Megafon Nr. 287

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m egafon Nr. 287

September 2005

Zeitung aus der Reithalle Bern www.megafon.ch

Preis Sfr. 5.--

mit P R O g r a m m


IM SEPTEMBER ENTREE

3 STORY OF HELL

MEGA-PROPHEZEIHUNG Editorial

4 DAS INSTITUT Vierter Teil - The Flow SCHWERPUNKT

5 GEGEN/MEDIEN/ÖFFENTLICHKEIT Einleitung 7 PRESSEAGENTUREN

8 DIE MEDIEN GEHÖREN UNS! Eine Hommage an die Informationsgesellschaft

10 «ANGST VOR DER FREIHEIT» Indymedia Schweiz 14 WELCOME TO NEGATIVLAND

18 UM EINE ECKE MUSST DU DENKEN KÖNNEN «Knapp daneben» – Fussballzine 22 BILDET BILDUNG?! – PROJEKT DENK:MAL Alternative zum Selbermachen PORTRÄTS: 12 Taxi-Magazin 13 Gsoa-Zytig Radio Lora 16 Rote Fabrik-Zeitung Widerspruch 17 Radio Rabe Schandfleck 21 Vorwärts

IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon | Plakat #tt | Umschlag mäz | Bilder uvm Druck Kollektiv Druckwelle, Reitschule In dieser Nummer Tom Hänsel (#tt), Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Heiko Morf (hako), Lisa Strahm (las), Urslé von Mathilde (umv), Markus Züger (maz). Redaktionsschluss 10. August 2005 näxter 14. September 2005 | Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.

INHALT

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INNENLAND

24 ZÜRICH-«SHANTYTOWN» Mehr als Holzhütten und Partys INTERNATIONALISTISCHES

26 DIE ZAPATISTAS GEHEN INS GANZE LAND Die «andere Kampagne» – der lange Marsch gegen die Institutionen

BLICK NACH RECHTS

28 DER (LETZTE) AUGUST 2005 Rechter Aufmarsch auf dem Rütli KULTUR ET ALL

30 SKIZZIEREN BIS ZUM LETZTEN ATEMZUG Comix von Joe Kubert: Yossel – April 19, 1943 31 «BEAN» BOHNENBLUST HÖRT… Scheiben 32 PROGRAMM

KINO DACHSTOCK GROSSE HALLE FRAUENRAUM TOJO SOUSLEPONT INFOLADEN I FLUSS – SOLIBARS

42 BILDERRÄTSEL


STORY OF HELL – C.A. BODENSTÄNDIGSTE FOLGE diese Folge wird Ihnen präsentiert von der Vereinigung «Hurra und Patridioten»

Wie immer, wenn sich der Sommer dem Anfang seines Endes zuneigt, feiert das die die Burg umgebende Stadt umgebende Land, mit viel Schall und Rauch, die Geburt einer Nation unter vielen, die da geboren wurden. Einmal mehr fragen wir uns: «Kommt der Mensch zur Welt, oder kommt die Welt zum Menschen?» — Wieder haben wir festgestellt, dass es wohl so ist, dass die Welt über die Menschen hereinbricht, sie knetet und formt bis sie passen. Anders ist nicht erklärbar, dass sie so handeln, wie sie sich den Anschein geben. Sie stechen, schiessen und morden in Horden, gebärden sich wie die Barbaren, tun sich weiden an Götzen wie die Heiden, ver-

anstalten Kreuzzüge wie die Christen, und am Ende liegen sie darnieder, nichts kennend als sich selbst. So klein, alles in allem, es stellt sich die Frage: wozu die grosse, weite Welt, das unbenutzte Draussen? Die Erde ist rund, damit sie die Richtung wechseln kann. Nur scheint das noch kein Mensch bemerkt zu haben. Alle sind sie wohlgeformt in ihrem kleinen Selbst, und tun ihren Dienst, das ganze Ding zu Boden zu bringen, das Projekt Mensch auf den Mond zu schiessen. Lasst uns aufbrechen. Wohl feststellend, dass sowas wie eine Nation kaum in einem Tag geboren wird, haben die Feiern zur Geburt der Nation rund um die Burg gleich eine Woche angedauert,

doch sie hat sie verhältnismässig unbeschadet überstanden. Einzig der Briefkasten ist in die Brüche gegangen, und einige Abfallkübel, der Kontakt zur Aussenwelt ist unterbrochen. So orientiert sich die Burgbelegschaft weiter an kosmischen Signalen, meist überbracht von den Wesen vom roten Planeten, welche sich tagtäglich um die Burg ansammeln, zu warten, was da noch kommen mag, und wieviel davon sich verkaufen lässt. Daumen rauf heisst nicht immer, dass alles in Ordnung ist. Das kann auch heissen: «Nimm mich mit!» In der nächsten Folge: Die fantasievollen Vier räumen auf.

EDITORIAL

MEGA-PROPHEZEIHUNG Manchmal haben wir recht: Bereits im Dezember 2000 schrieb das megafon dass die «Entente Bernoise» im Jahre 2006 nur noch aus einem Dutzend Sympathisanten und null Aktiven bestehen werde. Wie wir darauf gekommen sind? Eine simple Hochrechnung der Mitgliederzahlen, Sympathisantenzahlen, Aus- und Übertritte x das Geburtsdatum von Thomas Fuchs – der Rest der Formel ist unser Geheimnis... Und was lesen wir nun Mitte August im Bund: «Entente Bernoise» und die Schwesterorganisation «Bern aktiv» sind am serbeln. «Bern aktiv» steht gar vor dem Aus. Beide so genannten «überparteilichen», sprich in dem Falle rechtsbürgerlichen, Vereinigungen wurden 1987 gegründet, als Zaffaraya und die zweite Reitschule-Besetzung die Rechtsbürgerlichen kochen liessen. Ein Lacher auf den Stockzähnen möge uns gegönnt sein. Neben dem, dass die «Entente Bernoise» Studien erstellt mit so flotten Titeln wie «Demonstrieren… das störende Hobby!» oder «Kriminalität schadet dem Wirtschaftsstandort» haben beide Vereinigun-

gen immer und immer wieder gegen die Reitschule gewettert, Unterschriften gesammelt, polemisiert und gepoltert – zuletzt mit der Unterschriftensammlung für die Initiative «Keine Sonderrechte für die Reitschule», die am 27. November zur Abstimmung kommt, wo (die verbliebenen) «Bern aktiv»-Mitglieder zu den Erstunterzeichnern gehören (NEIN ist die richtige Parole, im Fall). Präsident des sinkenden Schiffs ist Thomas Fuchs und der Ex-JSVP-Präsident André Schären, seit April abgelöst von Erich Hess, ist Geschäftsführer. Aber auch der «Entente Bernoise» gehts nicht viel besser. Fuchs meint zum Bund, dass diese noch etwa 20 Mitglieder habe – was deren Präsident Hans-Rudolf Ramseier aber abstreitet: Sie seien noch ein ganzer Haufen. Bloss: Wie viel ist ein Haufen?! Noch besteht Hoffnung. In Sachen Tram-Bern West haben die rechten Kämpen um Fuchs+Co bewiesen, dass eine 180 GradWendung möglich ist – vielleicht also in naher Zukunft auch in Bezug auf die Reitschule. Das wird ihnen zwar punkto Mitgliederzahlen nichts nützen, gibt aber einen netteren Nachruf. > ANS <

EDITORIAL megafon Nr. 287, September 2005

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DAS INSTITUT : VIERTER TEIL – THE FLOW Der stete Fluss der Energie. Diesen aufrecht zu erhalten bemühen sich nicht wenige fernöstliche und andere Therapien. Das Institut in anderen Hallen sehr wohl mit der Zeit geht und auch geführte Meditationen anbietet, sich im Grossen, der sogenannten «Corporate Governance», jedoch schwer tut. In den Gangeshallen keine MitarbeiterIn ohne Dutzende von Schlüsseln auskommt, geschweige von Codenummern an bestimmten Pforten. Die vielen Schlüssel und Codenummern im Dienste der Sicherheit erzeugen ein fortwährendes Anhalten und Anschieben. Der Energiekreislauf wird durch Vorschriften und Sicherheitsbestimmungen stetig abgewürgt. Ein Fliessen schlicht unmöglich, der «flow» nicht erst seit MTV ein zentrales Moment von Bewegung. Die Bewegung immer wieder unterbrochen und diese physische Barrieren des Äusseren dringen leise, fast unbemerkt, ins Innere der MitarbeiterInnen. Selten ein Gedankenfluss, schon gar kein Aufschrei, der die vergilbten Seiten zum Rascheln bringt und die Gesichtsmasken reissen lässt. Selten ein wenig Haut, die atmet und lebt. Dieser Mangel an flow ist die Basis fast aller kleinen Unglücke im Institut. Die logistische Maximalauslastung des Platzes führt zu Stunden des «Entrückens» bzw. Bücherrückens. Jede Flexibilität wird als Beliebigkeit umgedeutet und abgeglichen. So kommt es, dass jedes zurückgeflossene Buch wieder müh-

ENTRÉE

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samst eingequetscht werden muss, respektive Platz erreihert wird für das Zurückgekommene. Ein Lift ist blockiert. Die Nachricht wird an die Lifthilfsstation übermittelt, die Wagen aus dem Lift ausrangiert und der Weg zum Cafe angetreten. Pflichtbewusst wird auch Meldung der Vorgesetzten T. erstattet. T. sofort zum Hörer, die Nummer der Liftservicestation gewählt, denn sie muss wissen, wann der Lift wieder funktionstüchtig und ab wann wieder Fahrten auf ihren Planungslisten durchgeführt werden können. Im Grundsatz richtig, doch ohne flow auch keine Antwort. Denn erstens muss ja eine Serviceperson erstmal bei diesem Lift sein und dann schauen, was Sache ist, um überhaupt eine Diagnose stellen zu können. Doch eben: Wenig andere Praxiserfahrungen erschweren das Leben, besonders in der Zeit des permanenten Kontrollverlustes. Nun Vorgesetzte T. konnte keine Pause machen, denn sie musste auf den Bericht der Serviceperson warten, die eventuell sogar mit uns Kaffee getrunken hätte… aber was solls. Sie dürfen am Abend ja dann wieder ihre Knoten und Krämpfe von professionellen Händen entwirren lassen, losgelöst von der immensen Anspannung und Verantwortung. Die Seele baumeln lassen und mit Zufriedenheit feststellen, dass ihre Stellung im Institut erst diese lösenden Hände bezahlen lässt. Liebe .T: Den Dingen ist es egal, wie rationell

durchdacht sie auf den Wagen gehoben, verschoben, verwoben werden. Ehrlich. Von dinglichen Regungen zu menschlichen. Die Erotik des unterkühlt und schallgedämpften Lesesaals des Instituts besteht gerade in der Wahrnehmung dessen Absenz, doch eindringend in die Katakomben aus Leitungskabeln, Fliessbändern und surrenden Transportbahnen erzeugt allein das stete Knistern dieser immensen Leitungen auch einen Hauch von zwischenmenschlichem Knistern. Um die Vorurteile abzurunden, sind für diesen Hauch natürlich nicht jene einheimischen, die Einsamkeit und Abgeschlossenheit suchenden MitarbeiterInnen verantwortlich. Nein, es sind wie in den Anfängen wieder ausländische MitarbeiterInnen, die einzelne Regionen des Instituts, wider dem stillen Gesetz – um die Schwere der Verantwortung bei der Konservierung von Wissen – mit Musik beschallen. Ein seltenes Privileg, das natürlich mit dem Ausschluss von Tageslicht und repräsentativer Tätigkeit erkauft wurde. Gerne lausche ich ab und zu den Klängen, die aus dem Sektor Süd durch die Tunnels der Transportbahnen in die Schluchten des kalten Nordtraktes dringen. > HAKO <


EINLEITUNG

GEGEN/MEDIEN/ÖFFENTLICHKEIT WESHALB WIR MONATLICH EIN HEFT PRODUZIEREN UND ANDERE DASSELBE TUN – IN DIESER NUMMER

LASSEN WIR KLEIN- UND KLEINSTREDAKTIONEN ZU WORT KOMMEN UND IHREN BEITRAG ZUR VERVOLLSTÄNDIGUNG DER ÖFFENTLICHKEIT. OB MIT

ERFOLG ODER GEGEN ALLE VERNUNFT ENTSCHEIDET IHR, LIEBE LESERiNNEN.

Verzwackt ist es mit dieser Öffentlichkeit, mensch gehört doch auch dazu, und dann doch nicht, und was ist überhaupt öffentlich? Ein sich jährender Todestag (Politiker, Weitsprungmeisterin, Uriella) wird zum öffentlichen (Medien)Ereignis, während gesellschaftlich Wichtiges, wie Kinder erziehen, der Privatsphäre unterliegt. Diese Unstimmigkeiten mögen sich daraus erklären, dass Öffentlichkeit auf Ausschlüssen beruht, männerdominiert ist und erst noch bürgerlich, ächz!

KLEINE RÜCKBLENDE Im Prozess der bürgerlichen Revolution begann das politisch räsonierende Publikum – wie es Kant nannte – dem Obrigkeitsstaat die öffentliche Gewalt streitig zu machen. Der Wille der Obrigkeit sollte durch die öffentliche Konkurrenz privater Meinungen ersetzt werden, in der sich auf vernünftige Weise, wie von selbst, das im allgemeinen Interesse liegende einstellt. Ein

durch die Öffentlichkeit gewähltes und kontrolliertes Parlament sollte den Charakter der vollziehenden Gewalt verändern: «Die Herrschaft der Öffentlichkeit», so Habermas, «ist ihrer eigenen Idee zufolge eine Ordnung, in der sich die Herrschaft überhaupt auflöst.»1 Wäre doch ganz in unserem Sinne, und miträsonieren dürfen alle, ausser die Geschöpfe mit dem irrationalen Wesen (Frauen), alle Fremden und Besitzlosen (denn zum räsonieren braucht es ökonomische Autonomie)… Seither ist (n)einiges besser geworden, aber in der Arche Öffentlichkeit finden nicht alle Geschöpfe eine Nische, und die hausen in der Gegenöffentlichkeit. Für Habermas bildet diese Gruppe ein zu vernachlässigendes Symptom einer Pluralisierung der Öffentlichkeit, während Negt/Kluge – Medientheoretiker aus den 1970ern – diese Gruppierungen in einer klaren Frontstellung zueinander sehen. «Gegenöffentlichkeit schaffen, Genossen» lautete ein sonderbarer Popsong. Der Begriff, inflationär gebraucht, verschwand in der Nostalgie-

Schublade, wird aber, Oldie but Goldie, immer wieder hervorgekramt. Er soll die Praxen und Gedanken all jener sozialen Gruppen, die mit ihrer Erfahrung und mit ihren Interessen aus der hegemoniellen Öffentlichkeit ausgeschlossen bleiben, in sich vereinen. Kann denn Gegenöffentlichkeit überhaupt überleben? Versucht sie einzudringen, um aus der bürgerlichen eine liberale Öffentlichkeit zu machen, könnte sie sich verschlucken oder assimiliert werden. Bleibt sie abgekoppelt, zirkeln wir konstant in parallelen Bahnen.

MEDIEN Wo eine politisch autonome Öffentlichkeit als vierte Gewalt im Staat fungieren soll, muss sie auch über die entsprechenden Informationen verfügen. Da beginnt der Habermas'sche Blues: «Die durch die Massenmedien erzeugte Welt ist Öffentlichkeit nur noch dem Schein nach.»2 Die Ursache hierfür sieht er in der Verwandlung einer diskutierenden, kritischen Menge in ein > SCHWERPUNKT megafon Nr. 287, September 2005

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1 Jürgen Habermas,

Strukturwandel der Öffentlichkeit,1990. 2 ebenda. 3 Geert Lovink, Hör zu oder stirb! Fragmente einer Theorie der souveränen Medien. 4 Aufbruch zu etwas Neuem, eigentlich altertümliche Fackel, auch Presseorgan von Erich Mühsam.

nur noch Massenmedien konsumierendes Publikum. Niemand bezweifelt mehr, dass die Medien ihre Unschuld verloren haben, dass von der Utopie vom aufklärerischen Potential nicht viel übrig bleibt. Massenmedien sind undemokratisch. Vervielfältigungsmaschinen in nur eine Richtung, und nicht angelegt auf Austausch. Die Macht gehört dem, der gibt, und dem nichts zurück gegeben werden kann. Die Zensurfreiheit garantiert längst keine ausgewogene Berichterstattung, und in der Infoflut wird ein guter Medienfilter überlebenswichtig, sonst stirbt mensch an einer Informationsüberdosis. Daten sind nicht mehr nur Stimuli des Interesses, sondern feindliches Feuer, das, ohne gedankliches waschen, alle Aktivitäten zu lähmen droht. In jeder Kommunikation ist ein Machtverhältnis eingeschrieben, sogar im megafon, problematisch wird dies erst, wenn diese Macht ausgenützt wird. Die mediale Öffentlichkeit heute wird in grossem Ausmass durch Werbe- und PR-Buden bestimmt, die, egal ob für Käse oder Parteien, ein Produkt-Design, ein öffentliches Image entwerfen. Sie stellen Informationsverwaltung in eine neoliberale Logik, die vorallem die eigenen Kassen zum Klirren bringen soll. Die armen, verwirrten Konsumenten greifen erleichtert nach diesen Identifikationshilfen, sehnen sich nach Labels und Logos. Enzensberger umreisst in den frühen 1970er Jahren in seinem «Baukasten zu einer Theorie der Medien» die Grundlagen einer Mediengesellschaft, die die Medien, statt repressiv, emanzipatorisch einsetzt. Ein dezentralisiertes Programm, die Möglichkeit der Partizipation und eine Politisierung und Mobilisierung der Massen werden

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gefordert. Eine kollektive Produktion, nicht eine Produktion durch Spezialisten soll Echtheit garantieren. Geradezu prophetisch sieht er das Erreichen dieser Ziele im Errichten netzartiger Datenbanken. Solche sind mit den Internetforen entstanden, die in der linken Szene mit einer geradezu euphorischen Hoffnung nach dem medialen Durchbruch verbunden waren und sind. Sie erweisen sich als durchaus hilfreich in der globalen Vernetzung, kämpfen aber gerade wegen ihrer offenen Struktur gegen den Missbrauch als Ventil für Destruktivität (siehe Artikel Seite 10). Hohe Erwartungen machen allzu leicht einer grossen Enttäuschung Platz, die den Hass auf die Maschinerie schürt.

