Megafon Nr. 284

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m egafon Nr. 284

Zeitung aus der Reithalle Bern www.megafon.ch

Juni 2005

Preis Sfr. 5.--

mit P R O g r a m m

r o m u h


IM JUNI ENTREE 3 DIE MAUER VON SCHENGEN Editorial

4 DAS INSTITUT: VON DEN ANFÄNGEN Entree SCHWERPUNKT HUMOR 5 VOM SAFT, DER SPASS MACHT Einleitung 7 «ICH MUSS MICH SELBER ERNST NEHMEN» Das Gelächter übertönt andere Reaktionen 9 TIERPARK GOLDAU Bläckmetal 10 «HIER WIRD NICHT GELACHT, HIER WIRD GELITTEN!» Der Doktor mit der roten Nase 12 EINEN WITZ ERFINDEN Lö Trösenbecks (gelungener?) Selbstversuch 13 DER MANN OHNE GESICHT Mysthik im Fernsehen 14 WITZ KOMM RAUS Humor und Geschlecht 15 WENN SICH DAS ABSURDE UND DAS REALE VERMÄHLEN, TRÄGT DER HUMOR SCHWARZ Assoziatives Taumeln in düsterer Nacht 17 SCHWARZER HUMOR IN MEXIKO Lachen beim Totenwachen

IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon Plakat Yumiko & Caudia Umschlag PlanB Bilder Gruselalphabet von Lillian Mousli <http://www.mousli.com>. Druck Kollektiv Druckwelle, Reitschule In dieser Nummer Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Jann Krättli (jak), Heiko Morf (hako), Lisa Strahm (las), Markus Züger (mäz) Urslé von Mathilde (uvm). Redaktionsschluss: 11. Mai 2005 näxter 15. Juni 2005 Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.

INHALT

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BLICK NACH RECHTS 20 RUDOLF HESS ENDGÜLTIG BEERDIGEN NS-Verherrlichung stoppen! INNENLAND 22 UMBRUCH IN DER LORRAINE EIN BLICK ZURÜCK Vom Sanierungsgebiet zum Trendquartier 25 PRAKTISCHE ANARCHIE Anarchistisches Camp vom 5. bis 14. August 26 SCHLUSS MIT DER FREMDENFEINDLICHKEIT Demonstration am 18. Juni 2005 in Bern AUS GUTEM HAUSE 28 EIN BLICK AUF DIE REALITÄT «Keine Sonderrechte für die Reitschule» Abstimmung im November 2005 29 VORPLATZ-MASSNAHMEN EN DETAIL Gemeinderatsbericht zur Reitschule 30 RFP: ENDLICH ERP FÜR DIE REITSCHULE Die Jungfreisinnigen wollen helfen KULTUR ET ALL 32 AUF UND AB EINES ZEICHNERLEBENS Flix: Held 33 SCHEIBEN VON REVEREND BEAT-MAN Hört - natürlich - Rock’n’Roll 34 PROGRAMM KINO DACHSTOCK TOJO SOUS LE PONT I FLUSS FRAUENRAUM 42 KREUZUNGEN


C.A. FESTGEFAHRENSTE FOLGE

diese Folge wird Ihnen präsentiert vom Komitee «mehr Freiheit für Schienenfahrzeuge»

Alles wäre so vollkommen aufgegleist gewesen. Das Ziel war bereit, erreicht zu werden, die Richtung dahin bekannt, und die Schienen waren gelegt. Das Signal zur Abfahrt war gegeben, alles war total abgefahren, doch dann kam alles ganz anders. Das war nur der Anfang, sagten die einen, und die anderen meinten: «Das ist das Ende». «Wir sind auf dem falschen Weg» war die eine Ansicht, die andere, dass alle anderen alles falsch machen. Dabei hatte es so gut begonnen: Die Belegschaft hatte den inneren Kreis der breiteren Öffentlichkeit in die Burg eingeladen, um der Ausserordentlichkeit beizuwohnen, dass sie sich offenherzig gab, und die bis aufs Zahnfleisch entblössten Zähne zeigte, damit darüber der Allgemeinheit Bericht erstattet werde. Auf die Geschmacklosigkeit, die von der Belegschaft verlangt wurde, vor versammelter Gemeinde die Hose runterzulassen und den Arsch zu zeigen, gar das unsagbare Angebot, sich densel-

ben wischen zu lassen, als Vorwand, da dann voll reinzutreten, aber mit Vollgas, wurde anstandshalber nicht gross eingegangen. Im Gegenteil: Als wären da sonst keine Aufgaben, wurden die sichtbaren Inhalte mit den schamhaft verhüllten, sonst im Hintergrund gehaltenen, dazugehörenden Tatsachen verbunden, um der Öffentlichkeit Kunde über die Wahrheit zu tun. Wie das kein Mensch mit einem letzten Rest Stolz macht, wurde da aber nicht geflennt, dass der Burg die Mittel fehlen. Es war nie die Absicht, zu betteln. Eher, anständig zu bleiben, entgegenkommend zu zeigen, dass da nichts zu verbergen ist. Und was geschieht? Was ist am nächsten Tag das Bild? Es raschelt im Blätterwald, die Erde erzittert unter tonnenschweren Schritten bis in die Schlagzeilen, und was nach der Rodung des Gehölzes, auf das papierene Produkt daraus gedruckt, in den Berichten an die Öffentlichkeit dringt, ist nicht, dass da Hungerkünstler ihre hohlen Bäuche hergezeigt haben,

um nur einen Eindruck davon zu geben, wie viel heisse Luft sie darüber reden können, warum sie freiwillig hungern. Davon keine Rede, hingegen finden, der Ausgewogenheit zuliebe, die gebot, die Inhalte von Anfang an wegzulassen, sogar die Kommentare der Gegner der Burg, die keine Gelegenheit verpassen, sich als die Sittenstrolche zu zeigen, die sie sind, Platz in der Berichterstattung, dass da nicht genug zu sehen gewesen sei. Gesittet und löblich, wie sich die Burgbelegschaft im allgemeinen verhält, ist deren Reaktion bloss, die breitere Öffentlichkeit, der einmal mehr die ganze, aber wirklich die ganze Wahrheit zu erfahren vorenthalten wird, einzuladen, zu kommen, sich selbst ein Bild zu machen: Solange sie sich sittsam und untadelig benehmen, ist die Burg für Alle offen. Das schon nur zu erwähnen, heisst fast, zuviel gesagt zu haben.

EDITORIAL

DIE MAUER VON SCHENGEN Das Abkommen von Schengen ist kein Vertrag der Öffnung – ganz im Gegenteil. Am 30. August 2004 stand auf dem Alexanderplatz in Berlin eine Mauer. Die Berliner Mauer? Tatsächlich sah sie dieser zum Verwechseln ähnlich, nur kleiner: Zwölf Meter lang, gut drei Meter hoch war das Beton-Imitat, das das Institut für Nomadologie (InNo) gemeinsam mit MitarbeiterInnen der Berliner Geschichtswerkstatt gebaut hatte. Darauf stand: «Niemand hat die Absicht, eine Festung Europa zu errichten», eine Anspielung auf Ulbrichts Aussage vom Sommer 1961, dass niemand beabsichtige, eine Mauer zu errichten – kurz bevor die Regierung der DDR die Grenzen zu West-Berlin absperrte. 1989 fiel die Berliner Mauer, was als politische Öffnung gefeiert wurde. Das Ende einer Welt der Mauern? Ganz und gar www.berliner-geschichtswerkstatt.de/mauern/ nicht, denn gleichzeitig wurden mit dem analyse + kritik Nr. 487, 17.9.2004 Vertrag von Schengen rund um Europa www.ohneuns.ch neue Mauern aufgebaut. Mauern, an denen jedes Jahr Hunderte von Flüchtlin-

gen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, sterben. An der vom InNo aufgestellten Mauer waren Tafeln angebracht, die über den Ausbau des europäischen Grenzregimes, seine konkrete Ausgestaltung an exemplarischen Orten und über die Opfer der inhumanen Abschottungspolitik der Festung Europa informierten. In einem Projektionsraum wurden Fotos und Filme zum Thema Grenze gezeigt. Am 1. September 2004 wurde die Mauer im Rahmen einer Demonstration wieder abgebaut. Dazu hiess es: «Hoffentlich werden auch die Schengen-Mauern so schnell fallen wie die Mauer hier auf dem Alex. Es ist ein Menschenrecht, überall sein Glück zu suchen – nicht nur jenseits der Berliner Mauer.» Gegen die Festung Europa. Und gegen die Festung Schweiz: Demo gegen Fremdenfeindlichkeit, am 18. Juni 2005 um 14 Uhr auf dem Waisenhausplatz in Bern (siehe auch Seite 26). > JAK <

EDITORIAL megafon Nr. 284, Juni 2005

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DAS INSTITUT: ERSTER TEIL – VON DEN ANFÄNGEN Das Institut selbst weltberühmt, durch Männer zu Weltruhm gekommen, von Männern mit Ruhm gebaut und auch den Frauen nicht verbaut. Seit seiner Gründung steht das Institut Frauen und Männern offen. Seit 1855, und das ist in der Tat beeindruckend. Ein wenig der Zeit voraus in Bezug auf das lokale Territorium, wo das Institut seinen Platz bekam. Doch viele Frauen, vorab aus fremden Ländern, aus bürgerlichen und bildungsfreudigen Familien stammend, nutzten das Angebot. Frauen, die hier aufgewachsen und dementsprechend lokalkoloritisch getränkt wurden, blieb dieser Passus des Instituts lange Zeit verborgen. Im Jahre 16 nach der Gründung des Instituts nahm eine erste Dame – aus Russland – ein Studium auf. Gemäss Quellen traten Damen jedoch bereits im Jahre 35 des Instituts grüppchenweise auf. Der Stellenwert des Instituts auf Politik und Gesellschaft ist enorm, es widerspiegelt nicht nur steten Geldfluss respektive Einfluss und Zukunftshoffnung, sondern vermag auch die eine oder andere Rückständigkeit unseres Landes zu erklären. Da ist einmal die späte Einflussnahme der Frau auf die Landwirtschaft zu erwähnen. Was wäre, wenn Lilly Leuthold nicht erst 1925 als erste Schweizerin das Diplom in Landwirtschaft bekommen hätte, sondern schon wie Marie Kowalik (Russland) im Jahre 1877? Müssten wir heute immer noch vom Bauernsterben lesen? Es bleibt offen. Und wir hoffen, dass das Bäuerinnensterben nicht noch mit fünfzig Jahren Verspätung unseren Boden heimsucht. Nachzutragen bleibt die erste Titularprofessorin im Jahre 124 des Instituts.

ENTREE

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Die ungeschriebene Distinktion wird aber durch Titulationen in klare Abgrenzungen überführt. So ist die durch Diploma gefestigte und bestätigte Person, schnell eine Persönlichkeit, die auch in der Pause Anspruch auf eine würdige Kaffee-Audienz besitzt. Das professorale Cafe-Foyer des Instituts mit herrlicher Dachterrasse ist nur höheren Chargen geweiht. Der Speisesaal luftig und alles Glas, die umlaufende Terrasse mit umwerfendem Ausblick auf Stadt, See und Berge. Fürwahr ein Genuss, den auch ich geniessen darf zu gewissen Stunden. Denn die ProfessorInnen ja nicht dort wären wo sie sind, wenn sie die ganze Zeit im Cafe verbrächten, und die Rendite des Cafes geschwind sänke, wenn nicht solche wären, die viel öfter dem Cafe denn ihrem Ort, der Arbeit, die zu tun sie angehalten wären, gedächten. Das Institut beherbergt viele Winkel, Galerien und Magazine. Die unzähligen Schluchten von Bücherwänden sind professionell durch sogenannte Compactus-Anlagen ergänzt. Compactusanlagen sind bewegliche Doppelwandgestelle und das Herzstück einer jeden Bibliothek. In den verlassenen, dem Zahn des Staubs überlassenen Fluchten des Instituts türmen sich dann ein wenig unprätentiös die Kartonschachteln des Archivs. Diese Schachteln, die heute in wohltemperierter Farbe und säurebasisch austariert zu haben sind, und somit auch im Institut Eingang gefunden haben, beherbergen handschriftlich Verfasstes von vielen berühmten und weniger berühmten Professoren und einigen wenigen, bis anhin drei Professorinnen. Über den Grad der Frequentierung dieser zweifellos archvierungswürdigen Schriften gibt es keine genauen Angaben. Verbietet sich doch eine profane Nutzungsquote von selbst, schliesslich ist es das Archiv des Instituts. Obschon, heute, wo die KundInnen

von Jugendtreffs in Sekunden auf Quadratmeter gerechnet werden, um die Stellenprozente, die das alles braucht, zu rechtfertigen, eigentlich ein Anachronismus. Doch eben auch ein Archiv. Im Archiv tummelt dann auch noch allerhand herum, wie zum Beispiel leere Glasbildschächtelchen, schön signiert zwar, aber leer – sie würden sich auf dem Trödel sicher besser machen. Des Weiteren leere Planköcher, ebenfalls zu Hunderten Platz beanspruchend, aber auch selbstgemalte Bilder, militärische Holztafeln im Gedenken an die Kumpanei oder einfach Familienalben noch und nöcher. Und dann denk ich mir, dass im Gesundheitswesen oder in der Sozialpolitik gerne auf Eltern oder Nachkommen zurückgegriffen wird, um teure Genesung zu bezahlen. Und so denk ich mir mal all die lieben Nachfahren der vielen Professoren anzurufen, ob sie eigentlich wissen, dass ihre Vorfahren hier gerne an die fünfzig Laufmeter Compactus beanspruchen, und das in einer Stadt, die nicht billig und auch die Schachteln ab und zu Betreuung benötigen und die Staubmilben auch nicht ganz ohne, und das Putzen schliesslich nur in Handschuhen und mit Staubmasken möglich. Aber eben: Vor lauter Staub vergesse ich dann den grösseren Zusammenhang von diesen Schachteln und endlosen Blättern, die ja schliesslich hier im Institut beherbergt werden, und dass dies nicht vom Kaffeetrinken kommt, und somit auch egal, ob die letzten und nächsten hundert Jahre sich irgendwer ausser den Putzlis mit so zentralen Fragen wie der Archivierung von Wissen im Kleinen wie im Grossen widmet. > HAKO <

Fortsetzung folgt.


EINLEITUNG HUMOR

VOM SAFT, DER SPASS MACHT HUMOR IST EINE WAFFE UND GLEICHZEITIG DIE EINFALLSREICHSTE ART KONFLIKTE ZU LÖSEN. ER POSTULIERT ORDNUNG UND ZUGLEICH IST

ER SUBVERSIVE NORM. GRATIS IST ER UND, WENN EINEM DAS LACHEN NICHT VERGEHT, IN RAUEN

MENGEN VORHANDEN. DER STOFF AUS DEM TRÄUME SIND ODER REVOLUTIONEN?

Eine Fülle von Einteilungen und Begriffen1 verdeckt die Tatsache, dass bis heute ein Konsens, was denn nun komisch ist, noch aussteht. Sinnvoll erscheint einzig dass, was für komisch gehalten wird, abhängt vom jeweiligen Umfeld. Zunächst muss eine komische Konstellation überhaupt als solche erkannt werden. Komik ist als Kontextphänomen zu begreifen und eine allgemeingültige Definition von Komik gibt es nicht.

HUMORIGES? Ein humorloser Diskurs in die Komikforschung: Komik wird oft als das Comic, Running Gag Resultat einer Beziehung des «Präsen(Dauerwitz), Galgenhumor, Ironie, Kabarett, tierten zum Repräsentieren» verstanKalauer, Karikatur, Kar- den, in der ein bestimmter Sachverhalt neval, Komik, Komödie, durch spannungsreiche GegensinnigParodie, Sarkasmus, keit zur Darstellung kommt. ErwarSatire, Scherz, Schwar- tungshaltungen der ZuhörerInnen hinzer Humor, Slapstick, sichtlich der angemessenen PräsentieSpass, Stilblüten, Witz, rung laufen ins Leere und dies erzeugt Schlagfertigkeit – Komik. Gleichzeitig ist das Komische Auflistung nach eine «Gegensinnigkeit, die gleichwohl wikipedia.org unter als Einheit sich vorstellt und hinge«Humor». nommen werden will»2; an dieser Ein2 Helmuth Plessner, heit von Widersprüchlichem erfahre Lachen und Weinen – der Mensch eine Grenze «nicht nur Eine Untersuchung subjektiv als sein Unvermögen, mit der nach den Grenzen menschlichen VerhalSache fertig zu werden, sondern zutens, Müchen 1950 gleich als Struktur der Sache, die es 3 Ebenda verbietet»3. Dies ist für Plessner das 4 Joachim Ritter; Über Wesen der Komik, die durch ihre Ambidas Lachen, Blätter valenz eine Art Grenzerfahrung auslöst. der deutschen PhiloGrundlegend für die Erzeugung von sophie 14, Berlin 1940 Komik ist schliesslich eine befremdli5 Thomas Hobbes; che, irritierende Mehrsinnigkeit. Die Human Nature 6 Henri Bergson; le rire. Kollision geltender Normen oder ihre Verletzung durch Widersprüchliches, Essai sur la significadie Nivellierung des Verschiedenwertition du comique, Paris 1900 gen, der Kontrast von Erzählstil und Er1 Anekdote, Cartoon,

zähltem, von Stoff und Form sind potentielle und häufige Zutaten von Komik. Joachim Ritter, der sich auch damit beschäftigte, meint ein Stoff sei nur dann komisch, wenn an ihm «die geheime Zugehörigkeit zu der ihn ausgrenzenden Welt sichtbar und greifbar» werde.4 Er schlug damit einen neuen Weg ein und kam dem Komischen wesentlich näher als Thomas Hobbes mit seiner Degradationstheorie. Dieser verortete, um 1650, die Ursache für Freude und Lachen in dem eigenen Überlegenheitsgefühl angesichts der Schwäche des Verlachten.5 Das Komische wird nicht vom Lächerlichen differenziert, sondern mit der Lust am Lachhaften verknüpft. Genauso unbefriedigend sind aus heutiger Perspektive die Erklärungsversuche aus der Antike von Platon (Komik des Unverstandes), Aristoteles (Komik des Harmlos-Unzulänglichen) und Cicero (Komik der Erniedrigung). Eine Theorie

will noch genannt sein, die Inkongruenztheorie, die hundert Jahre nach Hobbes auftauchte. Sie gründet auf der Auffassung, der Kontrast sei das entscheidende Mittel von Komik.

BEDINGT LUSTIG Der Blick auf historische und soziokulturelle Faktoren, die den komischen Kontrast bestimmen, eröffnete sich erst seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Mit seiner Formulierung «le rire est le rire d’un groupe»6, fokussiert Henri Begson erstmals auf die soziale Determiniertheit von Komik. Er bleibt der Degradationstheorie soweit verhaftet, als dass er Lachen als Strafe der Gesellschaft gegenüber kontrastiven Aussenseitern auffasst. Wie schon Hobbes formuliert er eine Theorie, wonach auf Komisches mit Verlachen reagiert wird. >

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Im Gegenzug zu dem Beschriebenem, entkräftete Ritter die traditionelle, zeitlose Auffassung von Komik. Seine Ansicht, von einer aus zwei gegensätzlichen Anteilen bestehenden Einheit, die durch innere Spannungen Komik erzeugt, erweitert er um folgendes: «Das Entgegenstehende und Kontrastierende ist im Ganzen des Seins nichts Festes, es folgt jeweils dem, was als Sein und als Wesen gesetzt und verstanden ist.» Angesichts einer traditionellen negativen Besetzung von Normwidrigkeiten meint er, dass diese Gegendarstellung «nichts Feststehendes und absolut genommen Negatives ist, sondern zum Nicht-Seienden an der die Wirklichkeit bestimmenden Substanz wird.»7 Damit liegt die Betonung auf der Abhängigkeit von der geltenden Normalität und dies bedeutet, dass Komik nicht an sich bestimmbar ist.

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ALLES EINS Eine zweite Akzentveschiebung, die mit Ritter erfolgte, war der Einbezug genau der Normen, die festlegen was Entgegenstehend ist. Komik macht den Zusammenhang zwischen dem «Ausgegrenzten mit der durch Ausgrenzung gesetzten Ordnung»8 transparent. So kann die Funktion des Komischen darin gesehen werden, «die dem Ernst nicht zugängliche Zugehörigkeit des Anderen zu der es ausgrenzenden Lebenswirklichkeit sichtbar zu machen.» Das, was uns komisch vorkommt, ist immer Teil der «normalen» Welt. Komik ist für Ritter eine «doppelte Bewegung», die erstens über die geltende Ordnung hinausgeht und zweitens den ausgeschlossenen Bereich in und an dem ausschliessenden Bereich sichtbar macht. Walter Pape spricht diesbezüglich von dem «fremden Blick» der Komik, der eine Distanz zu althergebrachten Vorurteilen schaffe.9 Odo Marquard präzisiert: «Komisch ist und zum Lachen bringt, was im offiziell Geltenden das Nichtige und im offiziell Nichtigen das Geltende sichtbar werden lässt.»10

In den 1970er Jahren wirft Wolfgang Preisendanz ein neues Licht auf die Komik, insbesondere eine kritische Perspektive auf das Komische als Darstellungsmodus. Ihmzufolge tritt der konkrete komische Sachverhalt in den Hintergrund um einem bedenklichen «zynischen, bizarren, makabren, naiven Humor» Platz zu machen. Der Humor bringt seine eigene «komische» Ambivalenz ins Spiel. Im Verlauf der Emanzipation von ihrem einstigen Harmlosigkeitscharakter hat der Humor an Komplexität und Tiefe, aber auch an Zwiespältigkeit gewonnen. Wers lieber lustig hat, blättere weiter, der Bogen spannt sich von Harmlos Heiterem zu Schwarzem und Makabrem – ganz wie es der Schwerpunkt verlangt. > LAS <

7 Ritter, Über das

Lachen 8 Ebenda 9 Walter Pape: Der fremde Blick der Komik. das Vertraute und das Fremde in Komik und Komödie, München 1991 10 Odo Marquard, Exile der Heiterkeit


DAS GELÄCHTER ÜBERTÖNT ANDERE REAKTIONEN

«ICH MUSS MICH SELBER ERNST NEHMEN» BEWUSSTE LACHER SIND NICHT SEIN DING, UND OFTMALS FINDET DAS PUBLIKUM GESCHICHTEN

LUSTIG, DIE ER SELBST TRAURIG FINDET: DER SCHRIFTSTELLER UND GELEGENTLICHE MEGAFONAUTOR PEDRO LENZ IM GESPRÄCH.

In einem dicken Buch in der Biblere steht: «Humor, die vorwiegend heitere Gemütsbeschaffenheit, Stimmung, Gelassenheit inmitten aller Widerwärtigkeiten und Unzulänglichkeiten des Daseins. Die ursprüngliche Bedeutung geht auf die Meinung von Hippokrates zurück, der u.a. davon ausging, die Temperamente der Menschen beruhten auf der unterschiedlichen Mischung von Säften (lat. humores), also den Sekretionsverhältnissen.» (Naja, beim Lachen vermischen sich schon Sachen und manchmal tritt sogar eine Flüssigkeit aus den Augen…) megafon: Weisst du, wie Humor funktioniert?

Pedro Lenz: Zuweilen glaube ich es zu wissen und manchmal habe ich keine Ahnung. Oder was Humor ist?

Für mich ist es eine Möglichkeit, schwere Themen leichter zu erklären/ zu transportieren. Humor entsteht oft, wenn eine Situation eine unerwartete Wendung nimmt. Humor hat auch mit der Bereitschaft zu tun, sich zu öffnen. Wenn ich zum Beispiel Peach Weber sehe, dann bin ich nicht bereit, mich zu öffnen, so muss ich bei seinen Witzen auch nicht lachen, hingegen bei Dürrenmatts Stücken oder Max Havelar (der vom Lustigen Dienstag) lacht es mir von selbst. Es gibt Leute, die wollen einen quasi erpressen zum Lachen – ich mag diejenigen lieber, die so tun, als sei es ihnen ernst, wie Buster Keaton, der selbst nie lacht, der mich aber ständig zum Lachen bringt.

Musst du dazu den Humor analysieren?

Ja, natürlich überlege ich mir, wer wann warum lacht, aber manchmal bin ich selbst überrascht darüber, wie der Humor funktioniert. Es gibt Texte, die ich ernst meine, die aber grosses Gelächter auslösen. Das ist allerdings gut so, denn ich will den Leuten ja nicht vorschreiben, wann sie zu lachen haben und wann nicht. Du bist Verfasser von humorvollen Geschichten. Du präsentierst deine Geschichten live,in Buchform und als CDs. War es eine Entscheidung, dass du humoristische Texte schreibst oder ist es dir so passiert?

