Stilgerecht liessen wir uns per Tuk Tuk zum 700th Anniversary Stadium bringen. Um das Stadion herum reihte sich Stand an Stand, vom T-Shirt über Bier bis zu Esswaren wurde praktisch alles angeboten. Bei Letzterem war die Auswahl eher speziell. Nebst Standardgerichten wie Pad Thai gab es auch Hühnerfüsse, aber ebenfalls McDonald’s war mit einem Stand vertreten. Auch das Bier wurde in einer für uns merkwürdigen Form serviert: in einem Plastikbecher mit Eiswürfel und Strohhalm. Die billigsten Plätze kosteten umgerechnet rund 4 Franken, dafür konnte man die beiden Platzierungsspiele, zwischen dem Gastgeber und Nordkorea um den dritten Rang sowie das Endspiel zwischen Schweden und Finnland, verfolgen. An SecurityPersonal wurde gespart, lediglich Eingangskontrollen gab es. Die konnte man aber auch während des Spiels problemlos
passieren, denn im offenen Stadion herrschte Rauchverbot, sodass man seinen Nikotinbedarf ausserhalb stillen musste. Wir richteten uns auf der Steintreppe auf der Gegengerade ein, die nur spärlich besetzt war. Die meisten Zuschauer hatten sich ein Ticket für die Haupttribüne mit richtigen Sitzplätzen geleistet. Beim Spiel Thailand - Nordkorea (ohne Ex-GCler Charyl Chappuis) machte sich ein kleiner Fanblock neben der Tribüne mit Gesängen und sogar Pyros bemerkbar. Was hierzulande für grosse Kontroversen sorgt, stört in Thailand niemanden. Nachdem das Spiel unentschieden geendet hatte, womit sich die beiden Teams den dritten Rang teilten, stärkten wir uns ausserhalb des Stadions mit Bier und Essen, bevor das Finalspiel angepfiffen wurde. Beim skandinavischen Duell – beide traten nur mit Spielern aus der heimischen Liga an – kamen wir mit einer Gruppe gut gelaunter Thais ins Gespräch. Als wir ein Gruppenfoto schiessen wollten, fiel mir mein Bier auf den Boden, woraufhin die Einheimischen mit dem Finger auf mich zeigten und «Mau!» skandierten. Das heisst «besoffen» auf Thai. Schweden gewann die Partie ohne Mühe, wir hingegen hatten einige Probleme bei der Heimreise. Die Tuk Tuks waren alle wie vom Erdboden verschluckt, erst nach einem guten Stück zu Fuss las uns endlich ein Taxi am Strassenrand auf.
www.free-bwin.com/clubofchampions
turniersinn Heute: Intercontinental Cup
Ab 1960 trugen die Gewinner der Kontinentalwettbewerbe von Europa und Südamerika in Hin- und Rückspielen den sogenannten Intercontinental Cup aus. Da spielten Grössen wie Puskás, Pelé oder Rivera, und das Interesse war gross. Doch ab 1967 ging es nur noch bergab. Das Hinspiel hatte Celtic mit 1:0 gewonnen, das argentinische Team von Racing hoffte zusammen mit den 100 000 Zuschauen in Buenos Aires auf das Rückspiel. Schon vor dem Anpfiff wurde Celtic-Keeper Simpson von einer Rakete getroffen und musste ersetzt werden, und nach dem Schlusspfiff, der den Racing-Sieg besiegelte, wurde die schottische Kabine von argentinischen Fans gestürmt, die sich später vor dem Stadion eine Schlacht mit Uruguayern lieferten, die natürlich Celtic unterstützen. Ein Entscheidungsspiel war also notwendig geworden, dieses wurde in Montevideo angesetzt. Dieses Mal verlegten sich beide Teams sofort auf Treten und brutales Einsteigen, sodass der überforderte Referee aus Paraguay beide Captains zu sich zitierte und ansagte, dass beim nächsten groben Foul der Argentinier Alfio Basile, bei einem schottischen Vergehen Bobby Lennox vom Feld fliegen würde. Basile verdiente sich seinen Platzverweis wenige Minuten später, und als kurz darauf John Clark einen Argentinier ummähte, wollte der Schiedsrichter wie angekündigt Lennox zum Duschen schicken. Dafür hatte Coach Jock Stein kein Verständnis, weil Lennox ja gar nichts gemacht habe, und schob ihn wieder aufs Feld, wo er vom Ref wieder weggewiesen wurde. Dieses Spiel ging einige Male hin und her, bis ein mit einem Schwert bewaffneter Polizist Lennox endlich am Trainer vorbeischmuggeln konnte. Bis zum Spielende flogen sechs Spieler vom Platz, wovon sich der letzte, der Schotte Bertie Auld, derart standhaft weigerte, dass er die ganzen 90 Minuten auf dem Feld blieb. Im daraus entstandenen Chaos teilten die Spieler
untereinander fleissig Schläge und Tritte aus, geahndet wurden sie nicht. Racing siegte schliesslich mit 1:0, die Ehrenrunde musste indes bald abgebrochen werden, weil die uruguayischen Zuschauer die Rivalen mit sämtlichen Gegenständen bewarfen, deren sie habhaft werden konnten. Nach diesen Ereignissen befürchtete Manchester United bei seinem Gastspiel bei Estudiantes das Schlimmste. Im Matchprogramm wurde Mittelfeldspieler Nobby Stiles als «brutaler und schlechter Sportsmann mit üblen Absichten» bezeichnet, und mit dem Anpfiff wurde es noch schlimmer. Über Carlos Bilardo sagte United-Trainer Matt Busby später, es sei «lebensgefährlich gewesen, den Ball zu halten». Namentlich Stiles bekam von Fusstritten und Schlägen bis zu Kopfstössen alles ab. Als er sich zum ersten Mal etwas wehrte, wurde er umgehend vom Platz gestellt. Auch Bobby Charlton musste einiges einstecken, und seine Platzwunde am Kopf musste auf dem Rasen genäht werden. Estudiantes siegte 1:0 und durfte nach dem 1:1 im Old Trafford, das lediglich mit zwei Platzverweisen, Ellbogenschlägen und Spuckattacken aufwartete, den Pokal einheimsen. Doch das war alles noch gar nichts verglichen mit der Austragung von 1969. Wieder war es Estudiantes, das Europas Champion, die AC Milan, herausforderte. Die Sache war – zumindest sportlich – nach dem 3:0 in Italien schon gegessen, doch überstanden war sie noch lange nicht. Schon auf dem Weg von den Katakomben der Bombonera in Buenos Aires auf das Spielfeld wurden die Italiener von den Zuschauern mit heissem Kaffee übergossen und warteten eine halbe Ewigkeit, bis endlich die Estudiantes-Spieler aufmarschierten – jeder mit einem Ball in der Hand, der zur Begrüssung gleich mal mit voller Wucht auf die Gegner geschossen wurde. Bald nach dem Anpfiff wurde Stürmer Prati bewusstlos geschlagen, die Verteidiger setzten Nadeln ein, Milan-Star Rivera kassierte eine Gerade des argen-
tinischen Keepers Poletti. Die «Gazzetta dello Sport» nannte es eine «90-minütige Menschenjagd». Die intensivste Behandlung war für Nestor Combin reserviert, einen gebürtigen Argentinier. Von Poletti erhielt er einen Tritt ins Gesicht, Verteidiger Suárez brach ihm mit einem Ellbogenschlag die Nase und den Kieferknochen. Während die Straftaten ungesühnt blieben, forderte der chilenische Schiedsrichter den blutüberströmten Combin auf, wieder aufs Spielfeld zurückzukehren, doch dieser brach ohnmächtig zusammen. Um ihn kümmerten sich aber nicht etwa die Sanitäter, sondern die argentinische Polizei, die ihn – noch auf der Bahre liegend – festnahm wegen Wehrdienstverweigerung. Er wurde erst am darauffolgenden Tag entlassen, nachdem er hatte belegen können, bereits in Frankreich Wehrdienst geleistet zu haben. In der Folge verspürten immer weniger europäische Champions Lust, sich in Südamerika kaputttreten zu lassen. Ajax verzichtete dankend, wie auch Bayern München oder Liverpool. Ab 1980 wurde der Intercontinental Cup in einem einzigen Spiel in Japan ausgetragen, bevor daraus nach der Jahrtausendwende der FIFA Club wurde.
Nestor Combin spürt 1969 die südamerikanische Härte – kurz vor seiner Verhaftung.
Das Fundstück Liebe Freunde des raren Sportstücks Da die AC Bellinzona bei Niederschrift dieses Textes kurz vor dem Verschwinden von der Schweizer Fussball-Landkarte ist, wollte ich Euch unbedingt noch diese schmale und äusserst seltene Publikation von ihrer Spielstätte vorstellen. Kurioserweise wurde erst kürzlich in einer Volksabstimmung ein neues Stadionprojekt genehmigt, obwohl der Hauptmieter kurz vor dem Gnadenstoss steht – so wird das Schicksal der ACB wohl für immer im Comunale besiegelt bleiben! Diese Broschüre (31 x 21 cm) mit dem Titel «Il nuovo stadio comunale di Bellinzona» wurde den geladenen Gästen bei der Eröffnungsfeier am 24. Mai 1947 überreicht. Der Sindaco P. Tatti beginnt mit einem «saluto inaugurale», wo ein Loblied auf Leib, Geist, Moral und Kraft gesungen wird (der Zweite Weltkrieg ist kaum beendet). Die 12-seitige Broschüre ist mit zahlreichen Schwarzweiss-Ansichten der Tribüne – im Bau, aus der Luft usw. – und mit viel Technischem, aber auch der Sportgeschichte von Bellinzona bespickt. Auffallend: Das Stadion hat sich eigentlich nicht
allzu sehr verändert seither. Immerhin konnte damals die ACB die Neubau-Euphorie nutzen und wurde 1948 zum einzigen Mal Schweizer Meister! Das zweite Fundstück kommt aus Lugano vom FC, der sinnigerweise ein Jahr später, 1949, ebenfalls Schweizer Meister wurde! Auch hier handelt es sich um eine Broschüre (25 x 16,5cm). Ihr Titel: «Sport e Campioni N. 1 – Gennaio 1938, Arti Grafiche Grassi & Co. Lugano». Das ganze Heft ist dem Luganeser Goalie Bizzozzero, Spitzname «Bizza», in der Deutschschweiz nannte man ihn «den fliegenden Tessiner», gewidmet. Bizzozzero, geboren 1912, debütierte 1931 beim FC Lugano, bereits 1935 kam sein A-Nati-Debüt in Stuttgart gegen Deutschland bei der Eröffnung der Adolf-HitlerKampfbahn. Die 16-seitige Broschüre ist mit 12 Fotos aus seiner Nati-Zeit – er war Goalie zwischen zwei Weltmeisterschaften von 1935 bis 1938 – illust-
riert. Sein bestes Spiel soll er 1936 im San Siro gegen Italien, damals amtierender Weltmeister, gemacht haben. Ambrosiana (so hiess damals Inter) machte ihm ein stattliches Angebot, er schlug es aus und blieb beim FC Lugano, mit dem er 1938 Schweizer Meister wurde. Mit 27 Jahren beendete er 1939 seine Karriere und widmete sich seinem Elektrogeschäft. Nur eines noch: Diese Broschüre ist so selten, dass nicht mal ich sie zuvor schon gesehen hatte. Auf dass die Schweizer Fussball-Geschichte uns alle mit noch mehr solchen Funden überrascht! Gregory Germond www.sportantiquariat.ch
PRESSEBALL Zu den Begleiterscheinungen des modernen Fussballs, auf die ich getrost verzichten könnte, zählt die Aufrüstung der Vereine an der Medienfront. Den übelsten Auswuchs lässt sich beim Matchbesuch beobachten. Die Unzahl der «Stadion-TV»-Bildschirme ist gleichsam proportional mit der Installation von Überwachungskameras gewachsen: ein panoptisches Sehen und Gesehenwerden. Nebst dem Stadionfernsehen bieten Klubheft und Matchprogramm ein Werbeumfeld, in dem journalismusähnliche Texte den Verein von der besten Seite zeigen. Oder es sind gleich gänzlich ungetarnte Kommerzvehikel wie das neue «Rotblau Business»-Magazin des FC Basel. Nun darf man von Unternehmen, die nach sportlichem und vor allem wirtschaftlichem Erfolg
streben, nicht unbedingt erwarten, dass sie umfassend und unabhängig (geschweige denn kritisch) über sich selbst berichten. Publizistische Ambitionslosigkeit ist indes nicht ein Privileg der ganz Grossen. Die Publikationen gleichen sich quer durch die Ligen wie ein Ei dem anderen. Wo ein Faltblatt mit den Mannschaftsaufstellungen reichen würde, kriegt man Hochglanzkataloge, die dann doch nicht viel mehr Nützliches bieten als die Mannschaftsaufstellungen. Ein besonders tristes Kapitel ist die Gestaltung, die meist auf grafische Rudimente reduziert wird – nicht aber beim FC Bern. Als Kontrapunkt zur sportlichen Bedeutungslosigkeit hat der einst grosse Klub vor zwei Jahren wenigstens publizistisch den Sprung in die oberste Liga geschafft. Mit «Dr Bärner» erscheint ein Magazin, das den eigenen Verein zwar ins
Zentrum stellt, aber nicht als ambitionslose Selbstbespiegelung. Ausflüge in die (eigene) Geschichte gehören ebenso ins Blatt wie der Blick über Stadt- und Landesgrenzen hinaus. Bebildert wird das Heft mit Fotografien, nicht mit Föteli. Das ist aufwendig. Vier Mal pro Jahr gibt es so ein Fussballmagazin, das eine jener sprichwörtlichen Ausnahmen bildet, welche die Regel bestätigen.
Nick Lüthi ist Chefredaktor des Medienmagazins «Klartext» und Redaktionsleiter der «Medienwoche». Er unterrichtet an der ZHAW in Winterthur Medienjournalismus und Medienkritik.
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Fussball schaut man im Stadion. Für viele Zugewanderte ist dies bei ihren Lieblingsklubs aber oft nicht möglich. So wird der Barbesuch zum wöchentlichen Highlight. ZWÖLF besucht fortan an Spieltagen Lokale, in denen Fans ausländischer Mannschaften die Partien verfolgen.
Text : Charles Wey/Bilder: Frank Blaser ******************************************** Casa do Benfica de Zurique, Schlieren FC Porto - Benifca Lissabon, 11.05.2013 ********************************************
Die Casa do Benfica in Schlieren ist weit herum als gute Adresse für portugiesisches Essen bekannt. Und sie ist das Vereinslokal des Benfica Clube de Zurique, dessen erste Mannschaft in der 4. Liga spielt. Am Samstagabend steht aber alles im Zeichen des grossen Vorbildes aus der Heimat, Benfica Lissabon. Es steht nichts weniger als das meisterschaftsentscheidende Spiel beim grossen Rivalen FC Porto an. Beide Teams sind noch ohne Niederlage in dieser Saison, und in der Tabelle sind sie nur durch zwei Punkte getrennt. So überrascht es nicht, dass das Lokal bereits 45 Minuten vor Spielbeginn voll besetzt ist. An einzelnen Tischen wird noch Essen bestellt, während sich die meisten Besucher mit einer Flasche Super Bock oder Sagres auf das Spiel einstimmen. Armindo de Sousa, einer der beiden Vizepräsidenten des Vereins, begrüsst uns freundlich an der Bar. Glücklicherweise spricht der junge Mann Deutsch, das ist hier keine Selbstverständlichkeit. Überhaupt scheint dies der ideale Ort zu sein, um ein authentisches portugiesisches Fussballerlebnis zu geniessen: Die Vereinsfarben sind omnipräsent, sowohl die Mitarbeiter als auch die Besucher sind mehrheitlich im Heimtrikot und einer roten Sporthose gekleidet, einige tragen Schals. Die Leute sind euphorisch und zuversichtlich, heute den Meistertitel feiern zu können. Denis, ein Mann mittleren Alters, hingegen trägt keine kennzeichnenden Kleidungsstücke und hält sich im Hintergrund. Bei einem Gespräch stellt sich heraus, wieso: Er kommt aus dem Norden Portugals und ist wie die meisten aus dieser Region ein Portista. Mit einer Geste gibt er mir zu verstehen, dies nicht an die grosse Glocke hängen zu wollen. Wieso er das Spiel ausgerechnet hier verfolge? Er wohne um die Ecke, und sein Sohn sei – sehr zu seinem Bedauern – Benfica-Anhänger. Denis’ Zurückhaltung ist nachzuvollziehen. Einige Benficistas sind mit Leib und Seele bei der Sache, fluchen über jede Schiedsrichterentscheidung gegen die Hauptstädter und zucken bei eigenen Torchancen zusammen. Schon in der 19. Minute fällt das 0:1 durch Lima. Frenetischer Jubel, Gesang, alles läuft nach Plan. Obwohl wenig später der Ausgleich durch ein Eigentor fällt, bleiben die Anwesenden optimistisch. In der Halbzeit lassen sich fünf Anhänger vor dem Lokal mit einem Benfica-Banner ablichten. «Campeonista!», skandieren sie bereits. Als es kurz vor Schluss immer noch unentschieden steht, machen sich die ersten Besucher auf den Heimweg. Das Ding ist gelaufen. Doch dann der Schock: In der Nachspielzeit erzielt der Brasilianer Kelvin den Siegtreffer für Porto. Apathie macht sich unter den Besuchern breit. Aus der geplanten Meisterfeier am heutigen Abend wird nichts. Nun muss man auf Schützenhilfe des drittplatzierten Paços de Ferreira am letzten Spieltag hoffen, um trotzdem den Titel zu holen – wie wir inzwischen wissen vergebens. Wenigstens einen freuts: Denis, der Portista, grinst zurückhaltend, nickt mit dem Kopf. Für ihn ist es ein gelungener Abend unter «Feinden».
Die net 1:12 Zün te Ide -Initiat die dsto e. No ive: Re über ff birg ch m so voluti fällige t abe ehr Re lange on. W ZWÖr bei voluti , bis w ir grü LFden samm onspr ir un belte bes Fus en h ogram ser n ser sbal atte m ma l sch n, da che lag s n w art ürd ig e.
Nein, im Fussball läuft wahrlich nicht alles rund. Besonders einige Entwicklungen der letzten Jahre stossen vielen Anhängern des Spiels sauer auf. Die abgelaufene Saison dient als Paradebeispiel: In zahlreichen Ligen war sie an Spannung kaum zu unterbieten. Dies veranlasste uns, die schon länger gewälzten Gedanken zum modernen Fussball endlich zu konkretisieren. Wir begannen, über Möglichkeiten nachzudenken, wie man ihn gerechter, nachhaltiger, spannender – kurz: besser – machen könnte. Als sich diese Gedanken langsam zu einem grossen Ganzen zusammensetzten, konnten wir ihn erstmals riechen, den süssen Duft der Revolution. Wir liessen uns aber nicht von ihm betören und zu Spinnereien hinreissen, die höchstens den Nostalgieromantiker in uns befriedigen. Wir formulieren keine utopischen Forderungen, sondern Ideen, Vorschläge und Konzepte, die umsetzbar sind. Weit reichend. Und bis ins letzte Detail durchdacht. Die möglichst revolutionären Gedanken haben wir in vier sich ergänzende Kategorien unterteilt: Regelwerk, Europapokal, Klubstruktur und Förderung. Damit versuchen wir, den modernen Fussball in seiner ganzen Bandbreite zu erfassen. Das klingt sperriger, als es ist. Darum: umblättern, eintauchen und anschliessend mitdiskutieren!
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rEGELWErK
Seit über 70 Jahren gelten die Fussballregeln nahezu unverändert. Zeitgemäss sind sie längst nicht mehr. Dabei braucht es nur kleine Anpassungen, um den ärgerlichen Auswüchsen und Streitigkeiten beizukommen.
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ussball ist Fair Play! So zumindest lautet der allgemeine Tenor in Verbänden. Denn Fair Play kommt immer gut an. Deshalb jagt derzeit eine Fair-Play-Kampagne die nächste, und an grossen Turnieren lesen sich die Nationalmannschafts-Captains gegenseitig ihre Fair-Play-Erklärungen vor. Dass die Realität allerdings etwas anders aussieht, weiss jeder, der selber schon mal gespielt oder einen Match als Zuschauer verfolgt hat. Grobe Fouls sind ebenso gang und gäbe wie Schwalben, vorgetäuschte Verletzungen, Beleidigungen gegen Mitspieler, Gegenspieler und Schiedsrichter. Zwar besteht ein simples, aber doch umfassendes Regelwerk, das die Kompetenzen des Schiedsrichters und Sanktionen für Regelwidrigkeiten festhält, doch einige Entwicklungen der letzten Jahre, die mit zuverlässiger Regelmässigkeit für grosse Diskussionen sorgen, machen einige Anpassungen und Erweiterungen unumgänglich.
Eine Spezialität im Fussball im Vergleich zu vielen anderen Sportarten sind die ewigen Diskussionen der Spieler mit dem Schiedsrichtergespann. In welcher anderen Sportart kommt es vor, dass der Spielleiter nach einem Entscheid von einer Gruppe wutentbrannter und schreiender Spieler umringt und bedrängt wird? Untergräbt dies nicht die Autorität des Referees extrem? Dabei heisst es im Regelwerk unmissverständlich, dass Protestieren beziehungsweise Reklamieren jeglicher Art mit einer Gelben Karte zu sanktionieren sei. Würde diese Regel tatsächlich im Fussball angewendet, würden pro Match unzählige Karten nur für derartige Vergehen verteilt werden. Um dem Schiedsrichtergespann die Arbeit zu erleichtern, ist darum eine Erweiterung der Regelung vonnöten: Nur der Captain und sein ebenfalls gekennzeichneter Stellvertreter sind befugt, mit dem Schiedsrichter zu sprechen. So ist ein Dialog zwischen Schiris und Spielern immer noch mög-
lich, aber deutlich eingeschränkt. In anderen Sportarten wie beispielsweise im Eishockey oder im Unihockey wird das schon lange mit Erfolg durchgeführt. So heisst es in den Regeln von Letzterem klar: «Nur der Captain hat das Recht, mit den Schiedsrichtern zu sprechen.» Mit der Aufnahme dieser Regel im Fussball – aufgrund der Grösse des Spielfeldes ergänzt um den Stellvertreter – würde der Rudelbildung um den Spielleiter umgehend ein Riegel vorgeschoben.
Für noch mehr Diskussionspotenzial – sowohl bei den Spielern wie auch den Zuschauern – sorgen immer wieder vermeintliche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter. Die Spielleiter sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten sicher nicht schlechter geworden, doch die technologische Entwicklung hatte zur Folge, dass das Fernsehen nun jede Aktion aus verschiedenen Blickwinkeln und in Super-Slowmotion zeigen kann. Bei der Meinungsbildung über ein Foul oder ein Offside dürfen alle auf dieses Mittel zurückgreifen – nur der Schiedsrichter nicht. In anderen Sportarten wurde dieser Missstand erkannt, heute kommt beim Tennis das Hawkeye zum Einsatz, im American Football gibt es den Challenge und im Eishockey den Videobeweis. Es ist an der Zeit, diese Möglichkeiten auch im Fussball einzusetzen, um das Diskussionspotenzial allgemein einzuschränken und die Schiedsrichter nicht länger hilflos dem Zorn und der Häme auszusetzen. Analog zum American Football soll beim Fussball jedem Team einmal pro Halbzeit eine Challenge zur Verfügung stehen. Diese kann bei einem Spielunterbruch vom Coach verlangt werden. Ist dies der Fall, konsultiert der Schiedsrichter den 5. Offiziellen (dieser ersetzt neu die nun obsoleten Torrichter) und entscheidet nach dem Anschauen der Videobilder, ob er seinen Entscheid bestätigen oder revidieren will. Muss ein Entscheid zurückgenommen werden, wird das Spielgeschehen an dem Punkt
fortgesetzt, wo es angehalten wurde. So wird das Spiel weniger oft unterbrochen als aktuell durch die zur Normalität gewordenen Rudelbildungen, die gelegentlich zu kindischen Raufereien führen. Der Schiri würde auf diese Art und Weise ebenfalls entlastet werden. Nicht alle Wettbewerbe können diese neue Regelung einführen, weil nicht überall die technische Infrastruktur vorhanden ist. In der Schweiz wäre dies derzeit nicht mal in der Challenge League möglich, in Afrika oder Asien gar in kaum einer obersten Spielklasse. Deshalb bleibt es den austragenden Verbänden überlassen, ob und in welchen Wettbewerben sie darauf zurückgreifen wollen oder nicht. Zwingend ist sie allerdings für internationale Turnier wie Champions League, Welt- und Kontinentalmeisterschaften.
