ZWÖLF #38

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September / Oktober 2013

warten auf yb GAJIC |  LIECHTENSTEIN  |  STürmer  |  peischl  chur 97  |  tartan army


UNSER SONNTAGSERLEBNIS! WWW.FAMILYDAYS.CH

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SONNTAG 01.09.2013

FC BASEL 1893 VS. BSC YOUNG BOYS

ST. JAKOB-PARK, BASEL —

OFFEN AB 14.00 UHR • ANPFIFF 16.00 UHR

GAN CHF

49. -


ZWÖLF

macht Meister E

s ist Redaktionsschluss, und die Tabelle der Super League scheint kaputt zu sein. Da steht tatsächlich vor «BSC Young Boys» dieses unglaubliche «1.». Erster. YB. Erster! Erster, wie damals vor fast 10 000 Tagen, als die Berner den bislang letzten Meistertitel holten. Erster, das ist wahnsinnig weit entfernt von Zweiter. Nun ja, noch sind einige Spiele zu absolvieren. Noch gibt es unzählige Stolpersteine, noch können verhängnisvolle Fehler gemacht werden. YB hat sie alle schon mal begangen, wie dieses Heft zeigt, das die letzten Saisons der Enttäuschungen akribisch aufarbeitet.

Dass die herbstliche Feier in Bern anlässlich der 10 000 Tage ohne Titel die letzte dieser Art sein wird, dafür will auch Milan Gajić sorgen. Vier Jahre spielte der Serbe direkt vor der Haustür unserer Redaktion in Zürich, und just als wir ihn zum Interview bitten wollten, zog er weiter in die Hauptstadt. In unserem ersten multilingual gehaltenen Gespräch erzählte er uns von den Gemeinsamkeiten zwischen dem Spiel im Mittelfeld und am Roulettetisch. Neben YB sind freilich noch andere ehemalige Schweizer Meister ein Thema in dieser Ausgabe. Der FCZ zum Beispiel, den der Deutsche Klaus Stürmer – für viele der beste NLA-Ausländer aller Zeiten – nach jahrzehntelanger Pause wieder zum Titel schoss. Oder der FC St. Gallen, der unter dem einst geschassten und jetzt gefeierten Sportchef Heinz Peischl einen Höhenflug erlebt. Beiden Herren widmen wir ein Porträt. Zusätzlich zu den besagten Klubs gibt es übrigens 16 weitere Schweizer Meister. Nach über 110 Jahren Liga-Fussball ist es höchste Zeit, minutiös nachzuzeichnen, wie diese Vereine Saison für Saison abgeschnitten haben. Interessierten Lesern empfehlen wir deshalb wärmstens unsere meisterhafte, sich selbst erklärende und sofort erfassbare Grafik. Einzige Bedingung: gute Augen. Denn wir revitalisieren den Strichkampf! Das Auf und Ab der Klubs – auf ein Minimum komprimiert. Nur abwärts geht es dagegen in Anguilla, zumindest vorläufig. Die Nationalmannschaft steht auf dem viertletzten Platz der Weltrangliste, dennoch floss im Rahmen eines FIFA-Projekts viel Geld auf die Karibikinsel, um die Infrastruktur zu verbessern. Mehr als ein rostiger Zaun und ein unbespielbarer Platz ist damit aber nicht entstanden. Kein Vergleich zu Liechtenstein, wo wir uns in 64% aller Gemeinden umgeschaut haben, um zu erfahren, wie dort elf Nationalspieler gefunden werden können und woher diese panische Angst vor den Spielen gegen Malta kommt. Wie gewohnt finden sich auch einige Skurrilitäten auf den folgenden Seiten. Etwa die getrübte Aufstiegsfreude des FC Chur, weil dessen Spielmacher gerade verhaftet wurde. Oder der Sammler, der in Balsthal – wo leider der strahlende Sempione/Salami-Cup nicht mehr ausgetragen wird – Memorabilia des schottischen Fussballs zusammenträgt. Aber was labern wir hier überhaupt so lange? Wir sehen uns ja bald wieder – am ZWÖLF-Sommerfest mit Podiumsdiskussion. Für Euch schon am Zapfhahn Euer ZWÖLF

Cover: Rob Lewis

ZWÖLF-Sommerfest und Revolutions-Talk

17. August 2013 an der Badenerstr. 565 in Zürich. Mehr Infos auf Seite 11.


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Einlaufen 6

Planet Constantin: Der Walliser Sonnenkönig im O-Ton

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Wie gesagt, äh…: Fussballer reden

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Das Billett: Meister gegen Krisenverein

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Die Tabelle: Die Weltrangliste der Super League

8

Die Liste: Skurriles aus der Sommerpause

10 Auswärtsfahrt: Keine Gegner in Berlin 12 Der Cartoon: Im FCB-Shop 13

Das Fundstück: Ein Stück Fussballsozialismus

13 Presseball: Kommentarlos glücklich 14

Homestory: Die Hobbys der Kicker in der Bunten Presse

Rubriken 44

Schweizerreise: Bei Chur 97 spricht man noch immer von Bobby Charlton und der verpassten Chance

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Unser Mann in London: Peter Balzli über einen Spieler, der der Moral verpflichtet ist. Nicht.

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NLA-Legende: Klaus Stürmer leitete die goldene Ära des FCZ ein.

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Das schwarze Brett: Französisches Jubiläum, historische Tore und ein teures Schmuckstück

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ZWÖLF war dabei: Verwirrung in der Leuchtenstadt

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Smalltalk und Impressum

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24 Den Kabeln nach Wie kommt der Fussball vom Stadion ins Wohnzimmer? Ein Besuch bei Teleclub. 32 Karibisches Geldversenken Die FIFA finanziert teure Entwicklungsprojekte in Anguilla. Aber von Aufbau keine Spur. 34 Meister, und jetzt? Die sportliche Entwicklung der 19 Schweizer Meister. 36 Orchestergraben, Waldläufe, Europacup Allen Unkenrufen zum Trotz hat Heinz Peischl in St. Gallen ein schlagkräftiges Team aufgebaut. 40 Trinkfeste Exklave In Balsthal widmet sich ein kleines Museum dem schottischen Fussball. Und dem Whisky. 56 Mehr Fricks Liechtenstein sucht die Nachfolger der «Goldenen Generation».


ALL ABOUT YB

Bald 10 000 Tage seit Lars Lundes meisterlichem Jubel am Zaun: Um die Wartezeit bis zum Jubiläum zu verkürzen, ein Schwerpunkt in Gelb-Schwarz. 16 Analyse des Scheiterns Nirgends klaffen Ambition und Realität so weit auseinander wie bei den Bernern. Seit Jahren. 23 Verloren. Amen. Aus der Niederlage muss man Hoffnung schöpfen: Verlierer braucht das Spiel. 26 Keine Ressentiments YB-Neuzuzug Milan Gajic´ über seine holprige Karriere und die Autorität der Trainer.


Planet Constantin «Ich urteile nicht über die Aussagen eines Menschen, den ich nicht kenne. Wenn ihm unser Fussball nicht passt, soll er doch Skirennen schauen.» Oder Waffenlauf. Sorry, ging uns einfach grad durch den Kopf. Constantin über SRF-Sportchef Urs Leutert, der die Super League näher an ein Dorftheater als an den Glamour von Hollywood rückte und so begründete, weshalb das Fernsehen keine exklusive Fussball-Sendung mache.

«Ich bin der Regisseur. Michel Decastel muss bloss noch die Schauspieler bei Laune halten.» Eine Laienbühne? CC über das Selbstverständnis des FC Sion.

«Mein Wille ist es jedes Mal, die Saison mit dem gleichen Trainer zu beenden.» Ja, das hat er in welschen Medien wirklich gesagt. Aber nein, das kommentieren wir nicht weiter.

«These zwei, bitte!» CCs Antwort im Spiel des «SonntagsBlicks», der Protagonisten der SuperLeague-Vereine vor der Saison mit je drei Thesen konfrontierte. In der ersten behauptete das Blatt, dass die Jungen bei Sion kaum spielen werden.

«These drei, bitte!» CCs zweite Antwort. Die Behauptung: Spätestens nach zehn Runden komme es zu einer Trainer-Entlassung.

«Einen schönen Tag wünsche ich noch!» Und CCs dritte Antwort. Die These: Sion werden die Fans davon laufen.

«Als Welscher wirst du bestohlen!» CC unterstellt den Schiedsrichtern nach den ersten Runden in «Le Matin» Betrug gegen Lausanne und Sion. Mögliche rechtliche Konsequenz: Constantin verlegt den Sion-Hauptsitz in den deutschsprachigen Teil des Kantons. Und dann wollen wir doch mal sehen.

«Wenn es so weitergeht, wird eines Tages ein welscher Präsident seine Mannschaft vom Feld nehmen!» Hugh! Schon Winnetou sprach in der dritten Person, wenn es um ihn selber ging. CC über die möglichen Konsequenzen der Schiri-Arbeit.

«Es gibt nur das Tourbillon, wo man all das erleben kann.»

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Gut, eventuell wars nicht CC selber, der die Idee hatte. Wobei: Zuzutrauen ists ihm. Obenstehender Satz stand jedenfalls kurzzeitig auf der Webseite www.lausane-sport.ch. Die Waadtländer hatten auf Plakaten beim Hinweis auf ihre Website doch tatsächlich ein «n» vergessen. Sion schnappte sich die Seite und platzierte darauf eigene Werbung und ebendiesen Slogan. Übrigens: Bei Redaktionsschluss war unter der Lausanne-Adresse mit einem N der Web-Auftritt der «Fondation Franz Weber» zu finden. Wie der Transfer der Adresse von Immo-König CC zum Zweitwohnungsgegner Weber zustande kam: Sorry, da haben wir echt keinen Plan.

wie gesagt, äh . . . Wilde Sommerferien für Blerim Dzemaili, der gemäss «Blick» sein Single-Leben auf Ibiza auskostet. «Denn wo geht das besser als auf der Party-Insel? Neben anderen Fussballstars wie Shaqiri, Schweinsteiger, Ribéry, Kevin Prince Boateng, Ben Khalifa, Kasami sowie den FCBKickern Dragovic, Sommer und den Degens geniesst er die spanische Sonne.» Ben Wer? Khalifa? Fussballstar? In einer Reihe mit Schweinsteiger und Ribéry? Während der Hopper und Kasami kurzerhand zur Who-is-Who-Fraktion gezählt werden, werden die FCBler als schlichte «Kicker» abgetan. Von der Party-Insel zu Drogen – ist ja nicht weit – und da zu YB. Zumindest liess der Newsnetz-Liveticker bei der Vorstellung von Trainer Uli Forte solches vermuten. Dort wurde nämlich Sportchef Fredy Bickel wie folgt zitiert: «Uli Forte hat klar gesagt, dass er mit dem zusammengestellten Stuff arbeiten will.» Und überhaupt: Forte habe sich bei GC-Präsident André Dosé nicht angebiedert, «er wollte hauptsächlich höhere Löhne für seinen Stuff aushandeln.» Das ist nun mal wertvolles Zeugs, das der Uli da hat. Und auch bei YB bekam es Forte gleich mit harten Sachen zu tun. «Ich musste um die Gesundheit meiner Spieler bangen!», klagte er nach dem Spiel gegen die «Brutalo-Russen» («Blick») von Dynamo Moskau. Wer so hart ist wie die Gäste, muss auch umgehend die verbrauchte Energie wieder auftanken. Dieser Ansicht war zumindest Dynamo-Ungar Balász Dzsudzák, der nach der Auswechslung direkt zum Verpflegungsstand ging und sich eine Bratwurst besorgte. Dabei wurde offensichtlich, dass man in Russland auch ein bisschen besser verdient: Dzsudzák bezahlte nämlich mit einer Tausender-Note und wartete geduldig, bis das Personal die 995 Franken Rückgeld zusammengekramt hatte.

Auch an anderen Orten in der Fussballprovinz herrscht jeweils grosse Aufregung, wenn in der Vorbereitungsphase die Stars der Branche für Testspiele und Trainingslager anreisen. So war man in Österreich ganz aus dem Häuschen, als PSG ankam, wie diese Pressemitteilung zeigt: «Heute am späten Vormittag landete das Starensemble von Paris Saint-Germain am Flughafen in Graz. Ausser den beim Confed-Cup engagierten Spielern waren sämtliche Stars mit dabei. Superstar Zlatan Ibrahimovic stieg auch noch nicht aus dem Flieger, wird aber in den nächsten Tagen erwartet.» Anscheinend hat der PSG-Scheich nicht nur ins Team, sondern auch kräftig in einen ziemlich imposanten Vereinsjet investiert, sonst bräuchte Zlatan nicht gleich mehrere Tage, um bis zum Ausgang zu gelangen.


das billeTt Viel schneller war einmal mehr der «Blick», der diese Saison schon nach drei Runden zum beliebten BoulevardRezept griff: den kulinarischen Übernamen. Klingt ja auch einfach gut. So wurde YB-Youngster Yuya Kubo zum «Sushi-Bomber» und YB-Trainer Uli Forte zu «Uli, der Beck». Und dann war da noch dieser Titel zum SionTransferflirt mit Abwehrspieler Kaya Banana: «Sion holt Banana. Doch flanken wird er selten.» Ebenso wenig überraschend war auch, dass der «Blick» vor der Saison Experten zum Verlauf der Spielzeit befragte. Und wir staunen immer wieder ob des geballten Sachverstands, der gewagten Prognosen und der messerscharfen Analy… aber lest selbst: «Der FCB steigt nicht ab» (Gilbert Gress). «Mit dem FC Basel muss man natürlich immer rechnen» (Ciri Sforza). «Bei GC muss man schauen, wer die Tore schiesst» (Ciri Sforza). Bereits erfüllt hat sich die Prophezeiung von Jörg Stiel: «Ich traue FCB-Stürmer Raúl Bodadilla einiges zu.» In Zahlen: 111 statt 50 wie alle anderen Langweiler.

Lausanne-Präsident Alain Joseph hat mit Zahlen ebenfalls grosse Mühe. Der rechnet – sehr originell zwar, aber er rechnet immerhin – mit dem Abstiegskampf: «Wir haben zusammen mit Thun und Aarau das kleinste Budget der Super League. Daher stehen die Chancen eins zu drei, dass wir absteigen.» Wie ging das schon wieder, das mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung? Drei Teams, zwei Gegner: Nun, da steht das Risiko – nicht die Chance! – abzusteigen wohl eher 1:2. Mathematisch mehr Defizite als Joseph bei der Stochastik hat hierzulande wohl nur noch Raimondo Ponte beim Ausländerzählen. Ab zu Ottmar in die Nachhilfe! Der ausländische Star steht bei GC an der Linie. Den Ausgang des Heimspiels gegen Meister Basel, ein 1:1, kommentierte Trainer Michael Skibbe zufrieden und mit eher unpassender Bescheidenheit: «Wir haben gezeigt, dass wir in der Liga konkurrenzfähig sind.» Beruhigende Erkenntnis für einen Überraschungsaufsteiger fernab von Cupsieg und Europacup…

Gar nicht beruhigend fällt dagegen die Erkenntnis von Matías Delgado aus. Nach seinem ersten Saisonspiel mit dem FCB gegen St. Gallen zeigte er sich überrascht: «Das Tempo in der Super League ist deutlich höher als noch vor sieben Jahren.» Diese Einschätzung hat überhaupt nichts damit zu tun, dass der Argentinier nicht mehr 24 Jahre alt ist. Und zuletzt in der Hochtempo-Liga der Emirate kickte. Schnell zu und her geht es auch bei Jonas Elmer, der in die MLS zu Toronto wechselte. Dessen General Manager Kevin Payne stellte ihn so vor: «Wir glauben, dass Jonas ein wichtiger Teil unseres Klubs wird.» Das glauben wir natürlich auch, schliesslich zeichnete sich der 25-Jährige schon bei GC Chelsea Aarau Sion Bellinzona Winterthur niemandem durch Loyalität und Klubtreue aus.

Text: Pascal Claude

FC Winterthur – FC St. Gallen 1:3 Stadion Schützenwiese 11. April 2001 Die Bilder vom Spiel sind verblasst, wahrscheinlich auch deshalb, weil eine Überraschung gegen den amtierenden Schweizer Meister ausblieb. Wach hingegen sind die Erinnerungen an die Umstände: Der FCW stand am Abgrund, hoch verschuldet, vor einer ungewissen Zukunft. Daran änderten auch mutige Estradenpreise von 30 Franken nichts. Mit dem Einstieg von Hannes W. Keller und der Übernahme wichtiger Vereinsfunktionen durch Leute aus der Fanszene schaffte Winterthur die Wende. Der «Brack.ch-Challenge-Ligist» gilt heute, 12 Jahre nach jenem Cup-Out, als gesunder, attraktiver Verein, der vom Charme jener Umbruchphase nichts eingebüsst hat und dessen Kafi Luz in der Stadionbar «Libero» über jede traurige Niederlage hinweg tröstet.

Die Tabelle

ZWÖLF präsentiert den Tabellenstand der Super League.

Rang

Klub

Ø FIFARang

entspricht

1.

Gcz

29.42

Ukraine

2.

FC Thun

30.48

Schweden

3.

Lausanne

31.29

MALI

4.

YOUNG Boys

31.73

Ungarn

5.

Luzern

33.43

Rumänien

6.

FC St. Gallen

35.43

Nigeria

7.

FC Basel

35.52

Venezuela

8.

FC Zürich

37.79

Albanien

9.

FC Sion

38.60

Costa Rica

10.

FC Aarau

52.66

Iran

Diesmal: Die durchschnittliche Platzierung der Herkunftsnation der Super-League-Ausländer in der FIFA-Weltrangliste seit Einführung der Super League. Bei GC setzt man am meisten auf Ausländer aus Top-Nationen, während es der FC Aarau besonders gerne mit «Exoten» aus Luxemburg, Moldawien oder Burundi versucht.

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Die Liste

K(l)eine Sommermärchen Galgenhumor

Für die lokale Uhren-Industrie bestand kein Zweifel: Zur Einweihung der neuen Haupttribüne und Flutlichtanlage im Grenchener Stadion Brühl 1962 musste ein internationales Fussball-Turnier her! Es war die Geburtsstunde des fortan jährlich stattfindenden Uhrencups. Schnell konnte er mit illustren Teilnehmern wie Ipswich, Sochaux oder Vicenza aufwarten – und einem verwirrenden Reglement. Kam es nach einem Unentschieden zum Penaltyschiessen, musste derselbe Schütze die ersten fünf Elfmeter eines Teams treten! Als die Uhrenindustrie und gleichzeitig der FC Grenchen in die Krise schlitterten, verlor das Turnier zunehmend finanzielle Unterstützung und an Bedeutung. 1997 hiess sein Gewinner noch FC Subingen, ein Zweitligist, der die glamourösen Gegner Biel, Lyss und Grenchen hinter sich liess. Und statt Zuschauer standen nun Gläubiger Schlange. Wenig später übernahm Sascha Ruefer das Ruder. Der FernsehKommentator führte den Uhrencup zurück auf Erfolgskurs. Ganz liessen sich Negativschlagzeilen aber nicht vermeiden: «Fussball brutal in Grenchen! Überharte Fouls, tobende Fans und Polizei in Schwermontur für die Siegesfeier!», schrie der «Blick» nach dem diesjährigen Final

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zwischen dem siegreichen FC Basel und Roter Stern Belgrad. Der Schiedsrichter habe sich vor den «BelgradRüpeln» erst «in letzter Not» in die Kabine retten können. Daneben gibt es Unstimmigkeiten zwischen den Veranstaltern und dem FC Grenchen. Der klamme FCG, der aus sportlichen Gründen seit 2003 nicht mehr mitmachen darf, würde gerne an den Einnahmen teilhaben, was die «Uhrencup & Events GmbH» jedoch an einen gewissen Personaleinsatz knüpft. Man suche nun den «konstruktiven Dialog», sagte FCG-Sportchef Peter Baumann. Der Klub könne ja vielleicht immerhin «einen kleinen Stand» betreiben. Feuer unter dem Dach herrschte auch 2004, als FCBFans eine Mladen-Petric-Puppe an einen Galgen hängten und anzündeten – aus Protest, weil der Neuzugang an der GCMeisterfeier ein Jahr zuvor einen Basel-Schal in Brand gesetzt haben soll. Was die Erzürnten übersahen: Das lodernde Corpus Delicti hatte eine Anti-FCB-Botschaft getragen.

Alles Wurst Everton, Ituano São Paulo, ja gar Gambia: International gab man sich gerne auch 30 Kilometer weiter östlich, wo in Balsthal bis 2004 der Sempione-Cup

stattfand. Dennoch nannten Spötter das Turnier schlicht «Salami-Cup». Zum einen wegen des Hauptsponsors, der Salami Sempione feilbot. Zum anderen aufgrund der Erkenntnis, dass es trotz teils attraktiver Affichen doch nicht um die ganz grosse Wurst ging. Lothar Matthäus schien freilich anderer Meinung. Der als Greenkeeper verkannte Trainer liess 2003 seinen damaligen Verein Partizan Belgrad in Balsthal antreten. Platz für Geplänkel blieb da nicht – was der perfekt vorbereitete Lokaljournalist des Oltener Tagblatts allerdings nicht wissen konnte, als er sich vor dem Mannschaftscar postierte. Seit Tagen habe er sich die Fragen im Kopf zurechtgelegt, gestand er, denn: «Wann erhält man schon einmal die Gelegenheit, mit einem wirklichen Superstar zu reden?» Daher packte er die Chance gleich beim Schopf, als die Lichtgestalt aus dem Bus stieg. «Haben Sie zehn Minuten Zeit für einige Fragen?», stürmte der eifrige Mann los. «Nein, ich muss das Spiel vorbereiten», hielt sich der sonst nicht für Wortkargheit bekannte Deutsche knapp.

Der Schreiberling liess nicht locker: «Und nach dem Spiel?» Wieder kein Durchkommen. Unbeeindruckt blies die spitze Feder zum nächsten Angriff und halbierte die gewünschte Interviewdauer auf fünf Minuten. Loddar, der Libero, blockte erneut ab, um dann zum finalen Konter anzusetzen: «Weshalb sollte ich mich mit Ihnen unterhalten, ich habe diese Woche schon genug Interviews gegeben.» Das sass. Genauso wie das abrupte Ende des Sempione-Cups nach 18 Jahren. Der Ausstieg des Hauptsponsors machte die Pläne des OK-Präsidenten zunichte. Der hatte kurz zuvor angekündigt, dass die 20. Austragung alles Bisherige in den Schatten stellen werde: Mittelmass sei in Balsthal «absolut kein Thema». Zuletzt indes gab es aus dem Ausland noch die beiden Dinamos aus Tiflis und Bukarest. «Die Salami ist gegessen», bilanzierte Sascha Ruefer in der «Solothurner Zeitung».

Pottsblitz Der Turnierfreudigkeit im Grossraum Solothurn-Bern tat das Balsthaler Aus keinen Abbruch. Zu erfassen, was


Rubrik

Beginnt die Saison, ist sie für manche schon gelaufen: Die Sommerturniere verschwinden dann wieder in der Versenkung, teils für immer. Nicht hier: Bühne frei für Exotik, krude Modi und harte Jungs. da in den letzten Jahrzehnten alles an Cups keucht(e) und fleucht(e), stellt deshalb selbst akribischste Statistiker vor kaum lösbare Probleme. Die Bandbreite reicht von Schattengewächsen mit sinnigem Namen wie Albert-Anker- oder Hans-Kaspar-Cup über Neophyten wie Volvo- oder Burkhalter-Cup bis zur einst alles überstrahlenden Sonnenblume Philips Trophy mit internationaler Starbesetzung. Da findet sich für jeden Fan das Richtige, besonders für denjenigen mit gelb-schwarzem Herzen. YB schlug und schlägt fast keine Einladung für ein Turnierli in der Umgebung aus, schliesslich gibt es dort Titel zu gewinnen. Der letzte liegt denn auch zur Überraschung der breiten Öffentlichkeit gar nicht so weit zurück. Wie antwortete doch Marco Wölfli auf die Frage im «Blick am Abend», ob er schon einmal einen Pokal gewonnen habe? «Ja, den Obi-Cup» – 2008. Noch so ein regionaler Pott!

Flickwerk Nationale Ausstrahlungskraft verströmte dagegen der 1972 eingeführte Ligacup. Wie der Schweizer Cup war er ein Wettbewerb im K.-o.-System ohne Rückspiele. Daran teil nahmen jedoch nur die Vereine der NLA und B, zumindest in den ersten beiden Jahren. Der

Ligacup sollte ihnen zur Saisonvorbereitung während der Sommerpause dienen. Da aber bekanntlich nichts im Fussball so beständig ist wie der Wandel, erfuhr der Ligacup schon bei seiner dritten Austragung einen fundamentalen Wandel. Ab 1974 erstreckte er sich über die ganze Saison. Diese Ausweitung des Spielkalenders liess die Zeitspanne zwischen den einzelnen Cuprunden auf teils mehrere Monate anwachsen, was den Wettbewerb verzettelte und weder dessen Übersicht noch Attraktivität steigerte. Dafür durften nun auch vier Klubs aus dem Amateurlager mittun. An diesem Modus hielt man bis 1980 fest. Dann wurde der Final in ein Hin- und Rückspiel aufgeteilt. Gleich in der ersten Saison führte diese Änderung zu einem Kuriosum. Das Hinspiel ging im Mai 1981 über die Bühne, das Rückspiel allerdings erst im September – also nachdem die darauffolgende Saison mit der neuesten Ligacup-Ausgabe eingesetzt hatte. 1982 folgte die Korrektur mit beiden Finalspielen innerhalb des Monats Mai.