BLÄTTERRAUSCHEN Gehen wir zurück zu den Anfängen linker Medienherstellung: In Anlehnung an Geert Lovink3 lassen sich zwei Typen von Publikationen unterscheiden, die «alternativen» und die «eigenen» Medien. Die «alternativen» Medien, in der Tradition Enzensbergers, buhlen um die Anerkennung der bürgerlichen Öffentlichkeit, versuchen diese inhaltlich zu korrigieren und zu ergänzen. Das Individuum soll aufgeklärt werden und diese Bewusstmachung an einer veränderten öffentlichen Meinung abgelesen werden können. Es genüge, an möglichst vielen Stellen Gegenöffentlichkeit zu produzieren, um eine gesellschaftliche Veränderung zu bewirken. Die Meinung war, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Information, Bewusstsein und Handeln besteht. Gehören wir auch zu diesen Utopisten? Denn diese Auffassung wird als «Megaphonmodell» bezeichnet. Die «eigenen» Medien tauchten Ende der 1970er Jahre auf und beschäftigten sich mit sich selbst. Sie kamen vom aufklärerischen Gedanken ab und sahen sich als Selbstportrait mit in-

haltlich explizit linken Stellungsnahmen und dem Aufgreifen subkultureller Themen und Codes. Lovink begründet in seiner «Theorie der souveränen Medien» einen neuen Typus Öffentlichkeit. Diese Medien wollen nicht Anti-Medien sein, sondern haben sich «dem gesamten politischen Geschäft und der Kunstscene entfremdet», «ihr Ziel und ihre Legitimation liegen nicht ausserhalb der Medien, sondern in der Realisation der ‹totalen Dekontrolle›». Dieser Schwerpunkt soll weder Nabelschau sein noch Lamento, aber mit jeder Ausgabe des megafons sehen wir eine Herausforderung und einen Grund, eigene Positionen zu überprüfen. Sind linke Medien Fanzines einer Subkultur, oder vermögen sie zu emanzipieren, um am Ende als Fanal4 zu dienen? Wir sind gehemmt, einzugreifen. Angesichts der weitest reichenden Probleme besteht oft keine konkrete Handlungsmöglichkeit, wie es keine Möglichkeit gibt, nachzufragen, sich einzumischen. Die Kommunikationsguerilleros der autonomen a.f.r.i.k.a gruppe glauben nicht an den Einfluss linker Medien, und sehen Hochblütezeiten alternativen Medienschaffens als getragen von gewissen gesellschaftlichen Situationen. Information ohne konkrete Handlungsmöglichkeit bleibe wirkungslos. Die Frage nach dem Huhn und dem Ei. Wie dem auch sei, die Möglichkeit eine Gegendarstellung anzubringen, den Finger in die Wunde zu legen und Zeitgeschehen zu dokumentieren, am liebsten neu zusammenzusetzen, darf nicht ungenützt verstreichen. Es gibt verschiedene Arten die herrschende Öffentlichkeit zu entlarven, und Vielseitigkeit ist eine Stärke. Deshalb setzen wir weiter quirlige Farbtupfer in die Medieneinöde und vermitteln weiter, aus dem farbigsten Kulturzentrum Berns. > LAS <


PRESSEAGENTUREN Bis in die 1970er Jahre hatte Schweizer Radio DRS, damals noch Radio Beromünster, keine eigene Nachrichtenredaktion. Es war die Schweizerische Depeschenagentur SDA, welche die Nachrichten fürs Radio verfasste und zusammenstellte. Die SDA war also nicht nur Lieferantin der News, sondern verarbeitete diese auch gleich zu Radio-Nachrichten. Diese Begebenheit mag verdeutlichen, welch bedeutende Rolle Agenturen spielten und heute noch spielen, und welchen Einfluss sie auf die Verbreitung von Informationen haben. Agenturen sind für Journalisten vollkommen unentbehrlich. Sie versorgen Radiostationen, TV-Sender, Zeitungen oder Online-Redaktionen mit tagesaktuellen News. Bei Terroranschlägen in London, beim Tod des Papstes oder etwa bei der nächsten Bundestagswahl liefern sie schnell und zuverlässig Basisinformationen. Nun sind Informationen nicht unbedingt neutral. Die offizielle iranische Nachrichtenagentur IRNA liefert andere Informationen als die englische Reuters. Informationen werden verschieden gewichtet und verarbeitet. Nur schon der Umstand, dass im Iran keine Pressefreiheit herrscht, die Opposition geknebelt wird und Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind, verdeutlicht, dass eine Meldung von IRNA wohl kaum die gleiche Glaubwürdigkeit aufweist wie Informationen einer Agentur, die keiner Aufsicht und Gängelung unterliegt. Wenn man bedenkt, dass nur eine Minderheit der Staaten demokratisch verfasst ist, dann kann man sich ausmalen, was dies für die Verbreitung von News heisst. Aber auch Informationen von Agenturen aus rechtsstaatlich-demokratischen Staaten sind natürlich nicht neutral und wertfrei. Dies zeigte etwa die Rolle der Agenturen – und der Medien generell – im Irak-Krieg. Auch Journalisten von Agenturen waren auf Material von sogenannt «eingebetteten Journalisten» angewiesen und diese wiederum durften nur veröffentlichen, was die alliierten Streitkräfte ausdrücklich autorisiert hatten.

Agenturen sind zudem, wie jedes sonstige Unternehmen, in einem Markt tätig. Wobei die Regeln des Markts und jene des Journalismus nicht unbedingt deckungsgleich sein müssen, ja sich teilweise sogar konkurrenzieren. So wäre es vom journalistischen Standpunkt aus durchaus wünschenswert, wenn Agenturen etwa aus afrikanischen Staaten mehr Informationen liefern würden. Nur ist dies in einer Zeit, in der die Werbeeinnahmen der Verlage und damit auch die Einkünfte der Agenturen stark leiden, kaum finanzierbar. Aber auch das Interesse der breiten Öffentlichkeit – und an der orientiert sich der Medienmarkt weitgehend – steht dem entgegen. Diese Lücken im Netz sind aber nur einer der Gründe dafür, warum Agenturen zwar sehr wichtig, aber keineswegs allein entscheidend für ein gutes Medienprodukt sind. So drucken beinahe alle bedeutenden Zeitungen nur in sehr beschränktem Ausmass Agenturen ab. Dies liegt daran, dass Agenturen Ereignisse primär abbilden. Für ein profiliertes Medium ist dies aber nicht genug. Gefragt sind in einer Zeit des Nachrichten- und Meldungsüberflusses weitergehende Qualitäten: Einordnung, Erklärung, Hintergründe, Kommentierung von Ereignissen. Dass Schweizer Radio DRS nun schon seit Jahren eine eigene Nachrichtenredaktion hat und nicht nur einfach Agenturmeldungen verlesen werden, zeigt, dass einer eigenständigen Gewichtung und Auswahl der Meldungen heute ein grösseres Gewicht beigemessen wird. Zudem werden mit Hintergrundsendungen – wie Beispielsweise dem Echo der Zeit – Einschätzung und Einordnung geliefert. Eine notwendige Ergänzung, ohne die Informationssendungen deutlich weniger Wert und Gewicht hätten. > FRANCO BATTELL <

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EINE HOMMAGE AN DIE INFORMATIONSGESELLSCHAFT

DIE MEDIEN GEHÖREN UNS! GEDANKEN ZUM DATENFLUSS - ESSAY EINES GELANDETEN:

Nach einer Nacht voller Strapazen – ich verbrachte sie im Citynightline-Foltersessel von Ütrecht nach Zürich – bin ich also endlich zurückgekehrt und kann am Event teilnehmen. Schon Tage zuvor brachten mich meine Datenreisen zur Homepage von Indymedia Schweiz. Das Konzept «reclaim the media» spricht mich normalerweise nicht besonders an, aber was macht man in der Fremde? Man surft erstmal auf die Seiten von zuhause und schaut wie das Wetter so ist und ob die Menschen zuhause das selbe Tiefdruckgebiet ertragen müssen wie meine Wenigkeit in den Niederlanden. Doch neben dem Wetterbericht erfuhr ich im «Newswire» (Übersetzung dieses Wortes ist mir unbekannt, bitte mitteilen) die brennenden News: Freitag Abend las ich vom «Shantytown» (siehe auch Artikel Seite 24), dem Hüttendorf an der Sihl. Geschmückt mit Bildern der tamedia AG, erschien dort ein Artikel, der wiederum vermutlich an einen Artikel selbiger Firma angelehnt war. Genau erinnere ich nicht mehr, aus welcher Feder der Artikel nun kam, denn parallel besuchte ich die Websites der bürgerlichen Presse: Tagi und NZZ brachten die weiteren Informationen. Samstag und Sonntag blieb Indymedias «Newswire» allerdings still, ganz im Gegensatz zu «Shantytown», wie ich später erfahren durfte. Montag Mittag, nur wenige Stunden nach meiner Ankunft um 8:23 Uhr, begebe ich mich also nach «Shantytown». Die Sonne scheint, die Frisur sitzt. Nach einigem orientierungslosen Geschlender über das mit Heuballen ausgelegte Sihlufer, entdecke ich ein Kaffeewägeli samt mir bekanntem Kaffeeservierer und begebe mich zum zwei-

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ten und dritten Kaffee und zu einem netten Geplauder auf ein kantiges Holzstück gleich neben dem Wagen. Noch ein wenig mit der Entfaltung meines von der Nacht geplagten Rückens beschäftigt, sitze ich also da, Kaffee schlürfend und ein weiterer mir bekannter junger Mann setzt sich zu mir. In einer Sprechpause mit dem Kaffeeverkäufer verändert sich das Thema von einer Schnellzusammenfassung der Ereignisse der letzten Tage zu etwas ganz anderem. Der junge Herr, der so höflich auf die Sprechpause wartete und eigentlich auch nicht mehr ganz so jung ist, fragt mich, ob ich nicht mal wieder einen Artikel schreiben möchte. «Gegenöffentlichkeit und Alternativmedien» sei das Thema. Als freundlicher Partybesucher willige ich ein, beschwere mich noch höflich über die ungenaue Themenstellung, denn die beiden Begriffe sind synonym gebraucht und sagen in seinen Ausführungen immer noch das gleiche aus. Nachdem ich meine E-Mail-Adresse etwas krakelig auf einen in meiner Hosentasche befindlichen Bon eines niederländischen Supermarkt geschrieben habe, geht die Konversation über E-Mail-Adressen weiter. Daran, dass sich Mobiltelefonnummern schnell ändern, habe ich mich ja langsam gewöhnt, aber mit E-Mail-Adressen ist es bei vielen Menschen mittlerweile ähnlich. Kaum hat man sich irgendwo angemeldet, hat man auch schon das Passwort vergessen, der Service ist nicht mehr gratis oder die Firma musste Insolvenz anmelden. Wenn das alles nicht der Fall ist, ist die Mailbox nach spätestens drei Monaten derart von Spam überfrachtet, dass spätestens dann ein neuer, noch besserer E-MailAnbieter gewählt werden muss. Aufgeputscht von zwei Pappbechern Kaffee «RebelDia» und immer noch nicht alles gesehen habend, treibt es mich schliesslich zum weiteren herumschlendern. Aus drei Holzstämmen wurde auf der Sihl ein zeltartiges Gebilde, der «Shanty-Tower», errichtet. Mit

Sitzbänklein und Wasserrad. Dort sitzt eine weitere mir bekannte Person, bewaffnet mit weissem Papier und einem schwarzen Filzschreiber und zeichnet fotografisch genau, was er aus dieser Position sieht. Neben seiner gravierenden Rückenfehlstellung beim gebückten Zeichnen bemerke ich, dass er zwar alles detailliert zeichnet, sich auf seinen Zeichnungen jedoch keinerlei Menschen befinden, obschon zu dieser nachmittäglichen Zeit «Shantytown», aus diesem Blickwinkel einem Ameisenhaufen ähnelnd, gut bevölkert ist. Die Zeichnung erscheint hernach in der «Shantypress 2» einem D.I.Y.-Sammelsurium an Information und Desinformation, Bildchen, Schlüsselsuchmeldungen, Collagen und Kontaktanzeigen. Inhaltlich bleibt nicht so viel übrig und die festdefinierende Zuordnung in Alternativmedium oder Gegenöffentlichkeit bleibt mir auch bei diesem Machwerk verwehrt. Die Mobilisierung zu diesem «Event» funktioniert ohnehin ganz anders: Eine mit hochhackigen Schuhen und gebügelter Armyhose bekleidete junge Frau beugt sich ungelenk nach hinten. In der linken Hand eine Zigarette, in der rechten Hand ein Mobiltelefon. Manisch auf ihr Mobiltelefon starrend versucht sie einen günstigen Moment abzupassen, um auf den Knopf zu drücken. Vor ihr, ähnliche Verrenkungen durchführend, steht ihr, ebenfalls modisch gekleideter, Freund, vermutlich mit einem Arbeitskollegen oder irgendeinem «Freund der Familie» im Arm. Cool posierend, mit der Sihl im Hintergrund. Bevor ich darüber nachdenken kann, warum sich Männer immer so komisch anfassen, dreht sie das Mobiltelefon um und zeigt das frisch geschossene Foto, welches hernach via Swisscom oder Orange auf ein anderes Mobiltelefon verschickt wird (50 Rappen). Das ganze Produkt heisst MMS, und ich warte noch auf die Werbekampagne, wo alle auf «Shantytown» geschossenen Fotos auf einem Plakat abgebildet sind. Darüber in grossen Let-


tern (am besten in ausgefranster Schreibmaschinenschrift) das Wort «Gegenöffentlichkeit» und unten auf dem Plakat, steht einfach nur «Swisscom – get connected». So haben wir die Informationsgewalt im wahrsten Sinne des Wortes in der Hand. Alle Produktionsmittel stehen uns zur Verfügung. Jeder Mensch kann in ein Mikrofon sprechen, einen Kopierer bedienen und Computer haben wir doch auch schon alle. Die Welt gehört uns. Das wir die Informationen verstecken müssen, ist nicht der Fall. Liberale Medienwelt. An jeder Ecke werden wir von ungeschickten Studenten befragt, damit unsere Stimme zwischen Werbeeinblendungen und Popmusik eine echte Meinung darstellen darf. Was man antwortet, ist egal, genauso die Frage, die gestellt wird. Selbst wenn die Antwort nicht ganz kompatibel ist, ist sie dafür halt «ganz schön crazy». Zwischen den ganzen medialem Getummel auf «Shantytown» hängen auch noch kleine Zettelchen, die sagen, dass man doch «bitte nicht

fotografieren» sollte, schliesslich sei «Shantytown ja kein Zoo». Irritiert über diese Zettelchen erinnere ich mich an Zeiten, wo diese Information noch anders mitgeteilt wurde: Entweder wurde auf Demos im Sprechchor «Kameramann–Arschloch» gechantet oder aber man bediente sich dem Transportmedium Baseballschläger, der keinen Zweifel daran liess, wie diese Nachricht zu verstehen war.1 Auf Nachfrage beantworteten mir einige junge Fotografen, wofür die Fotos denn sein sollen, die sie soeben schossen von der Bar, vom Tipi in der Sihl oder auch einfach von mir: «Tja, das ist für mein Privatarchiv» heisst es. Nein, nein, er sei auch kein Beamter der Sicherheitsorgane – nur privat! Uff, da bin ich aber froh. So wandern die digitalen Aufnahmen also in das Privatarchiv des jungen Fotografens, das er in zehn Jahren wahrscheinlich auf der DVD mit dem Titel «Meine verrückte Jugend» archiviert haben wird. Wieder zuhause nach dem ereignisreichen Tag suche ich mal, was ich so

zum Thema «Gegenöffentlichkeit und Alternativmedien» finde. Die Bücher, die ich zu Rate ziehe, sind bereits Jahre alt. Die Agentur Bilvet brachte vor Jahren das Buch «Bewegungslehre» auf den Markt, die autonome A.F.R.I.K.A. Gruppe ebenfalls vor Jahren eine detaillierte Analyse der medialen Situation der linken Gegenöffentlichkeit. Meines Erachtens ist dem2 nichts mehr hinzuzufügen, die Situation hat sich in den letzten fünf Jahren nicht verändert. Neu ist sicherlich, dass wir jetzt mit dem Natel Fotos machen können und diese per MMS für 50 Rappen verschicken können. Nach einem anstrengenden Tag, der im Zug begann, liege ich im Bett und vor meinen Augen verschwimmen die Bilder des heutigen Tages. Ich habe keine Fotos gemacht und werde in einem Jahr nicht mehr genau wissen wie es so auf «Shantytown» ausgesehen hat. Vielleicht ist das ja auch ganz 1 www.dissidentgut so. Aber vielleicht nehme ich näch- media.org/page_ stes Mal doch nicht den Foltersessel parano/trash.html 2 www.nadir.org/nadir im Citynightliner. > DR.EGO@NOTMAIL.ORG < bewegungsleere.html /archiv/netzkritik/

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INDYMEDIA SCHWEIZ

«ANGST VOR DER FREIHEIT» MEDIENAKTIVIST UND INDY BETREIBEN MIT EINIGEN ANDEREN LEUTEN DIE INFORMATIONSPLATTFORM INDYMEDIA SCHWEIZ. SIE WOLLEN NICHT MIT NAMEN GENANNT WERDEN, WEIL IHNEN DIE

AUSSAGEN WICHTIGER SIND ALS DIE MENSCHEN, DIE SIE FORMULIEREN.

megafon: Was macht ein IndymediaAktivist?