Das habe ich mir noch nie so überlegt, aber wenn ich eine Lesung oder einen Auftritt habe, ist das Gelächter im Publikum eine der direktesten Reaktionen. Die Gefahr dabei ist, dass ich andere Reaktionen, wie staunen oder mitfühlen, unterschätze, weil sie für mich auf der Bühne nicht hörbar sind. Das bedeutet für mich, dass ich manchmal der Versuchung widerstehen muss, immer noch mehr Gags einzubauen. Mein erstes Buch war ein Gedichtband und bei den Lesungen wurde mir bewusst, dass viele Texte Gelächter auslösten – dies war nicht so geplant. Ich habe allerdings gemerkt, dass die Leute die Inhalte trotzdem ernst nehmen und die Bereitschaft zum Zuhören viel grösser ist, wenn zwischendurch Humor aufscheint. Ein Beispiel für einen Text, den ich selbst sehr traurig finde, den das Publikum aber meist mit Gelächter aufnimmt, ist das Gedicht «Liebhaberbühne» aus meinem Buch «Die Welt ist ein Taschentuch» . Das Gedicht lautet so:

Liebhaberbühne Eine Theaterprobe in einem Wirtshaussaal, an einem Winterabend im Mittelland. Ein Laiendarsteller, nicht eigentlich dumm, bloss anders begabt, geht auf die Bretter und ruft: Eine Hobsbotschaft! Eine Hobsbotschaft! Und die anderen hobsen vor Freude hobsen vor lachen. Hiiob heisst er, Hiiiob!, belehrt einer. Hi oder hopp, ich will sowieso nicht mehr, sagt der Ausgelachte und geht ab. Macht es dich heiter, humoristische Texte zu schreiben?

Im Unterschied zu anderen AutorInnen, die glauben, man müsse beim Schreiben leiden, möchte ich mich schon auch amüsieren. Wenn mir bei einer Geschichte ein Dreh einfällt, der etwas ins Absurde führt, muss ich manchmal selbst lachen. Mir fällt dazu gerade etwas ein: Bei der Fontäne auf dem Bundesplatz hörte ich einmal eine Frau sagen, das sei auch für die Kinder interessant, von dort habe ich den Gedanken weitergeführt und eine Geschichte geschrieben, bei der es dann heisst: So lernen die Kinder auch gleich noch, wie ein Geysir funktioniert, und ein solches Zusatzwissen könne bei der Lehrstellensuche die entscheidende Differenz aus>

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machen, deshalb sei die Fontäne auch nützlich für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Das Thema steigert sich vom Banalen ins Absurde. Alles ist «zeitlich» bedingt, je nach Zeit ist etwas anderes humoristisch, macht aber das gleiche mit dem Menschen. Was ist Humor für dich?

Pedro Lenz: Die Welt ist ein Taschentuch, Gedichte, Bern: Verlag X-Time, 2002. ISBN 3-909990-08-8, 88 Seiten mit Illustrationen von Karoline Schreiber und einem Nachwort von Roland Maurer.

Humor kann natürlich sehr vieles sein. Für mich sollte Humor auch immer das Lachen über sich selbst beinhalten. Ausserdem soll Humor auch befreiend wirken. Ein Tyrann beispielsweise lässt sich mit Humor oft besser und wirkungsvoller demontieren als mit Gegenargumenten. Deshalb wurden und werden HumoristInnen in Diktaturen immer sehr streng zensuriert. Wenn ich nicht über mich selbst, sondern über andere lachen möchte, ziele ich lieber auf die, die mehr Macht haben als ich. Parodie und Satire sind wunderbare Werkzeuge, um den Mächtigen die Masken vom Gesicht zu reissen. Kannst du feststellen, in was für eine Richtung der Humor in diesem politisch unsozialen, fremdenfeindlichem Klima geht?

In den Stand-up Comedies am Fernsehen oder in manchen Kolumnen ist es wieder salonfähig geworden, Witze

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über sozial Schwächere zu machen. manche Leute argumentieren damit, dass sie sich von den politisch Korrekten nichts vorschreiben lassen. Das liegt alles auf der Linie Mörgeli-Weltwoche-Köppel etc. Dennoch dünkt es mich sehr billig, über diejenigen zu lachen, die selbst nichts zu lachen haben. Der Rechtsrutsch in der Politik spiegelt sich auch in der Humorszene wieder. Deine Arbeit bedingt ein Publikum, doch als Schriftsteller arbeitest du alleine. Wie weisst, du was ankommt?

Gerade weil das Schreiben eine einsame Arbeit ist, ist mir das Auftreten wichtig. Oft lese ich Texte, die noch gar nicht ihre definitive Form haben. Das Publikum an Lesungen ist ein unbestechlicher Gradmesser. Lese ich einen unfertigen Text meinen Bekannten vor, kann ich nicht wissen, ob ihre Kritik wirklich ganz offen ist. Bei einem Lesungspublikum ist dies eben anders. Platzierst du Lacher?

Ich selber platziere in der Regel keine, weil mich dünkt, die Leute würden das merken und sie würden sich dem Spiel mit der Zeit verweigern. Da wären wir wieder beim aufgezwungenen Humor. Es ist mir wichtig, nicht jeden Gag, der mir einfällt, gleich einzubauen. Wenn etwa jemand einen Namen hat, den man leicht verballhornen kann, dann muss ich das nicht auch noch machen: «Herr Schwarz, ich sehe schwarz» oder so ähnliche Spässe erscheinen mir zu plump.

Ich muss mich selber ernst nehmen, dass ist der Massstab, der mir zur Verfügung steht. Die durchschnittliche Auftrittszeit, einen Text zu lesen, ist relativ kurz. Unterstreichst du den Humor mit dem Körper und der Sprache?

Ich habe mir angewöhnt, beim Lesen eine Rolle zu spielen, die mir sehr nahe ist. Das heisst, ich spiele mehr oder weniger mich selbst. Würde ich zum Beispiel verschiedene Rollen spielen: Bauer, Büezer, Professor, Tunte, etc., dann würde es schnell wie ein schlechtes Schultheater wirken, weil ich kein ausgebildeter Schauspieler bin. Bleibe ich dagegen nahe bei meiner eigenen Person, bleibt die Konzentration beim Inhalt und die Wirkung hält länger an. Wieso soll er anhalten, der Humor?

Ich vermute, dass Humor ein gutes Mittel gegen Verbitterung ist. Ich meine nicht Spassvogelhumor, sondern Humor, der auch die eigene Person einschliesst. Oftmals kann Humor eine festgefahrene Situation auflösen. Ich danke dir für das Gespräch.

Bitte sehr.

> UVM <


BLÄCKMETAL

TIERPARK GOLDAU 08:15 am. Elsi schleicht sich leise in die Küche. Sie legt eine CD mit Teufelsmusik in die Stereoanlage. Sie dreht voll auf und röhrt lautstark mit: «Test me… I'm the ambassador of pain, I rule all those who oppose. Test me… I'm the ambassador of pain, I crush all those who oppose.» Die schlafenden Mädchen schrecken aus ihren weissen Laken, betreten betreten die Küche und schütteln die Köpfe. «Du, Else, Du hast echt eine Meise sitzend in deinem kranken Oberstübchen», sagt Tina Tiger. Die Gazelle kann sich nach zwei Tracks für Blackmetal erwärmen, sei es auch nur aus professionellen Gründen. Sie fragt, ob sie die Scheibe borgen kann, um den menschenverachtenden Lärm bei Beizenschluss in der Roten Drossel abzuspielen. «Eh, gäu, zum die huere Süffle use z bäse.» So in etwa stellen wir uns das vor: Gazelle, klein und fein, steigt auf einen Stuhl und schreit: «So ihr versoffenen Schnapsspatzen, bewegt eure durchtränkten Hängeärsche aus diesem Gasthaus! Ansonsten gibts hier eine universelle Metzgete («universal butchery»)! Jawohl! No mercy, no no, nei merci! Use hie, sonst werdet ihr allesamt gesalbt im Sakrament der Ziege… (eingespielt wird zum Beispiel The Fury von Decapitated). Nuja, manche dieser Bläckmetalisten produzieren nebst beachtlichem Tempo und Technik auf ihren Instrumenten vor allem einen Haufen Krach, sind bleich und schauen mürrisch drein. Ihre Lyrik ist wüst und hasserfüllt. Doch auch wenn ihr Lifestyle abgefahren scheint, sind sie im Innern genauso bieder wie der Rest der Welt: Anstatt Karnickel züchten sie halt Fledermäuse. Sie neigen zu Dramatik (wie andere Leute auch) und weisen eine Besessenheit mit Blut, Tieren, Religionen und Gewalt auf (wie andere Leute auch). Lyrisch wirkt sich diese Manie etwa so aus: «Bleed for me»… «Fukk the blood of Christ», «the goat of Fukk» usw… Die Bläckmetalisten gehen am Wochenende mit ihren Kindern

in den Tierpark Goldau und kriegen hinterher einen grossen Hass auf die vielen Kleinfamilienkombifahrer, die fehlenden Parkplätze, die kleinen Gehege mit den niedlichen Ziegen, Schweinchen und Häschen. Dann schreiben sie diese Songs. Und wenn Bläckmetal-Daddy mit dem kleinen Lucifer den Samstagnachmittag im Tierpark Goldau verbringt, passiert folgendes: Der kleine Lucifer fängt nach drei Stunden Kleintiere angucken an zu schreien, er wolle einen Fledermauskompott, und zwar subito. Aber im Selbstbedienungsrestaurant des Tierparks Goldau gibts kein Fledermauskompott, sondern nur Apfelstrudel. Und dann fängt der kleine Lucifer an zu röhren, etwa so wie Daddy an seinen Gigs und Daddy sagt: «Nicht doch Luci, sei nicht so ein Fury und mach diesen ollen Geisslipark nicht zu einem deiner saudummen Infernos, gopf!» Doch Luci macht ein diaboli-

sches Gesichtlein und schreit: «ICH WILL FLEDERMAUSKOMPOTT, sonst gibt’s hier eine RIESENMASSAKER, the blood of the swans und so! Und die Geissen mach ich auch fertig!! Und diesen ganzen FILTH OF MANKIND in dem Scheiss-Goldau werde ich in ihrem eigenen Blut ersäufen und und und…» Und dann fängt Luci bitterlich an zu heulen und Daddy muss ihn in den Arm nehmen und versprechen, zu Hause kriege er so viel Fledermauskompott, bis ihm die Fledermäuse aus den Ohren flattern. Und dann gehen Daddy und Luci noch einmal zum Gehege mit den jungen Geisslein und Luci schluchzt leise, streichelt ein Geisslein und sagt: «I will drain your soul dort drüben im Ententeich, liebes Geisslein. Go to hell, fuck, fuck, fuck off.» Dann steigen sie in ihren Kombi und fahren heim. > ELSA FITZGERALD <

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DER DOKTOR MIT DER ROTEN NASE

«HIER WIRD NICHT GELACHT, HIER WIRD GELITTEN!» MARCEL BRIAND BESUCHT BERUFLICH ALTE MENSCHEN IN PFLEGE- UND ALTERSHEIMEN. DAMIT

DIESE BESUCHE AUCH WIRKUNG ZEIGEN, STÜLPT ER SICH EINE ROTE NASE ÜBER, ZIEHT EINEN MOTTENKUGELNDEN FRACK AN UND KURBELT AN

SEINEM ALTEN TRICHTERGRAMMOPHON. DER BEGEGNUNGS-CLOWN ERZÄHLT VOM WAHREN TRAUMJOB: DEN MENSCHEN FREUDE ZU BEREITEN.

megafon: Marcel Briand, was macht ein Spitalclown?

Marcel Briand: Da ich Alters- und Pflegeheime, Behindertenheime und gerontopsychiatrische Institutionen, jedoch selten Spitäler besuche, nenne ich mich nicht Spitalclown sondern Begegnungs-Clown. Denn darum geht es: Ich möchte den Leuten dort begegnen und mit ihnen auf einer emotionalen Ebene interagieren. Da bietet sich der Clown an. Mit einer roten Nase im Gesicht und einigen Clownrequisiten begann ich, diese Institutionen zu besuchen. Heute verkleide ich mich immer weniger als Clown – die Clown-Show steht zunehmend im Hintergrund, die direkte Begegnung mit den Menschen wird dagegen immer wichtiger.

schieren, als einer, der – entgegen der Arbeitsroutine – alles umkehrt. Ich versuchte, die Beziehung zu den PatientInnen anders zu gestalten, ihre emotionalen und basalen Empfindungen zu reaktivieren. So legten wir etwa für die PatientInnen in Rollstühlen Hochbeete mit Blumen und Kräutern an, damit sie den Duft dieser Pflanzen riechen konnten. Auf meiner Suche nach einem anderen Zugang zur Pflege lernte ich: Lachen ist gesund. Etwa 1999 habe ich als Begegnungs-Clown begonnen. Heute bin ich selbstständig erwerbend, besuche Institutionen und Personalanlässe und gebe Seminare zum Thema Humor in der Pflege. Dabei vermittle ich auf praktische und spielerische Weise therapeutische Aspekte des Humors. Du spielst den Clown auch für das Pflegepersonal?

routine und die Stimmung verändert sich. Dabei bin ich immer wieder erstaunt, wie offen die Pflegenden und die Insassen für solche Veränderungen sind. Leider wird dann aber schnell auch wieder Montag im Betrieb und das Tagesgeschäft ruft. Damit positive Veränderungen nachhaltig sind, muss ich eine Institution meistens mehrmals besuchen. Sind deine professionellen Kenntnisse im Pflegebereich eine Bedingung für die Arbeit als Begegnungs-Clown?

Meine Berufserfahrung in der Psychiatriepflege ist ein Vorteil aber keine Bedingung. Viele Clowns im Pflegebereich, so zum Beispiel jene, die eine Ausbildung zum Gesundheitsclown machen, habe ihre Wurzeln in der Kunst und der Schauspielerei. Die bieten den PatientInnen manchmal TopShows. Ich dagegen bin als Clown technisch nicht so begabt, aber ich kenne die Situation der Menschen in den Institutionen und kann mir schnell einen Überblick verschaffen.

Mir ist es egal, ob ich es sich um HeimbewohnerInnen oder um das Pflegepersonal handelt. In erster Linie sind in den Institutionen Menschen, ob sie nun in der Küche arbeiten oder im Heim wohnen und gepflegt werden. Es geht Wie bist du Begegnungs-Clown mir darum, dass diese Menschen wähgeworden? rend meines kurzen Besuchs eine Verfolgt deine Arbeit als Ich arbeitete 15 Jahre als «Kranken- glückliche Zeit haben. Begegnungs-Clown therapeutische Zwecke? schwester» und kenne mich im PflegeIch vermeide den Begriff «therapeuund Psychiatriebereich aus. Der Pfle- Und du zeigst dann dem Pflegetisch». Therapeutische Arbeit beinhalgeberuf war früher eher technisch, personal, was lustig ist? Zur Person: umfasste Grund- und Behandlungs- Ich höre immer wieder: Humor hat man tet für mich eine klare Vorstellung von Marcel Briand, 1967 pflege wie waschen und verbinden. oder hat man eben nicht. Das stimmt Prozess und Zielsetzung. Meine Arbeit geboren, ist PsychiaWichtig war, «etwas zu machen» und teilweise, aber man kann sich auch als Clown wird dagegen vom Unvorhertriepfleger und Clown. machen hiess zum Beispiel: Die Beine konzeptionell und theoretisch mit Hu- sehbaren bestimmt. Zusammen mit Am Humortag ist er mit waschen. Ich habe bettlägerigen Men- mor auseinandersetzen. Ich selbst set- den HeimbewohnerInnen entsteht das seinem Humormobil schen die Beine jeden Tag gewaschen, ze mich heute viel ernsthafter mit Hu- Programm. Vielleicht tanzen wir, vielden ganzen Tag in einer leicht albern wir herum oder der habe dutzende sauberer Beine gewa- mor auseinander als früher. Institution unterwegs. Clown-Doktor macht so komische Blödsinn. Das Gealso eine ganze Personalschen. Ein fertiger Wenn Für einen Clown setzt spräch mit den PatientInnen galt dage- abteilung ein Seminar über Humor in Untersuchungen. Da setze ich mir kein er sich überraschend der Pflege besucht – dann bewegt das Ziel, dass etwa in zwei Stunden alle zu seriös und ernsthaft mit gen nicht als Arbeit. Irgendwann reifte die Idee, als ein etwas im Arbeitsalltag. Zum Beispiel lachen haben. Meine Arbeit bezeichne dem Thema Humor auseinander. Anderer in die Institutionen zu mar- ist mir aufgefallen, dass in vielen Insti- ich nicht als therapeutisch, aber was tutionen die Aufbahrungshallen per- sie auslöst, ist heilsam. Ich bin übersönlicher eingerichtet sind als die zeugt, dass Humor und Lachen einfach Personalräume. Dezente farbige Be- gesund sind und dass ein humorvolles SCHWERPUNKT leuchtung in den Personaleingängen, Betriebsklima gegen beruflichen Burnmegafon Nr. 284, Juni 2005 10 kleine Veränderungen in der Alltags- Out vorbeugt.


Was findest du lustig?

Ich bin nicht unbedingt ein lustiger Mensch, lache selten laut heraus. Komödien finde ich oft nicht so lustig, Comedy im Fernsehen finde ich recht peinlich. Ich glaube, dass sich Humor heute zu stark auf kognitiver Ebene und zu wenig auf emotionaler Ebene abspielt. Guter Humor muss mich berühren, muss mich betroffen machen. Es muss mir warm werden ums Herz. Der Clown Dimitri schafft das auf eine wunderbare Weise – er bringt mich zum Lachen und zum Weinen. Meine Frau schafft das auch. Wie bringst du dein Publikum zum Lachen und zum Weinen?

Ich habe eigentlich kein Publikum, sondern ich sehe in den HeimbewohnerInnen ein Gegenüber. Mein Programm dauert etwa eine Stunde und baut auf fünf Figuren auf. Als erste tritt der Doktor auf. Er macht lustige Untersuchungen und regt mit verschiedenen Utensilien die Sinne der alten Leute an. Als zweites kommt der Hausabwart. Er möchte den Boden wischen, was am Ende für alle Beteiligten in regelrechte Gymnastikübungen ausartet. Der Tänzer dann – tanzt. Danach schlüpfe ich in die Rolle von Roland, dem fadengraden Hilfspfleger mit der Lederjacke. Zuletzt kommt der poetische Clown, der jedem eine Rose überreicht. Innerhalb des Programms improvisiere ich dann je nach Publikumsreaktion. Ich besuche dann jeweils verschiedene Abteilungen in der Institution und trete in den Gemeinschaftsräumen auf, damit es den BewohnerInnen frei steht, zu kommen, zu bleiben und zu gehen. Wie sehen Reaktionen der HeimbewohnerInnen aus?

Die Leute reagieren unterschiedlich – wie im richtigen Leben. Meistens sind sie dankbar, dass überhaupt etwas passiert und dass ihre Langeweile, ihre Einsamkeit, ihr Gefühl der Nutzlosigkeit verschwindet. Sie sind dann im-

mer sehr neugierig. Was hat der Clown in seinem Koffer? Was steckt da alles im umgebauten Putzwägelchen? Da sind viele Dinge zu entdecken. Ein uraltes Grammophon mit Schellackplatten zum Beispiel. Der Clown trägt einen Frack, der nach Mottenkugeln, und eine Federboa, die nach Kölnisch Wasser riechen. Nur schon dadurch läuft bei den alten HeimbewohnerInnen ein ganzer Film aus vergangenen Zeiten ab. Mein Programm führt zur Reaktivierung von Erinnerungen. Dabei erlebe ich grosse Emotionen, bis hin zu Tränen. Dein Clown-Programm ist stark an die Lebenswelt der HeimbewohnerInnen geknüpft?

Das sind Themen, die diese Menschen beschäftigen. Es tut ihnen gut, sich auch mal über den Heimalltag, die dritten Zähne, das Gehörgerät, ja vielleicht sogar über Schmerz und Verlust lustig zu machen. An Personalabenden und an Seminaren führe ich ein anderes Programm, ein reines Bühnenprogramm, auf. Da können sich die Pflegenden über all die Routinen und das ewige Qualitätsmanagement, das sonst ihren Berufsalltag bestimmt, mal so richtig auslassen. Willst du als Clown damit sagen, dass wir Menschen mehr über uns selber lachen sollten?

Selbstironie finde ich sehr wichtig. Sich selber in Relation setzen, ist eine Grundvoraussetzung für gesunden Humor. Es ist ein Übel des Menschen,

dass er sich so ernst und wichtig nimmt. Dabei sollte dem Schwierigen im Leben viel stärker mit Gelassenheit begegnet werden. Die Figur des Clowns kann diese Leichtigkeit des Seins sehr gut transportieren. Humor kann auch verletzen – wenn aus dem Mitlachen zum Beispiel ein Auslachen wird. Wie zeigt sich das in der Beziehung zwischen PflegerInnen und Gepflegten?

Humor kann – wie alles andere auch – missbraucht werden. Gerade im Pflegebereich ist Zynismus ein wichtiger Teil der Verarbeitung. Als zum Beispiel Frau Meier zum hundertfünfzigsten Mal ihre Exkremente an der Wand verstrich und ich als Psychiatriepfleger diese abkratzten musste, konnte ich mich nur durch eine zynische Bewertung von der Situation schützen und distanzieren. Zynismus in der Pflege ist ein heikles Thema. Ich denke aber, dass er zum Beruf gehört. Zynismus ist ein gutes Mittel, hat aber mit Humor nichts zu tun. Heute wird dagegen niemand mehr sagen, dass Humor nicht in eine Pflegeinstitution gehört. Vor zwanzig Jahren war das anders. Da hiess es von Oberschwestern: «Hier wird nicht gelacht, hier wird gelitten. Punkt. Wir sind schliesslich im Spital.» Das ist doch verrückt, nicht? > MÄZ < SCHWERPUNKT megafon Nr. 284, Juni 2005

Weitere Infos: www.nachttopf.ch www.humorcare.ch Iren Bischofberger (Hg.): «Das kann ja heiter werden». Humor und Lachen in der Pflege. Bern u. a. 2002.

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LÖ TRÖSENBECKS (GELUNGENER?) SELBSTVERSUCH

EINEN WITZ ERFINDEN DAS LUSTIGSTE AM HUMOR SIND EIGENTLICH DIE

WITZE. WARUM DEM SO IST, STEHT IN DER ENZYKLOPÄDIE DES INGWERNETZES, DER SO GENANNTEN

WIKIPEDIA: «EIN WITZ (V. ALTHOCHDT.: WIZZI,

WISSEN) IST EIN MÖGLICHST KURZ FORMULIERTER SACHVERHALT, DER DURCH SEINE VERBINDUNG MIT EINEM ABLIEGENDEN GEBIET EINEN – SCHEINBAR UNBEABSICHTIGTEN – DOPPELSINN ENTSTEHEN

LÄSST, SO DASS DAS DURCHSCHAUEN DER POINTE ZUM LACHEN BEWEGT.»

Trösenbeck, immer wieder erpicht, der Welt zu mehr Wissen zu verhelfen, beschliesst, einen Witz zu erfinden. Anleitung dazu gibt es ebenfalls bei Wikipedia-dot-org: «Ein Witz muss zwei Komponenten beinhalten, damit beim Zuhörer der Drang zum Lachen entsteht: 1. Der nicht geschlossene Kreis. Die Botschaft darf nicht direkt, sondern muss indirekt, ‹durch die Blume› ausgedrückt werden. Der Zuhörer muss den Rest der Geschichte im Hirn ergänzen. Beispiel: Was ist der Unterschied zwischen Marx und Murks? Antwort: Marx ist Theorie, Murks ist die Praxis. Dieser Witz ist nicht so witzig. Der Kreis wird vom Erzähler selbst geschlossen. Es fehlt der Gedanke, der zu Ende gedacht werden muss. Wenn man als Auflösung nur sagt: ‹Marx ist Theorie …› und lässt den Zuhörer den Rest selbst ergänzen, wirkt es witziger. 2. Das unerwartete, überraschende Element. Das Lachen entsteht dann, wenn etwas als Auflösung kommt, mit dem man nicht gerechnet hat. Beispiel: Es gab sechs Jahre im Leben von Keith Richards, da hatte er keinen Alkohol, keine Drogen, keinen Sex – danach wurde er eingeschult. Jedermann erwartet, dass Keith Richards irgendwann im Erwachsenenleben mal eine Entzugsklinik aufgesucht hat. Diese Erwartungshaltung entlädt

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irgendeinem Bundesamt tätig und wohl die ganze Woche damit beschäftigt war, die neuesten Witze zu speichern: Kennst Du den Unterschied zwischen einem Arbeitslosen und einem Beamten? Arbeitslose haben schon einmal gearbeitet… Mittlerweile ist das Bundesamt teilprivatisiert worden.

sich mit der unerwarteten Auflösung ‹danach wurde er eingeschult› im Witz.» Offensichtlich ist auch der zweite Witz nicht wirklich witzig, was möglicherweise daran liegt, dass Trösenbeck sich jedes Mal leicht betupft fühlt, wenn über lasterhafte Menschen Witze gemacht werden. Gibt es eigentlich auch Paul McCartney-Witze? Tatsache ist, Witze fordern fast immer Opfer. Besonders lustige Witze sind ja oft gerade deshalb besonders lustig, weil sie gleich mehrere Gruppen, insbesondere Randgruppen, auf die Schippe nehmen, zu denen man selber nicht gehört: Was ist das? Es ist blond und steht zwischen zwei SVP-Politikern? Sicher nicht das Dümmste… Gut, das finden gewisse Leserinnen und Gönner dieses Blattes sicher auch nicht witzig. Und vielleicht handelt es sich bei der Blondine ja um ein Mitglied der Jung-SVP und somit gäbe es bei der Pointe gar nichts zu durchschauen. Apropos SVP: Was ist der Unterschied zwischen Blocher und einem Telefon? Das Telefon kann man aufhängen, wenn man sich verwählt hat...

