megafon Nr. 434, August 2018

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Protest als gemeinsamer Nenner – Er folg für Kommunist*innen und Islamist*innen S.1 – 2 | Demokratie per Knopfdruck

– Digitale Demokratie S.3 | Singsang der Nationen – WM: Von Blut, Land und Glorie S. 4 | Alles hübsch – oder wie?

S.5 & 8 | Ds barrikade.info-info S.6 | Reitschul-Programm S.7 | Zwei für mich, einer für dich – Kinderbuchtipp S.9 | Benvenuto al Piazzale Loreto – StattBlick S.9 | holliger Brachland – Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzung

S.10 | Frische Feder S.11 – 12 | Strudelrock – Onomatopoesie S.12

Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern

megafon | N° 434 | August 2018 | 6.–

Protest rotest P Erfolg für Kommunist*innen und Islamist*innen im Irak

als gemeinsamer Nenner Die Sairun-Allianz gewinnt die Parlamentswahlen. Ihr Programm zeigt gesellschaftliche Parallelen zwischen Europa und dem Mittleren Osten auf.

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Text: Christian Wyler | Illu: #tt

ie Sairun-Allianz, zusammengesetzt aus den islamistischen Sadristen und der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP), hat überraschend die irakischen Parlamentswahlen vom 12. Mai gewonnen. Auch wenn aufgrund der zersplitterten Parteienlandschaft die Regierungsbildung schwierig werden dürfte und noch kaum abzusehen ist, wie die künftige Regierung aussehen wird: Der Erfolg und überhaupt die Existenz der Sairun-Allianz sind bemerkenswert. Zum ersten Mal in der irakischen Geschichte haben sich eine islamistische und eine kommunistische Partei zusammengeschlossen.

Alte Feindschaft Neben einer kurzen Machtbeteiligung Ende der 1950er Jahren war die Geschichte der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP) primär durch verschiedene Verfolgungswellen geprägt – zuletzt ab 1978 unter Saddam Hussein. Doch nicht nur das Regime, auch die schiitische Geistlichkeit fühlte sich durch die IKP bedroht, die bei der armen schiitischen Bevölkerung sehr populär war. Sie unterstützte darauf die Bildung der Dawa, der seither bedeutendsten irakischen is-

lamistischen Partei. Der schiitische Islamismus im Irak ist Muqtada al-Sadr: also auch als direkte Gegenbewegung zur IKP entstanden. Militärischer und politischer Widerstand Die Dawa-Partei wurde durch Saddam Hussein ebenDie ab 2003 etablierte Regierung rief aber auch Widerfalls verfolgt. Ihre Führung kehrte erst mit der US-amestand hervor. Zu dessen prominentesten Vertretern gehörte rikanisch angeführten Militärallianz aus dem Exil zurück, Muqtada al-Sadr und die von ihm angeführten Sadristen. Die die 2003 die Herrschaft der Baath-Partei beendete. Das Sadristen lassen sich zwar wie die Dawa dem schiitisch-islamistischen Spektrum neue, von der Dawa dominierte, politische System im zuordnen. Trotzdem kam Irak orientierte sich stark an es immer wieder zu MachtZum ersten Mal in der irakischen konfessionellen und ethnikämpfen zwischen den beiGeschichte haben sich eine islamisschen Zugehörigkeiten. Die den Bewegungen. Muqtada grossen Parteien waren ental-Sadr wurde nach 2003 zu tische und eine kommunistische weder schiitisch, sunnitisch einem eigenständigen reliPartei zusammengeschlossen. oder kurdisch geprägt. Dagiösen, politischen und mibei ging es allerdings kaum litärischen Faktor: Er stellte je um religiöse Differenzen. Wichtig war (und ist) primär sich als religiöser Gelehrter gegen die geistlichen Autoritäten die Unterteilung der Bevölkerung nach solchen Zugehörigder Schia und er stand trotz Regierungsbeteiligung in Opkeiten. Denn die Mehrheit der Iraker*innen sind Schiit*inposition zu den mächtigen Parteien. Mit der Mahdi-Armee kontrollierte er zudem eine schlagkräftige Miliz. Das bekanen. Mit dem Anspruch, diese Mehrheit zu repräsentieren, men nicht nur die amerikanischen Truppen zu spüren. Wählegitimieren die etablierten schiitischen Parteien auch ihre rend des konfessionellen Bürgerkriegs eigene Macht. » Fortsetzung S.2