No Name: Wir sind so etwas wie eine Redaktion, obwohl wir das auf Indymedia eigentlich gar nicht sein möchten. Aber die herrschenden Verhältnisse zwingen uns, dass wir manchmal auch Schiedsrichter spielen. Bei zum Beispiel rassistischen Texten greifen wir ein. Solche Sachen wollen wir nicht verbreiten. Damit üben wir zwar ganz klar Zensur aus, da wir aber diese Texte nicht eigentlich löschen sondern sie auf der Website verstecken, ist unsere Zensur transparent. Versteckte Inhalte können bei uns nachgefragt und eingesehen werden. Dies erlaubt die kritische Auseinandersetzung über problematische Postings. Medienaktivist: Unsere Aufgabe als Redaktoren ist es eigentlich, eine Redaktion überflüssig zu machen. Oder wie es Marx gesagt hat: Man soll als Soldat in den Krieg ziehen, damit es später nie mehr einen Krieg geben wird. Ah, mein Salat kommt! Darf ich essen während des Interviews? Das liest man ja dann im megafon nicht…

Aber für meine Arbeit bei Indymedia ist das keine Voraussetzung. Medienaktivist: Ich bin ein geübter Computeranwender, aber kein Crack. Das ist für mich einer der Grundgedanken von Indymedia: Dass die Plattform nicht von Spezialisten für Spezialisten gedacht ist, sondern dass normale Leute Indymedia benutzen und verwalten können. Denn nur dadurch findet die Demokratisierung des Mediums statt. Ich sehe Indymedia als einen dynamischen Prozess, der sich stetig verändert und entwickelt. Wir haben die Pressefreiheit ja nicht erfunden, aber wir schaffen mit Indymedia ein Instrument für die Befreiung der Gesellschaft, denn – verdammt noch mal – sie hat es dringend nötig. Wie finanziert ihr euch?

Medienaktivist (lacht): Wir werden von Moskau bezahlt. Nein, im Ernst, ich betrachte meine Arbeit als militante Tätigkeit. Daran verdiene ich nichts. Trotzdem braucht es Geld, um den Betrieb von Indymedia aufrecht zu halten.

Medienaktivist: Ich bin schon von Anfang an dabei. Wir haben zu zweit begonnen und sind heute immer noch eine ziemlich kleine Gruppe. No Name: Ich mache seit 2002 bei Indymedia mit.

Medienaktivist: Die Finanzen sind natürlich immer ein Problem. Aber das Internet ist diesbezüglich ein günstiges Medium. No Name: Unter den IndymediaAktivistInnen gibt es unterschiedliche Ansichten zur Finanzierung der Informationsportale. In den Vereinigten Staaten hat ein Indymedia-Center einmal Geld von der Ford-Foundation bekommen. Das führte zu hitzigen Debatten. Indymedia Schweiz ist wohl vor allem deshalb finanzierbar, weil das Medium billig ist und wir die Arbeit gratis machen.

Seid ihr beide Computercracks?

Inwiefern ist das Internet als

Wie lange seid ihr schon aktiv bei Indymedia dabei?

No Name: Ich studiere Informatik. Medium für Indymedia geeignet? No Name: Das Internet ist dadurch geeignet, dass es keinen grossen Aufwand braucht, um etwas zu veröffentSCHWERPUNKT lichen. Nur schon ein Flugblatt zu mamegafon Nr. 287, September 2005 10 chen und in der Öffentlichkeit zu ver-

breiten ist viel aufwändiger. Die Kosten, die mit einem Medium verbunden sind, sind ja auch schon eine Form von Zensur. Eine Zeitung herauszugeben ist teuer und daher für viele Menschen nicht erschwinglich. Es gibt einige wenige Open-Posting-Formate – also Informationsplattformen, wo jeder veröffentlichen kann – auch in gedruckter Version, aber deren Produktion ist halt aufwändig. Indymedia ist deshalb eine gute Informationsplattform, weil sie im Unterhalt billig ist. Medienaktivist: Der Aufwand, um eine Information zu produzieren und zu veröffentlichen, ist durch das Internet sehr klein geworden. Das Internet hat zu einem freieren Umgang mit Informationen geführt. Jeder kann jetzt das schreiben und lesen, was er will. Aber die meisten Menschen in Entwicklungsländern haben keinen Zugang zum Internet. Wären Informationsnetzwerke wie Indymedia nicht gerade für diese Menschen sehr wichtig?

No Name: Indymedia ist überall wichtig, denn: Don’t take the media, become the media. Es ist eine Plattform die weltweit dazu da ist, die Menschen anzuregen und aufzufordern, Missstände an die Öffentlichkeit zu bringen. Solche Informationsplattformen können aber nur dort entstehen, wo Menschen sie brauchen und benutzen können. Wo von vorneweg die Möglichkeiten eingeschränkt sind, ist es schwierig. Medienaktivist: Ich habe schon mit Aktivisten von Israel gesprochen. Die haben einen ganz schweren Stand, aber ihre Arbeit ist sehr wichtig. Für viele Journalisten, die aufgrund ihrer Arbeit in Israel keinen Job finden, bietet Indymedia die einzige Möglichkeit, ihre Texte zu veröffentlichen. Dabei ist es gerade in repressiven Ländern ein grosser Vorteil, dass das Internet als juristischer Raum noch sehr unklar ist und dass es die Möglichkeit zur Anonymität bietet. Aber natürlich – der digitale Graben ist da und spaltet die Welt.


No Name: Auch die Beschlagnahmung des Indymedia-Servers in London hat gezeigt, dass das Internet ein überaus geeignetes Medium ist, um gegen Repressionen zu bestehen. Die Polizei schliesst eine Website oder beschlagnahmt einen Server – wir stellen 1000 gleiche Seiten ins Netz und bauen 10 andere Server auf. Dieses Spiel können wir endlos mitspielen. Indymedia ist eben nicht lokal gebunden und deshalb immun gegen lokale Angriffe. Indymedia ist ein weltweites Netzwerk. Wo kommt diese Vernetzung der Indymedia-Kommunikationsportale konkret zum Tragen?

Medienaktivist: Ganz konkret findet die Vernetzung bei Aktionen wie zum Beispiel den Protesten in Genua, Genf oder Davos statt. Da merkt man wirklich, wie Medienaktivisten und Journalisten aus der ganzen Welt zusammenarbeiten. Wenn die Bewegung stark und vor allem aktiv ist, ist auch die direkte Zusammenarbeit bei Indymedia eher da. Indymedia funktioniert dann, wenn die Bewegung Ideale und Ziele hat. Zurzeit, so finde ich, ist hier in der Schweiz jedoch Flaute. Viele Leute benutzen Indymedia, um ihre Frustrationen darüber raus zu lassen, mit Provo-

kationen und unüberlegten Kommentaren. Steckt in der freien Benutzbarkeit von Indymedia eben nicht auch die Gefahr, dass das Portal missbraucht wird?

Medienaktivist: Das ist so, aber das gilt ja nicht nur für Indymedia sondern für alle Medien, wo dann halt Redaktionen sozusagen die Öffentlichkeit missbrauchen. Indymedia ist schliesslich ein Experiment, ein Prozess, der nach und nach zeigen wird, was man mit dieser Plattform noch alles machen kann. Das Indymedia heute von einigen Leuten missbraucht wird, war für mich ernüchternd. Ich glaube, diesen Missbräuchen liegt die Angst vor der Freiheit zu Grunde: Wenn in einem beherrschten System plötzlich Freiräume entstehen, wissen viele Leute nicht, was sie damit machen sollen. Manchen fällt nichts Besseres ein, als diese Freiräume in Frage zu stellen, ja, sie sogar zu zerstören. Wie geht ihr mit solchen missbräuchlichen Inhalten um?

Medienaktivist: Manchmal rege ich mich schon auf. Aber wenn ich durch Bern gehe, treffe ich auch alle 10 Me-

ter auf Werbeplakate, die mich stören. Auch bei Indymedia gilt: Ich muss mich damit abfinden. Es geht mir ja nicht darum, mit Indymedia eine Plattform bereit zu stellen, die allen BenutzerInnen gefällt. Sie müssen lernen, sich mit den Inhalten – auch jenen, die ihnen nicht gefallen – auseinanderzusetzen. Wir wollen ein Informationsportal sein, wo Frustrationen nicht als Provokationen raus gelassen werden, sondern wo Frustrationen diskutiert werden. Das höchste Ziel wäre es dabei, diese Diskussion von Mensch zu Mensch zu führen und nicht in der Anonymität des Internets. No Name: Es heisst ja, man solle nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Dasselbe lässt sich auch für Indymedia sagen. Die BenutzerInnen müssen Informationen mit kritischem Blick lesen. Wir können nicht alle Angaben in den Postings überprüfen. Die Leute müssen da schon auch selber mitdenken. Andersherum heisst das >

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> TAXI-MAGAZIN Das TAXI-Magazin für Soziales und Kultur entstand im Sommer 2000 und wird auf der Strasse verkauft, wobei die VerkäuferInnen die Hälfte des Verkaufspreises von 5 Franken als Verdienst behalten. Unverkaufte Exemplare können zurückgegeben oder gegen die gleiche Anzahl Hefte der nächsten Nummer eingetauscht werden. Das Heft kann abonniert werden, es gelangt aber nicht in den Kioskverkauf. Ziel war es, Menschen, die darauf angewiesen sind, eine niederschwellige und unkomplizierte Art der Verdienstmöglichkeit zu bieten, ohne dass sie sich längerfristig verpflichten müssen. Den bürokratischen Aufwand, was den Verkauf betrifft, halten wir klein um das Gefälle zwischen BürolistInnen und VerkäuferInnen zu nivellieren. Die VerkäuferInnen können ohne Druck und strenge Kontrollen unsererseits ihrer Tätigkeit nachgehen. Es war von Anfang an klar, dass bei diesem Konzept keine Löhne ausbezahlt werden können. Bei uns verdienen nur die Verkaufenden. Wir werden von keiner offiziellen Stelle (z.B. Sozialamt, Stiftungen etc.) finanziell unterstützt. Daher zogen wir das Ganze als gemeinnützigen Verein auf, basierend auf freiwilliger Redaktions- und Koordinationsarbeit. Eine Redaktorin und ein Redaktor schrieben die meisten Texte, redigierten Beiträge und besorgten Layout und Korrektorat und betreuten die ersten Jahre gleichzeitig auch noch den Strassenverkauf. Nach und nach, mit steigender Bekanntheit des Magazins, erklärten sich immer mehr Leute bereit, Beiträge zu schreiben oder uns Texte zur Verfügung zu stellen. Zudem konnte die tägliche Heftausgabe einem langjährigen Verkäufer anvertraut werden, so dass wir arbeitsmässig um einiges entlastet wurden. Unser Anliegen war von Anfang an, ein lesenswertes, engagiertes, kritisches und zugleich aufbauendes Magazin zu machen, das eine grosse Themenvielfalt aufweist und somit breite Kreise anspricht, ohne sich anzubiedern. Wir hatten schon vorher in Zeitungsprojekten mitgewirkt und der Spass am Schreiben und Verbreiten von

aber auch nicht, dass die Informationen in der NZZ wahrer sind als jene auf Indymedia. Medienaktivist: Ich finde, Indymedia muss eine Informationsplattform für objektive Wahrheiten sein. Wenn an einer Demo drei Personen verletzt wurden, dann soll auf Indymedia stehen: Drei Personen wurden verletzt. Vor einem Jahr brach bei Indymedia Schweiz die grosse Krise aus. Die Frage war: Wie weiter? Und, wie gings weiter?

No Name: In der Krise stecken wir vielleicht immer noch. Es begann damit, dass einige BenutzerInnen fanden, wir Mediatoren sollen die Seite

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(Gegen-)Information war unsere Hauptmotivation. Kommt hinzu dass es auch spannend ist, uns mit Neuerscheinungen im Buchund Musikbereich auseinander zu setzen und auf spezielle Veranstaltungen hinzuweisen. Sicher ist das häufig eine Gratwanderung, vor allem was die Zusammenarbeit mit den «grossen» Buchverlagen, Musikkonzernen und Veranstaltungsfirmen betrifft. Aber bis jetzt konnten wir unseren Anspruch recht gut umsetzen, ohne in einen Gefälligkeitsjournalismus abzudriften. Wir bieten jungen, unbekannten KünstlerInnen und Menschen, die Abseits des Mainstreams tätig sind eine Plattform. Meist geschieht das in Form von Interviews oder Rezensionen. Was Texte betrifft, die uns zur Veröffentlichung überlassen werden, so behalten wir uns eine Auswahl nach unserem Geschmack und unserem politischen Selbstverständnis vor. Politisch positionieren wir uns klar links, so wie wir «links» 2005 definieren. Wir stehen auf der Seite der wirtschaftlich Schwachen, auf der Seite der Menschen, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft auf dem Markt (unter Preis) anzubieten. Und da speziell von denen, die sich damit schwer tun, da sie zu diesem Markt nur beschränkt Zugang haben. Wir scheuen uns nicht davor, mit unseren Inhalten anzuecken und manchmal unbequem zu sein. Ebenso weigern wir uns, uns für dubiose Zwecke einspannen zu lassen, wie beispielsweise neulich die Zürcher Anti-Bettel-Kampagne. Wir sind parteipolitisch unabhängig und arbeiten punktuell mit verschiedenen Organisationen zusammen. (Greenpeace, TdH, Terre des Femmes, Aufbau, Claro-Läden, Lateinamerika Nachrichten, etc.) Meist erfolgt die Zusammenarbeit in Form eines Beitrages im Magazin. Da unser Konzept Anklang findet, steigen die Auflagenzahlen und das TAXI wird zwischen dem Emmental und der Stadt Zürich an vielen Orten und Veranstaltungen verkauft. > WWW.STRASSENMAGAZIN.CH.VU <

frei von Provokationen und problematischen Inhalten halten – und zwar permanent, zu jeder Tages und Nachtzeit. Das können wir nicht, dazu fehlen uns die Ressourcen. Einige Indymedia-Aktivisten haben sich deshalb zurückgezogen. Medienaktivist: Indymedia ist aus der Anti-Wef-Bewegung entstanden. Ein Auslöser für die Krise war auch das Gefühl, dass eine grosse, starke Bewegung in der Schweiz so gut wie nicht mehr existiere. Wir sahen keinen Sinn, Indymedia zu machen, wenn die Bewegung fehlt – denn sie ist die Basis für das Informationspotential auf Indymedia. 2004 wurde schliesslich der Gedanke laut, die Plattform zu schliessen. Wir entschieden uns aber, Indymedia weiter zu führen. No Name: Wenn die Inhalte fehlen, können die hohen Anforderungen, die manche BenutzerInnen an Indymedia

haben, natürlich nicht erfüllt werden. Wenn nichts da ist, was interessant ist, dann werden viele Leute auch unzufrieden sein. Medienaktivist: So gesehen steckt nicht Indymedia in einer Krise, vielmehr ist es die Bewegung, die kriselt. Und die Bewegung sind wir alle. So empfinde ich meine Arbeit eher als eine Basisarbeit für die Bewegung und nicht für Indymedia. Für mich macht es mehr Sinn, an einer Demo mitzugehen, als für Indymedia die Demoberichte zu bearbeiten. Indymedia ist für mich politische Arbeit. Wenn ich mir über die Plattform Sorgen mache, dann nicht unbedingt als Betreiber von Indymedia, sondern in erster Linie als politischer Mensch, der findet, dass etwas schief läuft in diesem Land. > INTERVIEW: MÄZ <


> GSOA-ZITIG Dass militärische Projekte an der «Heimfront», also an der negativen Presse im eigenen Land scheitern können, ist seit dem Vietnamkrieg eine Binsenweisheit – und ist auch dem VBS, dem Departement der Armeeköpfe, nicht entgangen: Ganze 250 Stellen war ihnen die Kommunikationsabteilung noch vor kurzem wert. Um dieser geballten PR-Kraft etwas entgegenhalten zu können, gibt die GSoA seit 20 Jahren ihre eigene Zeitung heraus: Die GSoA-Zitig, die heute vier Mal pro Jahr mit einer Auflage von rund 28 000 Exemplaren erscheint. Inhaltlich beschäftigen wir uns in erster Linie mit Antimilitarismus und solidarischer Friedenspolitik. Dabei fokussieren wir uns auf Themen, die sich in der Schweiz abspielen, und zu denen es Verknüpfungen in die Schweiz gibt. Seien dies Fragen rund um die Schweizer Armee (Aufgaben, Dienstmodell, Beschaffungen) oder auch Schweizer Waffenexporte. Wir versuchen, unseren Lesern immer wieder neue Blickwinkel aufzuzeigen und politische Möglichkeiten und Projekte vorzustellen, wie wir gemeinsam die Schweiz ziviler machen können. Das Schaffen von Gegenöffentlichkeit erscheint uns zentral, denn nur mit einer informierten Gesellschaft – und nicht einer durch Mainstream-Propaganda abgestumpften Masse – wird es uns allen gelingen, die Schweiz zu verändern, die Armee abzuschaffen, eine solidarischere Gesellschaft zu erreichen.