Eine Regelung, die seit Längerem nicht nur bei Trainern in der Kritik steht, und die wir gänzlich abschaffen wollen, ist der Wechsel vom aktiven ins passive Abseits. Wieso darf ein Spieler, der fernab des Spielgeschehens beim gegnerischen Tor im passiven Abseits steht, in den Angriff seiner Mannschaft eingreifen, sobald ein Mitspieler mit einem Zuspiel zu ihm eine neue Spielsituation kreiert? Damit hat der Spieler einen unfairen Vorteil gegenüber den Verteidigern, den es nicht geben darf. Tore wie jenes von Sylvain Wiltord an der EM 2000 gegen Dänemark oder von Van Nistelrooy gegen Tschechien an der EM 2004 – beide Treffer kann man sich auf Youtube anschauen – können einfach nicht regulär sein. Darum gilt ab jetzt: Eingreifen darf ein Spieler, der im passiven Abseits stand, im laufenden Angriff nicht mehr.
Für viele sind Schwalben ein weiteres Ärgernis im heutigen Fussball. Hierzu gibt es eigentlich eine klare Regel: Versucht ein Spieler den Spielleiter bewusst
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zu täuschen, so ist dies mit Gelb zu ahnden. Wenn man Schwalben aber als grobe Unsportlichkeit – je nach Spielsituation – ansieht, wäre eine Rote Karte für ein derartiges Vergehen durchaus berechtigt. Schliesslich hat dieser Betrugsversuch einen ebenso grossen Einfluss auf den Spielausgang wie etwa eine Notbremse. Bei dieser wird regelwidrig eine klare Torchance verhindert, bei einer Schwalbe in Tornähe wird regelwidrig eine klare Torchance erschlichen. Deshalb muss es fortan möglich sein, «grobe» Schwalben mit einem Feldverweis zu sanktionieren und zweitens die fehlbaren Spieler im Nachhinein mit Spielsperren zu belegen – genau so, wie dies bei groben Fouls oder Tätlichkeiten der Fall ist. Dieses Vorgehen ist nichts weniger als die konsequente Fortführung jener Behandlung von Schwalben, die 1995 mit der Bestrafung von Andy Möller für seine «Schutzschwalbe» gegen den KSC (zwei Spielsperren und 10 000 DM Busse) ihren Anfang genommen hat.
In die gleiche Kategorie fällt das Simulieren. Oft kommt es vor, dass ein Spieler einen Spielunterbruch durch das Vortäuschen einer Verletzung bewirkt. Es hat sich eingebürgert, dass ein gefoulter Spieler liegen bleibt, dort wartet, bis die Sanitäter bei ihm eingetroffen sind, nur um just in diesem Moment aufzustehen und zur Seitenlinie zu marschieren. Dafür vergehen gerne mal zwei Minuten, der Spielfluss ist gebrochen, und der Spieler wird nach wenigen Augenblicken vom Schiedsrichter wieder hereingewinkt. Diesem wenig sportsmännischen Verhalten kann sehr einfach beigekommen werden. Dem gefoulten Spieler bleiben 30 Sekunden, um wieder aufzustehen. Kann (oder will) er dies nicht, muss er das Spielfeld für drei Minuten verlassen – beginnend mit der Wiederaufnahme des Spiels. Sollte er wirklich verletzt sein, ist mindestens diese Zeit nötig, um ihn zu verarzten. Wer also wirklich schlimm getroffen wurde, dem entsteht durch diese neue Regelung kein
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Nachteil. Für Spielfluss und Fairness ist sie dagegen sehr förderlich.
Verhindert der verteidigende Spieler mit einer Regelwidrigkeit eine klare Torchance, so muss er laut Reglement des Platzes verwiesen werden. Egal wie schwer das begangene Foul war. Diese Regelauslegung führt dazu, dass gerade Goalies des Öfteren durch kleine und oft unbeabsichtigte Fouls mit einer Roten Karte sanktioniert werden, schliesslich sind sie fast immer der letzte Mann. Und dass ungeschicktes Einsteigen ihrerseits fast immer eine Torchance verhindert, liegt in der Natur der Sache. Weil aber die Schwere des Vergehens und somit der Schutz der Spieler an erster Stelle stehen sollte, gehört der Spieler beim Verhindern einer klaren Torchance durch ein minderes Vergehen nur mit Gelb bestraft. Die Rote Karte kommt nur noch infrage, wenn ein Spieler beim Schuss auf ein leeres Tor – und somit an einer besseren Möglichkeit als einem Elfmeter – gehindert wird. Oder wenn er eben gemäss Reglement ohnehin des Platzes verwiesen werden sollte. So kommt die oft als unfair empfundene Doppelbestrafung – Rot und Penalty –, die schon manches Spiel entschieden hat, nur noch bei schweren Vergehen zum Einsatz.
Die Handspiel-Regel ist an und für sich klar und deutlich von der FIFA formuliert worden: «Ein Handspiel liegt vor, wenn ein Spieler den Ball mit seiner Hand oder seinem Arm absichtlich berührt.» Zu beachten gelten für den Schiedsrichter dabei die Bewegung der Hand zum Ball, die Position der Hand (eine Berührung an sich ist noch kein Vergehen) und die Entfernung zwischen Gegner und Ball. So weit, so gut. Aber in der Realität wird diese Regel allzu oft falsch ausgelegt. So werden regelmässig natürliche Bewegungen mit den Armen, bei denen es zur Berührung mit dem
Ball kommt, als absichtliche Vergehen taxiert. Gerade bei Kopfbällen oder Versuchen, eine Flanke zu unterbinden, wird den Spielern so quasi auferlegt, die Hände hinter dem Rücken zu verschränken, um einen allfälligen Pfiff zu vermeiden. Auch bei einem normalen Tackling ist Vorsicht geboten: Liegt der Arm nicht genau am Körper und wird er angeschossen, riskiert man eine Sanktion gegen die eigene Mannschaft. Die Arme sind nun mal sehr wichtig für das körperliche Gleichgewicht in diesen Bewegungsabläufen. Diesem Umstand muss Rechnung getragen werden. Unabsichtliche Berührungen dürfen nicht als Handspiel ausgelegt werden, es widerspricht gar der Regel. Dass es oft zu Diskussionen kommt, liegt also nicht an der Regel, sondern an der Auslegung durch die Schiedsrichter. Deshalb müssen diese auf jeden Fall stärker darauf hingewiesen werden, bei einem vermeintlichen Handspiel die natürlichen Bewegungsabläufe der Spieler zu beachten, anstatt sich in erster Linie auf die Position der Hand zu konzentrieren. Es ist wahrlich nicht schwierig, zu erkennen, ob ein Spieler mit voller Absicht die Hand zu seinem klaren Vorteil einsetzt oder versucht, seinen Körper bestmöglich in den Zweikampf einzubringen. Leider geht der Trend aber gerade in die entgegengesetzte Richtung. 2009 kündigte die UEFA-Schiedsrichterkommission an, fortan auch das «Schutzhands», also das Schützen des Gesichts mit den Händen bei einem Schuss in diese Richtung, ahnden zu wollen. Und zwar weil ein Spieler schliesslich «schneller, als er die Hände oben hat, den Kopf zur Seite drehen oder einziehen» könne. Damit würde dann nicht mal mehr dieser Reflex als «unabsichtlich» gelten. Hier braucht es eine Rückkehr zum Ursprung dieser Regel, bzw. sie soll ganz einfach wieder so behandelt werden, wie sie geschrieben steht: Nur absichtliches Handspiel ist verboten. Ganz einfach.
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Europapokal
Nichts ausser dem Bosman-Urteil veränderte den Fussball so stark wie der Ausbau der Champions League. Sie ist der Grund für die Zweiteilung der Ligen und langweilige Meisterschaften. Ein neues Format ist unabdingbar!
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in weiteres Fussballjahr ging zu Ende. Packende Saisonfinals suchte man in den allermeisten europäischen Ligen vergebens. In sämtlichen Top-5Ligen standen die Meister schon lange vor dem letzten Spieltag fest. Bayern lief mit 25 Punkten Vorsprung ein, Barcelona mit 13, Manchester United mit 11, PSG mit 10 und Juventus mit 9. Und das sind nur die stärksten Ligen. Für die Meisterschaft entscheidend war der letzte Spieltag in den Top-20-Ländern der 5-JahresWertung nur in Portugal und – dank des
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irren Modus – in Belgien. Ist die Saison 2012/13 nur ein Ausnahmefall oder ein Vorgeschmack auf künftige Spielzeiten? Ein Blick auf die Entwicklung der Schlussranglisten lässt Schlimmes erahnen. Das klassische Beispiel für eine unausgeglichene Meisterschaft ist die spanische Primera División. Klar, Barcelona und Real Madrid sind seit je die dominierenden Vereine. Aber dennoch gelang es immer wieder kleineren Klubs, in diese Phalanx einzubrechen. Vor knapp 30 Jahren konnte erst Real Sociedad und danach Bilbao zwei Meistertitel in Folge feiern, noch in den 90ern standen Atlético Madrid und Deportivo La Coruña zuoberst. Valencia war 2002 der bislang letzte Aussenseiter-Champion. Dass über 10 Jahre kein anderer Verein als die beiden Giganten triumphiert, ist indes kein neues Phänomen. Die Zunahme der Dominanz erschliesst sich erst, wenn man auch die Vizemeister mit einbezieht. In den 70er-Jahren standen Real und Barça nur zweimal zusammen an der Spitze, in den 80ern war dies dreimal der Fall, in den 90ern schon viermal. In den letzten fünf Jahren aber bildeten diese beiden ausnahmslos das Spitzenduo, und dies im Schnitt mit einem Vorsprung von 19 (!) Punkten auf den Drittklassierten. Ein ähnliches Bild, wenn auch mit etwas breiterer Spitze, zeichnet die Premier League. In den letzten 40 Jahren erlebte England Meister wie Nottingham, Derby, Aston Villa, Everton, Leeds oder Blackburn – heute undenkbar. Nicht nur von einem Titel ist der grosse Teil der Liga weit entfernt, selbst das Erreichen eines Champions-League-Qualifikationsplatzes ist nahezu unmöglich. Die Top 5 der Tabelle setzten sich in den letzten 10 Jahren aus gerade mal 8 Vereinen zusammen – zum Vergleich: in Deutschland waren es 14, in Italien 13 –, wobei Manchester United, Chelsea und Arsenal immer dabei waren.
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Die Bundesliga bietet im Vergleich dazu eine fast schon erfreuliche Vielseitigkeit. Bayern heimst seit 40 Jahren die Mehrzahl der Titel ein, doch alleine in den letzten 10 Jahren konnten drei andere Klubs die Meisterschaft für sich entscheiden. Angesichts des erschreckenden Vorsprungs in der abgelaufenen Spielzeit aber machte sich selbst Uli Hoeness Gedanken darüber, «dass die oberen zwei, drei Klubs nicht total davonlaufen, dass die anderen mithalten». Er befürchtet «spanische Verhältnisse» und regt deshalb die Diskussion an, «ob angesichts der sich derzeit abzeichnenden Dominanz von Bayern und Borussia Dortmund mögliche Massnahmen notwendig sind oder auch nicht». Gar noch schwärzer malt Jürgen Klopp, der eher «schottische Verhältnisse» auf die Bundesliga zukommen sieht. Beim drohenden Sololauf der Bayern müsse man schauen, «dass wir auch ein Stück vom Kuchen kriegen». Verhältnisse wie in Schottland, wo mit den Rangers der einzige Konkurrent von Celtic abgestürzt ist, herrschen in anderen kleineren Ligen längst. In Dänemark gab es für den FC Kopenhagen 8 der letzten 10 Meistertitel, BATE Borisov wurde heuer zum 8. Mal in Folge Meister, und hierzulande holte der FC Basel seit Einführung der Super League lediglich 3 Mal den Titel nicht. Es sind dies drei Vereine, die mehr oder weniger regelmässig in der Champions League vertreten sind und sich dort die finanziellen Mittel holen, um ihre Dominanz zu festigen. Seriensieger gab es in den europäischen Ligen praktisch in jeder Dekade, doch die Verhältnisse haben sich vor allem seit der Jahrtausendwende so stark verändert, dass nicht erwartet werden kann, dass die jetzt dominierenden Vereine in absehbarer Zeit ihre Vormachtstellung verlieren könnten. Noch bis in die 90er-Jahre war es selbst «kleineren» Vereinen mög-
lich, mit einem guten Team, geschickten Einkäufen, einem cleveren Trainer oder einem talentierten Nachwuchsjahrgang für einige Jahre das Mass aller Dinge zu sein. Dies bewiesen Gladbach, Nottingham oder Saint-Étienne. Auch in dieser Zeit gab es in deren Ligen finanzstärkere Vereine, nur war deren Vorsprung nicht so immens, als dass sie sich derart hätten verstärken können, um den Emporkömmling hinter sich zu lassen. Grenzen setzte in der Prä-Bosman-Ära alleine die Ausländerregelung, aber selbst wenn diese Einschränkung früher weggefallen wäre, hätte der Etat niemals ausgereicht, um Spitzenspieler in ausreichender Anzahl anzuwerben. Die Budgets der Klubs stiegen zwar kontinuierlich, doch bis zur Einführung der Champions League blieben die Einnahmen bescheiden. TVGelder wurden in überschaubarem Rahmen ausgeschüttet, Transfererlöse lesen sich aus heutiger Sicht geradezu lächerlich. Seit Einführung der Champions League aber hat sich der Transferweltrekord bis zur Jahrtausendwende vervierfacht – und seit damals gleich nochmals verdoppelt. Dass mehr Geld im FussballBusiness ist, ist natürlich nicht allein der Champions League geschuldet und ist auch nicht per se etwas Schlechtes. Die Königsklasse hat aber dafür gesorgt, dass sich der Geldfluss auf einige wenige Töpfe beschränkt und damit einerseits die Schere zwischen den Ligen und seit der letzten Reform andererseits auch die Schere zwischen Topteams und dem Rest in den kleinen Ligen aufgeht. Aus Geldbach wird Geldfluss Auf die Saison 1999/2000 wurde nicht nur die Teilnehmerzahl der Champions League von 24 auf 32 erhöht, sondern auch die Prämien dank der neuen TVund Sponsorverträge deutlich angehoben. Ein Jahr zuvor wurden noch 205 Millionen Franken ausgeschüttet, nach der Umstrukturierung schon 615 Milli-
zwölf-revolution ERDRÜCKENDE DOMINANZ: Anzahl Saisons pro Dekade, in denen Real Madrid und der FC Barcelona die ersten beiden Plätze der Primera División belegten.
onen. Heute steht bereits über eine Milliarde zur Verfügung. Nur: Davon wird lediglich ein Teil nach sportlichen Kriterien verteilt. In der letzten Spielzeit gab es für alle Vereine für die Gruppenphase fast 11 Millionen Franken, für jeden Sieg zusätzlich 1,2 Millionen und für jedes Remis die Hälfte. Chelsea garnierte 2012 als Sieger die Rekordsumme von 75 Millionen Franken. Die Punkteprämien machten davon aber nicht einmal die Hälfte aus. Den Rest bekamen die Londoner aus dem TV-Market-Pool, in den die TV-Stationen das Geld für die Übertragungsrechte einzahlen. Dieser Pott wird indes keineswegs unter allen teilnehmenden Klubs gleichmässig aufgeteilt, sondern es gilt die Regel: Bezahlen TV-Stationen aus einem Land mehr für die Rechte, bekommen auch dessen Klubs dementsprechend mehr Geld aus diesem Pool. Wie dieses Geld unter den Klubs eines Landes verteilt wird, bestimmen die Verbände selber. In England beispielsweise wird die Hälfte davon aufgrund des letztjährigen Tabellenplatzes in der Meisterschaft verteilt – der Meister kassiert 40 Prozent, der Zweite 30 Prozent usw. –, die andere Hälfte wird nach Anzahl Spielen in der aktuellen Champions-League-Kampagne aufgeteilt. Weil für die TV-Rechte aber so unterschiedlich viel bezahlt wird, erhielt etwa APOEL Nikosia in der Saison 2011/12 trotz Erreichen des Viertelfinals (!) nur knapp 2 Millionen Franken – obwohl sie als einziger zypriotischer Teilnehmer die TV-Pool-Gelder nicht teilen mussten. Für Manchester United, einer von vier englischen Teilnehmern und ausgeschieden in der Gruppenphase, fielen hingegen 31 Millionen Franken ab. Für die kleinen Vereine ist das zwar in Zahlen schon eine Verbesserung gegenüber den 200 000 Franken, die Sparta Prag noch 2005 erhielt, doch der faktische Rückstand auf die Grossverdiener ist seither noch einmal angewachsen.
Für die Vertreter kleinerer Ligen und Länder ist es mit diesem Verteilschlüssel unmöglich, aus dem TV-Pool grosse Beträge zu kassieren. Selbst wenn ein Vertreter aus Montenegro oder Litauen sensationell die Gruppenphase erreichen würde, blieben für diese aufgrund der geringen Bevölkerungszahl und der mässigen Kaufkraft nur Brosamen übrig. Vor allem Letzteres ist ausschlaggebend: Selbst für Shakhtar Donezk aus dem 45-Millionen-Land Ukraine gab es letztes Jahr nicht mehr als für APOEL. Die Zweiteilung der Ligen Ganz abgesehen davon, dass die Topvereine in den Topligen ohnehin massiv mehr Einnahmen durch die nationalen TV-Rechte, Sponsoring und Merchandising absahnen, bauen sie ihren Vorsprung dank des TV-Market-Pools der Champions League zusätzlich jedes Jahr noch weiter aus. Selbst die Spitzenvereine aus den kleinen Ligen verlieren den Anschluss. Gleichzeitig enteilen die regelmässigen Champions-League-Teilnehmer innerhalb der Topligen der Konkurrenz. Denn selbst bei einer einigermassen fairen Verteilung der nationalen TV-Gelder wie in England – die Hälfte wird gleichmässig unter allen Klubs verteilt, ein Viertel nach Tabellenplatz abgestuft und ein Viertel nach den Einschaltquoten – fallen die Nicht-
Champions-League-Teilnehmer jedes Jahr weiter zurück. Zwar erhält dank des neuen TV-Rekorddeals selbst der Tabellenletzte fabelhafte 93 (!) Millionen Franken, aber die Klubs an der Tabellenspitze kriegen nicht nur von diesem Kuchen ein grösseres Stück, sondern dürfen sich zudem jährlich über einen Zustupf aus der Champions League von mindestens 20 Millionen Franken freuen – ohne die 9 Millionen Antrittsprämie und die Punkteprämien. «TV Will Tear Us Apart» Die Zweiteilung einer Liga in Champions-League-Teilnehmer und den Rest wird zusätzlich gefördert, wenn die nationalen TV-Gelder nicht zentral, sondern individuell vermarktet werden. Das krasseste Beispiel dafür ist Spanien, wo Barça und Real die Hälfte der 800 Millionen Franken bekommen, den Rest müssen sich die übrigen 18 Vereine teilen. Der Tabellenletzte kassiert nach diesem Schlüssel läppische 8 Prozent dessen, was die Giganten einnehmen (in England sind es 67 Prozent). Gegen diese Unverhältnismässigkeit soll nun vorgegangen werden. Weil die Verträge aber noch bis zu drei Jahre laufen, wird das Gesetz, das Ende dieses Jahres vorliegen soll, noch länger nicht eingeführt werden können. In diesen drei Spielzeiten werden die beiden Teams gegenüber
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EINHEITSBREI IN ENGLAND: Wer stand wie oft in den Top-5 der Premier League
United Arsenal Chelsea City Tottenham Liverpool Everton Newcastle
einem Mittelfeldklub Mehreinnahmen von ca. 1,8 Milliarden Franken aus nationalen TV-Rechten und -Werbungen sowie Champions-League-Prämien und -TV-Pool haben. Der Geldfluss aus der Champions League lässt also nicht nur die grossen Ligen immer weiter enteilen, er schafft auch eine grosse Kluft zwischen deren regelmässigen Teilnehmern und dem ganzen Rest der Liga. Um dem Zurückfallen der kleinen Nationen entgegenzuwirken, wurde die Qualifikation für die Königsklasse auf die Saison 2009/10 dahin gehend verändert, dass der sogenannte ChampionsWeg eingeführt wurde, auf dem die Meister der kleineren Ligen gegeneinander die letzte Play-off-Runde spielen. Dies sollte die Qualifikation für die Dritten und die Vierten der Topligen erschweren und dafür sorgen, dass zumindest einige der «Kleinen» den Sprung in die Gruppenphase schaffen. «Wir haben die Champions League demokratisiert!», jubelte UEFAPräsident Michel Platini. «Jetzt können auch die kleinen Verbände in der Champions League Geld verdienen und vielleicht ihre Spieler halten.» Tatsächlich schafften es seither aber nur gerade zwei Vereine, sich in den Play-offs gegen die Vertreter der Top-5-Ligen durchzusetzen, nämlich Braga und Dynamo Kiew. Kleine Verbände sind dies nicht. Mit dieser Reform erfasste die Ligenspalterei hingegen auch die nationalen Meisterschaften der Verbände im vorderen Mittelfeld der 5-Jahres-Wertung. Die oben genannten FC Kopenhagen, BATE Borisov oder FC Basel werden zwar mit
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den Einnahmen nicht annährend die Lücke zur europäischen Spitze schliessen können, gegenüber ihren Konkurrenten in der heimischen Liga erschaffen sie sich damit aber einen kaum wettzumachenden finanziellen Vorsprung. BATE Borisov etwa, das bei seinen drei Champions-League-Teilnahmen dank der Reform lediglich Levski Sofia, Sturm Graz bzw. Ironi Kiryat Shmona (Isr) ausschalten musste, garnierte in der Königsklasse jeweils deutlich mehr Geld, als seinen Konkurrenten jährlich zur Verfügung steht. Damit konnte man stets die besten Spieler der anderen Titelkandidaten wegkaufen und eröffnet dieses Jahr die moderne BATE-Arena. An BATE wird es in absehbarer Zeit kein Vorbeikommen geben für die Teams aus Minsk, Brest und Soligorsk. Wie sich die Situation in der Schweiz gestaltet, ist hinlänglich bekannt. Dank des Aufstiegs in der 5-Jahres-Wertung wird die Schweiz künftig gar einen fixen Startplatz in der Champions League haben. Mit garantierten Einnahmen von nahezu 20 Millionen Franken – kaum ein Super-League-Verein hat auch nur ein solches Budget – lässt es sich natürlich einfacher wirtschaften. Das Abwerben von Spielern der Konkurrenz ist problemlos möglich, selbst riskante und teurere Transfers liegen drin, ohne die Bilanz zu gefährden. Dafür ist nicht einmal die ununterbrochene Teilnahme in den Gruppenspielen Pflicht, es reicht schon aus, dies alle zwei, drei Jahre zu schaffen. Mit jeder Teilnahme wächst der Vorsprung deutlich.
Konkurrenz zu schwach Für die Herausforderer eines enteilenden Spitzenteams einer kleineren Liga ist es naturgemäss schwierig, die Finanzierung sicherzustellen. Zu gross ist der Abstand zum Krösus, zu überschaubar sind die Perspektiven. Wer will schon einen Verein unterstützen, der keine Chancen auf den Titel hat? Es käme also zu den gefürchteten «schottischen Verhältnissen». Schon vor dem Abstieg der Rangers versuchten die kleinen Vereine gar nicht erst, die Giganten zu fordern, mittlerweile steht Celtic ganz ohne Konkurrenz da. Wenn die Möglichkeit auf Meisterehren praktisch wegfällt, heisst das allerhöchste Ziel, sich Platz 2 zu sichern. Wer sich darauf beschränkt, wird kaum mehr ein Budget aufstellen, mit dem man den Ligadominator zumindest ein bisschen fordern kann. Eine solche Reduktion von Budget und Ambitionen hat freilich direkte Auswirkungen auf die Qualität der Mannschaft. Auf den ersten Blick mag dies für das Topteam gut sein, kommt es doch so zu problemlosen Meistertiteln und ChampionsLeague-Teilnahmen, auf längere Sicht ist es aber nachteilig. Ohne ernsthafte Konkurrenz fehlen kompetitive Ernstkämpfe, die es als Vorbereitung für die Champions League braucht. Zudem ist die heimische Liga ein zuverlässiger Zulieferer für das Topteam. Vom aktuellen FCB-Kader kamen acht Spieler von anderen Schweizer Vereinen. Und nicht zuletzt müssen die Basler auch deshalb an einer starken Konkurrenz interessiert sein, weil die Schweiz im Falle von schwachen Auftritten ihrer Vertreter im Europapokal in der 5-Jahres-Wertung rapide an Boden verlieren würde – und sich damit die Chancen auf eine Basler Teilnahme in der Champions League arg schmälern würden. So geschehen ist dies in Schottland, wo ausser den Glasgower Teams kaum jemand Punkte für den Koeffizienten sammelte, sodass man innerhalb von fünf Jahren von Platz 10
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auf Platz 24 zurückfiel. Statt der direkten Qualifikation für die Gruppenphase stehen für Celtic nun 3 Qualifikationsrunden an. Die Champions League in ihrem derzeitigen Format treibt den Fussball einem Kollaps entgegen. Schon jetzt lässt das Interesse aufgrund der hohen Anzahl Spiele mit nahezu unverändertem Teilnehmerfeld in einigen Ländern nach. Der ORF etwa verzichtet fortan auf die Ausstrahlung der Spiele. Deren Sportchef Hans Peter Trost sagte dazu gegenüber «Die Presse»: «Wir haben die Champions League einer Evaluierung unterzogen, weil wir da in den vergangenen Jahren sinkende Quoten verzeichnet haben, und entschieden uns deshalb gegen eine Weiterführung.» Noch aber sorgen die Einnahmen der UEFA durch den Verkauf der TV-Rechte dafür, dass der Einfluss dieses Wettbewerbs auf nahezu sämtliche europäischen Ligen immens ist. Für eine Gesundung der Meisterschaften ist deshalb eine radikale Veränderung der Champions League unumgänglich.