Diese Retusche machte den Cup indes auch nicht populärer. Nach zehn Jahren war Schluss – und Servette ewiger Rekordsieger dank dreier Titel. Gleiches schafften die Grenats übrigens auch im Alpencup (1962 – 1987). Den Wettbewerb mit, je nach Epoche, Konkurrenz aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich oder Italien gewannen sie viermal.

uiuiui-cup Ein Unikum war der IFC: der internationale Fussball-Cup. Wie viel pralle Exotik! Welche Verachtung seitens der Elite! Und damit klar die Mutter aller Saisonvorbereitungswettbewerbe. Ins Leben gerufen hatte den IFC der Schweizer Ernst Thommen, der Gründer auch des Messestädte-Cups (des späteren Uefa-Cups). Sein Ziel: Das Geschäft der Wettbüros während der Sommerpause aufrecht zu erhalten. Deshalb kannte man den Cup anfänglich genauso unter dem Namen «Internationale Sommermeisterschaft» – oder als RappanCup. Dem mehrfachen Schweizer Nationaltrainer mit österreichischen Wurzeln schwebte eine Liga vor, die für die weniger starken Teams in Europa bestimmt war. 1967 wandelte sich der IFC zum IntertotoCup, hiess im Volksmund aber weiterhin IFC. Wie von Karl Rappan gewünscht, bot er

Mittelfeldklubs Gelegenheit zu internationalen Auftritten. Und zwang die Fans dazu, ihre Geografie-Kenntnisse zu erweitern. Wo lag schon wieder Buduc´nost? Und wo Székesfehérvár? Wohin sollte die Auswärtsreise gehen: Nach Rudá? Hveˇzda? Cheb? Oder hiess die Ortschaft doch Rudá Hveˇzda Cheb? Und wie bedrohlich war Chernomorets Burgas wirklich? Die ideale Vorbereitung für das nächste Interrail-Abenteuer! Der Intertoto-Cup bedeutete gelebte Solidarität, denn jede Saison kürte er so viele Sieger wie es Gruppen gab. Also fast unzählige. Das führte manchmal dazu, dass dasselbe Land gleich mehrere Gewinner stellte – wie etwa die Schweiz 1991 mit GC, Lausanne und Xamax, die dafür fürstliche 50  000 Franken auf den Putz

hauen durften, falls davon nach den Reisekosten noch etwas übrig blieb. Der Cup verströmte einen Hauch Anarchie, bis ihn ab 1995 die UEFA ausrichtete. Er hiess nun UEFA Intertoto Cup, kurz UIC. Nach verschiedenen Modus-Änderungen wurde er zum Ende der Saison 2008/09 eingestampft. So unpopulär, defizitär und medioker er war, ein Verlust!

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Die Auswärtsfahrt

LFC Berlin BFC Viktoria 89

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Oberliga NOFV-Nord, 29. Spieltag, 2.6.2013 Stadion Lichterfelde, 223 Zuschauer

IDIOTEN IN BERLIN

Das Dilemma ist ein schwerwiegendes philosophisches Problem. Wie mans macht, es kommt falsch heraus. Auf individualpsychologischer Ebene ist das Phänomen im Fussball gut bekannt. Soll ein Spieler ein Tor gegen jenen Verein schiessen, dem er sich in der kommenden Spielzeit anschliessen will, wenn diesem Verein daraus ernsthafte Nachteile entstehen? Schwierig, aber vertraut. Speziell wird es, wenn ein ähnliches Dilemma nicht einen Einzelnen, sondern eine ganze Mannschaft betrifft. Das ist dem Lichterfelder FC zum Schluss der letzten Saison passiert. Das kam so: Der Berliner Oberligist hatte beschlossen, mit dem BFC Viktoria 89 zu fusionieren. Das ist kein Schulterschluss unter Zwergen. Durch das Zusammengehen soll eine Organisation entstehen, die hinter Hertha BSC und dem FC Union die dritte Kraft im Berliner Fussball werden will. Der LFC hat 1200 Mitglieder und die bundesweit grösste Jugendabteilung, die Viktoria verfügt über 500 Angehörige und eine lange Geschichte. Der BFC war Gründungsmitglied des DFB und vor dem Ersten Weltkrieg zweimal offiziell und einmal inoffiziell deutscher Meister. Entscheidend für die Fusion war die Tatsache, dass der Lichterfelder FC über ein regionalligataugliches Stadion verfügt, die Viktoria nicht. Daher das Dilemma: Der LFC und der BFC spielen in derselben Liga, allerdings an unterschiedlichen Enden der Tabelle. Zwei Spieltage vor Schluss stand die Viktoria an der Spitze, der LFC auf einem Abstiegsplatz. Just in diesem

Text: Martin Bieri / Fotos: Sebastian Wells

Moment traten die beiden sich versprochenen Vereine im Stadion Lichterfelde, einer der schönsten Sportanlagen Berlins, gegeneinander an. «So oder so sind wir die Idioten», brachte der LFC-Präsident die Ausgangslage vor dem Spiel auf den Punkt. «Wenn wir gewinnen und damit quasi den eigenen Aufstieg verhindern, lacht ganz Berlin über uns. Und wenn wir verlieren, dann schreien alle: Wettbewerbsverzerrung.» Und «Absteiger», hätte er noch anfügen können. Ein Dilemma, wie es im Buche steht. Gemildert natürlich durch die manchmal zynischen Gesetze des Sports, die besagen, dass der Erfolg über allem steht. Bei leichtem, aber hartnäckigem Regen wollten sich 223 Zuschauer davon überzeugen, dass bei diesem absurden Treffen alles mit rechten Dingen zu und her ging. Das tat es, soweit man das von der Tribüne aus beurteilen konnte, obwohl Viktoria 4:1 gewann. Erheiternde Unzulänglichkeiten gab es auf beiden Seiten viele, aber die waren ungewollt. Der Sieg des BFC zahlte sich aus. Weil der direkte Aufstiegskonkurrent Union Fürstenwalde zeitgleich beim SV Lichtenberg verlor, konnten die Viktorianer in ihrem letzten Auswärtsspiel in jenem Stadion, auf das sie es von Anfang an abgesehen hatten, den Aufstieg in die Regionalliga feiern. Und die Lichterfelder? Denen zog die Last des sporthistorischen Dilemmas die Köpfe zu Boden. Nur einige Funktionäre auf der Tribüne überspielten die Schmach des nie mehr zu korrigierenden Abstiegs mit einem sibyllinischen Lächeln über die armen Idioten auf dem Feld.


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ZWÖLF Lädt ein Die Thesen unserer RevolutionsAusgabe hallen noch immer durch die Fussballschweiz. Und wie im letzten Heft angekündigt, werden diese an unserer Podiumsdiskussion mit Leuten besprochen, die sich auskennen. Wenn alles wie gewünscht klappt, dürfen wir mit Bernhard Heusler (FCB-Präsident und Schweizer Vertreter im UEFA Club Competition Comitee), Ancillo Canepa (FCZ-Präsident), Daniel Wermelinger (Ex-Referee und Spitzenschiedsrichter-Ausbildner) sowie René Weiler (FC-Aarau-Trainer) über unsere vorgeschlagenen Änderungen zu diskutieren! Am grossen ZWÖLF-Sommerfest am Samstag, 17. August, ab 19:00 Uhr in Zürich an der Badenerstrasse 565 erwarten euch freilich nicht nur Talks, sondern auch das beliebte

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Der Cartoon Von: Jan Zablonier für www.teleclubsport.ch

Kommt vorbei zum Mitreden, Plaudern, Prosten und Prusten! Wir freuen uns auf Euch!


Das Fundstück Liebe Freunde des raren Sportstücks Dieses Schmuckstück von einem Matchprogramm des Länderspiels vom 3. Mai 1936 zwischen der Schweiz und Spanien im Berner Neufeld-Stadion ist dieses Mal Anlass für ein paar Zeilen. Das Erste, was einem auffällt, ist die kraftvolle farbige Einbandgestaltung des Künstlers «Bieber», der jeweils die Cover illustrierte für die Länderspiele im Neufeld. Das Stadion des FC Bern erhielt in den 1920er und 1930er Jahren oft den Vorzug gegenüber dem Wankdorf. Zwei Sachen liessen mich rätseln: die Farben der Flagge und der Nati-Spieler mit gereckter Faust. Was hat es auf sich mit dieser Bandera? Nach kurzer Recherche stellt sich heraus, dass Spanien ab 1931 eine sozialdemokratische Republik war und sie alle Bezüge zum Königshaus aus ihrer Flagge verbannte und den zweiten roten Streifen mit einem purpurnen austauschte. Doch wieso reckt der Natispieler die Faust so freudig? Nun, der Schweizer

PRESSEBALL Kommentarlos glücklich Fussball erklärt sich immer noch am besten aus sich selbst heraus. Was gibt es Schöneres, als in einem halb leeren Tribünensektor mit voller Konzentration und in aller Kontemplation das Spiel auf dem Rasen zu verfolgen? Ganz ohne nervenden Nörgler, ganz ohne klugscheissende Kommentatoren. Als Geräuschkulisse nur der Soundteppich der aktiven Zuschauer, unterbrochen von den Pfiffen des Schiedsrichters und den Durchsagen des Stadionspeakers. Das ist Fussball in Reinkultur. Doch ganz so rein ist die Kultur nur selten. Denn auch in der ruhigsten Stadionecke lockt der Blick auf den SmartphoneBildschirm. Hier eine Spieler-Statistik nachschlagen, dort eine kritische Szene kommentieren und immer auf dem Laufenden bleiben, was auf den anderen Plät-

war und ist immer höflich und offen zu seinen Gästen. Das Begrüssungsvorwort in spanischer Sprache kommt einer geschriebenen herzlichen Umarmung gleich! Es könnte auch sein, dass die Schweizer den Spaniern einfach Respekt dafür entgegenbringen wollten, dass sie sich von König und Kirche getrennt und eine Republik ausgerufen hatten. In jener Zeit waren in zahlreichen Ländern linke und liberale Regierungen an die Macht gewählt worden, oft zum ersten Mal in der Geschichte. Es herrschte grosse Unruhe in Europa, von der auch die Schweiz nicht verschont blieb. Es bleibt anzufügen, dass dieses wunderschöne Programm das letzte in der Geschichte der Auswahl der Spanischen Republik war. Einen Monat später wurde die links-liberale Volksfront wiedergewählt, aber der Faschist General Franco putschte und führte das Land in einen blutigen Bürgerkrieg. Tausende Schweizer gingen nach

Die Karikatur erschien als Illustration im Matchbericht des «Sport» zum mit 0:2 verlorenen Spiel

Spanien, um die Werte der Republik zu verteidigen, und mancher verlor dort sein Leben. Heimlich träume ich, es würden wieder solche Matchprogramme für die Länderspiele hergestellt. Ich bin sicher, dass es eine Bereicherung wäre. Und ein Künstler wäre bestimmt billiger als der PhotoshopFuzzi, der diese Hochglanz-Depressionen namens Nati-Matchprogramm heute gestaltet! Das Schlusswort im Programm von 1936: «Mucha suerte», os deseamos – y ahora, al campo! Fussball frei! Gregory Germond www.stadionprogramme.ch

Nick Lüthi ist Redaktor der «Medienwoche» und seit 2001 Modefan der berühmten Berner Young Boys. zen dieser Welt gerade läuft. Der treue Begleiter in der Hosentasche als allwissender Experte und stummer Kommentator. Man holt sich, was einen interessiert. Zu Hause vor dem Bildschirm läuft es ganz ähnlich. Mit einem Unterschied: Ein Schnorri macht dem smarten Telefon Konkurrenz. Einer, der dauernd plappert und einem Sachen erzählt, die manchmal stimmen und manchmal auch nicht, die einen vielleicht interessieren, aber meist eigentlich nicht. Gerade so wie der nervige Platznachbar im Stadion, der bisweilen Erhellendes beobachtet, aber oft nur Blech redet. Auf jeden Fall weiss die unsichtbare Stimme nie, was einen wirklich interessiert. Konnte man früher dem Kommentator je nach sprachlicher und performativer Begabung noch einen gewissen Unterhaltungswert abgewinnen, so stört er heute

nur noch. Das liegt natürlich nicht an ihm allein. Für den Medienwandel kann man ihn schlecht verantwortlich machen. Medienpädagogisch wäre es vielleicht sinnvoller, sich mit beiden Augen auf das Spielgeschehen zu konzentrieren. Aber die Launen des technischen Fortschritts wollten es anders: Wir blicken heute gleichzeitig auf zwei Bildschirme, den grossen und den kleinen. Gelernt hat man das ja schon mit dem Splitscreen. Für die Fernsehsender wäre es ein Leichtes, auf dem zweiten Tonkanal bei Fussballübertragungen nur die Stadiongeräusche mitzuliefern. Der Bezahlsender «Sky» kann das schliesslich auch. Aber eigentlich ist es verkehrt, wenn man für den Verzicht auf den Kommentar, also eine Minderleistung, mehr bezahlen muss.

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HOMESTORY

Trainerpose in Trainerhose: Bei Murat Yakin, dem glühenden TweetyAnhänger und Hobbygärtner, ist nicht nur die Frisur akkurat geschnitten, sondern auch die Hecke zum Nachbarn. Und schon immer tat der Stratege eines am liebsten: dirigieren. Hier, gegen Ende seiner Aktivkarriere, weist er Halbbruder Bülent Irizik an, mehr über rechts zu kommen.

1993 gings für Rolf Fringer noch flott voran. Kaum hatte er der Fussballschweiz den Meister gezeigt, da düste der Trainer des FC Aarau zwecks Bekanntgabe dieser frohen Kunde mit seinem tollen Käfer gleich selbst durchs Land. Vorzugsweise oben ohne.

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Heinz Hermann verstand sich stets eher als Büezer denn als Filigrantechniker. «Als Glasbläser bin ich froh, dass wir Handwerker an der Züspa die Möglichkeit haben, unsere Arbeit einem breiteren Publikum bekannt zu machen», liess er sich 1985 in einem Inserat für die Zürcher Herbstmesse zitieren. Die bezaubernde Glaskugel im Bild – entstanden 1992 kurz nach seinem Nati-Rücktritt – blieb hingegen im Privatbesitz des ausgebildeten Glasbläsers. Was Mike Shiva noch heute täglich neidisch werden lässt.

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«Never Mind Albert Anker, Here‘s Jean-Paul Brigger»: 1985 spielte der Walliser furchtbar weit weg in der Ferne bei Servette Genf. Sein Heimweh bekämpfte der Natispieler, indem er sein liebliches Heimatdorf St. Niklaus in dutzendfacher Ausführung malte – natürlich stets mit schneebedeckten Dächern und dem Blick auf diesen unscheinbaren Berg da.

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Bilder: RD

Glückseligkeit pur im Hause Zuberbühler. Wer im Wohnzimmer an seiner Putt-Technik feilen kann, dem fehlt es an nichts. Auch nicht am guten Geschmack. Man beachte die stilvolle Fussbekleidung der Frau Gemahlin: maximale Besohlung für minimales Golfen!


Berner saga

Warten auf YB

Text: Martin Bieri Illustrationen: Michael Raaflaub

Bis in alle Ewigkeit sind sie in Bern vielleicht noch nicht verdammt. Doch die 10 000 Tage, die YB bald ohne Meistertitel ist, fühlen sich verflucht lange an. Eine Chronologie des Scheiterns.

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m 9. Oktober 2013 ist es 10 000 Tage her seit dem 25. Mai 1986. In jener Nacht in Neuenburg wurde YB letztmals Schweizer Meister. Die Welt bestand damals noch aus zwei Teilen, in der Ukraine ging ein Kernkraftwerk in die Luft und das Internet war erst ein Gerücht. 10 000 Tage sind eine lange Zeit. YB stieg zweimal ab und ging einmal fast ganz unter. Seither ist der Verein ein anderer geworden. Einer mit Millionenumsatz und Zuschauerzahlen wie niemals zuvor. 2005 zog er in ein neues Stadion ein. Aber Titel gab es keine mehr. 1987 noch den Cup und danach nichts mehr, nichts. Warum ist das so? Reden will von den ehemaligen Managern niemand. Marcel Hottiger zum Beispiel richtet aus, er habe sich «nur mit dem Wechsel vom Neufeld ins neue Stadion und den Umbau der ‹alten› Mannschaft zu jungen Spielern beschäftigt», was eine Untertreibung ist. Mit dem Umzug ins Stade de Suisse geisterte der Bluff vom «Big YB» durch die

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Medien. Diesem Anspruch versuchte Hottiger gerecht zu werden. Er holte Hakan Yakin und einen Brasilianer namens Tiago Calvano aus Barcelona, von dem er behauptete, er habe in der Champions League gespielt. Hatte er nicht, er war Reservist. Weil nach dem Rücktritt von Stéphane Chapuisat YB gute Stürmer fehlten, hatte Yakin niemanden vor sich, dem er seine Bälle zuspielen konnte. Viele berühmte Namen gingen durch die Zeitungen. Am Ende der Suche präsentierte Hottiger den Chinesen Shi Jun. Er blieb eine exotische Randnotiz in der YB-Geschichte. Seither sind die Young Boys immer im gleichen Spital krank – und die Presse kommt dort nur zu gern zu Besuch: Worte und Taten wollen einfach nicht zusammenwachsen. Dabei hatte sich der Verein im Exil regeneriert und eine verlässliche Zuschauerbasis aufgebaut. Aber YB kam mit Patina aus dem Neufeld. Die Nostalgie hatte nun nicht mehr

allein das alte Wankdorfstadion, sondern auch die Stehrampen am Waldrand zum Gegenstand. «Der Groove von damals war noch Jahre später im Verein zu spüren», sagt der ehemalige Nachwuchschef Stefan Freiburghaus. Das war wichtig für die Identität. Doch mit der neuen Fussballzeit hatte es nichts mehr zu tun. Auch die erste Mannschaft glänzte nicht. In ihr hatten Spieler wie Fernando Carreño Platz. Der Uruguayer war ein Eisenschädel mit Holzfuss. Seine damaligen Kollegen erzählen heute, Trainer Hans-Peter Zaugg habe ihnen verboten, Carreño den Ball zu passen, aus Angst, er verliere ihn. Zaugg wies mehrfach darauf hin, der Aufbau einer guten Equipe brauche Zeit und müsse bereits im Neufeld begonnen werden. Sich mit dem Einzug ins Stadion ein Team auf höherem Niveau zusammenzukaufen, werde nicht funktionieren. Er hatte recht. YB ging zwar mit einem grossen Namen – Hakan Yakin –, aber nicht mit einer grossen Mannschaft ins Stade


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de Suisse, was Zaugg kurz darauf seinen Posten kostete. Unter dem Nachfolger Gernot Rohr spielten die Berner nicht besser, nur defensiver. Trotzdem erreichten sie nach einem überzeugenden Sieg beim FCZ den Cupfinal 2006. Die Mutter aller Niederlagen Dieser Final wurde zu einem jener Spiele, die den Ruf von YB als Verliererteam begründeten, weil die Berner dem zwar aufstrebenden, aber tieferklassigen FC Sion unterlagen. Nach einer halben Stunde schickte Schiedsrichter Reto Rutz YB-Verteidiger Steve Gohouri vom Feld, nachdem er zuerst Tiago die Rote Karte gezeigt hatte. YB führte zu diesem Zeitpunkt nach einem Tor von Varela mit 1:0, hatte sich danach aber unnötig zurückgezogen. Mit dem Platzverweis ersetzte Gernot Rohr Gilles Yapi durch den Verteidiger Miguel Portillo, was das Team in seiner Ängstlichkeit bestätigte. Rohr wollte das Spiel aussitzen. Mit der Auswechslung Yapis nahm er einen Fehler vorweg, den YB wenige Jahre später mit der Abgabe des Ivorers noch einmal machen sollte. Rohr erkannte auch nicht, dass Everson im Mittelfeld heftigen Attacken ausgesetzt war. Er konnte das Zentrum nicht halten und schleppte sich mit einem gerissenen Kreuzband bis in die Verlängerung. Erst dann, lange nach dem Ausgleich durch Goran Obradovic, ersetzte ihn Rohr durch Yakin, der das Spiel ausbalancieren konnte, was aber nicht mehr reichte. Im Elfmeterschiessen wurde Sion für seine engagierte Leistung belohnt. YB sah sich mit so viel Enttäuschung konfrontiert, dass CEO Stefan Niedermaier und Sportchef Alain Baumann eine Pressekonferenz einberiefen, um sich bei den Anhängern zu entschuldigen. Noch im Presseraum versuchten die Manager den Trainer von der Idee zu überzeugen. Doch Gernot Rohr weigerte sich, schob die Schuld dem Schiedsrichter in die Schuhe und zerschnitt das Tuch zwischen sich und dem Verein endgültig. Im Herbst 2006 stand er auf der Strasse. Das Entsetzen, mit dem die Niederlage in Bern aufgenommen wur-

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de, sagte etwas über das Verhältnis des Publikums zu seinem Verein aus. Es war seinem Team nicht widerwillig, aber zurückhaltend ins Stade de Suisse gefolgt, nicht zuletzt, weil dieses mit Peter Jauch, Niedermaiers Vorgänger, in Verbindung gebracht wurde. Er war in Bern seit der Entmachtung Fredy Bickels unbeliebt. Gleichzeitig herrschte eine durch die Kommunikation des Vereins angespornte Erwartungshaltung, die wenig mit der sportlichen Wirklichkeit zu tun hatte. Selbst besonnene Berner liessen sich davon täuschen. Die Zeit sei reif für einen Titel, sagten Martin Trümpler und Martin Weber der NZZ. Gerade sie hätten es besser wissen müssen. 1991 gaben sie ihrerseits gegen Sion einen sicher geglaubten Cupsieg aus der Hand. Seelisch schwer zu ertragen Für die nächsten drei Jahre belegte YB in der Meisterschaft am Ende immer Rang zwei. 2008 kam YB Basel so nah, dass bei einem Sieg im letzten Spiel im St.-JakobPark der Meistertitel möglich gewesen wäre. Wäre. Marco Schneuwly vergab nach fünf Minuten eine grosse Chance, Stocker und Streller dagegen verwerteten ihre beiden ersten. Nach 23 Minuten stand das Schlussresultat fest. Der damalige Trainer Martin Andermatt erinnert sich heute noch gut an die Partie. «Wir hatten eine Aufholjagd hinter uns und spielten lange Zeit am oberen Limit unserer Möglichkeiten. Uns fehlte die Kraft, und die Nervosität tat das Übrige.» Noch ein verfehlter Titel, sportlich logisch, seelisch schwer zu ertragen. Wäre YB bereit gewesen? Meistertitel sind teuer, besonders in den Jahren danach, das bekamen Basel und der FC Zürich zu spüren. Überdies war der Klub schnell gewachsen. Zu schnell vielleicht. «Man muss sich immer fragen, ob überall die besten Leute sind, auf jedem einzelnen Posten. Meistertitel kommen von der Basis, vom Kollektiv», sagt Stefan Freiburghaus. Er war Trainer, als die U18 2008 die Meisterschaft gewann. Was für Basel der Normalfall ist, war für YB ein Ereignis. Doch von den damaligen Spielern ist heute ausser

François Affolter kein einziger mehr da. «Wir haben es nicht geschafft, die Lücke vom gut ausgebildeten Nachwuchsspieler zum integrierten Profi zu schliessen», sagt Freiburghaus. Weil der Saisonstart missglückte, hatte der Verwaltungsrat schon im Juli 2008 genug von Andermatt. YB hatte unter ihm Fortschritte gemacht, wovon der neue Trainer Vladimir Petkovic profitierte. Er stellte das Team offensiver ein und mit nur drei Verteidigern auf. Das funktionierte erstaunlich rasch, YB wurde


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zu einer hoch attraktiven Mannschaft. In der Tabelle belegte man wieder Rang zwei, diesmal hinter Zürich. Im Cupfinal 2009 stand YB erneut dem FC Sion gegenüber. «Als wir rausgingen, blickten wir uns an und waren sicher: Uns kann nichts passieren», erzählt Marc Schneider heute. Tatsächlich lief alles für die Berner. Nach Penalty und Eigentor führten sie rasch 2:0, erhielten aber noch vor der Pause den Anschlusstreffer, wieder durch Obradovic. «In der Garderobe waren

wir ruhig und überhaupt nicht panisch», erinnert sich Schneider, «aber von heute aus gesehen, war das der Schlüsselmoment.» Als die Teams wieder auf das Spielfeld kamen, brannten die YB-Fans Dutzende Pyros ab, was beeindruckend aussah, aber das Publikum teilte. Einen Moment lang war es sehr still im Stadion. Schreien hätte vermutlich mehr genützt, denn der Mut hatte die Young Boys verlassen. Man sah ihnen an, dass sie keine Fehler machen wollten – «und genau dann machst du sie», so Schneider.