Doch neben ihrer politischen Aussenwirkung durch Gegeninformation spielt die GSoA-Zitig auch intern eine wichtige Rolle. Einerseits halten wir gegenüber unseren UnterstützerInnen und Mitgliedern fest, woran wir arbeiten. Dies kann gerade bei kleineren politischen Projekten wichtig sein. Dazu kommt, dass mit einer Zeitung andere Gruppen und politische Zusammenhänge nicht zum genau gleichen Thema recherchieren müssen; oft werden Artikel der GSoA-Zeitung daher auch in anderen Zeitungen nachgedruckt. Auch können wir so späteren GSoA-Generationen Wissen zugänglich machen, was in einer Organisation mit ständigem Wechsel der Generationen bei den Aktiven ziemlich wichtig ist. Und schliesslich ist nicht zu unterschätzen, dass mit einer eigenen Zeitung eine eigene Geschichte und neue Denkanstösse entstehen. Dies kann in ruhigeren und weniger aktiven Phasen Motivation für zukünftiges politisches Engagement geben. Solange die Schweizer Armee noch besteht, solange Schweizer Panzer in Krisengebiete geliefert werden, solange Schweizer Banken von Bürgerkriegsgeldern profitieren, wird die GSoA-Zitig versuchen, mit Fakten und Meinungen gegen dieses Unrecht anzukämpfen. Wir sind überzeugt: Gegenöffentlichkeit kann Gesellschaften verändern! > WWW.GSOA.CH <

> RADIO LORA Das LoRa-Info erscheint zwei bis drei Mal im Jahr und ist die «schriftliche Stimme» vom Verein Radio LoRa. Insbesondere für die LoRa-Mitglieder und SympathisantInnen, die das Radio nicht regelmässig hören, bietet es neben der Website einen wichtigen Informationsaustausch und die Möglichkeit, mit dem LoRa in Kontakt zu bleiben. Nach 21 Jahren ist Radio LoRa immer noch ein offenes und sich ständig wandelndes Projekt. Neue Leute bringen immer wieder eigene Ideen mit und tragen dazu bei, dass innovative Aktionen entstehen können. Was bleibt, ist der Anspruch, unabhängig über politische, soziale und kulturelle Themen zu informieren, die in anderen Medien eher zu kurz kommen. Speziell ist auch, dass Radio LoRa in 17 verschiedenen Sprachen sendet. Inhaltlich bringt das LoRa-Info Neuigkeiten aus dem Betrieb, kündigt Veranstaltungen und Projekte an und stellt neue Sendungen vor. Porträts von alten und neuen SendungsmacherInnen und ihren Sendungen sind sehr beliebt und werden regelmässig publiziert.

Die Frühjahrs-Ausgabe des LoRa-Infos erscheint immer pünktlich zum 8. März und stellt Frauenstimmen und Frauenanliegen in den Vordergrund. Diese Ausgabe wird zu 100 Prozent von der Frauenredaktion gestaltet: auch hier haben Porträts von Sendungsmacherinnen und Sendungen einen wichtigen Platz, sowie Artikel über aktuelle Themen. In der diesjährigen 8. März Ausgabe gab es zum Beispiel einen Bericht über das fünfte Weltsozialforum in Porto Alegre, geschrieben von einer LoRa-Redaktorin, die das Fraueninfo während der ganzen Veranstaltung aus Porto Alegre live streamte. Das Thema Frauen und Journalismus wurde in einem weiteren Artikel auch ausführlich diskutiert, mit einem Aufruf an feministischen Journalistinnen, sich Freiräume in den Medien zu schaffen und dazu beizutragen, dass ihre Forderungen vermehrt von den Medien angesprochen werden. Medienfreiheit ist im Allgemein ein zentrales Thema für das LoRa. Freie Medien wie zum Beispiel Radio LoRa sind nicht nur für die Schweiz bedeutend. In vielen Ländern

sind sie die wichtigsten Quellen unabhängiger Information. Oft sind Radio und Fernsehen in den Händen eines zentralistischen, undemokratischen Staatsapparats, oder internationale Medienkonzerne überschwemmen das Land mit seichtem Infotainment statt Aufklärung. Auch für ethnische und sprachliche Minderheiten (z.B. Indigene in Mexiko) sind gerade freie Radios wichtige Informationsquellen, weil sie in den lokalen Sprachen senden. Deshalb haben wir angefangen, im LoRa-Info in loser Reihenfolge über freie Medien und ihre Bedeutung in der Schweiz und in anderen Ländern zu schreiben. Den Anfang machte ein Artikel über die Rolle unabhängiger Radiosender in den Demokratisierungs- und Friedensprozessen im ehemaligen Jugoslawien. Für die Zukunft ist weiter geplant, Artikel von SendungsmacherInnen auch in anderen Sprachen als Deutsch zu veröffentlichen und deren Anliegen in Form von Wort und Schrift wiederzugeben. > WWW.LORA.CH <

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WELCOME TO

NEGATIVLAND MEDIEN-MÜLL ALS ROHSTOFF FÜR SOZIALEN

KOMMENTAR, BEISSENDE SATIRE, UND DIE AUS-

REIZUNG DER NISCHEN UND LÜCKEN DER URHEBERLEISTUNGSSCHUTZRECHTE IM ZEITALTER DER DIGITALEN WELT AM DRAHT.

Mit der Veröffentlichung von «No Business» feiern die Medienpranksters Negativland gleichzeitig auch 25 Jahre Demontage von Heiligtümern wie dem «American Dream», Gott und dessen Sohn, der bunten Medienwelt, Disneyland, und dem Amerika der Konzerne. Sie haben den Begriff «Culture Jamming» geprägt, sind Autoritäten auf den Gebieten «Intellectual Property» und samplingbezogenes Kopierrecht, und liefern Audio-Satiren ab, die des öfteren Grenzen überschreiten, nicht zuletzt die des guten Geschmacks, was ihre Arbeiten umso brisanter macht. Es hat kaum mehr etwas Befremdendes an sich, wenn Bilder von kriegerischen Auseinandersetzungen abgelöst werden von solchen, welche die Vorzüge eines Büstenhalters anpreisen, gefolgt von der Werbung für einen Ölkonzern. Es ist selbstverständlich, in einer Informationssendung einen Bericht zu sehen, dessen Inhalt in einer anderen Sendung auf dem nächsten Kanal völlig gegenteilig dargestellt wird. Es ist eine Normalität geworden, dass wir nicht wissen, was in der Welt wirklich geschieht, dass wir gefilterte Informationen verfüttert bekommen, über deren Tauglichkeit, verbreitet zu werden, wirtschaftliche und politische Interessen entscheiden. Es ist wahr, dass wir abhängig sind von künstlich fabrizierten Identifikationsmustern, getragen von Menschen, die beschlossen haben, ihre Existenz zu einer Projektionsfläche für unsere Ängste, Wünsche und Hoffnungen zu machen, ihr Privatleben der bunten weiten Welt der Medien zum Frass vorzuwerfen. Was ein Opfer.

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Ein Weg, dem Überfluss an Informationen zu begegnen, ist, den Fernseher zum Fenster rauszuschmeissen, den Kopf in den Sand zu stecken, sich allmählich von seiner Umwelt zu entfremden, oder sich zu organisieren. Eine andere Art des Umgangs ist es, aus der Fülle zu schöpfen, die Beliebigkeit, mit welcher einzelne Fakten nebeneinander auftauchen, aufzugreifen, um neue Verbindungen herzustellen, andere Bedeutungen aufzuzeigen. Der Medienwelt einen Spiegel vorzuhalten, diesen zu zerschmettern, die einzelnen Stück neu zusammenzusetzen, und ein ganz anderes Bild entstehen zu lassen. Solches praktizieren Negativland seit 1980, wobei sie sich auch schon an den scharfkantigen Splittern geschnitten haben. Negativland ist der Titel eines Stükkes der Krautrocker Neu!, von denen sich das Projekt auch gleich den Namen für das eigene Label Seeland geborgt hat. Das «Negativland» betitelte Debut erschien 1980, von den beiden Multiinstrumentalisten Mark Hosler und Richard Lyons mit einigen Kumpels im Wohnzimmer mit einem VierspurTonbandgerät aufgenommen, angeblich damit Hosler schon vor dem Highschool-Abschluss ein fertiges Werk präsentieren konnte. Jeder Tonträger hatte ein individuelles, handgemachtes Cover mit aus Illustrierten ausgeschnittenen Bildern, Tortenrezepten und skurrilen Meldungen. Zu hören sind Klänge, wie sie das Leben in Vororten prägen, Feldaufnahmen, zum Beispiel von einem Rockfestival, wobei im Vordergrund auf dem Grill brutzelnde Würste zu hören sind, das Stimmengewirr einer Menschenmenge, und irgendwo im Hintergrund die Rockband noch erahnbar, sich über ihren Alltag auslassende Hausfrauen, durchdrungen von musikalischen Parts, die diesen Wohnzimmer-Charme aufweisen, und natürlich von Aufnahmen aus den allgegenwärtigen Medien Radio und Fernsehen.

Im selben Jahr stürmten die Kumpels das Studio des lokalen Bay AreaSenders KPFA, wo der geistige Verwandte Don Joyce seit 1976 spätnachts die wöchentliche Sendung «Over The Edge» betreute, eines Nachts kurz nach Beginn der dreistündigen LiveAusstrahlung, und seit da ist Don Joyce neben Mark Hosler das einzige konstante Mitglied des losen Kollektivs. Für Joyce ist das Studio das Instrument, der Welt etwas von ihrem Irrsinn zurückzugeben, indem er wild aus den Massenmedien zusammengesamplete Schnipsel in einen neuen Kontext stellt, Audio-Collagen schafft mit obskuren Scherben aus Brockenhäusern, Fernseh-Evangelisten, erhitzt debattierenden Politikern, Werbung, Spielfilmen, live im Studio gespielter Musik, Telefonanrufen, einem Arsenal von Effekten, was immer gerade passt, oder eben nicht, so dass die vertraute Hohlheit der Medienwelt ihre absurdesten Aspekte offenbart, plötzlich befremdend wirkt, oder zum totlachen. «Over The Edge» oft als Test-Grund für zur Veröffentlichung vorgesehene Stücke benutzend, haben sie auch die besten Momente mancher der jeweils einem Thema folgenden Sendungen für auf ihrem Label herausgebrachte Tonträger editiert. Nach den Alben «Points» (1981) und «A Big 10-8 Place» (1983), in dem es um Grundstückhandel und den Bau von Einfamilienhäusern in den Vororten San Franciscos ging, holte sie ex-Black Flag-Gitarrist Greg Ginn auf sein SST-Label, und mit ihrem Album «Escape From Noise» (1987), auf welchem sie unter anderem einen Fernseh-Evangelisten ausrufen liessen: «Christianity is stupid! Communism is good!», konnten sie zum ersten Mal grössere Aufmerksamkeit verzeichnen. Es hätte gar eine Tour durch siebzehn Städte Amerikas stattfinden sollen, doch Negativland realisierten, dass sie weder Zeit noch Geld hatten, diese durchzuführen. Als dann noch irgendwo im Hinterland ein Teenager seine Eltern und Geschwister mit


einer Axt erschlug, setzten sie kurzentschlossen eine Presse-Erklärung in die Welt, sie könnten die Tour nicht durchführen, da sie unter Hausarrest gestellt worden seien, weil der Streit, auf Grund dessen der Sohn zur Axt gegriffen habe, über dem Stück «Christianity Is Stupid» ab ihrem Album entbrannt sei. Obschon gesagt werden muss, dass einige Medien beim FBI als zuständiger Behörde nachfragten, ob ein solcher Hausarrest ausgesprochen worden sei, und zur Antwort bekamen, der Einzige, der die Frage beantworten könne, über was in der Familie vor dem Mord gesprochen worden sei, schweige nur, stürzten sich erwartungsgemäss andere auf die Geschichte, die sich anbot, die ganze «Satanismus in der Rockmusik»-Suppe noch einmal aufzubrühen. Immerhin genug, dass Negativland mit der Aufmerksamkeit, die ihrer Meldung zu Teil wurde, mit älteren Auszügen aus der Debatte, und, wie es sich für sie gehört, mit Charles Manson-Interviews, und, natürlich, mit gelifteter Musik, die Hälfte ihres 1989-er Albums «Helter Stupid» bestreiten konnten, um ein höchst amüsantes und zugleich erschreckendes Dokument über die Manipulierbarkeit der Medien zu schaffen. Zwei Jahre später landeten sie dann ihren ultimativen Prank, als sie kurz vor dem lange erwarteten U2-Album «Achtung Baby!» eine 12”-Single mit dem Titel «U2» gross auf dem Cover unter einem U2-Aufklärungsflugzeug, ihren Namen klein unten in der Ecke, herausbrachten, worauf sie sich über den U2-Song «I Still Haven’t Found What I’m Looking For» von U2’s «Joshua Tree»-Album hermachten. Herzstück des Werks ist ein Off-Air Tape vom «American Top 40»-Host Kasey Kasem, in welchem er sich unter anderem zur irischen Band äussert: «These guys are from England, and who gives a shit?» — Den darauffolgenden Rechtsstreit, in dessen Verlauf das Label SST vom U2Label Island in den Boden gestampft wurde, haben sie ausführlich dokumentiert im 1995 erschienen Buch

«Fair Use: The Story of the Letter U and the Numeral 2», einem eigentlichen Handbuch zu Sampling-Rechten, natürlich begleitet von einer jeder legalen Anfechtung standhaltenden CD voller gelifteter Samples. Als viele glaubten, Negativland würde den Rechtsstreit mit dem Giganten Island nicht überleben, trennten sie sich, nicht ohne einen neuen Rechtsstreit, vom SST–Label, um sich wieder auf ihren Heimathafen Seeland zurückzuziehen, wo sie 1993 mit «Free» amerikanische Freiheitsbegriffe wie Waffenbesitz und Trunkenheit am Steuer aufs Korn nahmen. Nach einer Reihe von Veröffentlichungen aus den «Over The Edge»-Sendungen, darunter der «Sex Dirt» betitelten Folge, die mediale Hilfsmittel zur sexuellen Aufklärung amerikanischer Teenager unter die Lupe nahm, wagten sie 1997 den Coup, die Werbekultur für Softdrinks anhand der gesampleten, neu zusammengestückelten und persiflierten Geschichte von Pepsi Cola-Kampagnen auseinanderzunehmen, der Gesellschaft, der unter anderem Kentucky Fried Chicken, Taco Bell und Pizza Hut gehören, inklusive der unsäglichen Blindtests, «ist es Coca Cola oder ist es Pepsi?», und einem gerüttelten Mass eigener Singalong-Stücke wie: «I got fired by my boss – Pepsi, I nailed Jesus to the cross – Pepsi, children dying of disease – Pepsi, leading helpless teens astray – Pepsi. Everything still tastes the same …». Wider erwarten hatten sie sich jedoch vergeblich rechtlich abgesichert, auch eventuellen Klagen des Multis Pepsi begegnen zu können, denn aus deren Reihen verlautete zum Album bloss: «Nicht so ansprechend wie ‹Abbey Road›, aber es ist ganz lustig anzuhören». Das ganze Ausmass, wie weit die Werbeindustrie als Vertretung der Konzerne gegenüber der Öffentlichkeit bereit ist, Kritik zu assimilieren, in ihren Dienst zu stellen, kam im Gegenteil zu Tage, als Negativland kurz darauf angegangen wurden, einen Werbespot für

«Miller Beer» zu gestalten, was sie natürlich ablehnten. Nach der in Zusammenarbeit mit den englischen ex-Anarcho-Punkern Chumbawamba entstandenen EP «The ABCs of Anarchism» (1999) war es lange still um die Medienguerilla, wobei die auf ihrer Website www.negativland.com zur Verfügung stehenden Mitschnitte von «Over The Edge» ihre weitergehenden Aktivitäten dokumentieren, wie auch zu lesen ist, dass sie in die Produktion einer Parodie auf Mel Gibsons «Passion Of The Christ» involviert waren. Mit «No Business» zeigen sie nun, dass sie durchaus nicht gewillt sind, ihren Kampf für die Wiederverwertung von Zivilisationsschrott zur Herstellung von beissendem sozialem Kommentar aufzugeben. Ein ziemlich ernsthaftes Buch, das sich ein weiteres Mal in die Rechtssprechung rund um geistiges Eigentum in Zusammenhang mit der Verwendung von vorhandenem Material zur Schaffung von neuem vertieft, unter anderem den Punkt herausstreichend, dass die Kultur Amerikas wesentlich darauf beruht, Vorhandenes umzuschreiben und als Eigenes zu verkaufen, wird begleitet von einer CD, auf welcher sie ihre Frechheit in alter Frische beweisen: «Dieses Produkt enthält kein Negativland eigenes Material», steht zu lesen. In einer auf den Beatles-Song «Because» vom «Abbey Road»-Album basierenden Collage werden die Worte zu «Because old is new» umgeschnitten, Ethel Merman singt, statt «There’s no Business like Show Business», «There’s no Business like stealing…», ein fast zehnminütiges Kernstück der CD trägt den vielsagenden Titel «Downloading». Gleichzeitig mit der handwerklichen Geschicklichkeit ihrer vergnüglichen Plünderungsaktionen verblüffend, vermögen sie noch immer zu vermitteln: «Just do it yourself! It’s fun!» > SAW < SCHWERPUNKT megafon Nr. 287, September 2005

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> ROTE FABRIKZEITUNG «Appetizer» für den Kopf

Die Fabrik Zeitung offeriert würzigen, fundiert zubereiteten Polit-pop für Leute, die auch gerne mal selber kauen und verdauen. Kinderarbeit, Katastrophenberichte, NGOismus – aber auch Mode, Mobilität, Glauben und Religion… der Bandbreite redaktioneller Schwerpunktthemen in der Fabrik Zeitung sind kaum Grenzen gesetzt. Beinahe grenzenlos ist auch die Autonomie der Blattmacher. Während heutzutage ein Grossteil der Journalisten und Journalistinnen unter der Fuchtel der Anzeigen-, Buchhalter-, Marketing- und Imageabteilungen steht, geniessen die Produzenten der Fabrik Zeitung eine Schaffens- und Narrenfreiheit sondergleichen. Der volle Genuss dieser Freiheit schliesst Verantwortung mit ein: die Verantwortung, das Publikationsorgan der Interessensgemeinschaft Rote Fabrik nicht simplifiziert als Propagandainstrument für ein betoniertes Lagerdenken zu missbrauchen. Somit dürfen sich die Textinhalte der Monatszeitung nicht darauf beschränken, zu politisch Bekehrten zu predigen und sie in ihrer Haltung zu bestärken. Noch weniger wird die Absicht verfolgt, den Lesern und Leserinnen die Denk- und Meinungsbildungsprozesse abzunehmen. «Vernünftig ist, was rentiert» wird ignoriert. Die Fabrik Zeitung leistet sich den Luxus, die profitmanische Umformulierung der Aufklärungsmaxime zu missachten. Für unsere Journalisten und Journalistinnen gilt: Gesellschaftlich relevante Themen sollen auf überraschende und professionelle Art und Weise umzingelt, personalisiert und ins