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von 2006 bis 2008 ging die Mahdi-Armee auch brutal gegen fehlen, Begriffe wie «Klassenkampf» sucht man genauso gensätzlichen Ideologien möglich. Ihre Fokussierung darauf, vergeblich wie den Ruf nach religiöser Gesetzgebung oder Unfähigkeit und Versagen der etablierten Parteien anzuSunnit*innen sowie konkurrierende schiitische Milizen vor. Wie Muqtada al-Sadr das Verhalten seiner Miliz im anderen Vorschriften. Auf der IKP-Webseite werden die prangern, erinnert gar an europäische Protestbewegungen Sadristen gar als «aufgeklärte Islamisten» geadelt, um die wie etwa die italienische Cinque Stelle. Bürgerkrieg mit seiner Konfessionalismus-Kritik unter Zusammenarbeit mit ihnen zu rechtfertigen. Wenn dann Der Erfolg der Sairun-Allianz stellt damit nicht nur einen Hut brachte, bleibt vorläufig eine offene Frage. Jedenfalls blieb er auch nach Muqtada al-Sadr gar noch eine Erschütterung der irakischen Politik dar. Er bringt eine Technokratenregieauch die althergebrachten Analyseraster ins Wanken, auf seiner militärischen Niederlage 2008 einer der schärfsrung (anstelle von Parteidie wir den Nahen und Mittleren Osten gerne reduzieren. Die Transparenzkommission des ten Opponenten der Regieexponenten) fordert, wird «Osten» und «Westen» sind nicht getrennte Welten, sondern irakischen Parlaments schätzt, dass rung – und besonders heftig deutlich, dass ideologische denselben globalen Entwicklungen unterworfen – und diese in den 15 Jahren seit dem Sturz Sad- Differenzen angesichts wandte er sich gegen deren strukturieren auch den Umgang mit der Spaltung zwischen Konfessionalismus. Er lehnte des gemeinsamen Protests den Konfessionen. Und somit wird auch deutlich, weshalb dam Husseins unfassbare 320 Miles ab, dass sich die politische stark an Bedeutung verloes wenig hilfreich ist, auf der Ebene religiöser Inhalte nach liarden US-Dollar der Korruption Repräsentation an der Zugeren haben. einer Versöhnung zwischen den Konfessionen zu suchen. Im zum Opfer gefallen sind. hörigkeit zur Schia oder SunDas alles liegt sicher Zentrum der irakischen Diskussion über Schia und Sunna na orientiere. Diese Haltung stehen nicht religiöse Inhalte. Es geht vielmehr um die Frazu einem grossen Teil an unterstrich er etwa durch die ge, welche Bedeutung der konfessionellen Zugehörigkeit im der tatsächlich verheerenUnterstützung sunnitischer Aufständischer, später auch den Bilanz der regierenden Parteien nach 2003. Doch zeigt politischen System zukommen soll. durch Gespräche mit dem saudischen Königshaus, der sunNeue Bewegungen wie die Sairun-Allianz überwinden sich darin auch eine Tendenz, welche über den Irak hinausweist: Zukunftsgerichtete Utopien verlieren an Wirkungsin ihrer Kritik am Konfessionalismus der etablierten Parnitischen Schutzmacht in der Region. macht. Kommunist*innen und Sadristen einigen sich auf teien ihre alten ideologischen Feindschaften. Der Preis für Regierungskritik und Nationalismus, während sich etablierdiese Ent-Ideologisierung ist eine Protestprogrammatik, Regierungsversagen, Proteste und der IS Die von der Dawa-Partei angeführte Regierung zeichnete Parteien an konfessioneller oder ethnischer Zugehörigkeit welche wenig detaillierte Vorstellungen für die Zukunft biete sich neben ihrem Konfessionalismus durch zwei weitere orientieren. Das erinnert tet. Aber sie stellt eine MögHaupteigenschaften aus: Unfähigkeit und Korruption. Die weniger an althergebrachte lichkeit dar, um den ZusamTransparenzkommission des irakischen Parlaments schätzt, Bilder, mit denen der Nahe menhalt in der durch Krieg, «Gegen Konfessionalismus und Kor- Terror, dass in den 15 Jahren seit dem Sturz Saddam Husseins unund Mittlere Osten gerne erKonfessionalismus ruption, für einen demokratischen, fassbare 320 Milliarden US-Dollar der Korruption zum klärt wird – etwa demjeniund Misswirtschaft zerrisOpfer gefallen sind. Daneben leiden die Iraker*innen unter gen vom «ewigen» Konflikt senen irakischen Gesellföderalen, vereinten Irak mit einer massiven Infrastrukturproblemen. Als auch noch Proteszwischen Schia und Sunna schaft wieder zu stärken. starken Zivilgesellschaft und soziate in sunnitischen Gebieten von der Regierung gewaltsam oder der angeblich primär ler Gerechtigkeit.» unterdrückt wurden, war die Grundlage für eine breitere religiös orientierten Politik. Cover: irakische Frauen zeigen Unterstützung extremistischer Bewegungen gelegt. Die Vielmehr fühlt man sich an ihre gefärbten Finger als Zeichen, Bewegung «Islamischer Staat» eroberte darauf grosse Teile Überlegungen des polnidass sie wählen waren. des irakischen Territoriums. Der folgende Krieg verursachte schen Soziologen Zygmunt Bauman erinnert. Leid, Zerstörung und führte zu einer weiteren Vertiefung des konfessionellen Grabens. Neue Bewegungen statt alte Erklärungen Im Schatten des Kampfes gegen den IS kam es in Bagdad Bauman beschrieb grosse Teile des 20. Jahrhunderts immer wieder zu von der IKP unterstützten Protesten. Ab als von Ideologien (insbesondere Kommunismus und Na2016 sprangen auch die Sadristen auf diesen Zug auf. Wähtionalsozialismus) geprägt, welche durch Eingriffe in die rend sie bisher Säkular*innen genauso verteufelt hatten wie Gesellschaft eine utopische Zukunft verwirklichen wollten. Konfessionalist*innen, fand man nun im Protest gegen die Spätestens mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion sei Regierung einen gemeinsamen Nenner. So konnte die IKP der Glaube an solche Vorsteldenn auch durchsetzen, dass an den Demonstrationen keine lungen aber erlahmt. An ihre religiösen Symbole verwendet wurden. Stattdessen wehten Stelle rückte die Orientierung an angeblich ursprüngirakische Fahnen, um die nationale Einheit zu betonen. Die Proteste legten den Grundstein für die Zusammenarbeit der lichen Gemeinschaften, eine ungleichen Partner, die Anfang 2018 zusammen mit einigen Verklärung der Vergangenkleineren Gruppierungen die Gründung der Sairun-Allianz heit oder auch politische Desorientierung. Folgt man bekanntgaben. dieser Argumentation, sind die nach 2003 regierenden Ideologische Differenzen? Gegen Konfessionalismus und Korruption, für einen Parteien im Irak durch ihre demokratischen, föderalen, vereinten Irak mit einer starHinwendung zu solchen, ken Zivilgesellschaft und sozialer Gerechtigkeit – so lauangeblich ursprünglichen, ten die Kernforderungen der neuen Allianz. Was von dieser Zugehörigkeiten (Schia, Protestprogrammatik übrigbleibt wird sich zeigen, wenn Sunna und Kurd*innen) die Sairun tatsächlich an der Macht beteiligt ist. Was an Editorial geprägt. Und die Sairun-Alden Äusserungen der IKP wie der Sadristen aber auffällt: lianz wurde erst durch den Klassisch islamistische oder kommunistische Forderungen Bedeutungsverlust ihrer ge-

Wo bleibt der Aufstand?!

Es ist Sommerzeit und uns geht es gut. Die Fussball­ orgie hat sich zwar mittlerweile adlerbeschwungen verab­ schiedet (siehe Seite 4). Doch Spassmethadon gibt es en mas­ se: Velofahren in den Alpen, Abfallschlachten an lauschigen Sommerfesten, adlige britische Ballsportarten. Hauptsache die ganze Scheisse wird mit unterhaltsamem Weihrauch übertüncht. Im Mittelmeer ertrinken die Flüchtenden und wir fiebern mit Jugendlichen in Thailand mit. Israels Pre­ mier drückt sein Nationalstaatsgesetz durch (siehe megafon #433) und wir jagen wurstige Verbotsgeister. Und Deutsch­ land lässt seine Nazis auf freien Fuss während wir die Aare abwärts treiben. Von Widerstand fehlt jede Spur. Ein bisschen anders sah es wenigstens vor einem Jahr aus. Doch was bleibt vom G20 Protest in Hamburg übrig? Freigesprochene Polizist*in­ nen und dreieinhalb Jahre Gefängnis für Flaschenwerfen. Gross mit dabei sind die Medien – wenn sie nicht bereits gestorben sind – von «liberal» bis «bürgerlich», die statt Re­ pression anzuprangern lieber über absurde finnische Tref­ fen berichten. Vielleicht hilft ja ein Sonnenschutz, damit das Hirn bei diesen Temperaturen nicht in Lethargie verfällt. Die Redaktion wünscht fröhliche Sommertage


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Digitale Demokratie

Demokratie per Knopfdruck

In einer Serie widmen wir uns der alles überstrahlenden Zukunft der digitalen

Demokratie. Den Anfang macht das derzeit gehypte elektronische Abstimmen.

Die Dampfwalze der Digitalisierung macht auch vor den Fundamenten der Demokratie nicht Halt. Auf dem aktuellen Hype ums elektronische Abstimmen müssen wir trotzdem nicht mitsurfen.