Um die Ligen wieder näher zusammenzubringen, muss zwingend die Anzahl Teilnehmer aus den grossen Ligen beschränkt werden. Mehr als zwei Vertreter darf kein Land stellen. Damit können selbst die Topteams aus England oder Spanien etwa nicht mehr fix mit dem Geldsegen kalkulieren und werden zu zurückhaltenderem Wirtschaften angehalten. Auch die ZWÖLF Champions League wird mit 32 Teams gespielt, wobei Meister und Vizemeister der Top-4-Ligen sowie die Champions der Nationen auf den Rängen 5 bis 12 der 5-Jahres-Wertung gesetzt sind. Selbst für Meister aus kleinen Ligen sind nur zwei Quali-Runden zu überstehen, dafür dürfen auch die Vizemeister der Nationen auf den Rängen 5 bis 12 eingreifen. Wer die letzte Runde verliert, ist direkt für die Europa League qualifiziert (siehe Box). Wer in der Gruppenphase keinen der ersten beiden Plätze erreicht, scheidet aus, statt wie bisher in die Europa League zu wechseln. Auch die Europa League wird umstrukturiert. Durch die Drittplatzierten und die Cupsieger der Top-4- und die Vizemeister der dahinterliegenden Nationen wird der Wettbewerb aufgewertet. So wären diese Saison beispielsweise
Chelsea, Milan oder Valencia vertreten. Die Verlierer der letzten ChampionsLeague-Qualifikationsrunde haben ebenfalls einen fixen Startplatz, aber auch die Kleinen haben eine reelle Chance auf das Erreichen der Gruppenphase.* Essenziell ist die neue Aufteilung der Prämien. Es darf nicht sein, dass bei einer Champions-League-Partie Manchester United gegen BATE Borisov die eine Mannschaft über 5 Millionen Franken aus dem TV-Pool bekommt, die andere gerade mal 60 000 Franken. Sie spielen im gleichen Wettbewerb und müssen dafür auch gleich entlöhnt werden! Wenn der TV-Pool unter allen Teilnehmern gleichmässig aufgeteilt wird, garantiert das jedem Klub ca. 10 Millionen Franken. Jeder Champions-League-Teilnehmer profitiert von der Konkurrenz in der heimischen Liga, sei dies als Spielerlieferant, Nachwuchsausbildner oder einfach nur als «Sparringspartner», um selber auf europäisches Niveau zu kommen. Je besser die Gegner, desto grösser der Effekt. Aber alleine schon wegen der TV-Rechte und des Sponsorings, die nur in einer spannenden Liga hoch genug sind, muss ein Verein ein Interesse daran haben, die heimische Liga zu stärken. Und letztendlich kommt eine international erfolgreiche Konkurrenz auch wieder dem Topteam zugute, indem sie Punkte
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DIE NEUE CHAMPIONS LEAGUE: Vereinfachter Modus mit Begrenzung auf zwei Teams pro Land. Der Platz steht für die Klassierung des Landes in der 5-Jahres-Wertung der UEFA
für die 5-Jahres-Wertung sammelt. Um das Wegziehen von einer oder mehreren Mannschaften zu verhindern, braucht es deshalb Ausgleichszahlungen an die von europäischen Wettbewerben ausgeschlossenen Teams. ZWÖLF schlägt vor: Von den Einnahmen sowohl der Champions League wie auch der Europa League – dies betrifft Auflauf- und Punkteprämien sowie die Gelder aus dem TV-Pool – gehen nur 50 Prozent an den Klub. Die andere Hälfte wird gleichmässig unter den restlichen Ligamannschaften verteilt. So verdient das entsprechende Team noch immer deutlich mehr als der Rest, steigert zudem die Marktwerte seiner Spieler in europäischen Auftritten und verdient auch noch mit Ticketverkäufen
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und Stadioneinahmen. Und doch verringert es den jährlichen Vorsprung auf die Konkurrenz. Eine gleichzeitige Aufwertung der Prämien und TV-Gelder der Europa League würde gleichzeitig den enormen Unterschied zwischen den beiden UEFA-Wettbewerben etwas minimieren.Dies dürfte dank dem gewonnenen Renommee durch nun in der Europa League vertretenen Hochkarätern aus den Top-Ligen durchaus machbar sein. Mit diesen Regelungen wäre auch die Einführung des UEFA Financial Fairplay hinfällig. Dieses ändert nämlich nichts an der Tatsache, dass die Gelder keineswegs fair verteilt werden. Es ist sogar so, dass die nun schon überbevorteilten grossen Vereine zusätzlich geschützt wer-
den, weil mit der Faustregel, dass Ausgaben und Einnahmen sich die Waage halten müssen, diese Phalanx noch undurchdringlicher wird. Will nämlich ein Klub in die Spitzengruppe eindringen, so muss er Geld investieren. Dies ist nach den neuen Richtlinien der UEFA nicht mehr möglich, womit der elitäre Kreis in Zukunft vor Emporkömmlingen wie Manchester City, PSG oder Anzhi Makhachkala gefeit wäre. Wer heute zu den Topteams zählt, wird auch in Zukunft dazuzählen. Und wird – ohne die ZWÖLF-Reform – seine Position jedes Jahr noch mehr zementieren.
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ren Übernahme nicht mit einer grossen Investition verbunden ist, davor geschützt, ganz dem Geldgeber ausgeliefert zu sein. So wären etwa in jüngster Zeit Xamax oder der einmalige rumänische Champions-League-Teilnehmer Unirea Urziceni vom Untergang verschont geblieben. Für die Vereine, die jetzt mehrheitlich in den Händen einer Einzelperson sind, gilt eine Übergangsphase von fünf Jahren, in denen diese Person ihre Beteiligung auf unter 50 Prozent reduzieren muss.
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verein / spieler
klubFuhrung
Investoren kommen und gehen – und hinterlassen hier und da verbrannte Erde. Einem neuen Fall Xamax muss vorgebeugt werden.
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ie oben erwähnten Änderungen sind nur dann sinnvoll, wenn bei fortan gerechter verteilten Einnahmen aus dem Europapokal nicht einfach durch schwerreiche Investoren ein neuerliches Ungleichgewicht geschaffen wird. Selbst wenn diese finanziellen Einschüsse fortan noch mehr als heute «a fonds perdu» wären, führen sie zu einem erheblichen Vorteil jener grossen Ligen, die solche Beteilugungen erlauben. Deshalb soll das deutsche Modell soll künftig als weltweites Vorbild im professionellen Fussball dienen.
Die sogenannte 50+1-Regel, welche es in der Deutschen Fussball-Liga (DFL) Investoren verunmöglicht, die Stimmenmehrheit der AG zu übernehmen, gilt neu in allen Ligen. Genau wie in Deutschland darf sich aber die Mehrheit des Kapitals in Besitz Privater befinden. Einige kritische Stimmen sehen in dieser Regel für deutsche Vereine einen Wettbewerbsnachteil, weil diese deswegen anders als Chelsea, Manchester City oder PSG keine schwerreichen Investoren anziehen können. Mit der Ausdehnung der Regel auf die anderen Ligen wird Chancengleichheit geschaffen. Zudem werden kleinere Vereine, de-
Viele Fussballspieler sind Söldner, denen ihr Arbeitgeber nur bedingt am Herzen liegt. So sind sie auch nicht mit den umfangreichen Strukturen und Aufgaben vertraut, die nötig sind, um den Spielbetrieb überhaupt zu ermöglichen. Und die Vereine verlangen aus diesem Grund von ihren Spielern lediglich, dass sie Leistung auf dem Platz zeigen. Man kann natürlich nicht erzwingen, dass mehr für die Identifikation der Spieler mit dem Verein getan wird. Aber man kann die Rahmenbedingungen schaffen, die einem Spieler die Möglichkeit geben, aktiv an der Vereinspolitik teilzunehmen. In der Schweiz ist der Profibereich eines Vereins in einer AG ausgegliedert, geführt wird diese vom Verwaltungsrat. Um einerseits für interessierte und engagierte Spieler einen Anreiz zu schaffen, sich näher an einen Klub zu binden, und andererseits für eine nähere Anbindung des Führungsgremiums an die Profimannschaft zu sorgen, ist fortan ein Sitz im Verwaltungsrat für einen Vertreter des Spielerrats bestimmt. Dort sind zumeist die reiferen Profis vertreten, die mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen um das Innenleben des Teams wichtige Inputs in den Verwaltungsrat tragen können. Dies stärkt die Fachkompetenz des Gremiums und führt dazu, dass die Vereinsführung stärker auf die Interessen der Spieler Rücksicht nimmt.
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a
uch im Umfeld des Fussballs gibt es einige Änderungen, die in Angriff genommen werden müssen. Ein grundlegendes Anliegen bezieht sich auf den Status von Sport, insbesondere Profisport, in unserer Gesellschaft. Sportvereine werden aktuell nicht als kulturelle Institutionen anerkannt. Auf nationaler Ebene ist der Bereich des Sports dem VBS untergeordnet, dem Departement für Verteidigung und Bevölkerungsschutz. So kommen Sportvereinen auch keine kulturellen Subventionen in ihren Kantonen zugute. Zwar wird Sport, insbesondere die Ausbildung, durch den Bund und die Kantone gefördert, wie es Artikel 68 der Verfassung vorschreibt. Professionell geführte Vereine gehen allerdings weitgehend leer aus, obwohl das «Bundesgesetz über die Förderung von Sport und Bewegung» auch die Förderung leistungsorientierten Nachwuchs- und Spitzensports vorschreibt. Institutionen der Hochkultur wie Museen, Theater und Opern hingegen werden massiv subventioniert. Diese ungleiche Behandlung trotz gemäss Verfassung gleichen Ausgangslagen darf nicht länger Bestand haben.
4.
forderung
Mit unzähligen Millionen wird die Schweizer Kultur subventioniert. Fussballvereine müssen derweil selbst für die Nachwuchsarbeit jeden Franken zweimal umdrehen. Der Sport soll endlich so gefördert werden, wie es die Verfassung vorschreibt.
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Kultur sahnt ab In Basel-Stadt wurde allein das Theater Basel 2012 mit über 33 Millionen Franken subventioniert, drei weitere Institutionen bekamen je 10 bis 15 Millionen. Besucher konnte das Theater rund 165 000 in der Saison 2011/12 verbuchen. Im gleichen Zeitraum fanden über eine halbe Million Zuschauer den Weg ins Joggeli, um den FCB zu sehen. Dieser muss im Gegensatz zum Theater aber eigenständig für seine finanziellen Mittel sorgen. Einen Grossteil der Stadionmiete und der Polizeikosten anlässlich von Heimspielen hat er selber zu tragen. Seit 2008 fielen pro Zuschauer pauschal 1.80 Franken für Sicherheitskosten an, und die Stadionmiete beträgt rund 3,8 Millionen Franken jährlich – variierend je nach Erfolg. Und obwohl der FC Basel Fanarbeit leistet und sich in
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sozialen Projekten engagiert, kommen ihm keine kantonalen Vergünstigungen zugute – die beiden Basler Kantone beteiligen sich lediglich zu zwei Dritteln (je 80 000 Franken) an den Kosten der Fanarbeit selbst. Im Kanton Bern ist man nicht ganz so grosszügig wie in Basel, aber alleine die Domäne Theater und Tanz sowie Museen aller Art erhielten 2011 über 25 Millionen Franken. Das Kunsthaus und die Dampfzentrale bekamen im gleichen Zeitraum noch zusätzlich über eine Million an Fördergeldern von der Stadt Bern zugesprochen. Das Kunsthaus verzeichnete gerade mal 8253 Besucher. YBs Heimspiele verfolgten in der Saison 2011/12 360 000 Zuschauer. Anstatt Subventionen zu erhalten, zahlte der Verein 2012 aber 150 000 Franken allein an Polizeikosten, 1,8 Millionen wurden für private Sicherheitsfirmen ausgegeben. Zusätzlich wurde eine halbe Million in die Fanarbeit investiert. Als kulturelle oder soziale Leistung wird das aber nicht anerkannt. Auch in Bern begnügt man sich mit der finanziellen Unterstützung der Fanarbeit. Derweil wird immer wieder eine stärkere finanzielle Beteiligung des Klubs an den Polizeikosten der Stadt gefordert. In Zürich wird vor allem das Opernhaus enorm subventioniert: 2011/12 erhielt es rund 80 Millionen Franken von der öffentlichen Hand. Die Besucherzahlen lagen bei knapp 250 000. Allein der FCZ und GC konnten diese Zahl in der letzten Saison mit rund 275 000 Zuschauern gemeinsam übertreffen – rechnet man noch den ZSC, die Kloten Flyers und den FC Winterthur dazu, fällt die Zahl noch um einiges höher aus. Subventioniert wird keiner der fünf Zürcher Profivereine. Im Gegenteil, wie der FCB und YB zahlen auch sie Miete für ihre Stadien und müssen einen Teil der Polizeikosten tragen, wenn ein Spiel mehr als 200 Mannstunden Einsatzzeit benötigt. Die Obergrenze für den finanziellen Aufwand pro Verein soll bei einer halben Million Franken pro Saison liegen. Die Zürcher Profiver-
eine bezahlen also jährlich eine Menge Geld an die Stadt, damit der Spielbetrieb gewährleistet bleibt, während die Oper, das Schauspielhaus, die Tonhalle etc. massiv von der öffentlichen Hand subventioniert werden. Alle Sportvereine mit Jugendabteilungen erhalten insgesamt 2 Millionen Franken. Das ist fast gar nichts. Obwohl Stadtpräsidentin Corine Mauch noch jüngst bei Tagesanzeiger/ Newsnet.ch verkündete: «Zürich ist eine Sportstadt und eine Fussballstadt.» Während also Kulturinstitutionen von ihrem Sonderstatus profitieren, müssen professionelle Sportvereine für diesen zahlen, obwohl sie durchaus soziale und kulturelle Leistungen erbringen, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen.
Aber jetzt ist Schluss damit! Sportvereine werden künftig als soziokulturelle Institutionen anerkannt, die einen Mehrwert für die Bevölkerung leisten und aus diesem Grund Subventionen verdienen. Die Profivereine erreichen nicht nur mehr – denn dies darf nicht ausschlaggebend für Subventionen sein – sondern vor allem viel unterschiedlichere Menschen, als dies bei einer Oper oder einem Kunsthaus der Fall ist. Kinder und Jugendliche beispielsweise zählen nicht zur Klientel der genannten Institutionen der Hochkultur.
Ein erster Schritt, um diese Diskrepanz zwischen der in der Verfassung verankerten Förderung von Kultur und Sport zu verringern, ist, das Bundesamt für Sport (BASPO) auf Bundesebene dort einzugliedern, wo auch das Bundesamt für Kultur (BAK) angesiedelt ist. Weg vom VBS, hin zum Departement des Innern (EDI). Hier ist auch das Bundesamt für Gesundheit zuhause, und dem steht der Sport mittlerweile deutlich näher als der Armee.
Sport wird als gesundheits- und integrationsfördernd angesehen, ja sogar regelrecht in diese Richtung sublimiert. Somit ist es angebracht, die Jugendarbeit der Fussballvereine viel stärker zu fördern als bisher. Jeder Verein soll im Verhältnis zum Umfang seiner Jugendabteilung unterstützt werden. Das entlastet gerade auch finanzschwache Klubs, weil sie aus einer besseren Jugendarbeit schöpfen können und somit weniger auf Spieler vom Markt angewiesen sind beziehungsweise durch den Verkauf der eigenen Jugendspieler einen Gewinn erzielen können.
Eine finanzielle Unterstützung wird auch im Bereich des Ticketing geleistet. Die Subventionierung von Tickets soll bewirken, dass Kinder bis 12 Jahre gratis und ihre Eltern für 20 Franken im Familiensektor Platz nehmen dürfen. So kann man den Besuch von Fussballspielen tatsächlich reizvoller für Familien gestalten, ohne die öffentliche Hand zu sehr zu belasten. Beim FCZ, wo die Tickets zu den teuersten in der Super League zählen, würde das eine vierköpfige Familie mit beiden Eltern 40 Franken billiger kommen als bislang. Jugendliche (12–18 Jahre) zahlen von nun an nur noch 10 Franken für den Fansektor. Beim FCZ ist das 20 Franken günstiger im Vergleich zur jetzigen Situation. Im Bereich des Stadions werden den Fussballvereinen zudem die Mietkosten erlassen oder im Falle einer privaten Stadioninhaberin die Kosten übernommen. Darüber hinaus werden die Kosten für die privaten Sicherheitsangestellten im Stadion zurückerstattet. Für viele Vereine stellen diese Subventionierungen eine erhebliche finanzielle Entlastung dar.
Zudem werden die Vereine von den Polizeikosten befreit. Im Vergleich zu
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den Subventionierungen für andere Kulturinstitutionen sind dies keine exorbitanten Summen. Vor allem aber sind die Vereine Steuerzahler, ebenso wie ihre Besucher (oder deren Erziehungsberechtigte). Freilich sind längst nicht alle Stadionbesucher in der Stadt des Vereins ansässig, gleiches gilt aber auch bei den Kulturinstitutionen. In dem Sinne kann es nicht sein, dass sie die Polizeikosten bei Hochrisikospielen zusätzlich mitfinanzieren müssen, immerhin haben sie als Steuerzahler das Recht, diese Leistungen der Polizei einzufordern. Wenn die Stadt die Polizeieinsätze selber übernehmen muss – wie dies bei anderen Grossanlässen wie im Falle Zürichs etwa der Street-Parade, dem Sechseläuten, dem Züri-Fäscht oder der FIFA-Gala der Fall ist –, ist sie um Verhältnismässigkeit eher bemüht, als wenn sie die Kosten auf die Vereine abwälzen kann (die in der Planung freilich nicht mitreden dürfen). Hier kann man einwenden, dass kaum eine andere kulturelle Institution derartige Polizeikosten verursacht. Aber in der Oper werden beispielsweise hochbezahlte Weltstars finanziert, während die Fussballvereine auch weiterhin die Kosten für ihre Profispieler zu tragen haben. Unterschiedliche Institutionen verursachen nun mal unterschiedliche Kosten. Welcher Art diese sind, ist schlussendlich unwichtig.
Eine Sondergesetzgebung existiert aktuell auch für Fussballfans. Das ist natürlich nicht haltbar. Ob inner- oder ausserhalb eines Stadions: Vor dem Gesetz ist jeder gleich. Anstatt mit dem neuen Hooligan-Konkordat weitere repressive Massnahmen zu ergreifen, die rechtsstaatlich problematisch sind, müssen soziale Mechanismen wie die Fanarbeit gestärkt werden. Zudem müssen die Befugnisse der privaten Sicherheitskräfte beschränkt werden. Denn als Folge des Konkordats reicht nun eine Aussage eines Securitymitarbeiters bereits aus, um eine Person in die HooliganDatenbank aufzunehmen, während die
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Unschuldsvermutung aufgehoben wird. Damit werden grundlegende staatliche Kompetenzen an Private abgetreten. Darüber hinaus werden die Datenbankeinträge auch ohne richterlichen Beschluss durchgeführt, was in rechtsstaatlicher Hinsicht ebenfalls sehr problematisch ist. Statt das Stadion als Hort jugendlicher Gewalttäter darzustellen, soll es wieder vermehrt als Ort der Begegnung einer heterogenen Bevölkerung inszeniert werden. Immerhin ist auch die Integration sogenannter Problemfälle eine gesellschaftliche Aufgabe, die kaum von einer urbanen Kulturförderung zu trennen ist. Dass man nicht alle Probleme bezüglich Gewalt – symbolisch, verbal und physisch – auf diese Weise aus dem Stadion oder der Gesellschaft verbannen kann, ist vollkommen klar. Aber zumindest soll versucht werden, sich dieser Probleme mit einem positiven Ansatz anzunehmen, anstatt eine repressive Mentalität von Recht und Ordnung zu stärken. Schlussendlich geht es um die oben erwähnte Anerkennung des Profisports als soziale und kulturelle Institution. So könnte man auch die Trennung zwischen Hochkultur und Populärkultur aufheben, durch die seit je von den Eliten bestimmt wird, was eigentlich Kultur ist und was nicht. Meist läuft es bei dieser Trennung darauf hinaus, dass die elitäre Kultur wahre Kultur ist. Ob Körperkultur, Spielkultur oder Fankultur, Fussball ist zweifellos eine kulturelle Institution, und somit sind es die Vereine, die den Spielbetrieb organisieren, auch. Das Ziel ist es, auf diese Weise dem Fussball Subventionen zukommen zu lassen – das heisst aber nicht, dass Institutionen wie Opern, Theater und Museen leer ausgehen oder extrem zusammenstreichen müssen. Den Sportvereinen würde schon ein Bruchteil der Kultursubventionen genügen, um eine deutliche Verbesserung der Situation zu erreichen. Denkbar ist beispielsweise, dass 5 Prozent der bisherigen Kultursubventionen neu dem Sport zustehen. Für Stadt und Kanton Zürich hiesse dies, dass von den 200 Millionen
für die Kulturförderung, von denen viel für hochbezahlte Stars in den grossen Häusern draufgeht, 10 Millionen neu den Jugendabteilungen der Sportvereine zukommen würden. Damit wird sich das Budget für Letztere verfünffachen, während das Opernhaus mit über 70 Millionen immer noch grosszügig finanziert wird. So viel bekam das Haus noch vor wenigen Jahren, seither wurde immer mehr eingeschossen. Ein bisschen Zurückhaltung würde schon reichen, um die Vereine massiv zu entlasten und so den Sport so fördern zu können, wie es die Verfassung vorschreibt.
Allumfassend kann auch unsere Revolution nicht sein. Es gibt noch einige Felder, in denen wir uns Veränderungen wünschen würden: die WM, die EM, das Transferwesen, die FIFA- Weltrangliste usw. Da wir die Fussballwelt nicht gleich mit einem Revolutionsprogramm mit dem Umfang eines Telefonbuchs überrollen wollten, haben wir uns in einem ersten Schritt auf die oben aufgeführten Punkte beschränkt. Die gemachten Vorschläge sind allesamt wohl durchdacht worden und das Ergebnis endlos langer Diskussionsrunden. Dennoch bieten sie immer noch grosses Potenzial für Kontroversen. Darum wird ZWÖLF zu diesem Thema eine Podiumsdiskussion mit Experten aus den verschiedenen Bereichen durchführen. Diese wird in der zweiten August-Hälfte dieses Jahres stattfinden. Ihr, liebe Leser, werdet darüber via Website, Facebook, Newsletter und in der nächsten Ausgabe informiert. Wir freuen uns schon jetzt auf intensive Gespräche, wilde Gedankenspiele und einen sommerschönen Fussballabend!
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Illustration: Emanuel Roth
Kleiner Bruder, was nun? Text: Richard Reich / Bild: Frank Blaser
Hakan Yakin muss sich ganz neue Fragen stellen.
