Block für Block gegen den Staat – Anarchokapitalismus S.1–2 | Die ewigen Anachisten von St. Imier – Anarchie im Hier und Jetzt S.3 | Interview CIRA – Centre international de recherches sur l‘anarchisme S.4 | Vier Zeilen – von nage S.5 | Dichter reiben du musst einfach – FrischeFeder S.5 | Aufstand für die Bildung – Schweizweite Proteste für die emanzipatorische Bildung S.6 | Von Eulen und Pferden – Onomatopoesie S.7 | Flashback – von Christine Anschwanden S.7 | Ds barrikade.info-info, S.7 | Kreuzworte, S.8 | Crimen Pacis Fractae – megafon stattBlick S.8 |
Die Zeitschrift aus der Reitschule | Bern
megafon | N° 431 | Mai 2018 | 6.–
Anarchokapitalismus
Block für Block gegen den Staat Kryptowährungen und die Blockchain bringen Dezentralisierung und Anonymität. Gleichzeitig wollen viele damit den Staat abschaffen und mit radikalem Marktkapitalismus überschreiben.
A
Text/Illustration: Florian Wüstholz
lles beginnt mit den Luftmatratzen der Grossbanken. Im Verlauf des Jahres 2008 tun sich darin immer grössere Löcher auf. Irgendwann treiben einige nur noch mit Mühe und Not auf den Wellen des Meeres – heisse Luft entweicht schneller als sie wieder hineingeblasen werden kann. Manche gehen unter, andere sind «too big to sink» und werden mit Pumpen und Pflastern wieder einigermassen seetauglich gemacht. Zur gleichen Zeit fragt sich Satoshi Nakamoto, ob das nicht besser geht. Diese ominöse japanische Nebelgestalt – bis heute weiss niemand, wer sich hinter dem Namen wirklich versteckt – will mit der Kryptowährung Bitcoin ein neues Finanzsystem erschaffen und damit den Zentralbanken die Macht über unser Geld entziehen. Auf die Idee folgt die Manifestation des Netzwerks am 3. Januar 2009 mit der Schöpfung der ersten 50 Coins.
Kryptografie und radikaler Datenschutz Anfangs kommt Bitcoin vor allem bei sogenannten Cypherpunks an, die sich Kryptografie und radikalen Datenschutz auf die Fahnen schreiben. Dazu gehören Menschen wie Julian Assange und die Entwickler*innen des Tor Netzwerks. Die zunehmende staatliche Überwachung im Internet ist ihnen ein Dorn im Auge, den sie mit Verschlüsselung und einer Rückeroberung der Anonymität entfernen wollen. Da passt Bitcoin bestens ins Schema. Damit lassen sich Transaktionen beinahe anonym tätigen – eine Tatsache, die ursprünglich unter anderem für den Erwerb illegaler Güter genutzt wird. Wer mit Bitcoin oder einer von mittlerweile über 1000 anderen Kryptowährungen zahlen will, braucht zwar ein digitales Portemonnaie – eine Wallet. Doch von der Wallet alleine lässt sich nicht auf die Person schliessen, in deren Tasche es steckt. Dafür wäre zusätzliche Detektivarbeit nö-
tig, die sich jedoch durch Verschlüsselung und Spurenverwischung erschweren liesse. Das macht Bitcoin im Endeffekt zu einem pseudonymen Zahlungssystem: Die virtuelle Adresse jeder Wallet dient bloss als Deckname der Besitzer*in. Alle Transaktionen von einer Wallet auf eine andere werden auf der Blockchain vermerkt. Diese ist eine Art dezentralisiertes Logbuch aus einzelnen Blöcken, die aufeinander aufbauen. Mit zusätzlichen Mechanismen wird dabei verhindert, dass Einträge nachträglich verändert, gelöscht oder hinzugefügt werden. Denn wie bei einer Ankerkette wird jeder neue Block an die restlichen durch ein kryptografisches Verfahren geschweisst. Das Resultat: jeder Block baut auf der gesamten bisherigen Kette auf. Möchte jemand einen alten Eintrag manipulieren, ändert sich gleichzeitig der ganze Rest. Die Sache fällt auf und die so entstandene neue Kette wird vom Netzwerk abgelehnt.
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