öffentliche Bewusstsein gerückt werden. Hierbei steht nicht die Rentabilität der Zeitung, sondern ihr journalistischer Wert im Vordergrund. Wer ständig Qualitätsurteile über andere fällt, muss auch auf die eigene Qualität achten. Beachtung finden zudem die Interessen der Leser und Leserinnen. Bei der Themen- und Textselektion orientiert sich die Redaktion der Fabrik Zeitung an den Bedürfnissen der Leserschaft, sowie an herkömmlichen Nachrichtenfaktoren. Als Kriterien gelten beispielsweise die Bedeutsamkeit (kulturelle Nähe / Betroffenheit / Relevanz) und die Aktualität eines Geschehnisses. Auch so genannte Mainstream-Themen werden nicht per se ausgeschlossen. Indem die Fabrik Zeitung auch Themen aufgreift, die man in einem «linken und alternativen Blatt» so nicht erwartet, schafft sie Spannungsfelder; die inhaltliche Blattgestaltung bleibt für Schreiberlinge und Leserschaft interessant und unberechenbar. Natürlich kommt stellen- und zeitweise eine klare Haltung zum Ausdruck. So beispielsweise in der Kolumne von Ed Shepp, einem New Yorker, der die Bush-Regierung und den «american way of life» ohne Pardon in die Mangel nimmt. Aber die Fabrik Zeitung will die vom Publikum erwartete Präsentations- und Abhandlungsform mehrheitlich durchbrechen: Als im März 2003 zehntausende von Schülern und Erwachsenen in der Schweiz gegen den Beginn des Irakkriegs demonstrierten und an den Balkongeländern die regenbogenfarbigen Peace-Flaggen gehisst wurden, haben die Macher und Macherinnen der Zeitung auf erwartbare,

> WIDERSPRUCH Wenngleich im «Informationskapitalismus» potentiell alles Wissen zum Verwertungswissen, jede Information zur Ware wird (siehe Widerspruch Heft 45), kommt die Linke bei allen Vernetzungsvorhaben um die permanente Selbstverständigung, um fundierte Gegeninformation und politische Intervention nicht herum. Widerstandskultur heisst auch Streit um Alternativen. Seit 25 Jahren arbeitet das Zeitschriftenprojekt an einer linken Diskussionskultur mit Beiträgen aus den Linksparteien und Gewerkschaften, aus der Frauen-, Ökologie-, Friedens-, Drittwelt- und Antiglobalisierungsbewegung sowie aus dem Bereich der kritischen Sozialwissenschaft und Politischen Philosophie, Kulturund Medienpolitik. > WWW.WIDERSPRUCH.CH < SCHWERPUNKT

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ausformulierte Gedanken verzichtet und einen Auszug aus den Genfer Konventionen für sich sprechen lassen. In der darauffolgenden Augustausgabe erklärten wir die Erde zum Spielfeld und lieferten ein „weltpolitisches Schurkenquartett“. Die Karten zierten unter anderem die Gesichter des Bösewichts Usama bin Laden und dem damals unauffindbaren Saddam Hussein. Aber auch den Keyplayers, Peacemakers, Losers und der Shock’n’Awe wurde Rechnung getragen: Polit-pop eben, wie wir ihn mögen! In der ernsthaften Bemühung, die Leserschaft mit einer reflektierten, journalistisch fundierten und originellen Berichterstattung zu fordern und zu sensibilisieren, liegt die eigentliche Leistung der Fabrik Zeitung. Durch die starke Interaktion von Grafik und Text werden auch anspruchsvolle und komplexe Themen schmackhaft präsentiert. Das Kauen und Verdauen bleibt den Lesern und Leserinnen überlassen. Auf den vollen Genuss kommen folglich all diejenigen, welche sich auf Perspektivenwechsel einlassen und den Mut und die Lust haben, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Die Fabrik Zeitung sorgt für kritische Anregungen und versucht auch relevante Geschehnisse, wie beispielsweise den im November stattfindenden Weltgipfel der Informationsgesellschaft, vorausschauend zu thematisieren. Sie gibt aber nicht vor, nachher alles schon vorher gewusst zu haben oder die Dinge stets und unfehlbar zu Ende zu denken. > WWW.ROTEFABRIK.CH <


> RADIO RABE Kein Radio zum Glück. Wenn dir die Hits der letzen drei Jahrzehnte egal sind und du auf Werbung verzichten kannst, bist du bei RaBe auf der richtigen Frequenz. Auf 95,6 MegaHertz bietet das Radio eine Plattform abseits des Espace-mediaEinheitsbreis im Raum Bern. Bunt schillert das Programmspektrum des RaBen. Vor acht Uhr sagt dir niemand, welche Zeit gerade ist, auch fehlt die aktuelle Staudurchsage – denn «der morgen» beginnt bei RaBe eben erst um acht, und was sich im Strassenverkehr tut, interessiert hier nicht. Dafür bringt das «Info» jeweils mittags und abends eine Stunde Berichte zu Themen wie zum Beispiel Behindertenpolitik oder Migration, die in anderen Medien zu kurz kommen. Radio RaBe wendet sich nicht an ein breites Massenpublikum, sondern an Minderheiten und Menschen, die an anderen als in den meisten Medien thematisierten Inhalten interessiert sind. RaBe ist so vielfältig wie seine SendungmacherInnen, und bietet viel Platz für viel Engagement. So scheut sich der Sender auch nicht, wie zum Beispiel mit dem Radioballet während dem WEF letzten Januar, unorthodoxe Wege zu gehen. Bei aktuell 61 Sendungen ist es kein einfaches Unterfangen, allen Ansprüchen gerecht zu werden: die attraktiven Sendezeiten sind sehr begehrt, und natürlich

gibt es immer wieder Wechsel. Doch etwa zwei Drittel der Sendungen existieren schon seit Jahren. Kaum verwunderlich, dass Bestrebungen, Sendungen in thematisch ähnlichen Blöcken zusammenzufassen, sich schwierig gestalten. Nun, RaBe versteht sich ja auch nicht als Durchhörradio, das von morgens bis abends einfach laufen soll. Vielmehr zielt das Programm darauf ab, das gezielt eingeschaltet werden soll. Denn es ist nicht jedermanns Sache, sich eine Sendung auf tamilisch anzuhören. Doch mit den Sendungen in fremder Sprache – RaBe spricht deren 15 – werden Menschen erreicht, die in keinem anderen Medium als Zielpublikum angepeilt werden. Dies, und die Möglichkeit, eine Sendung in der eigenen Sprache zu produzieren, sind ein grosses Stück Integrationsarbeit, das sonst nirgends geleistet wird. Immer grösser wird das Einzugsgebiet des Senders: so werden zurzeit 230 000 Haushalte abgedeckt, laut einer Erhebung der SRG wird RaBe in der Region Bern täglich von 5 400 Personen eingeschaltet, und ist damit in der Stadt Bern bei den Lokalsendern hinter BE1 auf dem zweiten Platz, noch vor Extrabern. > WWW.RABE.CH <

> SCHANDFLECK (DÄNUS STATEMENT) den «schandfleck» gibts, weil gewisse dinge gesagt sein müssen. oder weil der vogel auch nichts anderes kann als zwitschern, wenn er die welt besingt. wie alles hat kommen können, wies kam, bleibt ein grosses geheimnis. ich hege den verdacht, im himmel werden sie mich auslachen und mich endlich von meinen scheuklappen befreien. doch vorläufig bilde ich mir ein, mich der aufdeckung der lügen und verschleierungen zu widmen und zu nähern, mit denen man uns zuputzt, abspeist, vollkotzt. das widerlichste dabei: die meisten saufen noch vom dreck, durch den man sie zieht. hinter postulierter objektivität, so mein befund, versteckt sich bloss die autorität, mit den segnungen des fortschritts tarnt sich die gier. wo das volk herrscht, erweist sich macht nicht nur als ein von oben nach unten packender griff, sondern mehr noch als ein nach allen richtungen strebendes, in die breite und tiefe expandierendes universum im kleinen. dieser klage

bin ich verhaftet, wie auch immer und worüber ich auch schreibe, satirisch oder empört, literarisch oder agitatorisch. die inhalte bewirken bestimmt nichts, die form, die anklage und der protest mögen vielleicht jemanden bestärken oder grüssen, der eh auf derselben welle schwimmt. die allermeisten, die sich unversehens auf unserer page wiederfinden, zucken die schultern oder ärgern sich oder verstehen nur bahnhof. meine allergie gegen den allgemeinen und verdummenden gebrauch der sprache ist dermassen fortgeschritten, dass ich weder inhaltliche noch beckmesserisch-rechtschreiberische eingriffe in meine schreibe dulde, was nicht ein grund, aber eine freude ist, für den «schandfleck» zu schreiben: niemand pfuscht mir ins handwerk, und sollte ich einmal zusehr spinnen oder stümpern, wird mich mein kumpel elmar schon zurechtstutzen. das hat er auch schon getan, aber nur einmal bislang, und mit erfolg. er ist über-

haupt krass gut drauf. was ich gerade auch sagen wollte: wenn ihr mit irgendwas in diesem text nicht leben könnt, sucht das gespräch mit mir oder publiziert ihn einfach nicht. ich habs noch nicht einmal erlebt, dass ein text von einer andern zeitung tatsächlich so übernommen wurde, wie ich ihn geschrieben. einem komponisten korrigiert auch kein mensch eine note und verwässert die tonart damit. ja also, vielen dank auch, und sonst bin ich trotz allem ein mensch, der gerne lacht, nicht zuletzt deshalb, weil ich lachen für eine befreiende form des gewaltlosen widerstandes halte. > DÄNU COSTANTINO <

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«KNAPP DANEBEN»

UM EINE ECKE MUSST DU DENKEN KÖNNEN EIN GESPRÄCH MIT PASCAL CLAUDE, DEM MACHER

VON «KNAPP DANEBEN». EIN UNABHÄNGIGES FUSSBALLFANZINE, DAS LEIDER AUFGEHÖRT HAT, ZU EXISTIEREN. «KNAPP DANEBEN» BESCHÄFTIGTE

dann mit einer hohen Kadenz gleich weiter bis zur Nummer 6. Zwei bis drei SICH MIT DEN EHER ABSEITIGEN ASPEKTEN DES im Jahr, was viel ist, eigentlich zu viel FUSSBALLSPORTS UND BILDETE SO EIN FORUM FÜR für so was. DIE ETWAS ANDERE BETRACHTUNG EINES PHÄNO-

MENS, DAS MITTLERWEILE ZU EINEM HAUPTMYTHOS Und die hast du dann vor allem in DER GESELLSCHAFT GEWORDEN IST.

megafon: Wie fing das an, mit dem «knapp daneben»?

Pascal: Ich war in den 1980ern in der Hardcore-Punk-Szene und las dadurch immer viele Punkfanzines. Mitte der 1990er gab es dann in den Punkheften immer mehr Fussballthemen und in den Fussballheften wurden immer mehr Platten besprochen. So bin ich als Fussballinteressierter in diese Fanzineszene gekommen.

FCZ-Kreisen

verkauft.

Nein, eigentlich gar nicht. Ich war damals dem FCZ noch nicht so nah. Ich bin eigentlich kein genuiner FCZ-Fan. Sondern?

Bis etwa 20 habe ich immer Basel und St. Gallen gut gefunden. Ich bin in Nidwalden aufgewachsen, Mutter aus Basel, Vater aus St. Gallen. Und dann ging ich regelmässig Luzern schauen, weil das das nächste war. Aber der FCB war damals natürlich eine grosse Mannschaft. Und dann ging ich bis etwa Mitte der 90er Jahre wirklich viel zum FC Basel. Auch in der Nati B, auswärts Und dann hast du selber und alles. Basel war damals eine mühangefangen? same Kurve. Extrem viele Rechte und Ich bin zuerst nur als Leser dazuge- Primitive. kommen. Ich abonnierte das legendäre «When Saturday Comes» und begann Ich kann mich erinnern. dann auch die deutschen zu lesen, den Wer sich heute über die Basler aufregt, Millerntorroar von St. Pauli. Hier gab es hat keine Ahnung wie es damals war. so was nicht. Damals fing es ja auch Da hat sich wirklich viel verändert. Dagerade erst an damit, dass auch alter- mals dachte ich dann irgendwann mal, native Menschen Fussball offiziell gut was tue ich mir da eigentlich an. In Bafinden dürfen. All die, die heute sagen, den war das damals, Abstiegsrunde. Es sie seien schon seit den 1970er Jahren war nur noch primitiv, einfach Scheisdabei, habe ich nie gesehen Anfang der se. Ich bin kein Züri-Fan, aber in den 1990er. Also, es war klar, dass es in der Letzigrund kann ich mit dem Velo fahSchweiz sicher kein Fanzine gibt, wie ren und einfach im Stadion sein, das ist ich es mir wünschen würde. Darum mir wichtig. Ich habe meinen Stehplatz machte ich selber eins. Und dann gab und es hat einigermassen okaye Leute es diese glückliche Fügung, dass einer um mich rum. sagte, ja, ich mache die Grafik und ein anderer, der Drucker war, sagte, ich Du hast immer geschrieben, «knapp drucks dir, du musst nur das Papier daneben» sei ein CH-Fanzine. Nazahlen. türlich gab es diesen Zürich FoDas war motivierend. Und dann fing kus, aber eigentlich hatte es imich 1997 einfach mal an, mit einem mer eine nationale Perspektive. ganz dünnen, ich glaube, 300 Stück und Also, national ist eines dieser wenigen Wörter, die ich immer versuchte, rauszuredigieren, auch wenn ich fast nichts redigierte. Auch mit dem CH auf dem SCHWERPUNKT Cover war ich nie richtig glücklich. Aber megafon Nr. 287, September 2005 18 mich interessiert der Schweizer Fuss-

ball halt am meisten. Ich weiss auch am meisten darüber. Es gibt gute Geschichten. Und lustige Figuren. Das finde ich relevant. Ja, das «knapp daneben» hatte in Bezug auf das Nationale immer eine Liebhaberattitüde, nie etwas chauvinistisches. Und es erzählte auch immer etwas über die Schweiz, etwas, das über den Fussball hinausging. Du hast immer wieder Fanverhalten besprochen, Gesänge zum Beispiel, wie sich die Leute aufführen. Das zeigte auch immer wie es eigentlich steht in diesem Land, welches politische Klima sich beobachten lässt.

Ja.

Die Trägerschaft, das warst du.

Ja. Am Anfang waren wir zu dritt. Es gibt einen Beitrag vom Zebra, diesem alten Fernsehmagazin – denen ist damals ein Beitrag ausgefallen und dann sind sie zu uns gekommen – da sind wir noch zu dritt drauf. Später warst du allein. Aber du hattest ein Netzwerk von Leuten, die geschrieben haben.

Ja, insgesamt etwa 15, pro Ausgabe vielleicht sechs, die etwas machten. Ich hatte eine Illustratorin. Sonst leider vor allem Schreiber. Ja, wie war da das Verhältnis?

Es war schwierig, Frauen zu finden. Ich habe mich bemüht. Es gab auf Texte zu Fussball und Gender schon Reaktionen, gerade aus Bern. Es war wohl die Überraschung, dass aus einem Fussballkontext so etwas auftaucht. Aber sonst war das Geschlechterverhältnis fussballtypisch. Wenn Frauen, dann haben sie gezeichnet. Dann hattest du die Unterstützung von Grafik und Druck.

Ja, bis zur Nummer 7. Dann ist derGrafiker nach Australien gegangen und der Drucker wollte nicht mehr als Drucker


arbeiten. Ich musste in einer Druckerei drucken lassen, was die Kosten massiv steigerte. Früher habe ich gern mal ein Heft verschenkt wenn einer fand, drei Franken sei zu teuer. Rausgekommen bin ich immer, ich hatte ja nur 300, 400 Franken Kosten. Und dann waren es plötzlich 1200, 1300 Franken. Ich wollte dem Grafiker auch etwas zahlen und da habe ich mit Inseraten angefangen und sonst musste ich einfach Gutzi geben und verkaufen.

Ja. Weisst du, es ist nicht tragisch. Aber ich hätte eine Tausender Auflage machen können. Wenn dieses Netzwerk ein bisschen über Zürich hinausgegangen wäre.

Was hattest du für Vertriebswege?

Haben die Vereine reagiert?

Ich hatte ungefähr 150 Abonnenten. Etwa 30 tauschte ich mit anderen Fanzines oder verschickte sie an Zeitungen. 250 gingen in die Läden. Ich hatte etwa 20 Verkaufsstellen. Vor allem in Zürich leider. Es war sehr schwierig in Bern, Basel, Luzern irgendeinen Ort zu finden, wo dann auch jemand die Sache pusht. Das ist bei einem Fanzine einfach wichtig. In Bern haben die Leute von «gemeinsam gegen Rassismus» immer gut mitgezogen. Die Halbzeit.

Ja. Aber im Allgemeinen war das immer eine Ernüchterung. Eigentlich die einzige. Ich habe das einfach aus dieser Punkszene mitgenommen, wenn jemand so etwas macht, dass man ihn unterstützt und vielleicht sagt, komm ich nehme zehn oder zwanzig und verkaufe sie meinen Freunden. Aber dann gab’s diese grossen Buchhandlungen, die mal fünf nahmen und dann noch zwei zurückgaben und vier Franken abrechneten. Dann lieber nicht. Ich muss mit dem Velo ja auch hin fahren. Das heisst, du hättest auf andere Strukturen hoffen müssen, als die üblichen kommerziellen. Guter Wille und Solidarität zum Beispiel.

Gab es denn trotzdem eine Öffentlichkeit? Hast du Reaktionen bemerkt?

Ja, das habe ich schon gemerkt, vor allem wenn einzelne Texte den Weg ins Netz fanden.