Wieder daheim besucht Trösenbeck noch einmal das Ingwernetz und findet endlich einen ziemlich witzigen Witz, einen so genannten jüdischen Witz: Grüns ältester Sohn ist, um eine Katholikin heiraten zu können, zum christlichen Glauben konvertiert. Da einem frommen jüdischen Vater nichts Schlimmeres passieren kann, versinkt Grün in tiefer Depression und sperrt sich in seine Kammer. Dennoch geht die Tür auf und ein alter Mann mit weissem Bart tritt ein. Es ist Jahwe: «Warum weinst Du, Grün?» – «Soll ich denn nicht weinen, mein Sohn hat sich taufen lassen!» – «Aber Grün, meiner doch auch!» – «Ja, und was soll ich jetzt machen?» – «Machs wie ich: Mach ein neues Testament…»

Trösenbeck stellt fest, er hat noch immer keinen Witz erfunden. Höchste Zeit also, auf Kneipen-Tour zu gehen und zu rufen: «Erzählt mir einen Witz! Inspiriert mich, denn ich will selber einen Witz erfinden.» Meistens herrscht danach langes, betretenes Schweigen. Die Menschen schauen verstohlen auf ihr Bierglas. Früher war die Welt witziger, denkt Trösenbeck, erinnert sich an seine Kindheit, als er mit dem witzigen Ehepaar, das ihn gezeugt hatte, an Familien- und andere Feste mitgehen durfte. Dort gab es immer den «Tröchni», also einen Mann, der trotz hohem Alkoholpegel trocken blieb und im richtigen Moment einen Witz knallen liess, ohne wirklich den eigenen Schnauz zu heben. Oder es gab den «Lustigen Onkel», das Kompaniekalb, wie er zuweilen auch genannt wurde, der meistens in

Sigmund Freud hatte scheinbar eine ganze Sammlung jüdischer Witze angelegt und 1905 darüber die wissenschaftliche Abhandlung «Der Witz und seine Beziehung zum Unterbewussten» geschrieben. Das Buch liegt schon seit fast anderthalb Jahrzehnten auf dem Stapel der noch zu lesenden Literatur neben der Toilette des Trösenbecks. «Jetzt ist der Moment gekommen», denkt Trösenbeck, setzt sich gemütlich zum Stuhl und liest den Umschlag des Buches: «Der Witz … ist die sozialste aller auf Lustgewinn zielenden seelischen Leistungen. Das Lachen gehört zu den im hohen Grade ansteckenden Äusserungen psychischer Zustände; wenn ich den anderen durch die Mitteilung meines Witzes zum Lachen bringe, bediene ich mich seiner eigentlich, um mein eigenes Lachen zu erwecken.»


MYSTHIK IM FERNSEHEN

DER MANN OHNE GESICHT Da sass ein Teilnehmer in einer Livesendung für stark mystisch veranlagte Personen bleich auf einem fluoreszierenden Stuhl. Die hatten alles in dem Fernsehstudio mit fluorszierenden Möbeln eingerichtet und schon am Anfang der Sendung sagte der Moderator, wenn man hinter den Dingen mehr vermute als deren blosse Zusammensetzung durch weltweit gleichgrosse Atome, dann solle man sich unter www.sowieso melden. Dann streckte er dem bleichen Teilnehmer, dem es nicht besonders gut ging, das Mikrofon vor den Kopf und der erzählte von seiner Überzeugung: Er glaube, dass man nur durch das Lösen

Trösenbeck weiss sofort, was er tun muss. Er will sich bedienen gehen und radelt zu seinem Lieblingskonzertlokal, wo er schon von weitem seine Inspiration kommen sieht. Ein Rock-Konzert später, acht Flaschen vom belgischen Witzförderer Chimay im Blut und einen dicken Kater vor sich, hat er den Witz schliesslich erfunden: Zwei Polizisten stehen vor einem autonomen Kultur- und Begegnungszentrum. Ein Tour-Bus einer amerikanischen Rockband steht falsch parkiert auf dem Trottoir. Sagt der eine Polizist: «Oh, verhudelt, ich habe aus Versehen den Tip-Ex-Stift statt den Kugeler eingepackt. Wie soll ich dem jetzt eine Busse schreiben?» Sagt der andere: «Vielleicht müssen wir mal rein gehen und fragen, ob sie uns den Schwarzen Block ausleihen können…»

Naja… immerhin selber erfunden. Witzige Witze an spam@troesenbeck.com – auch Einladungen an Feste mit lustigen Onkeln sind willkommen. > LÖ TRÖSENBECK <

der einem eigens zugedachten Aufgabe weiterkäme. Dann schwieg er. Und der Moderator lobte ihn ermunternd für diese tolle Auskunft an die sensiblen Zuschauer und Zuschauerinnen und weiter, er solle ruhig weiterreden. Der Bleiche sagte, das Problem sei, dass man zuerst herausfinden müsse, was die konkrete Aufgabe sei. Er sprach viel zu leise und der Moderator musste ihn mehrmals auffordern, lauter zu reden. Er treffe sich regelmässig in einer Gruppe, in dem gegenseitig Bilder ausgetauscht würden. Fotos? Nein, innere Bilder! Solche, die einem während der Sitzung in den Sinn kommen von den andern. Ja, und bei ihm haben sie gesehen, wie er von einem Mann verfolgt wird. Aber einem ohne Gesicht. Und das Besondere ist, dass dieser Mann ohne Gesicht, der ihm nachläuft, so eine Art Spazierstock aus Holz in der Hand hat, aber umgekehrt. Und nur halb so lang. Wie man sich das vorstellen müsse, fragte der Moderator, dem jegliche mystische Veranlagung offenbar abging. Beim Spazierstock sei die untere Hälfte abgesägt und dann hält er ihn umgekehrt wie einen Haken. Und so verfolgt er (der ohne Gesicht) ihn (den mit der Aufgabe).

dem, der ihn da verfolge. Da rutschte der Bleiche auf seinem Leuchtstuhl herum, mit Schweissperlen und schaute die ganze Zeit panisch hin und her und nach hinten. Und dann haben diese Idioten vom Fernsehen nicht Besseres zu tun gehabt, als so einen Mann ohne Gesicht zu präparieren. Einen Assistenten oder Schauspieler oder so. Ist ja auch egal für so einen Job, weil man das Gesicht sowieso nicht sieht. Da kommt also so einer aus dem Backstage ins Studio rein, ganz schwarz angezogen und einfach mit einem riesigen fleischfarbigen Pflaster im Gesicht. Mittendrin. Natürlich sah das irgendwie unheimlich aus. Dann dimmten sie das Licht und liessen Rauch von unten her raus. Der Mann mit der Aufgabe fiel einfach von seinem Stuhl. Fertig. Da war nichts mehr mit Aufgabe lösen. Sie mussten ihn abtransportieren. Und der ohne Gesicht sah gar nicht recht, was los war. Der wankte weiter im Studio herum, so mit ausgestreckten Händen und machte dazu huhu huhu. Auch dann noch, als das Licht schon wieder an und der Notarzt mit den Sanitätern und der Bahre gekommen war. Die haben den einfach vergessen und der sah ja nichts mit seinem Pflaster auf den Augen. Dann lief er noch in den mit der Kamera rein und beide fielen um. Den mit der Kamera haben sie fristlos entlassen, weil er die spannensten Szenen mit dem gestorbenen Teilnehmer und dem Notarzt und dem aufgescheuchten Publikum und das alles voll mit Rauch und den fluoreszierenden Möbeln nicht mehr gefilmt hat.

Der Mann mit der Aufgabe schien total Angst zu haben vor dem Mann ohne Gesicht, was sehr ungünstig war, denn ihm sollte er ja begegnen, um seine Aufgaben zu lösen, sonst würde er ja nicht weiter kommen. Aber er kann gar nicht mehr schlafen, weil der die ganze Zeit das Gefühl hat, der andere kommt jetzt dann gleich, der mit dem Loch im Gesicht. Ja genau, fragte der Moderator, er solle doch mal schildern, wie sich die Das sind irgendwie Deppen, die vom Zuschauer und Zuschauerinnen das Fernsehn. > SANDRA KÜNZI < vorstellen müssten, das Gesicht, von

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HUMOR UND GESCHLECHT

WITZ KOMM RAUS WER SETZT HUMOR WIE EIN? IST HUMOR ETWAS VERBINDENDES ODER AUSSCHLIESSENDES?

EIN BUCH SETZT SICH MIT «HUMOR UND MACHT IN GESPRÄCHEN VON FRAUEN UND MÄNNERN»

AUSEINANDER. UND REGT ZU SUBVERSIVEM AN.

Humor ist selten lustig. Gute Witze sind die Ausnahme. Was unter Humor zusammengefasst wird, sind häufig verletzende und ausschliessende Formen von Kommunikation, nicht selten rassistisch, antisemitisch, sexistisch. Humor ist meist gar nicht so subversiv, wie er aussieht, sondern dient viel öfters der Festigung bereits bestehender Hierarchien. «Das Gelächter der Geschlechter» heisst ein Buch, welches – wie es im Untertitel heisst – «Humor und Macht in Gesprächen von Frauen und Männern» nachgeht. Es ist dies ein von Helga Kotthoff herausgegebener Sammelband, der verschiedene Untersuchungen zu Geschlechterverhältnissen in der Scherzkommunikation vereinigt. Auffallend und erfreulich sind Breite und Unterschiedlichkeit der Arbeiten. So werden Gespräche unter Frauen genauso untersucht, wie Witze in gemischtgeschlechtlichen Runden, die Scherzkommunikation einer Gruppe von Lesben wird angeschaut, «Seniorinnengelächter» wird aufgenommen, Witze von MigrantInnen untersucht, und Humor in der Kommunikation am Arbeitsplatz (Beispiele Psychiatrie, Gynäkologie) ist ebenso Thema wie das Scherzen in Freizeitgesprächen.

Helga Kotthoff (Hg.): Das Gelächter der Geschlechter. Humor und Macht in Gesprächen von Frauen und Männern. Universitätsverlag Konstanz. 2. Auflage 1996

WITZ ALS WAFFE VON OBEN Und die Erkenntnisse? Erstens: Frauen scherzen anders als Männer. Frauen setzen Humor tendenziell solidarischer, sozialer und ausgleichender ein als Männer. Sie machen sich weniger über in Hierarchien tiefer stehende

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lustiger (haben auch weniger die «Gelegenheit» dazu), und machen häufiger selbstironische Witze. Zweitens: Wie einleitend gesagt, Humor dient häufig der Festigung von Machtverhältnissen. In hierarchischen Strukturen sind es vor allem die höher Gestellten, welche Witze machen, und zwar nicht selten auf Kosten der Untergebenen, während Scherze letzterer grundsätzlich seltener sind, sich fast nie gegen Vorgesetzte, sondern häufig gegen Abwesende oder sich selbst richten. Von oben wird Humor häufig benutzt, um tiefer Gestellte zu unterbrechen und auf zutreffende Argumente nicht eingehen zu müssen. Ausserdem verweigern sich Chefs häufiger einem Mitlachen als Untergegebene; und Männer häufiger als Frauen. Höher gestellte lassen Witze eher ins Leere laufen und steigen auf die Kommunikation nicht ein.

BRÜCHIGES SCHERZEN Dieser machtstabilisierende Aspekt des Humors wird in vielen der Texte dieses Buches aufgezeigt. Aus «A Feminist Dictionary» wird folgende Definition von «Humor» zitiert: «Humor = eine verbale Waffe aus dem Arsenal der sozialen Verkehrsformen, die die Funktion hat, Ungleichheiten in Bezug auf Kaste, Klasse, Rasse und Geschlecht aufrechtzuerhalten.» Es ist selbstverständlich richtig und wichtig, dies zu betonen. Schön an diesem Buch ist aber, dass auch andere Funktionen von Humor gezeigt werden. Zum Beispiel die Gruppe von Seniorinnen, die sich über das Zitieren vulgärer Witze eine offenere Kommunikation über Sexualität ermöglicht. Und eine Gruppe von Lesben nutzt das Scherzen, um mit homophoben Angriffen umzugehen. Humor ist nicht nur eine Waffe der Mächtigen, mit Humor kann mensch sich auch wehren. Dabei ist es auch interessant, die beiden Vorworte von Kotthoff – zur ersten und zur zweiten Auflage – mitein-

ander zu vergleichen. Im ersten beschreibt sie Erfahrungen aus ihrer Kindheit und Jugend, wo das Scherzen den Jungen und Männern vorbehalten war. Mädchen und Frauen bewiesen ihren Humor durch Mitlachen im richtigen Moment. Ein äusserst rigides Bild herrschender Verhältnisse. Im Vorwort zur Neuauflage legt Kotthoff ihr Augenmerk mehr auf Veränderungen im geschlechtsspezifischen Einsatz von Humor, erwähnt Beispiele von Gesprächen, wo die Rollen anders verteilt sind, und wo ZuhörerInnen sich gegen sexistische Witze wehren, und sie erzählt von guten – aber wenig anerkannten – Komikerinnen. Ohne die nachfolgenden Erkenntnisse zu Macht im Humor zu relativieren, zeigt sie Brüche in diesen Machtstrukturen auf – und damit auch weitere Bruchmöglichkeiten. > JAK <


ASSOZIATIVES TAUMELN IN DÜSTERSTER NACHT, IN BEGLEITUNG EINES LACHSACKS

WENN SICH DAS ABSURDE UND DAS REALE VERMÄHLEN, TRÄGT DER HUMOR SCHWARZ

ODER: LUSTIG HAT ES, WER TROTZDEM LACHT Stockdunkle, tiefschwarze Nacht. Die eigene Hand vor den Augen ist nicht zu sehen. Von irgendwoher ein hämisches Lachen, wie es nicht nur der hiesigen Kultur eigen ist, in welcher häufig über die Missgeschicke, Schwächen und Unzulänglichkeiten anderer gelacht wird. Ein mechanisches, von einem Lachsack. «Harr Haarrr Haaarrr Harr Harr Harr». Bilder kommen und gehen: Dann befinden wir uns in einem streng geheimen Labor, in welchem an der Übersetzung des lustigsten Witzes der Welt in die Sprache des Feindes gearbeitet wird. Da sich dessen Erfinder Ernest Scribbler, als er ihn sich zum ersten Mal selbst vorgelesen hatte, zu Tode lachte, und auch seither nach Scribblers Forschungen mit der Wiederherstellung der ganzen Wortfolge Beschäftigte, welche zum Teil nur Bruchteilen des Witzes ausgesetzt waren, den Tod und andere bleibende

Schäden davontrugen, wird dabei von verschiedenen Teams an der Übertragung von einzelnen Wörtern gearbeitet. Schliesslich ist es soweit, der britische Geheimdienst, welcher sich des Witzes bemächtigt hat, um ihn im Zweiten Weltkrieg gegen die Krauts einzusetzen, lässt die Soldaten Englands an den Fronten Europas die Deutschen durch die Anzahl ihrer Soldaten, die sich zu Tode lachen, erzittern. Die Engländer in Monty Pythons Sketch «The Funniest Joke in the World» vermitteln den Gegnern folgenden Witz: «Wenn ist das Nunstuck git und slotermeyer? Ja! Beiherhund das oder die flipperwald gersput!» – Zugegeben, sowas stellt jedes Übersetzungsprogramm in den Schatten. Im Türrahmen lehnt André Breton, und weist mit seiner 1939 erschienenen, vom Vichy-Regime in Frankreich verbotenen «Anthologie des Schwarzen Humors» darauf hin, dass sich das Mittel, welches den miesen, kleinen Erdlingen gegenüber ihrem Schicksal, den täglichen kleinen und grossen Katastrophen, den Unterdrückten gegenüber ihren Unterdrückern bleibt: Darüber und über sie lachen zu machen, schon lange im Sprachgebrauch verwurzelt hat. Er hatte schon mit der Beschreibung des ultimativen künstlerischen Aktes, mit einer Schusswaffe auf die Bühne zu stehen, und das Publikum umzumähen, in den ersten «Surrealisitschen Manifesten» (1924) schockiert, was im Slogan: «Wenn ich Kunst höre, entsichere ich meinen Revolver» zusammengefasst, als Zitat überlebt hat. Natürlich hat der Zahn der Zeit an der Schwärze der als Anthologie zusammengezogenen Werke genagt. Selbst die prominent plazierte Satire «A modest Proposal» (1729) von Jonathan Swift, in welcher er vorschlägt, die Pro-

bleme von Verarmung und Überbevölkerung in seinem Heimatland Irland anzugehen, indem arme Leute ihre Kinder zum Verzehr produzieren, über den Eigenbedarf hinaus gar für die Deckung der Bedürfnisse ihrer Herren zeugen sollten, den Vorschlag zu deren Erbauung mit exquisiten Rezepten für die Zubereitung des zarten Fleisches anreichernd, vemag angesichts der Realitäten von Kinderpornographie im Internet und anderswo, der Aufforderungen von Bundesrat Couchepin an die jungen Schweizerinnen und Schweizer, doch bitte Nachwuchs zu zeugen, nur noch bedingt zur Erheiterung zu gereichen. Auf tritt Samuel Beckett, der mit seinem Stück «Warten auf Godot», 1953 in Paris uraufgeführt, die Theaterwelt nachhaltig auf den Kopf stellte. Seine Überzeugung, dass das Komische und das Tragische untrennbar vereint seien, fand in seinen kargen Stücken, in welchen oft ein Hauch von Endzeit und Untergang mitschwingt, kontrastierend mit darin agierenden grotesken Figuren, ihren Ausdruck ebenso, wie in seinen Romanen. Im 1957 uraufgeführten Stück «Endspiel – Endgame – Fin De Partie» befinden sich Hamm, der nicht mehr stehen kann, und Clov, eine Art Diener, der nicht absitzen kann, in einem nicht näher beschriebenen Raum, in welchem in zwei Mülltonnen auch Nell und Nagg weilen, die Eltern, deren zuweilen nervende Dialoge jeweils ihr Ende finden, wenn der Deckel wieder auf die Tonnen gesetzt wird. Dann baumeln wieder die Füsse von Harold ins Bild, der in Hal Ashbys «Harold and Maude» (1971) die ihn verwöhnende und umsorgende Mutter immer wieder mit neuen, noch bizarreren, >

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fingierten Selbstmorden schockiert, um seine Langeweile als Muttersöhnchen zu überwinden. Und eine Gruppe von Schülern steigt in Lindsay Andersons «If …» (1968) auf die die Kapelle umgebenden Dächer von ihrem College, den erfahrenen militärischen Drill endlich umsetzend, mit Maschinengewehren unter Lehrern, Eltern und Angehörigen, die von der Schlussfeier kommen, ein Blutbad anzurichten. In Paris brachen gerade die Studentenrevolten aus. Später befinden wir uns im Auto mit Samuel L. Jackson, der gerade, jeweils mit einem Bibelspruch begleitet, eine Reihe von kleinen Strassendealern erschossen hat, weil sie die Kohle nicht rausrücken wollten, im Auftrag von den Lieferanten. Am Steuer sitzt John Travolta, der nach der Fettkur auf seinen Erfolg im «Saturday Night Fever» vom altbackenen Wunderkind Quentin Tarantino aus der Versenkung geholt wurde, um nicht nur, aber auch mit dieser Szene aus «Pulp Fiction» (1994) neue Grenzen der Geschmacklosigkeit in Sachen Darstellung von Gewalt zu setzen: Mit der Waffe in der Hand von Jackson, mit welcher der einzige Überlebende des Massakers auf dem Hintersitz in Schach gehalten wird, sozusagen als Zeuge der Anklage, ist es eine Bodenwelle auf der Strasse, welche den SCHWERPUNKT

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Schuss auslöst, der ein herbes Durcheinander und grausige Verschmutzungen auf dem Hintersitz verursacht. Die Frage ist dann, ob es solche Bilder sind, die durch die Beiläufigkeit, mit der sie den Übergang vom Leben zum Tod darstellen, dazu beitragen, dass irgendwelche Jugendliche die Achtung vor dem Leben soweit verloren haben, dass sie einen Unbekannten, der ihnen grad kein Geld für ein Bier geben kann, zum Krüppel schlagen, oder ob nicht viel eher Darstellungen wie diese, und andere Szenen bei Tarantino und anderen, welche von einer gewissen Verrohung sprechen, einen Zustand beschreiben, der da draussen existiert. Es werden Leute beobachtet, welche ohne zu zögern einem am Boden Liegenden ins Gesicht treten können, den Effekt davon auch noch mit ihrem schicken Handy fotografisch festhaltend. Da gibt es nichts mehr zu lachen.

Die jeden Tag tausendfach stattfindet, wenn sich die Medien daran machen, Realitäten darzustellen. Die Frage ist nur, wie sie wahrgenommen werden. Es ist nicht das Beiläufige, das zur Sprache kommt, erst das Ausserordentliche, Sensationelle vermag Aufmerksamkeit zu erregen, und das ist selten alltägliche Wirklichkeit, wie, dass jeden Tag Tausende von Menschen an Hunger sterben, aus Mangel an Wasser, als Folge eines der Kriege, die hier und da und dort stattfinden. Unfassbar und entsetzlich, aber kein Mensch kann sich mit darüber lachen der Wahrnehmung dieser Tatsachen entziehen. Erst wer begriffen hat, warum und wie solche Zustände entstehen können, und was dagegen unternommen werden könnte, wird zum Humor finden, der absurden, paradoxen und grausamen Situation zu begegnen, ohne sich gleich aus dem menschlichen Verein zurückzuziehen.

Es ist eine frühkindliche Reaktion, auf das Unfassbare, Entsetzliche mit Lachen zu reagieren. Die Definition des Schwarzen Humors, wie er in der Literatur, dem Drama und in Filmen in Erscheinung tritt, deutet darauf hin, dass grotesker oder morbider Humor dazu dient, das absurde, gefühllose, paradoxe und grausame der modernen Welt darzustellen. Alltägliche Charaktere und Situationen werden weit über die Grenzen gewöhnlicher Satire oder Ironie überzeichnet, mit Mitteln, die Tragödien ausmachen, weshalb oft auch von tragischer Farce die Rede ist.

> SAW < P.S.: Der Plantagenbesitzer fragt einen Sklaven: «Na, Sambo, wie sehe ich denn heute aus?» Sambo: «Ziemlich.» – «Was heisst denn ziemlich?» – «Nun, nobel, Herr, ziemlich nobel.» – «Wie, nobel?» – «Hm. Wie ein Löwe, halt.» – «Wo willst DU denn schon einen Löwen gesehen haben?» – «Da, drüben auf der Wiese.» – «Auf der Wiese? Aber, da auf der Wiese ist doch nur ein Esel!» – «Ist das? Nun, jedenfalls, wie der sehen sie aus, Meister».


LACHEN BEIM TOTENWACHEN

SCHWARZER HUMOR IN MEXIKO IN MEXIKO WIRD DER TOD ZUM LUSTVOLLEN KULT GEMACHT: JEDES JAHR WERDEN AM 2. NOVEMBER

DIE VERSTORBENEN MIT EINEM FEST GEEHRT, AN DEM MEHR GETRUNKEN, GEGESSEN UND GEFEIERT WIRD, ALS GETRAUERT. AN DIESEM TAG, ABER

AUCH IM ALLTAG WIRD ÜBER DEN TOD VOR ALLEM EINES: GELACHT.