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Text: FLOW | I llus: DAF

orgens auf dem WC mit dem Handy abstimmen. Millionen von Stimmen per Knopfdruck zu frisieren. Dabei «Öffnung und Schliessung der elektronischen Urne und Danach sich online mit der eID ausweisen und ist für die normalen Stimmenden kaum ersichtlich, dass bei der Entschlüsselung der elektronischen Stimmen» die Transparenz gewährleistet sei. Was für eine Transparenz? zwei, drei Initiativen unterschreiben. Vor dem manipuliert wurde. Darum fordert der Chaos Computer Club Schweiz einen Boykott von e-Voting – und schmiedet Was für ein Verständnis? Spülen noch schnell der in Ungnade gefallenen Politikerin per Blockchain das Vertrauen entziehen. So einfach funkgleichzeitig eine unheilige Allianz mit Vertreter*innen der tioniert die Demokratie im 21. Jahrhundert. Alles dank der SVP, die eine Initiative lancieren wollen, um e-Voting gleich Überall Käfer ganz zu verbieten Bereits heute vertrauen wir mehr oder weniger blind Heilsbringerin der Stunde: Die Digitalisierung. Abstimmungen und Wahlen sollen mit e-Voting einSelbstverständlich winken die Verfechter*innen der kryptografischen Verfahren – zum Beispiel beim e-Banking. facher gemacht werden. Und die eID zeigt – passend zur Ist die Kritik am e-Voting vielleicht doch überzogen? Sollten Digitalisierung ab. Ein Angriff bliebe nicht unbemerkt, denn er hinterlasse sichtbare Datenspuren. Vor allem die wir stattdessen nicht vielleicht eher konstruktive Ansätze eIDgenossenschaft – auch im Internet verlässlich das abschliessende Prüfzahl, mit der die verfolgen? Wie so oft zeigt sich hier die Diskrepanz zwischen Schweizerkreuz. Hauptsache mehr Rationalisierung und Effizienz. Derweil Stimmende sehen könne, dass alles mit der theoretischen Möglichkeit eines sicheren Stimmkanals rechten Dingen zu und her gegangen sei, soll mit elektronischer Unterschriftenund der praktischen Fehleranfälligkeit der guten alten Rea­ «Die Welle wollen wir lasse sich nur schwierig fälschen. sammlung oder flüssiger Demokratie die lität. Jede Soft- und Hardware ist immer noch voller Bugs, trotzdem reiten.» Beteiligung der Bevölkerung am demoBloss: Neun von zehn Menschen die irgendwann gefunden werden. Sind die Ressourcen gross kratischen Prozess neu gedacht werden. genug, lassen sich also immer Lücken aufspüren und auswürden wohl gar nicht so sorgfältig Weg von undurchsichtigen Sitzungen in hinschauen, glauben Gegner*innen wie nützen. dunklen Kammern und hin zum öffentlichen Austausch René Droz, der für die Cyberabwehr beim VBS zuständig Wollen wir dieses Risiko bei einer Technologie eingehen, und transparenter Verantwortlichkeit. Doch brauchen wir die uns vielleicht gar nicht so viel bringt? Wahrscheinlich war. Zudem könnte ein Angriff einfach verhindern, dass das überhaupt? unerwünschte Stimme ans System übermittelt werden. Das haben sich Kantone und Bund eine Strategie gegen potentielle Angriffe überlegt. Doch es braucht viel Technikgläuhinterlässt keine Daten, die analysiert werden könnten. Oft werden Datenlecks und -manipulationen erst Monate oder bigkeit und -naivität, um e-Voting ohne Verständnis zu verProzession zum Digitalisierungsaltar Während in Estland das «e» in eGovernment grossgeJahre später entdeckt. Bei Abstimmungen ist es dann leider trauen. Oder es braucht einfach einen nationalen Fahrplan, schrieben wird und die Populist*innen von Cinque Stelle meist schon zu spät. der die Technologie durchpeitscht. ihre Position intern zur Onlinedebatte stellen, sind solche Entwicklungen in der Schweiz noch Zukunftsmusik. StattDie Sache mit dem Vertrauen Undemokratisch und ohne Not dessen widmen sich mehr und mehr Kantone der elektroFalls eine Manipulation festgestellt wird, lässt sich Die wichtigste Frage lautet darum: Ist das alles wirklich nischen Stimmabgabe – dem e-Voting. Bisher müssen die nötig? Wer hat Interesse daran, dass Wahlen elektronisch auch nicht rekonstruieren, wie die Bevölkerung tatsächStimmenden noch frühmorgens zur Urne watscheln oder lich gestimmt hat. Denn eine Neuauszählung bringt nichts durchgeführt werden können? Welches drängende, konsich rechtzeitig aufraffen, um zum nächsten Briefkasten – Computer zählen immer richtig. Die Alternative ist eine krete Problem wird hier behoben? Das bleibt schleierhaft. Wahlwiederholung. Doch wer würde dem neuen Ergebnis Ein Blick ins Ausland zeigt, dass verschiedene Länder – zu kriechen. Manche müssen gar noch – oh Gott! – eine Briefmarke kaufen. noch trauen? Deutschland, Frankreich, Grossbritannien – ihre Versuche Mit e-Voting würde alles einfach. Das System verhinOhnehin ist das Vertrauensproblem bestenfalls ungeklärt wieder eingestellt haben. War die Zeit nicht reif oder wurde dere die Abgabe von ungültigen Stimmen. Offenbar gelingt – im schlimmsten Fall nicht zu lösen. Denn nur wenn für die bemerkt, dass beim elektronischen Wählen der Nutzen die das in manchen Gemeinden über 40 Prozent der Menschen Bürger*innen nachvollziehbar ist, wie ein Ergebnis zustande Risiken nicht überwiegt? nicht. Das lassen wir uns gerne ein paar Millionen kosten, kommt, entsteht das für ein demokratiIn der Schweiz verläuft die Einfühdie dann anderswo fehlen. Elektronische Abstimmungen sches System erforderliche Vertrauen. Bei rung unterdessen entsprechend dem «Was für eine Trans- gesellschaftlichen Umgang mit der Disparen keine Kosten, weil Unterlagen nach wie vor vorder herkömmlichen Wahl ist das einfach. bereitet, Briefe verschickt, Urnen geöffnet, Menschen zur Die Zettel werden gesammelt und ausgegitalisierung. Das Motto lautet: vorauparenz? Was für ein Auszählung bereitgestellt werden müssen. Was das System zählt. Geht etwas schief, darf Beschwerde seilender Gehorsam. Denn e-Voting ist Verständnis?» eingereicht werden und die Zettel müssen beileibe nicht das grösste Problem, das nicht schafft: Die Wahlbeteiligung erhöhen. Entsprechend schätzt die Bundeskanzlei die Partizipationssteigerung als nochmals gezählt werden. Menschen aus sich uns im Moment stellt. Trotzdem gering ein. Die Welle wollen wir trotzdem reiten. werden mit der kantonalen Einführung Fakten geschaffen, den unterschiedlichsten Bevölkerungsschichten sind im Prozedere involviert, weshalb einigermassen sichergestellt sein bevor überhaupt eine Gesetzesstrategie oder ein geselldürfte, dass alles mit rechten Dingen lief. schaftlicher Diskurs vorhanden ist. Probleme gehören unter den Teppich Bei der Sicherheit stehen derweil noch sehr viele FraGanz anders beim e-Voting. Kein Mensch versteht, wie Aber eine solche Diskussion wäre bitter nötig. Es ist gezeichen. Bei den klassischen Stimmkanälen ist es enorm die eigene Stimme im System weiterverarbeitet wird oder entlarvend, wie wenig Gewicht Bundesrat und Kantone aufwändig, eine grosse Menge an Stimmen unbemerkt zu wie das Stimmgeheimnis geschützt wird. Expert*innen faden Faktoren Transparenz und Nachvollziehbarkeit geben. manipulieren. Unzählige bereits unterschriebene Stimmseln von kryptografischer Trennung und Mischung. Doch Selbst wenn die technischen Fragen abschliessend und becouverts müssten aufgetrieben oder im grossen Stil bei der ausser wenigen Cracks kann niemand nachvollziehen, was friedigend geklärt wären, bleibt es essentiell, dass Menschen dabei konkret passiert. Als Antwort meint die Projektleitung verstehen, wie eine Wahl abläuft. Denn das ist eine zentrale Auszählung getrickst werden. von «Vote électronique» in einem Interview, dass durch das Voraussetzung für ein demokratisches System, das von der Ganz anders sieht es beim elektronischen Wählen aus. Ein Leck oder eine unerkannte Schwachstelle reichen, um Beisein von Menschen aus der Stimmbevölkerung bei der Bevölkerung auch als solches akzeptiert wird.


Singsang der Nationen Nr. 434 | August 2018

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WM: Von Blut, Land und Glorie

Liebe Lesende! Wir bitten Sie, auf dieser Seite innezuhalten und Ihre ansonsten hastigen Lesegewohnheiten zu unterbrechen. Hier kommen Sie in den Genuss andächtiger Entschleunigung, wenn wir uns an die tiefgründigen Momente der Fussball-Weltmeisterschaft in Russland erinnern: Den Hymnen der Nationen.