Nein. Nie. Ausser Ilja Kaenzig, als er noch bei GC Sportchef war – die Nummer 1 hatte in der NZZ ein kleines Kästchen, das hat ein Literaturdozent an der Uni geschrieben, bei dem war ich im Proseminar und der ist da mit einem AS Roma Leibchen erschienen, mit dem habe ich schnell mal zu reden begonnen und der schreibt jetzt für den NZZ Sport – worauf Kaenzig ein Abo bestellte. Er hat’s aber nie bezahlt. Was es zum Teil gab und das fand ich geil, waren so totale Provinzclubs, eine Viertliga-Mannschaft im Luzerner Hinterland, wo irgendeiner über Umwege zu einem Heft kam und die Leute kopierten dann jede Ausgabe auf A3 hoch, hängten sie im Vereinsheim auf und lachten sich den Ranzen voll darüber. Oder ein 80-jähriger Rentner aus dem Rheintal, der mir immer seitenlange Briefe schrieb vom FC St. Margrethen, super. Mit dem habe ich jetzt so richtig Kontakt und er hat mir sogar eine 50er-Note geschickt, als meine Tochter zur Welt kam. Solche Sachen sind schön, das ist rührend.

Kennst du Andy Egli?

Ja, dem habe ich mal mein Velo ausgeliehen. Vor einem Match wollte er noch schnell in den Utogrund, ins Stadion vom YF Juventus rüber, das ist ja gerade neben dem Letzi, da habe ich gesagt, du kannst meins nehmen. Das wäre vielleicht noch einer gewesen. Der erste Schritt war ja eigentlich, im alternativen Rahmen etwas zu tun, was nicht opportun war: Fussball gut zu finden. Und der zweite Schritt war dann, von links ins Fussballmilieu rein zu kommen.

Ja, am Anfang blieb die Sache in einem Kreis, in dem du niemanden extrem erschreckt hast damit. Aber das «knapp daneben» hatte nie ein Problem mit der credibility. Wir mussten nie vor dem Vorwurf Angst haben, dass wir irgend auf einen Zug aufspringen, wie all diese Trendmagazine jetzt. Es war immer klar: «knapp daneben» kommt erstens von unten und zweitens wissen die, von was sie reden. Dazu kommt, dass die Anliegen, die mir wichtig sind – jetzt mal abgesehen von einer Homophobie-, Rassismus- oder Sexismusdiskussion – und was ich schwierig finde am bezahlten Fussball, sich fast zu 100 Prozent mit Anliegen aktiver Fans in der Kurve überschneidet. Es spielt keine Rolle, ob die rechts oder links sind. Ich glaube, den Verlust nehmen sie fast gleich war. Und dadurch wurde das «knapp daneben» in aktiven Fankreisen immer gelesen. >

Und die Spieler?

Nichts, ausser Röbi Huber, der ja selber schrieb. Ich schickte es einigen Spielern, von denen ich glaubte, sie hätten ein bisschen mehr auf dem Kasten. Aber ich habe mich getäuscht.

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Dafür ist «knapp daneben» aber viel zu wenig Sprachrohr geworden.

Das stimmt. Dafür hättest du eine höhere Verbindlichkeit haben müssen, Regelmässigkeit. Bei dieser Arbeitsweise war das nicht möglich. Glaubst du, das hat auch mit der Technik zu tun? Mitte der 1990er Jahre wurden Fanzines ja überholt vom Internet: Foren und Tagebücher, Blogs.

Ja, es gab diese grosse Zeit des Internets. Aber das war sehr kurz. Ich merke, dass der Print wieder aktuell ist. Das Netz ersetzt ihn nicht. Ich glaube, das Fanzine-Sterben hat nur indirekt mit dem Internet zu tun, mehr mit persönlichen Geschichten. Den Leuten geht irgendwann der Schnauf aus oder ihre Lebenssituation ändert sich, wie jetzt bei mir, und dann übernimmt es halt niemand. Ich hätte den Titel ja auch frei gegeben. Aber wenn ich dann den Arbeitsaufwand skizzierte, sind immer alle erschrocken. Das ist typisch für so ein Punk-Heft. Es ist mehr als man denkt. Fiel es dir nie schwer zu schreiben, Texte zu finden?

Nein, Ideen fehlten mir nie und die Texte von den Mitarbeitern hatten auch immer Vorzug. Ich habe immer noch einen ganzen Ordner mit Ideendateien. Ein Titel und ein leeres Blatt. Und bei der Themenfindung? Hast du mehr auf Sachen reagiert oder dir Themen vorgenommen?

Teilweise schon. Was ich immer machte, waren die Reiseberichte. Wenn ich irgendwo war, war klar, dass ich darüber schreiben werde. Es gab schon so Sachen, zum Beispiel auch diesen Ho-

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mophobietext («knapp daneben» Nr. 13), das hatte ich schon lange, lange vor. Klar, das ist auch eine Reaktion auf einen Missstand, der herrschte. Aber es wurde eigentlich erst richtig aktuell, seit Rassismus kein so vordergründiges Problem mehr ist. Da konnte man dann mal einen Schritt weiter gehen. Das war schon programmatisch. Du hast auch nie Themenhefte gemacht.

Nein. diesen Aufwand scheute ich. Ich fand das auch nie so reizvoll. Mir gefiel dieser chaotische Mix immer gut. Was für den Charakter eines Fanzines halt schon entscheidend ist, ist die Grösse des Teams. Natürlich ermöglicht eine Redaktion viel, aber die Demokratisierung an so einer Redaktionssitzung wirkt sich oft lähmend aus, beschneidend. Da wird ganz breit diskutiert und am Schluss ist zwar irgend ein Konsens da, aber vom ursprünglich explosiven Gedanken eines Artikels bleibt wenig. Das war bei diesem Einmannprodukt «knapp daneben» schon anders. Bei den Fremdtexten korrigierte ich die Rechtschreibefehler, redigierte aber nichts. Ich lehnte einen Text entweder ab, weil er mir zu langweilig war, oder übernahm ihn tel quel. Auch um die Mischung kümmerte ich mich nie. Es wirkte zwar chaotisch, dafür aber auch ein bisschen spritziger, skurriler und trug der Nische mehr Rechnung so. Du hast nie gewusst, was jetzt kommt. Einmal gut scheissen gehen und dann hast du’s gelesen. Das war eine häufige Reaktion. Eine gute WC-Lektüre. War das dein Anspruch, eine WC–Lektüre zu sein?

Ja. Das finde ich überhaupt keine pejorative Bemerkung. Ich lese auch sehr gerne beim Scheissen. Unterhaltsam zu sein war wahrscheinlich das Wichtigste für mich. Und kritisch. Aber unterhaltsam und danach kritisch.

Das scheinen für dich nicht Sachen zu sein, die sich entgegenstehen?

Nein, überhaupt nicht. Nimm die Reiseberichte zum Bespiel, da war auch immer eine Haltung dahinter, wie ich gut finde zu reisen zum Beispiel, wie ich die Welt sehe – gut, das war natürlich auch immer narzisstisch. Ich schreibe einfach mein Reisetagebuch und druck’s nachher. Aber es stimmt schon. Das sind politische Entscheidungen, was du gut findest und was nicht. Das gilt auch für den Humor. Was man lustig findet, ist eine politische Entscheidung.

Ja. Andererseits gab’s auch Ablehnung. Da hältst du’s den Leuten unter die Nase und sie finden keine einzige Tabelle drin und kein einziges Telegramm, wenig Photos, keine Farben – Nä-ä. Ich glaube, um eine Ecke musst du denken können, damit du das «knapp daneben» gut findest. Nicht um extrem viel mehr. Aber mindestens um eine. Unter Umständen hätte es geholfen, wenn du gegen jemanden hättest Position beziehen können.

Ja, vielleicht. Aber das war nicht in meinem Interesse. Es war vom ersten Moment an klar, was ich Scheisse finde. Ich habe auch regelmässig gegen das angeschrieben. Aber mit diesem Heftchen, mit einer 600er Auflage gegen zum Beispiel den Fussballverband zu schiessen, ich meine, das ist lächerlich. Die lesen das sowieso nicht und wenn, würden sie’s nicht ernst nehmen. > DER MANN MIT DEM PUCH <


> VORWÄRTS Vorwärts – mit den Auseinandersetzungen

Linke Gegenöffentlichkeit in einer Schweizerischen Medienlandschaft, die geprägt ist durch bürgerliche Medienerzeugnisse, die von grossen Konzernen abhängig sind: ein schwierig umzusetzender Anspruch – sowieso, wenn keine progressive Bewegung existiert, die politisch interventionsfähig ist. Der Werdegang der sozialdemokratischen Zeitungen, aber auch der WOZ, zeigt, dass linke Medien stets ein Randgruppendasein fristen und um ihre Existenz kämpfen müssen. Nicht anders ergeht es dem Vorwärts: Der ArbeiterInnenbewegung entstammend und nach dem Zweiten Weltkrieg als Deutschschweizer Zeitung der Partei der Arbeit (PdA) neu gegründet, versucht der Vorwärts Zeit seiner Existenz, Teil einer linken Gegenöffentlichkeit zu sein. Dabei unterliegt er einem steten Wandel. 1991 stand in dem von der Redaktion formulierten Leitbild: «Der Vorwärts ist eine sozialistische Zeitung. Die Bewegung für den Sozialismus setzt sich zum Ziel, den Kapitalismus zu überwinden und eine solidarische Gesellschaft frei von Ausbeutung aufzubauen (…). Der Vorwärts soll eine Zeitung all jener Menschen werden, die sich in der Bewegung für den Sozialismus engagieren.» Als Redaktion wollen wir heute eine Zeitung gestalten, die sich für die Auseinandersetzungen in der gesamten antikapitalistischen und widerständigen Linken öffnet. Das drückt sich in einem neu formulierten Selbstverständnis aus: «Der Vorwärts ist die sozialistische Wochenzeitung der Deutschschweiz. Er unterstützt den Einigungs- und Sammlungsprozess der antikapitalistischen Linken. Dieser (…) zielt auf eine Kohärenz und eine Einheit in der Vielfalt.» Diese neue offenere Ausrichtung des Vorwärts ist auch in der gegenüber früher veränderten Zusammensetzung des Redaktionskollektivs sichtbar: Vier der aktuell fünf Mitglieder kommen aus dem weit gefassten autonomen Spektrum. Notwendige Interventionsfähigkeit

Wir sind überzeugt, dass eine interventionsfähige Linke in der Schweiz nötig ist. Was es braucht, damit diese entsteht, sind gemeinsame Diskussionen und Kämpfe. Damit sind auch die Gründe benannt, wieso wir den Vor-

wärts machen. Wir wollen – wie im Leitbild formuliert – zur Herausbildung einer linken interventionsfähigen Einheit in der Vielfalt beitragen. Deshalb sind wir auch daran, den Vorwärts zu überarbeiten, um die Voraussetzungen für eine Zeitung der Auseinandersetzung und Diskussion zu schaffen. Die für uns relevanten Themen sind dabei ziemlich nahe liegend – auch wenn es oft schwierig ist, Prioritäten zu erkennen und Gewichtungen vorzunehmen. Es sind das die Entwicklungen in der Wirtschaft, bei den sozialen Sicherungssystemen, bei der Lebenssituation der Menschen und im Asyl- und Ausländerrecht. Es sind dies die sozialen Bewegungen, sei es die globalisierungskritische Bewegung, die antirassistischen Gruppen, der Frauenkampf oder die Gewerkschaften. Es ist dies der verstärkte Autoritarismus und die Repression, der Rechtsrutsch im gesellschaftlichen Diskurs, einhergehend mit der Umsetzung des Neoliberalismus. Wir haben als Anspruch, diese Realitäten aus der Sicht der Betroffenen zu erhellen und Interventionsmöglichkeiten für eine widerständige Linke herauszuarbeiten. Das ist immer anstrengend und immer lehrreich – zumindest geht es mir so, der ich ohne spezifische journalistische Vorkenntnisse beim Vorwärts angefangen habe. Anstrengend deshalb, weil in diesem Aktivistenjob oft Frust entsteht, da das Gefühl aufkommt, ein Thema nicht genügend gut bearbeiten zu können, um sich darin sattelfest zu fühlen. Frust kommt auch hoch, weil ich im nachhinein, nachdem der Artikel publiziert worden ist, oft feststellen muss, was ich alles hätte besser machen können. Schreiben im Vorwärts ist ein stetiger Lernprozess. Was wir mit dem Vorwärts bewirken? Schwer zu sagen. Vorerst wollen wir in der nächsten Zukunft erreichen, dass der Vorwärts als Zeitung mit für die widerständige Linke relevanten Diskussionen angenommen wird – und eine gegenseitig fruchtbare Beziehung mit dieser Linken eintreten. Viel ist aber auch erreicht, wenn der Vorwärts dabei hilft, kritisches Bewusstsein zu bewahren und nicht bürgerlich-sozialdemokratischen Dogmen zu verfallen. > WWW.VORWAERTS.CH <

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ALTERNATIVE ZUM SELBERMACHEN

BILDET BILDUNG?! – PROJEKT DENK:MAL Der Logik «Wille» entspringt jede Suche nach einer Alternative aus der Kritik am Existierenden. So auch die Unsere. Das Existierende ist in unserem Fall die Art, wie im kapitalistisch-demokratischen System Menschen «ausgebildet» werden. Die Kritik an diesem Vorgang reicht vom Wort ausbilden (was bereits die Macht der AusbildnerInnen über die Auszubildenden impliziert) bis zum gerade vorherrschenden neoliberalen Verständnis von Bildung. Es würde also den Rahmen hier sprengen. Ein Alternative könnte das Projekt denk:mal darstellen. Es ist die Idee einer Plattform, die autonomes Lernen bzw. gemeinsames Erarbeiten und Tauschen von Fähigkeiten möglich machen soll. Im Folgenden stellen wir dieses Projekt und dessen InitiantInnen kurz vor und versuchen, die Verbindung zum Thema Gegenöffentlichkeit aufzuzeigen. Zum Schluss noch eine kleine Zusammenfassung vom Stand der Dinge.

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MEHR ALS NUR UNABHÄNGIG VON STAAT UND PRIVATWIRTSCHAFT denk:mal ist das Projekt einer autonomen Schule. Autonom bezieht sich in diesem Fall nicht nur auf die Unabhängigkeit 1 von Staat und Privatwirtschaft sondern meint auch unabhängig von irgend einer selbsternannten Schulleitung. Die Regeln, Ziele und Methoden werden von den BenützerInnen festgelegt und kontrolliert. Eine Lesegruppe wird stattfinden, wenn sich Leute zusammentun, um diese durchzuführen. Das gleiche gilt für einen Schreinerworkshop oder einen Theaterkurs. denk:mal ist nur das Gefäss, das diesen «kollektiven Interaktionen» Raum bietet. Gleichzeitig unterstützt denk:mal aufgrund seiner zentralisierenden Art, das Zusammentreffen von Menschen. Dies sollte das durchführen von Veranstaltungen vereinfachen. denk:mal soll keine graue «Lernfabrik» werden. Das Erlernen (egal welcher Fähigkeiten) soll in angenehmer und menschennaher Atmosphäre geschehen. (Sub-)kulturelle Veranstaltungen sind deswegen wichtiger Bestandteil des denk:mal. Auch hier gilt, alle BesucherInnen haben die Möglichkeit, Anlässe zu organisieren.

KEINE MIGROS-KLUBSCHULE FÜR ARME! Klar ist, für eine Teilnahme an einem Projekt innerhalb des denk:mal sind keine Vorkenntnisse nötig. Gebühren gibt es nicht und bei kulturellen Anlässen wird hoffentlich eine Kollekte genügen. Auch solch mysteriöse Zertifikate wie ein Maturzeugnis interessieren uns nicht. Trotzdem, denk:mal soll mehr sein als eine gratis Migros-Klubschule. Es soll mit neuen Organisations- und Lernformen experimentiert werden, fernab vom hierarchischen Lehrer – Schüler Modell, abseits des Verwertungsdruckes und kollektiv statt konkurrenzierend.

WER SO OFFEN IST, KANN NICHT GANZ DICHT SEIN? denk:mal ist ein offenes und öffentliches Projekt. Alle interessierten Menschen sollen daran teilhaben und mitwirken können. Voraussetzung ist die Bereitschaft in basisdemokratischen Strukturen mitzuwirken. Auch müssen minimale Grundsätze wie kein Rassismus, kein Sexismus und keine Homophobie befürwortet und aktiv zu deren Einhaltung beigetragen werden. Unsere Offenheit hat dort ihre Grenze, wo wir den emanzipatorischen Charakter dieses Projekts gefährdet sehen. Dazu gehört auch eine basisdemokrati-


sche Organisationsstruktur. Sie ist zwar vielleicht nicht so effizient wie solche mit stärkeren, da strukturellen Hierarchien, jedoch ist sie die einzige Form, die bei den BenützerInnen eine notwendige Identifikation mit dem Projekt ermöglicht.

KAPITALISTISCHE HEGEMONIE ANKRATZEN Eine Organisationsform die sich radikal von den herkömmlich-hierarchischen unterscheidet, ist sehr wichtig für das Projekt. Denn Hauptziel des denk:mal ist es, eine andere Realität darzustellen. Viele Menschen können sich keine Alternativen jenseits des «realisierbaren» ausdenken. Das Realisierbare ist oftmals das Existierende. Durch die Vorherrschaft neoliberaler Ideen und Methoden suchen die Menschen Lösungen innerhalb der kapitalistischen Logik. Die herrschenden Klassen haben erreicht, dass ihre subjektiven Interessen als objektives Allgemeininteresse wahrgenommen werden.2 Als passendes Beispiel wäre da das Wirtschaftwachstum zu nennen. Mittlerweile wird von breiten Kreisen der Bevölkerung angenommen, dass Wirtschaftswachstum die Bedingung für alle Glückseligkeit bedeutet. Jedoch profitiert nur ein kleiner Teil davon. So richtig schön absurd kommt es zur Geltung wenn Grossbanken wie die Deutsche Bank oder letztes Jahr die UBS, am gleichen Tag Rekordgewinne und Umsatzsteigerungen, aber auch die Streichung von mehreren tausend Arbeitsstellen bekannt geben.3

GEGENÖFFENTLICHKEIT DARSTELLEN STATT BETREIBEN Durch den Aufbau funktionierender Alternativen kann diese hegemoniale Position des Kapitalismus ein bisschen angekratzt werden. Alternativen werden greifbar und das Herrschende scheint nicht mehr gottgegeben. denk:mal soll darum nicht Gegen-

öffentlichkeit im Sinne von der Verbreitung von Gegeninformation betreiben, sondern denk:mal soll Gegenöffentlichkeit sein. Die Existenz (und das Funktionieren) dieses Projekts wäre die zentralste Information welche die Menschen erreichen soll. Was aber nicht heissen soll, dass wir Gegeninformation keine Bedeutung schenken wollen. Es ist uns ein Anliegen, dass sich die Menschen im denk:mal kritisch mit den herrschenden Strukturen auseinandersetzen. Dazu gehört auch das Erarbeiten und das Weitergeben der Informationen die nötig sind, um die Welt kritisch zu betrachten. Dabei ist uns jedoch bewusst, dass wir auch Teil der herrschenden Realität sind und dass wir unserem Ziel, eine andere Realität darzustellen, sicher nur teilweise gerecht werden können. So ist auch der radikal autonome Weg schwierig und anstrengend. Zum Beispiel wird denk:mal immer vom Goodwill der Stadt abhängig sein. Denn diese hat, solange wir uns keine Miete leisten können, jederzeit die Möglichkeit, uns aus einem Haus rauszuschmeissen. Das führt zwangsläufig zu Konzessionen. Trotzdem, das Ziel bleibt.