«K
lar, kann ich keine Veloschläuche flicken – du hast es mich ja nie probieren lassen!» «Weil du dich so ungeschickt angestellt hast! Wie sollte ich da tatenlos zusehen…?» Manchmal, wenn mein Bruder und ich am Sonntagnachmittag bei einer Tasse Tee zusammensitzen, kommt das Gespräch auf früher. Schwupp, und wir stecken wieder in den alten Rollen. Verkörpern die Klischees wie gut sitzende Theaterkostüme. Er: der grosse, besonnene, leicht zermürbte Verantwortungsträger. Ich: die kleine, freche, etwas unbedarfte Frohnatur. Dieser Reflex ist auch Jahrzehnte nachdem wir das Elternhaus, die Elternwohnung verlassen haben, fast stärker als jede später hinzugekommene Erfahrung. Okay, wenn ich heutzutage einen Platten habe, bringe ich das Bike zu Velo Elsener. Sonst aber bleibt es dabei: einmal grosser/ kleiner Bruder, immer grosser/kleiner Bruder. Diesem seltsamen Mechanismus gehorchend, denke ich auch sofort an Hakan, sobald ich Murat höre. Und an Murat, sobald ich Hakan höre. Und entsprechend ist es mir ans Herz gegangen, wenn in den letzten Monaten immer betrüblichere Nachrichten über den Gotthard flatterten: Geld weg, Punkte weg, Abstieg… Wie hätte der arme kleine Bruder das alles schaffen sollen, ganz allein, da unten im Tessin? Ich kenne das Bellenzer Comunale, habe früher selber hin und wieder da gespielt, meistens verloren, und weiss daher, wie einsam man sich dort fühlen kann: eingeklemmt zwischen humorlosen Bergzügen, eingesperrt in einer bröckligen, durch infarktöse Verkehrs-
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adern von der Welt gekappten Provinzhauptstadt, deren einzige Funktion noch darin zu bestehen scheint, dem gewalttätigen Nord-Süd-Transit nicht vollends das Feld, nicht kampflos den ganzen Kanton zu überlassen. Jedenfalls knallte die stolze AC Bellinzona also, wenn nicht wie die Titanic, so doch wie die Costa Concordia blindlings gegen ein unsichtbares Riff. Alle Mann von Bord! Der Kapitän zuerst! Doch was ist das? Hakan hält die Stellung! Ausgerechnet der kleine Yakin! Für einmal hat sich dieser Nichts-wie-weg-von-hier-Spezialist nicht ins nächstbeste Rettungsboot abgeseilt. Ist einfach hocken geblieben. Sagte kaum etwas zu der ganzen Misere, ausser: «So ein Ende habe ich nicht verdient.» «Kleiner Mann, was nun?», so hiess seinerzeit Hans Falladas Weltbestseller. Es war ein Abgesang auf den klassischen Kleinbürger, eine bittere Beschreibung des Untergangs des kleinen Mannes, der in einer immer kälteren Welt so gerne anständig bleiben möchte… Daran erinnert er mich, Hakan, dieser kleine Fussballmann in diesen letzten Tagen seiner Laufbahn, wie er mit grossem Ernst die Folgen seines neusten Ungemachs, seines voraussichtlich letzten Fehltransfers trägt. Nein, diesmal besteigt er keinen Easy-Jet, um in Wolverhampton, Wolfsburg oder Wohlen anzuheuern, keinen Pendolino, um sich in Padua oder Pruntrut ein allerletztes Mal als Hoffnungsträger zu präsentieren. Nein, Hakan verdrückt sich weder nach Paris noch Katar noch heim nach Münchenstein, um dort vor netteren Kulissen mit glücklicheren Menschen «La vita è bella» zu spielen. Sondern er bleibt bei seiner traurigen letzten Liebe, der alten
ACB, treu wie ein guter Gatte, versöhnlich wie ein gutmütiger Vater, verlässlich wie ein grosser Bruder. Ich sehe ihn vor mir, nach seinem (aller?) letzten Match, wie er mausbeinallein im Comunale hockt, auf dem kalten Beton der altmodischen Haupttribüne, die ihn an bessere Zeiten erinnert: an «Congeli» vielleicht, den kleinen FC Concordia, in dessen Eintracht er so geborgen aufwuchs. An das alte Joggeli, sein erstes Mekka. Oder an den geschleiften Hardturm, wo Klein Hakan immerhin zum ersten Mal bei den Grossen Landesmeister wurde. Tja, weit, weit zurück liegt das alles, im Märchenland der Kindheit, im Wunderland der Jugend. Dort, wo das Glück noch ein kugelrunder Ball war, mit dem Klein Hakan tun und lassen konnte, was ihm gefiel. Jetzt aber sitzt er da und wiederholt wie ein Mantra die immer gleichen Gedanken: «Jetzt sei endlich erwachsen! Nein, du rufst ihn nicht an! Dein Bruder hat jetzt Wichtigeres zu tun…» Einmal kleiner Bruder, immer kleiner Bruder. Dieses in der Kinderstube angelegte Bruder-Dilemma haben zweihundert Jahre vor den Brüdern Yakin bereits die Brüder Grimm durchgespielt. In ihren «Hausmärchen» kommt dem Jüngsten fast immer die undankbare Rolle des «Unhelden» zu. Und zwar besteht bei den Grimms (laut der Literaturwissenschaftlerin Cornelia Larsen) die einzige Rolle des kleinen Bruders darin, eine Kontrastfigur zum Ältesten, dem Helden, abzugeben. Der Job des Jüngsten ist im Märchen ebenso banal wie frustrierend: Er soll sich schlicht und einfach «konsequent falsch verhalten». In der Tat: Murat dem Grossen mag hie und da ein Fehlerlein unterlaufen, doch
abschied hakan Yakin
die Rolle des Unhelden fällt immer dem kleinen Bruder zu. Im Hausmärchen der Familie Yakin ist und bleibt der Jüngste der Verlierer, der «Dummling», wie es in der gnadenlosen Terminologie der Grimm-Brüder heisst. Aber immerhin hat Hakan, im Lauf der Spielzeiten mit ihrer Abfolge von ansehnlichen Erfolgen und noch weit grösseren Peinlichkeiten, gelernt, sich irgendwie
mit seinem Rollenbild abzufinden. Und gleichzeitig weiss der Junge sehr wohl, dass er ein neues Konzept brauchen wird, ein neues Ich, und zwar bald. Er weiss, dass die Zeit der kurzen Antritte vorbei ist. Die Epoche seiner tödlichen Pässe. Seiner Kunstschüsse ins Kreuzeck der fussballerischen Seligkeit. Wie dieses neue Konzept aussehen könnte? Wer kann das wissen. Sicher
wird der zukünftige Hakan nicht wie ein grosser Trainer ausschauen, er ist ja nicht Murat. Eher wie ein ziemlich normaler kleiner Mann, der irgendwo, irgendwie versucht, ein anständiges Leben zu führen. Bis dahin ist es vielleicht gar nicht das Dümmste, mal eine Weile einfach sitzen zu bleiben. Abseits von allem. Auf einer kühlen Betontreppe in einem verlassenen Stadion hinterm Gotthard.
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interview diego Benaglio
«Der Längste geht ins Tor» Interview: Mämä Sykora / Bilder: Florian Kalotay
Reservistendasein? Konkurrenzkampf? Felix Magath? Einen Diego Benaglio bringt auch abseits des Platzes kaum etwas aus der Ruhe. ZWÖLF: Diego, du bist nun seit fünf Jahren in Wolfsburg. Ich war leider noch nie da, kenne nur die Erzählungen über die Stadt. Ist sie wirklich so schlimm? Benaglio: Ich weiss, der Ruf ist nicht der beste. Meine Familie fühlt sich jedenfalls sehr wohl dort. Klar, es ist keine Metropole wie München oder Hamburg, sondern einfach eine kleine deutsche Stadt, in der ein Konzern ziemlich präsent ist. Aber es lässt sich sehr gut dort leben. Die Stadt ist nicht sonderlich beliebt, das Gleiche gilt für deinen Verein, den VfL. Ja, das ist leider so. Es ist sehr schade für den Verein, dass Dinge nicht immer korrekt dargestellt werden, was nicht eben förderlich für das Image ist. Wir als Mannschaft können aber zumindest einen Teil dazu beitragen, dass das Bild sowohl des Vereins als auch der Stadt etwas positiver wird.
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Wenn man «Wolfsburg» googelt, kommt zuerst der VfL und erst danach die Stadt. Ist das bezeichnend für die Stellung des Vereins? Der Verein ist wirklich sehr wichtig für die Stadt, das spürt man überall. Viele Fans identifizieren sich total mit dem VfL. Es ist nicht so, dass es gleich einen riesigen Auflauf gibt, wenn ich irgendwo auftauche. Aber natürlich werde ich erkannt und auch angesprochen. Du bist die Nummer 1 der Schweiz und hast einen Stammplatz in der Bundesliga. Und dies nach einem eher ungewöhnlichen Karriereverlauf. Dein Vater ist heute Verwaltungsratspräsident bei Zug 94. Das klingt nach Fussballfamilie und akribisch genau geplanter Laufbahn. Der Eindruck täuscht. Mein Vater hat zwar früher auch Fussball gespielt, landete sogar auch irgendwann im Tor, aber das hat er früher gar nie erwähnt. Ich habe
das erst erfahren, als ich selber auch Goalie war. Ich spielte vor allem Tennis, wie mein Vater auch. Zum Fussball kam ich eher durch Zufall. Die Geschichte stimmt also, dass du vom Tennislehrer gezwungen worden bist, das Fussballtraining zu besuchen, um deine Beinarbeit zu verbessern? Es war nicht gerade ein Befehl, der Tipp kam aber tatsächlich von meinem Tennislehrer. Ich wäre schon früher gerne zum Fussball gegangen, aber meine Eltern waren der Ansicht, ich müsse mich für eine Sportart entscheiden. Irgendwann haben sie aber eingelenkt, und ich durfte zum FC Spreitenbach – als Stürmer. Also bei uns musste jeweils der fussballerisch Schlechteste ins Tor. So schlecht war ich nicht als Feldspieler. Im Sturm hat man gewisse Vorteile, wenn man einen Kopf grösser ist als die Gegenspieler (schmunzelt). Dann war aber eines Tages unser Goalie krank, und dann hiess es natürlich: «Der Längste geht ins Tor.» Das hat blöderweise so viel Spass gemacht, dass ich gleich dageblieben bin (lacht). Von da an habe ich nie mehr im Feld gespielt. Gute Goalies haben wir in der Schweiz ja eigentlich genug. Willst du nicht doch wieder in den Sturm?
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interview diego Benaglio (Lacht) Stürmer haben wir tatsächlich nicht sehr viele. Kannst du es noch? Kommt drauf an für welche Liga. Für die Nati würde es definitiv nicht reichen. Mittlerweile sind die Goalies ja auch mit den Füssen sehr stark. Gerade die jüngeren wie etwa Roman Bürki kriegen unglaublich genaue weite Pässe hin. Das kommt immer mehr. Und es ist auch notwendig, dass ein Goalie mit Auswürfen, Abschlägen oder eben einem weiten Pass einen Angriff einleiten kann. Dabei ist man aber sehr abhängig von seinen Mitspielern. Man kann das Spiel nur dann schnell machen, wenn diese mitmachen. Alleine nützt das nichts. Vor allem aber ist es eine Systemfrage. Wenn es der Trainer erlaubt, dass ein Goalie das Spiel schnell machen darf, ist es eine sehr gute Waffe. In diesem Punkt hat sich eure Rolle in der Mannschaft schon sehr verändert. Ja, auf jeden Fall. Ich kann mich nicht erinnern, dass früher ein Goalie so viel Einfluss auf das offensive Spiel seiner Mannschaft genommen hat, wie es heute bei den meisten üblich ist. Wer waren denn deine Idole in der Jugend? In der Schweiz hat mir Ike Shorunmu sehr gut gefallen. Von Spielweise und Präsenz beeindruckt mich nach wie vor Gianluigi Buffon am meisten. Bei aller Konzentration und dem Druck schafft er es immer, das Ganze mit einem Lachen auf den Lippen zu kombinieren. Diese Lockerheit braucht es.
«So schlecht war ich nicht als Feldspieler.» Shorunmu, ein FCZler. Obwohl dein erster grosser Verein ja GC war. Da hast du zwar nie ein Meisterschaftsspiel bestritten, aber dennoch bist du oft an Anlässen und Spielen des Vereins anzutreffen. Woher diese enge Verbindung?
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Es ist ja normal, dass man zu seinen ehemaligen Vereinen eine engere Beziehung pflegt. Ich war aber schon als Kind ab und zu mit meinem Vater im Hardturm. Nun bin ich schon seit vielen Jahren im Ausland, lebe aber eigentlich in Zürich und darum nutze ich auch die Gelegenheit, ein GC-Spiel zu besuchen, wenn ich mal im Land bin. In Deutschland kriege ich leider kaum mehr mit als die Resultate der Super League. Mit zehn Jahren zum ersten Mal im Tor gestanden, kurz darauf schon in der Nachwuchsnati: Ist ja fast schon unheimlich, wie schnell es bei dir aufwärtsging. Ja, es ging schon relativ schnell. Von Spreitenbach kam ich zum FC Baden, wo damals Martin Andermatt Trainer war. Unter ihm durfte ich schon mit 14 Jahren ab und zu mit der ersten Mannschaft mittrainieren. So kam ich auch in die U15-Nationalmannschaft und dann eben zu GC. Drei Jahre bist du bei den Hoppers geblieben, dann gaben sie dich ablösefrei zu Stuttgart ab. Das heisst, sie hatten keine Verwendung mehr für dich, die spätere Nummer 1 der Schweizer Torhüter? So kann man das nicht ganz sagen. Es war mehr mein Wunsch, für Veränderung zu sorgen. Ich war die Nummer 3 bei GC, wäre wohl auch in der Folgesaison die Nummer 3 gewesen, deshalb bevorzugte ich die Option Stuttgart. Das war zwar keine Veränderung an meinem Status – ich war auch dort als Nummer 3 eingeplant –, aber die Bundesliga hat mich schon sehr gereizt. Bundesliga war es dann aber doch nicht. Zumindest bist du ohne Ligaeinsatz geblieben. Hast du dich nie gefragt, warum Stuttgart dich geholt hat, wenn sie dich dann doch nicht einsetzen? Ich bin keineswegs mit falschen Versprechungen gelockt worden. Man hielt mich für einen talentierten Goalie, der irgendwann vielleicht mal die Nummer 1 werden könnte. Geholt wurde ich aber klar
als Nummer 3, nach einer Saison sollte ich zur Nummer 2 aufsteigen. Dann änderte sich aber nach einem Jahr die Konstellation im Verein, sodass ich nochmals als Nummer 3 in der Regionalliga spielen musste. Selbst da warst du nicht sauer? Nein, damals war das nicht so. Wenn mich heute ein Verein holen würde und ich wäre nur auf der Bank, ja, dann wäre ich sauer. Ich war auch nicht so vermessen, dass ich mit 19 schon einen Platz in
der ersten Mannschaft gefordert hätte. Ich sah auch die Zeit in Stuttgart wirklich als Ausbildung an. Ist diese Ausbildung denn in Deutschland wirklich so viel besser? Ich hatte schon bei GC in Milan Sarovic (ehemaliger Nationaltrainer Jugoslawiens, Anm. d. Red) einen hervorragenden Ausbildner. Die deutsche Goalieschule ist aber doch ein bisschen anders. Dort lernte ich noch eine andere Seite kennen, die mich geprägt hat.
Was zeichnet denn diese deutsche Goalieschule aus? Dort wird wahnsinnig viel Wert auf die Physis gelegt. Und wenn man dann noch wie ich damals Felix Magath als Trainer hat ... (lacht) Da habe ich in Sachen Fitness sehr zugelegt. Ohne diese Voraussetzung hat man in Deutschland keine Chance. Dann kennst du wohl auch die Wälder um Stuttgart nun bestens. Ja, das eine oder andere Gehölz habe ich doch kennenlernen dürfen.
Weitere drei Jahre ohne Einsatz gingen in Stuttgart zu Ende, dein Wechsel nach Madeira zu Nacional Funchal überraschte viele. Heute kann man sagen, das war die perfekte Karriereplanung. War es damals aber nur eine Notlösung? Zu diesem Zeitpunkt gab es verschiedene Möglichkeiten, jedoch nur zwei Klubs, bei denen ich sicher die Nummer 1 gewesen wäre. Und ich wollte nach diesen Ausbildungsjahren nun doch spielen. Thun wollte mich ausleihen, dafür hätte ich aber
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Auftrag von Köbi Kuhn (schmunzelt). Die Entscheidungsträger in der Goaliefrage haben sich schon nicht einfach aufs Hörensagen verlassen. Mir war aber doch bewusst, dass meine Leistungen in Portugal in der Schweiz nicht wirklich wahrgenommen wurden. Köbi Kuhn machte dich einen Monat vor der EM zur Nummer 1. Kam das für dich überraschend? Der Dreikampf um den Platz im Tor war total ausgeglichen. Als uns Köbi Kuhn in England in seine Suite bestellte, wusste keiner von uns, was ihn erwarten würde. Ich war also nicht direkt überrascht, weil ich nicht mal eine Tendenz ausmachen konnte, wer die besten Karten haben könnte. Solche Personalentscheidungen hatten bei Köbi Kuhn teilweise unschöne Folgen. Man denke da zum Beispiel an die Aussortierung von Sforza oder Johann Vogel. Unter euch Torhütern gab das keine Probleme? Natürlich waren die anderen beiden enttäuscht. Aber beide haben den Entscheid akzeptiert und verhielten sich sehr professionell. Auch danach haben wir uns untereinander sehr gut verstanden.
beim VfB verlängern müssen, und eben Funchal. Zum Glück war meine Entscheidung die richtige (schmunzelt).
mit Händen und Füssen «reden» konnten. Wir haben da wunderbare zweieinhalb Jahre verbracht.
Das kann man wohl sagen. Wenn man auf Madeira nur schon sagt, man sei Schweizer, gehen sofort die Schwärmereien von Benaglio los. Du warst da ein Held. Das freut mich zu hören. Auch auf Madeira waren die Leute sehr fussballbegeistert und haben meine Frau und mich extrem offen und herzlich empfangen, obwohl wir am Anfang kein Wort Portugiesisch sprachen. Die Mannschaft nahm mich auch toll auf, selbst wenn wir zu Beginn beim gemeinsamen Essen nur
Das war die Zeit vor der EM 2008, als die ganze Schweiz rätselte, wen Köbi Kuhn ins Tor stellen würde. Zubi, Coltorti und du waren die Kandidaten. Man sagte sich, der Benaglio soll noch gut sein, spielen sehen hat dich aber kaum je jemand. Hat dich denn überhaupt mal jemand beobachtet auf Madeira? Ja, das wurde schon gemacht. Erich Burgener, der damalige Goalietrainer der Nati, kam vorbei. Jörg Stiel war auch mal da. Heute vermute ich, das geschah im
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Was sind für dich die Unterschiede zwischen der Nati der Köbi-Kuhn- und jener der Ottmar-Hitzfeld-Ära? Es ist immer schwierig, Trainer zu vergleichen. Als ich unter Köbi Kuhn in die Nati kam, habe ich gleich gemerkt, dass das eine eingeschworene Einheit ist. Viele spielten schon etliche Jahre zusammen, seit U21-Zeiten, auch damals schon unter Köbi Kuhn. Dadurch wussten die Spieler genau, wie sie mit den Freiheiten umgehen mussten, die ihnen Kuhn einräumte. Das funktionierte, weil am Matchtag alle wussten, dass sie dann für den Trainer alles geben müssen. Meine erste Erfahrung war die WM 2006, da war ich wahnsinnig beeindruckt, was für ein geiler Teamspirit da herrschte. Das ging danach verloren? Es gab nun mal einige Veränderungen, weil viele mittlerweile aufgehört hatten.
interview diego Benaglio
Dafür haben wir heute mit Hitzfeld einen super Trainer, der mich vor allem in den Ansprachen an die Spieler beeindruckt. Danach weiss jeder genau, was von ihm erwartet wird. In der Nati hast du Zubi verdrängt, zuvor bei Wolfsburg hast du auch schon einen Stammkeeper abgelöst, nämlich Simon Jentzsch. Da war die Situation aber anders. Felix Magath wollte mich holen, und zwar als Nummer 1. Er hatte Jentzsch schon mitgeteilt, dass er nicht mehr mit ihm plane. Es war nie ein Konkurrenzkampf, denn als ich in der Winterpause kam, war Jentzsch schon ausgemustert und trainierte mit der zweiten Mannschaft. Als Torwart ist das ein perfekter Einstieg, wenn du vom Trainer zur klaren Nummer 1 gemacht wirst. Und es wurde noch viel besser. UEFACup in deiner ersten Saison, Meister in der zweiten. Mit Wolfsburg. Wie hat das eigentlich passieren können? Topfavorit waren wir wahrlich nicht. Aber es hat einfach alles gepasst. Wir hatten einen perfekten Mix aus einigen erfahreneren Spielern und vielen hungrigen jüngeren. Die Zusammenarbeit mit dem Trainerstab lief perfekt, und in der Rückrunde stellte sich dann diese Gewissheit ein, dass wir praktisch alles machen können, und es funktioniert irgendwie. An eurem damaligen Trainer, Felix Magath, scheiden sich die Geister. Du scheinst aber eine sehr gute Beziehung zu ihm zu haben. Anscheinend hattest du einen Passus im Vertrag, der dir ermöglichte, den Verein zu verlassen, falls Magath gehen sollte. Ganz so war es nicht. Es ist nicht so, dass ich mit Magath eine Beziehung habe, die über das Spieler-Trainer-Verhältnis hinausgeht. Ich habe über Jahre sehr gut mit ihm zusammengearbeitet, deshalb kann ich ihn sehr gut deuten und verstehen. Die Klausel im Vertrag war nur deshalb drin, weil ich leider erleben musste, was passierte, als er nach dem Meistertitel zu Schalke ging.
Was meinst du? Ich sage nicht, dass wir auch in der Folge jedes Jahr um den Meistertitel mitgespielt hätten, wenn Magath geblieben wäre. Wir hätten uns aber wohl im ersten Tabellendrittel festsetzen können. Bestimmt aber wäre es nicht so unruhig geworden, wie es eben leider nach seinem Abgang wurde. Magath war Trainer und Manager in Personalunion, deshalb entstand ein Machtvakuum, das zu einigen unschönen Vorfällen führte. Das wollte ich nicht noch einmal erleben, deshalb wollte ich bei Magaths zweiter Amtszeit diesen Passus im Vertrag. Magaths zweite Amtszeit war ein ziemliches Debakel. Es hat tatsächlich nicht mehr so funktioniert wie beim ersten Mal. Ich bin aber nach wie vor der Ansicht, dass Magath ein hervorragender Trainer ist. Klar, er ist auf eine Art doch sehr eigen, er ist ein sehr strenger Trainer… Ist das wirklich so? Du hast nun einige Vergleiche. Ist er wirklich der «Quälix»? Das ist natürlich übertrieben. Aber unter ihm trainiert man sehr viel. Er verlangt von den Spielern, dass sie ihren Beruf 100-prozentig leben. Magath macht alles für den Erfolg, von seinen Spielern verlangt er dasselbe. Wenn man diesen Anspruch erfüllen kann, hat man mit ihm keine Probleme. Kann er auch lachen? Ja, ja, auch das gibt es. Er wird viel zu extrem dargestellt in den Medien. Dein Backup bei Wolfsburg war fünf Jahre lang Marwin Hitz, ein weiterer Schweizer. Er ist nun bald 26 und hat in den letzten zwei Saisons nur gerade zwei Bundesliga-Einsätze gehabt. Ist das eine gute Karriereplanung für einen Goalie? Man kann sicher darüber diskutieren, ob er diesen Entscheid schon früher hätte fällen sollen. Er hat sich allerdings bei uns sehr gut entwickelt in den letzten Jahren, er steht nun am gleichen Punkt wie ich vor meinem Wechsel nach Portugal – allerdings ist er halt schon fünf Jahre
Diege Benaglio Geboren am 8. September 1983 Im Alter von 19 Jahren wagte Diego Benaglio den Sprung ins Ausland zum VfB Stuttgart. Weil er es dort in die erste Mannschaft schaffte, wechselte er nach drei Jahren auf die portugiesische Insel Madeira zu CD Nacional Funchal. Durch gute Leistungen empfahl sich Benaglio für die Nationalmannschaft, wo er 2006 gegen China debütierte. Bei der EM 2008 wurde er zur Nummer 1, nachdem er beim VfL Wolfsburg zum Stammtorhüter aufgerückt war. Bis heute absolvierte er 49 Länderspiele. (cwy)
älter als ich damals. Jetzt muss er spielen. Ich bin überzeugt, dass er sich bei Augsburg durchsetzen wird. Er ist ein weiterer Schweizer Goalie mit viel Potenzial. Auf einer Website, die Magaths Transfers analysierte – du warst da übrigens der Top-Shot –, steht über Marwin Hitz: «Für einen Schweizer grundsätzlich in Ordnung.» So sehen es leider noch immer viele. Wir Schweizer in der Bundesliga arbeiten ständig daran, von den Deutschen endlich richtig ernst genommen zu werden. Man sagt ja, in Fussballmannschaften gebe es immer zwei Durchgeknallte: den Goalie und den Linksaussen. Du wirkst alles andere als durchgeknallt, sondern sehr freundlich, ruhig und aufgeräumt. Bei Wolfsburg teilen sich diese zwei sogar noch das Zimmer. Da bin ich mit Marcel Schäfer im gleichen Zimmer. In der Nati ist es zwar mit Stephan Lichtsteiner der Rechtsaussen, aber der hat auch nicht alle Tassen im Schrank (lacht). Ob das bei mir auch so ist, müsst ihr selber beurteilen (schmunzelt).