W

Text: FFG   |  Illu: #tt

ir von der Monatszeitschrift megafon sind chronisch zu spät am Ball. Der ist längst ins Aus gerollt; wir rennen ihm, weil dummerweise schon losgerannt, trotzdem hinterher. Hier in Form einer glorreichen Liste der schönsten Hymnen teilnehmender Länder der WM in Russland. Denn Weltmeisterschaften kommen und gehen – Hymnen stolzer Nationen bleiben. Blicken wir gemeinsam auf diese Kunstwerke menschlicher Dichtung und Komposition. Und lassen wir uns anschliessend von einem ungeahnten Vorschlag überraschen… Schweden : Du alter gebirgiger Freier (Strophen 1, 4) Du alter, du freier, du gebirgiger Norden Du stiller, du friedenreicher Schöner! Ich grüße dich, lieblichstes Land der Erde, Deine Sonne, deinen Himmel, deine grüne Wiesen Mit Gott werd‘ ich kämpfen, für Haus und für Hof, für Schweden, die geliebte Heimaterde. Ich tausche dich nicht, gegen alles in der Welt. Nein, ich will leben, ich will sterben im Norden. Frankreich : Mehr Blut ! ( Strophe 1) Auf, Kinder des Vaterlands, Der Tag des Ruhmes ist gekommen! Gegen uns Tyrannei, Das blutige Banner ist erhoben. Hört ihr auf den Feldern Diese wilden Soldaten brüllen? Sie kommen bis in eure Arme, Um euren Söhnen, euren Gefährtinnen    die Kehlen durchzuschneiden Zu den Waffen, Bürger, Formt eure Truppen, Marschieren wir, marschieren wir! Unreines Blut Tränke unsere Furchen England : Eine König*in, es gibt nur eine König*in (lalala) (Strophe 1) Gott schütze unsere gnädige Königin! Lang lebe unsere edle Königin, Gott schütze die Königin! Lass sie siegreich, Glücklich und ruhmreich sein, Auf dass sie lang über uns herrsche! Gott schütze die Königin! Kroatien : Immer schön lieb sein (Strophe 1 und Ref) Unser schönes Heimatland Oh, du liebes, heldenhaftes Land Alten Ruhmes Vätererbe auf ewig sollst du glücklich sein! Lieb bist du uns wie du ruhmreich bist Lieb bist du uns, nur du Lieb bist du uns wo eben Lieb bist du uns wo gebirgig!

Island: Tausend Mal berührt (Strophe 1) Oh, Gott unseres Landes! Oh, unseres Landes Gott! Wir verehren deinen heiligen, heiligen Namen! Aus den Sonnensystemen der Himmel weben deine Krone deine Heerscharen, der Zeiten Versammlung! Für dich ist ein Tag wie tausend Jahre, und tausend Jahre ein Tag, nicht mehr, ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen, das zu seinem Gott betet und stirbt. Islands tausend Jahre, Islands tausend Jahre, ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen, das zu seinem Gott betet und stirbt. Uruguay: Streben nach Sterben (Strophe 1, 2) Ihr Morgenländer, unsere Nation oder das Grab Freiheit – oder wir sterben mit Grösse Es ist das Gelübde, das unsere Seelen verheissen Das wir heroisch erfüllen werden. Freiheit, Freiheit, ihr Uruguayer Das ist der Aufschrei, der unsere Nation rettete und seine Krieger in harten Schlachten Mit grossartigem Enthusiasmus entflammen liess.

Wir Heidenkinder und Vaterlandslose meckern ständig an allem und jeder herum, selber machen wollen wir nicht.

Senegal: Auferstandene Brüder, zur Sonne (Auszug) Zupft eure Koras, trommelt die Balafone. Der rote Löwe hat gebrüllt. Der Herr des Busches schwingt sich empor im Sprung die Dunkelheit vertreibend. Es scheine Sonne auf unsere Angst,    und Sonne auf unserer Hoffnung. Aufrecht steht – schaut, meine Brüder –    das auferstandene Afrika Senegal, wie all unsere Helden, Wir werden ohne Hass hart sein und haben    zwei offene Arme. Das Schwert werden wir in den Frieden    der Scheide stellen, Denn die Arbeit wird unsere Waffe sein und das Wort. Der Bantu ist ein Bruder und der Araber und der Weiße. Aber wenn der Feind unsere Grenzen anzündet Werden wie alle aufstehen und haben die Waffen    in der Faust: Ein Volk in seinem Glauben, der allem Unglück trotzt, Die Jugendlichen und die Alten, die Männer und   die Frauen. Der Tod, ja! Wir sagen den Tod, aber nicht die Schande.

Nun, nachdem wir eine Rundschau über die musikalischen Kronjuwelen der Nationen gemacht haben, fällt uns auf: Die einen singen von Gott, der sie und vor allem ihre Herrscher*in beschützen soll, und am Besten ihre Feinde zerschmettert, wenn er schon da ist. Die anderen beschwören die Landschaft, in der sie am liebsten sterben wollen, weil sie eben zum Sterben schön ist. Andere wiederholen jeden Satz, weiss Gott warum (am besten in Island nachfragen), dann sind die Strophen so lang wie kurze Volkslieder. Die Nächsten führen voller Inbrunst ihre glorreiche Schlachterfahrung ins Feld, bei der sie heroisch und voller Freiheit im Herzen schöne gelbe Gerste mit Blut ihrer Feinde tränkten. Gemeinsam ist allen: Lieber sterben sie enthusiastisch voller Freude und Stolz aufs Vaterland, als es zu verraten. Ich Dummkopf weiss immer noch nicht, was das heisst… Die Hymne der Reitschule So, genug zusammengefasst. Jetzt wird gewertet! Peinlicherweise haben wir keine Hymne. Eine Reitschule-Hymne, eine Hymne für die Reitschule! Wir Heidenkinder und Vaterlandslose meckern ständig an allem und jeder herum, selber machen wollen wir aber nichts. Das werfen uns andere zumindest vor. So auch bei der Nation und der Hymne! Dem Heimatland den Mund verbieten, selber aber keinen Ton rauskriegen. Damit endlich Ruhe einkehrt, präsentiere ich hiermit stolz meinen Hymnen-Vorschlag für die Reitschule Bern: 1. Strophe: Zwischen tiefsten Wassern und höchsten Bergen Erwächst der Mutter Erdes ganzer Stolz. In unbeugsamer Glorie, wehrhaft und voll Eifer Die Felsenfestung: Oh freie Schul` der Reiterin. 2. Strophe: Umringt von Feinden, die dein Ende wollen Wehrtest du in blutig Schlachten jeden Angriff ab Stets obsiegtest du! Dank freier Söhne, stolzer Töchter Blick, Gott, lieblich auf den unsren Bund. 3. Strophe Oh du stolze, freie Schule, die gebar die Feuerreiter, entflamme die Stätte deiner Geburt! In Gefangenschaft, da lass uns schweigen, Wenn gewaltsam wir entrissen wurden dir. 4. Strophe Entfesselt, frei von allem Bösen Lass uns trinken deinen wilden Wein. Sterne und Mond mögen uns Wege weisen Wenn du uns wirfst in glühend Nacht. So. Zufrieden? Die Melodie ist übrigens frei wählbar. Die Hymne ist gerne am No Borders, no Nations-Festival zu intonieren. In diesem Sinne: Wo gesungen wird da lass dich nieder – böse Menschen haben keine Lieder.


megafon | Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern mfg: DAF & #tt, 2018


Nr. 434 | August 2018 6 BIS 8. AUGUST 2018, STADT HAAG VON MITTWOCH 1.

2. AUGUST, 18 UHR, FABRIKOOL

Anarchistisches Sommercamp

Velodemo FABRIKSTRASSE 16, 3012 BERN

gegen den Verkauf des Fabrikools

im Norden Österreichs Das A-Camp 2018 richtet sich an alle, die sich in anarchistischen Ideen wiedererkennen oder sich für solche interessieren. Auf der Grundlage von Solidarität, gegenseitiger Hilfe, freier Assoziation und Selbstorganisation soll über eine Woche mit Anarchie(n) experimentiert werden. Gerade in einem sich verschärfenden autoritären Gesellschaftsklima braucht es Versuche in gelebter Praxis Freiheit, Herrschaftslosigkeit und individuelle Autonomie mit Inhalten zu füllen. Genauso werden die eigenen Ideen auf die Probe gestellt, um an diesen Erfahrungen zu wachsen. Das A-Camp werden Tage gefüllt mit Auseinandersetzung, Diskussionen, praktischen Workshops, Sport, Kreativem und allem, was Leute initiativ einbringen und daraus machen. Dabei steht der Austausch, das gegenseitige Kennenlernen und das Vertiefen von bereits geknüpften Beziehungen im Vordergrund, um Perspektiven und Wege zu finden, die Überwindung der bestehenden Ordnung voranzutreiben. Die Schaffung einer individuellen und assoziativen Freiheit, die nicht durch Sicherheit definiert wird.

ds barrikade.info-Info:

