Gaza von unten – Great Return March S.1 – 2 | Kein Mensch ist illegal – Demonstrationsskizzen S.2 | Mehr Planeten und
Wasserschlösser! – S.3 | Ausserholligen verändern – Wohnen, Wiederstand und Auseinandersetzungen S. 4| Nichts was
uns passier t – Rezension S.9 | Der alles verändernde Zahnarztbesuch – Buchtipp S.9 | Flashback – von LukiDeLaDrucki
S.9 | The Mighty Abini & Rea – Onomatopoesie S.10 | Le tipp de mois du CI R A – Rezension S.10 | Kreuzwor te, S.11 | Frische Feder S.12 | Ds barrikade.info-info, S.12
08.12.2015, vequinox: is.gd/09fZAi
«Überall in Gaza, wo israelische Soldaten während des Krieges ihre Zelte aufschlugen, hinterliessen sie eine Spur der Verwüstung.» Foto: israelische Panzer ‹kreuzten› einen Friedhof in Beit Lahiya, Gaza Strip
Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern
megafon | N° 433 | Juli 2018 | 6.–
Great Return March
GAZA VON UNTEN
Der aktuelle Aufstand der Zivilgesellschaft in Gaza richtet sich gegen das israelische Besatzungsregime und nährt sich an der Hoffnung auf ein Leben frei von allen Unterdrückungsformen. Text: Bacaia 1 | Foto: zvg
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Was wäre, wenn sich 200 000 Palästinenser*innen ganz friedlich und ruhig in Richtung Grenze aufmachen würden, ein Banner tragend, auf dem steht, dass sie nur in ihr Land zurückkehren wollen? Was würde passieren?»
Vielleicht gab Ahmed Abu Artema mit diesem Facebook-Post vor sieben Jahren in der Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings den Anstoss zu der «palästinensischen Flüchtlingsrevolte», deren Zeug*innen wir in den letzten drei Monaten wurden. Zusammen mit Freund*innen hatte er eine Erklärung verfasst, die ausdrückte, was viele der zwei Millionen Palästinenser*innen im Gazastreifen empfanden: Das Verlangen nach Befreiung aus dem grössten Freiluftgefängnis der Welt, in dem die Lebensbedingungen je länger je mörderischer werden. Sie wollen ein Leben in Würde – und sie möchten in die Dörfer zurückkehren können, aus denen ihre Familien bei der Staatsgründung Israels einst flüchten mussten. Vor sieben Jahren war Artemas Vision ein Traum. Doch seit Ende März dieses Jahres versammeln sich am Trennzaun zu Israel Zehntausende zu Protesten, fordern ihre Rechte ein – und werden dabei von Tränengasdrohnen attackiert und von Scharfschützen gezielt beschossen. Unter den weit über hundert Getöteten waren Sanitäter*innen und Journalist*innen mit klar zu erkennenden Schutzwesten. Über zehntausend Demonstrant*innen wurden verletzt. Mehr als eine humanitäre Katastrophe Die Proteste finden in einem Kontext von jahrzehntelanger Unterdrückung statt. Seit über 50 Jahren besetzt und kontrolliert Israel den Gazastreifen. Seit der staatlichen Räumung der israelischen Siedlungen und der Machtübernahme der Hamas im Jahr 2006 steht das Gebiet unter einer
völligen Blockade durch Israel und Ägypten. Die israelische Verwaltung bestimmt mit zynischen Kalorienberechnungen die Lebensmittelmenge, die eingeführt werden darf. Die Einfuhr von Zement und anderen Baustoffen ist strengstens reglementiert oder wird willkürlich ganz unterbunden. Und nebst regelmässigen kleineren Angriffen hat die israelische Armee in den letzten zehn Jahren drei brutale Angriffskriege gegen den Gazastreifen geführt.
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Die Verwüstung ist überall. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Gazaner*innen so sehr an diese Art von Zerstörung gewöhnt sind, dass ein weiterer Krieg keinen Unterschied mehr macht. Wir sind an Kriege gewöhnt und daran, alles zu verlieren.»
Atef Abu Saif – Autor von «Frühstück mit der Drohne» (Unionsverlag, 2015)
Die Situation im Gazastreifen als humanitäre Katastrophe zu bezeichnen, greift zu kurz und ignoriert die politische Dimension. Die unzähligen Hilfsorganisationen, die im abgeriegelten Gebiet tätig sind, tragen zwar zur unmittelbaren Linderung der Not bei. Verkehrt ist jedoch die Annahme, diese Probleme könnten durch internationale humanitäre Hilfe und NGOs gelöst werden statt auf politischem Weg.
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Europas Hilfe wird die Palästinenser*innen nicht von politischer Unterdrückung befreien. Wohltätigkeit hat noch nie geholfen, eine kolonisierte Bevölkerung zu befreien.»
Bevölkerung gegenüber einer palästinensischen Mehrheit sicher. Insbesondere im Gazastreifen zeigt sich der Erfolg dieser Spaltungspolitik. Die dortigen Bewohner*innen leben weitgehend isoliert – nicht nur physisch, sondern auch in den Köpfen. Von Palästinenser*innen in Israel oder dem Westjordanland ist oft zu hören, es bestehe keine Hoffnung für den Gazastreifen. Gemeinsame Widerstandsformen zu finden ist unter diesen Umständen schwierig. «Fuck Israel. Fuck Hamas. Fuck Fatah. Fuck UN. Fuck UNRWA. Fuck USA!»2 Nebst der israelischen Blockade des Gazastreifens spielt auch die palästinensische Autonomiebehörde unter Präsident Abbas eine Rolle bei der Isolierung. Ihren Machtkampf mit der Hamas trägt sie aus, indem sie Hilfeleistungen blockiert, Stromlieferungen einschränkt und die Löhne von Beamt*innen kürzt. Die Hamas wiederum kann sich unter diesen Umständen als Retterin und Widerstandsorganisation inszenieren und verdient nebenbei mit Schmuggel durch von ihr kontrollierte Tunnels viel Geld.
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Palestinian Students’ Campaign for the Academic Boycott of Israel
Seit seiner Gründung vor 70 Jahren verfolgt der israelische Staat eine Politik des Teilens und Herrschens. Mit Separation und Apartheid stellt Israel die Vorherrschaft siener
Wir, die Jugend in Gaza, haben die Nase voll von Israel, der Hamas, der Fatah, der Besetzung, den Menschenrechtsverletzungen und der Gleichgültigkeit der internationalen Gemeinschaft! Wir wollen schreien und diese Mauer des Schweigens, der Ungerechtigkeit und der Gleichgültigkeit durchbrechen, wie die israelischen F 16 die Schallmauer Gaza Youth Breaks Out durchbrechen.»
» Fortsetzung S.2
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Bacaia – Bern’s Anarchists and Communists against Israeli Apartheid
Titel des Manifests von Gaza Youth Breaks Out