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Das luxemburgische Dilemma Text: Charles Wey / Bilder: Fr채nk Muno
F91 D체delingen erfreut sich in Fussball-Europa seit der Sensation gegen RB Salzburg grosser Sympathie. In seiner luxemburgischen Heimat ist das anders. Blick auf einen Klub zwischen Anspruch auf Profitum und Zwang zum Amateurismus.
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HATTRICK
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ine kleine Sensation war es schon, als der amtierende luxemburgische Meister F91 Düdelingen sein österreichisches Pendant aus Salzburg im Sommer 2012 im heimischen Stade Jos Nosbaum mit 1:0 schlug. Doch das war erst der Vorgeschmack. Denn auswärts erkämpfte sich die Mannschaft aus der 20 000 Einwohner zählenden Kleinstadt trotz eines Platzverweises eine Viertelstunde vor Schluss eine 3:4-Niederlage und stand damit in der nächsten Qualifikationsrunde für die Champions League. Für den F91
war dieser Erfolg, was für den FC Basel das Erreichen des Europa-League-Halbfinales darstellte. Während die Düdelinger vom grössten Coup der Vereinsgeschichte reden, muss die Millionentruppe Red Bulls Hohn und Spott über sich ergehen lassen. «Salzburg blamiert mit erbärmlichem Sieg ganz Fussball-Österreich», titelt etwa die «Tiroler Zeitung» im Netz. «Europa lacht über Salzburg», meint der «Blick». Dass das neureiche Salzburg im Besitz des Getränkeherstellers ohnehin nicht sonderlich
beliebt ist, macht die Schadenfreude umso grösser und bietet den Medien eine ideale Angriffsfläche. Die Spieler aus Düdelingen werden als «biedere Handwerker» bezeichnet, die luxemburgische «wort.lu» spricht von einem «Fest für Amateurfussball». Das Problem der luxemburgischen Amateure, nicht mehr genug Ferientage für die Spiele der nächsten Runde zur Verfügung zu haben, nehmen die internationalen Medien gerne auf, um das Bild der «Feierabendkicker» zu verstärken. Und obwohl man in der nächsten Run-
de an Maribor scheitert – zum dritten Mal übrigens – und gegen Hapoel Tel Aviv auch die Qualifikation für die Europa League verpasst, wird es die fussballerische Sensation des Sommers bleiben. Auch hier in der Schweiz wurde ich (und werde ich immer noch) als Luxemburger auf die Leistung des F91 angesprochen. So auch von der ZWÖLF-Redaktion, die den Anstoss für diesen Artikel gab, weil sie den historischen Sieg recht amüsant fand. Amüsant wohl auch deshalb, weil dieses Mal der Nachbar und nicht man selbst der Depp war wie noch bei der 1:2-Schlappe der Schweizer Nati gegen die Roten Löwen aus Luxemburg am 10. September 2008 im Letzigrund. Die Geschichte damals war dieselbe: Amateurkicker schlagen gestandene Profis. Aber wie konnte dieser Truppe von Amateuren diese Sensation überhaupt gelingen? Glück? Überheblichkeit der Salzburger? Nun, insbesondere Letzteres trifft sicherlich zu. Théo Fellerich, ehemaliger Sekretär und Präsident und heutiger Ehrenpräsident des F91, gibt diesbezüglich mit sichtlicher Freude eine Anekdote zum Besten. Nach der Auslosung für die zweite Qualifikationsrunde in Nyon traf Fellerich gleichzeitig auf den Vertreter aus Salzburg und jenen aus Maribor, dem potenziellen Gegner in der dritten Runde. Der Salzburger habe sich zwar höflich vorgestellt, sei aber unverzüglich auf den Repräsentanten aus Slowenien zugegangen, um die Planungen für die nächste Runde in Angriff zu nehmen. Doch zum Spiel in Maribor sollte es für die Bullen nicht mehr kommen. Vielmehr mussten sie am eigenen Leib erfahren, dass auch in Düdelingen für den Erfolg gearbeitet wird. Für den ehrenamtlich arbeitenden Fellerich sind es diese Momente, für die sich das persönliche Engagement lohnt. Kein Wunder hat er Freude daran, dass sich ein ausländisches Fussballmagazin für die eigene Arbeit interessiert. Fussball in der Krise Der F91 Düdelingen, oder den F91 Diddeleng, wie man auf Luxemburgisch sagt (ja liebe Leser, das ist eine eigene Sprache!), hat sich in den 2000er-Jahren eine
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Titelsammlung zugelegt, die sogar beim FC Basel für Neid sorgen könnte. In dreizehn Jahren gewann man zehnmal den Meistertitel und fünfmal den Pokal. Auch aus diesem Grund erfreut sich der F91 in Luxemburg ähnlicher Unbeliebtheit wie der FC Basel und der FC Bayern in ihren Ländern. Diese Vormachtstellung und der Coup gegen RB Salzburg sind das Ergebnis einesProzesses,der1991mitderFusiondreier Lokalvereine begann. US Düdelingen, Stade Düdelingen und CS Alliance Düdelingen hiessen die drei Klubs, aus denen der heutige Verein F91 hervorging. Zum Zeitpunkt des Zusammenschlusses spielten diese in der zweit- respektive dritthöchsten Liga. Jeder dieser Vereine entstammt einem bestimmten Quartier in der Stadt. Düdelingen ist eine der drei grössten Städte im Süden des Landes, der Grenzregion zu Frankreich und luxemburgischen Fussballhochburg. Im späten 19. Jahrhundert profitierte die Region vom eisenerzhaltigem Boden und stieg zu einem der grössten Industriegebiete Europas auf. Die 1911 gegründete ARBED (Aciéries Unies Burbach-Eich-Dudelange) wurde gar zu einem der mächtigsten Stahlkonzerne der Welt. Die drei Vorgänger des F91 waren – wie die gesamte Region – von der Präsenz des Stahlgiganten geprägt. Bei der US spielten die luxemburgischen Arbeiter, beim Stade die Techniker und Beamten und bei der Alliance, so heisst es im Volksmund, die italienischen Gastarbeiter. So hatten die drei Vereine starke, historisch gewachsene Identitäten, und ihre Anhängerschaft rekrutierte sich quasi selbstverständlich aus den unterschiedlichen Quartieren. Doch mit dem Niedergang der Stahlindustrie in den 1980er-Jahren gerieten auch die Klubs zunehmend in sportliche und finanzielle Schwierigkeiten. Und die Quartiere verloren mit dem Wandel von einer Industriestadt hin zu einer wohlhabenden Angestelltenstadt ein wenig von ihrem spezifischen Charakter. Dementsprechend hat sich auch der sportliche Fokus in der Stadt gewandelt. Vor allem Basketball und Handball erlebten
einen Aufschwung. Der Fussball hingegen siechte dahin. Neuanfang mit Widerständen Angetrieben wurde die Fusion vor allem von Jules Ury, zu jener Zeit Jugendtrainer bei der US. Urys Idee war es, die Jugendabteilungen zusammenzulegen, um dem Problem des Spielermangels entgegenzuwirken. Dieser Vorschlag scheiterte aber laut Ury «an der kleinkarierten Quartierspolitik. Die Spieler der US weigerten sich beispielsweise auf dem Platz des Stade zu spielen.» Ein Jahr später versuchte er dann die Verantwortlichen für ein grösseres Projekt zu begeistern: eine komplette Fusion. Da sämtliche Fanionteams erhebliche sportliche und finanzielle Probleme hatten, erschien dieser Schritt zur Rettung des lokalen Fussballs unumgänglich. Widerstände gab es dennoch. Die alten Identitäten waren für viele Vereinsmitglieder und Anhänger von zu grosser Bedeutung. Aber schlussendlich unterstützte eine Mehrheit die Fusion. Obwohl die Fusion den lokalen Fussball alte Anhänger kostete, war sie von Beginn an eine Erfolgsgeschichte, und die Euphorie war anfangs gross: «Zwischen 800 und 900 Leuten kamen im Durchschnitt zu den Spielen», erinnert sich Ury. Der neu gegründete Verein startete 1991 in der zweithöchsten Spielklasse. Bereits in der ersten Saison gelang der Aufstieg in die Beletage, wo man sich nachhaltig etablieren konnte. Pünktlich zum neuen Jahrtausend wurde die Ära des F91 Düdelingen im luxemburgischen Fussball mit dem ersten Meistertitel eingeläutet. Zufall war dieser Aufstieg keineswegs, sondern das Ergebnis einer bewussten Entscheidung, wie Fellerich erzählt: «Entweder man setzt auf die lokale Jugend und begnügt sich mit einem wahrscheinlichen Dasein als Fahrstuhlmannschaft, oder aber man investiert in neue Spieler, um sich an der Spitze zu etablieren.» Man einigte sich auf die zweite Option, denn «die Anhänger waren einstimmig dafür». Mit Finanzspritze an die Spitze Um diese Strategie zu verfolgen, brauchte man aber Kapital. In Düdelingen wurde
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Die Heimatstätte des F91: Das Stade Jos Nosbaum mit dem Wasserturm der alten Eisenschmelze im Hintergrund.
Ehrenpräsident Théo Fellerich im Vereinslokal gleich neben einem Dönerladen.
dies durch den grossen Unternehmer Flavio Becca organisiert, der dem Verein vor allem lukrative Sponsorenverträge sicherte. Becca ist unter anderem auch die treibende Kraft hinter dem luxemburgischen Radrennstall RadioShack Leopard Trek, bei dem der Schweizer Fabian Cancellara und die Luxemburger Schleck-Brüder unter Vertrag stehen. Zudem finanziert ein weiterer Unternehmer namens Jean-Marie Kontz die Jugendakademie. Düdelingen verfügt so über ein Budget von rund 2 Millionen Euro – und das ist auch ein Grund für die Unbeliebtheit des Vereins. Wobei diverse Vereinsfunktionäre und Anhänger hier richtigerweise einwenden, dass die Konkurrenz ebenfalls mit hohen Etats arbeitet. «Der Fola Esch hat mittlerweile auch einen grossen Sponsor gefunden, der massiv investiert. Der Klub wird auf Dauer
wohl zu unserem ständigen Konkurrenten werden», wendet etwa Fellerich ein. Mit seinen finanziellen Möglichkeiten konnte der F91 luxemburgische Nationalspieler von Ligakonkurrenten und Profis aus Frankreich oder Belgien verpflichten, die in der jeweiligen zweitund dritthöchsten Spielklasse tätig waren. Dies widerspricht zwar dem Bild des Amateurvereins, aber man muss bedenken, dass die Spieler nicht ausschliesslich mit einem Gehalt, sondern vor allem mit Arbeitsplätzen bei den Sponsoren nach Luxemburg gelockt werden. Derartige Arbeitsplätze sind im grenznahen Frankreich sehr gefragt, auch bei Fussballern. Schliesslich sind die Verdienstmöglichkeiten selbst in der Ligue 2 überschaubar. Arles-Avignon etwa bezahlte in der Aufstiegssaison 2010 einen Durchschnittslohn von 4000 Euro.
Weil der eigene Spielermarkt nicht genug Qualität hergibt, will man in Luxemburg Spieler anwerben, die vom Potenzial her zwar auf höherem Niveau spielen könnten, aber über die Tätigkeit als Spieler hinaus wenig Zukunftsperspektiven haben. Daneben gibt es etwa bei Düdelingen mittlerweile sogar Spieler, die neben dem Fussball nicht arbeitstätig sind. Sie verdienen also genug, um zumindest in der aktiven Zeit gut davon leben zu können, und sind damit eigentlich Profis. Nur: Im luxemburgischen Verband ist professioneller Fussball untersagt, jeder Verein ist dem Amateurismus verpflichtet. Sinnbildlich für diesen Spagat zwischen Profitum und Amateurismus stehen einerseits die sportliche Leitung und die Infrastruktur in Düdelingen und andererseits die Administration und das
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Coup in Europa, Out im heimischen Cup: Düdelingen scheitert im Elfmeterschiessen. Dorfverein-Atmosphäre im Escher Stadion.
Vereinslokal. Dem Verein stehen insgesamt fünf Spielfelder und ein modernes Trainingszentrum zur Verfügung, die sportliche Leitung ist sozusagen professionell geführt. Das Vereinslokal hingegen ist ein zweiräumiges Büro, gelegen am Rathausplatz neben einem Dönerladen. Administrativ wird der Verein ehrenamtlich geführt. Darum hat Fellerich Angst, dass das «Volontariat irgendwann ausstirbt», denn professionelle Funktionäre kann und darf man sich nicht leisten. Die Barrieren im Verband Der Präsident des F91, Romain Schumacher, sieht in diesem Verbot der Professionalisierung auch einen Grund für die Schwäche des nationalen Fussballs. «Wir müssen entweder in allen Bereichen
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professioneller werden oder eben in die andere Richtung gehen», beanstandet er in einem Interview mit der Tageszeitung «Luxemburger Wort». «Unser Verein hat ja praktisch die Auflage, jedes Jahr einen Titel zu gewinnen.» Dies sei aber schwierig: «Wir sind keine richtigen Amateure und keine richtigen Profis.» So musste man kurz nach Saisonbeginn mit dem luxemburgischen Nationalspieler Aurélien Joachim den besten Spieler der Vorsaison zu Willem II Tilburg nach Holland ziehen lassen. Joachim hatte ausgerechnet gegen Salzburg auf sich aufmerksam gemacht. Kommt ein Angebot eines Profivereins, kann man die Spieler nicht mehr halten. Und gleichwertigen Ersatz findet man so schnell auch nicht. Selbst die Ligakonkurrenz buhlt um die besten
Spieler. Zu Saisonbeginn musste man Joachims Sturmpartner Stefano Bensi zum Fola Esch ziehen lassen – er bekam dort ein Jobangebot. Trotz des finanziellen Polsters und der für luxemburgische Verhältnisse sehr guten Infrastruktur verkraftet auch der F91 derartige Abgänge nur schwer. So konnte diese Saison für einmal kein Titel eingefahren werden. Dass man trotz erheblicher interner Probleme bis zum Schluss um den Titel mitspielen konnte, wertet Schumacher als Zeichen für die Schwäche der Liga: «Trotz unserer Probleme hätten wir es beinahe wieder zum Titel geschafft. Das sagt etwas aus über das Niveau unserer Meisterschaft.» Er sieht sich in seiner Forderung nach Professionalisierung bestätigt, denn falls
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diese nicht komme, könne man ebenso gut «Fussball unter uns spielen, für unsere Kinder und zum Spass». Auch für den Sportdirektor Düdelingens, Guy Hellers, hinkt die Verpflichtung zum Amateurismus der Realität hinterher: «Es gibt viele Vereine, die das ändern wollen, aber der Verband, aus welchem Grund auch immer, will davon nichts wissen.» Und Hellers weiss, wovon er spricht: Er blickt auf eine Karriere als Profifussballer bei Standard Lüttich zurück und war Nationaltrainer Luxemburgs – unter anderem beim Sieg über die Schweiz –, bevor er sein Amt beim F91 antrat. Er ist ein ehrgeiziger Mann, der eine klare Vorstellung davon hat, wie man den luxemburgischen Fussball in eine andere Richtung lenken könnte: «Es muss irgendwann etwas beim Verband passieren. Wir müssen neue Statuten schaffen, um in eine andere Richtung gehen zu können. Auch was die Attraktivität des Fussballs anbelangt. 14 Vereine in der höchsten Spielklasse sind zu viel. In der Schweiz hat man die Liga ja beispielsweise auf 10 Vereine begrenzt, um die Qualität zu steigern.» Derzeit hat Hellers im Auftrag des Vereins die Aufgabe, eine Jugendakademie aufzubauen, die zumindest mit professionellem Personal, etwa Masseuren und Ärzten, arbeitet. «Ziel ist es, in den nächsten fünf Jahren Spieler aus der eigenen Die Spielerlegende als Sportdirektor: Guy Hellers.
Jugend für die erste Mannschaft aufzubauen, um nicht mehr auf teure Transfers aus dem Ausland angewiesen zu sein», so Hellers. Sollte dieser Plan aber scheitern, stünde man vor einem Problem, denn auch die Akademie mit ihrem Anspruch auf professionelle Jugendarbeit ist äusserst kostspielig. Sie ist bezeichnend für die schwierige Position des Vereins zwischen Professionalisierung und Amateurismus. Entweder kann man eine qualitative Nachwuchsarbeit nach ausländischem Modell aufbauen, oder man lässt die Jungs aus der Nachbarschaft zum Spass spielen. Aktuell kann nur eine Mischform betrieben werden. Die Zuschauer bleiben weg Es gibt aber noch eine weitere Überlegung hinter dem Aufbau der Akademie: Man versucht mit der Integration der lokalen Jugend dem Zuschauerschwund entgegenzuwirken. Dieser ist seit Jahren im luxemburgischen Fussball zu beobachten. Kamen früher noch 2000 bis 3000 Besucher zu den Spitzenspielen, insbesondere den Derbys im Süden des Landes, lässt sich heute nur noch die Hälfte in den Stadien blicken. Im Schnitt spielt F91 vor nicht einmal 600 Leuten. Zum Pokalviertelfinale des F91 beim Rekordmeister und direkten Ligakonkurrenten Jeunesse Esch kamen gerade mal 1160 Besucher. Eine gängige Begründung für den Zuschauerschwund ist, dass die Leute sich nicht mehr mit den ausländischen Spielern identifizieren können. Doch für Fusionsvater Jules Ury ist diese Argumentation zu einfach: «Immerhin haben schon immer viele Ausländer in Luxemburg gespielt, was aufgrund der Grösse des Landes auch normal ist.» Vielmehr sieht er das Problem darin, dass heutzutage über Pay-TV Spiele aus den besten Ligen weltweit verfolgt werden könnten – bequem in der Bar oder auf der heimischen Couch. «Mittlerweile vergleichen die Leute unseren Fussball mit Barcelona», moniert Ury, und weiter: «Wer geht dann schon bei Regen und Kälte in ein kleines, grösstenteils unüberdachtes Stadion, um sich unterklassigen Fussball anzuschauen?» Die Leute bevorzugen sogar Busreisen nach Mönchengladbach
(3 Stunden) oder München (6 Stunden), um sich in prunkvollen, voll besetzten Arenen Fussball internationaler Klasse zu gönnen. Und an die Spiele des FC Metz, 50 Kilometer entfernt, reisen ohnehin seit je viele Luxemburger, sogar wenn dieser nur in der zweiten französischen Liga spielt – und damit auf einem Niveau, das die Topmannschaften Luxemburgs an guten Tagen auch erreichen. «Der luxemburgische Fussball leidet vor allem unter seiner mangelnden Infrastruktur und Professionalisierung», sagt Ury. Und an der geografischen Lage zwischen Deutschland und Frankreich. Im Ausland amüsiert man sich über die luxemburgischen Amateure, die gelegentlich mal ein Spiel gegen Profis gewinnen können. In Luxemburg aber stellt man sich seit einiger Zeit die Frage, ob der Amateurismus nicht schon lange überholt ist. Dass eine professionelle Liga auch einem Kleinstaat zu sportlich besseren Leistungen verhelfen kann, zeigt das Beispiel Liechtensteins: Obwohl das Ländle mit nicht einmal einem Zehntel der Einwohner eine ungleich kleinere Auswahl an Spielern hat, profitieren diese ungemein davon, sich mit Schweizer Klubs in einer anspruchsvolleren Liga messen zu können. Wozu das führen kann, mussten die Luxemburger 2004 erleben, als sie in der WM-Qualifikation zu Hause 0:4 gegen die Kicker aus dem Fürstentum unterlagen – ein Tiefpunkt in der Geschichte des luxemburgischen Fussballs. Sich regelmässig mit professionellen Mannschaften zu messen, davon kann man in Luxemburg nur träumen. Die Topvereine wären schon froh darum, wenigstens die Liga wie in der Schweiz auf zehn Mannschaften begrenzen zu können, um das Niveau zu erhöhen. In naher Zukunft werden darum auch weiterhin die Mannschaften aus Düdelingen und Esch die nationalen Titel unter sich ausmachen. Und gelegentlich einem professionellen Gegner in einem Europapokalspiel ein Bein stellen. Oder man kehrt zurück zum (tatsächlichen) Freizeitfussball.
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unser mann in london
«Aalglatt, zynisch und teuflisch» Der Uruguayer Luis Suárez ist wohl der unbeliebteste Spieler der Premier League. Er provoziert, beleidigt und beisst seine Gegenspieler. Trotzdem würde ihn fast jeder Klub gerne verpflichten.
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uis Suárez bekam den Ball im gegnerischen Strafraum zugespielt. Dort prallte der Liverpool-Stürmer auf Chelsea-Verteidiger Branislav Ivanović, und das Leder sprang davon. Keine Spur von Foul, einfach ein völlig normaler Ballverlust. Doch im Kopf von Suárez brannte eine Sicherung durch. Er packte den Arm von Ivanović mit beiden Händen und biss wütend zu. Der Biss sei «der negative Höhepunkt der Saison 2012/13» gewesen, meinte ein Kommentator später. Dabei hatte Suárez zwei Jahre zuvor im Dress von Ajax Amsterdam bereits den Eindhoven-Spieler Otman Bakkal in den Hals gebissen und dafür vom holländischen Verband sieben Spielsperren kassiert. «Der Ajax-Kanibale», nannte ihn die holländische Presse damals. Der FC Liverpool war also gewarnt, als er den Spieler 2011 für 34 Millionen Franken kaufte. Doch als der neue Stürmer bereits im ersten Spiel nach 16 Minuten sein erstes Tor schoss, waren solche Bedenken schnell vergessen. In zweieinhalb Saisons sollten 37 weitere Ligatore folgen. Rüge von höchster Stelle Die Bilder vom zubeissenden Suárez warfen nicht nur bei Zuschauern und
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Kommentatoren Fragen über dessen psychische Gesundheit auf. Der Verband der Profifussballer (PFA) bot dem Spieler Therapie bei einem Aggressionstherapeuten an, zog aber seine Nomination für Suárez als Spieler des Jahres nicht zurück (der Titel ging später an Gareth Bale). Jetzt schaltete sich – zum Verdruss des FC Liverpool – sogar Premierminister David Cameron in die Debatte ein und forderte eine exemplarische Bestrafung von Suárez, schliesslich hätten Fussballspieler eine Vorbildrolle. Der englische Verband verhängte zehn Spielsperren gegen den Beisser. Das sei zu viel, beschwerte sich der Liverpool-Trainer Brendan Rodgers sofort lautstark. Ganz anders Sponsor Adidas: Der Sportausrüster distanzierte sich unverzüglich von seinem Star und verhängte eine Busse gegen ihn. Der Sünder beeilte sich zu erzählen, er habe sich bei Ivanović entschuldigt, und dieser habe die Entschuldigung akzeptiert. Doch der Serbe dementierte sofort. Am Tag nach dem Spiel besuchte ein Polizist Branislav Ivanović auf dem Trainingsgelände und sammelte die Fakten. Allerdings zog er unverrichteter Dinge ab, als Ivanović erklärte, er verzichte auf eine Zivilklage. Trotzdem: In den Augen
Text: Peter Balzli Bild: Imago
vieler Fans und Fachleute ist Suárez seither für die Premier League vor allem eine Peinlichkeit. Allerdings zeigen auch seine Kritiker durchaus Bewunderung für das aussergewöhnliche Talent des 26-Jährigen. Er ist Arbeiter und Künstler zugleich, holt sich im Mittelfeld unermüdlich Bälle vom Gegner, zeigt eine begeisternde Kreativität mit dem Ball und einen aussergewöhnlichen Zug aufs Tor. Nur ein einziger Spieler (Leighton Baines von Everton) kreiert mehr Torchancen. Herausragend ist auch Suárez‘ Trefferquote: 23 Tore erzielte er letzte Saison, nur Torschützenkönig Robin van Persie erzielte mehr Tore (26). Rechnet man auch Cup, Ligacup und Freundschaftsspiele mit ein, dann kamen in der letzten Saison beide Spieler auf 27 Tore. Kein Wunder, wiesen gleich mehrere Kommentatoren darauf hin, dass Genie und Wahnsinn halt oft nahe beieinanderlägen. Mit Hand und Gebiss Das breite Publikum nahm Luis Suárez im WM-Viertelfinale 2010 zwischen Ghana und Uruguay zum ersten Mal zur Kenntnis. Kurz vor Schluss wehrte er den sicheren Siegestreffer für Ghana mit den Händen auf der Torlinie ab und kassierte dafür die Rote Karte. Ghana verschoss den Elfmeter, und Uruguay zog nach Elfmeterschiessen in die Halbfinals ein. Klar, dass Suárez damals Unsportlichkeit vorgeworfen wurde. Doch das war nicht der Rede wert im Vergleich zu dem, was sich einige Monate später ereignen sollte.