In Zeiten zu leben, in denen Sicherheit von den Herrschenden zum höchsten aller Gefühle und zur Bedingung eines guten Lebens erklärt wird, heißt für uns,Sicherheit kritisch zu hinterfragen. Ohne ordnende Gewalt – ohne Staat – kann Freiheit nicht durch Sicherheit definiert werden, weil es keine Autorität mehr gibt, die sie garantieren kann. Die vom Staat zugestandenen Freiheiten sind Freiheiten auf Bewährung, die nur solange gewährleistet werden, wie wir uns konform verhalten und die uns demnach jederzeit wieder von den Herrschenden genommen werden können. Wenn wir das A-Camp als ein Experiment verstehen, als einen Zeitraum, in dem es keine ordnende Gewalt gibt, in dem Individuen aufeinander treffen und mit anderen Formen des Zusammenlebens experimentieren, ist klar, dass es nur Gehversuche sein können. Wir alle sind geprägt von der Welt in der wir leben und Probleme, Fehler und Konflikte werden zum Camp dazugehören. Wir können keine Garantie aussprechen, keine Sicherheit gewähren, dass das A-Camp für alle so bereichernd wird, wie es potentiell sein kann. Grundlage für ein bereicherndes Camp ist, dass sich alle, die das Camp besuchen, versuchen, es sich ihren Wünschen und Bedürfnissen entsprechend anzueignen, ohne Machtansprüche zu stellen – dann wird es ein Abenteuer für uns alle. Wenn du teilnehmen, einen Workshop abhalten oder mithelfen möchtest, dann lass es uns wissen. a-camp.net

JEDEN DONNERSTAG VON 14 BIS 18 UHR IM 1. STOCK DES BLAUEN HAUSES AUF DEM KOCHAREAL AN DER RAUTISTRASSE 22 IN 8047 ZÜRICH

Gefangenenschreiben @ Kochareal ZH

Wir wollen die Gefangenen nicht vergessen und ihnen dies durch Briefe, Zeichnungen, Comics oder Texte, die wir ihnen in den Knast senden, zeigen. Es wird eine Liste mit verschiedenen Gefangenen weltweit, ihr Hintergrund und die Adresse bereit liegen. Du kannst gerne auch noch weitere Adressen von Gefangenen mitbringen. Noch nie Gefangenen geschrieben? Kein Problem, es werden Menschen vor Ort sein, die dich unterstützen können, zudem werden wir den Text „Wie schreibe ich Gefangenen“ auflegen, wo du Inputs finden kannst. Zudem steht auch ein Computer zur Verfügung, wo ihr Bilder, Postkarten usw. ausdrucken könnt. Es gibt Kaffee und Wasser im A4 unppluged und wenn ihr wollt bringt Kuchen, Snacks oder was auch immer mit.

Wir laden dich herzlich ein, mit uns gegen den Verkauf des Fabrikools zu pedalieren. Die Kaufinteressierten werden bis Mitte August ihr Konzept einreichen. Doch das Fabrikool wird schon rege genutzt, anscheinend haben das noch nicht alle mitbekommen. Deshalb sagen wir: «Abfahren!»

Mitbringen: Fahrzeug, Fähnchen & Ähnliches, wetterangepasste Kleidung, Lärmutensilien Weitere Infos zum Fabrikool: barrikade.info & furia.noblogs.org

5. AUGUST 2018

No Border, No Nation, No Prison!

Briefe Schreiben, Diskussion, KüfA und Opeanairkino am 5. August im Innenhof der Reitschule.    Das Knastsystem dient zur Abschreckung und hat zum Ziel, die Inhaftierten physisch und psychisch zu isolieren und zu brechen. Wir wollen uns davon nicht einschüchtern lassen und kämpfen weiter gegen den Staat und alle Unterdrückungsformen, ob ’drinnen’ oder ’draussen’. Deswegen: Kommt zahlreich am Sonntag, 5. August 2018 in den Innenhof der Reitschule, um gemeinsam auf verschiedene Wege das Gefängnissystem anzugehen und praktisch Solidarität mit den Gefangenen zu zeigen. Programm: Ab 11:00 Uhr wird Material zur Verfügung gestellt, damit wir viele Briefe und Zeichnungen an Gefangene schicken können. Um 17:00 Uhr werden wir mit einem Gefährten über Knasterfahrungen und das Knastsystem in der Schweiz diskutieren. Um 19:00 Uhr gibt es ein leckeres veganes Znacht, bei dem wir im lockeren Rahmen weiter diskutieren können. Um 20:00 Uhr heisst es Openair-Kino-Time. Natürlich nur bei schönem Wetter.

16. – 19. AUGUST 2018, FURTWANGEN IM SCHWARZWALD

ams-camp

Verstehen, kritisieren, etwas neues schaffen. Nur was tun, wenn ein Blick in die Zeitungen Sorgen bereitet und das Radio ständig neue Schreckensmeldungen ausspuckt? Wenn die Zwänge dieser Gesellschaft einen tagtäglich erdrücken und die Bedürfnisse der Menschen eher zu Geld gemacht werden, anstatt sie einfach zu erfüllen?    Die Zeiten sind düster, aber wenn der eigene Kopf im Sand steckt, wird’s auch nicht heller. Auf dem AMS-Camp wagen wir deshalb den Versuch einer selbstverwalteten Minigesellschaft und stärken uns für die Kämpfe im Alltag.    In unserem vielfältigen Workshopprogramm setzen wir uns an die Erklärung des ganzen Schlamassels aus Lohnarbeit, Sexismus, Fremdenhass und der manchmal damit einhergehenden Hilflosigkeit. Mach mit! Komm vorbei und hilf uns und dir selbst zu einem weiteren AMS Camp 2018!

27. AUGUST 2018, 18.00 UHR, FABRIKOOL

Antispeziesismus Stammtisch Jeden letzten Montag im Monat findet einen Antispeziesismus Stammtisch statt. VOM 31. AUGUST BIS ZUM 2. SEPTEMBER 2018 WIRD IM BESETZTEN KOCHAREAL IN ZÜRICH EIN TATTOO-CIRCUS STATTFINDEN.

Tattoo Circus Zürich – save the date

Ein nach den Grundsätzen des Do-It-Yourself-Prinzips organisiertes Festival: Während des Tattoo-Circus wird ein Raum entstehen, in dem die Tattoo-Kultur und der Kampf gegen Knast und Repression zusammenkommen.      Verschiedene Tattoo-Künstler*innen stellen ihre Zeit, Erfahrung, Kreativität und so viel Tinte wie möglich zur Verfügung, um diese Kämpfe zu unterstützen. Das Prinzip des Tattoo-Circus ist, dass niemand persönlich an dieser Veranstaltung verdient, weder die Tattoowierer*innen oder Piercer*innen, noch die Bands, Referenten*innen oder Performer*innen arbeiten für ihren eigenen Profit. Alle Unterstützer*innen stellen ihre Fähigkeiten, Energien und Ressourcen aus Überzeugung und Solidarität bereit, mit dem Bewusstsein, dass die kompletten Erlöse denen zu Gute kommen, die entschlossen gegen Staat und Kapital kämpfen.      Der Tattoo-Circus will sich aber nicht lediglich auf die Tattoo-Kultur beschränken! Es wird ein vielschichtiges Programm vorbereitet, dass sich auf unterschiedliche Weise mit den Themen Knast und Repression beschäftigt und zum Mitmachen einlädt. So wird es Vorträge, Workshops, Infos zu Gefangenen, eine Gefangenenpostecke geben. Für den Unterhaltungsfaktor werden Performances, Konzerte sowie Essen und Bar organisiert. FÜR EINE GESELLSCHAFT OHNE KNÄSTE UND REPRESSION! FÜR EINE WELT OHNE HERRSCHAFT!

Mehr Infos findet ihr auf dem TattooCircusZürich Blog oder ihr könnt uns auch per Mail (tattoocircus-zurich@ riseup.net) kontaktieren.

SA | 18.8.18 | 11 UHR DO | 6.9.18 | 18 UHR SA | 22.9.18 | 11 UHR SA | 13.10.18 | 11 UHR

Mehr Infos: amscamp.de Für den Aufbau brauchen wir immer helfende Hände und Köpfe ab dem 11.8. Bitte reist nicht ab Dienstag abend an, da es die Küche überlastet. Auch für den Abbau brauchen wir immer Leute. Jeder Tag hilft.