Den Wallisern ging es nicht so. Sie wuchsen daran, nicht die erste Generation des FC Sion sein zu wollen, die einen Cupfinal verliert. Sarni traf nach Obradovic-Freistoss schnell zum 2:2. Die bittere Ironie der Geschichte: Andermatt hatte Obradovic einst verpflichten wollen. Doch in jener Sitzung, in welcher der Transfer hätte abgesegnet werden sollen, wurde er selbst entlassen. Schneider: «Nach dem Ausgleich wollten wir das dritte Tor. Vielleicht hätten wir auf die Verlängerung warten sollen,

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aber das entsprach uns nicht.» Zwei Minuten vor Schluss fiel der Siegestreffer für Sion. Nach dem verlorenen Cupfinal war die Stimmung in der Stadt gehässig. Väter verboten ihren Kindern, die Spieler um Autogramme zu bitten, weil sie mit diesen «Verlierern» nichts zu tun haben wollten. Im Spiel selbst hatten sie, als es hart auf hart ging, den Kopf eingezogen. Das treue Berner Publikum verhält sich manchmal wie ein gekränkter Liebhaber. Zum falschen Zeitpunkt gut Der schweren Niederlage zum Trotz nahm YB den spielerischen Schwung mit. Früh in der Meisterschaft 2009/10 hatten die Berner 13 Punkte Vorsprung, der aber noch im Herbst bis auf 4 Zähler schmolz und danach immer im einstelligen Bereich blieb. Einige Runden vor Schluss war er ganz aufgebraucht. Die Young Boys hatten ein Jahr lang grossartig gespielt. Es war, als sei der HurraFussball der Zeit mit Marco Schällibaum im Neufeld auf viel höherem Niveau zurückgekehrt. 2009 holten sie mit Abstand die meisten Punkte und waren das erste und einzige Mal seit dem Einzug ins neue Wankdorfstadion die beste Mannschaft des Landes. Doch das Fussballjahr ist eine Anomalie: Es beginnt im Sommer und endet im Mai. Die Young Boys waren zum falschen Zeitpunkt gut. Am Schluss waren sie es nicht mehr. «Viele Details» hätten zu dieser Entwicklung geführt, sagte Stefan Niedermaier später. Aber welches war das entscheidende? Die Launen des Goalgetters Seydou Doumbia, die ihm Sperren einbrachten? Die Verletzungen der Abwehrspieler? Dass Petkovic, im Titelkampf so unerfahren wie sein Team, im zweitletzten Spiel in Luzern auf den Innenverteidiger Emiliano Dudar verzichtete, weil er eine Gelbsperre fürchtete, worauf YB fünf Tore erhielt? Petkovic hatte lange versucht, Dudar als Teamleader zu etablieren. Doch die Rolle lag dem Argentinier nicht. Er glaubte, bei den Teamkollegen nicht anzukommen. In Aarau beging er eine Tätlichkeit und untergrub damit seine Autorität. Als

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YB im Frühling 2010 die Siege nicht mehr einfach zufielen, wurde der Ruf nach einem «Führungsspieler» immer lauter. Der Trainer musste in internen Sitzungen zugeben, dass er keinen hatte, und vielleicht wollte er auch gar keinen haben. Verbundenheit war Petkovic wichtiger. Die aufkeimenden Egoismen trieben ihn zur Weissglut. Das Team war keine Einheit, das sah man, und hinter vorgehaltener Hand hörte man es auch, selbst wenn die Spieler das Gegenteil in die Mikrofone sagten. Als sich das Unheil abzeichnete, setzten die Young Boys alles auf das letzte Spiel im eigenen Stadion gegen den FCB, verkrampften in ihrer Überzeugung, es gewinnen zu können. Sie verloren es. Basel lieferte ein Meisterstück an Konzentration, Selbstkontrolle und Zusammenhalt ab. Wieder hatten die Young Boys nur eine Hand am Pokal gehabt. «Alls, wo mir id Finger chunnt, verbricht mer i de Händ», singt Mani Matter. Mit der Zeit haben sich in Bern drei Thesen für dieses kolossale Scheitern durchgesetzt: erstens der Kreuzbandriss von Marco Schneuwly Ende November 2009 im Heimspiel gegen Basel, zusammen mit dem Cuphalbfinal im April 2009 gegen den FCB eine der besten Partien im neuen Wankdorfstadion überhaupt. Schneuwly hatte bis dahin hervorragend mit Doumbia harmoniert. Damals sei im ganzen Team «etwas gerissen», sagte Niedermaier später. Zweitens: Saïf Ghezal, der ruhende Pol in der Berner Abwehr, verliess den Klub im Winter und heuerte in Saudi-Arabien bei Al-Ahli an. Dass einer des Geldes wegen auf die Chance verzichtet, Meister zu werden, stiess Fans und Verantwortliche vor den Kopf und widersprach dem Eindruck, das Team verfüge über einen gemeinsamen Willen. Drittens: Der «Blick» machte öffentlich, dass Gilles Yapi im Sommer nach Basel wechseln würde. Der Scoop erschien just vor dem die Rückrunde eröffnenden Spiel in Basel, das YB ohne Yapi diskussionslos verlor. Zu verantworten hatte die Story Ilja Kaenzig, der im Januar Sportchef der

Blick-Gruppe geworden war. Ein halbes Jahr später war er Sportchef von YB. Der «Blick» bewirtschaftete die Empörung, das Berner Publikum fiel darauf herein und mit ihm die Investoren. Die Brüder Rihs sollen sich über Yapis Verhalten so aufgeregt haben, dass Petkovic sich beeindrucken liess und unsicher wurde. Mal stellte er Yapi auf, mal nicht. YB verlor die Linie. Davon profitierte Basel, und darum wurden aus Verschwörungstheorien Erklärungen: Den Gegner schwächen, das sei eben jene Grausamkeit, die es brauche, um zu gewinnen, kläffte der Boulevard. Das Herz herausgerissen Allerdings, die Sache lag komplizierter. YB und Yapi hatten bis im Herbst Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung geführt, doch die Berner waren nicht bereit, auf die finanziellen Forderungen des Mittelfeldspielers einzugehen. An seiner Seite war der talentierte Thierry Doubaï herangewachsen, weshalb die Verantwortlichen im Herbst 2009 glaubten, Yapi nicht um jeden Preis halten zu müssen. Sie übersahen, wie stark YB von Yapi abhing. Er lief viel zwischen den Strafräumen, konnte Bälle nach vorne tragen und bestimmte das Tempo durch eine fliessende, schwer auszurechnende Kombination aus Breite und Tiefe. Yapi hielt das taktische Gerüst YBs in ständiger Bewegung. Davon profitierte auch Doumbia, dessen Laufwege lange nicht der mitteleuropäischen Norm entsprachen. «Yapi war das Herz dieser Mannschaft», sagt Marc Schneider heute. Es wurde ihr herausgerissen. Denn als Yapi sah, dass er nicht in Bern bleiben konnte, meldete er sich in Basel. Bernhard Heusler, damals Vizepräsident des FCB, sagt heute, es sei nie darum gegangen, YB zu schaden. Man wollte den Spieler haben. Die Integrität Yapis stand für Heusler nicht infrage: «Er liess nie einen Zweifel daran, dass er seine Zeit bei YB mit dem Titelgewinn krönen wollte. Wir respektierten dies, nahmen es als Zeichen der hohen Professionalität des Spielers.» Das hatten die


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Young Boys nicht erkannt und beraubten sich selbst ihrer grössten Stärken. Als Stefan Niedermaier und später Vladimir Petkovic wegen ausbleibenden Erfolgs entlassen wurden, bezahlten sie für einen Fehler, den die Investoren selbst verursacht hatten. Niedermaier hatte viel Goodwill für YB geweckt. Er konnte Leute begeistern und verband Tatendrang und Risikofreude mit unternehmerischem Kalkül, eine in Bern selten zu findende Mischung. Zum Verhängnis wurde Niedermaier wohl ein Machtkampf mit Verwaltungsrat Benno Oertig. Offiziell wurde die Entlassung mit einem organisatorischen Umbau begründet. Die Investoren wollten mehr sportliche Kompetenz in den Verein bringen und legten Niedermaier indirekt seine enge Kooperation mit dem Spielerberater Jean-Bernard

Beytrison zur Last, die YB zwar viel Geld einbrachte, aber die Unabhängigkeit des Klubs gefährdete. Niedermaier holte allerdings die Transferrechte an den Spielern ins Unternehmen zurück. Zuvor hatten sie bei einer den Aktionären gehörenden Gesellschaft gelegen. Das ermöglichte YB die Rückzahlung alter Schulden. In der Öffentlichkeit setzte sich der Eindruck durch, hier sei ohne Not eine gut laufende Maschine auseinandergenommen worden. Stefan Freiburghaus sagt, YB sei damals «auf allen Ebenen auf gutem Weg gewesen». Doch viele vergassen, wie sie selbst nach den nicht gewonnenen Titeln gepoltert hatten, jetzt müsse wirklich einmal etwas anders werden, langsam sei genug Heu unten. Was den Investoren mit dem Führungswechsel vorschwebte – und was sie mit läppischen Phrasen ver-

kündeten –, war die Ausrichtung des Unternehmens auf den nationalen und den internationalen Markt. Unter Kaenzig und später Gross, der Petkovic ersetzte, seien «keine kleinen Brötchen mehr» gebacken worden, erzählen Angestellte. Dafür wurde die Stimmung im Betrieb schlechter. In der Abteilung «Sport», die in einem anderen Flügel der Geschäftsstelle untergebracht ist als die Abteilung «Kommerz», sprach man wieder mehr von «denen dort drüben» als von «wir». Irgendwann musste auch Oertig gehen. Er stolperte über die grossen Töne, die er gespuckt hatte. Zum Abschied wies er noch einmal darauf hin, was YB ihm zu verdanken habe: die Brüder Rihs. Um diese Lebensversicherung sind im Verein alle froh. Freiburghaus nennt die Rahmenbedingungen «sensationell». Aber es ist das Geld anderer Leute, und das gibt sich leichter aus.

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Der sich selbst erfüllende Fluch Kaenzig machte viele Transfers, einige davon waren gut, nur eine funktionierende Mannschaft ergaben sie nicht. Gross wiederum wirkte in Bern nicht so kraftvoll und aufrecht, wie in den Jahren zuvor, sondern versonnener, älter, zornig auch, wie der Kapitän eines untergegangenen Schiffs. Auf der Pressekonferenz nach seiner Entlassung hielt er den Investoren vor, die Mechanismen des Fussballs nicht gut genug zu kennen. Er glaubte, sie hätten sich – wieder – von der öffentlichen Meinung beeinflussen lassen. Den Young Boys sagte er eine grosse Zukunft voraus, betonte aber, man könne sich täuschen, wenn man glaube, es fehle wenig: «YB fehlt etwas ganz Wichtiges, nämlich der Killerinstinkt, der Siegeswille.» Da stellte sich die Frage, ob es nicht Christian Gross war, der sich einer Meinung anderer Leute anschloss. Wenn es etwas gibt, was alle über YB zu wissen glauben, dann das: zu lieb. Unterdessen glaubten die Verantwortlichen im Verein das auch. Darum hatten sie Kaenzig und Gross verpflichtet und ihnen Geld in die Hand gegeben. Das Gerede war zum sich selbst erfüllenden Fluch geworden. Gross hatte versucht, YB seinen Siegeswillen beizubringen. Man konnte ihn mittags im Coop-Restaurant unter dem Stade de Suisse beobachten, wie er den jungen Spielern in die Teller schaute. Es schien, als würden dort Karrieren entschieden. Spielerisch hatte das Team unter Gross nachgelassen. Das erkannte sogar Basels Verteidiger Aleksandar Dragovic, der nach einem Sieg gegen

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YB einen hellen Moment hatte und den Gegner als «kaputte Mannschaft» bezeichnete. Wie kaputt sie tatsächlich war, zeigte sich nach dem Zuzug Raúl Bobadillas. Von diesem Moment an bestand die Strategie der Berner weitgehend darin, den Ball dem Argentinier zu geben und ihn weit vorn seinem Schicksal zu überlassen. Das geriet in der Europa League erstaunlich gut, was ein denkwürdiges Unentschieden in Liverpool zur Folge hatte. Auf internationaler Bühne brillierten die Berner überhaupt wiederholt – ohne einem Titel auch nur nahe zu kommen natürlich. Als Bobadilla weg war, zeigte sich das ganze Elend. Über das Feld verteilte sich eine formlose, weit auseinandergezogene Mannschaft aus vereinsamten Lethargikern ohne Idee und Vorstellung von sich selbst. Dabei soll die Schar so teuer gewesen sein wie keine Berner Mannschaft vor ihr. Lange nicht lang genug Unter Gross‘ Nachfolger Martin Rueda wurde es nicht besser, eher schlimmer, wobei der Trainer für sich in Anspruch nehmen konnte, das Team nicht selbst zusammengestellt zu haben. Was plausibel klingt, ist eine wiederkehrende Ausrede bei YB. Durch die vielen Wechsel im Management und bei den Trainern ist nie jemand für die Gegenwart verantwortlich, Personalpolitik und Coaching sind immer asynchron. Fragt man die Beteiligten, was YB fehle, um etwas zu gewinnen, hört man oft: «Kontinuität». «Geduld», sagt Marc Schneider, «Fehlertoleranz» nennt es Martin Andermatt.

Diese Unruhe äussert sich umgekehrt in einer irrational raschen Entflammbarkeit des Publikums. Euphorie ist etwas, das nach ein paar Siegen so schnell auftaucht, wie es wieder verschwindet, wenn der Fussball seinen normalen Gang von Sieg, Unentschieden und Niederlage nimmt. Marc Schneider erzählt, wie durch diese Erwartungshaltung Spieler belastet wurden, die unbescholten nach Bern gekommen waren. «Und was soll dieser Killerinstinkt denn genau sein?», fragt Schneider rhetorisch. «Vor dem einen Spiel in Basel hatte keiner beim FC Zürich einen Killerinstinkt. Wenn Nef den Ball dann zu weit vorne einwirft, und der Schiedsrichter lässt ihn, ist das Killerinstinkt?» Glück ist ein Wort, das Fussballspieler nicht gern hören. Sie behaupten, man könne es erzwingen. Vieles, was YB in den letzten Jahren passiert ist, lässt sich erklären, einiges nicht. Glück kann man nicht erzwingen, aber man kann darauf warten. Als im Juli 2007 erst 7350 Tage vergangen waren seit dem letzten Titel, hängten die Fans der Young Boys eine Fahne vor ihren Block: «20-Jahre-ohne-Titel-Tour». Ironie in der ewigen Niederlage und doch ein stolzes Stück Stoff. Es erzählte eine Geschichte von Unabhängigkeit und vom Glück im Warten. 20 Jahre sind eine lange Zeit. 10 000 Tage auch. Aber lange nicht lang genug, um sich von einem Fussballverein abzuwenden, nicht der Kleinigkeit wegen, dass er keine Titel gewinnt.


Essay

Das Kreuz mit dem Ball Text: Marc Gieriet

I

ch bin katholisch. Und ich bin Fussball-Fan. Und das ist eigentlich fast dasselbe. Nein, ich spreche nicht von der Religion Fussball, die zuhauf beschrieben wurde – papperlapapp. Es geht um Höheres: Demut. Ums systematische Scheitern und Nichtgenügen. Ums Hintenanstehen. Ums Versagen. Ums Leiden. Vielleicht muss ich präzisieren, ich bin YB-Fan. Aber das tut nichts zur Sache. Auch wenn mich mein Verein mit seiner Darbietung in der vergangenen Saison wieder mancher Prüfung unterzog, würde ich auch als Anhänger des FCZ, des FCSG, von Sion oder Luzern kein bisschen anders fühlen. Selbst Fans des FC Basel, zumindest jene echten, welche die Zeiten kurz nach Benthaus/Odermatt noch miterlebten mit dem schleichenden Niedergang bis hin zur jahrelangen Verbannung in die Nationalliga B, selbst sie wissen, wovon ich spreche. Das Leben des Fussballfans ist das Leben in Enttäuschung. Ich war ein 10-jähriger Bub, als der Pfarrer in seiner Predigt das Prinzip der wahren Macht Gottes erklärte. Es war der letzte Sonntag vor Ostern 1978. Es nahte Karfreitag: «Karlfreitag», wie wir ihn nannten. Weil wir überzeugt waren, dass es der Namenstag von Karl Odermatt (inzwischen mein grosses Idol bei YB) und Freitag sei, dem Stiefbruder von Robinson. Und der Pfarrer sprach: «Die wahre Macht Gottes erkennen wir dadurch, dass er dem Spott der römischen Soldaten nicht nachgab. Diese hatten Jesus am Kreuz höhnisch zugerufen, er solle doch runtersteigen, wenn er wirklich Gottes Sohn sei.» Einen Augenblick hielt ich inne und versuchte die Logik dieser Aussage zu erkennen. Und dann sah ich… Licht! Es erfasste mich Wärme, Glanz und Liebe.

Ja, so sei es. Mit einem Male begriff ich das göttliche Prinzip der Niederlage. Ich hörte in der Ferne die Himmelschöre. Harfen. Schalmeien. Als kurz danach die Niederlage im Cup-Final gegen Sion folgte, fand ich leicht Trost. Walter Eichenberger, JeanMarie Conz, Köbi Brechbühl und Compagnie – sie hatten es nicht nötig zu siegen. Sie widerstanden dem niederen Drang, den Gegner zu vernichten. Mein Glaube wuchs. Mehr als dreissig Jahre später bin ich gefestigt: 1:2-Niederlage

wie letzte Saison gegen Lausanne? Hosianna. 1:3-Pleite beim kriselnden FC Luzern? Credo. 0:2 zu Hause gegen den späteren Absteiger Servette? Gloria in excelsis deo! Als YB-Fan ist das Leben so düster, dass ich von den Farben Gelb und Schwarz meist nur die eine sehe. Das geht jetzt schon seit 1986 so. Beziehungsweise seit 1987 mit dem Cupsieg und den zwei Spielen gegen Real Madrid, in denen wir um ein Haar etwas gerissen hätten. Aber wer spricht heute noch von diesen Tagen? Wer spricht von diesem kurzen

Aufflackern des Erfolgs, der so deplatziert scheint wie ein schwarzer Latex-Catsuit mit offenen Stellen als Weihnachtsgeschenk für die Schwiegermutter? Auch wenn es die Sportreporter Jahr für Jahr behaupten: Wir zählen nicht die Jahre, die seither vergangen sind. Wir hängen nicht am Erfolg, wir hängen am Kreuz! Sanctus. Oder anders gesagt: Wer spricht von den Hunderten von Schiffen, die seit 1912 jedes Jahr problemlos den Atlantik überqueren? Nein, der Untergang der Titanic ist das Drama, das uns fesselt. Heute noch. Die Niederlage, diese noble Geste des Vortrittlassens. Zu spirituell argumentiert? Du bist einer jener Realisten, die es gerne handfester haben, beweisbarer? Bitte. Weltweit wird in 209 Ländern Fussball gespielt. 38 Millionen Menschen sind laut FIFA lizenzierte Fussballer. Lasset uns rechnen: Es gibt 325 000 Vereine weltweit, aber nur 209 Landesmeister. Bei einer Kadergrösse von 25 Spielern sind das gerade mal 5225 lizenzierte Fussballer, die für ein paar wenige Wochen im Jahr – vom Gewinn des Meistertitels bis zum Wiederanpfiff der folgenden Saison – im Erfolg baden dürfen. Sie geben sich für diese kurze Zeitdauer der Illusion hin, Sieger zu sein. Die übrigen 37 994 775 Sportsfreunde haben den Titel einmal mehr nicht gewonnen. Sie waren im besten Fall Vizemeister. Noch mehr von ihnen sind abgestiegen. Ein paar Vereine machten Konkurs. Denken wir uns die Scharen von Fans dazu, die hinter den Klubs stehen, so blicken wir in eine Welt der Verlierer, des Elends, der Trauer. Wo holen all diese Menschen den Trost, wenn nicht in der Hoffnung auf etwas, das nicht passieren wird – zu 99.9998625 Prozent? Amen.

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Licht. Kamera. Action! 180 Spiele ergibt jede Super-LeagueSaison. Teleclub überträgt jedes einzelne davon. Für 90 Minuten SofaFussball sind jeweils Dutzende von stressresistenten Mitarbeitern unterwegs. ZWÖLF ging den Kabeln nach.

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ls die Luzern-Spieler Hochstrasser, Mikari und Winter um 10.30 Uhr den Rasen des Brutofens Swissporarena betreten, sind die Mediatec-Techniker schon seit einer ganzen Weile im Einsatz. Der imposante Übertragungswagen der Produktionsfirma fährt jeweils fünf Stunden vor Anpfiff vor, dann wird das Equipment ausgeladen, aufgebaut und getestet. Sechs Kameras werden die Partie zwischen dem FCL und dem FC Zürich an diesem 27. Juli begleiten, dazu zwei zusätzliche für die Experteninterviews. Das sind halb so viele wie in der Bundesliga, aber «komplett ausreichend, um eine Top- Produktion zu liefern», sagt Tontechniker Stefan, ein schmächtiger Mittzwanziger, während er mit den Tücken der Hitze und der direkten Sonneneinstrahlung kämpft. Vor dem Stadion herrscht noch verschlafene Betriebsamkeit. Getränkestände und Grills werden im Zeitlupentempo aufgebaut, Stewards weisen Fahrzeuge ein. Alle klagen über die Hitze. Im Mediencenter im Bauch der Arena arbeitet derweil die Klimaanlage auf Hochtouren. Hier bespricht die Teleclub-Crew minutiös den Ablauf der heutigen Übertragung. Die Einspieler aus Sion, mit welchen Bildern man die Hitze thematisieren soll, die Frage nach den Gästen für die Pauseninterviews. Und weil das alles auf die Sekunde genau zusammenpassen muss, fallen einige als Gesprächsgast gleich mal weg: «Der spricht zu ausschweifend!». Schlag auf Schlag soll es gehen, deshalb werden

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«15-Sekunden-Pakete» eingeplant, und um exakt 13:36:49 muss Moderatorin Claudia Lässer das Gespräch mit Markus Frei, Experte und neu auch Trainer der U19-Frauennati, beginnen. «Es ist nicht immer einfach, diesen straffen Zeitplan einzuhalten», sagt die Leiterin der Teleclub-Sportprogramme, «besonders eben, wenn einer zu ausführlich argumentiert. Aber mittlerweile klappt das sehr gut.» Alle 180 Spiele der Super League überträgt Teleclub, dazu 36 der Challenge League. Das Angebot wurde auf diese Saison hin noch ausgebaut: Was Lässer heute in Luzern macht, erledigt Annette Fetscherin gleichzeitig in Sion. Bisher war pro Runde nur eine Partie so umfassend abgedeckt worden. Die Neuerungen bedingen einiges an Personal. Ein Dutzend Teleclub-Angestellte ist nach Luzern gereist, dazu 15 Leute von Mediatec. Branchenkenner schätzen die Produktionskosten für eine einzige Partie auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Hinzu kommen die 28 Millionen Franken, die Teleclub-Besitzerin Cinetrade jährlich der Swiss Football League für die Rechte bezahlt. Vom Schweizer Fernsehen gibt’s einen Teil davon zurück für die dort ausgestrahlten Partien, der Rest soll von Werbung und den Abonnenten gedeckt werden. Bei Top-Spielen schalten sich bis zu 70 000 Zuschauer ein. Für ein Spiel auf einem Pay-TV-Sender ist dies höchst zufriedenstellend. Und das Interesse nimmt ständig zu. 1984 startete Teleclub

als einer der ersten Bezahlsender Europas mit einem reinen Spielfilm-Angebot, ab 2006 kamen Live-Sportübertragungen hinzu. «Heute halten sich Filme und der Sport vom Stellenwert her ungefähr die Waage», sagt Claudia Lässer. Dann geht plötzlich die Sprinkleranlage an. Panik bei den Kameramännern, die gerade noch ihr wertvolles Material in Sicherheit bringen können, ehe sie sich mit Freude vom kühlen Nass berieseln lassen. Eine grössere Panne habe es noch nie gegeben, berichtet Stefan. Im Tourbillon fiel einst nach sintflutartigen Regenfällen der Strom im ganzen Stadion aus, aber dafür konnte man nichts. Auch ist schon der eine oder andere Betrunkene ins Studio gestürzt. Auf die meisten Fälle sei man aber vorbereitet. «Wenn die Technik mal läuft, dann auch zuverlässig», so Stefan. Umso mehr, seit in den neuen Stadien die Kabel schon fix verlegt sind. Multitasking gefragt Beim Spielertunnel bilden sich nun wenige Minuten vor dem Anpfiff Menschentrauben. Medienchefs begrüssen Spieler, Fotografen plaudern mit den Präsidenten, dazwischen werden Kameras in Position gebracht und Kabel nachgezogen. Claudia Lässer beginnt den Talk mit Markus Frei. Ohne Knopf im Ohr wäre ein Gespräch nicht möglich, denn jetzt dröhnen Werbebotschaften und Musik aus den Lautsprechern der gut gefüllten Arena. Dann gibt der Teleclub-Produktionsleiter dem Schiedsrichter das Signal für den Anpfiff. Stefan verzieht sich in den Schatten. Die Kameras stehen richtig, Ton und Bild werden einwandfrei übertragen, bis zur Pause hat er nichts mehr zu tun. Und mit Fussball kann er herzlich wenig anfangen. Jetzt spielt die Musik im Übertragungswagen vor dem Mediencenter. Zwischen drei und fünf Millionen Franken kostet dieses Monstrum, in dem heute neun


tv-fussball

Angestellte Dienst tun. Zuvorderst ist die Produktion mit dem Regisseur und dem Grafiker für die Einblender angesiedelt, in der Mitte der Audio-Bereich und ganz hinten sitzen Ralf und sein Kollege. In einem Meer von blinkenden Lichtern und flimmernden Bildschirmen und trotz des Wirrwarrs von Regieanweisungen, Funksprüchen und Teleclub-Kommentar drücken sie seelenruhig Knöpfe und betätigen Regler. Hier wählt der «Shader» aus, welche Kamera gerade Bilder liefert für die Zuschauer zu Hause – nach den Wünschen des pausenlos parlierenden Regisseurs mit starkem österreichischen Akzent: «Trainer auf 6. Dann 2, 1. Mit grün raus! Bravo, Steffen!» Zwei Jahre dauert es, bis ein Shader alleine einsetzbar ist. Die Fähigkeit zu Multitasking muss er auf jeden Fall mitbringen, auch wenn Ralf erklärt: «Mit der Zeit lernt man, die Dinge auszublenden, die man gerade nicht braucht.» So geht etwa die Diskussion über Funk über die defensiven Unzulänglichkeiten der Luzerner, die zum dritten Mal in Folge Mario Gavranovic viel zu viel Platz lassen, unbemerkt an ihm vorbei. «Manchmal», gibt Ralf zu, «weiss man am Schluss nicht einmal, wie das Spiel ausgegangen ist.» Trotzdem: Im Gegensatz zu Stefan interessieren sich die meisten Mitarbeiter für Fussball. Ein paar sind sogar Fans bestimmter Teams. Kamera 6 bekommt soeben den Auftrag, im Publikum Michael Skibbe zu

suchen, der anscheinend irgendwo auf der Tribüne sitze. «Promis abschlecken», nennt der Regisseur dies. Ausser ihm lacht keiner. Es sind alle zu konzentriert, denn bald steht die angeordnete Trinkpause an. Reporter Benjamin Bruni vom Teleclub tigert der Seitenlinie entlang und will vom Luzerner Assistenztrainer Thomas Wyss eine Einschätzung. Ein paar Sekunden nur. Ein paar kurze Sätze. Denn schon kommt der Countdown auf Österreichisch. Bei Null wird die Regie das Tor von Gavranovic in der Slow-Motion einspielen. Bis dahin muss Benjamin Bruni das Gespräch zu einem Ende gebracht haben. Porenparade im HD-Zeitalter «Ja, bist du deppert!», kommentiert der Regisseur das spektakuläre und spielentscheidende Tor von Oliver Bozanic. Er will den jubelnden Australier auf dem Schirm, dann den erleichterten Carlos Bernegger, dann Stimmungsbilder aus der Luzerner Kurve. Hier ist Vorsicht geboten. Pyros, so die Auflage der Liga, dürfen nicht gezeigt werden. Ebenso wenig wie üble Verletzungen. Alles andere liefern Mediatec und Teleclub in bester Qualität. Es ist das HD-Zeitalter. «HD hat viel verändert», sagt Ralf. «Wir mussten praktisch alle Geräte ersetzen, und für die grosse Datenmenge braucht es nun überall Glasfaserkabel.» Nicht alle seien restlos glücklich mit diesem Qua-

litätssprung. Moderatorinnen etwa brauchen nun eine spezielle HD-Schminke, und dennoch sieht man jede Pore, jeden Makel. Vom Spielfeldrand gibt ein zusätzlicher Teleclub-Mann, der in ständigem Kontakt mit dem vierten Offiziellen ist, die Anzahl Nachspielminuten durch. Bozanic und Gavranovic, die Torschützen, brauche man jetzt für ein Interview vor der Kamera, entscheidet der Produktionsleiter. Keine Minute nach dem Schlusspfiff steht der Australier schon bei Benjamin Bruni und erzählt vom harten Training und wie «happy» er sei. Gleichzeitig schafft es Claudia Lässer irgendwie – und im Gegensatz zu Markus Frei – auch bei 42 Grad auf dem Rasen, dass ihr kein Schweiss über die Stirn läuft. Kaum ist das Bozanic-Kurzinterview vorbei, wird es für die Zuschauer zu Hause auch schon eingespielt. Bruni hat nun genau diese Interviewlänge Zeit, auch das Gespräch mit Gavranovic abzuhandeln, das gleich im Anschluss gesendet wird. Markus Frei analysiert im Anschluss die Partie, exakt um 15:54:30 verabschiedet sich Lässer. Ein kurzer Werbeblock noch, und schon setzt sich in Bern die gleiche Maschinerie in Gang, wie sie in Luzern soeben heruntergefahren wurde.

