Protest als gemeinsamer Nenner – Er folg für Kommunist*innen und Islamist*innen S.1 – 2 | Demokratie per Knopfdruck
– Digitale Demokratie S.3 | Singsang der Nationen – WM: Von Blut, Land und Glorie S. 4 | Alles hübsch – oder wie?
S.5 & 8 | Ds barrikade.info-info S.6 | Reitschul-Programm S.7 | Zwei für mich, einer für dich – Kinderbuchtipp S.9 | Benvenuto al Piazzale Loreto – StattBlick S.9 | holliger Brachland – Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzung
S.10 | Frische Feder S.11 – 12 | Strudelrock – Onomatopoesie S.12
Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern
megafon | N° 434 | August 2018 | 6.–
Protest rotest P Erfolg für Kommunist*innen und Islamist*innen im Irak
als gemeinsamer Nenner Die Sairun-Allianz gewinnt die Parlamentswahlen. Ihr Programm zeigt gesellschaftliche Parallelen zwischen Europa und dem Mittleren Osten auf.
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Text: Christian Wyler | Illu: #tt
ie Sairun-Allianz, zusammengesetzt aus den islamistischen Sadristen und der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP), hat überraschend die irakischen Parlamentswahlen vom 12. Mai gewonnen. Auch wenn aufgrund der zersplitterten Parteienlandschaft die Regierungsbildung schwierig werden dürfte und noch kaum abzusehen ist, wie die künftige Regierung aussehen wird: Der Erfolg und überhaupt die Existenz der Sairun-Allianz sind bemerkenswert. Zum ersten Mal in der irakischen Geschichte haben sich eine islamistische und eine kommunistische Partei zusammengeschlossen.
Alte Feindschaft Neben einer kurzen Machtbeteiligung Ende der 1950er Jahren war die Geschichte der Irakischen Kommunistischen Partei (IKP) primär durch verschiedene Verfolgungswellen geprägt – zuletzt ab 1978 unter Saddam Hussein. Doch nicht nur das Regime, auch die schiitische Geistlichkeit fühlte sich durch die IKP bedroht, die bei der armen schiitischen Bevölkerung sehr populär war. Sie unterstützte darauf die Bildung der Dawa, der seither bedeutendsten irakischen is-
lamistischen Partei. Der schiitische Islamismus im Irak ist Muqtada al-Sadr: also auch als direkte Gegenbewegung zur IKP entstanden. Militärischer und politischer Widerstand Die Dawa-Partei wurde durch Saddam Hussein ebenDie ab 2003 etablierte Regierung rief aber auch Widerfalls verfolgt. Ihre Führung kehrte erst mit der US-amestand hervor. Zu dessen prominentesten Vertretern gehörte rikanisch angeführten Militärallianz aus dem Exil zurück, Muqtada al-Sadr und die von ihm angeführten Sadristen. Die die 2003 die Herrschaft der Baath-Partei beendete. Das Sadristen lassen sich zwar wie die Dawa dem schiitisch-islamistischen Spektrum neue, von der Dawa dominierte, politische System im zuordnen. Trotzdem kam Irak orientierte sich stark an es immer wieder zu MachtZum ersten Mal in der irakischen konfessionellen und ethnikämpfen zwischen den beiGeschichte haben sich eine islamisschen Zugehörigkeiten. Die den Bewegungen. Muqtada grossen Parteien waren ental-Sadr wurde nach 2003 zu tische und eine kommunistische weder schiitisch, sunnitisch einem eigenständigen reliPartei zusammengeschlossen. oder kurdisch geprägt. Dagiösen, politischen und mibei ging es allerdings kaum litärischen Faktor: Er stellte je um religiöse Differenzen. Wichtig war (und ist) primär sich als religiöser Gelehrter gegen die geistlichen Autoritäten die Unterteilung der Bevölkerung nach solchen Zugehörigder Schia und er stand trotz Regierungsbeteiligung in Opkeiten. Denn die Mehrheit der Iraker*innen sind Schiit*inposition zu den mächtigen Parteien. Mit der Mahdi-Armee kontrollierte er zudem eine schlagkräftige Miliz. Das bekanen. Mit dem Anspruch, diese Mehrheit zu repräsentieren, men nicht nur die amerikanischen Truppen zu spüren. Wählegitimieren die etablierten schiitischen Parteien auch ihre rend des konfessionellen Bürgerkriegs eigene Macht. » Fortsetzung S.2