Der Tod wird in Mexiko nicht versteckt, im Gegenteil, er ist überall präsent. Wie der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz schreibt, wird der Tod in Mexiko «besucht, gefeiert, zärtlich umarmt. MexikanerInnen lachen mit dem Tod, schlafen mit ihm, er ist ihr Lieblingsspielzeug und ihre beständigste Liebesbeziehung». Wenn wir Octavio Paz beim Wort nehmen, dann ist der «Tag der Toten» also nur die Verdichtung und der Höhepunkt eines alltäglichen Phänomens. Trotzdem hat dieser Tag eine wichtige Bedeutung: Nur dann werden die Verstorbenen von ihren Angehörigen auf dem Friedhof besucht und mit ausreichendem Essen und Trinken versorgt, meistens mit den Lieblingsspeisen der Toten. Dabei hat der Besuch für die (noch) Lebenden eine doppelte Bedeutung: Es ist einerseits der Wunsch da, den Toten zu besuchen, aber gleichzeitig auch der Wunsch, vom Toten besucht zu werden. Dies beruht auf dem Glauben, dass die Verstorbenen genau am 2. November die Erlaubnis bekommen, vom Jenseits ins Diesseits zu kommen und ihre Liebsten zu besuchen. Die Idee, dass die Toten zurückkehren und mit den Lebenden zusammen essen, zeigt, dass die Trennlinie zwischen Leben und Tod in Mexiko durchlässiger ist, als man es vom Katholizismus her erwarten würde. Die traditionellen Speisen zum Festtag verdeutlichen das noch mehr: Brot in Skelettform und kleine Zuckertotenköpfe, auf denen Namen eingeritzt sind. Es kann also durchaus vorkommen, dass man von der besten Freundin zum Totenfest einen Totenkopf mit dem eigenen Namen drauf geschenkt bekommt. Gleichzeitig werden mit den Zuckerköpfen auch selbstkom-

ponierte Verse an andere verschenkt, die sogenannten «Calaveras». Die Geliebte schenkt dem Geliebten zum Beispiel den Vers: «Wer so sehr verliebt ist, und einer Frau den Hof macht, der Dummkopf vergisst, dass er sich in ein Skelett verliebt hat», worauf sich der Geliebte freut und lacht. Der Tag der Toten ist so der beste Anlass, um sich auch über den eigenen Tod lustig zu machen und sich beim Essen von Skeletten und Schädeln den Tod sprichwörtlich einzuverleiben.

CHRISTLICH-AZTEKISCHE VERSCHMELZUNG Schon viel ist darüber gerätselt worden, wie dieses Phänomen nationaler Nekrophilie zu erklären ist und weshalb das Lachen über den Tod so beliebt ist. Der religiöse Aspekt der mexikanischen Todesbräuche wurzelt schliesslich in einer kulturellen Zusammenschmelzung von christlicher und aztekischer Mystik. Einer Verschmelzung, die nicht zuletzt auch ein Ergebnis der Conquista ist. Der christliche Tod bedeutet das Ende des irdischen Daseins, während bei den Azteken der tote Mensch erst mal gänzlich verschwindet und dann zu einem späteren Zeitpunkt entweder als Feuer, Wasser oder Luft auf die Erde wiederkehrt. Menschen zu opfern war demnach keine schlechte Sache, sondern diente den Göttern und der weiteren Existenz auf der Erde. Der aztekische Tod diente also dazu, das Leben vollständig zu machen, im Gegensatz zum christlichen. Während es in den prähispanischen Kulturen keinen klaren Gegensatz zwischen Leben und Tod gab, sondern beide Teile ein zyklisches Ganzes bildeten, war mit der Eroberung Mexikos durch Hernán Cortés erstmals vom Diesseits und Jenseits die Rede. Gemeinsam ist

den beiden Auffassugen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, einfach auf andere Weise. Der aztekische Glaube an die Möglichkeit einer Rückkehr der Toten auf die Erde hat sich aber bis heute am Tag der Toten bewahrt. Die Symbole aber, mit denen die Rückkehr verkörpert wird, kommen klar aus dem dem spanischen Mittelalter: die makabren Totentänze, und die «memento mori» (erinnere dich gefälligst an deinen eigenen Tod).

POLITISCHER HUMOR Abgesehen vom religiösen Todeskult stellt sich trotzdem die Frage, was denn der schwarze Humor bei diesen Ritualen zu suchen hat. Für Octavio Paz wiederspiegelt der Todeskult in seinem Land vor allem die Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber. Er schreibt, dass «der mexikanische Tod der Spiegel des mexikanischen Lebens ist», und er deutet ihn als eine der vielen mexikanischen Masken, die zum eigenen Schutz getragen werden. Der psychologische Teil dieser Interpretation mag vielleicht stimmen. Aber dass der Todeshumor nur mit Lebensmüdigkeit zu tun hat, ist fraglich, denn das Lachen mit und über den Tod ist an sich gar keine so alte mexikanische Tradition. Und vor allem keine, die aus Lebensmüdigkeit entstand, sondern im Gegenteil aus der Lebenslust am Anfang einer neuen politischen Epoche: Der Totenkult befreundete sich mit dem Sarkasmus und makabren Witzen am Ende des 19. Jahrhunderts, im Vorfeld der Mexikanischen Revolution. Nach dem Zerfall des habsburgischen Imperiums war die mexikanische Tagespresse voll von politischen Karikaturen, die sich über die reaktionären und konservativen Kräfte lustig machten. >

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Darin wurden die alten Herrscher meist als Skelette oder Totenköpfe dargestellt, und das nicht zufällig. Einerseits sprachen die Skelette der Politiker auf ihren eigenen, aber auch auf den Tod ihrer Politik an. Der Tod wurde (und wird) in der politischen Kritik als Symbol gebraucht, um Demokratie herzustellen; er kann vielleicht als das demokratischste Element überhaupt gelesen werden, denn sterben tut jeder, auch die Reichen und Korrupten. Der Todeshumor wurde schliesslich aus seinem politischen Zweck heraus salonfähig, strassenfähig und erst dann mit den religiösen Ritualen verbunden. Es erstaunt deshalb nicht, dass diese explosive Mischung von vielen als subversive Kraft angesehen wird.

KOMERZ & KRITIK Der humorvolle Umgang mit dem Tod ist aber seither ein so fester Bestandteil der mexikanischen Populärkultur geworden, dass der Kult auch kommerzielle Ausmasse annimmt. Sogar in Teufels Küche, bei McDonalds, stehen am Tag der Toten Altäre verstorbener Angestellter. Nebst dem Befremden, das Nicht-MexikanerInnen diesem nonchalanten Ungang mit dem Tod oft entgegenbringen, wird deshalb auch in Mexiko selber immer mehr Kritik laut, dass die lustige Totentradition zu folkloristischem Kitsch verkommen sei. Andere, wie der Kolumnist Guillermo Sheridán widersprechen vor allem dem Schriftstellerguru Octavio Paz, und wehren sich heftig dagegen, dass der Tod für alle MexikanerInnen identitätsstiftend sein

soll. Sheridán sagt zum Beispiel, dass er die Zuckertotenköpfe hasse. Er findet sie «als Dekoration hässlich, als Nahrung reines Gift und als Memento Mori wertlos». Auch der Crackliterat Jorge Volpi empfindet sich nicht als «exemplarischen Mexikaner» und «meidet die Friedhöfe». Trotzdem gibt er zu, dass er, «ohne es zu wollen, einen nekrophilen Humor besitzt», und folgert: «Statt dem ärgerlichen Respekt der katholischen Requiemmessen oder der Schlachterei unserer Vorfahren, um nicht zu sagen dem feierlichen Schmerz der Protestanten oder der unmöglichen Langeweile der fernöstlichen Religionen, hat die mexikanische Tradition wenigstens einige Funken Ironie.»

Quellen: De la Guerra, Emilio: Literatura y tradición en las calaveras. Correo del Maestro 102, México: 2004 Paz, Octavio: Laberinto de la Soldledad. FCE. México: 1998 Volpi, Jorge: Día de Muertos. Plaza & Janés. México: 2001

> DINA WILD <

LUSTIG IST ES SCHON KURZ VOR DEM TOD: AUS MEXIKOCITIYANISCHER SICHT Immer wieder komme ich an den Punkt zurück, dass es unmöglich ist, überhaupt über das Lustige am Tod zu schreiben, ohne beim Schreiben selber zu lachen. Es fällt mir ehrlich schwer, das Thema ernst anzugehen. Nun, was ist der Tod für die MexikanerInnen? Ich weiss es auch nicht so genau, aber ich beginne mal mit meinen eigenen Erinnerungen. Lustig ist es meistens schon kurz vor dem Tod, was mich an meinen Onkel erinnert, der vor ein paar Monaten gestorben ist. Vor der Stunde, in der ihn der Totenkopf mitnehmen würde (um es in den Worten der Alten zu sagen), fragte er meinen Vater, ob er eine Nachricht von ihm an meine Grossmutter (die schon ziemlich lange ziemlich tot ist) weiterleiten solle. Mein Vater antwortete, dass er die Nachricht dann lieber selber überbringen werde, worauf beide lachten.

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Ich erinnere mich nun auch an meine Grossmutter und wie sie mich, schon mehr tot als lebendig, mit ihren Halluzinationen zum Lachen brachte, als sie im Krankenhaus lag. Dort starb sie dann auch, und noch am selben Tag gingen wir mit der ganzen Familie ihren Tod beglaubigen. Wie sie so dalag, eingewickelt in ein Leintuch, meinte mein Vater: «Die sieht ja aus wie ein Tamal» (Maiswickel mit Fleisch gefüllt, Mexikanische Festtagsspezialität), worauf alle Anwesenden, auch die Krankenschwestern sich vor Lachen die Bäuche hielten. Danach hievten wir meine Grossmutter in einen Rollstuhl, um sie in den Kühlraum zu fahren, und da die Krankenschwestern schon ein wenig erschöpft waren, bot ich mich als Freiwilliger an. Der Tamal wurde also im Kühlschrank verstaut, was mir grossen Spass bereitete. Als ich später meinen Brüdern von meiner letzten Reise mit Grossmutter erzählte, waren sie alle sehr neidisch auf mich, weil sie das selbst gern getan hätten.

Das war aber nur ein weiterer Anlass, um noch mehr Witze zu machen: «Du hättest sie entführen müssen, mit ihr auf der Strasse einen Taco essen, und sie dann bei dir zu Hause in deinen eigenen Kühlschrank stecken.» Und dann bei der Totenwache, im Totensaal, den wir in Mexiko Pantheon nennen. Dieser alte Brauch, die Toten während eines ganzen Tages zu beobachten, um jeglichen Irrtum auszuschliessen. Also für den Fall, dass der Tote plötzlich Lust hat, wieder lebendig zu werden. Gut, wir waren bei der Totenwache, wo sich die Blutsverwandten mit den politischen Verwandten treffen. Und da die Leute zu diesem Anlass alle sehr solidarisch sind, reden auch alle miteinander, vor allem über andere, kürzlich Verstorbene. Es wird über die Tugenden und Weisheiten der Toten geredet, und auch über ihre Dummheiten und schlechten Launen; am Ende wird meist über jeden Blödsinn, den die Toten gesagt oder angestiftet haben, gelacht, bis alle fast selber vor Lachen sterben. Je nachdem, wer hinzukommt …


Klar gibt es immer Leute, die weinen, aber die Witzbolde sind am wenigsten übersehbar. Manchmal ist es dann auch nötig, einige Pausen der Ernsthaftigkeit einzulegen, während man den neu Dazugestossenen mit Alkohol dazu bringt, den besten neuen Witz über ein letztes Wort und eine letzte Dummheit zu erzählen. Das im Gedanken daran, dass wir ja alle eines Tages sterben werden.

gewesen bist, dann ist deine Seele wie ein feuchter Furz, der, wenn er zum Himmel steigt, einen braunen Fleck auf dem Hausdach deiner Angehörigen hinterlässt.

So geht das dann die ganze Nacht. Leute kommen und Leute gehen. Man muss jedoch sagen, dass die Witze meist im Eingangsbereich, im Kaffeeklatschsaal gemacht werden, und nicht dort, wo der Körper im Sarg aufgebahrt ist. Drinnen ist es anders. Der Totensaal selber ist voll von alten Menschen, die Der Charakter der Witze ist oftmals immer der Gleiche: Im Jenseits wirst du die gleiche mit einer vorahnenden Solidarität über den Person sein wie im Diesseits. Wenn man also Verstorbenen wachen. Da sitzen Frauen, die spezialisiert darauf sind, eine unglaubliche ein Mensch war, der immer ein wenig tollMenge an «Avemarias» und «Vaterunser» zu patschig und unsensibel gewesen ist, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass man im Him- beten und zu singen. Das ist sehr langweilig, aber nur der eine oder andere Zyniker wagt mel oder in der Hölle gleich sein wird. Auch dort wird einen niemand ausstehen können, es, drinnen einen kleinen Witz zu machen. Wenn das passiert, wird der Zyniker meiweshalb gerade dann die Gefahr besteht, stens von einer alten Frau für seinen Humor dass der Tote von dort wieder ins Diesseits zurückgeschickt wird. Zu diesem Thema gibt bestraft und er zieht sich wieder ins Vorzimmer zu den lustigen Kommentatoren zurück. es auch Assoziationen über den Geist und die Seele. Man sagt zum Beispiel, dass wenn Diese krümmen sich vor Lachen, während der Ausgestossene die repressive Hexe von du ein guter Mensch gewesen bist, dann steigt deine Seele weiss und rein in den Him- drinnen verflucht und sich deren baldigen Tod vorstellt. So stellen sich dann alle Andemel. Aber wenn du ein schlechter Mensch

ren auch bereits das nächste Begräbnis vor. Wen wird es wohl als nächstes erwischen? Wenn die Kommentare an diesem Punkt angelangt sind, wird es unumgänglich, auch über den eigenen Tod zu sprechen. Fast alle reden an der Totenwache früher oder später über ihren eigenen Tod, und um das zu erleichtern, meist auf lustige und übertriebene Weise. Etwa so: «Am Tag, an dem ich sterbe, müsst ihr euch alle betrinken» – «Am Tag an dem ich sterbe, wird mein Mann mit der Nachbarin ins Bett gehen» – «Ich werde wie ein Superheld sterben: auf der Autobahn in meinem schicken Sportwagen.» Die Totenwache wird bald zum Fest, und auf diese Weise nimmt der Tod die gleiche Gestalt an wie das Leben. Ich kann ehrlich versichern, dass es in Mexiko-Stadt Leute gibt, die beerdigungssüchtig sind. > SERGIO ULLOA ANTHROPOLOGE, MEXICO D.F. <

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NS-VERHERRLICHUNG STOPPEN!

RUDOLF HESS ENDGÜLTG BEERDIGEN AM 20. AUGUST 2005 WERDEN IM BAYRISCHEN WUNSIEDEL TAUSENDE FASCHISTEN AUS ALLEN EUROPÄISCHEN LÄNDERN AUFMARSCHIEREN,

UM DEM HITLER-STELLVERTRETER RUDOLF HESS ZU GEDENKEN.

Rudolf Hess, der im Mai 1941 nach Schottland flog, um den Krieg zwischen England und Deutschland zu beenden, wird seit seinem Tod von den Nazis aller politischen Richtungen als «Märtyrer des Friedens» geehrt. Ausdruck dieses Gedenkens sind die seit 1987 stattfindenden Hess-Gedenkmärsche. Nachdem der jährliche Aufmarsch von Mitte bis Ende der 1990er Jahre verboten war, hat er sich seit 2001 zu einem der jährlichen Events der deutschen und internationalen Naziszene entwickelt. So stiegen die TeilnehmerInnenzahlen von 400 Personen im Jahr 2001 auf 4800 Personen 2004 an. In den Jahren 2002 und 2003 konnten sich die Nazis in ganz Wunsiedel frei bewegen. Es gelang ihnen, aus der Demonstration eine ganztägige Veranstaltung mit «Volksfestcharakter» zu machen. Ihr immer dreisteres Auftreten gipfelte im letzten Jahr in gezielten Angriffen, die sie aus ihrem Aufmarsch heraus auf antifaschistische GegendemonstrantInnen durchführten. Vordergündiger Anlass war die antifaschistisch-künstlerische Umgestaltung des Hess-Grabes im Vorfeld der Nazi-Demonstration. Ein Antifa musste nach dem Angriff mit Stichverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert werden.

BEDEUTUNG DES AUFMARSCHES

weissensee.antifa@web.de afa-reisen@systemli.org www.antifaschistsich-reisen.tk

Der Aufmarsch in Wunsiedel hat eine integrierende Wirkung für das gesamte rechtsradikale Spektrum. Vom über militante Wehrmachts-Opa Kameradschaften, bis zu rechtsextremen Parteiverbänden wird auch in diesem Jahr in Wunsiedel alles vertreten

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sein. Der Rudolph Hess Marsch bietet Nazis aller Couleur die Möglichkeit, ohne staatliche Repression einem Protagonisten des Dritten Reiches zu huldigen. Jahrzehntelang hätte ein solcher Aufmarsch zu erheblichem Widerstand grosser Teile der Gesellschaft geführt, heute ist es nur die ortsansässige Zivilgesellschaft und die antifaschistische Bewegung, die Widerstand dagegen leisten. Ein Grund für die inzwischen tolerierte Vertretung von offen nationalsozialistischen Anschauungen in der Öffentlichkeit ist die Relativierung des Nationalsozialismus, die die Mitte der Gesellschaft längst erreicht hat. Beispiele hierfür sind Filme wie «Der Untergang», welche Hitler auch mal von der ganz persönlichen Seite zeigen. Schliesslich haben auch nationalsozialistische Massenmörder Gefühle. Der diesjährige Massenaufmarsch mit 5000 bis 7000 Nazis in Dresden kommt auch nicht von ungefähr. In Deutschland läuft momentan ein Diskurs, derdie Toten des Zweiten Weltkrieges, egal aus welchem Lager, gleichzusetzen versucht. Tote Wehrmachtssoldaten werden demnach oft gleichgesetzt mit toten Rotarmisten oder im KZ ermordeten Häftlingen. In diesem Kontext wird auch kein Unterschied mehr gemacht zwischen den Bombenangriffen der Nazis und den Militärschlägen der Anti-Hitler-Koalition. Dass diese lediglich die Antwort auf die Verbrechen der Nazis waren, wird hier gänzlich ausgeblendet. Versöhnung ist angesagt, und jeder der mitmachen will, kann das tun. Bücher wie «Der Brand» von Jörg Friedrich, die genau an diese Thematik anknüpfen, wirken wie Wachstumsbeschleuniger für eine immer mehr fortschreitende Geschichtsumdeutung. Es ist die offene Einladung an die gesamte Rechte, mitzutrauern. Schliesslich geht es um die eigenen Toten. Dies führt auch innerhalb der extremen Rechten zur Zeit zu einer Dynamik, die dem nationalsozia-

listisch geprägten Teil der Szene enormen Zulauf verschafft.

WIDERSTAND ORGANISIEREN Während in den letzten Jahren so gut wie kaum Protest gegen den Aufmarsch zu spüren war, und die Nazis 2003 merklich ungestört ihren Helden abfeiern konnten, kam es im letzten Jahr zu ersten Aktionen gegen den Aufmarsch. Auf einem zentralen Platz fand eine ganztägige Kundgebung statt, von der aus die AntifaschistInnen den Nazis ihren Protest entgegen brüllten. Die Stadt Wunsiedel verwehrte den Faschisten, die Festwiese zu nutzen, und selbst die CDU beteiligte sich an Sitzblockaden gegen die Nazis. Wir denken jedoch, dass das nicht genügt. Der Rudolf Hess-Aufmarsch kann nur durch eine Deutschland-weite und internationale antifaschistische Mobilisierung gebrochen werden. Der Todestag von Rudolf Hess, der sich am 17. August 1987 im alliierten Militärgefängnis in Berlin-Spandau erhängte, jährt sich in diesem Jahr zum 18. Mal. Gleichzeitig jährt sich die Befreiung vom Nationalsozialismus in diesem Jahr zum 60. Mal. In Anbetracht dieser zwei historischen Daten würde ein reibungsloser Aufmarsch für die gesamte Rechte eine enorme Stärkung des eigenen Egos bedeuten. Und genau das ist es, was wir unterbinden wollen! Unser Anliegen ist es, der nationalsozialistischen Bewegung einen solchen Tritt in den Arsch zu verpassen, von dem sich ihr braunes Selbstbewusstsein auf Jahre nicht erholt. 18 Jahre Rudolf Hess-Aufmarsch sind genug! Beteiligt euch an den Aktionen gegen den Aufmarsch! Dem Geschichtsrevisionismus geschlossen entgegentreten!

> ANTIFA WEISSENSEE & ANTIFASCHISTISCH REISEN <


«FEST DER VÖLKER» Auch in diesem Jahr soll es wieder stattfinden, das Fest der Völker: am 11. Juni in Jena. Diese Veranstaltung ist ein europaweites Treffen der Neonazi-Szene. Das letztjährige «Fest» fand in Ungarn statt und hatte knapp 9000 TeilnehmerInnen! Als offizielle Organisatoren und Veranstalter fungieren der «nationale Widerstand Jena», eine freie Kameradschaft im Neonazi Netzwerk «Thüringer Heimatschutz», und der Jenaer NPD-Vorsitzende Ralf Wohlleben. In ihrem offiziellen Aufruf heisst es: « Wir Nationalisten sind keine Ausländerfeinde (...), wir achten jede Kultur und jeden Menschen, jedoch sind wir der Meinung, dass jeder Mensch und jede Kultur ihren angestammten Platz in dieser Welt hat, dieser muss auch von jedem respektiert werden.» Ein Blick auf Veranstalter und Bands zeigt deutlich, dass alles auf eine Unterstützung des weltweit existierenden Neonazi-Netzwerks «BLOOD & HONOUR» hinzielt, welches sich in die Tradition der Waffen-SS stellt. Die deutsche Sektion wurde im Jahr 2000 als terroristische Vereinigung eingestuft und verboten. Auf der Rednerliste stehen bisher: Frank Schwerdt (Bundesgeschäftsführer NPD), Tim Mudde und Constant Kusters (Niederlande), Thomas Ölund (Schweden), Zsolt Illes (Ungarn), Stephen Swinfen (UK), Giovani di Blasi (Italien), Claudio Mihutiu (Rumänien) und Nick Giohalas (Griechenland). Recht interessant ist auch die Musikerliste: Before The War (Slowakei), Block 11 (Italien), Brigade M (Niederlande), Defiance (Frankreich), John (Schottland), Nothung (Schweden), Legion of Thor und Systems Coffin (Deutschland), Verszersödes (Ungarn). Weiter gibt es zahlreiche Infostände diverser rechter Gruppen.

Das Fest wurde bereits im Spätsommer 2004 bei der Stadt Jena angemeldet. Stand der Dinge Mitte Mai ist, dass die Stadt ein Verbot ausgesprochen hat, weil ihrer Ansicht nach keine politische Veranstaltung im Sinne des Versammlungsrechts vorliege, sondern eine Vergnügungsveranstaltung. Dennoch vermuten die OrganisatorInnen der Gegenaktivitäten, dass etwas stattfinden wird, in welcher Form auch immer. Es wird an diesem Wochenende auf jeden Fall mit dem Ausnahmezustand für Stadt und Region zu rechnen sei. Die Nazis haben offiziell, mit Hilfe einer Hamburger Anwältin, beim Verwaltungsgericht in Gera Berufung eingelegt. Es gibt ein breites Bündnis aus bürgerlichen und politischen Gruppen, die sich dem braunen Mob durch unterschiedlichste Aktivitäten entgegen stellen. Dieser Artikel im megafon soll als kleine Vorabinformation gelten und als Aufruf, sich auch von hier aus am Widerstand gegen diese oder ähnliche Veranstaltungen zu beteiligen. Es geht nicht mehr nur um kleine braune Horden, die prügelnd durch Städte ziehen – das Problem muss vielmehr global betrachtet werden. > BIB <

mehr Infos: www.nazis-stoppen.tk www.voelkerball.tk www.jg-stadtmitte.de

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VOM SANIERUNGSGEBIET ZUM TRENDQUARTIER

UMBRUCH IN DER LORRAINE – EIN BLICK ZURÜCK VOR NEUN JAHREN GING DAS QUARTIER-HOF-AREAL IN DER LORRAINE VON DER POST AN DIE STADT ÜBER. DIESE GAB ES DANN AN DREI WOHNBAUGENOSSENSCHAFTEN IM BAURECHT AB. DAMIT

GING EIN JAHRELANGER KONFLIKT ZU ENDE, DER ANFANG DER 1990ER JAHRE SOGAR BUNDESRAT FLAVIO COTTI ZU EINER STELLUNGNAHME ZUR ERHALTUNG DES Q-HOFS GENÖTIGT HATTE.