Sündenregister Februar 2007: Platzverweis wegen Reklamieren in seinem ersten Länderspiel für Uruguay gegen Kolumbien Juli 2010: Platzverweis im WM-Viertelfinal gegen Ghana für absichtliches Handspiel auf der Torlinie November 2010: Sieben Spielsperren vom holländischen Verband für einen Biss in den Hals von Gegenspieler Otman Bakkal (PSV Eindhoven) Oktober 2011: Acht Spielsperren und 40 000 Pfund Busse vom englischen Verband für rassistische Beleidigung von Gegenspieler Patrice Evra (Manchester United) Dezember 2011: Eine Spielsperre für eine beleidigende Geste gegen Fulham-Fans Februar 2012: Verweigert vor dem Spiel den Händedruck mit Patrice Evra (Manchester United) Januar 2013: Produziert im Strafraum von Stoke City eine der schlechtesten schauspielerischen Darbietungen der Fussballgeschichte, als er sich fallen lässt, um einen Penalty zu schinden. Seine Schwalbe ist bei Fussballfans bis heute beliebt im Internet. April 2013: Zehn Spielsperren vom englischen Verband für einen Biss in den Arm von Gegenspieler Branislav Ivanovic (Chelsea)
Luis Suárez hatte auf dem Spielfeld den dunkelhäutigen Patrice Evra von Manchester United rassistisch beleidigt. Im international aufmerksam beobachteten Streitfall sperrte der englische Verband Suárez für acht Spiele und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 40 000 Pfund. Vergeblich wies Suárez darauf hin, dass in seinem Heimatland der Ausdruck «Negrito » nicht zwingend abwertend verwendet werde. Der Verband sah es nach einer ausführlichen Untersuchung der von Evra erhobenen Vorwürfe als erwiesen an, dass Suárez seinen Gegenspieler mehrmals in abwertender und provozierender Absicht beleidigt habe. Kurz nach Absitzen der Sperre trafen beide Teams wieder aufeinander. Trainer Alex Fergusons Betreuerstab hatte Patrice Evra davon überzeugen können, dass es das Beste sei, dem Bösewicht vor dem Spiel kurz die Hand zu schütteln, um die Wogen zu glätten. Evra schickte sich
widerwillig an, dies zu tun. Doch es war Suárez, der Evra den Händedruck verweigerte. Obwohl er zuvor seinem Trainer Kenny Dalglish das Gegenteil versprochen hatte. Erst nahm der Trainer seinen Spieler noch in Schutz. Doch dann schalteten sich die amerikanischen Klubbesitzer ein, und sowohl Suárez als auch Dalglish mussten sich öffentlich entschuldigen. Weg von der Insel Der Aufschrei über diesen offen rassistischen Akt und den Mangel an Einsicht bei Trainer und Spieler ging weit über die Sportseiten der Zeitungen hinaus. Es brauchte viel Zeit und viele Tore, bis das englische Fussballpublikum bereit war, allmählich zum Alltag überzugehen. Und als es fast so weit war, biss Suárez in den Arm von Ivanović. Nach dem Biss sieht offenbar auch Suárez ein, dass er seine Zukunft in England aufs Spiel gesetzt hat. Flugs
erklärte er Ende Saison trotz laufendem Vertrag, er wolle weg. Seine Begründung: Die englische Presse sei zu böse. Er könne in diesem Land nicht mehr leben. Selbstkritik bleibt für ihn ein Fremdwort. Die Reaktion der Presse: spaltenweise Hohn und Spott. Oliver Kay, Fussball-Chef der Zeitung «Times», schrieb darauf: «Suárez war immer schon aalglatt, zynisch und teuflisch auf dem Spielfeld. Also überrascht es nicht, dass er die gleichen Qualitäten anwendet, um seinen Abgang aus Liverpool vorzubereiten.» Und die Reaktion des FC Liverpool: Der Spieler sei nicht zu verkaufen. Ausser jemand bezahle den Mindestpreis von 50 Millionen Pfund (ca. 75 Millionen Franken)…
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Bubenspiele für Wirtschaftskapitäne Text: Silvan Kämpfen Bilder: Christian Breitler
Eigentlich hat der Verwaltungsrat die Aufgabe, ein Unternehmen zu beaufsichtigen. Im Fussball schiesst er dabei häufig über das Ziel hinaus. Auch weil er eigene Interessen verfolgt.
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s gibt einen Begriff in der Fussballwelt, den mag niemand. Denn immer, wenn Sätze in ein Mikrofon diktiert werden wie «Heute wird der Verwaltungsrat noch tagen» oder «Nach dem Spiel war für den Verwaltungsrat klar, dass…», dann droht Ungemach. Meistens wird der Trainer entlassen, was in der Schweiz diese Saison so häufig vorkam wie in keiner anderen europäischen Liga. Am häufigsten ist es der Präsident des Klubs, der die schmerzliche Trennung vor den Medien erklärt und um Worte ringend versucht, sich selber etwas aus der Schusslinie zu nehmen. Es gelingt ihm kaum. Der Fan kennt Bernard Heusler, André Dosé oder Mike Hauser. Andere Verwaltungsratsmitglieder wie Roger Kamm, Marco Castellaneta oder Martin Keller hingegen sind kaum jemandem geläufig. Dabei sind es gerade sie, welche die Klubfäden ziehen. Sie bestimmen über die wichtigsten Personalien im Klub und sollten eigentlich schauen, dass langfristig gedacht wird. Häufig bringen sie das Geld gleich selber in die Klubs, was ihre Macht weiter stärkt. Der Verwaltungsrat (VR), gewählt von der Generalversammlung der Aktionäre, besteht in der Regel aus drei bis sieben Mitgliedern. Für Beschlüsse wie etwa Trainerentlassungen wird eine Mehrheit benötigt. Eine Abnormität stellt wie immer der FC Sion dar: Die Sitzungen halte er jeweils
verwaltungsrat morgens im Bad ab, witzelte Christian Constantin einst. Der Walliser Sonnenkönig ist nicht nur einziger Aktionär, sondern auch einziger Verwaltungsrat der Olympique des Alpes SA. So kann er tun und lassen, was er will. «Die meisten Verwaltungsräte denken zu oft wie Fans», klagt Gregor Greber. Knapp eineinhalb Jahre sass der umtriebige Vermögensverwalter im FCZ-VR, bis er im November 2012 wegen unterschiedlicher Ansichten zur finanziellen Führung des Klubs zurücktrat. Nach wie vor ist der 46-Jährige aber FCZAktionär und Gönner. Greber muss eingestehen, dass auch er sich selber immer wieder ertappt hat und sich die Frage stellen musste: «Handle ich jetzt wie ein Verwaltungsrat oder doch eher wie ein Fan?» Eigentlich werden die Einnahmen und Ausgaben genauestens budgetiert und so bei der Liga eingereicht. Doch im Stadion hat fast jeder noch so erfolgreiche Geschäftsmann die Fanbrille
auf, und plötzlich spielt alles Rationale keine Rolle mehr. «Da taucht einer wie Vonlanthen auf dem Markt auf, und dann sagen sich alle: Der kann sich auf der linken Seite dann gut durchspielen. Was kostet der? Ja, das könnten wir uns schon noch leisten, in zwei Jahren haben wir ihn ja dann wieder verkauft.» Grebers Firma «zCapital» hat sich dem Thema Corporate Governance verschrieben, der «guten Unternehmensführung». Er warnt vor den Emotionen, die den VR zu Kurzschlusshandlungen verleiten lassen. Als Dummheit bezeichnet er Sitzungen direkt nach dem Spiel. «Da werden Trainer nur aus dem Affekt heraus entlassen. Kein Unternehmer würde so handeln.» Klubinterne Reibereien Was der VR neben dem Entlassen von Trainern sonst noch alles für Möglichkeiten hat, ist ihm selbst überlassen. Viele Klubs delegieren die operativen
Aufgaben an eine Geschäftsleitung. Im Organisationsreglement heisst es dann zum Beispiel: Bis zu einem Budget von 250 000 Franken können CEO und Sportchef frei einkaufen. Für Beträge darüber braucht es die Zustimmung des VR. Greber sieht das grösste Problem darin, dass die Rollen in der Führungsstruktur etlicher Fussballklubs nicht klar verteilt seien. Dies führe zu einem vergifteten Klima innerhalb der Klubs verbunden mit Schuldzuweisungen. So klagen Trainer über fehlende Transfers, statt das bestehende Team stark zu reden. Sportchefs und CEOs verlangen höhere Budgets, obwohl sie den Rahmen des Möglichen eigentlich klar kennen. Und der VR stösst sich daran, dass der Sportchef zu viel Geld ausgibt, auch wenn er ihm dieses ja selbst zugesprochen hat. Der Vergleich von Fussballklubs mit beliebigen Unternehmen schmerzt manchen Fan; beherbergt ein Klub doch auch Geschichte, Kultur, Identität.
wenn verwaltungsräte im interessenskonflikt stehen Sponsoren: Mancher Verwaltungsrat schliesst Verträge mit seiner eigenen Firma ab. Das ist nicht nur bei Bayern München ein Thema, wo Adidas und Audi je neun Prozent der Aktien halten. Bei GC etwa prangt der Schriftzug des Verpackungsmaschinenherstellers «Fromm» auf der Trikotbrust. Dessen Inhaber Reinhard Fromm ist gleichzeitig Mitglied im GC-VR. Beim FC Sion ist augenscheinlich, dass viele Sponsoren mit dem lokalen Baugewerbe und somit auch mit dem Architekten Christian Constantin geschäften. Laut dem Basler Anwalt Marco Balmelli gehen solche Verflechtungen weit zurück: Fussballvereine seien ursprünglich dazu gebraucht, um Schwarzgeld vom Bau loszuwerden. Er erwähnt Facchinettis Xamax, die 80er-Jahre in Basel und den Tessiner Fussball. Verträge seien zum Teil im Mövenpick auf Servietten unterzeichnet worden. Auch das Sponsoring diene dann vor allem dem eigenen Unternehmen. Es heisst dann: Du erhältst diesen Auftrag, aber nur unter der Bedingung, dass du noch ein paar tausend Franken meinem Klub sponserst. Transferrechte: In verschiedenen Vereinen sind einzelne Verwaltungsräte an Spielern beteiligt: bei
GC etwa über den Owner’s Club, beim FCZ via Präsident Canepa – eine zusätzliche Komponente im ohnehin schon sehr undurchsichtigen Transferwesen. Wenn ein Rechteinhaber seinen Spieler bald verkaufen will, dieser aber keine Einsatzzeit bekommt, dann stellt er sich als Verwaltungsrat vielleicht eher einmal die Trainerfrage. Auch hier liefert Constantin als alleiniger Sion-Aktionär Anschauungssunterricht. Auf die Frage, warum im Herbst Sébastien Fournier gehen musste, sagte der Sonnenkönig aus Martigny vor kurzem: «Weil er mir einen Spieler kaputt gemacht hat, der 1,5 Mio. Euro wert ist.» Die Rede ist von Oussama Darragi, der allerdings auch unter den nächsten Trainern nicht durchstartete. Lohn: Einige Verwaltungsräte arbeiten gegen Bezahlung, sei es für einige tausend Franken oder ein Abo in der Loge. In Luzern führt Mike Hauser das VR-Präsidium ehrenamtlich. Doch ab nächstem Jahr soll ein bezahlter Vollzeit-Präsident walten. Das mag einerseits Professionalität schaffen. Es ist aber auch nicht anzunehmen, dass dieser neue Präsident völlig entgegen der Vorstellungen seiner Brötchengeber handeln wird. Ein krasses Beispiel für die Kategorie finanzielle
Lohnabhängigkeit sieht Gregor Greber in der Personalie Hakan Yakin. Der Ex-Internationale wurde in Bellinzona fürstlich entlöhnt und liess sich in das Amt des VR wählen. «Es ist aufgrund der jüngsten Aussagen offensichtlich, dass Yakin nicht nach den Finanzzahlen als Führungsinstrument fragte, solange er seinen Lohn bekam.» Eine unabhängige Person hätte vermutlich schon lange gesehen, dass da etwas im Argen lag. Eigenwerbung: Der Fussball bietet so manchem eine willkommene und für ein KMU eigentlich unverhältnismässige Plattform. Im Januar 2005 präsentierte Marc Roger den Medien einen dubiosen Freund aus dem Libanon, der angeblich eine Technologie entwickelt hatte, um brennende Öl-Felder im Irak zu löschen. Fünfzig Journalisten hörten zu, manche schrieben gar darüber. Denn vorne sass der Servette-Präsident. Für jeden anderen KMU-Vertreter interessiert sich niemand. Auch ein GC-Gönner sagte unlängst im «Magazin»: «Beziehungen zu knüpfen ist das Wichtigste. Und Eitelkeit. Man will dazugehören und gut dastehen vor den andern. Bubenspiele, so einfach ist das.»
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Da ist guter Rat teuer: das komplexe Konstrukt FC Luzern Grafik: Silvan Kämpfen
LÖWEN SPORT UND EVENT AG Verwaltungsrat: Alpstaeg (26%*) W. Stierli (25%*) Sawiris (12,5%*)
EINZELAKTIONÄRE
Schmid (10%*) Sieber (Präsident, 10%*)
EBERLI GENERALUNTERNEHMUNG AG (BAUHERRIN SWISSPORARENA)
* Aktienanteil
40% 3%
97%
FC LUZERN INNERSCHWEIZ AG (LIZENZ BEI SWISS FOOTBALL LEAGUE)
Verwaltungsrat: Geschäftsleitung: M. Hauser (Präsident) M. Schönberger (CEO) M. Schönberger A. Frei (Sportdirektor) M. Castellaneta
97%
3%
SWISSPORARENA EVENTS AG (BETRIEB/VERMARKTUNG STADION & FCL)
Verwaltungsrat: M. Hauser (Präsident) E. Fust M. Schönberger (CEO) M. Castellaneta T. Bucher* M. Stierli** * VR-Präsident Eberli Generalunternehmung AG ** Sohn von W. Stierli
BEIRAT FCL
STADION LUZERN AG
(UNTERHALT, EIGENTÜMERIN SWISSPORARENA) Verwaltungsrat: B. Alpstaeg* (Präsident) M. Schönberger (GL) T. Bucher (GL) M. Mettler
* VR-Präsident swisspor Holding AG
STIFTUNG FUSSBALLSPORT LUZERN
(«ideelle Unterstützung des Fussballsportes») E. Fust (Präsident) B. Alpstaeg W. Stierli
60%
M. Ineichen DJ Bobo andere
(EIGENTÜMERIN DES STADIONNAMENS)
VEREIN FC LUZERN PRÄSIDENT: H. MEYER
Tatsächlich besteht die Super League längst aus zehn KMU. Die meisten Klubs setzen jährlich zwar nur etwa so viel um wie eine mittelgrosse MigrosFiliale. Trotzdem schreibt die Swiss Football League seit 2003 vor, dass die Super-League-Klubs als Aktiengesellschaften geführt werden müssen. Vereine wie Lausanne, Sion oder Lugano schlitterten in der Vergangenheit in den Abgrund. Handhabe hatte die Liga kaum. Im Gesetz gibt es zur juristischen Form «Verein» fast keine Bestimmungen, und bei einem Niedergang haftet niemand. «Es kann auch heute noch vorkommen, dass Klubs zahlungsunfähig werden, aber die Folgen sind nun etwas weniger brutal», sagt Liga-CEO Claudius Schäfer. Zu klareren Verhältnissen hat die neue Organisation der Klubs jedoch nicht zwingend geführt. Viele Klubs sind mittlerweile strukturiert wie Konzerne. Statt beim Patron alter Schule oder in der
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Vereinsfamilie liegt die Machtballung jetzt in der AG – und damit beim VR. Der Basler Anwalt Marco Balmelli hat schon viele Wirtschaftsleute gesehen, die sich im Fussball die Finger verbrannten. «Es sagt jeder: Das kann ich eigentlich auch selber.» Erfolgreiche Unternehmer überschätzten sich im sportlichen Bereich und handelten viel zu emotional, sagt er und geht so mit Gregor Greber einig. Viel besser sähe die Bilanz von Spielern aus, die später in einer anderen Funktion im Fussball tätig seien. «Die wissen einfach, wie es funktioniert und werden nicht gleich nervös nach zwei, drei Niederlagen», findet Balmelli. «Wie wollen Sie diesen Klub führen?» Der einstige Jugendtrainer der Yakins sitzt in Mark Pieths «Basel Institute on Governance» und arbeitet als Spielerberater. ZWÖLF hat ihm einige Klubmodelle vorgelegt. Besonders ins Auge
gestochen ist Balmelli die Zusammensetzung des FC Luzern. Es komme wohl nicht von ungefähr, dass dort am meisten Krach herrsche. «Wie wollen Sie diesen Klub führen bei all diesen Interessen?», fragt er. Für Bernhard Alpstaeg und seine Firma swisspor ist das Stadion ein Marketing-Tool. Die Eberli Bauunternehmung ist als Stadion-Eigentümerin auf Einnahmen angewiesen. Die FC Luzern Innerschweiz AG ist die grösste Mieterin. Sie hat letzten Endes aber nichts zu sagen, weil die Holding um Alpstaeg und Stierli die Aktienmehrheit hält. Dort drin sitzt auch Samih Sawiris, der Werbung für Andermatt machen will. «Wenn die Mieterin in die NLB absteigt, finden weniger Events statt und das Stadion hat keine Einnahmen mehr. Die Katze beisst sich in den Schwanz», fasst Balmelli die Verquickung zusammen. FCL-CEO Thomas Schönberger verteidigt das Modell: Die Trennung der Gesellschaf-
verwaltungsrat
ten sei aus politischen Gründen erfolgt. Man habe verhindern wollen, dass der FCL das Stadion direkt miete. Zudem habe man darauf geachtet, dass einzelne Verwaltungsräte in mehreren AGs Einsitz nehmen, damit die Informationen besser fliessen würden. Für Gregor Greber sind solch komplexe Konstrukte vor allem ein Zeichen dafür, dass in der Vergangenheit nicht genügend strukturiert gearbeitet worden sei. Von der Liga erhofft er sich, dass sie eines Tages mehr Transparenz fordert und weniger Tochtergesellschaften und Verschachtelungen zulässt. «Die Gestaltung des Organigramms und der verschiedenen Beteiligungsverhältnisse sollte die tatsächliche wirtschaftliche Auswirkung auf die Führung der Fussballklubs darstellen», betont Greber. Das grosse Vorbild vom Rheinknie Eines der Hauptkriterien für gute Unternehmensführung ist die Unabhängigkeit von zumindest einigen Verwaltungsräten. Unabhängigkeit bedeutet, dass man im Interesse des Unternehmens entscheidet und nicht im Hinblick auf seine persönlichen Vorteile. Im Fussball lauern hier einige Gefahren für Interessenskonflikte, die einen Klub im schlimmsten Fall in den Abgrund stürzen können (siehe Box. S. 49). Wenn ein Verwaltungsrat nicht mehr unabhängig entscheiden kann, weil er im Gremium seine Interessen oder jene von Investoren vertritt, dann kann das dem Klub langfristig schaden. Balmelli ist der Meinung, dass die Liga hier Abhilfe schaffen kann, indem sie zum Beispiel sagt: Ein Teil eurer Verwaltungsräte muss unabhängig sein, sonst bekommt ihr die Lizenz nicht. Liga-CEO Claudius Schäfer mahnt zur Vorsicht: «Es gilt auch eine gewisse Wirtschaftsfreiheit zu respektieren. Wir müssen schauen,
dass sich die Klubs ans Gesetz und die Reglemente halten, aber die eigentliche Geschäftstätigkeit ist letztlich ihnen selber überlassen.» Wo die fähigen Leute in der Schweiz sitzen, darüber ist die Meinung einhellig. Zwar wird da und dort auch zu den Praktiken am Rheinknie leise Kritik geäussert. So bestehe der VR im Grunde genommen aus Bekannten von Bernhard Heusler. Balmelli sagt aber, für ein KMU sei dies im Rahmen des Erträglichen. Wichtiger für ihn ist die breit abgestützte Zusammensetzung von VR und Geschäftsleitung mit ausgewiesenen Fachleuten aus Sport, Finanzwesen, Unternehmensführung und Marketing.
Auch Greber lobt die Führung des FC Basel. Er begrüsst die relativ einfache Struktur, in der nahezu alle Interessen eingebunden seien. Noch scheint der FC Basel der einzige Verein, in dem sich eine lebendige Fussballkultur und nachhaltiges Wirtschaften nicht ausschliessen. Bleibt zu hoffen, dass auch in anderen Klubs Ruhe einkehrt. Doch das bedingt, dass sich alle auf ihre Qualitäten berufen. Die Aufstellung soll der Trainer, die Transfers der Sportchef, das Budget der Finanzexperte machen. Sonst heisst es immer und immer wieder: «Der Verwaltungsrat hat gestern nach dem Spiel entschieden…»
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Verwaltungsrat
Rückkehr nach Turbulenzen Text: Tobias Graden
Beim FC Biel sollten künftig Investoren bei der Aufstellung mitreden dürfen. Diese Pläne vertrieben praktisch die gesamte sportliche Führung inklusive Erfolgstrainer Philippe Perret. Dabei wollte man doch nur den FC Wil kopieren.
D
er Graben ging tief. So tief, dass keine Brücke darüber mehr zu bauen war. Von offizieller Seite lautete dies dann so: «Wegen unüberbrückbarer Differenzen mit Sportdirektor Stefan Freiburghaus tritt Teammanager Pierre Tadorian zurück.» Der Abgang von Tadorian, einer der guten Seelen des Seeländer Fussballs, einem Mann mit gutem Draht zur Mannschaft und zu Trainer Philippe Perret und beim FC Biel eine Art «Mädchen für alles», war nur einer unter mehreren in jüngster Zeit. Es war ein weiteres Indiz für das tiefe Zerwürfnis zwischen Verwaltungsratspräsident Jean-Pierre Senn und der ehemaligen sportlichen Führung. Als Beginn der Turbulenzen kann das Cupspiel gegen den FC Sion im März 2012 betrachtet werden. Der FC Biel verlor zu Hause 1:3, doch der Präsident legte Protest ein gegen die Wertung des Spiels. Es war die Zeit der juristischen Wirren um die Walliser. Nur: Senn tat dies ohne das Wissen der sportlichen Führung um den damaligen Sportchef Arturo Albanese und Trainer Perret. Diese waren verärgert, denn gerne hätten sie den Spieler Loïc Chatton von Sion zu Biel zurückgeholt – doch mit dem Protest verdarb es sich der FC Biel mit Christian Constantin. Der Wechsel kam nicht zustande. Drei Monate später wurde Sportchef Albanese freigestellt, und zwar «ganz sicher nicht wegen mangelnder Fachkompetenz, sondern wegen persönlicher Probleme mit VRPräsident Jean-Pierre Senn, der am längeren Hebel sitzt», wie das «Bieler
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Tagblatt» kommentierte. Damit verliere der FC Biel eine Integrationsfigur. Jean-Pierre Senn ist beim FC Biel seit Jahren Präsident. Wie hoch seine Anteile sind, ist nicht genau bekannt, bestimmt aber besitzt er mit seinem Umfeld die Mehrheit. Er ist der grösste Geldgeber, sein Unternehmen Fors ist Hauptsponsor. In der Challenge League ist mit üblichem Fussballbetrieb kaum Gewinn zu machen. Senn schwebte darum ab der Saison 2012/13 ein Modell vor, das sich den FC Wil zum Vorbild nahm: Eine Gruppe von Investoren um Senn sorgt für die Finanzierung neuer Spieler. Der Trainer entwickelt sie, setzt sie in Meisterschaftsspielen ein, und so können sie nach einer gewissen Zeit im Idealfall mit Gewinn weiterverkauft werden. Ob dieser direkten Einflussnahme durch die Investoren meldete etwa die «Solothurner Zeitung»: «Trainer Perret faktisch entmachtet.» Ohne Spesen nichts gewesen Beim Vorbild FC Wil geht das Modell auf: Im Dezember 2012 konnte er nach zehnjähriger Sanierungsarbeit verkünden, er sei schuldenfrei. Der Unterschied zum FC Biel ist allerdings, dass in Wil Axel Thoma als Trainer und Sportchef in Personalunion fungiert und somit federführend ist. Beim FC Biel dagegen führten die Pläne zum Zerwürfnis zwischen Präsident und sportlicher Leitung. Als Nachfolger für den entlassenen Sportchef Albanese stiess Stefan Freiburghaus vom BSC Young Boys zum FC Biel. Und damit nahm die Unruhe zu. Nachdem
Perret einen Passus im neuen Vertrag abgelehnt hatte, wonach er fremdfinanzierte Spieler einzusetzen habe – ein Sachverhalt, den der Verwaltungsrat so bestreitet –, bereitete der Verwaltungsrat unter anderem auf Initiative von Freiburghaus offenbar Perrets Abgang vor. Die beiden hatten sich in kurzer Zeit so überworfen, dass sie nicht mal mehr miteinander sprachen. Als klar war, dass der Vertrag des Trainers für die kommende Saison nicht erneuert werden würde, zitierte das «Bieler Tagblatt» aus einem ihm zugespielten Geschäftsleitungsprotokoll: «Die Vereinsführung hatte bereits im Oktober 2012 Perrets Entlassung ins Auge gefasst und neben anderen Figuren etwa auch den Goalie Laurent Walthert abgesägt.» Angesichts dieser Vorgehensweise traten neben Teammanager Pierre Tadorian auch einige Verwaltungsratsmitglieder, der Medienchef und die Vizepräsidentin zurück. Für den erfolgreichen Philippe Perret, der den FC Biel seit dem Aufstieg 2008 immer im Mittelfeld halten konnte und 2011 im Cup-Halbfinale stand, übernimmt auf die neue Saison hin der im Bernbiet bestens bekannte Hanspeter «Bidu» Zaugg. An einem Publikumsanlass machte er deutlich, dass er die Aufstellung alleine nach sportlichen Kriterien machen werde. Eine Klausel, wonach er die fremdfinanzierten Spieler auflaufen lassen müsse, habe er nicht im Vertrag. Der Mann, der Zauggs Vorgänger vergrault hatte, wird beim Saisonauftakt ohnehin nicht mehr dabei sein, denn Jean-Pierre Senn stellt sich nicht zur Wiederwahl. Das Fazit der kurzen Wirren um den FC Biel: sportliche Leitung weg, Trainer weg, Verwaltungsrat erneuert, Präsident abgetreten. Und Loïc Chatton muss noch immer in Sion bleiben. In der U21, wohlgemerkt.