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interview Milan Gajic´

Interview: Silvan Lerch und Dario Venutti / Bilder: Janosch Abel

«Mich stört selten etwas» Milan Gajic´ gilt als begnadeter Techniker. Trotzdem fiel er bei seinen Ex-Klubs immer wieder in Ungnade. Ein Gespräch über Schweigen, Stolz, Suchtgefahr, Entmündigung und Krieg. ZWÖLF: Milan Gajić, im Gegensatz zu deinem neuen Verein bist du schlecht in die Saison gestartet: Du hast dich nach deinem Wechsel zu YB gleich am Oberschenkel verletzt. Fürchtest du da, dass dir dasselbe widerfährt wie beim FCZ, wo du meist Mühe hattest, in die Stammelf zu kommen? Gajić: Für mich ist es natürlich ungünstig, gerade jetzt verletzt zu sein. Ich habe immer noch Schmerzen, besonders wenn ich längere Zeit sitze. Auch schnelle Bewegungen seitwärts gehen gar nicht (Stand anfangs August, Anm. d. Red.). Aber es ist doch toll, dass YB siegt – und für mich nur normal, wenn sich ein verletzter Spieler in die Mannschaft zurückkämpfen muss. Mit dem FCZ hast du eine sehr gute Rückrunde bestritten, was dir nur noch

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wenige zutrauten. Denn in den Jahren zuvor warst du entweder Ersatz, wurdest ohne Erfolg ans strauchelnde GC ausgeliehen oder gar in die U21 des FCZ abgeschoben. Warum hast du trotz Vierjahresvertrag so lange in Zürich Zeit keine Rolle gespielt? Manchmal bist du halt unten, manchmal oben. Nach meinem Transfer 2009 von Luzern nach Zürich war ich Stammspieler. Da spielte ich sogar in der Champions League. Als dann 2010 der Trainer von Bernard Challandes zu Urs Fischer wechselte, war ich plötzlich Ersatz. Im Fussball kann es schnell gehen. Hat dir Urs Fischer erklärt, warum er dich nicht aufstellte? Fischer sagte mir, ich sei zu ruhig und müsse mehr Emotionen zeigen. Aber das funktioniert bei mir nicht. Ich bin ein zurück-

haltender Typ. Ich bin nicht plötzlich laut auf dem Platz, nur weil der Trainer das von mir fordert. Es wäre nicht authentisch, weil es nicht von innen kommen würde. Haben es ruhige Typen besonders schwer im Fussball? Ich bin ruhig, aber trotzdem will ich jedes Spiel gewinnen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun, und ich glaube auch nicht, dass mir meine Art im Weg steht. Vielleicht wirke ich nach aussen ein bisschen gleichgültig. Doch wenn mir jemand das Vertrauen schenkt, dann will ich es mit guten Leistungen rechtfertigen. Hast du das Gespräch mit dem Trainer gesucht? Nein. Warum nicht? Es ist nicht an mir, zu fragen, warum ich nicht spiele. Mir ist es zwar nicht egal, wenn ich Ersatz bin oder auf der Tribüne sitzen muss. Aber er ist der Trainer, und er muss das entscheiden. Bist du zu stolz, um nachzufragen? Nein. Es ist einfach nicht meine Aufgabe, den Trainer das zu fragen. Wenn ich nicht


zwรถlf-revolution

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interview Milan Gajic´ spiele und die Resultate stimmen, ist es okay. Wenn man aber verliert, muss sich vor allem der Trainer Gedanken machen, was schief läuft. Nicht der Ersatzspieler.

«Mehr Emotionen zeigen, das funktioniert bei mir nicht.» Selbst Ex-Trainer von dir streichen deine technischen Fähigkeiten und deine Spielintelligenz heraus. Zudem sind Linksfüsser wie du eher selten. Trotzdem hattest du nicht nur beim FCZ, sondern auch bei Luzern und GC oft nicht gespielt. Warum passiert dir das immer wieder? Vielleicht ist es einfacher, jemanden auf die Ersatzbank zu setzen, der nicht aufmuckt, als jemanden, der sich dann beschwert...

Du hättest mit dem FCZ im Europacup spielen können. Stattdessen wechseltest du ausgerechnet zu Fredy Bickel, einem Sportchef, der dich in all den Zürcher Jahren nicht besonders unterstützt hatte. Oder täuscht diese Aussenwahrnehmung? Ja, die täuscht. Ich habe mich mit Fredy Bickel immer bestens verstanden. In Zürich hatte ich sogar das Gefühl, einer seiner Lieblingsspieler gewesen zu sein. Wenn wir intern kleine Turniere zum Spass austrugen, bei denen der Präsident und die Funktionäre ihre Mannschaften zusammenstellten, hat Fredy meistens mich und Xavier Margairaz ausgewählt. Wenn Bickel dich so schätzt, warum hat er dann keinen Einfluss ausgeübt auf die Trainer, damit sie dich spielen lassen? Vielleicht hat er das ja tatsächlich gemacht. Aber die Trainer haben nicht auf ihn gehört (lacht).

Das Gerücht machte die Runde, du hättest in deiner Zürcher Zeit teilweise Finanzprobleme gehabt. Bist du suchtgefährdet? Nein. Du hast dich für den längerfristigen Vertrag mit YB entschieden und sagst, häufiger an die Zukunft deiner Familie zu denken. Du scheinst auf Sicherheit bedacht. Warum fasziniert dich dann das risikoreiche Spiel im Casino? Es geht um Spass und Adrenalin. Hat man dich beim FCZ gewarnt: «Milan, pass auf, du bist zu oft im Casino!»? Ich kann mich nicht erinnern. Aber heute ist es sowieso ganz anders. Früher ging ich häufiger ins Casino, jetzt aber nur noch sehr sporadisch mit Freunden. Meine Haltung gegenüber dem Casino hat sich verändert. Urs Meier stellte in der NZZ fest, du hättest «eine Persönlichkeitsentwicklung vollzogen» und nun deine «privaten Probleme im Griff». Was meinte er damit? Ich weiss es nicht. Aber was klar ist: Ich bin jetzt verheiratet, Vater und nicht mehr allein zu Hause. Früher hatte ich viel Zeit nach dem Training. Das ist jetzt anders.

In diesem Frühling kam die Wende: Unter Trainer Urs Meier erkämpftest du dir beim FCZ wieder einen Stammplatz, ja warst wohl sein wichtigster Spieler. Der «Berner Zeitung» sagtest du: «Meier weiss, wie er mich behandeln muss». Trotzdem bist du im Sommer zu YB gegangen. Warum hast du deine sichere Position in Zürich aufgegeben? Der Entscheid ist mir schwer gefallen. Auch wenn ich nicht immer spielte – ich hatte vier gute Jahre in Zürich. Doch während mir der FCZ eine Verlängerung um eine Saison plus Option anbot, gab mir YB einen Dreijahresvertrag. Zudem ist mir auch hier in Bern ein Teil des Umfelds vertraut: Ich kenne Sportchef Fredy Bickel und Assistenztrainer Harald Gämperle aus meiner Zürcher Zeit.

Was hat sich denn verändert, dass du eine so starke Rückrunde spielen konntest? Ich habe letztes Jahr geheiratet und bin Vater geworden. Deshalb denke ich häufiger an die Zukunft meiner Familie und bin verantwortungsbewusster. Vielleicht lebe ich seither auch seriöser (schmunzelt). In Zeitungsartikeln hiess es, du würdest zu oft ins Casino gehen. Ich kann mit meinem Leben machen, was ich will. Deshalb interessiert es mich nicht, was andere über mich reden oder schreiben. Ja, es stimmt, ich war manchmal im Casino. Aber nicht jeden Tag. Es gab Zeiten, da ging ich vielleicht viermal im Monat ins Casino – und dann zwei Monate lang gar nicht.

Stehst du nachts auf, wenn das Kind weint? Nein. Aber das ist auch nicht nötig. Unser Sohn ist in dieser Hinsicht wunderbar: Er schläft von abends um acht bis morgens um acht Uhr durch und ist auch sonst ein ganz ruhiger Typ.

Fussballer wechseln den Verein doch wegen des Geldes. Zürcher Kreise behaupten denn auch, dein Lohn bei YB sei signifikant höher als beim FCZ. Ach, gut jetzt, das spielte keine grosse Rolle. Die beiden Löhne unterscheiden sich nicht allzu fest.

Warst du erfolgreich? Manchmal habe ich verloren, manchmal gewonnen. Ich spielte dort wie im Fussball: ruhig und emotionslos (lacht).

Wie lange bist du schon mit deiner Frau zusammen? Seit acht Jahren. Sie stammt aus Kruševac, der gleichen Stadt in Serbien wie ich. Bis wir geheiratet haben, lebte sie jeweils für drei Monate mit einem Touristenvisum bei mir in der Schweiz. Dann musste sie

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Spielst du Roulette? Ja, und Poker. Mit neun Personen.

Wie du. Genau (lacht).


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interview Milan Gajic´ drei Monate nach Serbien zurück – und kam wieder mit einem neuen Touristenvisum. Seit der Hochzeit geht es uns besser. In der Schweiz spielst du mit Fussballern aus den verschiedensten Landesteilen des früheren Jugoslawiens: mit Albanern, Bosniern, Kroaten, Montenegrinern. Sind die einstigen Kriege in Ex-Jugoslawien unter euch ein Thema? Überhaupt nicht. Wir reden nie darüber. Ich beurteile die Menschen nicht nach ihrer Herkunft, sondern danach, wie sie sich mir gegenüber verhalten. In meinem Freundeskreis sind einige Albaner. Burim Kukeli vom FCZ zum Beispiel treffe ich regelmässig. Manchmal besuche ich ihn zusammen mit meiner Frau, und wir grillieren. Ein anderes Mal kommt er zu uns. Welche Erinnerungen hast du an die Zeit des Krieges? Ich war sechs Jahre alt, als der Krieg in Bosnien 1992 losging. Ich erinnere mich an nichts mehr. Waren Personen aus deinem Verwandten- oder Bekanntenkreis betroffen? Ich bin ein Einzelkind, aber ich kenne ein paar Leute aus der Nachbarschaft, die mobilisiert wurden. Das war damals normal: Wenn der Befehl kam, in die Armee einzurücken, musste man folgen.

«Im Casino spiele ich wie im Fussball.» Gibt es keine Sticheleien zwischen Kroaten, Serben, Bosniern und Albanern, die hier spielen? Doch, das kommt vor, ist allerdings nie feindselig. Wir machen unsere Spässe, vor allem zwischen Serben und Albanern, aufgrund unserer Herkunft. Aber das ist immer lustig, und jeder weiss, wie es gemeint ist. Du hast in der Champions League 2009 mit dem FCZ gegen Milan ein Freistosstor aus 30 Metern erzielt.

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Die italienische Zeitung «Corriere dello Sport» nannte dich danach den «Beherrscher des Mittelfelds». War das dein bisheriger Karrierehöhepunkt? Ja. Für mich war das auch deshalb ein spezieller Treffer, weil ich seit meiner Kindheit Milan-Fan bin. Ein serbischer Gastarbeiter in der Schweiz brachte mir einmal eine kleine Milan-Fahne nach Kruševac. Heute aber ist es schwierig, Milan-Fan zu sein. Silvio Berlusconi ist nicht mehr bereit, allzu viel Geld in den Verein zu investieren. Deshalb gehört Milan nicht mehr zu den Top-Mannschaften in Europa. Wir haben gehört, dass einige SpielerAgenten mit guten Beziehungen zu grossen Vereinen nach deinem Treffer gegen Milan vor dem Mannschaftshotel warteten und sich für dich interessierten. Lustig, dass ihr das sagt. Ich habe das auch gehört, aber erst vor einem halben Jahr. 2009 aber wusste ich davon nichts. Hattest du damals Angebote? Das ist schon möglich. Nur ist das nie bis zu mir durchgedrungen. Vielleicht hat der FCZ damals verhindert, dass ein Agent mit mir spricht (lacht). Im Ernst: Ich weiss es wirklich nicht. Ist es üblich, dass ein Spieler nichts erfährt, wenn ihn ein anderer Verein will? Das kann sein. Ich arbeitete in Serbien mit einem Agenten zusammen und jetzt, vor meinem Wechsel zu YB, habe ich mir wieder einen genommen. Dazwischen hatte ich keinen. Warum? Als ich aus Serbien nach Luzern wechselte, liess ich mich von einem albanischen Freund beraten. Es ging damals auch ohne Agenten. Stört es dich nicht, wenn du nicht einmal erfährst, dass sich andere für dich interessieren? Und dass andere über dich entscheiden? Das ist doch eine Entmündigung... (Überlegt lange) Ehrlich gesagt: Mich stört sehr selten etwas (lacht laut).

Milan Gajic´ Geboren am 17. November 1986 Der Serbe Milan Gajic´ begann seine Karriere bei FK Napredak Krusˇevac. 2007 wechselte er zu Boavista Porto, 2008 zum FC Luzern. Ein Traumtor aus der Distanz gegen den FCZ öffnete dem zentralen Mittelfeldspieler den Weg nach Zürich, wo er 2009 einen Vierjahresvertrag unterschrieb. Trotz anfänglichen Stammplatzes konnte sich Gajic´ nicht durchsetzen. Er wurde zweimal in die U21 versetzt und an die abstiegsbedrohten Grasshoppers ausgeliehen. Als kaum mehr jemand mit Gajic´ rechnete, avancierte er 2013 unter dem neuen FCZ-Trainer Urs Meier zur spielbestimmenden Figur. Im Sommer hat er sich für drei Jahre YB angeschlossen. (ler)

Warum bist du so? Das ist vielleicht der springende Punkt, den man auch beim FCZ nicht verstanden hat: Ich bin ein zufriedener Mensch, der sich selten aufregt. Und selbst wenn ich mich aufrege, behalte ich das für mich. Kannst du wütend werden? Ja, aber ich zeige es dann nicht. Wann wirst du wütend? Wenn mich meine Frau nervt (lacht laut). Im Ernst: Ich habe ein gutes Leben. Früher konnte ich mir nicht vorstellen, jemals ausserhalb Serbiens zu leben. Jetzt bin ich in der Schweiz. Das Land ist wohlhabend, sauber, ruhig, manchmal ein bisschen langweilig. Aber gut, ich habe hier viele Freunde und Bekannte aus Ex-Jugoslawien. Als ich vor dem Wechsel nach Luzern ein halbes Jahr bei Boavista Porto spielte, kannte ich keinen Menschen. Es gab dort niemanden aus Ex-Jugoslawien. Ich war sehr einsam. Hier aber lebe ich fast wie in Serbien.


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Money for Nothing Mit 30 Millionen Dollar im Jahr unterstützt die FIFA jährlich infrastrukturelle Projekte weltweit. ZWÖLF wollte wissen, was denn so mit diesem Geld gemacht wird. Zum Beispiel auf der Karibikinsel Anguilla.

Text & Bilder: Jean-François Tanda

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erumrennende Hühner, Abfall und ein rostiger Zaun – das ist das Erste, was Menschen in Anguilla zu sehen bekommen beim Besuch des FIFAfinanzierten technischen Zentrums des nationalen Fussballverbands. Anguilla liegt in der Karibik, hat 15 000 Einwohner und ist eines der kleinsten Mitglieder des Weltfussballverbands. Sechs Männerund fünf Frauenteams gibt es dort. 1997 spielte die Herren-Nationalmannschaft ihr erstes Länderspiel und verlor 1:4 gegen die Britischen Jungferninseln, die eher als Steuerparadies denn als Fussballnation bekannt sind. Seither hat Anguilla in 28 Spielen zweimal gewonnen, 21 Tore erzielt und 130 erhalten. Damit ist Anguilla in der FIFA-Rangliste bis auf Platz 206 abgerutscht. Derzeit ist nur das Königreich Bhutan im Himalaja schlechter klassiert als die Mini-Insel in der Karibik. Dennoch – und wie jeder andere Fussball-Verband – bekommt die Anguilla Football Association (AFA) jedes Jahr 250 000 US-Dollar von der FIFA. Im Oktober 2003 gab es zusätzlich 400 000 US-Dollar aus dem FIFA-Entwicklungshilfetopf, dem «Goal-Programme Fonds», sowie weitere 200 000 US-Dollar

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aus einem Fonds namens FAP (Financial Assistance Program). Mit diesem Geld sollte in Anguillas Hauptstadt The Valley ein «Technisches Zentrum», bestehend aus einem «Spielfeld mit einem Sicherheitszaun, künstlicher Beleuchtung und einer Tribüne mit Büros und Umkleideräume», gebaut werden, wie die FIFA mitteilte. Sieben Jahre nach dieser Ankündigung, im September 2010, reiste Sepp Blatter zusammen mit dem skandalumwitterten CONCACAF-Boss Jack Warner nach Anguilla, um die Anlage feierlich zu eröffnen. Die Pressemitteilung zu diesem hohen Besuch titelte: «Anguillas Traum offiziell eingeweiht». Beim Besuch vor Ort ist von diesem erfüllten Traum wenig zu sehen. Den Sicherheitszaun gibt es nicht, das angekündigte Flutlicht besteht aus einem einzigen Mast mit einer Glühbirne dran, und der nur teilweise vorhandene Maschendrahtzaun rostet vor sich hin. Der Fussballplatz sieht aus wie ein Acker, Hühner suchen darauf nach Futter, die Tore haben keine Netze. Zwar gibt es eine kleine Tribüne, doch die Büros und/oder Konferenzräume im Gebäudeinnern sind kaum eingerichtet.

Mehrere Bürostühle sind an der Wand aufgereiht, Tische gibt es keine. Die Toilette sieht unbenutzt aus. In der unteren Etage des Gebäudes finden sich Computerbildschirme, die noch in Plastik verpackt sind. An einer Wand hängen Bilder einer Reise des Verbandspräsidenten nach Aserbaidschan. «Goal»-Projekte wie jenes in Anguilla lässt sich die FIFA jedes Jahr einiges kosten. Alleine 2012 schüttete der Weltverband dafür 29 Millionen US-Dollar aus. Seit dieser Topf 1999 eingeführt wurde, hat das «Goal»-Projekt weltweit mehr als 522 Projekte finanziert und dafür über 250 Millionen Dollar aufgeworfen. Viele Mitgliedsverbände kamen dabei mehrfach in den Genuss eines FIFA-Geldsegens. So auch Anguilla. Denn obwohl bei der offiziellen Einweihung des «Technischen Zentrums» im September 2010 kaum ersichtlich wurde, wofür das gesprochene Geld aufgewendet worden war, gewährte die FIFA im Februar 2011 Anguilla weitere 500 000 US-Dollar. Dieses Mal mit dem Ziel, das erste Projekt zu Ende zu bringen, dazu unter anderem «Schlafsäle, eine Turnhalle, eine Cafeteria und Klassenräume» zu bauen. Aber zwei Jahre


anguilla

später, im Januar 2013, war auch davon noch nichts sichtbar. Obwohl alleine in der CONCACAF-Zone ähnliche Fälle aus Trinidad und Tobago, Guyana oder Montserrat bekannt sind, listet die FIFA auf ihrer Website lediglich drei Projekte als «verspätet». Für einen Eklat sorgten die Verbandpräsidenten einiger karibischer Länder im Mai 2011: Bei einem Treffen soll FIFA-Präsidentschaftskandidat Mohammed Bin Hammam versucht

haben, sich die Stimmen der Miniverbände zu kaufen. Zusammen mit CONCACAF-Boss Jack Warner wurde er aus der FIFA ausgeschlossen und musste Blatter den Präsidentensitz kampflos überlassen. Vom Machtkampf um die wichtigen Stimmen der karibischen Zwergverbände innerhalb des Weltverbands zeugt noch immer das halbfertige Zentrum in Anguilla. Derweil wurden drei nationale

Vereine, die sich über den unhaltbaren Zustand beschwerten und eine Klärung des Verbleibs der FIFA-Gelder verlangten, kurzerhand vom Verband ausgeschlossen. Die wenigen Länderspiele müssen weiterhin im Webster-Park, einem besseren Sportplatz, ausgetragen werden, für die Pflichtspiele muss Anguilla gar das Heimrecht abtreten. Von der teuren neuen Anlage profitieren bislang nur die Hühner.

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Grafik: Samuel Weidmann

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Unsere Meister Wo starteten sie? Wie schnitten sie ab? Wo sind sie heute? Die 116 Jahre Schweizer Ligafussball unserer 20 Meister auf einen … nun gut, vielleicht mehrere, dafür umso genauere Blicke. Viel Spass bei einem Strichkampf der anderen Art!


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Peischl

Wider Erwarten Text: Jürg Ackermann / Bilder: Leo Boesinger

Kein Sportchef der Super League fädelte in der vergangenen Saison mit so wenig Geld so viele kluge Transfers ein wie Heinz Peischl. Wer ist der Österreicher, der als Trainer wegen der «Gruppe Wald» in die Negativ-Schlagzeilen geriet?

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n jeder Biographie gibt es Geschichten, die einen ein Leben lang begleiten. Der 12. September 1990 ist so ein Tag, den Heinz Peischl nicht los wird. Die österreichische Nationalmannschaft erlebte an jenem Abend ihre schwerste Stunde. Ein Jahr zuvor noch hatte sie sich souverän für die WM-Endrunde in Italien qualifiziert. Doch das zählte alles nichts mehr, als der norwegische Schiedsrichter Egil Nervik im schwedischen Landskrona die Partie abpfiff und sich die Fussball spielenden Schafhirten und Lehrer von den FäröerInseln in den Armen lagen. Gleich in ihrem ersten Qualifikationsspiel der noch

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jungen Verbandsgeschichte hatten sie die Sensation geschafft. Über die Österreicher prasselte kübelweise Spott. «Auf die 0:1-Niederlage werde ich bis heute angesprochen», sagt Peischl, der an jenem denkwürdigen Abend – neben Andy Herzog im Mittelfeld und hinter Stürmer Toni Polster – eines von insgesamt drei Länderspielen für Österreich bestritt. So nahe ihm diese Geschichte damals ging, so weit weg sind die Färöer-Inseln an diesem Sommermorgen in der AFGArena. Heinz Peischl ist kein Mann, der in der Vergangenheit lebt. Zu sehr beschäftigt ihn die Gegenwart, die seit

zweieinhalb Jahren wieder FC St. Gallen heisst: Manchmal 18 Stunden am Tag, oft 30 Tage im Monat. In der klubeigenen Loge mit schönem Blick aufs Spielfeld serviert der Sportchef und CEO des Vereins Kaffee. Peischl gibt sich locker, eloquent, macht im Gespräch Abstecher in die Wirtschaft und Politik. Bald aber kommt er auf das zu sprechen, was er seit Monaten immer wieder tut: Bescheidenheit predigen, an die Solidarität appellieren – und vor allem Erwartungen dämpfen. Denn vor weniger als drei Jahren stand der Verein finanziell vor dem Abgrund und musste später erneut


in der Challenge League Anlauf holen. Am Schluss qualifizierte sich der Aufsteiger nach einer herausragenden Saison erstmals seit zwölf Jahren wieder für den UEFA-Cup. In einzelnen Ostschweizer Köpfen flackerten zwischenzeitlich gar Hoffnungen auf den dritten Meistertitel der Vereinsgeschichte auf. «Wir müssen auf dem Boden bleiben», wiederholt Peischl. Der 49-Jährige weiss um die Gefahren, die nach einer über Erwarten erfolgreichen Saison lauern. YB, Luzern, Basel, Servette: Alle vier Mannschaften, die vor einem Jahr den Europacup erreicht hatten, wechselten schon nach

ein paar Monaten den Trainer aus. Nur Basel beendete die Spielzeit 2012/13 wirklich erfolgreich. Die Sache mit der Moral So wenig es Peischl passte, dass der Verein vor einem Jahr als «fast sicherer Wiederabsteiger» betitelt wurde, so wenig kann er nun mit dem Etikett «Transfersieger» anfangen. Überhaupt sind Schlagzeilen nicht seine Sache: Peischl dreht das Verhältnis zu den Medien um. Kommunizieren tut er zum Ärger vieler Journalisten nur, wenn er etwas zu sagen hat. Sein zuweilen sehr negatives Bild von den

Medien hat auch mit Erfahrungen als Spieler bei Innsbruck zu tun, als Journalisten auf der Tribüne Bier um Bier kippten und dann über den Match berichteten. «Wie kann es sein, dass solche Personen moralische Ansprüche stellen, an die sie sich selber nicht halten? Wie können sie einen Spieler kritisieren, der nach einem Match vielleicht mal ein Bier trinkt?» Wenig macht Peischl so zornig, wie wenn in seinen Augen ungerechte Kritik über seine Fussballer prasselt, wenn die Realität zugunsten einer knackigen Geschichte verzerrt wird, wenn Angriffe kommen, die unter die Gürtellinie zielen. «Ich habe