PETITION ALS AUSFALLSCHRITT Die Idee einer alternativen Bildungsinstitution geistert schon lange in unseren Köpfen rum. Den Mut, die Idee zu einem Projekt zu konkretisieren, gab uns aber schliesslich die Offene Uni Berlins 4. Das ist ein ähnliches Projekt und besteht schon seit über einem Jahr. Bei einem Besuch der «OUBS» konnten wir uns auch von deren Funktionieren überzeugen. Seither sind wir an den Vorbereitungen für eine Realisierung in Bern. Die grösste Aufmerksamkeit gilt jetzt dem Erkämpfen von geeigneten Räumlichkeiten und dem Propagieren des denk:mal.

Der erste Schritt war die Petition «von Lernenden für Lernende», in der wir passende Räumlichkeiten fürs denk:mal forderten. Diese wurde von über 1200 meist SchülerInnen aus dem Kanton Bern unterschrieben. Die Chancen schätzten wir als ziemlich klein ein. Die Absage kam dann auch prompt. Mario Annoni 5 schrieb uns, dass man in Bern so etwas wie eine autonome Schule nicht kenne. Und anscheinend auch nicht kennenlernen will. Mit dem hatten wir, wie gesagt, gerechnet. Für uns war die Petition dennoch von Nutzen, konnten wir so unsere Idee nach Aussen tragen und weitere Menschen vom denk:mal begeistern, und uns auch mit deren Kritik auseinandersetzen. Der nächste Schritt im Kampf um ein Haus war die Besetzung vom ehemaligen Durchgangszentrum für Asylbewerber an der Bolligenstrasse. Leider war es bisher nicht möglich, einen Zwischennutzungsvertrag auszuhandeln. Der Mieter, das Rote Kreuz konnte uns aus «prinzipiellen Gründen» nicht tolerieren. So wurden wir am nächsten Morgen gegangen. Dennoch besteht immer noch ein wenig Hoffnung. Regula Ritz6 hat uns ihre Unterstützung versprochen. Auch stehen wir im Kontakt mit den Stadtbauten Bern, dem Eigentümer der Liegenschaft an der Bolligenstrasse. Und das ist hoffentlich noch nicht das Ende der Geschichte… > GRUPPE DENK:MAL <

mehr Infos: www.denk-mal.info 1 Eine gewisse Abhän-

gigkeit bleibt natürlich immer, jedoch können sie (Staat und Privatwirtschaft) bei unserem Projekt nicht mitreden (offiziell ausgeladen). 2 siehe auch Antonio Gramsci, Gefängnishefte Band 1-10. 3 Die Deutsche Bank gab vor kurzem bekannt, dass sie im Jahr 2004 einen Gewinn von 4,1 Milliarden Euro verzeichnet hat und in diesem Jahr ca. 6400 Stellen abbauen will. 4 www.offeneuni.tk 5 Regierungsrat (Erziehungsdirektor des Kanton Bern), FDP. 6 Gemeinderätin,

Grünes Bündnis.

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MEHR ALS HOLZHÜTTEN UND PARTY

ZÜRICH-SHANTYTOWN «UNGLAUBLICH DIESE EFFIZIENZ, WO SIE JA

EIGENTLICH CHAOTEN SIND!», «SCHAU MAL ALLES SO BILLIG, ES IST EBEN DOCH MÖGLICH!» –

FREITAG. 29. JULI, KURZ NACH VIER UHR: DAS SONST EHER RUHIGE UND MENSCHENLEERE SIHL-

UFER UNTER DER BÖRSE WIRD VON ERSTAUNLICHER AKTIVITÄT HEIMGESUCHT.

An die hundert Menschen tragen Holz, Werkzeug und andere Baumaterialien heran und beginnen sofort mit dem Bau von diversen Konstrukten, «Shantytown» (engl. für Slum, Barackensiedlung) entsteht! Nach kurzer Zeit stehen schon die ersten Hütten, mitten in der Sihl wird der Shantytower aufgerichtet und der Kirchturm wird immer höher. Neben diversen Bars, einer Konzertbühne und einem Pizzaofen gibts auch eine Queer-Love-Zone, mit dem wohl schönsten Bett im ganzen «Shantytown», und einen Hühnerstall mit ein paar leidenden Hühnern. Im Infozelt zeichnet und tippt die Redaktion der Shantypress emsig an der ersten Ausgabe. Daneben quetscht sich der Souvenirshop, sprich Siebdruckerei, dessen Shantydruck auch unter der Zürcher Schickeria der Renner ist. Trauben von Leuten drängeln sich panisch, als kämen sie zu kurz, um den kleinen Tisch und quasseln auf die Druckenden ein. Das ganze Treiben am Flussufer bleibt unter ständiger Beobachtung durch schaulustige und interessierte PassantInnen. Die Emotionen reichen von Ekel und Unverständnis über Erstaunen bis zu wahrer Begeisterung.

INNENLAND

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megafon Nr. 287, September 2005

Die Polizei toleriert nach einigen Diskussionen den unkontrollierten Zustand. Den Alternativvorschlag, auf den Paradeplatz umzuziehen, fanden sie wohl eher unrealistisch… Mit den Auflagen, die Bauten im Wasser wegen der kommenden Flutwelle nicht zu betreten und das Gelände ordentlich zurück zulassen, lassen sie uns gewähren. Nur noch einmal müssen sie ausrücken, um entlaufene Teddybären wieder einzufangen. Gegen Abend wird das Shantytown von der Zürcher Partycrowd überschwemmt, die Nachricht vom neuen, hippen Ausgehziel hat sich schnell herumgesprochen. Mensch fühlt sich fast wie am Gurtenfestival. Obwohl ein Freiraum für eine breite Masse geschaffen werden soll, fühlen sich viele gestört durch das Verhalten vieler anderer, die wohl ziemlich wenig mit der ursprünglichen Idee von Shantytown anfangen können.

DER (UNTER-)GRUND «Bei Nacht und Nebel, mit dem Brecheisen in der Hand, nähern sich einige dunkle Gestalten einem Haus. RuckZuck, ein kurzes Knacksen und Knarren in der stille Nacht; sonst nichts. Taschenlampenlicht flackert nun hie und da hinter den Fenstern auf. Eines, zwei davon werden geöffnet, Stimmen erklingen und jemand klettert auf den Fenstersims. Etwas Weisses wird hinaus gereicht und einer fummelt am Fensterrahmen herum. Wusch – das kleine weisse Etwas flattert durch die Luft, entfaltet sich und verfängt sich in den Händen einer anderen: ‹Besetzt!›» Einbrecher, Chaoten, Nichtstuer und Rumtreiber – Nein, besetzen ist nicht bloss kostengünstiges Wohnen schmarotzender ÜbeltäterInnen. Es ist eine Alternative zum Leben in dieser kapitalistischen, konsumorientierten Gesellschaft. Es ist der Versuch, eine Ideologie von selbst bestimmtem Leben Schritt für Schritt zur neuen Realität zu

machen, um somit etwas zur «freien Welt» beizutragen.

MEHR ALS PARTY Auch hinter Shantytown stand mehr als der Wille, mal wieder zu besetzen und eine grosse Party steigen zu lassen. Es ging um ein handfestes politisches Anliegen, dessen Dringlichkeit in den letzten Monaten immer deutlicher wurde. Unter dem Motto «erlaubt ist, was nicht stört» waren in den letzten Jahren von staatlicher Seite verschiedene Anstrengungen unternommen worden, die Stadt «sauber» und kommerziell verwertbar zu machen. Dies äusserte sich nicht nur in einer massiven Vertreibungspraxis gegen alle nicht in dieses Bild passenden Menschen, sondern auch in einer veränderten Politik gegenüber Besetzungen und so genannt illegalen Bars. Die Vorsteherin des Zürcher Polizeidepartements, Esther Maurer (SP), sorgt als Lehrerin gerne für «Ordnung» in der Klasse. Sie ist nicht zuletzt eine erklärte Befürworterin eines Wegweisungsartikels im städtischen Polizeireglement, der im Frühjahr nur deshalb auf Eis gelegt wurde, weil die Verantwortlichen auf einen entsprechenden Artikel im kantonalen Polizeigesetz warten wollten. Vor den Sommerferien war zu vernehmen, dass der Artikel nun tatsächlich kommen soll. Er soll es der Polizei ermöglichen, missliebigen Personen für eine bestimmte Zeit den Aufenthalt an bestimmten öffentlichen Orten zu verbieten – allein aufgrund eines Verdachtes. Das ist die neueste Ausdehnung polizeilicher Verfügungsgewalt im öffentlichen Raum, die in einer Linie mit den 1994 in einer Abstimmung befürworteten «Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht» und dem «fürsorgerischen Freiheitsentzug» in der Drogenpolitik steht. (Da waren die Berner mal schneller – den Wegweisungsartikel haben wir (leider) schon lange… Anm. d. Red.)


Der neuste Streich der Zürcher Stadtpolizei in dieser Hinsicht ist ein Brief vom 26. Juli an die BewohnerInnen der Stadtkreise 3 und 4. Darin heisst es etwa: «Halten sie Ihre Umgebung sauber und aufgeräumt. Dies deutet auf eine aktive und aufmerksame Nachbarschaft hin.» Damit sind wir nicht mehr weit entfernt vom «Citizens' Preparedness Guide» der USA.

BESETZUNGSFRÜHLING FERTIG? Als gleichsam gegensätzliche Entwicklung war seit den 1980er Jahren die Politik gegenüber Besetzungen und Bars stark liberalisiert worden, denn plötzlich galten solche als urbaner Standortfaktor. In den letzten paar Jahren hatte sich ein recht gut funktionierendes System der Toleranz von Besetzungen eingependelt: Die BesetzerInnen versuchten, so genannte Gebrauchsleihe-Verträge mit den Besitzern der Liegenschaften auszuhandeln und garantierten dafür einen reibungslosen Abzug beim tatsächlichen Baubeginn. Die Behörden unterstützten dieses Praxis, die wohl – nach einer Flaute in den späten 1990er Jahren – nicht unwesentlich zum «Besetzerfrühling» jener Zeit beigetragen hat. Damit soll nicht gesagt sein, dass es eine Besetzerkultur nur unter diesen Rahmenbedingungen geben könne; ohne Einfluss sind diese jedoch bestimmt nicht. Über andere Gründe kann an dieser Stelle nur spekuliert werden, eine gewisse Bedeutung kommt sicherlich der Serie der so genannten Kultursquats seit dem Glacé-Garten (Oktober bis Dezember 1999) zu, führten sie doch zu einer Mobilisierung weit über die kleine Szene der ursprünglichen InitiantInnen hinaus. Wenn man die Entwicklungen im europäischen Ausland verfolgte, so erstaunte die liberale Politik in der Schweiz und manch eineR fragte sich, wann wohl die überall festzustellenden repressiven Tendenzen auch hierzulande bemerkbar würden. Auf der poli-

tischen Ebene jedenfalls blieb der Druck auf die städtische Besetzerpolitik nicht lange aus. So gab es beispielsweise eine Kampagne der NZZ im Rahmen der Berichterstattung über einen Rechtsstreit um ein besetztes Haus an der Plattenstrasse im Herbst 2003. Schon im Sommer 2003 hatte sich bei der Räumung einer Fabrikantenvilla beim Bahnhof Seebach (das Gelände lag in der Folge während mehr als einem Jahr brach) eine Verschärfung der Praxis angedeutet. Dasselbe gilt für den extrem gewalttätigen Polizeieinsatz während eines Reclaim The Streets-Umzuges vom 11. Oktober 2003 (vgl. www.stadt-wohnen.ch). Auch wenn diese Episoden für Verschwörungsgerüchte sorgten, waren sie nicht weiter bedrohlich. Räumungen hatte es trotz der liberaleren Politik immer gegeben und mit der Besetzung an der Kalkbreite Ende 2003 war ein würdiges Nachfolge-Objekt für das damals räumungsbedrohte «Ego» gefunden worden. Erst mit der Odyssee der BewohnerInnen des «Exil» im Hagenbuchrain zeigte sich die neue Politik in ihrer ganzen Härte. Nachdem die «ExilantInnen» im letzten Herbst nach einer Räumungsankündigung weiterzogen, – das Gelände liegt zwar immer noch brach – wurden sie neun Mal von jedem neuen Ort sogleich wieder vertrieben. Besetzen in Zürich ist tatsächlich schwierig geworden!

NEUE REPRESSIONSPOLITIK Die neue repressive Politik richtete sich jedoch nicht nur gegen so genannt «Randständige» und BesetzerInnen; zunehmend gerieten auch Einrichtungen des nichtkommerziellen Kulturbetriebs unter Druck. Als die Polizei am 3. April in den beiden Clubs Spider Galaxy und Stoffwechsel Razzias durchführte, dachte wohl kaum eineR, dass dieses Beispiel auch in kleineren Bars Schule machen würde. Zu verschieden war das Publikum und zu unbedeutend der Drogenkonsum, welcher der Poli-

zei den Hauptvorwand lieferte. So war das Erstaunen gewaltig, als kurz darauf, am 9. Mai, ein riesiges Polizeiaufgebot in der Bosch-Bar auftauchte und die Bar in der Folge geschlossen wurde. Der nächste Schock folgte schon fünf Tage später, als sich ähnliche Szenen in einer Bar an der Elisabethenstrasse abspielten, ein Ort, wo nur ab und zu eine Veranstaltung statt fand. Damit war nun aber der Kreis der Betroffenen stark ausgedehnt. Nicht mehr nur die BesetzerInnen, sondern auch Kreise bis hin zu den etablierten Clubs wurden durch die Ereignisse aufgeschreckt. In der Folge waren nicht nur in der WoZ kritische Worte zum schwer nachvollziehbaren Vorgehen der Polizei zu lesen. Aus dieser Lage heraus fanden sich verschiedene Gruppen zusammen und nahmen das Projekt «Shantytown» in Angriff. Mitten in der Stadt sollte für ein Wochenende das entstehen, was die städtische Politik zunehmend verunmöglicht: Ein Ort des selbstbestimmten und nicht kommerzialisierten Lebens, wo Platz für die verschiedensten Menschen ist. So hat die polizeiliche Repression zu einem gewissen Aufbruch aus den in den letzten Jahren entstandenen Unstimmigkeiten zwischen einzelnen Gruppen geführt. Wie lange diese frische Energie jedoch ausreicht, ist schwer einzuschätzen. In der Vergangenheit hat sich jedenfalls gezeigt, dass sich die BesetzerInnen in Zürich nicht so leicht unterkriegen lassen. Die weitere Entwicklung hängt wohl nicht zuletzt auch davon ab, wie die Gegenseite in den folgenden Monaten reagieren wird – eine klare Strategie gegenüber Besetzungen und Bars scheint dort jedenfalls, im Gegensatz zur Vertreibungspolitik gegen andere Gruppen, nicht wirklich vorhanden zu sein. > GA&GU UND ALT-R-EGO <

Ab der Menge an Texten zu «Shantytown» musste das megafon kapitulieren: Aus zwei mach eins… neben dem Artikel auf Seite 8 hier das Extrakt aus zwei Artikeln, gepresst vom megafon – so entsteht eben Information, siehe Schwerpunkt… Entschuldigung und Merci den SchreiberInnen – euer megafon.

INNENLAND megafon Nr. 287, September 2005

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DIE «ANDERE KAMPAGNE» – DER LANGE MARSCH GEGEN DIE INSTITUTIONEN

DIE ZAPATISTAS GEHEN INS GANZE LAND DER SOMMER STAND IN CHIAPAS GANZ IM ZEICHEN DER NEUERUNGEN, WELCHE DIE EZLN ANGEKÜNDIGT HAT: DIE 6. ERKLÄRUNG AUS DEM LAKANDONISCHEN URWALD WURDE ERLÄUTERT, DER ROTE

ALARM NACH FAST EINEM MONAT WIEDER AUFGEHOBEN. DIE «RÄTE DER GUTEN REGIERUNG» – DIE

ZAPATISTISCHEN AUTONOMIEVERWALTUNGEN – NAHMEN IHRE ARBEIT WIEDER AUF, BEOBACHTERINNEN UND PROJEKTE SIND WIEDER WILLKOMMEN.