5. Berger-Areal: Auf dem Areal des ehemaligen Früchtehändlers war ein Überbauungsprojekt geplant, das den Abriss der meisten Häuser vorsah. 6. Lorraine-Loch: Die Stadt überlegte sich, einige der Häuser abzureissen, um Platz für eine Überbauung auf Stelzen zu schaffen. 7. Gassner-Areal: Die Stadt hatte an der Aare ein Bauverbot erlassen, das die Besitzenden, die ErbInnen der Brauerei Gassner, anfochten. Vor Gericht wurde die Stadt zu einer Entschädigung verdonnert. Um die Kosten in Grenzen zu halten, zonte sie das Grundstück wieder ein.

In der Lorraine – einem lange vernachlässigten Quartier – gab es Anfang der 1990er Jahre mehrere Areale, bei denen intensiv über Sanierung, Neubau oder Umnutzung nachgedacht wurde. Der Quartierverein «Läbigi Lorraine» (VLL) publizierte unter dem Titel «Lorraine – Kapitaler Umbruch» eine Broschüre, die sich kritisch mit allen BauWAS IST MIT ALL DEN und Sanierungsarealen befasste (siehe PLÄNEN GESCHEHEN? Karte). Aus Angst vor rücksichtslosen Einige der Projekte haben es über Eingriffen, wie wenige Jahre zuvor im Mattenhof geschehen, verlangte der das damaligen Planungsstadium hinVLL eine Quartiererneuerung unter ak- aus nicht geschafft: Auf dem GassnerAreal dürfte zwar gebaut werden, aber tiver Beteiligung der BewohnerInnen. es passiert nichts. Und von der Idee der SBB, den Raum unter dem Viadukt zu Folgende Areale wurden beplant: 1. BZ-Areal: Die BZ plante Nutzungs- nutzen, hat man nie mehr etwas geänderung im engeren Umfeld ihres hört. Stammhauses. In mehreren WohnIm Lorraine-Loch hat die Stadt einhäusern am Nordweg sollten Büros zelne Häuser verkauft (z. B. Talweg 13), eingerichtet werden. andere hat sie vom Finanzvermögen 2. GIBB: Dem Projekt GIBB sollten ins Verwaltungsvermögen übertragen. mehrere Häuser am Ulmenweg zum Diese Häuser sind für den Ausbau des Opfer fallen. Im hinteren Teil war eine benachbarten Tagesheims vorgesehen. Wohnüberbauung vorgesehen. 1988 Andere Häuser sind inzwischen renowar ein erstes Projekt in einer Abstim- viert worden. mung gescheitert. Die BZ hat sich zwischen Du Nord 3. Eisenbahnviadukt: Die SBB hatte die und Schulweg ausgebreitet. DemAbsicht, die ungenutzten Räume unter nächst wird die Druckerei ins Galgendem Eisenbahnviadukt zu nutzen. Die feld verlegt. Die BZ will in den freiwerdenden Räumen unterirdische ParkStadt reagierte skeptisch. 4. Quartierhof: Im Q-Hof und den bei- plätze einrichten. Auf dem Berger-Areal wird es keine den anderen betroffene Gebäuden (Dammweg 43 und Steckweg 9) mach- Grossüberbauung geben. Der Besitzer ten sich die BewohnerInnen daran, die hat in den letzten Jahren fast alle Häuser renoviert. Nur an der Ecke LorraiLiegenschaften zu übernehmen. nestrasse/Platanenweg mit der Garage Serini und einem kürzlich angesengten Holzhaus soll ein Neubau die bisherigen Gebäude ersetzen. INNENLAND Nur in zwei von sieben Projektgebiemegafon Nr. 284, Juni 2005 22 ten hat sich wirklich was getan:

Das GIBB wurde gebaut und gleichzeitig entstand die Überbauung Vordere Lorraine (Volo) mit 50 Mietwohnungen. Neben Neubauten sanierte die Wok Lorraine AG als Trägerin des Projektes auch mehrere alte Häuser. Finanziert wurde die Volo unter anderem durch zwei alternative Pensionskassen. Q-Hof-Areal: Seit 1996 sind der Q-Hof sowie die Häuser Dammweg 43 und Steckweg 9 im Besitz von drei Genossenschaften. Den Boden hat die Stadt im Baurecht auf 80 Jahre abgegeben. Der Q-Hof wurde sanft und sehr kostengünstig renoviert, am Dammweg entstand eine auffällige Stahl-/GlasKonstruktion, mit der das alte Gebäude gegen den Strasssenlärm abgeschirmt wird. Die realisierten Projekte haben dazu beigetragen, dass die Lorraine deutlich aufgewertet wurde. Sie hat sich zu einem Trendquartier mit einem eigenständigen Kulturangebot entwickelt. Es gibt einzelne Häuser, die für teures Geld den Besitzer wechseln. Trotzdem wird das Quartier an seinen Rändern nie wirklich attraktiv. Der Nordring auf der einen, und der Eisenbahnviadukt auf der anderen Seite sind grosse Immissionsquellen. Damit dürfte auch die Durchmischung der Bevölkerung erhalten bleiben. Und fertig gebaut ist die Lorraine sowieso nie.

WAS KOMMT NOCH? Ende April veranstalteten der «Verein Läbigi Lorraine» (VLL) und die AG Wohnen (die mit den Würsten auf dem Grill) ein Podium, bei dem es darum ging, aufzuzeigen, welche Projekte in der Lorraine anstehen und wie sie in die Quartierentwicklung integriert werden könnten. Theres Giger sprach als Vertreterin der städtischen Liegenschaftsverwaltung über die städtischen Grundstücke in der Lorraine. Sie führte aus, dass sich der städtischen Wohnbaufonds über die weitere Verwendung der Häuser an der hinteren Jurastrasse un-


Perimeter 1. Berner Zeitung BZ 2. Gewerblich-Industrielle Berufsschule Bern GIBB und Lehrwerkstätten Bern LWB 3. Unterbauung des Eisenbahnviaduktes 4. Quartierhof-Areal 5. Geviert Lorrainestrasse/Jurastrasse/Platanenweg/Schmiedweg (Berger-Aeal) 6. Geviert Lorrainestrasse/Jurastrasse/Talweg 7. Uferweg (Gassner-Areal)

schlüssig sei. «Er hat sie bei der Überprüfung seines Portefeuilles zur vorläufigen Beobachtung zurückgestellt», sagt sie. Nötige Unterhaltsarbeiten würden auf jeden Fall ausgeführt. Giger empfahl den BewohnerInnen, Eigeninitiative zu entwickeln und mit Vorschlägen an die Stadt heranzutreten. Beim Erb-Areal, das sich zwischen Hofweg, Zentralweg und Lagerweg erstreckt und wo die Garage Alcadis zur Zeit noch ihre Spritzwerkstätte betreibt, werde endlich etwas passieren, sagte Giger. Eine dreijährige Frist, während der ein Kündigungsverbot gegolten habe, laufe im Herbst ab. Die

Stadt plane, Alcadis auf Frühjahr 2006 zu kündigen. Es sollen Investoren gesucht werden, die auf dem Areal 13 bis 15 Wohnungen plus Gewerberäume bauen wollen. Sie glaube, dass gemeinnützige Bauträger bei der Realisierung eine wichtige Rolle spielen könnten. Die Stadt hätte es in der Hand, dies bei der öffentlichen Ausschreibung des Grundstückes vorzuspuren. Generell war Giger der Ansicht, dass die Stadt die Wohnbaugenossenschaften besser einbinden sollte. Bei einigen von ihnen sei sie schliesslich selber beteiligt. (Dabei handelt es sich allerdings um traditionelle Genossen-

schaften wie Brünnen-Eichholz, die eine wichtige Rolle bei der Überbauung von Bern-West spielte und spielt.) Architekt Martin Zulauf vertrat einerseits die WOK Lorraine, die für die Überbauung Vordere Lorraine (Volo) verantwortlich ist, und kürzlich zusätzlich das Haus an der Haldenstrasse 18 von der Stadt gekauft hat. Daneben hat er als Architekt den Wettbewerb begleitet, den die SBB für das Eilgutareal ausgeschrieben hat. >

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In der Volo geht mit dem Bezug der Jurastrasse 4a eine mehrjährige Bauphase zu Ende. Die MieterInnen sind bestimmt. Sie werden nach dem Einzug für den Betrieb des Hauses weitgehend selber verantwortlich sein. Bei der Haldenstrasse 18 sei mittelfristig mit dem Abbruch zu rechnen, sagte Zulauf. Aufgrund der Grundstücksgrösse liesse sich ein Neubau so erstellen, dass er nicht mehr direkt am Eisenbahnviadukt liegen würde. Zusätzlicher Gewinn an Wohnqualität würden auch die Lärmschutzmassnahmen der SBB bringen. Welche Einflüsse das Projekt der SBB auf dem Eilgutareal auf die Lorraine haben wird, steht noch nicht fest. Immerhin sollen 550 Arbeitsplätze und etwa 40 Wohnungen an der Hangkante nördlich der Lorraine zu stehen kommen. Zulauf ist vom ausgewählten Projekt überzeugt: «Die Wohnungen werden auf die Büros gepackt und erlauben es damit, den bestehenden Parkplatz in eine Parkanlage umzuwandeln.» Bei der Wohnüberbauung hätten sich die Architekten von den Ideen Le Corbusiers leiten lassen, was spannende Wohnungsgrundrisse erwarten lasse. «Der Fahrplan der SBB ist ambitioniert», sagte Zulauf. Man wolle noch vor den Sommerferien ein Baugesuch einreichen und die Wohnungen bis Anfang 2007 fertig stellen. Die SBB wolle die Wohnungen wohl nicht selber bauen und suche einen Investor.

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Als weiterer Teilnehmer auf dem Podium skizzierte Tilman Rösler die jüngsten Entwicklungen bei den Wohnbaugenossenschaften in der Lorraine. Einerseits habe die Wohnbaugenossenschaft Giebel beim Haus Lorrainestrasse 65 nun eine Hausgemeinschaft zusammengestellt, mit der man die Renovation des Hauses angehen wolle. «Die bisherigen MieterInnen wollten – mit einer Ausnahme – nicht GenossenschafterInnen werden», sagte Rösler. Bei diesen bisherigen MieterInnen handle es sich vor allem um AusländerInnen. Als jüngste Entwicklung kündigte Rösler auch noch den Kauf der Hauses Jurastrasse 15 durch die Wohnbaugenossenschaft Sieben an. Diese konnte das Haus mit drei bis vier Wohnungen und Gewerberäumen zu günstigen Bedingungen übernehmen. Bei beiden Häusern will man gemäss Rösler mit möglichst zurückhaltenden Eingriffen sicherstellen, dass die Mietzinse auch nach der Sanierung noch günstig sind. Eine kurze Kontroverse über die Frage, wem denn der Boden überhaupt gehören solle, führte zwar zu einer fetten Schlagzeile in einer lokalen Tageszeitung. Aber im Rahmen der Veranstaltung war sie eher eine heitere Marginalie. > VLL/AG WOHNEN <

Bernerzeitung BZ, Ende April 2005


ANARCHISTISCHES CAMP VOM 5. BIS 14. AUGUST

PRAKTISCHE ANARCHIE IN DEUTSCHLAND GABS SCHON MEHRERE ERFOLGREICHE – INSPIRIERT UND MOTIVIERT DADURCH FINDET VOM 5.BIS 14. AUGUST AUCH IN DER SCHWEIZ EIN ANARCHISTISCHES CAMP STATT. ZIEL IST, AUF HERRSCHAFTSFREIER BASIS

EIN MÖGLICHST REICHHALTIGES SOMMERCAMP DURCHZUFÜHREN.

A-Camp Schweiz: www.acamp05.ch.vu A-Camp Deutschland: www.acamp.tk

Um die notwendige Infrastruktur zu organisieren, gibt es im Vorfeld eine Vorbereitungsgruppe, die aber mit Beginn des Camps sofort aufgelöst wird. Die Leute aus der Vorbereitungsgruppe nehmen am Camp zwar teil, haben aber weder andere Rechte noch Pflichten gegenüber anderen Teilnehmenden. Während des Camps findet die Entscheidungsfindung jeweils an den täglichen Info-Plena statt, wo man bestrebt ist, für die grundlegenden Dinge nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten einen Konsens zu finden. In den dort oder auch spontan beschlossenen Interessen-Plena werden dann in kleineren Gruppen «Details»

wie Kinderbetreuung, Bekochung, Lebensmitteleinkäufe usw. organisiert. Doch auch diese nichthierarchischen Strukturen sind nicht starr, sondern unterliegen ständiger, selbstbestimmter Veränderung. Während man in Deutschland bisher alle relevanten Punkte in einem Plenum bewältigte, wurden für das Camp in der Schweiz ein paar Veränderungen beschlossen. Denn da in der Schweiz alles in Französisch und Italienisch übersetzt werden soll, wären die Plena dreimal so lang. Doch mit einer Dezentralisierung der Organisationsstrukturen wird erreicht, dass alle nur an den Plena teilnehmen, die für sie von Interesse sind. Natürlich gibt es dabei auch Überschneidungen, doch mit einer flexiblen Mund-zu-Mund-Propaganda und einer ausführlichen und ständig aktualisierten Infowand können diese Probleme behoben werden.

BROT UND SPIELE Was während des A-Camps läuft, hängt einzig und allein von den Teilnehmenden ab. JedeR hat die Möglichkeit spontan oder geplant Workshops, Veranstaltungen, Lesungen, Konzerte, Filme und alles andere zu realisieren und daran teilzunehmen. Daneben, davor und danach gibt es auch eine Menge Freiraum zum Spielen, Tanzen, Träumen, Pläne schmieden, kreativ sein, Utopien leben, Rüebli schälen oder zum schlafen. Grundsätzlich seid also nicht nur ihr alle willkommen, sondern auch eure Ideen und Fantasien. Was am Camp aber rein gar nichts zu suchen hat, ist jede Form von Zwang und Diskriminierung. Schliesslich soll der herrschaftsfreie Raum während des Camps erhalten bleiben und so einen deutlichen Unterschied zur «demokratisch-kapitalistischen» Gesellschaft darstellen.

A-CAMP IN DEUTSCHLAND Das A-Camp in Deutschland findet in der ersten Augustwoche, auf der Burg Lutter statt. Die Burg Lutter, ein anarchistisches Kommune-Projekt in Lutter am Barenberge (Bundesland Braunschweig), feiert dieses Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Zum bezaubernden Burggelände gehören neben den historischen Gebäuden, deren Erbauung zum Teil bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht, eine grosse Wiese, eine Siebdruckerei, Bäckerei, Mostbrauerei, Frauenhaus, Burgladen, PartyKonzert- und Kinoraum und viele Tiere. > ACAMP05.CH <

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DEMONSTRATION AM 18. JUNI 2005 IN BERN

SCHLUSS MIT DER FREMDENFEINDLICHKEIT «Seit Jahren sind wir fremdenfeindlichen Parolen, fremdenfeindlichen Parteien, fremdenfeindlichen Gesetzen und fremdenfeindlichen Behörden ausgesetzt. Wir wollen uns nicht an sie gewöhnen. Sie spielen die sozial Schwächsten gegeneinander aus und brutalisieren unsere Gesellschaft. Schluss mit der Fremdenfeindlichkeit. Schluss mit der Blocherpolitik. Blochers Gesellschaftsprojekt muss blossgestellt werden: Rassistische Stimmungsmache war immer auch die Hintertür für rücksichtslosen Sozialabbau und einen autoritären Überwachungsstaat. Wer aus fremdenfeindlicher Politik Kapital schlägt, gehört nicht in den Bundesrat. Wir alle, die in der Schweiz leben, sind die Schweiz, unabhängig von unserer Herkunft, unserem Pass und von unserem Aufenthaltsstatus. Eine Schweiz, die ihre Identität im Streben nach Demokratie, im Ideal der Menschenrechte und in der Vielfalt ihrer Kulturen sieht.»

Mit diesen Worten ruft ein breit abgestütztes Organisationskomitee von MigrantInnenorganisationen, Gewerkschaften, Globalisierungskritikern, BürgerInneninitiativen, kritischen Hilfswerken bis hin zu Parteien wie Grüne und SP zu einer gesamtschweizerischen Grossdemonstration am 18. Juni 2005 gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Es wurde höchste Zeit. Seit dem Ende der 1960er Jahre wird die Migrationspolitik der Schweiz von fremdenfeindlichen Kreisen dominiert. Die Überfremdungsängste, die damals James Schwarzenbach, ein glühender Verehrer des Generalismo Franco, mit seiner «Nationalen Aktion gegen die Überfremdung von Volk und Heimat» schürte, wurden in den 1980er Jahren von der politischen Propaganda der SVP übernommen. Mit ihrer Hetze gegen ausländische Menschen und Minderheiten, begleitet von isolationistischer Demagogie, machte die ehema-

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lige Bauernpartei in einer Zeit der wirtschaftlichen Unsicherheit ihre Stimmenverluste mehr als wett. Die Umorientierung der SVP im Sinne der ideologischen Offensive der «neuen europäischen Rechten», welche die Überlegenheit der europäischen Kultur predigte, haben zwei Personen wesentlich geprägt: Christoph Blocher, Rechtsaussen der Partei und umtriebiger Verfechter des südafrikanischen Apartheidsystems, und der Zürcher SVP Nationalrat Ulrich Schlüer. Als ehemaliger Privatsekretär Schwarzenbachs und Redaktor seiner Zeitungen verfügte letzterer über das nötige Handwerk.

VERSCHÄRFUNGEN IM PARLAMENT Die bürgerlich dominierten Parlamente der Schweiz, Nationalrat und Ständerat, haben Jahre später gegenüber diesem fremdenfeindlichen Populismus definitiv kapituliert. Der Unternehmer Blocher wurde im Dezember 2003 von einer Mehrheit der Abgeordneten mit der Wahl in den Bundesrat «belohnt» und ist inzwischen nicht nur verantwortlich für Polizei und Justiz, sondern auch der Migrationsminister des Landes. Die Wahl des fremdenfeindlichen «Bocks» zum Gärtner der Schweiz hatte ihre Folgen… Bei den Beratungen über ein neues Ausländer- und Asylgesetz in Nationalund Ständerat im Frühling 2005 überboten sich die Abgeordneten gegenseitig mit Vorschlägen zur Abschreckung von Flüchtlingen und MigrantInnen. Sachliche Studien zur Migration, menschliche Lösungsvorschläge aus einzelnen Kantonen oder Interventionen seitens der Linken fanden in diesm Parlament kein Gehör mehr. Um zum Beispiel potentielle Asylsuchende in Zukunft daran zu hindern, in der Schweiz ein Gesuch zu stellen, werden alle Flüchtlinge, auf deren Gesuch nicht eingetreten wird, ohne jegliche Hilfe mittellos auf die Strasse gestellt.

Ohne Dach über dem Kopf, ohne Geld, ohne Nothilfe müssen sich Tausende von Flüchtlingen in der Schweiz durchschlagen. Unter ihnen sind ganze Familien Tag für Tag unterwegs auf der Suche nach einer warmen Mahlzeit, einer Bleibe oder einem Waschplatz.

WIDERSTAND Die Verschärfungen im Ausländerrecht werden noch schlimmere Zustände schaffen. Sie werden zwar, wie man weiss, den Gesamtumfang der Einwanderung kaum beeinflussen, aber immer mehr Menschen zu Sans Papiers machen, zu Menschen ohne geregelten Aufenthalt, die keine Rechte haben und die man beliebig ausbeuten, herumschieben oder ausschaffen kann. Die Gesetz gewordene Fremdenfeindlichkeit im Bundeshaus hat zum Glück bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung der Schweiz Widerstand hervorgerufen. Dieser Widerstand braucht einen öffentlichen Ausdruck. Die Phase der nationalistischen «Besoffenheit», die heute die Migrationspolitik der Schweiz dominiert, muss beendet werden. Die gesamtschweizerische Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit am 18. Juni 2005 (Flüchtlingstag) ist ein erster Schritt in diese Richtung. > HANNES REISER <


GEGEN DIE HERRSCHENDE ASYL- UND DROGENPOLITIK, DIE MENSCHEN UND FREIRÄUME ZERSTÖRT Unter den ständig zunehmenden Zukunftsängsten und dem wachsenden Leistungsdruck dieser kapitalistischen Gesellschaft «flüchten» sich immer mehr Menschen in den Daneben können – dank dem geschürten Ras- Rausch von Suchtmitteln. Nicht wenige fallen dabei durch die sozialen Netze und landen auf sismus – Sondergesetze an AusländerInnen der Strasse. Diese Menschen halten der Gedurchgesetzt und ausprobiert werden. Diese können und werden die Herrschenden später sellschaft einen Spiegel vor, in den viele nicht sehen wollen. Sie sind ein sichtbares Zeichen auch gegen SchweizerInnen einsetzen. Bekanntes Beispiel hierfür dürften die Rayonver- dafür, dass in dieser bürgerlichen Gesellschaft vieles nicht stimmt. Anstatt sinnvolle bote bzw. Wegweisungen sein. Lösungen für die eigentlichen Probleme zu Das Prinzip ist einfach: Zuerst wird über die «Scheinasylanten» und «Asylmissbrauch» ge- suchen oder zumindest zu versuchen, diesen Asylpolitik und Rassismus wettert und mit diesen Vorwänden Leistungen Menschen wieder auf die Beine zu helfen, In der Asylpolitik wird eine immer repressiwerden sie aus dem öffentlichen Raum ververe Linie von der SVP und ihren Verbündeten gekürzt. Kurze Zeit geschieht ähnliches mit trieben. Getreu dem Motto «Aus den Augen – «Scheininvaliden». Auch hier werden sämtlidurchgesetzt. Mit rassistischen «Argumenche IV-BezügerInnen unter Kollektivverdacht aus dem Sinn» werden sie – nicht selten alleiten» werden latent vorhandene Ängste geschürt: Die Asylsuchenden werden zu Sünden- gestellt und bestraft. Das gleiche gilt für Sam- ne aufgrund ihres Äusseren – ihrer Grundrechte beraubt. melkarteien im Bereich der «Sicherheit». böcken für alle möglichen Probleme gestempelt, egal ob für Stellenmangel, Wohnungsnot, Auch hier denken Leute bereits laut darüber nach, dass Fingerabdrücke oder DNA-Profile Schwarzarbeit, Drogenhandel, Raserei oder Freiräume Gewalt. Dabei sind die VerursacherInnen die- auch von der Schweizer Bevölkerung präven- Diese menschenverachtende Politik verurser Probleme meist (Schweizer) Patrons, ihre tiv abgegeben werden sollten. Grundrechte sacht neben den katastrophalen Folgen für werden ohne weiteres den Sicherheitsbeden- die direkt Betroffenen auch Probleme für die HelfershelferInnen und die kapitalistische «Logik». Wohnungen und Stellen werden uns ken geopfert. Um «Sicherheitsmassnahmen» zumeist hart erkämpften kulturellen und polizu legitimieren braucht es keine Straftaten nicht von den Flüchtlingen weggenommen, tischen Freiräume. Da alle Menschen, welche mehr, ein willkürlicher Verdacht reicht besondern von den Patrons verteuert, bezienicht in das «saubere» Stadtbild passen, diehungsweise gestrichen oder ausgelagert. Die reits. se Freiräume als letzte Zufluchtsmöglichkeit nutzen, kommt es unweigerlich zu einer starsoziale Lage vieler Flüchtlinge und das rassiken Überbelastung derselben und Interesstische System erschweren auch die Integra- Prohibition und Vertreibungspolitik Seit Jahrzehnten sind in der Schweiz die mei- senskonflikten. Freiräume, wie die Reitschule tion der AusländerInnen. Die Herrschenden profitieren gleich mehrfach sten Drogen verboten. Trotzdem blüht der Bern, drohen unter dieser Last zusammenzuvon der prekären Lage der Asylsuchenden Handel und der Konsum hat stetig zugenombrechen. Dazu kommt, dass vielen Leuten die und anderen AusländerInnen. Zum Beispiel men. Dies zeigt, dass die Prohibition (das Geschichte und die basisdemokratisch erwerden Papierlose, die sich in der Schweiz Drogenverbot) versagt. Die polizeilichen arbeiteten Grundsätze dieser Freiräume egal aufhalten, von ChefInnen zu Hungerlöhnen Massnahmen gegen DealerInnen und Konsu- sind, und sie sich ganz nach der kapitalistiangestellt – Sozialleistungen werden natürmentInnen schaffen neue Probleme: schen «Logik» egoistisch verhalten (zum Beilich keine bezahlt. Da es sie offiziell nicht gibt, Durch das Drogenverbot entsteht ein illegaler spiel die DealerInnen, die alleine an der polifallen sie den staatlichen Institutionen selbst Handel, welcher hauptsächlich durch mafiöse zeifreien Zone interessiert sind, weil sie sich in einer Notlage nicht zur Last. Durch Arbeits- Strukturen organisiert wird. Aufgrund der so leicht und mit geringem Risiko bereichern verbote, minimale Unterstützung oder gar Illegalität werden für Stoffe, welche sehr bil- können). Natürlich geben die BetreiberInnen Fürsorgestopp, werden viele geradezu in die lig produziert werden, riesige Preise verlangt dieser Freiräume, so auch diejenigen der Kleinkriminalität (zum Beispiel Strassendeal – ganz nach der kapitalistischen «Logik». Reitschule, Gegensteuer. Sie vermögen dabei und Prostitution) gedrängt. In diesen beUm die Gewinne zusätzlich zu erhöhen, weraber nicht mehr zu erreichen, als eine Sympsonders exponierten Positionen fallen sie im den die Substanzen mit allerlei Mitteln tombekämpfung. Nur die Beseitigung der Urgestreckt. Dies schadet der Gesundheit der sachen wird dieses Problem lösen können! KonsumentInnen noch zusätzlich. • Wir fordern die sofortige Abkehr von der Weil die Drogen illegal und überteuert sind, rassistischen Asyl- und AusländerInnenwerden DrogenkonsumentInnen in die Bepolitik! schaffungskriminalität (Prostitution, Dieb• Wir fordern eine Abkehr von der repressiven Drogenpolitik! stahl, Raub usw.) getrieben. • Solidarität mit den erkämpften FreiräuObwohl die Repression nichts verbessert, men! wird dafür mehr Geld ausgegeben, als für die Prävention, Überlebenshilfe und Therapie zu- • Für eine gerechte Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung! sammen. Die repressive Drogen- und Asylpolitik löst keine Probleme. Im Gegenteil. Die von der SVP angetriebenen – und von den meisten Regierungsparteien unterstützten – Verschärfungen im Asylbereich und in der Drogenpolitik haben die bestehenden Probleme verschlimmert und neue geschaffen. Die letzten Freiräume und autonomen Zentren (zum Beispiel die Reitschule Bern oder das AJZ Biel) in welche vieles abgedrängt wird, drohen unter der Last dieser Politik zusammenzubrechen.