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schon Spieler erlebt, die ihr Handy während einer Ansprache des Trainers laufen liessen, am anderen Ende der Leitung hörte ein Journalist mit in der Hoffnung auf eine gute Geschichte. Oft zählt in der heutigen Welt nur der Flop oder der Hype. Doch das Leben ist oft unaufregend», meint Peischl, löffelt in seinem Kaffee und setzt dann wieder an: Zu einem Plädoyer für mehr Zwischen- und Grautöne, für weniger Helden und mehr Normalität. Dass der Erfolg kein Selbstläufer ist, hat Peischl beim FC St. Gallen schon einmal erfahren. Als er zwischen 2003 und 2005 als Trainer an der Seitenlinie stand, rettete er in der letzten Auf-/Abstiegsrunde der Zwölferliga den Verein vor dem Abstieg und führte ihn in der Folgesaison überraschend auf Platz fünf. Alle lagen sich in den Armen, nur Peischl feierte nicht. Er wusste, die richtige Bewährungsprobe würde erst kommen. Ein paar Monate später geriet der Klub in den Abstiegsstrudel. Nach der 0:4Niederlage bei den Grasshoppers am 6. April 2005 sagte Peischl nach dem Spiel, er nehme die Leistung persönlich

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und werde sofort zurücktreten. Einige nannten seinen Abgang stillos. Doch Peischl bereut seinen Entscheid auch mit acht Jahren Distanz nicht. «Wenn man die Dinge nicht verändern kann, muss man sich selber verändern.» Keine Emotionen bei Scarione Manchmal kommen die Veränderungen auch von alleine. Als Peischl noch selber auf dem Platz stand und unter Trainer Ernst Happel bei Innsbruck zwei Mal österreichischer Meister und Cupsieger wurde, gingen die Spieler neben dem Fussball zuweilen einer Arbeit nach und sie waren oft ein Leben lang an den gleichen Verein gebunden. Erst das BosmanUrteil änderte alles. Die Fussballer wurden damit zu weitgehend normalen Arbeitnehmern wie Köche oder Versicherungsmakler, die ebenso die Firma wechseln, wenn ein höherer Lohn, mehr Ferien oder bessere Aufstiegschancen winken. Doch die Fans denken anders. Die meisten von ihnen bleiben ihrem Verein auch nach dem Bosman-Urteil ein Leben lang treu. Sie können nicht verstehen,

dass Oscar Scarione nach einer derart erfolgreichen Saison mit dem FCSG zu Kasımpaşa, der Nummer 4 in Istanbul, wechselte; dass ihn der Verein ziehen liess. «Natürlich hätten wir Scarione gerne behalten», sagt Peischl. «Wenn sich ein Klubvorstand in solchen Fragen aber von Emotionen leiten lässt, wird es schwierig, gerade für einen Verein, der noch vor kurzem mit so grossen finanziellen Schwierigkeiten kämpfte. Wir haben Scarione damals auch mit dem Ziel nach St. Gallen geholt, ihn dereinst gewinnbringend verkaufen zu können. Das haben wir erreicht. Wer hätte uns garantiert, dass er auch in dieser Saison über 20 Tore erzielt hätte?» Von Chancengleichheit will der Österreicher schon gar nicht reden. Dass der Budget-Graben zwischen dem FC Basel und dem Rest der Liga immer grösser wird, stört ihn nicht. «Ich finde die Unterschiede gut. Der Fussball ist ein Spiegelbild der Gesellschaft: Es gibt nirgends Chancengleichheit.» Damit spricht Peischl wohl auch im Kern an, was St. Gallen seit dem Wiederaufstieg in die Super


Peischl League vor 15 Monaten besser machte als andere Vereine: Sich selber richtig einschätzen können, die eigenen Grenzen kennen, mit dem zu leben lernen, was man hat. Im Falle von St. Gallen ist das mit rund 7 Millionen Franken vor allem ein kleines Budget, vergleichbar mit demjenigen von Thun, Lausanne oder Aarau. Fussballmannschaften sind fragile Systeme. Wenn wie beim FC St. Gallen in dieser Saison sechs neue Spieler kommen, ist nicht genau vorhersehbar, wie das System als Ganzes reagiert. Die Sensibilität fürs Ganze und fürs Zusammenspiel der einzelnen Teile hat Peischl nicht erst entwickelt, als er ins Fussballgeschäft einstieg. «Auch der Dirigent hat die Aufgabe, das Team auf eine gemeinsame Aufgabe einzuschwören», sagt Peischl, der als Kind davon träumte, dereinst bei den Wiener Philharmonikern zu spielen. Bis ins Teenager-Alter blieb ihm aufgrund seines musikalischen Talents die Option auf eine Karriere im Orchestergraben. Der Fussball war dann mit dem konkreten Profi-Angebot vor Augen die näher liegende Wahl. Später holte der Österreicher die Matura nach, begann ein Handelsstudium. Obwohl der Fussballer Peischl seinen Beruf nun hatte, blieben die Devisen seiner Eltern («Respekt; Aufrichtigkeit im Umgang; mach es zu 100 Prozent oder gar nicht») und vor allem die Neugier auf Neues. Schon als Spieler hat Peischl bei den Übungseinheiten immer genau hingeschaut. Was macht der Trainer? Wie trainieren die Junioren? Wie treiben sich Profis in anderen Sportarten zu Bestleistungen? Die Wissbegierde war es auch, die ihn Mitte der 1990er Jahre, im Herbst seiner Aktiv-Karriere, für ein halbes Jahr nach Argentinien trieb. Eine Freigabe erhielt Peischl zwar nie, dennoch stuft er die Erfahrungen im Training beim argentinischen Spitzenverein San Lorenzo allein schon aus sprachlichen Gründen als wertvoll ein. «Gerade bei südamerikanischen Spielern verstehe ich jetzt als Sportchef besser, aus welchem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext sie kommen.» Hätte er damals bei San Lorenzo gespielt, wäre er vielleicht auch Jorge Bergoglio

begegnet. Seit seiner Jugendzeit ist Papst Franziskus bekennender Anhänger des vielfachen argentinischen Meisters und regelmässiger Besucher bei Spielen. Wie man in den Wald läuft Die Option Papst zu werden hingegen, gab es für Peischl nie. Schon gar nicht mit Blick auf die zweite Geschichte, die der Österreicher wie die Niederlage gegen die Färöer-Insel nicht los wird. Sie begann mit einem Anruf. Ein Journalist wollte im Frühling 2003 vom damaligen Sportchef Peter Stadelmann wissen, was mit den Spielern geschehe, mit denen der FC St.  Gallen nicht mehr plane. Stadelmann sagte, sie befänden sich gerade auf einem Waldlauf. Später wurde daraus die «Gruppe Wald». Ein Begriff, der fortan ständig mit Peischl assoziiert wurde, der den Österreicher zum «harten Hund», zum «Schleifer», zum «kleinen General» («Facts») stempelte, der ohne Rücksicht auf Verluste Spieler aussortiert und sie in Gruppen absondert. Im Rückblick teilt diese Sicht fast niemand mehr. «Peischl ist ein kompetenter Trainer mit einer starken Persönlichkeit. Er arbeitet kompromisslos und mit klugen Ideen», sagte Andy Egli – Peischls ehemaliger Vorgesetzter beim FC St. Gallen – schon 2006 kurz nach Peischls Engagement in Thun, seiner dritten Trainerstation in der Schweiz nach Wil und St. Gallen. Eglis Aussage spiegelt wider, was viele Beobachter heute von Peischl denken, der in der Zwischenzeit viele «wertvolle Erfahrungen» (Peischl) gemacht hat, wie die zwei Jahre als Assistent des österreichischen Nationaltrainers Didi Constantini (2009 – 2010). Gelobt wird beispielsweise seine Fähigkeit, mit überdurchschnittlichen, aber nicht überteuerten Spielern eine Mannschaft zusammenzustellen und als Sportchef und CEO zu einer unaufgeregten, aber konsequenten Klubführung beizutragen. Dejan Janjatovic (Getafe B) und Stéphane Nater (Servette) sind solche Beispiele, die ohne Vorschusslorbeeren in die Ostschweiz kamen und sich in der letzten Saison zum Herzstück der Mannschaft entwickelten – auch dank des professionellen ScoutingSystems, das Peischl seit seiner Rückkehr

Heinz Peischl Geboren am 9. Dezember 1963 Ab 1985 spielte der Mittelfeldspieler in Innsbruck, wo er mit dem FC Swarovski Tirol unter Ernst Happel zweimal Meister und Cupsieger wurde. Noch zweimal kehrte er nach Innsbruck zurück, dazwischen spielte er jeweils kurze Zeit für Stahl Linz, den FC Schaan und Wiener Neustadt. Seine aktive Karriere beendete der dreimalige Nationalspieler mit 32 Jahren. Seine erste Trainerstation war der FC Wil 2001/02, danach führte er den FSCG (2003 –  2005), den FC Thun (2006 – 2007), ASK Schwadorf (2. Liga Aut; 2007) und als letzte Trainerstation für fünf Spiele Admira Wacker (2008). Unter Didi Constantini war er von 2009 bis 2010 Co-Trainer der Nationalmannschaft, ehe er im Dezember 2012 als Sportchef von St. Gallen vorgestellt wurde. (syk)

aufgebaut hat. Der Sportchef beansprucht das Lob nicht für sich: «Ich bin nur ein Rädchen unter vielen beim FCSG». Die Skepsis war gross, als Präsident Dölf Früh vor zweieinhalb Jahren Peischl verpflichtete, der vor allem mit seinem schnellen Abgang als Trainer in der Ostschweiz in Erinnerung geblieben war. Über seine St. Galler Freundin hatte Peischl den Kontakt zur Ostschweiz auch während seiner Zeit bei der österreichischen Nationalmannschaft nie abbrechen lassen, doch nur wenige trauten ihm den Erfolg zu. Seine Kritiker überrascht der Österreicher jedoch immer wieder von neuem mit ungewohnten Charme-Offensiven. Für Staunen sorgte diesbezüglich auch ein Interview in der «Ostschweiz am Sonntag» kurz vor Saisonstart: «Wenn mich jemand per Mail beschimpft, melde ich mich bei dem Mann oder der Frau. Dann versuche ich, die Motive herauszufinden. Manchmal lade ich solche Leute auch auf einen Kaffee ein. Indem ich mit ihnen rede, möchte ich ihnen einen Spiegel vorhalten. Sie merken dann selber, mit welcher Arglosigkeit sie mit Menschen umgegangen sind.»

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Abgeschottet Text: Charles Wey / Bilder: Hannes Heinzer

Marius Walser ist dem schottischen Fussball verfallen. So sehr, dass der Familienvater im solothurnischen Balsthal gar das House of Scottish Football eröffnete.

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olothurn ist nicht unbedingt als Fussballhochburg in der Schweiz bekannt. Umso weniger ist es die Gemeinde Balsthal, gelegen am Fusse des Jura zwischen Olten und der Kantonshauptstadt. Ausgerechnet hier, in dieser knapp 6000 Einwohner zählenden Gemeinde, 1200 Kilometer von der schottischen Grenze entfernt, betreibt Marius Walser, 41, das «House of Scottish Football». «House» ist vielleicht ein wenig übertrieben, schliesslich finden sich Walsers Sammlerstücke zum schottischen Fussball und seine grosszügig bestückte Whisky-Bar im Keller der Arztpraxis des befreundeten Dr. med. Urs Flückiger. Walser ist dreifacher Familienvater und arbeitet als Sozialpädagoge im nah gelegenen Oensingen. Seine grosse Leidenschaft gilt seit seinem sechsten Lebensjahr dem schottischen Fussball. Die Weltmeisterschaft in Argentinien 1978 war das erste grosse Turnier, das er bewusst wahrnahm – und prompt verfiel er den raubeinigen Schotten. Wieso ausgerechnet

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Einzelkönner

Schottland? Auch wenn sie in den 70er Jahren noch bedeutend mehr spielerische Qualität als heute aufbringen konnten – Dalglish! Law! Gemmill! Souness! –, gab es sicherlich weitaus attraktivere Mannschaften in Europa, die geografisch auch noch näher liegen. «Es waren die dunkelblauen Trikots, die mich total begeisterten», entgegnet Walser mit ernster Miene. Mit Fussball hatte es also wenig zu tun? «Nein, überhaupt nicht», antwortet Walser lachend, fügt aber hinzu: «Damals waren sie noch recht gut, das

muss man schon sagen. Sie hatten eine grosse Mannschaft.» Ob er sich auch für die Mannschaft begeistert hätte, wenn sie in anderen Farben angetreten wäre? «Das weiss ich nicht.» Später, als er sich intensiver mit dem schottischen Fussball beschäftigte, stiess er auf die Geschichte der «Lisbon Lions». So wird die Mannschaft von Celtic Glasgow genannt, die 1967 den Europapokal der Landesmeister in Lissabon gegen die damalige Übermannschaft von Inter Mailand gewann. Seitdem schlägt sein

Herz für den Glasgower Kultverein. Aber auch die anderen Vereine der Nordbriten haben es ihm angetan. Seiner Meinung nach war der grösste schottische Spieler aller Zeiten die Legende des FC Liverpool, Kenny Dalglish. Das Land selber hat er im Alter von 25 Jahren zum ersten Mal besucht, seither gab es weitere vier Reisen dorthin. Im Stadion konnte er die Mannschaft dann 1982 in der Schweiz verfolgen – begleitet von seinem Vater. «Sie haben 2:0 verloren, aber ich war trotzdem total begeistert.» Obwohl Schottland sportlich keine grosse Rolle mehr spielt, hält seine Faszination nach wie vor an: «Im Moment sind sie ja wirklich schlecht, aber es ist auch die Begeisterung der Fans die mich beeindruckt. Ich weiss auch nicht genau, wieso das so ist, aber ich hatte immer ein Faible für Underdogs.» Deshalb passen die Schotten perfekt: Acht Mal qualifizierten sie sich für eine WM-Endrunde, acht Mal schieden sie in den Gruppenspielen aus. «Die Schotten sind schneller zu Hause als ihre Postkarten», sagte einst ARDKommentator Wilfried Mohren. Seit 1998 mussten die Schotten nicht mal mehr Postkarten schreiben. Eine weitere Erklärung für seine Faszination findet sich im Museum selber. An der Wand prangt ein Zitat eines CelticGlasgow-Fans namens Jonathan Begley: «Celtic-Fan zu sein, ist etwas, das du nicht auswählst, es wählt dich aus.» «Ich mag diesen Spruch sehr gern», meint Walser. Und wahrscheinlich erklärt diese Aussage mehr denn jede eigene Formulierung, woher diese Faszination kommt. Trikotbestellung bei der Botschaft Seine erste Eroberung war jenes Trikot, das seine Leidenschaft begründete: das WM-Trikot von 1978, in Kindergrösse. Dieses ist natürlich in seinem Keller ausgestellt und weist nicht die geringsten Abnutzungsspuren auf. «Ich trage die Leibchen nicht», erklärt Walser. Seither verfolgt er das Ziel, jedes Tenue der schottischen Nationalmannschaft

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aufzutreiben. Nur eine unschöne Lücke hat seine Sammlung noch: das Auswärtsdress der WM 1978. Damals war das Sammeln alles andere als ein leichtes Unterfangen. «So ein SchottlandLeibchen, das war damals nicht einfach zu bekommen», erinnert sich der Sammler. «Einmal hab ich sogar der Botschaft geschrieben!» Unterstützt wurde er durch seine Eltern, insbesondere seine Mutter: «Sie hatte Verwandte in England, denen sie dann geschrieben hat. Die haben mir manchmal etwas organisiert.» Ohne E-Mail, ohne Internet, ohne Ebay war die Sammlerleidenschaft noch mit viel Mühen verbunden. Deshalb ist seine Kollektion erst mit dem Aufkommen des Internets stark gewachsen. Für Walser hat dies auch seine Schattenseiten. Einerseits ist er glücklich darüber, auf diese Weise seine Sammlung zu erweitern, andererseits fehlt ihm auch etwas die Herausforderung. Ist das Sammeln denn langweiliger geworden mit dem Internet? «Ja, ich finde schon. Es ist eben einfacher geworden», sagt Walser ohne zu zögern. «Heute ist das auch so ein Markt.» Der Aufwand und die Mühe, die er in seine Sammlung gesteckt hat, sind ihm offensichtlich genauso wichtig wie die Ausstellungsstücke selber. Die soziale Komponente des Sammelns geniesse er aber nach wie vor: «Dadurch kommst du in Kontakt mit anderen

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Menschen, das ist ja das Interessante daran.» Sein grösster Stolz ist eines der zwei einzigen roten schottischen Nati-Trikots, die es je gegeben hat: «Die sind uhuere selten! Für das habe ich 400 Franken bezahlt.» Zum Einsatz kam es nur bei zwei Spielen; eines war das WM-Qualifikationsspiel in Israel am 25. Februar 1981, in dem sein Liebling Kenny Dalglish das einzige Tor erzielte. Zwei Sammelstücke, die ihm emotional von noch grösserer Bedeutung sind, sind ein signiertes Trikot und eine Autogrammkarte von John Clark, einem Spieler der legendären Lisbon Lions. Im Familienurlaub in Schottland traf Walser zufällig auf Clark, der prompt mit ihm für ein Foto posierte. Für Walser ein unglaubliches Erlebnis: «Ich bin fast ohnmächtig geworden! Nachher hat er mich noch ins Stadion zum Celtic-Spiel eingeladen.» Diese Erfahrung gab für ihn den Anstoss, seine Sammlung in einem Raum auszustellen. «Es ging auch darum, die Sachen besser zu präsentieren, auch für mich selber. Vorher bewahrte ich die Sammelstücke einfach zu Hause auf.» Refugium mit Hochprozentigem Besucher hat das kleine Museum noch nicht so viele. «Das Interesse hält sich in Grenzen, aber es kommen doch manchmal ein paar Besucher», meint Walser. So

freut er sich umso mehr, wenn die Leute auf seine Sammlung aufmerksam werden: «Nachdem ein Bericht über mich in der Zeitung erschienen war, erhielt ich schon einige Anfragen. Darunter waren Fussballvereine und auch ein FC-BaselFanclub. Und ein paar Schotten aus der Region.» Ihm geht es aber nicht nur um Besucher, sondern auch darum, ein kleines Netzwerk aufzubauen. «Vor kurzem habe ich einen Schotten kennengelernt, Ian Anderson. Der hat mir von zwei CelticFans aus Glasgow erzählt, die in Lenzburg einen Pub betreiben. Seitdem gehe ich ab und zu dorthin, um mir Spiele anzuschauen. Das finde ich cool, so knüpfst du neue Kontakte. An solchen Sachen habe ich immer besonders Freude.» Den grössten Andrang konnte er aber bei einer externen Veranstaltung verbuchen: «Ich habe im Restaurant Eintracht hier in Balsthal eine Scottish Night mit zwei Kollegen, darunter der Wirt, organisiert. Da habe ich eine Whiskybar betrieben und die Utensilien aus meinem House of Scottish Football ausgestellt. Zusätzlich gab es noch ein Konzert der Caledonian Lions. Das ging schön ab, da war alles voll. Solche Sachen laufen extrem gut. Viele Leute haben eine Schwäche für Schottland», ist Walser sich sicher. «Vor allem auch wegen dem schottischen Whisky.» Den bietet er freilich ebenfalls an,


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in seinem Hinterzimmer, wo er mit einer beeindruckenden Auswahl aufwartet. Dieses Hinterzimmer ist zugleich auch Proberaum: Zweimal pro Woche trifft er sich hier mit zwei Freunden, um Rockmusik zu spielen. Das «House of Scottish Football» ist nicht nur ein kleines Museum, sondern auch sein Freizeitraum, eine Art Refugium. Neben unzähligen Trikots präsentiert Walser auch Pins, alte Matchprogramme und Tickets von Spielen, die er besucht hat und zu denen er eine Anekdote zum Besten geben kann. «Das hier ist vom WM-Qualifikationsspiel in Vaduz letztes Jahr», sagt er über ein Ticket an der Wand. «Das war ein Grottenkick. Nicht zum Aushalten!». Aber es sei schon faszinierend gewesen, wie die «Tartan Army», die schottischen Fans, die Kleinstadt in Beschlag genommen hätten. Sogar ein paar Grasbüschel aus dem «Hampden Park» bewahrt Walser in einer gläsernen Schatulle auf. In diesem Glasgower Stadion spielt nicht nur der Amateurverein FC Queen’s Park vor durchschnittlich 600 Zuschauern, sondern vor allem seine geliebte Nationalmannschaft. Der Solothurner beschränkt seine Ausstellung indes nicht nur auf Objekte, sondern liefert auch Informationen. Die Geschichte von Celtic und den Rangers sowie der schottischen Nationalmannschaft werden ebenso an

der Wand aufgearbeitet wie die Rivalität der Schotten zum «auld enemy» aus England. Viele Bücher liefern zu verschiedenen Themen Zusatzinformationen. Such a perfect day Zwei Fotos an der Wand vermitteln eine Vorstellung davon, inwieweit Walsers Familie in seine Leidenschaft eingebunden wird. Sie zeigen seinen jüngsten Sohn kurz nach der Geburt in seinem ersten Heim- und Auswärtsdress Schottlands. Auf das Foto angesprochen, erzählt Walser vom Tag der Geburt am 13. Oktober 2007: «Das war auch lustig. Schottland spielte um 16 Uhr ein Qualifikationsspiel gegen die Ukraine, und mein Sohn ist um halb vier auf die Welt gekommen. Das hat perfekt gepasst. Und dann haben sie auch noch 3:1 gewonnen! Ein perfekter Tag!» Natürlich habe er versucht, seine Kinder für den schottischen Fussball zu begeistern. «Der älteste Sohn spielt aber jetzt Handball», meint er mit ein wenig Bedauern. «Beim jüngsten kann ich es ja noch probieren. Aber es wird schon schwierig, wenn dann auch noch der Erfolg im schottischen Fussball fehlt.» Seine Frau stört sich nicht gross an seiner Leidenschaft, und das Land gefällt ihr gut, so dass sie ihn bei seinen gelegentlichen Reisen begleitet. Die Situation im heutigen FussballSchottland macht Walser traurig, insbe-

sondere der Niedergang der Rangers und die Krise bei den Hearts of Midlothian aus Edinburgh. «Die Glasgower Derbys fehlen natürlich eindeutig. Diese Spiele hielten die Liga noch am Leben.» Aber das trübt seine Begeisterung nicht. Zumindest nicht mehr als der moderne Fussball im Allgemeinen. Walser ist nicht nur Sammler, sondern auch Nostalgiker. Die schönen alten Stadien vermisst er, den neuen Hampden Park beispielsweise findet er nicht mehr so ansprechend wie vor der Erneuerung. Und auch die Marketingstrategien missfallen ihm: «Früher haben die Mannschaften ihr Tenue länger behalten, heute wechseln die dreimal im Jahr das Dress», moniert der Balsthaler. «Aber es ist auch naiv, dagegen zu kämpfen.» Für Schweizer Fussball interessiert sich Walser nur bedingt. Als Solothurner wird einem die Verbindung zu einem bestimmten Schweizer Verein nicht unbedingt in die Wiege gelegt, ist der Kanton doch zwischen den Deutschschweizer Fussballhochburgen Basel, Bern und Zürich gelegen. «Die Nati schaue ich schon ab und an im Stadion. Und Basel manchmal – zum Beispiel gegen Tottenham.» Und wenn die Schweiz gegen Schottland spielt, wie damals 1982? «Dann bin ich auf jeden Fall für Schottland». Sogar wenn sie in pinkfarbenen Shirts auflaufen würden.

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schweizerreise: chur 97

Um ein Haar Text: Marc Gieriet / Bilder: Ursula Müller, Stadtarchiv Chur

Wilde Jagdszenen? Weltmeisterliche Auftritte? Tragische Rekordhalter? Eine Selbstverständlichkeit beim FC Chur 97! Genauso wie fallende Türme, eine verschiebbare Tribüne und verhaftete Spielmacher. Dazu gibt’s Zoff mit Peng – und ohne.


Schweizerreise


schweizerreise: chur 97

Holzpfosten gab es beim FC Chur schon früher nur ausserhalb des Spielfelds. Zumindest das Farbkonzept stimmt an der Ringstrasse, wie Legende Orlando Buchmeier beweist.

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er sich heute von Westen her der Stadt Chur nähert, sieht als erstes die zwei kürzlich erbauten weissen Türme. Sie wollen die neuen Wahrzeichen der ältesten Schweizer Stadt sein. Einst jedoch waren es drei Türme, welche die Churer Skyline prägten. Sie hiessen Erwin Stieger, Mario Kurmann und Orlando Buchmeier. Ihre Masse: 191, 192 und 193 Zentimeter. Diese drei Türme standen in den 60er und 70er Jahren auf dem Fussballfeld an der Ringstrasse und spielten für den FC Chur, als dieser noch der Stadtklub war und die Gegner u.a. Bobby Charlton und Dino Zoff hiessen. Damals wäre fussballerisch aus Graubünden um ein falsches Haar doch noch etwas Grosses geworden. Doch der Erfolg geht dem Konjunktiv seit jeher aus dem Weg. Das Stadion an der Ringstrasse ist eigentlich keines. Das erkennt man bereits daran, dass Fremde leicht vorbeifahren, ohne es zu bemerken. Kein imposanter Bau, der die Aufmerksamkeit erheischt. Im Gegenteil. Die Kassenhäuschen und die zwei Eingangstüren stehen unscheinbar da, nur zwei, drei Meter neben der Fahrbahn der Ringstrasse. Die Umzäunung ist die alte und an der Beton-Tribüne seit vierzig Jahren nichts mehr gross verändert worden. Die Match-Uhr steht immer noch neben jenem Häuschen, das einst in

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einem Spiel gegen den FC Morbio spezielle Bedeutung erlangte. Dazu später. Römischer Legionär Wenn in den Metropolen der Fussballwelt von modernen Stadionprojekten mit Mantelnutzung die Rede ist, lacht einer wie der inzwischen pensionierte Orlando Buchmeier. Mantelnutzung meint hier, «dass sich der Fussballfan das halbe Jahr warm anziehen muss, wenn er auf der Stehrampe steht». Heute aber ist es heiss. Orlando Buchmeier steht da, wo er jahrelang am liebsten stand. Mitten auf dem Fussballplatz. Und dieser Fussballplatz wiederum steht ein bisschen zufällig da, wo er steht. Es mag daran liegen, dass der Schwemmfächer der Plessur (Geografieunterricht, 6. Primarklasse), auf dem die Stadt einst besiedelt wurde, ziemlich genau da geendet hatte und der Boden von da an eben und somit günstig war für ein Spielfeld. Es mag daran liegen, dass damals der Fussball in dieser Stadt mit Bischofssitz möglichst weit weg von Hof und Kathedrale gespielt werden musste, damit die Kirche im Dorf blieb. Oder die Väter des FC Chur wählten den Ort wegen der Verkehrserschliessung durch die Ringstrasse – wer weiss das heute noch so genau. Zu den ganz grossen Fan-Aufmärschen zu Spitzenfussball oder gar zu Europacupnächten, wie sie die exakt gleich grossen

Städte Sion oder Neuenburg erleben durften, sollte es am Fusse des Calanda sowieso nie kommen. «Es fehlte vor allem das Geld», sagt Mario Kurmann, welcher der ehrgeizigste und athletischste der drei Grossen war. In Chur gab es keinen Facchinetti wie in Neuenburg und keinen Constantin wie in Sion. «Ausserdem», meint Buchmeier, «war die Rivalität zwischen den benachbarten Klubs zu gross.» Noch heute ärgert er sich darüber, dass selbst die besten Emser, Landquarter und Bonaduzer lieber alle Schaltjahre einmal ein Derby gegen Chur zu gewinnen versuchten, als dass sie in die Hauptstadt gewechselt hätten, um gemeinsam eine schlagkräftige Truppe zu stellen. Immerhin, vor ein paar Wochen ist der Klub wieder einmal in die 1. Liga aufgestiegen. Allerdings trübt der Verlust einer festen Grösse die Freude über den Aufstieg. Drei Wochen hiess es, Mahmoud Abdulla sei «aus privaten Gründen abwesend», bis klar wurde, dass der irakische Stammspieler in Haft sass. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und seine zwei Brüder wegen eines mutmasslichen in Deutschland begangenen Raubs mit Körperverletzung. Schlimmer noch: Abdulla ist Wiederholungstäter. Bereits 2005 war er von seinem Verein suspendiert worden, weil er sich mit dem späteren Mister Schweiz Renzo Blumenthal geprügelt hatte – auch hier wurde er durch einen seiner Brüder unterstützt. Berichte darüber schmecken dem Churer Sportchef Silvio Curschellas gar nicht: «Das ist unverhältnismässig», klagt er in der «Südostschweiz». Der Klub werde so in ein schlechtes Licht gerückt. Schliesslich könne der Verein nichts dafür, was seine Spieler in der Freizeit tun. Viel besser soll über den sportlichen Erfolg geschrieben werden.