Wütend gegen Verbote 25. AUGUST 2018, ÜBERALL

Aktionstag anlässlich des Jahrestages der Razzien zum Verbot von linksunten.indymedia.org Aufruf zu dezentralen Aktionen

DO | 25.10.18 | 17 UHR

Stadtrundgang – Orte der Teilhabe

In Bern gibt es einen neuen Stadtrundgang. Dabei wird das städtische Leben aus der Perspektive von Migrantinnen den Besucher*innen näher gebracht. Die 15 Frauen mit unterschiedlichen Nationalitäten gingen den Fragen nach: Wo reden und entscheiden Migrantinnen in Bern mit? Welche gesellschaftlichen Veränderungen haben sie bisher bewirkt? Wo soll die Teilhabe von Migrantinnen in Gesellschaft und Politik künftig mehr Gewicht haben? Sie erforschten Orte, wo Migrantinnen mitwirken, und verknüpften ihre Erfahrungen mit politischen Debatten. Der Stadtrundgang dauert zwei Stunden und eröffnet einen anderen Zugang auf Bern. Kontakt: mifri@cfd-ch.org, Tel. 031 300 50 71 Anmeldung bis drei Tage vorher Weitere Informationen unter: https://www.cfd-ch.org; https://is.gd/uc7jR9


4.8.18: NIE WIEDER AUTOS AUF DER SCHÜTZENMATTE! YEAH!! 7

Platzübergabe ALEC VON GRAFFENRIED STADTPRÄSI BERN Start Ausgabe Rollschuhe für DISCO SPIEGELBILD DJ, DISCO, ROLLSCHUHDISCO

20.00: CHEVERE LATIN JAZZ COLLECTIVE FEAT. JUAN MUNGUIA KONZERT, LATIN JAZZ 22.00: PETER SZANTO MISCHKULTUR / BERN

GROSSE HALLE SO | 5.8.18 | 8 – 16 Uhr

Flohmarkt Willkommen zum Flohmarkt in und vor der Grossen Halle, jeden ersten Sonntag im Monat. Platzreservationen

SO | 19.8.18 | 17 Uhr

Sinfoniekonzert orchestra giovane Aus verschiedenen Regionen der Schweiz treffen sich im orchestra giovane (og) seit 21 Jahren in einer jedes Jahr neu zusammengesetzten Gruppe fortgeschrittene Amateure, Musikstudenten und Berufsmusiker, um miteinander Musik zu erleben. Diese Heterogenität und das Bewusstsein, im intensiven zweiwöchigen Probenlager zusammen etwas erreichen zu können, führen jedes Mal zu engen Freundschaften, die wiederum die Musik beleben. Das orchestra giovane zeichnet sich weiter durch Programme aus, die sich formal an typischen Konzertabenden orientieren, jedoch mit ausgefallenen Werken oder Kombinationen von Stücken überraschen. Ins 3. Jahrzehnt seines Bestehens schreitet das orchestra giovane mit Christoph Escher am Dirigierpult, der sich seit Jahren intensiv mit der Musik Paul Juons beschäftigt. Eröffnet wird der Konzertabend mit den von Christoph Escher neu editierten TanzCapricen dieses Schweiz-Russischen Komponisten. Diese zeichnen sich durch Juons originelle Tonsprache, Fantasie und Verehrung der Musik Tschaikovskys aus, wurden seit dem Tod des Komponisten 1940 jedoch nicht mehr aufgeführt.

S TÖLTE GUT EN IN E D JEMAN LTERE NOCH TE … Ä FALLS N HÄT , E D B N E LTEN G U L B U WIR SO I ZUM A UGT … AUTÖL N! … (; Z R O IE V ON R LE BE INBET E S MODEL IN E IEDER MAL W WOHL

DJ, DISCO, ROLLSCHUHDISCO

Konzert für Marimbaphon und Orchester mit Manuel Leuenberger als Solisten überraschen lassen. In der zweiten Konzerthälfte gehen bekannte Werke zweier Zeitgenossen ineinander über. Die prickelnden Höhen Richard Wagners Vorspiel zur Oper Lohengrin führen in einem dynamischen Aufbau über ausgedehnte harmonische Bewegungen zu Franz Liszts symphonischer Dichtung Les Préludes, die in einem wuchtigen Fanfarenthema endet. Der Komponist selbst vertonte in diesem Werk Phasen des Lebens - Kämpfe und Stürme, Liebesglück und Schmerz, Trost, Erleben der Natur. In diesem Sinne möchten wir dem Konzertpublikum eine Gelegenheit bieten, musikalisch herausragende Werke in einem Kontext grosser Lebensfreude zu entdecken.

MI | 29.8.18 | 20:30 Uhr DO | 30.8.18 | 20:30 Uhr FR | 31.8.18 | 20:30 Uhr

Katastrophenübung Die B‘bühne lädt zur Jahresübung der Reithallen-Feuerwehr. Man hat lange geübt, nun soll auch die Öffentlichkeit einmal sehen, was man auf dem Kasten hat. Selbstloser Einsatz trifft auf ansehnliche Vorführung! Zwölf Spielerinnen und Spieler zwischen 11 und 61 Jahren erforschen Teamgeist, Handwerk und Feuerwehrschläuche und finden in der Feuerwehr die letzte Bastion des gelebten Gemeinwesens. Ein Tag der offenen Tür, wie ihn noch nie eine Feuerwehr abgehalten hat.

DO | 30.8.18 | 20:30 UHR; FR | 31.8.18 | 20:30 UHR; SA | 1.9.18 | 20:30 UHR; SO | 2.9.18 | 19:00 UHR MI | 5.9.18 | 20:30 UHR; DO | 6.9.18 | 20:30 UHR; FR | 7.9.18 | 20:30 UHR; SA | 8.9.18 | 20:30 UHR

Tryptychon

Faust Gottes und Fetter Vetter & Oma Hommage SPIEL: Israfilou Ayeva/ Katja Bachmann/ Philippe Béchir/ Isayas Fissehatsion/ Edith Scheurer Jost/ Oriana Köchli/ Laila Savare/ Elisabeth Staeger/ Fabian Stutz/ Seraina von Arx/ Lina Ida Zielinski, SPIEL & MUSIK: Samuel Welter, TEXT & CO-LEI-

Danach dürfen sich die Konzertbesucher von der Uraufführung Simon Scheiwillers

TOJO

TUNG: Anna Papst, REGIE & CO-LEITUNG: Jonas Egloff, SZENOGRAFIE: Annatina Huwiler

Das Triptychon lädt ein zum Tanz auf dem Vulkan, zur Flucht in expressionistische Traumwelten, zum Kopfsprung in die années folles. Auf, auf ins Verderben, mit fliegenden Fahnen! Après nous le déluge! Regie: Sandro Griesser, Damiàn Dlaboha, Christof Bühler, Nadja Bietenhader. Barbara Boss. Musikalische Leitung, Komposition: Moritz Achermann. Szenografie: Elke Mulders. Bühnenbau: Christof Bühler. Kostüme: Senta Amacker. Schauspiel: Annick Herren, Benjamin Barmettler, Christine Glauser, David Inauen, Désirée Akwamoa, Elias Barmettler, Jonas Luginbühl, Jonathan Fiebig, Jules Claude Gisler, Rafael Gil, Riccardo Legena, Sandro Niederberger, Sonja Barmettler. Chor: Laltracosa, Suppléments musicaux. Sologesang, Rezitation: Manuel Pollinger. Orchester: Campo fiorente.