Gegensatz zu den Hintermännern und -frauen und den VerursacherInnen besonders auf und müssen deshalb als Sündenböcke herhalten.

> REITSCHÜLERINNEN <

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«KEINE SONDERRECHTE FÜR DIE REITSCHULE» – ABSTIMMUNG IM NOVEMBER 2005

EIN BLICK AUF DIE REALITÄT DE REITSCHULE HAT NICHTS ZU VERBERGEN.

DER STADT HABEN WIR DEN JAHRESABSCHLUSS

2004 VORGELEGT, DIE PRESSE KENNT DIE ZAHLEN AUCH – DIE ÖFFENTLICHKEIT KANN SIE AUF WWW.REITSCHULE.CH HERUNTERLADEN.

DAMIT BRINGEN WIR TRANSPARENZ IN EINEN

ABSTIMMUNGSKAMPF, IN DEM ES DIE INITIANTiNNEN DER INITIATIVE «KEINE SONDERRECHTE

FÜR DIE REITSCHULE» DARAUF ANGELEGT HABEN, MIT UNSACHLICHEN ARGUMENTEN UND POLEMIK POLITIK ZU MACHEN.

Die Bernerinnen und Berner haben die Reitschule bereits in drei Abstimmungen befürwortet, zuletzt vor fünf Jahren mit einer satten zwei Drittels Mehrheit. Es gibt aber ein paar, denen passt das nicht – immer wieder nicht: JSVP und SD haben erneut Unterschriften gesammelt, um über die Reitschule abstimmen zu lassen. Vordergründig geht es diesmal mit «Keine Sonderrechte für die Reitschule» um den Mietzins und um Bewilligungen – Aspekte, die mit dem Leistungsvertrag geregelt worden sind – die wahre Motivation ist aber stets die gleiche: Sie wollen keine Reitschule, wie sie heute besteht. Das Initiativkomitee verlangt folgenden Zusatz zum Kulturartikel 17 der Gemeindeverordnung: «Die Stadt stellt den Betreibern der Berner Reitschule für die Nutzung der Gastbetriebe, Wohnund Geschäftseinrichtungen ortsübliche Mietzinse und Nutzungsgebühren in Rechnung. …» Ein Blick auf die Fakten.

WIR MIETEN, UND SIE? Die Stadtbauten Bern schlossen mit der IKuR und dem Trägerverein Grosse Halle je einen Mietvertrag ab. Das heisst, die Räumlichkeiten der Reitschule werden uns mietweise zur Verfügung gestellt. Die Verträge entsprechen ordentlichen Gewerbeliegenschafts-Mietverträgen. Als Besonderheit gilt lediglich AUS GUTEM HAUSE

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die «Koppelung» an die entsprechenden Leistungsverträge bezüglich Verwendungszweck, Mietdauer und Periodizität der Indexanpassung. Die errechneten Mietzinse von jährlich 318 780 Franken für die Reitschule und 205 470 Franken für die Grosse Halle entsprechen den durchschnittlich von den Stadtbauten Bern der Stadt verrechneten Mietansätzen von 4,5 Prozent des Gebäudeversicherungswert. Sie sind mit den Mietzinsen vergleichbar, welche etwa dem Gaskessel oder dem Kornhaus verrechnet werden und entsprechen dem Stadtbauten-Reglement, wonach Dritte, welche im Auftrag der Stadt öffentliche Aufgaben erbringen, wie die Stadt zu behandeln sind.

GELDFLÜSSE Kapitel 5 des Leistungsvertrags regelt die finanzielle Seite. Die Stadt verpflichtet sich für eine globale Abgeltung von jährlich 378 780 Franken betreffend die Reitschule. Davon werden 318 780 Franken – der Mietzins – an die Stadtbauten-Bern und 60 000 Franken für Hauswartaufgaben bzw. für die Heizund Nebenkosten an die IKuR überwiesen. Auf einen höheren Beitrag (Betriebssubventionen!) hat die Reitschule im Gegensatz zu anderen Kultureinrichtungen ausdrücklich verzichtet. Gleichzeitig hat sie sich verpflichtet, eine kaufmännische Buchhaltung zu führen und diese zu präsentieren. Der Verein Grosse Halle ist mit einem äquivalenten Vertrag zu Leistungen und Abgeltungen verpflichtet.

ABGABEN, STEUERN, USW. Der Initiativtext suggeriert, die Reitschule sei ein Steuer- und Abgabefreier Raum: «… Die Betreiber haben die gesetzlich vorgeschriebenen Steuern, Abgaben und Gebühren zu entrichten und alle notwendigen Bewilligungen einzuhalten.» Tun wir doch…:

• Die Reitschule wird bereits seit Jahren steuerlich veranlagt und bezahlt entsprechende Steuerrechnungen. • Die Reitschule bezahlt Quellensteuer, Mehrwertsteuer und bis zu deren Abschaffung auch Billetsteuer. • Die Reitschule entrichtet die Abgaben an die SUISA. • Die Reitschule verfügt über eine Betriebshaftpflichtversicherung und seit 1. Januar 2004 über folgende Bewilligungen: Betriebsbewilligung mit Alkoholausschank, allgemeine Überzeitbewilligung, Wirtepatent.

SONDERRECHTE – WO? Die Frage auf dem Unterschriftenformular des Initativkomitees, «Zahlen Sie auch keinen Mietzins?», ist darum bloss hinterhältige Polemik: Wir bezahlen unseren Mietzins – mit dem Erbringen der kulturellen Leistungen. Wenn Stadtpolitiker so tun, als ob sie das nicht wüssten, führen sie das Stimmvolk absichtlich in die Irre. Das Initiativkomitee will nun aber zusätzlich verankert haben, dass Reitschule und Grosse Halle «ortsübliche» Mietzinse bezahlen – was genau das bedeuten soll, wissen weder wir noch die Stadtverwaltung, und nur eine lange, wohl kostspielige juristische Auseinandersetzung könnte diese Begriffsverwirrung klären. Die Vorwürfe des Initiativkomitees sind einfach zu widerlegen – was wollen SVP & Co. mit dieser Abstimmung also tatsächlich bewirken? Die Reitschule ist ein grosses Lern-und Experimentierfeld, sie bietet selbstorganisierte, nichtkommerzielle Veranstaltungen wie Konzerte, Theater & Tanz, Kino & linke Politforen, Essen & Trinken; und das breite Angebot in der Reitschule richtet sich nicht nach dem Mainstream, vermittelt kulturelle, politische und soziale Aspekte – und ist ein Ort der Politisierung. Darum geht es. > ABSTIMMUNGSBÜRO <


GEMEINDERATSBERICHT ZUR REITSCHULE

VORPLATZ-MASSNAHMEN EN DETAIL ENDE APRIL HAT DER GEMEINDERAT MASSNAHMEN

ABGESEGNET, DIE DIE SITUATION AUF DEM VOR-

PLATZ DER REITSCHULE VERBESSERN SOLLEN. DER GEMEINDERAT FINDET, DIE REITSCHULE SEI

NICHT AN ALLEN ZUSTÄNDEN SCHULD. SOVIEL VORAB – ABER UM WAS FÜR SCHRITTE GEHTS ÜBERHAUPT?

Im April vor einem Jahr ist rückwirkend auf den 1. Januar 2004 der Leistungsvertrag zwischen Stadt und Reitschule in Kraft getreten. Die Reitschule erbringt seitdem offiziell kulturelle und soziale Leistungen für die Stadt – und wird dafür mit der Benützung der Gebäude entgolten, das heisst, die Miete wird mit dem «Erbringen von kulturellen Leistungen» verrechnet. Wir bieten ein niederschwelliges, nicht kommerziell orientiertes Angebot für alle, so wollten die ReitschülerInnen es unbedingt im Vertrag verankert haben. Aber der Gemeinderat sieht das nicht so: «Im Besonderen ist der Zugang des Publikums zu den Kulturveranstaltungen durch Angst vor gewaltbereiten Gruppen in der Reitschule beeinträchtigt. Die Reitschule und ihr Angebot stehen entsprechend nicht allen sozialen Gruppen offen.» Die Probleme auf dem Vorplatz, mit denen die ReitschülerInnen sich auch selber seit längerem «herumschlagen», hatten sich auch auf anderer Ebene gegen uns gewandt: Kaum ist der Vertrag unterschrieben, werden wir kritisiert, dass gar nicht alle Zugang zur Reitschule haben: Der Leistungsvertrag sei nicht erfüllt. Es wurde allerseits erkannt, dass nicht alle Probleme den ReitschülerInnen angelastet werden können, und so gabs seit letzten Herbst verschiedene Gespräche zwischen Delegationen der Reitschule und der Stadt mit dem Ziel, die Situation auf dem Vorplatz zu verbessern. Um es vorweg noch einmal zu betonen: Der Bericht ist aus der Sicht der Stadt geschrieben – wenn auch die Gesprächskultur gut war und die Resultate aus unserer Sicht konstruktiv sind: Mit der Einschätzung der Proble-

me respektive den Lösungsansätzen lagen Reitschule und Stadt nicht immer auf der gleichen Linie. Zusammen mit der Genehmigung des Berichts hat der Gemeinderat auch einen Kredit von 150'000 Franken gesprochen, zur Realisierung einiger Massnahmen.

NICHT NUR FÜR SISYPHUS Neue Bäume an der Böschung, Maschendraht am Boden, damit keine Drogen gebunkert werden können, eine Halfpipe unter dem zweiten Viaduktbogen, neue, zum Putzen und für den Flohmarkt besser geeignete Veloständer, ein offenes Pissoir am dritten Viaduktbogen, einen neuen Presscontainer für den Abfall, mehr Licht unter dem mittleren Viaduktbogen, gestrichene und besser beleuchtete Tore zum Hof und zur Grossen Halle sowie die tägliche Reinigung des Vorplatzes. Diese Massnahmen liegen in der (teilweise gemeinsamen) Verantwortung von Stadtgärtnerei, Stadtbauten (Stabe), Stadtgärtnerei, Stadtplanungsamt, Verein SK8, Stadtpolizei, Tiefbauamt, ewb und der IKuR. Zudem ist das Stadtplanungsamt beauftragt, unter Einbezug des Tief-

bauamts und der Verkehrsplanung, die Schützenmatte neu zu gestalten, damit der Weg zur Reitschule übersichtlicher und freundlicher wird.

WER SICH ALLES RUMTUMMELT Wie bereits überall zu lesen war, hat sich der Kontakt zwischen Reitschule und Polizei verbessert. Seit letzten Herbst gibts ein Mobiltelefon, dass für den direkten Kontakt benutzt wird, die Polizei verzichtet auf präventive Kontrollen auf dem Vorplatz und «sie kann – wie überall im öffentlichen Raum – auf dem Vorplatz wie in der Reitschule bei Verdacht auf strafbare Handlungen in normaler und der Situation angepasster Patrouillenstärke intervenieren, ohne dass die eingesetzten Mitarbeitenden angegriffen oder an der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages gehindert werden». Im übrigen hat die Polizei schon immer gemacht, was sie, und nicht was wir wollten... Wie an der «Gewalt-VV» im vorletzten Sommer bestätigt, melden sich die ReitschülerInnen bei Auseinandersetzungen mit Waffen immer bei der Polizei. In diesem Falle gewähren wir ihnen und allenfalls der Sanitätspolizei selbstverständlich auch Einlass. > AUS GUTEM HAUSE megafon Nr. 284, Juni 2005

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DIE JUNGFREISINNIGEN WOLLEN HELFEN

RFP: ENDLICH ERP FÜR DIE REITSCHULE DIE JUNGFREISINNIGEN DER STADT BERN WOLLEN DER REITSCHULE HELFEN «EIN RECHENSYSTEM ZU

ENTWICKELN». GUT. DANKE. MACHEN WIR. HIER Gleichzeitig sieht die Stadt aber DAS RFP – IHR KÖNNT SCHON MAL ANFANGEN, auch vor, dass der Vorplatz in das ProLIEBE JUNGFREISINNIGEN. jekt «Pinto», dass soeben gestartet hat, einbezogen wird. Bis anhin hat sich die Reitschule immer wieder gegen den So lieb! Die Jungen der Freisinnigen Einzug professioneller Sozial- oder wollen der Reitschule helfen, ein «ReJugendarbeit in unsere Räume und chensystem» zu entwickeln, schreiben Strukturen gewehrt. Die Bedenken und sie Mitte April in einem offenen Brief an die Kritik der Reitschule und der gasdie IKuR. Mit «Rechensystem» meinen sennahen Institutionen gegen «Pinto» die jungen Wirtschaftsexperten sicher respektive die städtische Drogenpolitik ein EDV-System, mit dem die Menwurden zwar gehört, aber nicht beachschen-, Geld- und Warenflüsse in der tet. Reitschule erfasst und gesteuert werSeit Dezember läuft der Flohmarkt den können. Denn eine einfache dopwieder, und auch sonst soll der Vorpelte Buchhaltung haben die einzelnen platz ab Sommer mit Aktivitäten belebt Betriebe der Reitschule natürlich werden – KünstlerInnen, meldet euch! schon, sonst wären sie längst pleite. Die beschränkten Öffnungszeiten Das kann den Cracks um Vizepräsident seit letzten Herbst sind von unserer Bernhard Eicher ja unmöglich entganSeite her ebenfalls eine Massnahme, gen sein. die Situation etwas zu beruhigen – So ein System nennt sich heute wenn sich die Lage verbessert, wün«ERP» (Enterprise Resource Planning), schen wir uns als erste wieder ein offeund schon manche Grossfirma hat sich neres Haus. an der Einführung eines solchen die Damit die Sicherheit der Gäste und Zähne ausgebissen. Es gibt zwar StanBetreiberInnen gewährleistet ist, stellt dard-Lösungen, doch die haben einen die IKuR eine Person, die für die techniHaken: Sie sind selbst für die Jungfreischen Aspekte der Sicherheit verantsinnigen zu teuer (fragt doch mal beim wortlich ist. Warenhaus Loeb, was die misslungene Einführung von SAP so kosten kann) KOMMUNIKATION und sie eignen sich zudem nicht für Und, jetzt wird es interessant: Die komplexe, selbstverwaltete Betriebe. IKuR erklärt «allen Betreibenden, dass Damit ihr es ein bisschen leichter habt, die Reitschule kein rechtsfreier Raum liebe Jungfreisinnige, machen wir ein ist und die Stadtpolizei (einschliesslich klassisches RFP (Request for Proposal) Sanitätspolizei und Feuerwehr) gemäss für Euch. Damit könnt ihr schon mal Sicherheitsvereinbarung jederzeit Zuanfangen, die nötigen paar hundert tritt hat.» Was wir hiermit getan haben. Programmiererinnen, Projektleiter und A propos, der Begriff «rechtsfreier zu Qualitätssicherungs-Expertinnen Raum» hat wer geprägt? Die Rechte. *Der Autor ist selbengagieren. Falls Ihr Euch für ein Offständiger Berater für shore-Projekt entscheidet, könnte die Merci vielmal. Freuen wir uns auf einen lauschigen die Analyse von ERP- Reitschule eventuell durch ausgewieProjekten in grossen sene Experten in interkultureller KomSommer auf dem Vorplatz. Dienstleistungsbemunikation helfen. > ANS < trieben. PROJEKT «FREE ERP»

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Projekt «Free ERP» (integrierte prozessübergreifende Software für den Kulturbetrieb Reitschule): Request for Proposal. Grundsätzliche Überlegun-

gen zur Architektur von «Free ERP»: Die Reitschule besteht aus mehreren, ganz unterschiedlich gelagerten Unternehmen. Die meiste Arbeit wird von Freiwilligen geleistet, die keine fixen Arbeitsplätze in der Reitschule haben. Deshalb kommt ausschliesslich eine moderne, dreischichtige und auf Webservices basierende Architektur der Lösung in Frage. Alle Interfaces müssen in beliebigen Browsern laufen und auf Rollen basieren. Zudem wandeln sich die Betriebe der Reitschule extrem schnell. Ein grafischer «Business-Process-Modeller» ist deshalb unabdingbar. Einen hohen Rationalisierungseffekt hätte auch die enge Integration in «OpenOffice». Selbstverständlich muss «Free ERP» den papierlosen Verkehr mit Behörden (Mehrwertsteuer, Quellensteuer, AHV, IV, Bundesamt für Statistik) unterstützen, also den durchgehenden Einsatz von digitalen Signaturen und Verschlüsselungen ermöglichen.

MODULE UND IHRE FUNKTIONALITÄTEN VON «FREE ERP» Drei Module für Restaurationsbetriebe (SCM inkl. Forecasting, HRM, FIN (incl. MWSt. etc.), Putzplan online mit ROI-Analyse und Booking, Achtung: individuelle Bedürfnisse der einzelnen Betriebe! Zum Beispiel: SousLePont: Anbindung an Bio-Fleisch-SCM, Gemüse, etc. Automatische Publikation der Menupläne online. EssensbonsManagement für freiwillige Mitarbeiterinnen. Drei Module für Konzertbetriebe (ABM, Restauration, HR, FIN, PersonalTerminplanning + Security-Modul online, Putzplan online mit ROI-Analyse und online Booking für Gäste) . Ein Modul für den Theaterbetrieb (online Booking-System für Gruppen, online Booking für BesucherInnen, HR, FIN, Putzplan online mit ROI-Analyse). Ein Druckerei-Modul (alle Druckerei-übliche SW (Papier, Unterhalt, HR,


CRM, FIN, … Achtung: Abschreibungen tricky). Zeitungs-Modul (Abo-Verwaltung, APS, Leserbrief-Management, CCM. FIN, HR, CRM. Anbindung insbesondere an Essensbon-Management). Konzernmodule: TGSS mit automatischer Schubumkehr bei der Belüftung. Terminplanung online für alle Arbeitsgruppen. ROI-Analyse, SecurityPlanning-System mit Online-Anbindung an alle relevanten Kräfte (Einsatzplanungen von Vorplatz, Polizei, FCB/SCB-Hools, Feuerwehr etc.). Konzernweite FIN-Konsolidierung und BI-Tools mit grafischer Darstellung. Schlüsselverwaltung. Online-Zahlungsverkehr. VVV. Nur «nice to have» wäre hingegen die zusätzliche Erarbeitung eines JRS.

«Guss-Motorkolben als Büroklammerschale». Die ersten Schritte zu «Free ERP» sind getan. So hat der Präsident der Stadtberner Jungfreisinnigen, Christian Wasserfallen, die abgebildete Büroklammerschale selbst gemacht. > JOHANN HINTERFUHREN* < Foto: www.cewe.ch

WORTERKLÄRUNGEN Die ERP-Cracks von den Jungfreisinnigen kennen die Abkürzungen. Hier noch die Erklärungen für alle anderen: ABM: Artist Booking Management. Software, um die Auftritte der KünstlerInnen zu koordinieren. Inklusive Management der Quellensteuer. APS: Automatic Publishing System. Gleichzeitiges Publizieren von Texten und Bildern online und in einer gedruckten Zeitschrift. BI: Business Intelligence: Auswertung von verschiedenen Daten, damit man in die Zukunft schauen kann. Setzt den Einsatz von Data-Warehouses voraus. CCM: Censorship Consens Management: Ein Werkzeug für das Erarbeiten von Entscheiden über die Publikation von umstrittenen Artikeln. Dreischichten-Modell: Software-Architektur, bei der Datenbank, Applikation und Präsentation vollständig getrennt sind. CRM: Customer Relationship Management. Siebel, salesforce.com oder doch SAP?

FIN: Finanzen, Buchhaltung. Debi, Kredi,

Offshore: Entwicklung von Software in

Lager, Löhne, Anlagenbuchhaltung, etc. Tricky in der Reitschule, da zum Beispiel grosse Mengen an Leergut-Rückgaben zu managen sind. HRM: Human Ressource Management. In der Reitschule besonders komplex, da jährlich zig-tausende von Arbeitsstunden gratis geleistet werden. JRS: Jungfreisinnigen-Reporting-System: automatische Übermittlung von Daten (natürlich XML und Webservices) an Server der Jungfreisinnigen der Stadt Bern bezüglich des Besoffenheitsgrades ihrer Mitglieder, die sich gerade in der Reitschule befinden. Um das System zu vereinfachen, sollten sich die Jungfreisinnigen am besten einen RFID-Chip implantieren lassen.

weit entfernten Ländern, zum Beispiel Indien. ROI: Return-on-Investment. Analyse des Ertrags (in Form von Kunden- und Lebensmittelinspektoren-Zufriedenheit)SCM: Supply-Chain-Management. Software-gesteuertes Steuern von Warenflüssen. TGSS: Tear Gas Sensing System. Ein System, das frühzeitig den Einsatz von Tränengas und die damit verbundene Gefährdung von hunderten Menschen erkennt. VVV: Virtuelle Vollversammlung. Mit «Consens-Sensing-System». Webservices: Durchgehenden Einsatz von definierten und standardisierten XMLFormaten, so dass Programme mit Programmen «verhandeln» und automatisch Aktionen auslösen können. AUS GUTEM HAUSE megafon Nr. 284, Juni 2005

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FLIX: HELD

AUF UND AB EINES ZEICHNERLEBENS NORMALE AUTOBIOGRAFIEN ENDEN ALLER-

SPÄTESTENS IM HIER UND JETZT. NICHT SO BEI FLIX: DER ZEICHNER HAT SICH GLEICH SEIN GANZES LEBEN ERSCHAFFEN, KOMPLETT MIT

ANFANG, MIDLIFECRISIS UND ENDE. ALSO VOM KREISSAAL BIS ZUM GRABSTEIN.

Es ist an einem goldener Tag im Oktober 1976, als Klein-Flix das Licht der OP-Lampe erblickt. Der Kleine muss sich der Welt nicht alleine stellen, sein vor ihm gestorbener Grosser Bruder begleitet ihn als sein Schutzengel. Von Anfang an da sind auch die Monster: Sie lauern in dunklen SchlafzimmerEcken, schleichen sich nachts unter Türspalten durch und erschrecken Klein-Flix gewaltig... Bis er eines Tages ein gewaltiges Zaubermittel und seine Mission im Leben findet: Er kann die Monster einfach wegzeichnen! Von da an hat Flix die Stifte immer mit dabei. In der Schule (unbeliebt, weil hässliche Brille, komische Frisur UND schlecht im Turnen) auch wie im Pfadilager (nur leider nicht während der Nachtwanderung). Die Stifte helfen auch, als ihm die erste grosse Liebe das Herz zerbricht.