Wie es sich für Türme gehört, stehen sie: Stieger, Kurmann (mit anerkennendem Blick für die sorgfältige Brillenwahl des Kollegen) und Buchmeier.

Denn diesen Erfolg kann Chur 97 keiner nehmen. Senad Lulić, der Ex-Churer aus Bosnien, aufgewachsen in der Bündner Surselva, war als Zuschauer beim Entscheidungsspiel um den Aufstieg zugegen. Für keinen anderen von der Ringstrasse führte der Weg so weit nach oben: Bis nach Rom, wo er für Lazio gerne entscheidende Tore erzielt wie im italienischen Cupfinal 2013 gegen die Stadtrivalin von Tottis Gnaden. Nur, warum das Weite suchen, wenn das Glück so nah liegt? Scheitern nach Rekord «Ich hatte zwar einen Vorvertrag mit GC», sagt der 66-jährige Buchmeier, den hier immer noch alle kennen und Orla rufen. «Albert Sing, der Trainer der Grasshoppers, beobachtete mich dreimal. Er wollte mich als Halbprofi zu GC holen. Einen 50-Prozent-Job bei der Post in Zürich hätten sie mir auch gegeben. Aber ich wollte nie weg aus Chur. Wenn ich zwei Nächte nacheinander nicht in meinem Bett schlafen konnte, bin ich fast gestorben vor Heimweh.» Buchmeier, der den Ball noch heute gekonnt jongliert, ist in Chur geblieben, war lange bei der PTT, dann noch sieben Jahre Krankenpfleger. Und Schiedsrichter, 28 Jahre lang. Ausgerechnet er, der vielleicht mehr Karten kassiert hatte, als er später verteilte!

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Zweimal war der FC Chur zumindest bis auf Hörweite an die grosse Musik herangekommen. Von 1987 bis 1993 spielte er in der Nationalliga B. Das war kurz nach Buchmeiers Zeit. Der FCZ, Basel, Servette und Winterthur mussten an die Ringstrasse kommen. Bauunternehmer Arnold Mathis war der Präsident, er wollte etwas Grosses auf die Beine stellen. Hans Krostina hiess der Trainer, der früh verstorbene Ex-Internationale Manfred Braschler spielte hier. Und später waren die klingenden Namen Ladislav Jurkemik und Vladimir Petkovic (Lulićs heutiger Trainer bei Lazio Rom). Das Abenteuer endete drei Jahre nach dem Abstieg aus dem B mit einem finanziellen Totalschaden. 1997 wurde aus dem einst halbwegs ambitionierten FC Chur und den Quartiervereinen FC Neustadt und SC Grischuna der Klub mit dem reichlich fantasielosen Namen Chur 97. Der neugegründete Klub musste tief unten durch. Im ersten Jahr stieg er gar in die 3. Liga ab. Jetzt also wird an der Ringstrasse wenigstens wieder 1.-Liga-Fussball gespielt. «1.Liga Classic», präzisiert Buchmeier. «Zu unserer Zeit spielten die 39 besten Amateurteams der Schweiz in der 1. Liga.» Heute sind es fast doppelt so viele. Der Charme sei nicht mehr derselbe und die Identifikation mit dem Klub in der Stadt bestenfalls mittelmässig. Auch deshalb hält Orlando

Buchmeier die Fusion noch heute für einen Fehler. Obwohl er nur gerade zwei Strassen weiter wohnt, ist seine Liebe zum heimischen Fussball ein wenig erkaltet. Ein Spiel besucht er nur noch hin und wieder. Lieber erinnert er sich an die Zeiten der herausragenden Drei. «1968 holten wir in 20 Spielen 20 Siege und damit 40 Punkte!» Der FC Chur avancierte zum einzigen Team im Schweizer Fussball, das mit reiner Weste die Aufstiegspoule zur 1. Liga erreichte. Das Kleinstadion an der Ringstrasse hatten die Gegner während der regulären Saison nie einnehmen können, doch als es drauf ankam, flatterten den Rotweissschwarzen die Hosen. «Ein Hitzetag wie heute, über dreissig Grad im Schatten. Wir spielten gegen Frauenfeld.» Mario Kurmann erinnert sich daran, wie sich die 3500 Fans um den Platz und auf der alten Holztribüne drängten – auf jener Holztribüne, die im Winter auf der Quaderwiese stand, wo der EHC Chur einst seine Heimspiele austrug. Er erinnert sich aber auch an ein Eigentor gleich zu Beginn und an das 0:2, trotz klarer Churer Überlegenheit, kurz vor Schluss. Der Aufstieg musste warten. Schlitzohr nach Afrika In jenen Zeiten spielte Chur gegen Manchester United, das sich damals wiederholt im Bündnerland auf die Saison vorzubereiten pflegte. Die Bündner kämpften wacker und hielten sich in den Zweikämpfen nicht zurück. «Doch dann schoss Bobby Charlton aus 35 Metern ein Tor», schwärmt Buchmeier noch heute. Ein Tor, das vielleicht grössere Konsequenzen hatte, als in diesem Augenblick jemand erahnen konnte. «Bei uns stand Herbert Reinprecht im


schweizerreise: chur 97

Skepsis? Zorn? Nein, Schalk: Buchmeier und Kurmann in ihrer Blütezeit.

Tor. Ein guter Goalie, der uns vorher und auch nachher manchen Sieg rettete», sagt Buchmeier. Reinprecht war von Graz gekommen und auf zweierlei Dinge stolz: Erstens brüstete er sich damit, nie von ausserhalb des Sechzehners bezwungen worden zu sein; eine Behauptung, die spätestens nach Bobby Charltons Treffer überholt war. Und zweitens glaubte er, niemand würde je bemerken, dass er ein Toupet trug; diese Illusion hielt um einiges länger. Bis heute hat sich niemand getraut, ihn darauf anzusprechen. Dem FC Chur waren in der Folge ein paar ansehnliche Erfolge beschieden. Ein Jahr nach der makellosen Leistung mit 20 Siegen kam der Aufstieg in die 1. Liga doch noch zustande. Inzwischen war Otto Pfister Spielertrainer des FC Chur. «Das war ein Schlitzohr. Er liess keine Finte aus, um Erfolg zu haben», erzählt Buchmeier. «Nachdem er bei uns gewesen war, ging er nach Afrika!» Pfister wurde in dieser Reihenfolge Nationaltrainer in: Ruanda, Obervolta, Senegal, Elfenbeinküste, Zaïre, Ghana und, nach einem Abstecher nach Bangladesh, auch noch in Togo und Kamerun. Buchmeier hingegen spielte mit Ausnahme eines Jahres beim benachbarten FC Ems immer in Chur. Dafür überzeugte er fast auf jeder Position. Mal im Sturm, mal im Mittelfeld, mal als Libero. «Nur Aussenverteidiger war ich nie!», sagt er heute, und man glaubt herauszuhören, dass er stolz darauf ist. Aussenverteidiger spielte der viel kleinere Werni Peng. Ein Giftzahn alter Prägung, der als eine rätische Mischung aus Roger Wehrli und Nobby Stiles durchging. «Dieser Werni Peng», so Orlando Buchmeier, «war kaum einzuschüchtern». Gegen den FC Morbio gelang es Peng schon während des Spiels,

die halbe Gegnerschaft in Wallung zu versetzen. Nach dem Schlusspfiff wollten ihm die aufgebrachten Gäste an den Kragen. Als ein Tessiner den kleinen Peng gar ohrfeigte, ging Orlando «Hightower» Buchmeier dazwischen: «Ich habe dem eine zurückgezwitschert, da sind sie alle auf mich losgegangen.» Einige Zeit konnte sich der Hüne ganz allein gegen die furibunden Angreifer wehren. Er zögerte das Ende des Kampfes solange hinaus, bis Peng in Sicherheit war. Dann floh er mit einem ungeahnt eleganten Sprung aufs Dach jenes besagten Material-Häuschens neben der MatchUhr. Die Tessiner hingegen, angestachelt von der drohenden Schmach, einen einzigen Gegner nicht übermannen zu können, wollten es Buchmeier gleichtun. Mit feuerroten Köpfen versuchten sie das Dach zu stürmen. «Immer, wenn einer schon fast oben war, stand ich ihm mit den Stollenschuhen auf die Finger!» Buchmeier siegte gegen elf Tessiner nach Punkten und erhielt für seinen Todesmut drei Spielsperren aufgebrummt. «Morbio Mordio!» soll einer noch gerufen haben. Buchmeier verneint, so etwas je gesagt zu haben. Einsturzgefahr gegen Napoli In besserer Erinnerung ist Buchmeier ein Freundschaftsspiel gegen die SSC Napoli. Keine Geringeren als Dino Zoff im Tor und José João Altafini im Sturm waren

zu Gast an der Ringstrasse. Vor allem Altafini, immerhin Teil von Brasiliens Weltmeister-Equipe 1958 in Schweden (und zusammen mit Lionel Messi mit je 14 Treffern im Meistercup bis heute Rekordhalter), zeigte wenig Respekt vor den gross gewachsenen Gegnern. Mal um Mal brachte er die Türme ins Wanken, bis sie fielen. Kurzzeitig. 4:0 siegten die Italiener. Eine Lektion. Der schwache Trost kam erst viel später: Altafini beendete seine Karriere 1980 in der Schweiz bei Mendrisio-Stabio in der 3. Liga. Buchmeier und Kurmann spielten bis zum Schluss ihrer Laufbahn beim FC Chur in der 1. Liga. Dem Konjunktiv zum Trotz: Was wäre geschehen, wenn Charltons 35-MeterSchuss eine Beute Reinprechts geworden wäre? Wenn die von der Ringstrasse jenen vom Old Trafford Paroli geboten hätten? Wenn die jungen Buchmeiers, Kurmanns und Stiegers Selbstvertrauen getankt hätten und an weiteren Aufgaben gewachsen, ja, buchstäblich noch grösser herausgekommen wären? So aber wuchsen weder die Bäume in den Himmel noch die Haare auf Reinprechts noch jugendlichem Haupt, und Wayne Rooney sollte es Jahrzehnte später vergönnt sein, als erster Fussball-Star mit einer Haartransplantation für Aufsehen zu sorgen. Über Erfolg und Misserfolg entscheidet halt oft nur ein Haar.

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unser mann in london

Der gefallene Moralapostel Papiss Cissé versuchte Moral in den Fussball und die Leibchenwerbung zu bringen – und scheiterte spektakulär.

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000 bis 5000 Prozent Zins bezahlt, wer bei der englischen Firma Wonga einen Kleinkredit aufnimmt. In der Schweiz wäre so ein Zinssatz Wucher und strafbar. In England sind solche ruinösen Kleinkredite sehr verbreitet. Viele Private und Familien retten sich damit bis zum nächsten Zahltag oder bis zum nächsten Fürsorgegeld über die Runden. «Legal loan sharks» (legale Kredit-Haie) nennt man Kleinkredit-Firmen wie Wonga auf der britischen Insel. Sie florieren, sind aber äusserst unbeliebt, weil sie jedes Jahr Tausende von Briten in den Ruin treiben. Am meisten im Nordosten von England. Der grösste Verein im Nordosten heisst Newcastle United. Sein neuer Leibchen-Sponsor für die nächsten vier Jahre heisst – der aufmerksame Leser ahnt es schon – Wonga. Kein Wunder, dass viele Fans die Nase rümpfen über die 24 Millionen Pfund, die Wonga in den nächsten vier Jahren an Newcastle bezahlt – umgerechnet rund 9 Millionen Franken pro Jahr. Papiss Demba Cissé ist Senegalese, Muslim und Stürmer bei Newcastle United. Wenn er den Platz betritt, betet er. Früher schoss er für den SC Freiburg in der Bundesliga 37 Tore in 65 Spielen. In seinem ersten Halbjahr in der Premier-League gelang ihm fast in jedem Spiel ein Treffer,

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darunter das «BBC Goal of the Season», ein unglaublicher Weitschuss gegen Petr Čech. In der letzten Saison rettete er die United vor dem Abstieg. Anfang Juni erklärte der Starstürmer, er weigere sich, ein Shirt mit dem Logo des Kredit-Hais zu tragen, denn der Koran verbiete Kredite gegen Zins, und sein Gewissen verbiete ihm, dafür Werbung zu machen. Er trat in den Streik und reiste nicht mit dem Team ins Trainingslager. Einstehen für den Glauben? Einige Fans erinnerten zwar daran, dass Cissés Weigerung möglicherweise ganz andere Gründe haben könnte. Schliesslich hatte er eben ein lukratives Angebot von Anzhi Makhachkala erhalten, einem der reichsten Vereine der Welt. Viele vermuteten, mit seinem Wonga-Boykott wolle der Senegalese bloss den Boden für einen einträglichen Vereinswechsel ebnen. Dennoch begrüssten und unterstützten viele Supporter Cissé und mahnten an die vielen Privatkonkurse im Nordosten Englands. Sogar der Erzbischof von Canterbury, Oberhaupt der anglikanischen Kirche, hatte die Kredithaie schon als «unmoralisch» verurteilt. Aber auch Politiker unterstützten Cissé. So sagte etwa die als Newcastle-Fan bekannte Parlaments-Abgeordnete Chi Onwurah: «Einige der reichsten jungen Männer von Newcastle tragen jetzt ein

Text: Peter Balzli Bild: Imago

Leibchen, auf dem sie die ärmsten dazu aufrufen, sich einem Kredithai zum Frass vorzuwerfen.» Und schliesslich stärkten auch viele Muslime dem Rebellen Cissé den Rücken, so etwa Dipu Ahad, Abgeordneter im Stadtrat von Newcastle, der feierlich verkündete: «Ich bin wirklich stolz auf ihn, weil er für seinen Glauben einsteht». Früher trugen die Spieler von Newcastle United stolz die Logos von lokalen Firmen auf der Brust. Jetzt ist eine Firma Sponsor, für die sich die meisten Fans schämen. Die Bolton Wanderers haben im Juni einen schon abgeschlossenen Sponsorenvertrag mit dem Kredithai QuickQuid nach Protesten der Fans wieder annulliert. Zwei weitere Vereine auf der Insel tragen übrigens das Logo von Wonga auf dem Shirt: Der FC Blackpool stieg nur neun Monate nach Unterzeichnung des neuen Sponsoren-Deals aus der Premier League ab, die Hearts of Midlothian aus Edinburgh konnten trotz Wonga-Sponsoring monatelang ihre Spieler nicht mehr bezahlen. Und doch hörte man von keinem Spieler, er halte sich mit einem Kleinkredit von Wonga über Wasser. Die Presse erinnerte die Fans überdies an das Schicksal des schottischen FC Livingston, der einst mit dem Slogan «Intelligent Finance» auf dem Leibchen Konkurs ging. Papiss Cissé ist indes nicht der erste Spieler in der Premier League, der einen Leibchensponsor ablehnt. Der in Frankreich geborene Malier Frédéric Kanouté weigerte sich 2006, das Logo eines Buchmachers auf dem Shirt zu


tragen, weil der Koran Glücksspiele um Geld verbiete. Die Werbung auf seinem Leibchen wurde zunächst in Absprache mit Verein und Sponsor überklebt. Später spielte Kanouté dann wieder mit Werbung auf der Brust, nachdem ihm zugesichert worden war, dass er nicht an Sponsoring-Aktivitäten teilnehmen müsse. Nach einem ähnlichen Kompromiss mit Papiss Cissé suchte das Management von Newcastle United fieberhaft. Was die Position des Vereins stärkte, war die Tatsache, dass die übrigen Muslime im Team nicht mitzogen und sich die Leibchen mit der umstrittenen Werbung klaglos überstreiften. Trotzdem: Papiss Cissé blieb hart. Bis ein einziges Foto das Problem löste. Rien ne va plus Im Juli erschien ein Foto im Internet, das der Newcastle-Fan Andrew McNally im letzten November im Aspers Casino von Newcastle geschossen hatte. Es zeigt Papiss Cissé beim Black Jack. Cissés Agent Madou Diene versuchte zu retten, was nicht mehr zu retten war, und beteuerte, sein Klient sei kein Spieler.

Ein Sprecher des Casinos erklärte, Cissé sei ein gelegentlicher Besucher seines Hauses und benehme sich stets sehr gut. Er könne aber nicht bestätigen, dass der Fussballer auch um Geld gespielt habe. Umsonst. Cissé wurde zum Gespött der ganzen Stadt. Auch einstige Bewunderer wendeten sich von ihm ab. Stadtrat Dipu Ahad schrieb auf seiner Webseite: «Ich bin beschämt darüber, was er getan hat.» Der Islam sei keine Religion, bei der man jene Regeln auswählen könne, die einem gerade so passten. Nach diesem Eklat geht alles ganz schnell: Drei Tage später berichtet die Presse, dass Papiss Cissé sich bereit erklärt habe, mit Wonga-Werbung auf der Brust zu spielen. Drei weitere Tage später bestritt er sein erstes Spiel im Wonga-Shirt. Vor dem Spiel erklärt er, er habe zuvor «nützliche Diskussionen mit Klub, Familie und islamischen Lehrern» geführt und sich «nach enorm viel Nachdenken» entschieden, das Leibchen zu tragen. Für den Spott braucht er nach dieser Erklärung nicht mehr zu sorgen. Aber als er nach 18 Minuten im neuen Leibchen das erste Tor schiesst, verstummt ein guter Teil der Spötter.

Papiss Demba Cissé Geboren: 3. Juni 1985 in Dakar, Senegal Position: Stürmer 26 Länderspiele / 14 Tore Klubs: Jahre Verein 2003–2005 AS Douanes Dakar 2005–2009 FC Metz 2005–2006 AS Cherbourg* 2008 LB Chateauroux* 2010–2012 SC Freiburg 2012– Newcastle United → *

Sp./Tore 26/23 71/25 28/11 15/4 65/37 50/21

ausgeliehen

Übrigens: Wer jetzt ein NewcastleShirt mit dem Logo des neuen Sponsors kaufen will (Preis 53.99£), aber gerade knapp bei Kasse ist, kann bei Wonga einen Kredit von 50 Pfund aufnehmen. Nach einem Monat muss er dann 71.92 Pfund zurückzahlen. Das entspricht einem Zinssatz von sagenhaften 4212 Prozent. Interessiert?

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NLA-Legende

Text: Charles Wey / Illustration: Zoran Lucic / Bild: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Uwe Seelers Zwilling

Der Hamburger Klaus Stürmer brachte einen Hauch von Weltklasse nach Zürich. Und wurde trotzdem zur tragischen Figur.

I

m Sommer 1961 ereignete sich etwas Einzigartiges in der Geschichte des hiesigen Fussballs: Ein deutscher Spieler internationaler Klasse wechselte zu einem Schweizer Verein. Auf dem Zenit seiner Karriere. Edi Naegeli, damaliger Mäzen des FC Zürich, gelang ein richtiger Coup mit der Verpflichtung von Klaus Stürmer vom HSV. Immerhin zählte er beim deutschen Spitzenklub zu den Leistungsträgern und galt als kongenialer Partner des Weltklassespielers Uwe Seeler. Eine Grösse im internationalen Fussball! Während Uwe Seeler zu einem der renommiertesten deutschen Spielern aller Zeiten avancierte, blieb Stürmer eine Karriere als Weltstar verwehrt. Dabei drängt sich die Frage auf: Wieso? Die langjährigen Sturmpartner wurden als «Zwillinge» auf und neben dem Platz bezeichnet. «Klaus war mein sehr, sehr guter Freund», bekräftigt «Uns Uwe» im Telefongespräch und fügt an: «Wir haben privat sehr viel zusammen gemacht, fuhren auch mit unseren

Frauen gemeinsam in Urlaub. Und wir waren natürlich auch auf dem Platz eine Einheit, sag ich mal. Jeder wusste, was der andere tut.» Im Sommer 1954 debütierten die «Zwillinge» in der Oberliga Nord für den HSV und sorgten sogleich für Furore. Nach nur sechs Spielen folgte bereits die Nominierung für die ANationalmannschaft. Während Seelers Länderspielkarriere damit eingeleitet wurde, war sie für Stürmer schon fast zu Ende. Nur ein weiteres Spiel sollte noch folgen – fast sieben Jahre später. Dabei hatte Stürmer beim Debüt gegen Frankreich sogar getroffen und die besseren Noten als Seeler erhalten. Seine wiederholte Nicht-Berücksichtigung blieb für viele unverständlich. In ihrer gemeinsamen Zeit wurden die beiden Freunde mit dem HSV 1960 deutscher Meister und scheiterten ein Jahr später nur knapp im Halbfinal des Europapokals der Landesmeister an Barcelona. Für Seeler auch dem guten Verständnis zwischen ihm und Stürmer

geschuldet: «Darum hat während der Zeit, wo wir zusammengespielt haben, auch alles sehr gut geklappt. Wir waren sehr erfolgreich.» Dennoch entschied sich Stürmer für einen Wechsel ins Ausland. Auch aus finanziellen Gründen. Vor der Gründung der Bundesliga war im deutschen Fussball nicht viel Geld zu holen, denn es galt das Gebot des Amateurismus. Ein folgenschwerer Wechsel FCZ-Präsident Edi Naegeli erfuhr von den Wechselabsichten des deutschen Stars und bot ihm 96 000 Mark Handgeld für ein Engagement beim Stadtklub – es sollte der bis dato teuerste Transfer in der Geschichte des Schweizer Fussballs werden. Zu dieser Zeit war das unglaublich viel Geld, verdiente doch Stürmers Sturmpartner Seeler beim HSV gerade mal rund 14 000 Mark im Jahr. Was immer noch ein Haufen Geld war, im Vergleich zum Durchschnittsarbeitslohn von 6300 Mark brutto in Deutschland zu jener Zeit.

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Die Zürcher Fans feiern die Europapokal-Helden frenetisch und tragen Stürmer auf den Schultern.

Für seinen damaligen Teamkameraden Gerhard Krug war der Wechsel ein «schwerer Fehler» des HSV. «Mit ihm hätten wir noch jahrelang oben gestanden.» Uwe Seeler pflichtet ihm bei: «Für den HSV, aber auch für mich war es sehr schade, als er dann in die Schweiz wechselte. Das war für die Mannschaft leider eine Riesenschwächung. Und es war ein Fehler des HSV. Aber er hatte sich halt entschieden, und das muss man ja akzeptieren.» Zwar galt Stürmer primär als Vorbereiter Seelers, dennoch erzielte er in 158 Spielen beeindruckende 114 Tore für die Hamburger. Ob der Wechsel ihn um seine Karriere in der Nationalmannschaft gebracht habe? «Das kann schon sein, ja. Herberger hatte immer gerne eigene Leute, die in der Bundesliga spielten. Auf Spieler im Ausland hat er meistens verzichtet», erinnert sich Seeler. Und davon abgesehen, dass der hiesige Fussball auch zu der Zeit nicht unbedingt die grosse Aufmerksamkeit in Deutschland auf sich zog, musste Stürmer ein Jahr lang pausieren, weil der DFB ihn erst für die Saison 1962/63 freigab. So blieb er eine Saison ohne Spielpraxis und konnte sich nicht für die WM 1962 empfehlen. Dabei hatte er sein zweites Länderspiel ausgerechnet im entscheidenden Qualifikationsspiel gegen Nordirland am 10. Mai 1961 absolviert, das 2:1 gewonnen wurde.