Das schwarze Brett Berliner Brüder
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Rubrik
- und Stollen-
Fussballer-Biografien geniessen einen schlechten Ruf: Meist sind sie uninspiriert geschriebene Werke mit wenig Tiefgang und noch weniger Fussball. Nicht so die von Michael Horeni, Sportredaktor der FAZ, verfasste dreifache Biografie, die sich mit zwei aktuellen Weltklassefussballern, einem Brüderpaar, befasst: Kevin-Prince Boateng, AC Milan und Ex-Nationalspieler Ghanas, sowie Jérôme Boateng, Bayern München und Deutschland. Und es gibt noch den dritten Bruder, George, auch er ein Talent, aber der einzige, der den Sprung in den Spitzenfussball nicht schafft. George und Kevin haben dieselbe Mutter, sind im Ghetto von Berlin-Wedding aufgewachsen, gemeinsam haben sie mit Jérôme, der im bessergestellten Berlin-Willmersdorf zu Hause ist, den ghanaischen Vater. Vom sogenannten Käfig, dem vergitterten Bolzplatz in Wedding, bis nach «Soccer City» an der WM in Südafrika – man kennt die Geschichte, aber nicht, was dahintersteckt. Ein gemeinsamer Weg, der unterschiedlicher nicht sein könnte. Die sehr persönlichen Biografien der Brüder überschneiden sich immer wieder, und doch bleibt es nicht nur die Geschichte der Boatengs, sondern vor allem die Aufzeichnung der Hochs und Tiefs in den Karrieren zweier begnadeter Profifussballer innerhalb des gesellschaftlichen Systems. Dabei fokussiert sich Horeni auf die unterschiedlichsten Mechanismen, die dieses System bestimmen: Trainer, die mit ihrer persönlichen Gunst darüber entscheiden, ob ein Spieler eine Chance erhält oder nicht; Klubs, die junge Talente als Handelsware benutzen und nach Belieben von hier nach dort verschieben; Medien, die ein Feindbild für eine ganze Nation aufbauen, indem sie einen Spieler benutzen, der ungestüm und wenig angepasst ist. Ein Spieler, der trotzdem sich selber bleibt und letztendlich nur so erfolgreich wird. Neben den eigenen Gesprächen, die der Autor mit den Brüdern führte, werden unzählige Medienberichte in den Text eingeflochten, die im Anhang detailliert aufgeführt sind. So findet der Lesende schliesslich ein differenzierteres Bild der Boatengs vor als dasjenige der schwarz-weiss malenden Presse. Das Buch überzeugt nicht nur durch seine Dichte und die ineinander verwobenen Storys der drei Brüder, sondern durch den Gesamtblick auf Deutschlands Fussball-Nachwuchsförderung, seine mangelnde Integrationspolitik und den massenmedialen Apparat, der jeden einzelnen Profi Spieltag für Spieltag unter die Lupe nimmt. (Roger Meyer) Michael Horeni: Die Brüder Boateng. Stuttgart: Tropen, 2012
Weltstar in der Hosentasche Warum, liebe Leser, warum hat uns kein einziger von euch darauf hingewiesen, dass es diese App gibt? Unser Leben wäre sicherlich ganz anders verlaufen. Wahrscheinlich hätten wir schon eine chronische Sehnenscheidenentzündung, aber wir wären total glücklich. «New Star Soccer» heisst dieses Ding, und so doof der Name ist, so miserabel ist auch die Grafik dieser Fussballspiel-App. Und damit hat es sich auch schon mit Kritikpunkten. Der ganze Rest ist schlicht sensationell! Man erstellt sich einen Spieler, absolviert als Show-Training mit ein paar Geschicklichkeitsübungen wie Passen, Schiessen und Pass abfangen und wird dann von einem der unendlich vielen Vereine von Stade Nyonnais bis zu Defence Force aus Trinidad & Tobago unter Vertrag genommen. In der Liga spielt man fortan diese Szenen, in die man involviert ist, entscheidet sich für den Torschuss – geht er in die Hose, werden die Teamkollegen sauer – oder für den Pass. Dies funktioniert ganz simpel mit zielen und danach einen – mal rollenden, mal hüpfenden – Ball am richtigen Punkt treffen. Um überhaupt mal einen Ball zu bekommen, sollte das Verhältnis zu den Kollegen und dem Trainer einigermassen in Ordnung sein. Dies verbessert man, indem man ein Memory-ähnliches Minigame absolviert. Für gute Spiele gibts Prämien, mit dem Geld kauft man sich Kleider, schicke Autos und Immobilien – schliesslich springen die Sponsoren nur auf, wenn man
genug Glamour versprüht. Und eine Freundin, die einem ab und zu mit einer Massage wieder Energie gibt, findet man sonst auch nicht. Aber Vorsicht: Wenn man die nicht hin und wieder ausführt oder ihr was schenkt, gibts Zoff. Und Frauenknatsch mag der Trainer gar nicht… Mit der Zeit verbessert man seine Fähigkeiten, leistet sich bessere Schuhe, kann bei den Vertragsverhandlungen hoch pokern und sein Geld etwa in Rennpferde investieren, mit denen man dank Wetten einen schönen Batzen verdienen kann. Und natürlich spielt man sich zwischendurch noch in die Nati und gewinnt die WM. Jedenfalls: Würde diese App was kosten, würden wir einen Kaufbefehl aussprechen. Sie ist aber blöderweise gratis. «New Star Soccer» gibts auch für PC und Mac in einer deutlich ausgebauten Version. Irgendwie macht es aber so reduziert mindestens so viel Laune.
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New Star Soccer, App für iPhone (kostenlos) und Android (CHF 3.–). Auch erhältlich als PC/Mac-Version auf www.newstarsoccer.com
Hechten für die WM 2026 Der erste «Goalie-Day» mit Axpo Botschafter Diego Benaglio war ein grosser Erfolg. Die Nummer Eins der Schweizer Nati trainierte in Zürich mit einigen der talentiertesten Nachwuchskeepern des Landes und durfte feststellen, dass die tolle Arbeit von Regionalverbänden und Vereinen Früchte trägt.
A
m Mittwoch, dem 29. Mai, fand auf der Sportanlage Heerenschürli in Zürich die erste Ausgabe des «Diego Benaglio Goalie-Day» statt. 50 junge Torwarttalente der Altersstufe U13 wurden eingeladen, ein Training mit professionellen TorwarttrainerInnen zu absolvieren. Benaglio, die Nummer 1 der Schweizer Nati und Markenrepräsentant der Axpo, führte die Kinder mit sichtlicher Freude beim Aufwärmen an, während diese mit viel Einsatz versuchten, mit ihrem Idol Schritt zu halten. In 9 Gruppen durchliefen die Kids, die alle zu den potenziellen Nachfolgern des VfL-Wolfsburg-Keepers zählen, einen Parcours mit unterschiedlichen Übungen. So manch einer der jungen Goalies vermochte mit erstaunlicher Sprungkraft und Ballführung zu verblüffen. Oder aber durch seine Physis: Einer der Teilnehmer war höchstens ein paar Zentimeter kleiner als Benaglio – und
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das in dem jungen Alter. Doch am Ende kamen auch die stärksten und talentiertesten unter ihnen ins Schwitzen. Zur grossen Freude der Junioren liess es sich ihr Vorbild nicht nehmen, selber auch teilzunehmen und hier und da wertvolle Tipps zu geben. Gleichzeitig ist es ein erster gelungener Test für Benaglios neuen PUMA-Handschuh mit Aqua-Belag, der besonders bei nassem Wetter grosse Vorteile bietet. Von Regengüssen wurde man wider Erwarten verschont, so dass sich alle Beteiligten über einen gelungenen Fussballnachmittag freuen konnten. Organisiert wurde der Anlass von Axpo, die seit Gründung der Super League den Schweizer Fussball unterstützt. Nach jahrelangem Engagement im Spitzenfussball hat der Stromversorger seine Aktivitäten auf den Breitenund Nachwuchsbereich ausgedehnt. Jeder heutige Nationalspieler hat seine Karriere irgendwann als kleiner Junge
in einem Dorfverein begonnen und dort von der Arbeit unzähliger ehrenamtlich tätiger Funktionäre und Trainer profitiert. Diese unverzichtbare Basis will Axpo als Partner der Regionalverbände Zürich, Aargau und Ostschweiz stärken. Der «Goalie-Day» ist nur eine der Möglichkeiten, von denen der Nachwuchs dieser Verbände profitieren kann. Hier erhalten jene jungen Keeper, die schon durch Profivereine ausgebildet werden, eine Chance, sich zu präsentieren und von einem der Meister ihres Fachs zu profitieren. Aber auch solchen, die (noch) nicht diesen Weg eingeschlagen haben, bietet Axpo die Möglichkeit, sich weiter zu entwickeln. Kindern ab 5 Jahren stehen die Axpo Fussballcamps offen, die in den Schulferien an 30 Standorten in der Deutschschweiz durchgeführt werden. Sie sind aufgeteilt nach Erlebniscamps für junge BreitenfussballerInnen und Leistungscamps
publireportage
für besonders Talentierte. Organisiert werden diese Austragungen von der Pro Fussball Event GmbH, deren Geschäftsführer der ehemalige Nationaltorwart Stefan Huber ist. Stefan Huber war denn auch am «Goalie-Day» für die sportliche Organisation inklusive Trainerrekrutierung verantwortlich. Selbst Martin Brunner, auch er ehemaliger Nati-Goalie und später in der U21-Nati Torwarttrainer
von Benaglio, konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie weit die jungen Talente schon sind. Nicht nur die Super-League-Vereine schickten ihre Besten, auch einige kleinere Klubs waren vertreten. Damit war der «GoalieDay» nicht nur für die Teilnehmer ein Gewinn, auch Trainer und Talentscouts konnten die Torhüter von Morgen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Schliesslich sind in dieser Alterskategorie
die Gelegenheiten rar, mehrere Talente in kurzer Zeit zusammen beobachten zu können. Mit dem Gebotenen konnten sie mehr als zufrieden sein. Wenn Diego Benaglio in einigen Jahren zurücktritt, werden jedenfalls genügend Nachfolger bereitstehen. Einige davon flogen schon an diesem «Goalie-Day» behände durch die Lüfte. ■
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schweizerreise: UGS
Tanzen unter Denkmalschutz Text: Silvan Lerch / Bilder: Chavela Zink
Während der Abstieg von Servette vielerorts für Trauer sorgte, findet der Niedergang eines weiteren Genfer Traditionsvereins fernab der Öffentlichkeit statt. Dabei hatte UGS einst den Europacup gewonnen, sozusagen.
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is vor wenigen Monaten öffnete Daniel Jacquet jeweils noch eines der beiden alten, engen Kassenhäuschen aus Holz, wenn sein Verein ein Heimspiel austrug. Immerhin vermochte Urania Genève Sport (UGS) selbst in schwierigen Zeiten stets zumindest ein paar Dutzend Zuschauer anzulocken. Es gab ja auch einiges zu bewundern; gut, vielleicht nicht immer das gastgebende Team, das zeitweise in den Niederungen der 3. Liga verschwunden war. Aber allein das idyllisch zum See hin gelegene Quartier Eaux-Vives mit viel Grünfläche und noch mehr prunkvollen Häusern, in dem sich die Heimstätte von UGS befindet, ist eine Reise wert. Und erst recht das Stadion! Es steht gleich nach einer prächtigen Baumallee – und seine Tribüne unter Denkmalschutz. 1921 wurde das Stade de Frontenex errichtet. Von seiner Faszination hat das Bauwerk nichts eingebüsst, von seinem Glanz allerdings umso mehr. Langsam, aber sicher zollt es seinem fast 100-jährigen Bestehen Tribut, ohne dass sich abzeich-
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net, wann die Stadt Genf als Besitzerin die Restaurationsarbeiten in Angriff nimmt. 2007 schmetterte sie ein Projekt in der Höhe von 2,5 Millionen Schweizer Franken ab. Der erbarmungswürdige Zustand des Stadions passt zur Situation von UGS. Der Traditionsverein blickt auf eine katastrophale Saison zurück. Angestrebt hatte er einen Platz im Mittelfeld der 1. Liga Classic, gelandet ist er eine Spielklasse tiefer. Und so fand sich im Verlauf der Saison immer weniger Publikum ein, wenn sich die Violetten im Kampf gegen den Abstieg mühten. Daran änderte auch die Massnahme nichts, die Kassenhäuschen geschlossen zu halten. Als UGS in der bedeutungslosen letzten Partie das inferiore Tabellenschlusslicht ES Malley empfängt, sehen noch zehn Unentwegte zu. Kassenwart Daniel Jacquet bewegt sich schon lange im Genfer Fussball. Einst hatte er die Knirpse Senderos und Djourou trainiert. Heute steht er seinem eigenen Sprössling zur Seite: dem
38-jährigen Nicolas Jacquet. Dieser war als Junior bei Meyrin Teil eines Teams, das mit Patrick Müller und Johann Vogel der Fussball-Schweiz das Fürchten lehrte. Seit Sommer ist er Präsident von UGS. Zusammen verfolgen Vater und Sohn am Spielfeldrand die Kehrauspartie der beiden Absteiger auf der Frontenex. «Unsere Mannschaft ist zu jung und unerfahren, um den Klassenerhalt zu schaffen. Und dazu haben einige Spieler schlicht zu wenig Verantwortung übernommen», zieht Nicolas Jacquet ein ernüchterndes Fazit seiner ersten Saison an der Klubspitze. Der Vater nickt. Knapp 350 000 Franken beträgt das Jahresbudget, wovon allein 50 000 der Präsident einschoss. Genützt hat es nichts. «Mit einem solchen Betrag gehören wir zu den Kleinen in der 1. Liga», bilanziert der Inhaber einer Beschriftungsfirma. Sein Verein ist klamm. Ein Weltmeister in der NLB Das war vor einem Vierteljahrhundert noch ganz anders. Damals hiess der Präsident Alain Morisod, ein Genfer Chansonnier von internationalem Renommee. Nebst der Musik gilt seine Leidenschaft dem Fussball, speziell UGS. 1986 übernahm Morisod das Amt von seinem Grosscousin Frédéric, der es bis zu seinem Tod mehr als 40 (!) Jahre lang ausgeübt hatte. Der Sänger rüttelte den Traditionsverein auf, der in der 2. Liga vor sich hindämmerte. Als Erstes verpflichtete Morisod die welsche Trainerlegende Paul Garbani. Garbani hatte
Heroen der Vereinshistorie – die Cupsieger von 1929. Kein Anschluss unter dieser Nummer? Patina prägt das Stade de Frontenex.
den Zwerg Vevey-Sports in den frühen 80er-Jahren als feste Grösse in der Nationalliga A etabliert. Nun sollte er UGS zurück ins Scheinwerferlicht führen. Morisod scheute keinen Aufwand: «Wenn ich mich für etwas einsetze, dann richtig. Dann gehe ich bis zum Äussersten!» So und ähnlich lauteten regelmässig die Kampfansagen des schillernden Genfers in der Westschweizer Presse. Der Mann hielt Wort: UGS stürmte in die 1. Liga und sogleich weiter in die NLB. Jetzt musste ein Star her! Morisod fand ihn in Frankreich. Der Millionär lotste Alberto Tarantini, seines Zeichens Weltmeister mit Argentinien 1978, von Toulouse auf die Frontenex. Mit 33 Jahren sollte der Verteidiger dem Aufsteiger den nötigen Halt geben. Das ging schief: Trotz prominentem Zuzug konnte UGS die Klasse nicht halten. Doch der ambitionierte Präsident liess sich nicht beirren. Er holte Gérard Castella als Trainer und schaffte mit ihm den sofortigen Wiederaufstieg. Morisod war für den Verein Gold wert: als Mäzen, aber auch als Sympathieträger. Er zeigte sich volksnah, besuchte die Spiele mit seinen Jugendfreunden und komponierte gar ein Vereinslied: «Viens danser avec UGS!» 1991 beendete Morisod von sich aus den Tanz und trat als Präsident zurück. Selbst den gut betuchten Sänger erschreckten die Ausgaben, die ein solches
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Engagement im Fussball nach sich zieht. Dennoch bezeichnet er die fünfjährige Episode als «schönes Abenteuer». Er blieb UGS treu und lässt sich noch heute ab und zu im Stadion blicken. Gegen Malley indes fehlt der 64-Jährige. Auf dem Laufenden hält ihn Patricia Aubert, die gute Seele des Vereins. Via SMS unterrichtet sie ihn über den Ausgang der Partien. Mit ihrem in den Klubfarben gehaltenen Trainingsanzug ist die 51-Jährige nicht zu übersehen. Sie bezeichnet sich selbst als «Mädchen für alles» bei UGS. Ob nun der Vorplatz gewischt oder in der Stadionbeiz ausgeholfen werden muss, Aubert springt ein. Das ist umso bemerkenswerter, als die umtriebige Frau eine Prothese trägt. Aubert verlor vor Jahren ein Bein, ist heute IV-Bezügerin und freut sich, bei UGS eine Aufgabe gefunden zu haben – ohne Entlöhnung, versteht sich. Die Gegenwart ihres Vereins betrübt sie. Das Stadionlokal befindet sich in einer Holzbaracke. Präsident Jacquet möchte das provisorische Konstrukt abreissen. Es leckt, und aus den Lautsprechern scheppert die Musik. Bezeichnenderweise läuft Radio Nostalgie. Wehmütig erinnert sich Aubert an die Aufstiege in die NLB und schwärmt von ihrem schönsten Souvenir: einem Trikot von Alberto Tarantini, das ihr Alain Morisod aus Dankbarkeit schenkte.
Tor des Torhüters Die glorreichsten Zeiten von UGS hat aber auch Patricia Aubert nicht erlebt. Sie liegen über 80 Jahre zurück. Hervorgegangen aus einer Fusion des FC Urania und des FC Genève 1923, lieferte sich der Klub schnell einen Zweikampf mit Servette um die Vormachtstellung in der Stadt. 1929 feierte er seinen ersten nationalen Titel: den Schweizer Cupsieg. Im heimischen Stadion bezwang UGS YB 1:0. Kurz darauf sorgte der Verein gar auf internationaler Ebene für Furore. 1931 gewann er den Turnierfinal der Kolonialausstellung in Paris gegen Slavia Prag 2:1 – nicht zuletzt dank seines Torhüters, der einen Penalty abgewehrt hatte. Marcel Nicollin war für seine Reaktionsschnelligkeit berühmt. Kein Wunder, agierte er doch gleichzeitig als Captain der Pingpong-Sektion. UGS ist eben ein polysportiver Verein! Im gleichen Jahr bot sich den Genfern die Gelegenheit, auch in der Schweiz die Nummer eins zu werden. Sie unterlagen jedoch in einer Finalissima den Grasshoppers. Es sollte das erste und letzte Mal sein, dass UGS so nahe am Meistertitel war. Der Klub tingelte fortan während Jahrzehnten zwischen NLA und NLB hin und her. Dabei verfügte er über manch illustren Spieler. Eugène «Génia» Walaschek gab mit 16 Jahren im violetten Dress seinen NLA-Einstand. Später, als Servettien, gehörte der Spielmacher zur legendären Schweizer Nationalmannschaft, die an der WM 1938 Grossdeutschland 4:2 schlug. Ein weiterer geschichtsträchtiger Akteur war Roger Vonlanthen. Noch als Junior stiess der Stürmer nach dem Zweiten Weltkrieg von Servette zu UGS; es war der Beginn einer Karriere, die ihn bis zu Inter Mailand und ins Amt des Schweizer Nationaltrainers führen sollte.
schweizerreise: UGS
Sie ergatterten den Pokal auf der Vorderseite: die NLA-Aufsteiger von 1948. Alle leiden mit – alte Kämpen, ein WM-Teilnehmer, die gute Seele des Vereins und der Präsident mit Vater (im Uhrzeigersinn).
Die Beispiele Walaschek und Vonlanthen zeigen, dass es trotz Rivalität immer wieder zu Transfers zwischen den beiden Genfer Stadtrivalen kam. Auch Eugène Parlier wechselte die Fronten – gezwungenermassen. Berühmtheit hatte er zuvor als Nationaltorhüter erlangt, als er beim epochalen 5:7 an der HeimWM 1954 gegen Österreich einen Sonnenstich erlitt. Nach einer schweren Verletzung verlor Parlier 1957 seinen Stammplatz bei Servette. Karl Rappan, nun nicht mehr National-, sondern Klubtrainer, schob ihn zu UGS ab. Bei den Violetten blühte Parlier aber nochmals auf, ja mehr noch: Er avancierte zum Helden. Im Barragespiel um den Verbleib in der NLA setzte ihn Trainer Walaschek 1958 als Stürmer ein. Prompt markierte er Assist und Tor zum 2:1-Sieg über den FC Winterthur. UGS blieb drin! Machtkampf in Genf Die Stürmer beim Saisonabschluss gegen Malley 2013 treffen zwar auch und bereiten dem Verein mit einem Heimsieg wenigstens einen halbwegs versöhnlichen Abschied aus der 1. Liga. Am meisten fällt aber ein Kadermitglied auf, das verletzungsbedingt gar nicht im Aufgebot steht, sondern als Beobachter unter der altehrwürdigen Tribüne:
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Augustine Simo. 1998 hatte er mit Kamerun die WM bestritten und danach vor allem bei Xamax brilliert. Seit seinem Abschied vom FC Aarau und einem kurzen Abstecher nach Israel 2006 spielt der 37-Jährige für UGS. Seine Frau ist Genferin und er mittlerweile Diamantensetzer in der Uhrenindustrie. Er kicke nur noch zum Vergnügen, sagt Simo. «Und trotzdem verliert er nie einen Ball», wirft Präsident Jacquet ein, um gleichzeitig die jungen Spieler zu kritisieren: «Sie realisieren gar nicht, wie stark sie von Simo profitieren könnten. Welcher Erstligist hat schon einen WM-Teilnehmer in seinen Reihen?!?» Der Gelobte lächelt bescheiden. Markige Worte sind von ihm nicht zu hören. Wegen der angespannten finanziellen Lage hätten sie halt viele Wechsel verkraften müssen, begründet Simo den Abstieg. «Wir suchten Spieler von überall her zusammen, aber konnten kein richtiges Team bilden.» Als der Kameruner bei UGS angeheuert hatte, präsentierte sich der Verein noch viel ambitionierter. Er wollte zurück in die zweithöchste Spielklasse. Letztmals war er 1994 so weit oben gewesen. Mit 15 Niederlagen in Folge und gerade einmal 4 Siegen in 32 Partien hatte sich UGS in jener Saison allerdings sang- und klanglos aus der NLB verabschiedet. Diese Schmach wollte
nun ein Präsidentenduo tilgen. Yves Grange hiess die treibende Kraft. Er stammt aus einer alten Genfer Familie, ist im Immobiliensektor tätig und zählt den milliardenschweren Alinghi-Chef Ernesto Bertarelli zu seinen Freunden. Dank finanzieller Potenz qualifizierte sich UGS unter ihm dreimal in Serie für die Aufstiegsspiele zur Challenge League. Allein, jedes Mal scheiterte der Klub. Besonders bitter war es 2006. Nach dem Zwangsabstieg von Servette war der seit Jahrzehnten entrückte Stadtrivale für UGS plötzlich wieder in Griffnähe gerückt. Im Showdown zum Ende der Saison bot sich die unverhoffte Chance, die Hierarchie in Genf umzukrempeln. Das Duell entschied der SFC indes für sich. Nach nur einem Jahr entschwand er wieder der 1. Liga und liess UGS ernüchtert zurück. Nur: Grange verlor den Mut nicht und holte Augustine Simo. Doch auch 2007 und 2008 klappte es nicht mit dem Aufstieg. Die Kluboberen gaben sich geschlagen und das Zepter an Nicolas Jacquet weiter, nachdem UGS letztes Jahr auch den Sprung in die neu geschaffene 1. Liga Promotion verpasst hatte. «Die Zeit, irgendwelche Erfolge erzwingen zu wollen, ist jetzt endgültig vorbei», kündigt der amtierende Präsident an. «Wir wollen uns als Ausbildungsverein in der 2. Liga konsolidieren.» Mehr anzustreben, sei vermessen, nicht zuletzt angesichts der rund 30 Klubs, die allein auf dem Genfer Stadtgebiet um Aufmerksamkeit buhlen. Die Vernunft scheint Einzug gehalten zu haben im Stade de Frontenex – auf die Gefahr hin, dass Daniel Jacquet auch fortan die Kassenhäuschen nicht mehr aufzuschliessen braucht.
schweizerreise: UGS
NLA-Legende
Text: Johnny Furrer und Romano Spadini / Illustration: André Bex
Sigi aus dem Eis
Torgefährlich und pflegeleicht: An Sigi Grétarsson hatten sie in Luzern ihre helle Freude. Und das, obwohl der Isländer Mitte der Achtziger in der NLA noch als Exot galt.