GEZEICHNETES FOTOALBUM

KULTUR ET ALL

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Entstanden ist «Held» 2002 im Rahmen einer Uni-Diplomarbeit. Flix, eigentlich Felix Görmann, hat in Saarbrücken Kommunikationsdesign studiert. Die ein Jahr später publizierte, rund 100 Seiten starke Geschichte war dabei eigentlich «nur» Arbeitsmaterial; abgegeben hat Flix ein Fotoalbum mit gezeichneten Erinnerungsbildern. «Held» ist nicht nur der Titel von Felix Görmanns Geschichte, sondern auch Programm: Laut Flix-Website bedeutete das Wort einst sowohl Kämpfer, freier Mann, als auch «Erbauer». So hat sich der Zeichner sein eigenes Leben gebaut. Dabei hat er sich bei der

Vergangenheit an seine Erinnerungen gehalten. Auch notgedrungen, da die Eltern keinen Fotoapparat besassen, existieren kaum Bilder aus seiner Jugendzeit. Erfunden hat Flix allerdings dann die Zukunft: «Ich fand den Gedanken faszinierend, mir vorzustellen, wie mein Leben weitergehen könnte; und ob ich aus dem, was ich erlebt habe, einen möglichen Lebensweg für meine eigene Zukunft ableiten kann», erklärt Flix im der Geschichte beigefügten Interview.

ÄLTERWERDEN So findet Flix seine Sophie, wird Ehemann und Vater, wird zum gefragten Zeichner und zieht auch noch in seine Traumstadt Barcelona. Zu den Hochs gehören die Tiefs: Stress und Herzinfarkt, Streit mit Sophie, die Angst vor Veränderung. Und ja, auch die Monster noch da. Sie sind, wie Flix, sogar älter geworden – und gewachsen. Am Schluss seines ebenso reichen wie unspektakulären Lebens muss der alt gewordene Held Flix dann doch noch sterben, ohne dass es ihm gelungen ist, alle Monster aus der Welt zu zeichnen. Aber das ist gar nicht traurig, denn das eigentliche Lebensziel hat Flix erreicht, ganz ohne es zu merken: Er hat sein eigenes Leben erbaut und gelebt, so gut, wie er nur konnte. Wie ein ganz alltäglicher Held, eben. > CDK <


REVEREND BEAT-MAN HÖRT ROCK'N'ROLL

Ein re-release von dieser prepunk detroit band aus 1974 auf dem italienischen rave up label, ultra punk rock à la iggy and the stooges, als punks noch die langhaarigen waren, schmettern sie dir mit «my times coming» schon mal einen um die ohren. dann geht’s weiter. the stooges sind unüberhörbar, aber man hört auch einen end 60’s sound in dieser scheibe... anyway, sie ist zwar schon über 30 jahre alt aber man könnte denken, die hellacopters oder the hyves wären da am werk. super frisch und ultra druckvoll, das ganze gibt’s nur auf Vinyl also keine CD. und das ist auch recht so, drückt viel viel besser auf schallplatte.

Eine unglaubliche storry auch hinter dieser zusammenstellung von Thurman Valentine, geboren in 1932, als er in den 40ern erst mal sonny boy williams sah und angefangen hat zu musizieren, T. Valentine ist ein etwas zurückgebliebenes kind gewesen und ist mit seiner Mutter aufgewachsen, mit der er bis zu ihrem tod zusammen war, wenn er in der schweiz wäre, würde er bei der regierung spielen. aber da in arkansas ist er tief im R&B verwurzelt. seine texte sind eigentlichgar keine, alles ist unwahrscheinlich Debil und nicht ganz dicht, sozusagen art brut. «hello lucille are you a lesbian» ist aus den 1960ern und ist relative kaputt das ganze lied, dann kam die black power und er schrieb «wake up wake up black man» im sprechgesang und auch einer der wohl ersten Rap Songs ever written, hat eine schlaglinie und drum herum wird frei etwas erfunden, was grad passen könnte. ein geniestreich!

VOLT «Same» (in the red)

LOST SOUNDS «same» (in the red)

brand neu, eine maxie single von den Parisern VOLT (ex Splash 4, No Talents). auf ihrer zweiten maxie ist auch erstmals eine ggitarre zu hören, ansonsten nur billigst-schlagzeugmaschinen und synthis von flohmarkt, da kommt eine lange nicht mehr da gewesene und «ich wett es würde nie wieder zurück kommen»-Casio Trashstimmung auf. «TESTBILD» ist mein lieblingssong drauf, der tut LILI ZELLER «singen», fängt mit stupidem DAF-rhythmus an und geht dann an wie die sau, das ist endzeitstimmung, kalt und blöd und doof und geil und scheisse zugleich, vergesst die ganzen NDW retroscheisse die da so umgastiert und kauft euch VOLT, das ist pre-elektronikmusik vom besten und eindeutig frischesten was heute so rum ist.

man kann dem progressive new wave sagen, mit verstrickten und verworrenen songstrukturen, und man kann dem auch new wave punk sagen. dies ist glaube ich schon die dritte platte von den lost sounds, ich habe Jay Reatard vor Jahren verfolgt, als er mit den reatards für aufsehen gesorgt hatte, einer der trashigsten und rotzigsten punk bands ever, er ist nicht an überdosis gestorben, dafür hat er sich progressive rock reingezogen, wahrscheinlich genesis oder anderen schrott und dann die lost sounds gegründet. aahhhhh!!! und die scheibe ist so was von brilliant, das kann man kaum glauben, ein 2 Manual Orgel-Gewitter und rotzfreche stimme, alles in einem Konzept eingebunden und dennoch frisch und frei, ein gegensatz der sich anzieht und einem nicht los lässt, ob man will oder nicht. für mich schon jetzt die platte des jahres. > BEAT-MAN <

KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT FRAUENRAUM IFLUSS

Für mich die wahrscheinlich rohste und wildeste platte aller zeiten, die hat einen historischen wert wie keine andere, allesamt aufnahmen von 1955–64, und so ultra abgefuckt, wild und strange, dass man es kaum glauben kann. angefangen mit dem trashknüller «she said», die sich anhört, als hätte er einen tennisball geschluckt. und dazu das unorthodoxe gitarrenspiel das er sich selbst beigebracht hat und griffe gebraucht, die’s eigentlich gar nicht gibt… schräg und komisch und wild… mein hi-light ist «we got a date», eine schöne liebesgeschichte, wo er seiner geliebten den kopf absägt und dann sagt: ups… jetzt kannst du keinen hot dog mehr essen… und alles in 1955, vor elvis und so weiter. das ist punk PUR!!! und so ist er auch gestorben vor ein paar tagen ein autounfall… und dann zuhause in seinem trailer auf dem sofa.

T. VALENTINE «hello lucille are you a lesbian» (norton records)

1-2 3-4 5–6 7 8 8

THE PUNKS «american hi energy 70’s rock’n’roll» (rave up)

PROGRAMM

HASIL ADKINS «he said B.B. King » (big beat records)

KULTUR ET ALL megafon Nr. 284, Juni 2005

33


KINO

ROMEO UND JULIA AUF DEM DORFE

BAUZEIT √ IN DER REITSCHULE BERN

DONNERSTAG & FREITAG, 30. JUNI & 1. JULI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

VERFLIXT VERLIEBT

DONNERSTAG & FREITAG, 23. & 24. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

MEIER MARILYN

DONNERSTAG & FREITAG, 16. & 17. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

WENN DER RICHTIGE KOMMT

DONNERSTAG & FREITAG, 9. & 10. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

ROMEO UND JULIA AUF DEM DORFE

DONNERSTAG & FREITAG, 2. & 3. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

megafon 06.05

PROGRAMM

Sali Manz und Vreneli Marti sind unzertrennliche Gef hrtInnen, bis sie durch den Streit ihrer V ter auseinander gerissen werden. Erst als eine schicksalhafte Begegnung sie als Erwachsene wieder zusammen f hrt, kann ihre ebenso starke wie unm gliche Liebe sich entfalten. Diese wunderbar poetische Inszenierung der gleichnamigen Novelle von Gottfried Keller geh rt zu den sch nsten Schweizer Dialektfilmen.

VALÉRIEN SCHMIDELY/HANS TROMMER, CH 1941, FIC, 90 MINUTEN, DIALEKT, 35 MM

ROMEO UND JULIA AUF DEM DORFE

DONNERSTAG, 2. JUNI & FREITAG, 3. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

Rechtzeitig zur Hochsaison der Gefühle zeigt das Kino in der Reitschule, wie Vreneli und Sali sich treu bleiben und wie andere Heldinnen und Helden des Schweizer Films mit ihren Liebeskrämpfen kämpfen.

WIE FINDET MICH DIE LIEBE: SCHWEIZER LIEBESFILME

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Das Dokvideo ber die Bauh tte ist ein bewegtes Zeitdokument. Galoppierende Rhythmen, experimentelle Kameraf hrung und Menschen von der Reitschule, die erz hlen wie und was der Umbau im Bauh ttenmodell mit ihnen gemacht hat.

DOKVIDEO VON URSLÉ VON MATHILDE, CH 2005, 40 MIN.

BAUZEIT √ IN DER REITSCHULE BERN

DONNERSTAG, 30. JUNI & FREITAG, 1. JULI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

BAUZEIT


VERFLIXT VERLIEBT MEIER MARILYN WENN DER RICHTIGE KOMMT

STINA WERENFELS, CH 2003, FIC, 90 MIN., DIALEKT, BETA Marilyn Meier leidet unter ihrem bergewicht und f hrt mehr schlecht als recht einen Coiffeursalon in einem kleinen schweizer Kaff. Trost in ihrem tristen Alltag erh lt sie einzig durch eine heimliche Aff re mit dem verheirateten Gemeindepr sidenten und durch ihre Liebe zur Musik. Als ihr musikalisches Talent entdeckt wird, hat dies nicht nur Einfluss auf ihr berufliches Schicksal.

OLIVER PAULUS/STEFAN HILLEBRAND, C H/D 2003, FIC, 81 MIN., D+TÜRK./D, 35 MM Eine 30-j hrige Mannheimer Putzfrau verliebt sich in einen t rkischen Wachmann, der ihr aber ausser Freundlichkeit wenig entgegenbringt. Dennoch reist sie ihm in die T rkei nach, wo er ohne ihr Wissen das Heiratsversprechen seines Vaters erf llen muss. Ein m rchenhaft anmutender, tragikomischer Liebesfilm, der die Handlung aus dem Stegreif heraus entwickelt.

Um die Liebe der jungen Schauspielerin Mercedes zu gewinnen, inszeniert der argentinische Biologiestudent Miro kurzerhand einen Spielfilm mit ihr in der Hauptrolle — ein Unterfangen mit ungeahnten Folgen. Dem jungen Z rcher Filmemacher Peter Luisi ist ein frisches, unbek mmertes Werk gelungen, das gekonnt verschiedene Filmebenen und -stile zusammenbringt.

PETER LUISI, CH 2004, FIC, 92 MIN., D/DIALEKT, 35 MM

VERFLIXT VERLIEBT

DONNERSTAG, 23. JUNI & FREITAG, 24. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

MEIER MARILYN

DONNERSTAG, 16. JUNI & FREITAG, 17. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

WENN DER RICHTIGE KOMMT

DONNERSTAG, 9. JUNI & FREITAG, 10. JUNI 2005 JEWEILS 21.00 UHR

BAUZEIT


DACHSTOCK

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS: OPTICAL ( M E T R O , M E TA L H E A D Z , P R OTOT Y P E , V I R U S / U K )

SAMSTAG, 25. JUNI, AB 22.00 UHR

PROYECTO MIRAGE ( H A N D P R O D U C T I O N S / E ) , DJ JAVIER IA ( B E L I O / E )

FREITAG, 17. JUNI, AB 22.00 UHR

ACID MOTHERS TEMPLE & THE COSMIC INFERNO ( JA P )

FREITAG, 10. JUNI, AB 22.00 UHR

R3S3T PRESENTS: ∫BASALT IN FLAMMENª HOLGER FLINSCH ( M I K R O LU X . D E , B A S A LT RECORDINGS.DE, REALAUDIO.CH) DIGITALIS (THINNERISM.COM, AC I DWO R K S . C H ) [IN]ANACE ( S U B S O U R C E . D E )

FREITAG, 3. JUNI, AB 22.00 UHR

megafon 06.05

PROGRAMM

(THINNERISM.COM,

(SUBSOURCE.DE)

Den an diesem Abend auftretenden Musikern ist gemeinsam, dass sie das Internet und Computermusik als einen demokratischen Prozess ansehen, der ausserhalb der Gesetze der Musikindustrie die weltweite Verbreitung von Werken, den direkten Austausch mit H rerInnen und anderen ProduzentInnen erm glicht. So arbeitet der in Hannover geborene Dirk Murschall als [in]anace fast ausschliesslich mit elektronischer Musik aus dem Internet, betreibt folgerichtig auch sein eigenes Netlabel Subsource, hat aber auch Vinyl auf Rest Room Records ver ffentlicht. Seit der Entwicklung der DJ-Software Traktor benutzt er mit Vorliebe dieses Tool f r seine Sets, die als Audio-Poesie bezeichnet werden, extended Lounge Music, Soundscapes, auf seinen akustischen Reisen aber auch Clubgrooves und Floormovers durchstreifen. Digitalis, das elektronische Projekt von Oblivion und ntk, einem Architekten und einem Software-Ingenieur, soll die zwischen den Kl ngen bestehenden R ume erforschen und h rbar machen. Wie die Architektur zum Zweck hat, R ume zu schaffen, welche Leben organisieren, den k nftig darin sich Bewegenden eine angenehme Umgebung bieten sollen, wollen sie mit ihrer Musik Konstruktionen schaffen, in welchen Kl nge in einer Art organisiert sind, dass neue Formen von Leben und von Verstehen entstehen k nnen, das ganze Geb ude neu erfunden wird. Dabei arbeiten sie auch mit der Software-Firma Native Instruments zusam-

[IN]ANACE

AC I DWO R K S . C H )

DIGITALIS

REALAUDIO.CH)

B A S A LT R E C O R D I N G S . D E ,

R3S3T PRESENTS: ∫BASALT IN FLAMMENª HOLGER FLINSCH ( M I K R O LU X . D E ,

FREITAG, 3. JUNI, AB 22.00 UHR

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( JA P )

1995 als musikalischer Arm des Acid Mothers Temple Soul Collective gegr ndet, hatte Gitarrist und Begr nder Makoto Kawabata nie die Absicht, eine feste Gruppe von MusikerInnen als Acid Mothers Temple & The Melting Paraiso U.F.O. um sich zu scharen. Dennoch wurde seine intensiv tourende ˙Freakout Group for the 21st Century¨ weitgehend als solche wahr genommen, und der Ausstieg von Cotton Casino letzten Fr hling, welche mit Synthesizer und Stimme, ausgiebigem Bier- und Zigaretten-Konsum zu Sound und Bild der Band beigetragen hatte, markierte einen gravierenden Einschnitt in die Geschichte des Projekts. Hinzu kam eine k rperliche und geistige Erm dung durch best ndiges Touren, eine Unzahl von Ver ffentlichungen auf ber den Erdball verstreuten Labels, ihrer Musik entsprechend Verbreitung verschaffend, sie jedoch, wie Makoto auf der Homepage www.acidmothers.com schreibt, zur ckliess wie eine Gruppe von Dinosauriern, im Aussterben begriffen. Ein vor der ˙Minstrel in the Galaxy¨-Tour letzten Herbst schon angenommenes Engagement seines Solo-Projekts Mothers Of Invasion anfangs dieses Jahres, und die Tatsache, dass das ze(h)nj hrige Bestehen von A.M.T. zu feiern anstand, brachte Makoto auf die Idee, eine neue, kr ftige Formation aufzustellen, welche dem sozusagen untergehenden Dinosaurier, der das vorangehende Projekt war, zumindest ebenb rtig w re, f hig, den sterblichen berresten den letzten Segen zu erteilen. Um diese Herausforderung einzugehen, zum Yin das Yang zu gesellen, brauchte er musikalische Mitstreiter, welche die F higkeiten des fr heren Line Ups noch berboten, und sein erster Verb ndeter wurde Hiroshi Higashi, langj hriger Freund, der schon in der alten Besetzung Gitarren und Synthesizer beigesteuert hatte. Es entstand ein neues Monster, beweisend, wie weitreichend die Vernetzungen im Soul Collective sind: Die A.M.T. & The Cosmic Inferno genannte Re-Inkarnation

ACID MOTHERS TEMPLE & THE COSMIC INFERNO

FREITAG, 10. JUNI, AB 22.00 UHR

(BELIO/E)

Das in Madrid ans ssige Duo von Alicia H. Wille und Francisco Planellas besteht seit 1990, und z hlt zu seinen haupts chlichen Einfl ssen die klassischen Elektro-PopBands dieser Zeit. Ihre Musik verr t jedoch auch ihre Vorliebe zu eher extremen Industrial-Projekten wie Esplendor Geometrico, Whitehouse oder SPK, zu EBM, Electro und Tribal/Ritual. Sie bezeichnen ihren Sound als Hard Electronic Industrial, stark beeinflusst von Drum’n’Bass, Techno, Electro und Rock, mit einem Hang zum Experimentellen, bei Live-Performances auf den Hardfloor zielend. Das wird beschrieben als leichte, ber komplexen rhythmischen Grind gelegte elektronische Kinderlied-Harmonien mit hypnotischen Qualit ten, durchzogen mit befremdenden Samples, White Noise, viel Atmosph re, und Alicias Electroclash-Stimme, gleichzeitig umschmeichelnd und in den Arsch tretend. Es wird auch festgestellt, dass sie als eher unbekannte Band f hig sind, ohne grosse Posen ein Publikum ganz einfach ber die Qualit t ihrer Musik in ihren Bann zu ziehen. Solches wird berichtet von Konzerten am jeweils in verschiedenen St dten Deutschlands stattfindenden Maschinenfest, an welches sie schon mehrmals eingeladen wurden, dem Gothik- und Wave-Treffen in Leipzig, oder dem diesen M rz abgehaltenen Resistance Festival f r elektronische Musik in London, wo sie neben 2nd Gen, Panic DHH und Roger Rotor im Line Up figurierten. Ihr Set wird umrahmt von Javier IA, einem Mitbegr nder eines Kollektivs von graphischen Artisten, Musikern und DJs, welches das gedruckte, auch online verf gbare Magazin ˙Belio¨ herausgibt, Festivals, Parties und Konzerte veranstaltet, der den DJ-Teil beisteuern wird.

DJ JAVIER IA

( H A N D P R O D U CT I O N S / E )

PROYECTO MIRAGE

FREITAG, 17. JUNI, AB 22.00 UHR


RESET | ACID MOTHERS TEMPLE | PROYECTO MIRAGE | OPTICAL

men, f r welche sie unter anderem die Mix-Software ˙Traktor¨ in Kombination mit ˙Final Scratch¨ testen, sind so immer auf dem neusten technischen Stand der Mittel, ihren Forschungsbereich zu erweitern. Der nahe Frankfurt geborene Holger Flinsch spielte verschiedene Instrumente in einer Band, bevor er sich Mitte der 1990er Jahre zur ckzog, seinem musikalischen Idol Mike Oldfield nacheifernd seine Musik alleine mit elektronischen Instrumenten zu schaffen. 1999 erschien seine erste 12", welche gut aufgenommen wurde, und in der Folge produzierte er f r verschiedene Labels, unter anderem sein eigenes, Basalt genanntes. Seit 2002 tritt er auch live auf, wie an diesem r3s3t-Abend.

besteht neben den Beiden aus Mitsuru Tabata, Gitarrist bei Zeni Geva, ex-Boredoms, Leningrad Blues Machine, am Bass, und den zwei Drummern Koji Shimura, der mit High Rise und White Heaven, mit Makoto schon mit Mainliner unterwegs war, und Futoshi Okano, der bei Ghost und Subvert Blaze mitmachte. Das Observatorium f r kosmische Soundologie und intergalaktische Geschwindigkeitsforschung sagt bevor, dass hier Schallgrenzen durchbrochen werden, neues Territorium geschaffen wird f r Wesen aller Art, welche Energie zu sch pfen verm gen aus der Verbindung von altert mlich irdisch anmutender Folklore mit bestimmt ausserirdischem Spacerock, das Licht zwischen Diesseits und Jenseits immer und berall erblicken wollen. Auf einem fliegenden Teppich.

Matt Quinn, a.k.a. Optical, der ltere Bruder von Jamie ˙Matrix¨ Quinn, mit welchem er das Metro-Label betreibt, muss kaum mehr gross vorgestellt werden: Einige seiner Tracks, f r Metalheadz wie f r Prototype, zum Beispiel, einige seiner Produktionen f r deren K pfe Goldie und Grooverider, f r ˙Saturn Returnz¨ und ˙Mysteries Of Funk¨, haben Drum’n’Bass Geschichte geschrieben. Auch nach der Gr ndung von Virus Recordings gemeinsam mit Ed Rush, wo die beiden das 5-LP-Set ˙Wormhole¨ ver ffentlicht haben, hat Optical nicht aufgeh rt, umzusetzen, was er begonnen hat, als er mit siebzehn mit der Schule aufgeh rt hat, ˙um in ein Studio zu gehen und alles zu lernen, was mit Sound zu tun hat¨: Eigene Tracks, Remixes, Produktionen f r andere Leute herauszubringen und zu verbreiten, im Studio produzierend, oder als DJ Floors nachhaltig in Schwung versetzend. Mit dabei als solcher hat Optical diesmal sicher das Material der letzten gemeinsamen Ver ffentlichung von Ed Rush und Optical, ˙The Creeps¨, in der einen oder anderen Form, w hrend derer Produktion sich die beiden dem Vernehmen nach einen Tinnitus zugezogen haben.