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Der Sympathie- und Leistungsträger In seiner neuen Heimat schien sich der erfahrene Spieler von Beginn an wohlzufühlen: «Die Zürcher haben eine junge, technisch gute Mannschaft. Ich glaube, dass ich mich da gut einleben werde. Die Kameraden machen es mir sehr leicht», sagte er in einem Interview des Schweizer Fernsehens nach seiner Ankunft. Mit dieser Bescheidenheit konnte Stürmer auch ein Stück weit das eidgenössische Bild des «arroganten Deutschen» korrigieren, wie es in der Biografie des FCZ heisst. Sein damaliger Mitspieler Rosario Martinelli beschreibt Stürmer nachdrücklich als «ganz feinen Typ. Er war wichtig für die ganze Mannschaft, sowohl menschlich wie spielerisch.» Stürmer wird oft als ruhig und zurückhaltend beschrieben, was der Italiener aber ein wenig anders sieht: «Nein so ruhig war er nicht», antwortet er lachend und fügt hinzu: «Er war immer lustig drauf und hat Stimmung gemacht. Das ist wichtig für die Mannschaft. Aber er hat seriös gearbeitet und auch im Training alles gegeben.» Während die einheimischen Spieler in der Schweiz kein richtiges Gehalt, sondern lediglich Prämien erhielten, wurde den ausländischen Spielern ein monatlicher Lohn gezahlt. Dennoch arbeitete Stürmer parallel zum Spielbetrieb zusammen mit Martinelli

als «Fliegenfänger» für die Sportabteilung der Mister-X-Boutique an der Langstrasse – dank ihrer Beliebtheit sollten sie Kunden anlocken. Später wurde er als zeichnungsberechtigter Prokurist bei einer Zürcher Heizofen-Grosshandelsfirma angestellt. Auf dem Platz hielt der geniale Spielmacher, was er versprach: Er glänzte durch Technik, Torgefahr und Spielverständnis, aber auch durch unermüdlichen Einsatz und mannschaftsdienliches Spiel. Sowohl Sportjournalisten als auch seine Gegner mussten seine spielerische Klasse anerkennen. Der «Sport» bezeichnet ihn im Dezember 1962 als «Spielmacher und Organisator, der zugleich Vollstrecker ist». YB-Trainer Karl Rappan zollte ihm ebenfalls Respekt, indem er Stürmer «im Aufbau wie in der Verteidigung gleich grossartig» fand. Er galt als der beste Söldner in der gesamten Liga. Zusammen mit den jungen Offensivkräften Bruno Brizzi, Köbi Kuhn und Martinelli führte er als rechter Arm des Trainers Louis Maurer den modernen Fussball in der Limmatstadt ein. Mit Erfolg: In der Saison 1962/63 holte der FCZ erstmals seit fast 40 Jahren wieder den Meistertitel. Gerade für die jungen Spieler war Stürmer in dieser Saison eine wichtige Bezugsperson. «Wir haben sehr viel von Klaus gelernt», betont Martinelli. In der darauffolgenden Spielzeit musste man sich in der NLA zwar mit dem zweiten Platz hinter La Chaux-de-Fonds begnügen, dafür rückte die Mannschaft aber sensationell im Pokal der Landesmeister bis ins Habfinale vor. Im Viertelfinale gelang es dem FCZ, die favorisierten Niederländer aus Eindhoven mit 3:1 im Rückspiel im Letzigrund zu schlagen, nachdem man beim PSV zuvor 1:0 unterlegen war. Eingeleitet wurde der Sieg durch ein Traumtor Stürmers, welches «Die Tat» mit Begeisterung schilderte: «Und ein akrobatischer Rückzieher, im


NLA-Legende

Sich-fallen-Lassen abgefeuert von Klaus Stürmer, sauste in die hohe Torecke und landete dort, noch ehe der Schütze des Traumgoals selber am Boden landete.» Im Halbfinale mussten sich die Zürcher dann aber dem Madrider Starensemble mit den Weltklassespielern Di Stéfano und Puskás geschlagen geben. In jeder Hinsicht unentbehrlich Trotz der hervorragenden Leistungen des Deutschen wurde er nach der Saison 1963/64 zu den zweitklassigen Young Fellows Zürich abgeschoben. So ersetzte der Präsident ihn durch einen anderen kostspieligen Star aus dem Ausland, den Schweden Harry Bild. Es scheint unglaublich, dass man einen Leistungsträger, den man auch noch für viel Geld holte, einfach abschiebt. Doch es gab Gründe. Finanzielle. «Das war so eine Vereinsgeschichte», erinnert sich Martinelli. «Klaus wollte wahrscheinlich ein bisschen mehr haben. Und der FCZ wollte ihm das nicht geben, was er verlangt hatte.» Die folgende Spielzeit wurde zur Katastrophensaison für den FCZ, der Abstieg konnte nur knapp verhindert werden. Bild, ein klassischer Stossstürmer, vermochte sich nicht recht einzuleben und verletzte sich auch noch schwer. Vor allem aber merkte man, was man an Klaus Stürmer hatte, als er weg war: «Ins Gewicht fällt, dass Zürich mit Stürmer seinen Konstrukteur verloren hat», schrieb etwa der «Sport» nach einer Niederlage gegen Servette. So überrascht es nicht, dass der Deutsche auf die nächste Saison hin prompt zurückgeholt wurde. Da zu dieser Zeit jede Mannschaft nur einen Ausländer im Kader haben durfte, kämpften Stürmer und Bild in den Vorbereitungsspielen um den Stammplatz. Trainer Maurer entschied sich für den vielseitigeren Deutschen. Und er sollte mit seinem Entscheid richtig liegen. In der Saison 1965/66 gewann der FCZ

erstmals den Cup, noch dazu im Double mit der Meisterschaft. Stürmer war wieder der Kopf, der Angelpunkt der Mannschaft und als Führungsperson enorm wichtig für die äusserst talentierte, aber immer noch junge Zürcher Mannschaft. Martinelli kann dies nur bestätigen: «Er hat allen geholfen, er war ein starker Mann. Ein sehr starker Mann.» In seinem letzten Jahr beim FC Zürich erhielt Stürmer schliesslich den Titel Fussballschweizer, bevor er sich endgültig vom Stadtklub verabschiedete. Er war massgeblich daran beteiligt, die wohl erfolgreichste Ära der Vereinsgeschichte einzuläuten. Nicht nur, dass er in 96 Spielen 58 Tore erzielte, vor allem seine Präsenz auf dem Platz machte ihn unentbehrlich. In den nächsten zwei Saisons versuchte er sich, bereits 32-jährig, noch als Spielertrainer beim FC Grenchen – mit mässigem Erfolg. Beim FC Winterthur liess er schliesslich seine Karriere ausklingen; im Sommer 1970 erklärte er seinen Rücktritt. Das tragische Ende Kurze Zeit später dann der Schock: Diagnose Hodenkrebs. Am 1. Juni 1971 stirbt Klaus Stürmer im Alter von 35 Jahren. Er hinterlässt Frau und Kind. Dabei habe es so ausgesehen, als würde er den Kampf gegen die tödliche Krankheit gewinnen, erinnert sich Uwe Seeler: «Kurz vor seinem Tod haben wir hier in Hamburg noch zusammen gesessen, mit den Spielern von damals. Er war noch guter Dinge und hat sehr positiv gesprochen. Er glaubte, dass er es überstanden habe. Aber das weiss man ja nie so genau.» Der HSV-Legende ging der Tod seines engen Freundes sehr nah: «Es ist sehr, sehr tragisch. Vor allem: Mit 35, das ist schon verdammt hart. Das muss man erst mal verarbeiten.» Auch Martinelli setzte der Tod seines Teamkollegen schwer zu: «Wenn so ein Mensch so früh geht,

das tut weh, das tut sehr weh. Und mir speziell weil er ein guter Freund war. Er war einer der Grössten.» Noch heute spreche er oft von Stürmer, fügt seine Frau am Ende des Gesprächs hinzu. Zu Ehren Stürmers und zur Unterstützung seiner hinterbliebenen Familie wurde ein Gedächtnisspiel der deutschen Weltmeister von 1954 unter der Leitung Sepp Herbergers organisiert. Der FCZ widmete Stürmer gar ein Gedenkturnier, bei dem D-Junioren gegeneinander antraten. Und das nicht von ungefähr: «Er war immer ein Vorbild für die Jugend», so Martinelli. Stürmer war nicht der erste und nicht der letzte deutsche Spieler von internationaler Klasse, den es in die Schweiz zog. Aber es war einmalig, dass ein Spieler mit solchen Fähigkeiten auf dem Höhepunkt seiner Karriere zu einem Schweizer Verein wechselte. Natürlich liess er sich diesen Transfer für damalige Verhältnisse sehr gut bezahlen. Und wäre die Bundesliga zwei Jahre früher gegründet worden, hätte er wahrscheinlich weitere Jahre an der Seite von «Uns Uwe» gestürmt. Aber Klaus Stürmer liess sich die Zeit in der Schweiz nicht einfach vergolden, um dann nach Deutschland zurückzukehren. Während Weltstars wie Karl-Heinz Rummenigge und Günter Netzer ihre Karrieren in der Schweiz ausklingen liessen, knüpfte Stürmer nahtlos an seine vorherigen Leistungen in Deutschland an und konnte den grössten Erfolg, den er beim HSV gefeiert hatte, sogar wiederholen: das Erreichen des Halbfinals im Europapokal der Landesmeister. Und er hat eine der besten Schweizer Mannschaften der Geschichte nachhaltig geprägt – spielerisch und menschlich. Seine fussballerische Klasse und sein sympathischer Charakter machten ihn zu einem der grössten und erfolgreichsten Söldner, die je in der Schweiz gespielt haben.

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Lichte Momente

TERRA INCOGNITA

Text: Mämä Sykora / Bilder: Fabian Häfeli

Liechtensteins Vereine spielen zwar in der Schweizer Liga mit, die Unterschiede sind aber eklatant. Eine Reise durch die Fussballschauplätze im Ländle, wo der Föhn Spiele entscheidet, der Örtligeist lebt und die Spieler zwischen Büro und WM-Quali pendeln.

«W

enn wir jammern, dann jammern wir auf sehr hohem Niveau», sagt Horst Zech, Präsident des USV Eschen-Mauren. Der 71-Jährige sitzt vor dem kleinen Fanshop in der modernen Cafeteria des 2005 ausgebauten Sportparks. Ein perfekt präparierter Hauptplatz, drei Trainingsplätze, ein Kunstrasenfeld, ein Kleinfeld, 12 Garderoben, eine überdachte Tribüne, Platz für rund 6000 Zuschauer. Das ist sehr luxuriös für einen 1.-Liga-Classic-Verein. Heute gastiert hier das Team Ticino U21, es ist das letzte Heimspiel der Saison für den USV. Zum zweiten Mal in Folge wird man sich unter den ersten Vier klassieren. Zum Abschluss der Saison, in der der USV als Cupsieger zum ersten Mal europäisch spielen durfte, wird im VIP-

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Bereich ein Buffet aufgebaut, dazu gibt es Cüpli und Bier. Auf der anderen Seite des Spielfelds bewegen sich die Fahnen der Sponsoren im Wind, die unzähligen Tannen am nahe gelegenen Hang tun es ihnen gleich. Schulterklopfend erkundigt sich ein Besucher nach dem Befinden des «Herrn Präsidenten». «Ich bin zufrieden», nickt Horst Zach. Szenenwechsel: 20 Kilometer weiter südlich liegt der Sportplatz Rheinau des FC Balzers. Eine Tribüne gibt es hier nicht, VIPs auch nicht. An den Festbänken vor der wenig schmucken Ausgabestelle sind alle gleich. Noch eine Viertelstunde ist zu spielen, Balzers rennt gegen den SC Cham verzweifelt einem 1:2-Rückstand hinterher. Mario Frick, 38, langjähriger Serie-A-Profi und jetziger Spielertrainer,

musste sich zur Pause verletzungsbedingt selber auswechseln und kommentiert seither jede Aktion seiner Männer lautstark. Dazwischen redet er beschwörend auf Italienisch auf den Schiedsrichter ein und ärgert sich bei jedem misslungenen Abspiel. Und von denen gibt es zu viele. Am Resultat ändert sich nichts mehr, die 213 Zuschauer verziehen sich schnell. «Es ist der Föhn», sagt Präsident Norbert Foser. «Seit 20 Jahren haben wir nicht mehr bei Föhn gewonnen.» Nun droht der Abstieg aus der 1. Liga. Trotz des Derbysiegs gegen den USV ein paar Wochen zuvor. Milchkuh Vaduz Elf Gemeinden gibt es im Fürstentum Liechtenstein. Acht davon haben einen Fussballklub. Gemäss einer Vereinbarung mit dem SFV spielen diese Vereine seit 1933 in der Schweizer Meisterschaft mit. Die aktuelle Regelung erlaubt nur eine einzige Mannschaft im Profibereich und zwei auf Stufe 1. Liga, darunter gibt es keine Restriktionen. Der stets neu zu verhandelnde Vertrag bietet regelmässig Anlass zu hitzigen Diskussionen. 2009 stimmten die Klubs der Swiss Football League (SFL) nur knapp zu, weiterhin einen liechtensteinischen Vertreter in den Profiligen zu tolerieren. Kleine Vereine waren der Ansicht, der FC Vaduz



Die Angst vor dem Föhn: FC-BalzersPräsident Nobert Foser und Spielertrainer Mario Frick.

nähme ihnen einen Platz weg, für einige sollte er auf den liechtensteinischen Europacup-Platz verzichten und zudem eine höhere Entschädigung für die Meisterschaftsteilnahme entrichten. Der FC Vaduz hingegen bemühte den Vergleich mit der Kuh, die gemolken wird, bis sie keine Milch mehr gibt. Die Zeitung «Vaterland» sprach von «Neid und Missgunst bei den Schweizer FussballBaronen» und von «reiner Geldmacherei», als die geforderten 700 000 bis 800 000 Franken bekannt wurden, wobei die Hälfte durch den Verzicht auf die TV-

Gelder entsteht. Man dachte in Vaduz laut über den freiwilligen Abstieg in die Amateurliga nach. Dabei war und ist der FC Vaduz essentiell für Liechtensteins Fussball. «Das Wichtigste für die Entwicklung unseres Fussballs war die Professionalisierung des FC Vaduz», urteilt Mario Frick. Zeitweise spielten acht Nationalspieler für den Challenge-League-Verein, das ermöglichte der Landesauswahl erstaunliche Höhenflüge. In der Qualifikation für die WM 2006 holte man sensationelle acht Punkte, deklassierte Luxemburg

zweimal und trotzte Portugal ein 2:2 sowie der Slowakei ein 0:0 ab. Es war der Höhepunkt der «Goldenen Generation», die sich für die U16-EM qualifiziert hatte und U17-Schweizermeister geworden war. «Das war das Maximum, das Liechtenstein erreichen kann», meint Frick. Und Nationalgoalie Peter Jehle pflichtet ihm bei: «Nun sind wir auf der anderen Seite des Bergs. Aber auch nicht gerade in dem Tal, in dem wir einst waren.» Jehle debütierte 1998 mit 16 in der Landesauswahl und durfte gegen Aserbaidschan gleich den ersten Liechtensteiner Sieg in einem Pflichtspiel feiern. Damals sei vieles «nicht gerade chaotisch, aber doch flexibler» gewesen. Vielleicht nicht mehr ganz so flexibel wie noch 1982 beim ersten Länderspiel des Ländles gegen die Schweiz. Dieses war nur angesetzt worden, weil Gianpietro Zappa dringend eine Sperre absitzen musste, was damals in Freundschaftsspielen noch möglich war. Obwohl sich das Team erst zwei Stunden vor dem Anpfiff getroffen hatte, unterlag es nur 0:1. In der Folge wurden in Rekordzeit professionelle Strukturen geschaffen, die dazu führten, dass das Fürstentum um die Jahrtausendwende laut Jehle «auf Augenhöhe mit den anderen Nationen» war. Eine vielleicht etwas gar optimistische Einschätzung, aber zumindest hatte man zwischenzeitlich die anderen Zwergstaaten abgehängt und die mittelstarken europäischen Nationen rückten in Sichtweite. «Dann sind die anderen aber nachgezogen, damit ging die Lücke wieder auf. Unsere Ressourcen sind nun mal beschränkt», bilanziert der Torhüter, der im August sein 100. Länderspiel bestreiten wird. So wie die Grossen 1700 lizenzierte Fussballer gibt es im Ländle – also jeder 20. Einwohner ist einer. Diese weiterzubringen ist die Aufgabe des Liechtensteinischen Verbands (LFV). Seinen Sitz hat er in Schaan, keine


TERRA INCOGNITA

«Probleme? Gibt es bei uns nicht»: Horst Zech, Präsident des USV Eschen-Mauren, mit Trainer und Bundesliga-Legende Uwe Wegmann.

zehn Fussballfeldlängen vom Rhein entfernt, der die Grenze zur Schweiz bildet. Hier, im zweiten Stock eines Bürogebäudes, arbeiten fünf Personen Vollzeit daran, die Lücke wieder zu schliessen, die in den letzten Jahren aufgegangen ist. «Wir arbeiten genau gleich wie die Grossen, wir machen nicht weniger als Deutschland», sagt Judith Frommelt, die für den Nachwuchs zuständig ist. «Die Anforderungen von UEFA und FIFA sind die gleichen, auch wenn wir uns nie für irgendwas qualifizieren.» Zu den vier Nationalteams – A, U21, U19 und U17 – kommt beim LFV das «Team Liechtenstein» im JuniorenSpitzenfussball dazu, das sich in jeder Stufe von U13 bis U18 in der Schweizer Liga mit GC, dem FC Luzern oder dem Team Ticino misst. Der Verband zieht die Talentiertesten des Landes – ergänzt um einige Junge aus dem Vorarlberg und dem Rheintal – zusammen und lässt eine ganze Armada von Betreuern mit ihnen arbeiten: Zehn Nachwuchstrainer hat der Verband, jedes Team zudem einen Physio und dazu stehen mehrere Ärzte zur Verfügung. Verlässt ein Spieler altersbedingt das Team Liechtenstein U18, gibt der Trainer eine Empfehlung ab, bei welchem Verein er am ehesten dessen Zukunft sieht. Zum Beispiel eben beim USV Eschen-Mauren. Auf dem Rasen des Sportparks EschenMauren führt der USV schon zur Halbzeit gegen das Team Ticino souverän mit 3:0. Ein heiliger Rasen, schliesslich empfing man hier 1985 Papst Johannes Paul II., den die Gläubigen mit Sprechchören wie « Johannes Paul der Zweite, wir sind an deiner Seite!» feierten. Heute hört man höchstens dann und wann ein «Hopp USV!». Für Stimmung sorgt wenn schon der Stadionspeaker, der bei jedem Tor «Die Hände zum Himmel, komm lass uns fröhlich sein» einspielt, worauf die Zuschauer tatsächlich fröhlich mitklatschen. Einige haben sich sogar die Backen in den Vereinsfarben geschminkt. Die Pause wird mit «What a Wonderful

World» eingeläutet. Die VIPs verköstigen sich mit Lasagne, die man allerdings nicht an den Stehtischen oberhalb der Tribüne geniessen darf. «Keine festen Gegenstände rausnehmen!», mahnt eine elegante Mittvierzigerin mit einem USV-Fähnchen in der Hand. Schliesslich bekomme der Verein eine Busse, wenn jemand vom Verband zur Kontrolle käme. Manfred Fritsche, Chef des VIP-Clubs, kümmert sich persönlich darum, dass niemand hungern muss. Assistiert wird er von drei Damen mit brasilianischem Einschlag und lupenreinem liechtensteinischen

Dialekt. «Unsere drei dunklen Perlen», nennt sie Fritsche. Das sei übrigens nicht rassistisch, er habe extra nachgefragt. Der USV ist der mit Abstand grösste Klub der Region. Um die 300 Junioren kümmern sich 28 ausgebildete Nachwuchstrainer. «Uns beneiden sicher viele Schweizer Amateurvereine», meint auch Trainer Uwe Wegmann. Der Deutsche absolvierte für Bochum und Kaiserslautern 240 Bundesligaspiele und war danach bei Lugano und Vaduz aktiv. Seit fünf Jahren steht er beim USV an der Linie. «Ein super Typ!», schwärmt sein

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Vier Beine, null Punkte: Auch der pelzige Freund brachte dem FC Balzers kein Glück. USV-Stürmer Manuel Giger hat seinen ganz persönlichen Fanklub. Dennoch wechselte er kurz nach dem Spiel zur Konkurrenz nach Balzers.

Präsident, «ein sehr ruhiger Mensch, ohne starke Emotionen. Bei ihm schlägt es nie hoch aus.» Das passe bestens zum USV. Wegmann verbringt denn auch die zweite Halbzeit nahezu regungslos auf der Bank. Als Trainer müsse man ja nicht immer so spektakulär auftreten, sagt er. Zu korrigieren gibt es ohnehin kaum etwas. Sein Team ist den überforderten Tessinern in allen Belangen überlegen. Damit man den Spielern so optimale Bedingungen bieten kann, ist Präsident Zech täglich unterwegs und kümmert sich um Sponsoren und Geldgeber, die sich hauptsächlich aus dem regionalen Gewerbe rekrutieren. Utopische Ziele hat man beim USV trotz des guten Zuspruchs nicht. «Das Ziel heisst 1. Liga Promotion», sagt Zech und fügt an, dass man ohnehin nicht weiter aufsteigen könne, solange Vaduz oben sei. Seine zweite Vorgabe: «Möglichst viele eigene Spieler in die 1. Mannschaft bringen!» Momentan stehen gerade Mal drei Liechtensteiner im Kader. Einer davon ist David Hasler, Nationalspieler, der auf die aktuelle Saison von Vaduz kam. Er soll wieder vermehrt Liechtensteiner dazu bewegen, beim USV anzuheuern. Der Örtligeist lebt Denn um die wenigen einheimischen Talente buhlen alle Vereine aus dem Ländle. Zu Problemen führe dies aber kaum, sagt Uwe Wegmann. «Das ist sehr ungewöhnlich, dass die Vereine so gut miteinander harmonieren. Den Zusammenhalt im Land merkt man jederzeit. Wenn ich da an meine Heimat denke … Im Allgäu reden die Präsidenten der rivalisierenden Klubs nicht miteinander.» Das sei hier nicht immer so gewesen, erinnert sich Mario Frick im kleinen Vereinsbüro des FC Balzers, dessen Wände geschmückt sind mit Wimpeln von anderen Dorfvereinen. «In meiner


TERRA INCOGNITA

Ob DFB oder LFV – für Generalsekretär Roland Ospelt gibt es kaum einen Unterschied. «Die Gegner unserer U17 sind oft schon grösser als ich!»: Die NachwuchsVerantwortliche Judith Frommelt erzählt von beeindruckenden physischen Unterschieden.

Jugend wäre es undenkbar gewesen, dass einer von Balzers zu Vaduz wechselt. Der hätte als Verräter gegolten.» Dieser «Örtligeist» sei zwar immer noch spürbar, er sei aber auch unverzichtbar. «Wenn wir den Örtligeist nicht mehr haben», wirft Balzers-Präsident Foser ein, «dann können wir die Vereine gleich auflösen und einen FC Liechtenstein machen!» Ja, warum eigentlich nicht? «Absolut illusorisch», winkt Frick ab. Jede Gemeinde hege hier den Anspruch, einen eigenen Verein zu haben. Vereint sind die Liechtensteiner offenbar nur dann, wenn sie sich gegen die schlechte Behandlung durch die Schweizer auflehnen. Das «Vaterland» beklagte sich 2005 nach einem VaduzHeimspiel bitterlich über das Transparent «LIECHTENSTNEIN» der Sion-Fans und deren «landesfeindliche Parolen, die eindeutig belegten, dass man einen liechtensteinischen Verein nicht in den Schweizer Topligen wünscht». Und kürzlich schrieb die «sport:zeit»: «Immer wieder – auch in unteren Klassen – hört man Klagelieder über die Schiedsrichterbehandlung liechtensteinischer Mannschaften in der Meisterschaft. Wenn Sie das nicht glauben, fragen Sie einfach die Fussballer

in Liechtenstein, zu denen auch sehr viele Schweizer gehören.» Auch Mario Frick hat das Gefühl, dass Mannschaften aus dem Ländle benachteiligt würden. Weil die Mannschaften aus dem Fürstentum in der Schweizer Liga nicht gern gesehen seien, befürchtete er auch vor dem letzten und entscheidenden Spieltag Schlimmes: Balzers sollte dann beim abgeschlagenen Tabellenletzten Biaschesi spielen, Konkurrent Kreuzlingen gegen das schon für die Aufstiegsspiele qualifizierte Zug 94. Die Angst vor einem «Päktli» der Schweizer ging um. Unbegründet, wie sich herausstellen sollte: Zug siegte, Balzers punktete, Kreuzlingen stieg ab. Damit spielt Fricks Verein auch diese Saison zusammen mit dem USV in der 1. Liga Classic, Gruppe 3. Der FC Balzers setzt vor allem auf einheimische Spieler, die meisten davon sind um die 20. Beim Verband sieht man das gerne, denn für die abgehenden Spieler aus den Junioren-Mannschaften braucht man möglichst weit oben spielende Vereine. Jetzt umso mehr, da der FC Vaduz nach der enttäuschenden letzten Saison drei Nationalspieler aussortiert und durch Ausländer ersetzt hat. Das gefällt auch den Zuschauern nicht. LFV-Generalsekretär Roland

Ospelt: «Je mehr Liechtensteiner beim FCV spielen, desto mehr Leute kommen ins Stadion.» Als die Mannschaft zu SuperLeague-Zeiten vor allem aus Brasilianern, Kroaten und Isländern bestand, «schlug das ziemlich auf die Identität». Es braucht dringend einheimischen Nachwuchs, doch je mehr der Verband für die Junioren macht, so scheint es, desto weniger von ihnen schaffen es bis ganz nach oben. «Die Jungen hier setzen nicht mehr so sehr auf Fussball», meint auch die NachwuchsVerantwortliche Judith Frommelt: «Viele mögen ihn als Hobby, aber legen nicht mehr so einen Ehrgeiz an den Tag. Wenn einem Jungen der Trainer nicht passt, geht er halt zur nächsten Mannschaft, auch wenn das ein sportlicher Rückschritt ist. Viele sind halt verwöhnt.» In einem Land, das gemäss UNO das zweitgrösste Bruttoinlandprodukt pro Kopf hat, in dem die Dörfer noch ein wenig mehr herausgeputzt sind als in der Schweiz, ist nun mal niemand zwingend auf eine riskante Karriere als Profifussballer angewiesen. Würstchen gegen Männer Wenige Stunden vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen die Slowakei im Juni

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Seltenheitswert: Sandro Wieser vom SV Ried ist einer der wenigen Auslandprofis Liechtensteins.