„Der gelbe Klang“ von Wassily Kandinsky, „R.U.R.“ (Rossum’s Universal Robots) von Karel Capek und eine Krisenrevue an einem Abend – das ist Grössenwahnsinn, das ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in einem, das ist avantgardistisch-apokalyptischer Anachronismus – das ist das „Triptychon“! Faust Gottes aus Bern und Fetter Vetter & Oma Hommage aus Luzern schliessen sich zu einem grossen, grenzenüberschreitenden Kollektiv zusammen und stemmen dieses fulminante Formexperiment gemeinsam mit einem jungen Ensemble, zwei Chören, einem Solosänger, einem Orchester und einer Band. Das Triptychon im Tojo Theater Reitschule Bern lädt ein zum Tanz auf dem Vulkan, zur Flucht in expressionistische Traumwelten, zum Kopfsprung in die années folles. Auf, auf ins Verderben, mit fliegenden Fahnen! Après nous le déluge! www.faustgottes.ch

REITSCHULE–PROGRAMM AUGUST 2018

16.00: 17.00: 17.00:

Nr. 434 | August 2018



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Kinderbuchtipp

Zwei für mich, einer für Dich B       Text: Ruth Baeriswyl

är und Wiesel sind zusammen unterwegs im Wald. Bär findet drei Pilze, die Wiesel dann zuhause scharf anbrät und mit Petersilie, Salz und Pfeffer würzt. Lecker, jetzt wird gegessen.

Wie der Titel des witzigen Bilderbuches bereits verrät, ist es nicht ganz klar, wer von beiden den dritten Pilz bekommt. Die Argumentation der Freunde ist uns allen bekannt. Der grössere braucht mehr, weil er grösser ist und der Kleinere braucht mehr, weil er noch wachsen muss. Demjenigen, der die Pilze gefunden hat, steht in jedem Fall mehr zu, doch wer so fein kochen kann, sollte schon auch belohnt werden…

Es kommt zum handfesten Streit. Bis plötzlich ein schnelles Füchslein um die Ecke biegt und sich einen Pilz schnappt. Der hat einfach unseren Pilz geklaut! Das Problem ist gelöst und Ruhe kehrt ein. Wenn das Wiesel nicht noch einen Nachtisch hätte: Drei Walderdbeeren. Jörg Mühles reduzierter Sprach- und Illustrationsstil ist erfrischend frech und überzeugt durchwegs. Das perfekte Rüstzeug für alle Verhandlungen bei Tisch! Jörg Mühle, Zwei für mich, einer für Dich Moritz Verlag 2018, Hardcover, 32 Seiten, ab 4 Jahren Unsere Kinderbuchtipps stammen von Ruth Bäriswyl, die den Chinderbuchladen in

der unteren berner Altstadt führt, und der wir auch ganz herzlich gratulieren wollen,

zur ‹Buchhandlung des Jahres 2018›. Sie wechselt sich monatlich ab mit Anna Christen vom Buchladen klamauk, eine Quergasse weiter. Sicher freuen sich beide auch

über euren Besuch … und können dann noch viel mehr empfehlen.

Nr. 434 | August 2018

StattBlick

Benvenuto al Piazzale Loreto

A

Text: Tom, emeritierter Post-Reitschüler | Illu: daf & #tt

uf dem Friedhof Staglieno in Genua machte gerade ein Joint die Runde. «Berner Narrenkraut von dem Balkon oberhalb des Platzes, den sie nach mir benannt haben», lachte Carlo Giuliani und reichte die prall gefüllte Tüte an Fabrizio de André weiter. «Make spinello great again», murmelte de André, nahm einen kräftigen Zug und gab den Joint an Mary Constance Wilde.

Die Glocken der nahen Chiesa di San Bartolomeo di Staglieno schlugen Mitternacht. «Sie kommen», rief Carlo Giuliani. Unten im Hafen war ein ungewohntes Rauschen zu hören, das vom Meer durch die Gassen der Altstadt nordwärts floss. Die Toten aus dem Mittelmeer kamen zu Tausenden an Land, um sich auf dem Riesengelände des Friedhof Staglieno zu treffen. Gastgeber Carlo Giuliani begrüsste im Namen des Staglieno-Friedhof-Kollektivs die Menge, die sogleich mit den Beratungen begann. Währenddessen sprayten an einer Mauer neben dem Friedhofshaupteingang einige Jugendliche – der Geisterschar nicht gewahr – in riesigen Lettern «Salvini in galera». Nach zwei Stunden hatte die nachmitternächtliche Vollversammlung ihre Beschlüsse gefasst und ein kurzes Manifest mit dem Titel «Basta! Es reicht!» niedergeschrieben. Es beinhaltete verschiedene Forderungen und Grundsätze wie «Kein Fussbreit dem Faschismus», «Hoch die antinationale Solidarität», «Fähren statt Frontex», «Friede den Hütten, kriegt die Paläste – für Refugees nur das Beste», «No Borders, No Nations» und vieles mehr. Dinge also, die auch die Lebenden beschäftigten. Als deutliches Zeichen und präventive Massnahme gegen autoritäre Politik, faschistoide Tendenzen und sozialdarwinistisches Gedankengut beschloss die Versammlung die sofortige Festnahme und Bestrafung der Salvinis, Seehofers und Orbans der diesseitigen Welt. Und der Verbannung dieser und anderer Menschenfeind*innen in die jenseitige Welt. Gesagt, getan. Nach zwei Tagen traf sich die Versammlung in Milano wieder. Und dann war es (zum zweiten Mal nach 1945 wieder) soweit: An den Füssen aufgehängte Faschist*innen und Menschenfeind*innen genossen auf der Piazzale Loreto ihre letzte Aussicht im Diesseits. Carlo Giuliani hielt eine Abschlussrede, Fabrizio de André gab nach 19 Jahren endlich wieder mal ein Konzert und Mary Constance und Oscar Wilde plauderten über alte Zeiten. Danach gingen alle wieder nach Hause.


Du hast keine Chance, also nutze sie!

Bald soll auch diese Lücke wieder geschlossen und das was, beziehungsweise das wer und wie genau definiert sein.

Seit April 2017 gibt es nicht nur eine Lücke zwischen den Gebäuden in Holligen, sondern auch einen Ort mit Menschen darauf, die keine Funktion erfüllen müssen und sich entwickeln dürfen.

Nichtsdestotrotz sind wir da! Versuchen vieles zu leben und Anderem zu entgegnen. Nicht weil man und die Anderen im Generellen, sondern weil wir genau so und nicht anders.

Seit April 2017 wird von aussen versucht zu wissen, zu kategorisieren, zu reglementieren wer da wie und wo und was da sowieso.

Seit April 2017 krachts, knackts und brummts vermehrt auf dem ungenutzen, unbebauten Fleck in Holligen.

holliger Brachland

Seit April 2017 tummeln und treiben sich vermehrt einzelne und einzeln vermehrt Menschen auf dem industriellen Brachland in Holligen.

Nr. 434 | August 2018 10

Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzung In einer losen Serie berichten Hausbe-

setzer- und Wagenbürgler*innen über

ihre Ideen, ihr Selbstverständnis und

ihren Alltag.


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Nr. 434 | August 2018

Frische Feder

Aus Mücken Elefanten machen

flashback #03 für Lilo Magento

E

Text: Jan Amstutz

r machte aus Mücken Elefanten. Egal wo er ihr hohes Schwirren hörte, er fand sie und verzauberte sie in graue Kolosse. Egal wie klein die Mücken waren und wo sie sich versteckten. Dabei liess er es aber nicht bewenden. Seine Elefanten waren nicht einfach massige Dickhäuter mit liebenswerten Augen, grossen Ohren und platten Füssen. Nein, es waren grässliche Mückenelefanten, die den Menschen mit ihren Rüsseln das Blut aussaugten.

Hier & da Text: Jan Amstutz & David a.e.

Bloss nicht auffallen,

Auffallen um jeden Preis hetze durch die Zeit. herumsitzend die Zeit vertrödeln Nicht lieben, nur trainieren, den Exzess lieben, den Körper nicht nicht verweilen, flüchten! vor dem Computer verweilen! Gesund sein, nichts kosten. Krank sein, viel kosten Koste mal mein Superfood. Koste mal meine Chips Unterwegs sein, befristet Zuhause sein, unbefristet Hier und da und Fotos schiessen. Youtube-Videos schauen Die Landschaft schön und unberührt, Die touristengesäumte Landschaft da muss ich hin, Teil sein. dahin gehe ich nicht, abgrenzen Als Fremdkörper eindringen, Als Vertrauter aus dem Unbekannten ausbrechen aber nur kurz – eine Kolonie gründen. die ganze Zeit, gekommen um zu bleiben

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LILO MAGENTO freuen sich an sommerlicher Kommunikation und Austausch, am liebsten analog, jedoch besteht ein Unsicherheitsfeld ob sie etwas zu sagen haben.