VIRUS/UK)

( M E T R O , M E TA L H E A D Z , P R OTOT Y P E ,

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS: OPTICAL

SAMSTAG, 25. JUNI, AB 22.00 UHR


TOJO

TRUMMER

EIN PROJEKT, ZWISCHEN PERFORMANCE UND THEATER

ESCAPE

DIENSTAG, 21. JUNI, 20.30 UHR DONNERSTAG, 23. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 24. JUNI, 20.30 UHR SAMSTAG, 25. JUNI, 20.30 UHR

RELEASE PARTY + INDIE DJ

TRUMMER ∫ANYWAYSª

SAMSTAG, 18. JUNI, TÜR 20.30 UHR

ANIMIERTE RAUMINSTALLATION VON RENATE WÜNSCH

MARIE MARIE

MITTWOCH, 15. JUNI, 20.30 UHR DONNERSTAG, 16. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 17. JUNI, 20.30 UHR

RADIOSHOW VON ALAIN MEYER + DJ

LOST SONGS

MITTWOCH, 1. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 3. JUNI, 22.00 UHR SAMSTAG, 4. JUNI, 22.00 UHR

megafon 06.05

PROGRAMM

Liebe, Hass, Hoffnung und Verderben. Eine schummrige Bar, saure Drinks, Manfred, Marie und ein Lied. Ein Lied, das Manfred auf eine Reise schickt, zu Bill Evans, Hooligans, Vampiren und Mafiosi auf Vespas, siamesischen Zwillingen, LSD, Superstars, unterirdischen Seniorenheimen und Gitarristen mit gebrochenen Fingern. Eine Suche nach dem Lied der Lieder, nach dem Soundtrack des Lebens, der Vertonung der Sehnsucht. Was ist dieses Lied? Wem geh rt es? Woher kommt es? Wohin f hrt es? Die Geschichte von Manfred, Marie und ihrem Lied erz hlt sich auf einer B hne die ganze 3 Meter breit, 1,60 Meter tief und 1.90 Meter hoch ist. Diesen begrenzten Raum entfaltet Maschinistin Renate W nsch in fast stoischer Manier zu Manfreds Welt, klappt nacheinander die Stationen seiner Odyssee auf und wieder zu, animiert das Personal der Szenen: Bartender, Blondinen, Bettler, Pl schtiere, l sst Flugzeuge fliegen und Schiffe fahren Unterst tzt wird sie dabei von einer ovalen 1.8 m x 1 m grossen Videoprojektion in der R ckwand der B hne, die der Geschichte eine weitere Bildwelt hinzuf gt und sie vorantreibt. B hnenbild, Videoprojektion, Musik und die Stimmen der Sprecher ergeben ein Schauspiel ohne SchauspielerInnen. ˙Marie Marie¨ erz hlt sich in Form der Installation, einer

ANIMIERTE RAUMINSTALLATION VON RENATE WÜNSCH PRÄSENTATION: RENATE WÜNSCH TEXT: GRAZIA PERGOLETTI MUSIK: FRANK GERBER VIDEO: IRENA GERMANO, ELIO LÜTHI STIMMEN: MATTHIAS BRAMBEER, CATRIONA GUGGENBÜHL, SILVIA-MARIA JUNG, MATTHIAS KELLER, MERET MATTER, PHILIPPE NAUER, GRAZIA PERGOLETTI, MICHAEL RATH UND WERNER SCHÖNI

RADIOSHOW VON ALAIN MEYER + DJ Drei Jahre lang sendete Alain Meyer, als Moderator der Radiosendung ˙Lost Songs¨ ber Couleur 3 in den ther, obskure, versch ttete, abgr ndige und ber hrende Verlorene Lieder. Und die dazugeh rigen verlorenen Geschichten. Eine eingeschworene Fangemeinde hing jeden Sonntagabend am Radio, an seinen Lippen, seinen verlorenen Geschichten und Liedern. Als Fortsetzung davon bringt Alain Meyer nun die ˙Lost Songs¨-Live-Radioshow auf die B hne. Der Clubgr nder, Festivalorganisator, Radiomoderator, Labelbesitzer, Promotor und Manager der ˙Dead Brothers¨, hat dazu sein Radio-Studio in einem riesigen R hren-Radio, das die K nstlerin Jennifer Mermod entworfen hat, eingerichtet. Live, im Schattenriss und mit Videoprojektion, erz hlt er seine verlorenen Geschichten und spielt Platten aus seiner ehrlichen, schillernden und diskreten Sammlung. Rotierende Vinylscheiben und vibrierende Luft. Ehrenrunden, die das Herz beim H ren von ganz bestimmten Schallplatten dreht. Berichtet aus dem Dschungel der Fanzines, Bootlegs, Clips und Filmmusiken, schlecht gel fteten Plattenstudios, versteckten Clubs, dunklen muffigen Bandkellern und bungsr umen. Verlorene Lieder, Herzzerreissende Gitarren, l dierte Stimmb nder, raue Perlen: Sportsguitar, Hugo Race & The True Spirit, Dead Brothers, Guitar Fucker, Muesli Brothers, Sunday Ada, Power Fools, Super Supers, Girl Trouble, Mojo Nixon, Whitman McGowan, Deutschmark Bob and the Deficits, Reverent Beatman, Dirk Bonsma, Camus San Francisco, Hambourg, Borneo, Fribourg, La Chaux-de-Fonds, G n ve, New Orleans, Bruxelles, Lubljana, Las Vegas, Biel/Bienne, Berne Die Live-Radioshow: ˙Lost Songs¨ ist ein theatraler Budenzauber. Die Geschichten der Lost Songs erz hlen die Kehrseite der Dekoration. Eine zeitgen ssische Ode

MARIE MARIE

MITTWOCH, 15. JUNI, 20.30 UHR DONNERSTAG, 16. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 17. JUNI, 20.30 UHR

LOST SONGS

MITTWOCH, 1. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 3. JUNI, 22.00 UHR SAMSTAG, 4. JUNI, 22.00 UHR

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ESCAPE wurde gemeinsam von Dominique Rust, Michael Wolf, Ariane Andereggen, Clarissa Herbst und Hannes Glarner entwickelt. Ein Projekt, zwischen Performance und Theater. ESCAPE befasst sich mit dem Gef hl, nicht an dem Punkt zu sein, an dem man gerne sein m chte und gleichzeitig mit der M he, den Augenblick anzunehmen. Das ersehnte Land ist auf der anderen Seite. Es bleibt immer ein Abstand zwischen Wunsch und Realit t. Eine L cke. Eine Diskrepanz. Der Schauplatz ist ein bergangsort. Eine Schnittstelle. hnlich den Flugh fen, wo man auf die Anschlussverbindung wartet. Transit. Wenige Stunden, die nicht reichen, um in die Stadt zu fahren. Zwischenzeit — nicht wirklich nutzbar. Zeitmasse in einem ffentlichen Raum. Drei Figuren bewegen sich in dieser Zone. Sie kennen sich nicht. Sie warten, best ckt mit leichtem Handgep ck, bis es weitergeht, Sie beobachten sich aus Zeitvertreib. Die drei verbindet ein hnlicher Beweggrund. Sie sind Fl chtende. Weggelaufen aus ihrem Alltag. Nun sind sie allein mit sich, ihrer Gegenwart, ihrem vergangenen Leben; einerseits befreit und andrerseits geplagt von Gewissensbissen und Schuldgef hlen. Sie sind gegangen, ohne sich zu verabschieden. Sie haben sich einfach entzogen. Die Herkunft der drei Charaktere und die Gr nde ihrer Flucht werden im Laufe des Abends in Bruchst cken

EIN PROJEKT, ZWISCHEN PERFORMANCE UND THEATER. REGIE: HANNES GLARNER MIT: DOMINIQUE RUST, MICHAEL WOLF, ARIANE ANDEREGGEN BÜHNE/KOSTÜM/GRAFIK:CLARISSA HERBST MUSIK: ERNST THOMA LICHT: MATTHIAS KELLER

ESCAPE

DIENSTAG, 21. JUNI, 20.30 UHR DONNERSTAG, 23. JUNI, 20.30 UHR FREITAG, 24. JUNI, 20.30 UHR SAMSTAG, 25. JUNI, 20.30 UHR


< MARIE MARIE LOST SONGS

an verlorene Geschichten und Songs, unmittelbar, berraschend und verf hrerisch. Eine Hommage an die Magie des Radios. Ein Abend, der den Kreis der liebgewonnenen H rgewohnheiten um neue Freunde erweitert. Anschliessend Tanz! CD auf Little Records:www.little.ch

<

ESCAPE >

Das Konzert im Tojo ist etwas zwischen Plattentaufe und Release-Party: Als Rahmenprogramm gibt es eine Disco, die sich tanzbarer, handgemachter und songorientierter Musik von 1960 bis heute widmet, ganz im Zeichen des Hauptprogramms.

Knapp eineinhalb Jahre nach der Ver ffentlichung seines vielgelobten Debuts ˙night light¨ wartet der Berner Songwriter Trummer bereits mit seinem zweiten Werk auf. Die neue Scheibe nennt sich ˙anyways¨ und klingt erstmal anders: W hrend auf ˙night light¨ unter der Regie des Singer/Songwriters Reto Burrell als Produzent vor allem die folkrockige Seite und die traditionellen Wurzeln in Trummers Songs zu klingen kamen, wendet sich ˙anyways¨ nun den alternativen zu. Wie eine ganze Generation ist Trummer in den Neunzigern zwar mit der Renaissance von Bob Dylan, Johnny Cash & Co. aufgewachsen, aber eben auch mit dEUS, Pearl Jam, Radiohead und Pavement. So hat sich die neue Platte stilistisch ge ffnet. Noch eine Neuerung: ˙anyways¨ wurde mit der Live-Band eingespielt, die Trummer nun seit ber zwei Jahren on the road begleitet, gecoacht und produziert von einem, der gewiss eine betr chtliche Banderfahrung mitbrachte, dem fr heren Z ri West Gitarristen Peter von Siebenthal.

RELEASE PARTY + INDIE DJ VOCALS, AC & EL GUITARS: TRUMMER GUITARS, VOCALS: MAZE KÜNZLER BASS: ROBERT AEBERHARD DRUMS, PERCUSSION, VOCALS: CHRISTOF JAUSSI

TRUMMER ∫ANYWAYSª

SAMSTAG, 18. JUNI, TÜR 20.30 UHR

Mischung aus klassischem Geschichtenerz hlen des Theaters und animierter Rauminstallation. Eine mechanische Szenografie — ein visuelles H rspiel — eine dreidimensionale Moritat. ˙Marie Marie¨ hatte am 15. Dezember 2004 im Schlachthaus Keller in Bern Premi re und war im Februar 2005 in der P3 Theaterhaus Gessnerallee Z rich zu Gast. Dauer ca. 60 Minuten. Reservation: Boogie Secondhand, Zytgloggelaube 4, Tel. 031 311 94 04

erz hlt. Es wird f r jede einzelne Figur eine Art Fassade aufgebaut, die immer wieder aufbricht. Durch die entstehenden Risse blitzen im Jetzt Fetzen der Vergangenheit auf. Der B hnenraum ist eine Zone. Ein fremder Ort. Es gibt keine R ckzugsm glichkeit. Alles ist provisorisch. Gezeigt werden Momentaufnahmen. Den Figuren entgleitet ihr Tun immer mehr. Sie vergessen sich selbst, geben etwas von sich preis und fangen unmerklich an, sich einander mitzuteilen. Die Fluchtziele bleiben unbestimmt. Sie fantasieren von unbekannten St dten und Gegenden. Um sich zu orientieren erstellen sie Listen mit Vors tzen, verwickeln sich in Gespr che. ESCAPE entwirft eine atmosph rische Bilderwelt und entwickelt ein eigenwilliges Vokabular an Bewegung, Sprache, Erscheinung sowie im Umgang mit Gegenst nden. In ESCAPE verbergen sich drei Geschichten. Das Publikum verfolgt deren Spuren und Bilder. Erlebt die Einsamkeit der Drei und deren Begegnung in einer begrenzten Raumund Zeitzone. Ariane Andereggen war dieses Jahr mit ˙Ende der Vorstellung¨ im Tojo zu sehen, Domique Rust mit ˙LAZAR¨ im Schlachthaus und mit ˙DNA¨ in der Dampfzentrale im Rahmen von Auawirleben.


SOUS LE PONT

JAPAN SPEZIALITÄTEN

OFFENE BÜHNE #72

MITTWOCH, 29. JUNI, 22.00 UHR

ITALIEN SPEZIALITÄTEN

IRLAND SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 15. JUNI, 19.00 - 22.00 UHR

MITTWOCH, 29. JUNI, 19.00 - 22.00 UHR

INDIEN SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 22. JUNI, 19.00 - 22.00 UHR

Urban Junior One Man Band aka Stefan Fruehmorgen aka Frontmann von HNO hat das umgesetzt, wovon niemand tr umt. Ein Musiker macht Musik wie eine ganze Band und beh lt die ganze Kohle f r sich. Sein erstes Album ˙Music for the asses¨ ist dieses Jahr offiziell erschienen. Bassdrum, Snare, Hihat, Guitar, Vocals — Urban Jr. braucht keine Band! 10 Songs, die wichtige Fragen auf unwichtige Antworten geben. Urban Jr. ist bereit, f r eine bessere Welt zu k mpfen und die Welt hat ihn definitiv verdient!!! http://fistfuckerrecords.ch

MANI PORNO

HIP-HOP-EVENT FÜRS DANCE OUT WEF

DONNERSTAG, 9. JUNI, 20.00 UHR

Nie ists so einfach gegen Nazis aktiv zu sein, wie beim Saufen gegen Rechts. Du trinkst gem tlich ein Bier oder sonst was und erh lst Infos zu aktuellen Projekten. Das Geld, welches du dabei ausgibst kommt antifaschistischen Projekten zugute. Also: Nastrovjie! Sant ! Salute! Prost!

Mani Porno sind Gavioes, der mit der schrecklichen Stimme und dem nervigen Gitarrenspiel und der sch ne Roc, der Allesk nner aus Brasilien. Wer sie noch nie gesehen hat, hat Gl ck gehabt. Wie das Bild zeigt rocken Mani Porno berall, auch im Pissoir-Wagen des WoodrockFestivals. www.maniporno.ch

MITTWOCH, 8. JUNI, 19.00 UHR

SOLIBAR ∫SAUFEN GEGEN RECHTSª

( AG )

SOLIBAR FÜR SANIS

MITTWOCH, 1. JUNI, 19.00 UHR

I-FLUSS

SOLI KONZERTE FÜR DIE DEMO DER REITSCHÜLERINNEN VOM 25. JUNI ∫GEGEN DIE HERRSCHENDE DROGEN- & ASYLPOLITIKª

MANI PORNO URBAN JUNIOR (BE)

SAMSTAG, 18.JUNI, 22.00 UHR

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MITTWOCH, 8. JUNI, 19.00 - 22.00 UHR

FLOHMARKT & BRUNCH

SONNTAG, 5. JUNI, 8.00 - 16.00 UHR

Shocker: Zwei Frauen und zwei Typen direkt aus Kalifornien rocken die B hne. Am Gesang und der Gitarre ist Jennifer Finch, ehemals L7. Der Riot-, Punk-, Rock-, Metal-Sound bewegt sich nach eigenen Aussagen der Band zwischen Green Day und Motorhead. Schnell wird s bestimmt und wer Lust hat auf weibliche Gitarrensolos ist bestimmt gut aufgehoben. Die Band hat sich 2003 gefunden und ist ein SelfMade Unternehmen: sie Managen sich selber, nehmen ihre Musik selber auf, geben ihren Sound selber raus. Evil Beaver: Das ist ein Rock-Duo aus Chicago mit der Frontfrau Evie Evil. Das Duo hat schon mit ber 1000 Bands die B hne geteilt, darunter Nina Hagen oder le Tigre. Soundm ssig sind die beiden schwer einzuordnen, zwischen schleppenden, doomigen Songs, bis zu metalligen Rock n Roll Tracks liegt alles drin.

EIN PUNK-ROCK-METALL-ABEND MIT VIEL FRAUENBETEILIGUNG, DER UNTER DIE HAUT GEHEN WIRD

LADY-ROCK-NIGHT: SHOCKER ( U S A ) EVIL BEAVER ( U S A )

FREITAG, 3. JUNI, 22.00 UHR

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PROGRAMM

SOLIBAR FÜR DIE ANTIFA

DIENSTAG, 28. JUNI, 19.00 UHR

Die herrschende Asyl- und Drogenpolitik zerst rt nicht nur Menschen, sondern auch Freir ume wie zum Beispiel die Reitschule. Bereits seit Monaten findet dazu eine Sensibilisierungskampagne innerhalb der Reitschule statt. Am 25. Juni geht die Reitschule nun mit ihren Forderungen ein weiteres Mal auch auf die Strasse. Die Einnahmen der Solibar dienen zur Finanzierung der Unkosten der Demo. Wenn du nicht (nur) f r deinen Freiraum saufen magst, komm doch einfach am 25. Juni mit uns auf die Strasse und solidarisiere dich mit unseren Forderungen. Treffpunkt Demo: Samstag, 25.Juni 2005, 15.00 Uhr auf dem Vorplatz der Reitschule (siehe auch Seite 27)

BÜNDNIS VORPLATZ

MITTWOCH, 22. JUNI, 19.00 UHR

Zum 8.Juni (8.Jahrestag der Perimeter-Verbote in der Stadt Bern) l uft um ca. 21.00 Uhr der Film ˙Artikel 29: Aus den Augen aus dem Sinn¨ von Stefan Brunner

MIT MESSER UND GABELN GEGEN DIE REPRESSION

SOLIBAR FÜR DIE GASSENKÜCHE

MITTWOCH, 15. JUNI, 19.00 UHR


FRAUENRAUM

Seit Beendigung ihres Kunststudiums an der Hochschule der K nste Bern (2004) ist Simone Etter als freischaffende K nstlerin t tig. Kunst und Literatur verkn pfen sich auf Grund der intensiven Besch ftigung mit Linie, Punkt und Fl che zu einem geschickten Textkunstwerk. ˙Am liebsten zeichne ich Worte¨. Etter sieht sich selbst als Besucherin einer Grundfl che und Gast im Abbild. Etters Texte sind fragmentarische Abfolgerungen. Haarscharfe, aber mit viel Umschwung gut gepolsterte Aussagen weisen dem Leser eine Richtung, als w rde dieser leicht geschubst. ˙In einem engen Raum verbrennt man sich die Finger, in einem weiten hat man keine.¨ oder: ˙mit der Geduld im Arm rennen wir im Kreis¨ steht da etwa geschrieben und fordert einem sensibilisiert und provokativ zugleich zum Denken heraus. Der/die LeserIn wird in ihre Texte miteinbezogen als w re dieser ein Komma oder ein Punkt, als Rastplatz um dann weiter zu ziehen. Dder Leser ist die Umrisslinie des Gef sses.¨ Deswegen liest sie nicht oft vor Publikum, um wie sie sagt die Worte nicht zu verformen.

for women and men

SIMONE ETTER LIEST IHRE NEUSTEN TEXTE, PHRASEN UND ANDERE DUMMHEITEN. GANZ UNTER DEM AXIOM; DAS SCHÖNE AN DER KUNST IST IHR AUSSTERBEN. MIT LAUT VON MARINA KIPFER, PIANO

MILOU`S LOUNGE PRÄSENTIERT: DIE SCHREIBERIN IM WORTLAUT

DONNERSTAG, 9. JUNI, 20.00 UHR (BAR), 21.00 UHR (WORTLAUT)

women only

FRAUENDISCO POPSHOP

FREITAG, 3. JUNI, 22.00-03.30 UHR

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PROGRAMM

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Anfangs Mai kamen die 19 femme-eusen chanteusen vom Various Voices Chorfestival Paris retour. Im Gep ck einige Lieder der Concours Eurovision de la Chanson der 1970-er und 1980-er Jahre. Douze points — f r wen? for women and men

IN CONCERT MIT DEM NEUEN EUROVISIONS-PROGRAMM

MATINÉE MUSICALE: ∫SWEET & POWERª √ GEMISCHTER FRAUENCHOR

SONNTAG, 12. JUNI, 11.00 UHR (TÜRE: 10.30 UHR)

Also nicht verpassen am 9. Juni 2005 im Frauenraum der Reitschule Bern. Auf Anfrage kann kostenlos unter: Wort_Laut@web.de ˙Wortwechsel¨ — Simone Etters kurze Texte zur Monatsr ckschau — angefordert werden.

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VELVET JUNE

for women and men

TANZABEND FÜR GLEICHGESCHLECHTLICHE PAARE FÜR STANDARD- UND LATEINAMERIKANISCHE TÄNZE / AB MITTERNACHT OLDIESDISCO

TANZ-BAR

FREITAG, 24. JUNI, 21.00 - 02.00 UHR

for women and men

Velvet June steht seit 2001 f r vier Frankfurter Musikerinnen, deren Pop-Rock Kompositionen regelm §ig f r Spass an Konzerten sorgen. Melodische Parts reihen sich an den schwungvollen Sound satter Riffs, durch sph risch-melodi se Gitarren- und Gesangsparts und rhythmusbetonten Background entsteht eine sch ne Mischung aus Melancholie und Groove. Verantwortlich daf r sind die Gitarristin Laura Finger, die ihr Instrument geniegleich beim Spielen erlernte, S ngerin Katharina Gerzymisch, die zwei Jahre ihre Stimme ausbilden liess, sowie Schlagzeugerin Kaja Magsam, deren langj hriger Unterricht am Instrument nicht zu berh ren ist. Anfang 2005 kam Bassistin Julia Sch fer, die zuvor schon in einigen anderen Bands spielte, zur Band dazu, nachdem die urspr ngliche Bassistin wegen Zeitmangel die Band verlassen hatte. 2004 erschien das erste Studioalbum der Band: ONE DAY IN JUNE. Seit dem stehen wieder zahlreiche Konzerte auf dem Plan, der vorsieht, Stufe um Stufe an Routine und Erfahrung zu gewinnen. Im M rz 2005 wurden Velvet June zum ˙VenerElettrica International Female Rock Festival¨ in Italien eingeladen und dort mit dem Award ˙Best Band¨ ausgezeichnet. Eine kleine Italientour und weitere Studioaufnahmen in Italien werden folgen. (aus www.velvetjune.de)

LESBISCH-SCHWULES CHILLEN

MELANCHOGROOVEROCKPOP

CRASH HELMET LOUNGE

DONNERSTAG, 23. JUNI, 20.00 UHR

for women and men

VELVET JUNE (D)

SAMSTAG, 18. JUNI, 22.00 UHR


KREUZUNGEN Die Inhalte der Rätselseite sind keineswegs dazu gedacht, Unbill zu erzeugen, auch dann nicht, wenn sie aus gesellschaftlich brisanten Ausdrükken wie «Fett» oder etwaigen Personennamen bestehen. Sie sind viel eher Mittel zu dem faszinierenden Zweck, Worte so zu verflechten, dass jedes Einzelne die Position, Form und (wiederum 1

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alle Andern beeinflussende) Auswirkung begründet. Eine Weltordnung. Die Welt ist Zahl, verlauteten die Pythagoreer einst. Bei aller Einsicht, bei allem Staunen über mathematische Verknüpfungen, will ich dochwohl die Reklame wagen, sie sei Wort. > LEACHIM BÖGLI < 7

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WAAGRECHT 1 Franzer 3 Mit Splitter hats zwar nichts zu tun. Aber mit bar 7 Poetisch für Velofahren 13 Zustand einer öfters fettabsaugenden Person, aber auch eines Dauerdownloaders 16 ausserordentlich 17 Torx und sie knirschten schon die Reitschalle 19 Durst auf italienisch 20 nordalgerisches Berggebiet 22 Pfropfte periodisch raus, wenn Stachler welche legen würden 24 brutaler kleiner Held im Gefecht 26 Schutzstaffel 27 Der Bruxistenvokalist? Nein, sumpfiger, erdiger 29 Berndt. Löwe 30 Da mengt und mählt Lateinerschmuck die giftzahnlosen Schlangen 32 verreckt 35 franz.: Gymer 37 Ganz selten nur befördert dieser Aufzugshersteller nordische Hirschkühe 38 Neufranzösisch: Altenglisch 39 Hals-NasenUterusarzt (Abk.) 40 Wettbewerbskommission 41 Deutsche Bahn 42 Rapper aus Amerika 43 Nicht ganz ein Trendieren, eher britischzurückhaltendes Neigen zu 44 wie (konj.) 45 Nichtraucher 47 RaBe-Protagonist seit Hörergedenken 49 Anrede 50 Star-WarsFanclub bar der Ironie 53 Tat 54 vorbei 55 Der Anwälte der 45er Feindbild 56 Laufbahn, die aber auch Nichtleichtathleten begehen können 58 Hautanzapfsauger, wohl hunger- und spasseshalber 59 Desoxylose DNA 60 vertonen 62 Maulgaullaut 63 Diese braunschweignahe Industriestadt vereint Sieb und Würze 67 verband einst Neuch und Brig per Streckennetz 68 windabgekehrte Seite 69 lat. krankhaft 70 franz.: Sommer 71 abgehackter Graf, zum Hören reichts noch grad 72 franz.: Rezept

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SENKRECHT 1 Auffangvorrichtung 2 Nostalgitalomoneta 3 Adresse der Reitschule 4 häufigster berndt. Umlaut 5 Warlich, solche Squatter fürchten Sämi und seine Festungswächter 6 Huplaut 8 Zustand jener, die von Bang und Furcht geprägt 9 Nukleinsäure, nur diesmal mit Desoxy 10 hold 11 Luzern ist etymologisch mit dieser Leuchte verknüpft 12 Berndeutsche Bezeichnung derzeitiger YB-Stätte 14 Ausgehen? Fast lieber in das beim Bauernhof als jenes am Mühleplatz 15 Spiritus, Essenz 17 heissen heute Itol oder so 18 Holzschlaginstrument, für Holzschlag nicht geeignet 21 weiblicher Vorname mit Vorbelastung 23 wieder harmloser: Franz Sommer 25 durchtunneltes Kleidungsstück in Bretonien

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28 Wenn dieses Musikantenarrangement derart hässlich spielt, wie seine zweite Hälfte (CH-Frauenname) ahnen lässt, dann guet Nacht 29 Altslawischer Name Kiews 31 Hauptsaudi- statt audistadt 33 Regiment (milit. Abk.) 34 Sollte seine Werke lesen, wer sein Quenya nicht spricht? 36 Berndt.: Eis 43 Bottich 46 Auseinanderbruch 48 modisch 51 mit Ersigen liierte Unihokhochburg 52 mercylessness 53 höchstgenauer Mensch 54 auf den SBB-Schildern verwendete Schriftart 57 franz. Männername, im Tennis ist Englisch besser 61 et avoir 64 erste Frau Jakobs 65 Grazer Musikuni 66 heisst heute RM

LÖSUNGEN VOM MAI-RÄTSEL WAAGRECHT: 2 POLENTA 3 BREI 8 BANKETT 11 HUPE 13 BOA 14 GLACE 17 #tt 18 PINTO 20 RO 21 SUGAR 24 NASA 25 MGS 27 TAL 28 EBER 30 PANAMA 32 AP 34 FA 35 SA 37 DADA 38 STUR 40 FLICKFLACK 43 MOTTE 44 EI 45 LARA 46 AOIH 49 IG 50 ROESTI 53 WAFFEL 55 NI 56 SD-KACK 58 ULF 59 DEI 60 TEE 62 PAIN 66 UR 67 EMMI 69 EAR 70 TOFU 72 AV 73 USER 75 HEILEN 76 KANADIERINNEN 79 RG 80 INN 81 CL 82 SUENDEN SENKRECHT: 1 GABI 3 OTG 4 AU 5 BE 6 EFTA 7 INTRO 9 NONNE 10 KATAR 12 PASTA 15 ARMADA 16 COGNAC 18 PFEFFERSTEAK 19 OS 22 UA 23 GLATT 26 SAD 29 BALI 33 PUTIN 35 SKAT 36 AFRIKA 38 SOHLE 39 REGIERUNG 42 KAFFEE 45 LSA 47 OF 48 IEDEREEN 51 ODEM 52 EK 53 WUNDER 57 CP 61 EMANN 63 INSEL 65 SAHNE 66 UFERN 68 IVAN 70 TIND 73 UIC 74 RIS 77 AI 78 NU


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