sitzt Peter Jehle auf der Terrasse des Mannschaftshotels in Triesen. Von hier am Hang überschaut man einen beachtlichen Teil des Ländles. Dort unten, in der Ebene am Rhein, wohnen die wenigen, die für eine Nati-Karriere infrage kommen. 36  000 Einwohner hat Liechtenstein, weniger als Köniz oder La Chaux-de-Fonds, davon sind ein Drittel Ausländer. «Es ist eine Eigenheit von so kleinen Ländern», sinniert Jehle, «dass man viel schneller zur Elite gehört.» In den meisten Ländern könne man alleine auf diejenigen Spieler setzen, die den absoluten Biss hätten, im Ländle müsse man die Talente viel mehr hofieren und um sie buhlen. Mehr zu investieren, dazu sind viele nicht bereit. Dies hat in Liechtenstein fatale Konsequenzen. Die U19-Nationalmannschaft etwa wurde aus Personalmangel für die letzte EM-Qualifikation gar nicht gemeldet, die U17 zog sich von der Heim-EM(!) 2010 zurück, weil man nur noch neun Spieler mit dem «richtigen» Jahrgang hatte und deshalb befürchtete, kein kompetitives Team aufstellen zu können. Tatsäch-

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Bei Peter Jehles Länderspiel-Debüt konnte das Ländle die ersten Punkte einfahren. Die «Goldene Generation» tritt aber langsam ab.

lich sind die Nachwuchsauswahlen des Fürstentums mittlerweile wieder meistens ohne Chance. Denn spielen ihre Gegner fast ausschliesslich mit Spielern im maximal zulässigen Alter, müssen die Liechtensteiner drei Jahrgänge zusammenziehen, um überhaupt eine Mannschaft formieren zu können. Die physischen Unterschiede sind eklatant. «Neben den Gegnern wirken Unsere teilweise wie Würstchen», sagt Judith Frommelt. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass die U21-Nati alle ihre bisherigen Spiele verloren hat, der letzte Sieg einer U-Mannschaft 2005 derjenige der U19 gegen Kasachstan war und die U17 ihr letztes Tor vor fünf Jahren erzielte. Torschütze war Sandro Wieser, Mittelfeldspieler, damals 15 Jahre alt. Heute ist Wieser einer der wenigen liechtensteinischen Profis. Sein Weg führte ihn schon mit 13 aus Liechtenstein fort zum FC Basel, wo er alle Jugendauswahlen durchlief. Er wohnte in einer Spieler-WG mit Fabian Frei und Valentin Stocker und hatte anfangs riesiges Heimweh. «Haamwea» heisst das bei ihm. Anfang 2012

wechselte er zur TSG Hoffenheim. Gegen Bayern München kam er zu seinem einzigen Teileinsatz in der Bundesliga, auf diese Saison wurde er nach Österreich zum SV Ried ausgeliehen. Selbst wenn er bis jetzt kaum zum Zug kam auf Profilevel, ist dies für Mario Frick der richtige Weg: «Je mehr im Ausland spielen, desto besser für uns. Auch mit wenig Spielpraxis in der ersten Mannschaft ist der Rhythmus noch immer viel höher, als wenn sie hier bleiben.» Im Gegensatz zu vielen anderen Aufgebotenen sind Nationalmannschaftszusammenzüge für Sandro Wieser «business as usual». Das Morgentraining, das Mittagsschläfchen im Hotelzimmer, abends das Pflichtspiel gegen Profis. Von denjenigen, die vor vielen Jahren mit ihm die Sportschule besuchten und vom Profifussball träumten, wird heute Abend gegen die Slowakei keiner dabei sein. «Die haben nun andere Interessen», sagt er schulterzuckend. Auch deshalb stehen heute viele im Nati-Aufgebot, die für diesen Anlass frei nehmen mussten. Für diese heisst der Alltag Büro oder Bank oder Baustelle, nur ein paar Mal im Jahr


TERRA INCOGNITA werden sie zu Gegenspielern von Xavi, Cristiano Ronaldo oder Modrić. Er sei erstaunt, wie gut diese Amateure jeweils die Defizite ausgleichen könnten auf diesem Niveau, sagt Peter Jehle. «Ich habe grosse Achtung vor denjenigen, die ihre Ferientage opfern, um hier dabei zu sein.» Doch es werden immer weniger. Seinem Jugendfreund und langjährigem Nationalspieler Ronny Büchel etwa – «neben ihm habe ich nach meiner Frau am meisten geschlafen» – wurde es zu viel. Er wird gegen die Slowakei nicht mehr dabei sein. Eskorte für Sepp So kurz vor dem Anpfiff sorgt eine Nachricht auf der Geschäftsstelle des Verbands für Hektik: FIFA-Chef Sepp Blatter will das anstehende WM-Qualispiel besuchen. Im mit Wimpeln, Plakaten und Pokalen übersäten Büro an der Hauptstrasse in Schaan, wo an diesem Freitag Vormittag die meisten Geschäfte geschlossen sind, laufen nun die Telefone heiss, um die Eskorte zu organisieren und dem Gast vom Zürichberg einen standesgemässen Auftritt zu ermöglichen. Vergebens. Kurz darauf

sagt Blatter seinen Besuch doch wieder ab. Mit der Slowakei als Gegner ist man ohnehin nicht sehr glücklich. Judith Frommelt befürchtet, die Männer seien nicht so motiviert, wie wenn es gegen Portugal oder Italien ginge. Und Roland Ospelt weiss, dass die Zuschauer bei Länderspielen nur bei attraktiven Gegnern zahlreich erscheinen, und die Slowakei ziehe nun mal nicht so, auch wenn man da durchaus punkten könne. Wer ist denn eigentlich der Angstgegner von Liechtenstein? «Ganz klar: Malta», sagt Ospelt. Malta? «Gegen die haben wir noch nie gewonnen. Und teilweise unglücklich, teilweise sogar hoch verloren. Traumatisch!» Für heute Abend wünscht er sich bloss keinen frühen Führungstreffer, denn ein solcher würde den Favoriten erst so richtig anstacheln und so lange könne man einem Ansturm nicht widerstehen. «Dann würden wir bestimmt verlieren», ist sich Ospelt sicher. Nach 12 Minuten im Vaduzer Rheinpark schiesst Martin Büchel vom Bayernligisten FC Unterföhring das 1:0. In der 24. Minute scheidet Mario Frick vom FC Balzers verletzt aus und wird ersetzt

durch Franz-Josef Vogt vom Drittligisten FC Buchs. Bis zur Pause ist Liechtenstein die bessere Mannschaft. In der 73. Minute gleicht Ján Ďurica von Lok Moskau nach einer Flanke von Marek Sapara von Trabzonspor aus. Sekunden vor dem Ende wird Sandro Wieser vom Feld genommen, für ihn kommt mit Robin Gubser der fünfte Balzers-Akteur zum Einsatz. Vom USV stand niemand auf dem Platz. Dank einiger Glanzparaden des zwischenzeitlichen FC-LuzernErsatzkeepers Peter Jehle hat das 1:1 Bestand. Für die Slowaken ein herber Rückschlag im Kampf um einen der ersten beiden Gruppenplätze, für Liechtenstein der zweite Punkt. Marek Hamšik und seine Kollegen fahren jetzt erst mal in die Sommerferien auf die Malediven oder Madeira und träumen dort am Strand von der WM und der Champions League, die Liechtensteiner feiern derweil die kleine Sensation. Die meisten von ihnen werden aber schon am Montagmorgen wieder auf der Arbeit erwartet. In Balzers hofft man dann wieder darauf, dass kein Föhn aufzieht.

Das grosse adidas-Quiz ZWÖLF präsentiert in jeder Ausgabe das etwas anspruchsvollere Quiz. Zusammen mit adidas stellen wir euch jeweils eine Frage, für die einschlägige Internetsuchportale mit einer einfachen Abfrage keine brauchbaren Resultate liefern. Wer hier reüssiert, darf sich mit Recht zum erlauchten Kreis der Fussballkenner zählen. Stellt ihr euch der Herausforderung?

FRAGE: Für welchen Verein aus einer europäischen Top-5-Liga erzielte einst ein Schweizer im letzten und entscheidenden Meisterschaftsspiel vier Tore? Seine Treffer konnte dieser Spieler überdies gleich mit mehreren Landsleuten feiern.

Wer die richtige Antwort auf diese Frage weiss, gewinnt dieses Mal mit etwas Glück einen «nitrocharge Team Bag» und ein «adidas Football Tee».

Mitmachen geht so: Email mit der richtigen Lösung an wettbewerb@zwoelf.ch. Einsendeschluss ist der 25. Oktober 2013.

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Rubrik

S Zähni

Transferrekord

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Fast noch mehr als über das Spiel selber wird mittlerweile über Transfers gesprochen. Gerüchte, Ankündigungen, Vollzugsmeldungen, Rekorde. Immerhin fanden im letzten Jahr ja auch 11 552 Transfers von Profispielern statt. Das ist eine Menge. An den Spitzentagen, wenn das Transferfenster schliesst, wird im Durchschnitt alle fünf Minuten ein Wechsel vollzogen. Viele Transfers werden von Spekulationen begleitet über Ablösesummen und festgesetzte Löhne. Dabei gibt es doch eine Institution, die über alles bestens Bescheid weiss. 2007 wurde die FIFA Transfer Matching System GmbH (FIFA TMS) mit dem Ziel gegründet, den Markt transparenter zu machen. Seit Ende 2010 müssen bei einem Transfer die relevanten Daten im TMS hinterlegt werden. 15 Mio. Dollar liess sich die FIFA dieses Tool kosten, das dafür heute alles über jeden vollzogenen Wechsel weiss. Aus dieser unglaublichen Fülle an Daten hat die FIFA TMS nun ein edles Buch zusammengestellt, das Statistiken zu jeder möglichen Frage liefert. Zwischen welchen Ländern wurde am häufigsten gewechselt? Welche Liga holt die jüngsten Spieler? Wie viel kassierten die Spielervermittler? Für welche Spielerposition wird am wenigsten bezahlt? Wie hoch ist das Durchschnittsgehalt von Torhütern in Argentinien? Kein Aspekt wird ausgelassen in diesem Werk, das nur einen kleinen Nachteil hat. Zu den verschiedenen Themen gibt es erklärende Texte, weiterführende Informationen und Erklärungen, tolle Fotos und vor allem jede Menge Grafiken und Tabellen, bei denen Statistikliebhaber gerne verweilen. Nie zuvor wurde das Thema Transfers so minutiös aufgearbeitet wie in diesem 250 Seiten schweren Werk. Das wie gesagt nur einen kleinen Haken hat. Der Anhang bietet noch mehr Details. Da erfährt man etwa, dass die meisten Neuzugänge der botswanischen Liga aus Simbabwe kamen; dass Spieler, die von Zypern ins Ausland wechseln, im Schnitt schon 28 Jahre alt sind; dass ein Drittel der Spieler in Jamaika auf Leihbasis verpflichtet werden; und dass Katar 31,1 Mio. US-Dollar für neue Spieler ausgab und 0 US-Dollar für abwandernde bekam. Kurz: Dieses Buch weiss alles! Wenn da nur nicht dieser eine Punkt wäre … «Global Transfer Market 2012» kostet nämlich exakt 0,025 Prozent der durchschnittlich bezahlten Ablösesumme im Jahre 2012. Und das sind doch noch immer stolze 400 Dollar. Das ist schade, weil so nur wenige in den Genuss dieser umfassenden Arbeit kommen. Sehr schade sogar. Aber von irgendwas muss halt auch die FIFA leben. (syk)

r 108). mer 2013 (Ausgabe Numme So Foot: Spezialausgabe Som www.sofoot.com. Zu bestellen für 11 Euro unter:

FIFA TMS: Global Transfer Market 2012. 250 Seiten, gebunden, mit vielen Grafiken und Tabellen. Erhältlich exklusiv über www.fifatms.com für 400 US-Dollar.

Van Basten sein Es gibt Tore, an die erinnert man sich ein Leben lang. Tore, die man wahnsinnig gerne selber geschossen hätte. An diese Sehnsucht appelliert die App «Score!». Der Name ist Programm, schliesslich geht es um Tore. Um unzählige Tore. Der Spieler arbeitet sich zum Beispiel als erstes durch 20 mehr oder weniger schöne Tore der EM 2012. Er wählt ein Spiel und bekommt zu Beginn schematisch aufgezeigt, wie jener Treffer damals tatsächlich gefallen ist. In der Folge versucht er, die Pässe durch Nachzeichnen der Flugbahn des Balles auf dem Bildschirm genau so zu spielen und das Leder zum Schluss auch in die Maschen zu hauen. Das ist im Amateur-Modus noch einfach, doch schon im Profi-Modus müssen Stärke von Pass und Schuss und das Timing viel genauer stimmen. Als Belohnung winkt die Bonus-Runde, in der eine alternative Möglichkeit des Tores durchgespielt werden kann. So sammelt der Spieler Credits. Diese kann er gegen zusätzliche «Goal Packs» eintauschen. «1980s Classics» etwa, wo man selbstverständlich Van Bastens Zuckertor gegen den bemitleidenswerten Rinat Faisrachmanowitsch Dassajew nachspielen kann. Oder Negretes grandiosen Scherenschlag gegen Bulgarien an der WM 1986. Dazu gibt es «Goal Packs» der

Top-5-Ligen und von vielen internationalen Wettbewerben. Über 500 verschiedene Tore kann man mittlerweile in «Score!» erzielen, und täglich kommen neue hinzu. «Score!» ist eine äusserst unterhaltsame App, die stets dazu verlockt, an der Bushaltestelle wartend noch ein paar Traumtore zu erzielen. Das Spiel ist sehr ansprechend aufgemacht, und die Treffer sind auch in den Wiederholungen aus verschiedenen Winkeln nett anzuschauen. Einige Aufgaben entpuppen sich als echte Knacknuss, so dass man sich nicht selten dabei ertappt, wie man den unsäglichen Innenverteidiger des Gegners verflucht, weil er zum zehnten Mal eine Flanke wegköpft, die eben nicht scharf genug war oder mit zu wenig Effet geschlagen wurde. Wer also ein iPhone hat und auch gerne zwischendurch mal Van Basten, Negrete oder Balotelli sein will, dem wird «Score!» gefallen – zumal es gratis ist. (syk) Score! App für iPhone. Erhältlich (kostenlos) im iTunes-Store.


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auslaufen

ZWÖLF WAR DABEI

zufallstreffer

Wegen der ständigen Unruhe im FCL wird Sportchef Alex Frei bei Geldgeber Bernhard Alpstaeg vorstellig. Das besondere Selbstbild der beiden macht die Kommunikation nicht gerade einfach.

Gesucht: ZWÖLF

Frei: Guten Tag, Herr Alpstaeg. Alpstaeg: Was gibts? Ich brauche keine Versicherung. Frei: Ich wollte Sie fragen, ob wir beim FCL vielleicht … Alpstaeg: Ach so. Bist du der neue Koko? Oder ein zweiter Heinz? Frei: Sie haben doch sicher mitbekommen, dass ich jetzt … ? Alpstaeg: Mimose, Schlafmütze, Paradiesvogel, Robinson, Traumtänzer – sind alle schon vergeben. Wie darf ich dich nennen? Frei: Das geht zu weit. So lässt ein Alex Frei nicht mit sich umspringen. Alpstaeg: Was hat denn Alex Frei damit zu tun? Frei: Ich bin schliesslich Sportchef im FCL. Alpstaeg: Ja, aber was ist mit Alex Frei? Frei: Der FCL hat nach Alex Frei gerufen, und jetzt ist er da. Alpstaeg: Stimmt, Alex Frei. Davon habe ich gelesen. Die Investoren wollten ja einen mit gepflegterem Äusseren. Frei: Eben genau darum geht es mir, um etwas mehr Zurückhaltung mit solchen Aussagen in der Öffentlichkeit. Da kannst du nicht richtig arbeiten. Alpstaeg: Natürlich kann ich das. Und überhaupt: Wie redest du mit mir, du Joggelibueb? Frei: Ich meinte, man kann hier nichts aufbauen, wenn sich einer immer überall einmischt. Alpstaeg: Als Privatperson Bernhard Alpstaeg finde ich diese Vorwürfe völlig an den Haaren herbeigezogen.

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Frei: Eigentlich wollte ich Sie ja fragen, ob das für Sie in Ordnung ist, wenn wir Mladen Petric verpflichten. Alpstaeg: Ich kenne mich da zu wenig aus. Letztlich ist das Sache der FCL-Führung. Die Investoren glauben aber, Alex Frei käme nicht so gut aus mit ihm. Frei: Das ist doch schon längst passé. Wenn Petric wirklich zum FCL will, dann ist ein Alex Frei da professionell genug. Alpstaeg: Da wäre ich mir nicht so sicher. Muss diesen Frei wohl mal selber fragen, scheint ein ganz anständiger Junge zu sein. Ich weiss ja auch nicht, was der FCL plant. Das geht mich ja nichts an. Aber ich gehe davon aus, dass die Investoren am liebsten Kubi hätten. Frei: Murat beschimpften Sie als Wandervogel, der heim zur Mama wollte. Und jetzt fordern Sie Kubi? Alpstaeg: Noch lieber wäre den Investoren natürlich der Rekordtorschütze der Nati. Aber ob der noch einmal will? Frei: Da kannst du als Alex Frei fast nicht Nein sagen zu so einer Anfrage. Alpstaeg: Ich als wer? Ich sage gar nichts. Wer am Ende kommt, entscheidet der FCL. Die Investoren setzen dann bloss den Haken drunter – oder auch nicht. Frei: Dasch emol e Wort.

Wir sind gesucht. Im Internet sowieso. Nun wollten wir aber mal nachschauen, welche Suchbegriffe bei Google eingegeben werden, mit denen die Leute auf unsere Website gelangen. Und wohlgemerkt: Diese Suchenden haben uns dann auch tatsächlich besucht! Eine verblüffende Auswahl: "Ciriaco sforza duzen" "Lucien favre rauchen" "westerloo belgien aachen abstand" "asylanten in der schweiz" "klaus toppmöller angebote" "zeitungsständer kiosk gebraucht" "ultras in bulgarien" "bruno klötzli anästhesie" "zürich management auf höchster stufe" "heinz hermann bilder ibiza" "rasheed altstetten" "Brief an die Redaktion" "fussballer schweiz alien sutter" "390142" "die grössten kundenmagazine schweiz" "Spielerberater werden" "Gilmark holdings" "verschwitzte fussballschuhe" "beste fussball zeitschrift" "ich habe geplant das wenn du nach zagreb kommst das wir da diesen tag an dem du kommst bleiben"

Primera Dings

Wir äusserten bereits in der letzten Ausgabe unsere Bedenken, dass eine derart einseitige Meisterschaft wie die spanische langfristig das Interesse hochhalten kann. Ganz so explizit unserer Langeweile Ausdruck zu verleihen wie die NZZ im Mai bei den Spieltelegrammen haben wir uns dann aber doch nicht getraut.


Smalltalk Der letzte Punktverlust der FCZ-Frauen in der Meisterschaft datiert vom 24. März 2012, die letzte Niederlage vom 24. Mai 2011. Das sind mittlerweile 51 Spiele ohne Niederlage. In der letzten Saison resultierten 25 Siege aus 25 Spielen bei einem Torverhältnis von 145:9. Weltweit wurden 2,53 Milliarden US-Dollar für Transferentschädigungen ausgegeben. Das entspricht dem Bruttoinlandprodukt von Burundi. Mateja Kezˇman ist der bislang einzige Spieler, der in fünf verschiedenen Ligen zu Meisterehren kam. Er holte den Titel in Jugoslawien, Holland, England, der Türkei und mit BATE Borisov in Weissrussland (auch wenn er da nur sechs Spiele absolvierte). Der erlauchte Kreis der Meister in vier Ländern ist dagegen in jüngster Zeit massiv erweitert worden: José Manuel Moreno (Argentinien; Meister in ARG, MEX, CHL, COL), Marco Etcheverry (Bolivien; BOL, CHL, USA, ECU), Deco (Portugal; POR, ESP, ENG, BRA), Jirˇí Jarosˇík (Tschechien; CZE, RUS, ENG, SCO), Arjen Robben (Holland, NED, ENG, ESP, GER), Rivaldo (Brasilien; BRA, ESP, GRE, UZB), Mark van Bommel (Holland; NED, ESP, GER, ITA) und dank des PSG-Titels von 2013 nun auch David Beckham (England; ENG, ESP, USA, FRA), Maxwell (Brasilien; NED, ITA, ESP, FRA) und Zlatan Ibrahimovic (Schweden; SWE, NED, ESP, FRA). Ab 1951 wurde der Thermal-Cup ausgetragen. Die Teilnehmer: FC Baden (CH), SC Baden-Baden (D), Badener AC (Ö). 1952 endeten alle Spiele unentschieden, zum Sieger erklärt wurden die deutschen Badener – aufgrund der meisten zugesprochenen Eckbälle im Turnier. Baden ging das Turnier 1959. Aufsteiger Aduana Stars aus Ghana sicherte sich den Meistertitel von 2010 mit lediglich 19 erzielten Toren in 30 Spielen. Keine Mannschaft der Liga hat in jener Saison weniger oft getroffen. Die meisten Zugänge an Spielern verzeichnete 2012 Brasilien mit 696. Die häufigste Transferbewegung war jene von Portugal nach Brasilien (145). An elf Prozent aller internationalen Transfers ist ein Verein aus Brasilien beteiligt. Die Top-4 der abgelaufenen Premier-LeagueSaison setzten zusammen lediglich 29 englische Spieler ein. Der Vater von Soul-Grösse Gil Scott-Heron («The Revolution Will Not Be Televised», «The Bottle»), Gil Heron, war der erste schwarze Fussballspieler in den Reihen von Celtic Glasgow. Der Jamaikaner mit dem Übernamen «The Black Arrow» wechselte 1951 als Torschützenkönig der North American Soccer Football League nach Schottland, wo er sich aber nicht durchsetzen konnte.

Erfolge sind rar in der tahitischen Fussballgeschichte. 2009 qualifizierte man sich für die U20WM und kassierte gegen Venezuela, Spanien und Nigeria 21 Tore. 2013 spielte die A-Nationalmannschaft als Ozeanien-Meister am Confederations Cup – und traf wiederum auf Spanien und Nigeria (und Uruguay). Dieses Mal gab es gar 24 Gegentore. Von der siegreichen Mannschaft bei der Ozeanien-Meisterschaft spielten gerade mal zwei Spieler im Ausland: Tamatoa Wagemann beim französischen Fünftligisten US Changé und Steevy Chong Hue bei BX Brüssel in der dritten belgischen Division. Dessen Präsident ist übrigens Manchester-City-Verteidiger Vincent Kompany. Bis 2012 hatte RB Leipzig lediglich neun Mitglieder, allesamt Mitarbeiter von Red Bull. Neue Mitgliedsanträge wurden ohne Begründung abgelehnt. Die Mitgliedschaft kostet läppische 800 Euro im Jahr plus 100 Euro Aufnahmegebühr – bei Dynamo Dresden sind es 72 Euro jährlich –, dennoch soll die Anzahl Mitglieder laut eigenen Angaben mittlerweile bei 250 liegen. Das erste Fussballspiel, das live im Fernsehen übertragen wurde, war am 16. September 1937 die Partie zwischen Arsenal und den Arsenal Reserves im Highbury. Die Übertragung dauerte zwar nur 15 Minuten, beinhaltete dafür die Vorstellung jedes einzelnen Spielers und einer kurzen Gesangsdarbietung der Teams. Sieben der zehn Mitglieder des südamerikanischen Verbands CONMEBOL werden nicht mehr in der FIFA-Weltrangliste der Frauen geführt, weil sie in den vergangenen 18 Monaten kein Spiel bestritten haben. Total sind derzeit aus diesem Grund 52 Mannschaften nicht im Ranking vertreten. In den Ligen der Top-100 der FIFA-Weltrangliste gibt es nur vier Vereine, die mehr als die Hälfte der bislang ausgetragenen Meisterschaften für sich entscheiden konnten: Al-Ahly (Ägypten; 36 von 52 Meistertiteln, 66,7 %), Muharraq Club (Bahrain; 32 von 55 Meistertiteln, 58,2 %), Al-Faisaly (Jordanien; 31 von 59 Meistertiteln, 52,5 %) und Olympiakos Piräus (Griechenland; 40 von 77 Meistertiteln, 51,9 %).

«ZWÖLF – Fussball-Geschichten aus der Schweiz» wird von ZWÖLF – Verein für Fussball-Kultur mit Sitz in Bern herausgegeben. ZWÖLF erscheint sechs Mal pro Jahr. Verein und Magazin sind unabhängig. Meinungen von Autoren müssen sich nicht mit jenen der Redaktion decken. Kontakt: www.zwoelf.ch ZWÖLF auf facebook.com/zwoelfmagazin info@zwoelf.ch Herausgegeben von: ZWÖLF – Verein für Fussballkultur Postfach 8951 3001 Bern PC 60-668720-9 Gian-Andri Casutt, Präsident Abonnemente: ZWÖLF – Das Fussball Magazin. E-Mail: abo@zwoelf.ch Jahresabo (6 Ausgaben/48.– CHF) Chefredaktor: Mämä Sykora Stv. Chefredaktor: Sandro Danilo Spadini Redaktion: Silvan Kämpfen, Silvan Lerch, Wolf Röcken, Charles Wey. Autoren dieser Ausgabe: Jürg Ackermann, Peter Balzli, Martin Bieri, Pascal Claude, Gregory Germond, Marc Gieriet, Silvan Kämpfen, Silvan Lerch, Nick Lüthi, Jean-François Tanda, Mämä Sykora, Dario Venutti, Charles Wey. Bild: André Bex (Bildchef), Janosch Abel, Leo Boesinger, Fabian Häfeli, Hannes Heinzer, Rob Lewis (Cover), Zoran Lucic, Ursula Müller, Michael Raaflaub, Emanuel Roth, Samuel Weidmann, Sebastian Wells, Jan Zablonier. Anzeigen: Kilian Gasser Medienvermarktung GmbH Hellgasse 12, 6460 Altdorf, Tel. 041 871 24 46 kg@kiliangasser.ch Simon Zimmerli, zimmerli@zwoelf.ch Tel. 078 623 77 13 Gestaltungskonzept, Art Direction: bex.fm, Badenerstrasse 565, 8048 Zürich André Bex, Visueller Gestalter (FH) www.bex.fm Druck: BULU – Buchdruckerei Lustenau GmbH, Millennium Park 10, A-6890 Lustenau Auflage: 10 000 Exemplare

Die Thrash-Metal-Band «Sodom» sponsert die E-Jugend-Mannschaft von Eintracht Duisburg. Dafür läuft die Mannschaft neu zu den harten Klängen der Band ein und trägt das «Sodom»Logo auf dem Kapuzenpulli.

ISSN Nummer: 1662-2456

Das nächste Heft erscheint Im Oktober 2013.

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