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Frische Feder

Novembersegen D

Text: Laura Egger | Illu: #tt

ieser Herbst war der Herbst unseres Lebens. Zwischen Dählhözli und Du Nord hielt er, was er uns zu Beginn versprochen hatte. In jedem Laubblatt, das zu Boden segelte, sahen wir einen Sinn und in den Pfützen auf der Pläfe züchteten wir Perlen, mit denen wir Zäune schmückten und laublose Baumkronen.

Dieser Herbst war der Herbst unseres Lebens. Sorglos liessen wir unsere Ersparnisse dahinschmelzen und assen uns durch die jahreszeitlichen Dreigänger der Stadt. Wir bestellten den Wein nur zu Beginn in Gläsern, bald schon wurden Flaschen daraus, und im Tiefschlaf walteten Träume von traubenroten Bergbächen, plätschernd über kantiges, kühles Geröll. An manchen Tagen waren Kellner die einzigen Mitmenschen, die uns zu einem Gespräch verpflichteten. Und wussten sie, was zu tun war, verzogen sie sich gern hinter die Bar, um sich nicht das weisse Hemd zu verkleben mit dem Honig, der uns von den Lippen tropfte, aus unseren Blicken strömte und hinter unseren Rücken eine süsse Spur auf den Boden zeichnete.

gleichgültig, wer den Stift führte, wussten wir doch bereits nach wenigen Zeilen nicht mehr, wem welches Wort, wem welche Wendung eingefallen war. Wir fügten uns. Fügten uns einander und dem, was andere den kühnsten November seit Jahrzehnten nannten. Ich fügte mich der Geschwindigkeit deines Herzschlages und du fügtest dich dem regelmässigen Ziehen in meinem Bauchinneren, welches die Gespenster in deinen Blicken auszulösen vermochten. Das Lexikon sprach: Harmonie in ihrer reinsten Form. Uns aber kümmerte das wenig. Dieser Herbst war der Herbst unseres Lebens. Auf dem Bärenplatz liess man uns gewähren. Wir beanspruchten ihn Arm in Arm auf unseren Streifzügen durch jene Welt, deren Umwälzung wir gemeinsam in Angriff nehmen wollten. Keiner löste seinen Arm von der Hüfte des anderen, um einen Dritten passieren zu lassen. Diese Haltung schienen wir auszustrahlen, man ahnte vor und wich uns frühzeitig aus. Im Vorbeigehen streiften uns Blicke, die sich schnell wieder von uns abwandten, denn an der Leuchtkraft unseres Kosmos wollte niemand so einfach erblinden.

Es ist das Zusammenspiel von dürr und nass, das einen Herbst zum Herbst macht. Die himmlisch zementierte UnzerstörDas war auch in diesem Herbst nicht anders. barkeit unserer Einheit sorgte für den EinSeine goldenen Tage hatte er längst hinter druck, dass es bei uns nichts – gar nichts sich gelassen, was geblieben war, waren die – zu zerschlagen gebe. Bei unserem Anblick Launen der Winde zogen sich auch die und Nebel, feuchte, gehässigsten aller Unsere beiden Innenleben Schwertritter in die kahle Äste und von äussere Enge zuHunden niedergehatten sich übereinander trampeltes Gras. rück. Sie wussten, geschoben wie zwei FoUm unsere Füsdass es sinnlos wäre, lien, die man auf einem se raschelte das tote sich an uns zu verLeuchtpult aufeinander suchen. Denn auch Laub. Unter dem wenn einer gewollt Gewicht unserer zuschiebt. hätte, auch wenn eiUnspaltbarkeit zerbröselte es in kaum ner des Weines statt nennenswerte Krümel, die sich mit den Blut hätte fliessen sehen wollen, wäre seine Schneckenschleimspuren und Regenwurm- Lanze zerschellt an der Härte unserer gesellkadavern vermischten. Wir aber waren im- schaftsunstauglichen Hülle. Dieser Herbst. Er mer schon vorüber, wenn hinter uns ein Igel war der Herbst unseres Lebens. angefahren wurde. Dieser Herbst war der Herbst unseres Wir hatten uns zusammengelegt. Von Lebens. Wir hielten unsere Nasenspitzen in Norden her wehten kräftige Stürme und die seinen Eiswind und wussten es. Enten auf dem Egelsee suchten hinter Steinen Zuflucht. Wir aber hatten uns zusammengeTief hängende Wolken trübten dem un- legt. Unsere beiden Innenleben hatten sich glücklichen Volk die kürzer werdenden Tage. übereinander geschoben wie zwei Folien, die Wir bekamen davon nur wenig mit, denn be- man auf einem Leuchtpult aufeinander zureits in der Morgendämmerung zogen wir uns schiebt. Zusammen bildeten wir eine durchhinter Fensterscheiben zurück, die wir mit je- sichtige, eine unmerkliche Überlagerung, die dem Seufzer etwas mehr beschlugen. uns Tag für Tag mehr bewusst wurde und uns Dieser Herbst war der Herbst unseres Le- derart aufwühlte, dass wir ohne die Kraft der bens. Tagsüber blickten wir einander in die Dunkelreben nicht mehr geschlafen hätten. Augenhöhlen, tauschten Haare aus und ZähIn den Tiefen des Pinot Noirs, eins mit ne und immer wieder häuteten wir einander dem Nordwind, hatte mein Geist sich über deinen hergemacht, war dein Geist mit meiehrgeizig und gekonnt. Bei Nacht hingegen schrieben wir ge- nem verschmolzen bis tief in den Kern. Heiss meinsam, was es zu schreiben gab. Es war und glühend, im Jahrhundertnovember.

Onomatopoesie

Strudelrock G

Text: HvH | Illu: DAF

eheimtipp mag für das Berner Quartett «willibald» kaum mehr das treffende Wort sein – zumindest nicht in der Bärenstadt, zu lang ist dafür die Liste der bespielten Bühnen. Schon nur dieses Jahr waren willibald im Du Nord, im Bad Bonn, im Frauenraum und zuletzt im Q-Hof zu hören. Wer sie an einem dieser Ort erleben konnte, dürfte sich wünschen, dass sich diesen Musiker*innen noch viele weitere Bühnen in und weit weg von Bern öffnen werden; dem interessierten Publikum zuliebe. Denn was die vier hier darboten, liess, trotz schwierigen Bedingungen – die Bühne steht frei im Rund der Gemäuer des Quartierhofs, das Licht unbewegt und hell, und die Beschallungsanlage von suboptimaler Qualiät – dennoch allesamt Anwesenden berührt und bewegt zurück. Die erste EP von willibald «While We Feel Romantic on Rooftops» beginnt ruhig und träumerisch. Doch bereits der zweite Song!, ein veritabler Hit, beginnt mit einem dringlichen Basslauf und klagender Gitarre und Gesang. Dann steigert laufend die Intensität, nur gebrochen vom feinen Refrain mit der namensgebenden Zeile «While we feel romantic on rooftops, buildings are falling apart, embrace me emptiness and let us not fear a handful of dust». Im Q-Hof wurde man dabei immer mehr emporgehoben: über die Dächer der Lorraine, kuschelnd mit romantischen Gefühlen, im Rücken die Cremeschnitte, die Türme von Marien- und Johanneskirche, die Hochhäuser von Swisscom und Postfinance im Blick. Am Horizont blinkt unbeeindruckt der Fernsehturm auf dem Bantiger. Mit dem Song Traffic Lights taucht man vorübergehend wieder ins sinnbildliche Verkehrsgetümmel ein, um beim nächsten Song schon wieder ohne Boden unter den Füssen zu straucheln. willibald nennen das Strudelrock, was sehr schön den wohligschaurigen Strudel beschreibt, in den man mit willibald eintauchen kann. Die nächsten Strudel gibts am 24. August am Veilchenweg in Bümpliz und am 31. August auf der Warmbächli Brache zu erleben. Bis dahin kann die Zeit mit der wunderschönen EP überbrückt werden, welche es bei Serge & Peppers zu kaufen gibt. * https://is.gd/eiRF3D


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