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enken Sie noch oft an die Schweiz, Sigur∂ur Grétarsson? «Ja. Ich bin auch Schweizer», lacht dieser in Island ins Handy. «Fussballschweizer», ergänzt er. Diesen Status erhielt damals, wer fünf Jahre als Profi im Land war. Ein «typischer Nordländer» sei er aber immer gewesen, urteilte hingegen Ottmar Hitzfeld, unter dem er für GC gespielt hatte: «Gute Einstellung, starker Wille, pflegeleicht.» Heute hat er nichts mehr mit Fussball zu tun. Nicht einmal als Trainer oder in einer Veteranenmannschaft. «Wegen dem Knie, kaputt», sagt er in lustigem Deutsch mit skandinavischem Akzent. «Geht nicht mehr.» Jenes Knie, welches auch für sein Karriereende verantwortlich war. In den drei Jahren bei GC wurde er dreimal operiert, bis heute lag er gar sechs Mal unter dem Messer. Grétarsson war 1995 Sportinvalide. Stattdessen führt er mit seinem Onkel die Elektrofirma seines Vaters. Für einen kleinen Nebenverdienst bietet der zwei-
fache Familienvater Touristen in der Nähe des Vulkans Hekla Ausritte mit Islandponys an. Den Schweizer Fussball verfolgt er immer noch. Speziell den FC Luzern, wo er «die schönste Zeit» verbrachte. In die Zentralschweiz verschlug es ihn auf einigen Umwegen. Lange Zeit interessierte sich kein grösserer Klub für isländische Fussballer, doch die Erfolge von Ei∂urs Vater Arnór Gu∂johnsen (Anderlecht, Bordeaux) und Ásgeir Sigurvinsson (Standard Lüttich, Meister mit VfB Stuttgart) weckten das Interesse der Scouts an den kostengünstigen Nordländern. Bereits mit 17 Jahren verliess Sigi Grétarsson seine Heimat und schloss sich dem FC Homburg in der 2. Bundesliga an, wo er in 16 Partien viermal traf. Doch nach nur einem Jahr kehrte er zurück, um eine Lehre als Elektriker zu absolvieren. Mit 21 Jahren versuchte er es noch einmal in Deutschland, diesmal in der Oberliga bei TeBe Berlin. Wieder blieb er nur eine Sai-
son, ehe es den Stürmer nach Griechenland zu Iraklis Saloniki verschlug. Dort traf er auf einen Trainer, der seine Karriere nachhaltig prägen sollte: Friedel Rausch. 15 Tore im ersten Jahr Rausch heuerte beim FC Luzern an und traf dort auf eine junge Mannschaft mit vielen Einheimischen. Stefan Marini war 20, Hebi Baumann 21 und Aussenverteidiger Hansi Burri auch erst 21. Als Burri hörte, dass ausgerechnet ein Isländer sein Team verstärken sollte, hatte er keine Bedenken: «Friedel Rausch hat ihn aus Griechenland mitgebracht. Wir wussten, dass er ein Top-Trainer ist, also musste Sigi auch ein guter Spieler sein.» Grétarsson findet sich gleich zurecht. Sein Debüt in der NLA erlebt er beim 1:0-Auswärtssieg in Basel. Schon in seinem dritten Spiel trifft er beim 5:1Sieg gegen Lausanne gleich doppelt. Überhaupt wird die Saison 1985/86, in der mit Ómar Torfasson noch ein zwei-
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NLA-Legende
ter Isländer beim FCL unter Vertrag steht, zum Vollerfolg für die Leuchten und Grétarsson selbst. Die Innerschweizer qualifizieren sich als Dritter für den UEFA-Cup, zu dessen Erreichen der Stürmer 15 Tore beisteuert. Die Akklimatisierung in Luzern ist ihm offensichtlich sehr leichtgefallen. «Es war eine super Stimmung. Die Fans waren einfach unglaublich, so etwas habe ich nie wieder erlebt», sagt er heute. «Wir Spieler haben auch viel in der Freizeit zusammen gemacht.» Hansi Burri erinnert sich etwa an einen Abend, an dem die Mannschaft bei Roger Wehrli zu Hause in Suhr AG war: «Sigi wollte plötzlich nach Hause – zu Fuss. Und ging. Niemand wusste, was passiert war. Jedenfalls war er am nächsten Tag wieder im Training.» Der sympathische Grétarsson stieg in Luzern bald zum Publikumsliebling auf. Auch zu Friedel Rausch pflegte er ein beinahe inniges Verhältnis. Der Deutsche sparte in seinem Urteil über den Isländer denn auch nicht mit Lob: «Sigi hat viele Qualitäten, einen guten Schuss, ist schnell und stets mit vollem Einsatz dabei. Generell beurteile ich Sigi in allen Belangen und demzufolge auch menschlich als positiven Typ.» Ein Haar in der Suppe fand der Trainer dann aber doch noch: «Schade, dass er nicht besser Schach spielen kann.» Auf dem Rasen hingegen konnte ihm in der NLA kaum einer das Wasser reichen. Wehrli hielt ihn für «einen der besten Ausländer der Liga», für Hansi Burri war er ein «Killer»: «Wir gewannen damals viele Spiele 1:0, dann sind solche Spieler doppelt wichtig. Ich als Aussenverteidiger hab Stürmer eh bewundert.» Ehrenrunden in der Altstadt Trotz einiger Verletzungen gehörte er auch in der fantastischen Saison 1988/89
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zur Stammelf. Die Luzerner hatten einen sehr starken Kader, mit herausragenden Spielern wie dem Libero Wehrli, dem Spielgestalter Jürgen Mohr sowie dem Stürmer Peter Nadig. Und eben Sigi Grétarsson. Nach der Qualifikationsrunde führten die Leuchten die Tabelle sensationell vor dem Rekordmeister aus Zürich an. In der Finalrunde wusste man sich gar noch zu steigern und machte den ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte perfekt. Auch wenn die Medien vor allem das Trio Wehrli, Mohr und Nadig feierten, darf Grétarssons Anteil (8 Tore) am Gelingen des Coups nicht vergessen werden. Gefeiert hat der Isländer den Titel auf seine eigene Art: Er schnappte sich in der Meisternacht ein VeloSolex und drehte in der Altstadt ein paar Ehrenrunden. In der Folgesaison, die Luzern auf dem beachtlichen 4. Rang abschloss, wurde Grétarsson von John Eriksen und Adrian Knup ins Mittelfeld verdrängt. Doch auch da wusste er zu überzeugen. Und zwar so sehr, dass GC-Trainer Ottmar Hitzfeld anklopfte. Er wäre gerne in Luzern geblieben, doch der FCL habe gezögert. «So musste ich eine Entscheidung treffen.» Friedel Rausch erklärte es so: «Sigi hat die Leistung als Stürmer nicht mehr gebracht. Das mussten wir einfach sehen. Deshalb habe ich ihn – weil er engagiert ist und nie aufgibt – ins Mittelfeld gestellt. Wir haben beschlossen, abzuwarten, was er uns da bringt. Aber da ist uns der Sigi zuvorgekommen, indem er sich schon bei GC festgelegt hat.» In Zürich traf er auf «Erfolg, mehr Professionalität» und mit Hitzfeld auf einen «grossartigen Trainer, einen grossartigen Menschen. Man merkte sofort, dass er etwas vom Fussball versteht.» Selbst über den glücklosen Leo Beenhak-
ker, der auf Hitzfeld folgte, hält er grosse Stücke. Für GCs Fall in die Abstiegsrunde unter dem Startrainer und trotz Mitspielern wie Hermann, Sforza, Elber, Gren, Bickel und Sutter kann Grétarsson übrigens nicht viel. Er war fast die ganze Saison verletzt. «Nicht weit weg von der Schweiz» Die drei Jahre bei den Hoppers brachten ihm zwar den zweiten Meistertitel ein, doch die Verletzungen häuften sich. Auf nur 65 Einsätze kam er in Zürich. 1993 wurde ein Meniskusschaden festgestellt, der für den 31-Jährigen das Ende seiner Profilaufbahn bedeutete. Er arbeitete zunächst im GC-Nachwuchs und übernahm später als Spielertrainer für eine Saison den Zweitligisten FC Affoltern am Albis, ehe er in die Heimat zurückkehrte. Noch zweimal gab er dort kurze Comebacks ebenfalls als Spielertrainer, bis das Knie gar nicht mehr mitmachte. So muss er sich heute aufs Zuschauen beschränken. Island habe seit Grétarssons Aktivzeit einen grossen Sprung nach vorne gemacht. «Wir sind nicht weit weg von der Schweiz», urteilt er. In der WM-Qualifikation treffen die beiden Nationalmannschaften aufeinander. «Wir hätten schon im Hinspiel gewinnen können, obwohl die Schweiz gefestigter ist.» Doch gefestigt oder nicht, manchmal reicht beim Fussball ein einziges Tor, um zu gewinnen. Das weiss niemand besser als Sigur∂ur Grétarsson.
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Puck Football!
Nach dem sensationellen Vizeweltmeistertitel der Schweizer Hockey-Nati entschied sich der SFV, das Erfolgsrezept auf den nationalen Fussball zu übertragen. ZWÖLF blickt auf die kommende Saison zurück, in der das Eis brach für längst erforderliche Massnahmen. Juni 2013
Als Zeichen neuer Stärke integriert YB als erstes ein Tier in den Vereinsnamen und nennt sich neu «Young Bears Bern». Die Konkurrenz zieht nach: Es entstehen der FC Eagles Aarau, der FC Marten Thun oder, getreu der präsidialen Initialen, die Crazy Cows aus Sion.
August 2013
Von ihrer kreativsten Seite zeigen sich einmal mehr auch die Herren Kicker bei der Wahl ihres Schuhwerks. Für den Sponsor, der den Topskorer jedes Teams mit goldenen Tretern ausstattet, treiben sie es allerdings zu bunt. Wie soll bei
diesen wandelnden Farbtöpfen der Werbeträger noch herausstechen? Der Geldgeber sieht schwarz – oder eben gerade zu wenig.
September 2013
In der spanischen Primera División können sich Spielergewerkschaften und Vereine nicht einigen. Der Saisonstart wird verschoben; es kommt zum Lockout. Kurz darauf verkündet Walter Stierli euphorisch die temporäre Verpflichtung von Lionel Messi. YB angelt sich Cristiano Ronaldo, GC holt Özil. Nur Lausanne bleibt ruhig: Mit Gabri habe der Klub ja schon einen Star aus Spanien.
OKTOber 2013
Unmut macht sich breit bei GC. Angesichts der animalischen Konkurrenz in den Klubnamen sei der «Grasshopper» als ungefährliches Insekt – abseits der biblischen Dürreperioden – nicht mehr zeitgemäss. An einer ausserordentlichen GV wird auf das Wettrüsten um den furchteinflössendsten Fauna-Bezug reagiert: Die Grasshoppers nennen sich fortan gut deutsch Heuschrecken.
November 2013
Die Nati testet für die WM mit dem sechsten von acht Freundschaftsspielen gegen Deutschland. Die restlichen zwei folgen drei Wochen später.
DEzember 2013
Erste Kritik am neuen Modus wird laut, nachdem das bereits sechste Aufeinandertreffen zwischen Lausanne und Thun in der gleichen Saison mit 180 zahlenden Zuschauern einen neuen
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zufallstreffer
Minusrekord bedeutete. Gleichzeitig steht der FC Basel schon frühzeitig als erster Playoff-Teilnehmer fest.
Januar 2014
Endlich, die heiss ersehnte WM beginnt! Wird ja auch Zeit: Bei arktischen Temperaturen denkt nun mal alles an Fussball. Und seit der letzten Austragung sind schon wieder elf lange Monate vergangen. Der amtierende Weltmeister Spanien schickt eine Auswahl von Spielern der Hochschul-Meisterschaft, verstärkt mit Profis von Osasuna, Levante und Granada. Deutschland lässt sich durch Bunte-Liga-Spieler vertreten und Argentiniens Nationalmannschaft besteht aus Einlaufkindern. Auch dank des ausgeklügelten Modus – jedes Team spielt zuerst gegen zwei zugeloste Gegner je dreimal, bevor es in einem Best-of-3 wieder auf diese Mannschaften trifft – schafft es die Schweiz ins Endspiel. Für einen Sieg gegen Brasilien reicht es dann aber doch nicht ganz, weil die Seleção kurz vor dem Final noch Dante und Hulk einflog. Dennoch kennt der Jubel im Land keine Grenzen. Und selbst dem «Kicker» ist die Sensation eine Kurzmeldung wert – gleich hinter den Transfergerüchten zum SV Darmstadt 98.
Februar 2014
Protestkundgebung vor der FCZGeschäftsstelle: Die Fans wollen nun auch endlich ein Tier im Vereinsnamen haben – aber nicht etwa die längst ausrangierten Löwen. In einer Petition verlangen sie den neuen Namen «Raging Bulls Zurich» in Anlehnung an Muni Maradona, der einst die LetzigrundTribüne stürmte. Die Idee, den Muni
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auf den Protestmarsch mitzunehmen, kommt unglücklicherweise wenige Tage zu spät. So müssen sich die Fans mit Cervelat-Kränzen schmücken. Dafür gibt’s von Präsi Canepa Gratisbier. Er will die Horde gütlich stimmen und von den neuen Initialen abbringen – aus Furcht vor einer angedrohten kühlen Brause, äh Brise aus Österreich.
März 2014
Playoff-Zeit! Zeit der wilden Männer: Wie ihre Hockey-Kollegen legen nun auch die Fussballer das Rasierzeug beiseite. Schon Mitte April wird bei Thuns Benjamin Lüthi das erste Barthaar der Liga festgestellt und frenetisch gefeiert.
Mai 2014
Die Hälfte der Teams ist bereits in den Playoffs ausgeschieden. Der Sittener Vilmos Vanczák verstärkt für den Rest der Saison YB, Scarione spielt noch für den FCZ und GC-Anatole versucht es erst bei Luzern, dann im Playout bei Lausanne und schiesst schliesslich noch Zug 94 in die 1. Liga Promotion.
Haarige SACHE
Ach so frech wirkende Haarprachten wie sie heutzutage fernab der Chrigel-Gross-Zeiten inflationär dem wehrlosen Zuschauer aufs Auge gedrückt werden? Diese akkurat geschnittenen PosterboyVerschnitte? Einfach bieder-billig. Die Asymmetrie der Frisur: kein Ausdruck von Rebellion, sondern Beweis langweiliger Konformität. Wo bleibt da das Wilde, Ungezähmte, Exzentrische? Der Coupe als Coup? Wir finden ihn ausnahmsweise nicht beim Durchblättern der Panini-WM-Alben 74 und 78, sondern beim Stöbern auf der Homepage der US Grossetto, was wir als investigative Journalisten natürlich ständig tun. Zweierlei wird uns dabei klar: Dieser Spieler landet nicht so schnell beim FC Luzern. Und: Er verfolgt ein haarsträubend anderes optisches Konzept wie sein Bruder Frank. Während dieser Mario Gomez nacheifert, pflegt jener eine formvollendete Carlos-ValderramaGedenkfrisur. State of the Art, Rolf Feltscher!
Mai 2014
YB verliert das entscheidende fünfte Spiel im Playoff-Final gegen den FCB durch einen höchst umstrittenen Treffer Sekunden vor Schluss. Trotzdem bringt der Berner Captain Wölfli dem Schirigespann umgehend Bier in die Kabine. Eine verlorene Finalissima mehr: Was macht das schon? YB zeigt sich unter dem Harmonie-bedürftigen Fredy Bickel grosszügig und nimmt die Sportskameraden der SCB-Ausgabe 2012 zum Vorbild.
DES BEBBIS BOBO
Austeilen kann er ja, der Stocker. «Vale, hau se um!», skandieren sie im Joggeli. Und einstecken, so dachten wir zumindest. Aber dann entdeckten wir seine Verletzungshistorie auf Transfermarkt.ch. Und bei Fasnachtsbeginn etwa auch noch geschwänzt, Vale?
Fussball-Smalltalk Als Sir Alex Ferguson am 6. November 1986 als Manager von Manchester United vorgestellt wurde, lag die Mannschaft in der Tabelle direkt vor Manchester City und Chelsea – allerdings nur auf Platz 19. Bei der Bekanntgabe seines Rücktritts war die Reihenfolge genau gleich, nur stand die United dann ganz zuoberst. Alex Fergusons letzte Meisterschafts-Heimniederlage war gegen Chelsea, ebenso die letzte Niederlage im FA-Cup sowie im League-Cup und im Charity Shield. Zudem hat Manchester United unter ihm gegen jedes Premier-League-Team sowohl eine positive Bilanz wie auch ein positives Torverhältnis… ausser gegen Chelsea. Der langjährige Schalke-Manager Rudi Assauer gewann 1966 mit Borussia Dortmund den Cup der Cupsieger und ist seit 43 Jahren deren Vereinsmitglied. Keine Mannschaft hat eine schlechtere Erfolgsbilanz in Europacup-Endspielen als Benfica Lissabon. Neun Mal stand der Verein in einem Endspiel, nur zwei Mal – 1961 und 1962 im Meistercup – ging man als Sieger hervor. Als Austria Salzburg, 2005 von enttäuschten Anhängern als Gegenentwurf zu Red Bull gegründet, am 1. Mai 2013 in der dritten Liga zum Schlagerspiel gegen Liefering – ein Farmteam von Stadtrivale Red Bull – bat, strömten 10 000 Fans ins Stadion. Als die Bundesliga-Mannschaft von Red Bull Salzburg, die immer noch im Titelrennen lag, drei Tage später gegen Admira/Mödling aufspielte, kamen dann hingegen gerade mal 6700 Zuschauer. Arsenal-Fan Mark Brewer wurde für seine Liebe zum Verein nicht belohnt. Er benannte seine drei Kinder nach Spielern des Vereins – Paul Merson, Ian Wright und Emmanuel Petit – und tätowierte sich die Namen auf seinen rechten Arm. Spätestens eine Saison nach der jeweiligen Tätowierung verliess der entsprechende Spieler den Verein. Auf den linken Arm hat er sich 2002 das Arsenal-Logo tätowieren lassen – zwei Wochen bevor dieses geändert wurde. Das erste internationale Spiel trug der FC St. Gallen am 17. März 1902 aus. Gegner war Alemannia Karlsruhe, es resultierte ein 26:0-Sieg. FC Barcelona B schaffte in der abgelaufenen Spielzeit der spanischen Segunda División das Kunststück, sowohl die zweitmeisten Tore zu erzielen wie auch zu kassieren. Zum Schluss standen 75 Toren 69 Gegentreffer gegenüber. Zwischen 1988 und 1999 stellte Italien jeweils in allen drei europäischen Wettbewerben – Meistercup, Cupsieger-Cup und UEFA-Cup – mindestens einen Viertelfinalisten.
Unter den 10 weltbesten Torjägern der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts finden sich internationale Topstars wie Ruud van Nistelrooy, Miro Klose oder Didier Drogba. Und der Angolaner Flávio da Silva Amado. Mit 73 Toren in allen Wettbewerben für Petro Atletico (Angola), Al-Ahly (Ägypten), Al-Shabab (Saudi-Arabien) und Lierse SK (Belgien) liegt er an sechster Stelle, noch vor Raúl und Shevchenko. Hamilton Croatia, Toronto Croatia, Serbian White Eagles und Portugal FC spielen alle in der Canadian Soccer League, der höchsten kanadischen Liga. Im Juli 2009 wurde Mauricio Baldivieso im Spiel Aurora Cochabamba gegen La Paz FC in der 81. Minute eingewechselt und wurde damit mit 12 Jahren und 362 Tagen zum jüngsten Debütanten in einer Profiliga weltweit. Mauricios Trainer zu der Zeit war Julio César Baldivieso, WM-Teilnehmer mit Bolivien 1994 – und Mauricios Vater. Er wurde nur vier Tage nach dem Debüt seines Sohnes entlassen. Im Februar 2012 wechselte Mauricio zu Real Potosi, einen Monat später wurde sein Vater als Trainer eingestellt. Der Russe Oleg Salenko, Torschützenkönig der WM 1994 dank seiner 5 Tore gegen Kamerun, stand nur deshalb im Aufgebot, weil vor dem Turnier viele der 14 Spieler ausgemustert worden waren, die einen Brief unterzeichnet hatten, der die Entlassung von Trainer Pavel Sadyrin forderte. Statt erfahrenere Spieler wie Dobrovolski, Shalimov, Kanchelskis oder Kiriakov kamen einige Stammspieler an der Endrunde erst in den Testspielen vor dem Turnier zu ihrem Länderspieldebüt – darunter auch Oleg Salenko. Der Ägypter Ahmed Hassan ist Weltrekordnationalspieler mit 184 Spielen. Unter den Top 10 befinden sich fünf Spieler aus dem arabischen Raum. Die Dichterin Sarah Wardle war bei Tottenham 2004 als «Poet in Residence» tätig und schrieb dort grosse Zeilen über die Spurs. Zum Beispiel: «Bring on Defoe, who West Ham sold / Bring on Taricco's hot desire / Bring on the Spurs / O goal unfold!». Gleich drei Premier-League-Vereine beschäftigen übrigens einen Zauberer.
«ZWÖLF – Fussball-Geschichten aus der Schweiz» wird von ZWÖLF – Verein für Fussball-Kultur mit Sitz in Bern herausgegeben. ZWÖLF erscheint sechs Mal pro Jahr. Verein und Magazin sind unabhängig. Meinungen von Autoren müssen sich nicht mit jenen der Redaktion decken. Kontakt: www.zwoelf.ch ZWÖLF auf facebook.com/zwoelfmagazin info@zwoelf.ch Herausgegeben von: ZWÖLF – Verein für Fussballkultur Postfach 8951 3001 Bern PC 60-668720-9 Gian-Andri Casutt, Präsident Abonnemente: ZWÖLF – Das Fussball Magazin. E-Mail: abo@zwoelf.ch Jahresabo (6 Ausgaben/39.– CHF) Chefredaktor: Mämä Sykora Stv. Chefredaktor: Sandro Danilo Spadini ZWÖLF, Postfach 8951, 3001 Bern Redaktion: Silvan Kämpfen, Silvan Lerch, Wolf Röcken. Autoren dieser Ausgabe: Peter Balzli, Michelle Blöchlinger, Johnny Furrer, Tobias Graden, Silvan Kämpfen, Silvan Lerch, Nick Lüthi, Roger Meyer, Richard Reich, Romano Spadini, Mämä Sykora, Charles Wey Bild: André Bex (Bildchef), Frank Blaser, Christian Breitler, Florian Kalotay, Fränk Muno, Emanuel Roth, Chavela Zink Anzeigen: Kilian Gasser Medienvermarktung GmbH Hellgasse 12, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46 kg@kiliangasser.ch Simon Zimmerli, zimmerli@zwoelf.ch Tel. 078 623 77 13 Gestaltungskonzept, Art Direction: bex.fm, Badenerstrasse 565, 8048 Zürich André Bex, Visueller Gestalter (FH) www.bex.fm Druck: BULU – Buchdruckerei Lustenau GmbH, Millennium Park 10, A-6890 Lustenau Auflage: 10 000 Exemplare ISSN Nummer: 1662-2456
Stuart «Psycho» Pearce war sich zu Beginn seiner Karriere derart unsicher, ob er sich im Profifussball durchsetzen würde, dass er nach seinem Transfer zu Brian Cloughs Nottingham Forest in Matchprogrammen seine Dienste als Sanitär und Elektriker anbot.
Das nächste Heft erscheint Im august 2013.
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