Links: Miriam Lang: «Die Zapatisten starten ihre neue politische Offensive».www.heise.de/tp/ r4/artikel/20/20722/1.html Luz Kerkeling: Chiapas vernetzt. www.jungewelt.de/2005/0801/004.php www.chiapas.ch

Es ist wieder ein Stück Alltag eingekehrt in den autonomen Regionen des mexikanischen Südostens. Und dennoch soll alles anders werden: Die Zapatistas schlagen mit der 6. Erklärung einen Weg der Politik ein, der weit über das indigene Thema hinaus zielt. Seit Anfang August finden im lakandonischen Urwald jedes Wochenende Gespräche zwischen den Zapatistas und den verschiedenen sozialen AkteurInnen statt, um der Allianz der Linken, wie sie von der EZLN vorgeschlagen wurde, eine Kontur zu geben. Die Bildung dieser neuen Allianz nennen die Zapatistas auch «die andere Kampagne», und nehmen damit Bezug auf die Wahlkampagne für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vom Juli 2006. Doch diese andere Kampagne, während der auch EZLN-Comandantes durch ganz Mexiko reisen wollen, wird im Gegensatz dazu «Jahre dauern», meint Subcomandante Marcos, der nach vier Jahren erstmals wieder in der Öffentlichkeit auftrat.

IST AMLO «MALO»? An diesen Gesprächen im Urwald – bisher fand ein Treffen mit linken Organisationen sowie eines mit IndigenenOrganisationen statt – kamen auch kritische Stimmen zu Wort. Zu erwähnen sind der CIPO-RFM aus Oaxaca und chiapanekische, nicht-zapatistische Organisationen wie die Abejas. Die Za-

INTERNATIONALISTISCHE

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patistas eröffnen also eine Diskussion, die breite Kreise zieht – und auch die selbst auferlegten Grenzen sprengt. In der Berichterstattung über die Treffen im Dschungel dominierte ein Thema: Die geharnischten Worte des Subcomandante Marcos gegen die Linkspartei PRD sowie deren aussichtsreichen Kandidaten für die nächste Präsidentschaft, Andrés Manuel López Obrador (kurz: AMLO). Mexikos Linke ist ob dieser unerwarteten Attakke ziemlich erschrocken und uneins. Die mit der PRD sympathisierenden Stimmen meinen, dies verhindere nur den Sieg der Linken und verhelfe der PRI wieder an die Macht. Die Zapatistas halten dagegen, AMLO vertrete hinter seiner linken Rhetorik neoliberale Positionen und paktiere mit ehemaligen Funktionären des Ex-Präsidenten Salinas. Tatsächlich ist beispielsweise Manuel Camacho Solís, der Chef-Unterhändler der Salinas-Regierung in Sachen Chiapas-Konflikt Anfang 1994, im Beraterstab der Wahlkampagne von AMLO. Die Anfeindungen der Zapatistas gegen die sozialdemokratisch gefärbte PRD und López Obrador haben eine Debatte angestossen, die wohl – wie der Allianzvorschlag der Zapatistas insgesamt – das Ziel hat, «gesellschaftliche Kräfte zu mobilisieren, die den PRD-Mann von links unter Druck setzen und die Interessen der Unterschichten vertreten können», so Miriam Lang in ihrem Artikel «Die Zapatisten

starten ihre neue politische Offensive» auf Telepolis vom 15.8.05.

ZAPATISTAS INTERNATIONAL Die internationalen Schiene, welche in der 6. Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald erwähnt wird, wurde bisher nicht weiter konkretisiert. Ein Treffen auf Ende Jahr ist vorgeschlagen, dem folgte jedoch bisher keine Präzisierung. Dennoch fand in Barcelona im Juli eine europäische Soli-Sitzung statt, an der die 6. Erklärung diskutiert wurde. Die Direkte Solidarität war mit fünf Personen an dieser Sitzung vertreten und diskutierte bei diesem Revival der europäischen ChiapasVernetzung in den verschiedenen Arbeitsgruppen mit. In einer Grussbotschaft an die Zapatistas erklärten sich die europäischen Soli-Kommitees bereit, den neuen Schritt der Zapatistas zu unterstützen. Lange und «nicht immer einfache» Diskussionen lösten die Fragen nach der Umsetzung eines zapatistischen Politikverständnisses in Europa aus, wie Luz Kerkeling in «Chiapas vernetzt» schreibt. Diese Debatte um eine allianzfähige radikale Linke steht auch in der Schweiz einmal mehr an, so zum Beispiel für die nächste Anti-WEF-Mobilisierung. Die «andere Kampagne» der Zapatistas kann hier eine Inspirationsquelle sein, nicht mehr – aber auch nicht weniger. > WWW.CHIAPAS.CH <


ZUSAMMENFASSUNG DER 6. ERKLÄRUNG AUS DEM LAKANDONISCHEN URWALD EJÉRCITO ZAPATISTA DE LIBERACIÓN NACIONAL – 1. Juli 2005

gen sind, die sich auf zapatistischem Gebiet befinden» – und das auch mit der Hilfe der «Zivilgesellschaften» in Mexiko und der ganzen Kapitel I: «Von dem, was wir sind» Welt. Ihre Bewegung ist in diesen zwölf Jahren «Wir Zapatistas der EZLN haben uns im Januar gewachsen und gereift. Eine neue Generation 1994 mit Waffen erhoben, da wir genug hatten von jungen Leuten wuchs heran, «die in der von so viel Schlechtem, das von den Mächtigen Würde der Rebellion [...] eine ganz andere ausging [...] deshalb sagten wir: Ya Basta! Es politische, technische und kulturelle Bildung reicht!» erfahren haben». Die Zapatistas ergriffen die Waffen, um für die Das Kapitel über die eigene Bewegung abAnerkennung der indigenen Rechte und Kultur schliessend, betonen die Zapatistas, dass sie und für die Gerechtigkeit zu kämpfen. Auf Bean einem Punkt sind, an dem sie nicht mehr gehren der Zivilbevölkerung legten sie die Wafweiter kommen: «Deshalb ist der Moment gefen beiseite und ergriffen das Wort. Die EZLN kommen, wieder alles zu riskieren und einen vergrösserte sich schnell, kämpfte zusammen gefährlichen Schritt zu wagen, der es aber mit anderen indigenen Organisationen Mexikos wert ist. Denn vielleicht können wir vereint mit und erhielt Unterstützung aus der ganzen Welt. anderen sozialen Sektoren, die unter den gleiIn den folgenden Jahren hat die «schlechte chen Entbehrungen wie wir leiden, das erreiRegierung» vieles versprochen (zum Beispiel in chen, was wir brauchen und was wir wert sind. den Abkommen von San Andrés), aber nichts Ein neuer Schritt nach vorn im indigenen davon eingehalten. Stattdessen hat sie die AufKampf ist nur möglich, wenn sich der Indígena ständischen immer wieder militärisch zu verzusammen schliesst mit den Arbeitern, Bauern, nichten versucht. «Und da sahen wir also, dass Studenten, Lehrern, Angestellten… – also mit Dialog und Verhandlungen mit der schlechten den Arbeitern aus Stadt und Land». Regierung Mexikos umsonst gewesen waren». Kapitel II: «Wo wir jetzt sind»

Die Zapatistas begannen, «unilateral» die Abkommen von San Andrés über indigene Kultur und Rechte umzusetzen. Von Mitte 2001 bis 2005 bauten sie ihre Autonomie auf, wobei «die autonome Regierung nicht etwa eine Erfindung der EZLN ist, sondern aus mehreren Jahrhunderten indigenen Widerstands und aus der zapatistischen Erfahrung selbst gewachsen ist und eine Selbstregierung der indigenen Gemeinden bedeutet». Ein Problem in der Autonomie war die ungleiche Entwicklung der indigenen Gemeinden, ein weiteres, dass sich die EZLN zu oft in die Entscheidungen der zivilen Strukturen eingemischt hatte. Mit der Selbstverwaltung durch die «Räte der Guten Regierung» wurden diese Probleme angegangen sowie auch die – immer noch spärliche – Beteiligung der Frauen an den Entscheidungsstrukturen gefördert. Immer mehr Compañeros und Compañeras, arbeiten im Rotationsprinzip in den indigenen Räten und lernen so, «Regierung zu sein». «Gehorchend regieren» – in diesem Sinne wollen die Zapatistas ihre Autonomie umsetzen, «denn wir denken, dass ein Volk, das seine Regierung nicht beaufsichtigt, zur Sklaverei verdammt ist, und wir kämpfen dafür, frei zu sein und nicht dafür, alle sechs Jahre den Sklavenhalter zu wechseln». Die Autonomie der Zapatistas führte dazu, dass diese Regionen grosse Fortschritte machten: «Wenn sie sich eine der Studien anschauen, die die Regierungen durchführen, werden sie sehen, dass die einzigen indigenen Gemeinden, deren Lebensbedingungen sich verbessert haben, was Gesundheitssituation, Bildung, Wohnsituation betrifft, diejeni-

Kapitel III: «Wie wir die Welt sehen»

Im Kapitalismus sind Ausbeutung und Repression die Mittel, derer sich die Kapitalisten bedienen, um Reichtum anzuhäufen: «Güter stehen im Kapitalismus im Mittelpunkt des Interesses, weil ihr Erwerb Gewinn abwirft. Deshalb verwandelt der Kapitalismus alles in Güter: Die Menschen, die Natur, die Geschichte, die Kultur, das Gewissen. [...] Hinter diesen Gütern soll die Ausbeutung unsichtbar gemacht werden». Der Kapitalismus braucht viele Märkte, um zu dominieren. Mit dem Neoliberalismus, der Triebfeder der Globalisierung, soll nun «die ganze Welt veräusserbar werden». Trotz Repression, trotz aller Versuche der neoliberalen Globalisierung, den Widerstand mundtot zu machen, wird dies nicht gelingen. Denn nicht nur die Landarbeiter, die Indigenen, die Fabrikarbeiter, die Homosexuellen und die MigrantInnen, sondern viele andere Gruppen lassen sich ihr «Ya Basta!» nicht nehmen.

viele Leute gibt, welche nicht aufhören zu kämpfen, sich nicht ergeben, sich nicht verkaufen. Also Leute mit Würde». Kapitel V: «Was wir machen wollen»

Die Zapatistas solidarisieren sich mit den sozialen Kämpfen in Lateinamerika und versuchen, sie zu unterstützen. Auch unterscheiden sie zwischen den neoliberalen Regierungen und den Leuten, die – so auch in Nordamerika – «in ihrem Land kämpfen und sich mit den Kämpfen anderer Völker solidarisieren». Dem «sozialen Europa, also das würdige und rebellische», möchten die Zapatistas ausrichten, dass es nicht alleine ist. Auch die Kämpfe in Europa wollen die Zapatistas unterstützen, «vielleicht werden wir euch Kunsthandwerk und Kaffee senden, das ihr verkaufen und damit eure Arbeit in euren Kämpfen unterstützen könnt». In Mexiko wollen die Zapatistas «eine Übereinkunft finden mit Leuten und Organisationen aus der wirklichen Linken». Dabei wollen sie nicht den Leuten befehlen, was sie zu tun haben, sondern allen zuhören und so zusammen die Übereinstimmungen finden für einen «nationales Programm des Kampfes». Dieser Kampf soll alle Sektoren einbeziehen und ein «Land gründen, wo es für alle Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit gibt». Kapitel VI: «Wie wir es machen wollen»

Zuallererst betonen die Zapatistas erneut, dass es von Seiten der EZLN keine militärische Attacken geben wird und der Waffenstillstand beibehalten wird und dass sie EZLN ihren bisherigen politischen Weg mit dieser friedlichen Initiative fortsetzt: «Deshalb behält die EZLN ihre Haltung bei, dass sie keine Art von geheimen Beziehungen mit politisch-militärischen Organisationen eingeht, seien es nationale oder internationale». International wollen sie Beziehungen des Respekts und der gegenseitige Unterstützung mit anderen Bewegungen ausbauen. Neben Lebensmittelspenden an Cuba und die indigenen Bewegungen in Bolivien und Ecuador schlagen sie ein neues interkontinentales Treffen für Ende 2005 oder Anfang 2006 vor. In Mexiko wollen sie mit einer Delegation von Kapitel IV: «Wie wir Mexiko sehen» Das Fazit der Zapatistas zur Lage der Nation Comandantes auf unbeschränkte Zeit im ganist eindeutig: «Mexiko wird von Neoliberalen zen Land linke Organisationen treffen und sich regiert, die unser Land, unsere Heimat zerstö- mit ihnen austauschen im Sinne einer «Natioren». Was einmal zur Erwerbsbasis der Mexik- nalen Kampagne zum Aufbau einer neuen Art, Die vollständige anerInnen gehört hat, ist verkauft und in den Politik zu machen, einem nationalen Programm Erklärung im spaniHänden der transnationalen und ausländischen des Kampfes der Linken und für eine neue Ver- schen Original siehe: www.chiapas.ch Firmen. Auch die PolitikerInnen benehmen sich fassung». wie Angestellte eines Ladens, die alles möglichst billig verkaufen wollen. Alles wird privatisiert. Die Zapatistas beklagen weiter den neoliberalen Ausverkauf des Landes und weisen auch auf die massive Migration hin. Sie INTERNATIONALISTISCHE schliessen die Ausführungen zu Mexiko ab mit megafon Nr. 287, September 2005 27 der Hoffnung, dass es dennoch «in Mexiko


RECHTER AUFMARSCH AUF DEM RÜTLI

DER (LETZTE) AUGUST 2005 AM 1.AUGUST FANDEN SICH CA. 700 RECHTS-

EXTREME AUF DEM RÜTLI EIN. BEINAHE EBENSO VIELE MARSCHIERTEN DANACH UNTER DEM MOTTO «AUF IN EINE EIDGENÖSSISCH-SOZIALISTISCHE

sowie das T-Shirt der Helvetischen Jugend oft getragen. Bis zur Rede von Bundesrat Samuel Schmid verhielten sich die Rechtsextremen mehr oder weniger ruhig. Sobald aber die Rede auf die «Integration von Ausländern» und den «Widerstand gegen Antisemitismus und Extremismus» kam, brachen sie in ein Pfeifkonzert aus und skandiertn Sprechchöre. AUFMARSCH AUF DEM RÜTLI Mehrmals musste der Bundesrat seine Die Deutschschweizer Rechtsextre- Rede unterbrechen und warten, bis die men, unter ihnen PNOS und Helveti- Rechtsextremen sich wieder beruhigt sche Jugend, besammelten ihre An- hatten. hängerInnen um elf Uhr in der Nähe des Bahnhofs Brunnen, um danach geDEMONSTRATION IN BRUNNEN meinsam per Schiff Richtung Rütli zu reisen. Die Romands trafen sich bereits Einige Mitglieder der PNOS verliesfrüher in Brunnen. sen das Rütli bereits vor dem offiziellen Am Schiffssteg Brunnen gab es, wie Ende der Feier Richtung Brunnen, wo in den Vorjahren, erste Kontrollen sie kurz vor vier Uhr eintrafen und sich durch die Polizei. Auch bei der Anlege- später zu einem Marsch formierten. stelle Rütli, wo das Gepäck der Besu- Die unbewilligte Demo in Brunnen wurcher nach verbotenen Gegenständen de von Mitgliedern der PNOS und durchsucht wurden. Ab elf Uhr trafen einem Transparent mit der Aufschrift Neonazis auf dem Rütli ein. Bis gegen «Auf in eine eidgenössisch-sozialistizwei Uhr, als die eingeladenen Sportler sche Zukunft» angeführt. Gemäss eintrafen, stellten sie die Mehrzahl der Presseberichten nahmen rund 600 BesucherInnen auf dem Rütli. Rechtsextreme daran teil, unter ihnen Vertreten war das ganze Spektrum zahlreiche bekannte Gesichter, wie der rechten Bewegung: vom Jugend- Tobias Hirschi, PNOS-Stadtrat aus lichen mit Schweizerkreuz-T-Shirt, Langenthal, Stefan Wüthrich, PNOSüber Neonazis in braunen Hemden, Ortsgruppenleiter Langenthal, Dominic den Parteikadern der PNOS, bis zu den Bannholzer, PNOS-Gemeinderat aus Boneheads von «Blood and Honour». Günsberg, und Sacha Kunz, Besitzer Wie in den vergangenen Jahren grup- des «White Revolution»-Labels, Konpierten sich die Rechtsextremen zu- zertveranstalter und Mitglied der Band sammen mit ihren Flaggen (darunter «Die Eidgenossen» aus Erlinsbach. neben zahlreichen Schweizer- und À propos: In einem Restaurant in BrunKantonsflaggen auch die alte Fahne nen wurde um die Mittagszeit auch der Frontisten aus den 30er Jahren) im Bernhard Schaub von der NAPO geseoberen Bereich der Wiese. Neben den hen. Er trat aber weder an der Demo obligaten Schweizerkreuz-T-Shirts, wur- noch bei den Reden am Bahnhof den dieses Jahr auch Leibchen mit dem öffentlich auf. Motiv «Du Schweizer, ich Eidgenosse»

auch rassistische Aufrufe. Somit war schon fast klar, dass die RechtsextreZUKUNFT» DURCH BRUNNEN. ES WAR DIE SCHWEIZ- men auch dieses Jahr wieder ungestört WEIT GRÖSSTE DEMONSTRATION VON RECHTSEXTRE- durch Brunnen ziehen können. Denn MEN SEIT DEM ENDE DES ZWEITEN WELTKRIEGS. wie sähe es aus, wenn es im TourisEINE ZUSAMMENFASSUNG DER EREIGNISSE AUF DEM musort Brunnen am 1. August zu Strassenschlachten zwischen der PoliRÜTLI UND IN BRUNNEN. zei und den Rechtsextremen käme…

Seit mittlerweile fünf Jahren mobilisieren die Neonazis der Schweiz am Nationalfeiertag aufs Rütli. Jedes Jahr folgen einige mehr diesem Aufruf. Für dieses Jahr wurden zwischen 500 bis 800 Rechtsextreme erwartet. Es ist also kaum verwunderlich, dass sich aus antifaschistischen Kreisen Widerstand gegen diese Selbstinszenierung der Rechtsextremen formierte. Dem «Bündnis für ein buntes Brunnen» wurde allerdings vom Gemeinderat Brunnen die Bewilligung für eine Kundgebung gegen den alljährlichen Aufmarsch der Rechtsextremen verweigert. Dies, weil der Gemeinderat und die Kantonsregierung Ausschreitungen befürchteten. Deswegen könne die Sicherheit der Bevölkerung und Demonstranten nicht gewährleistet werden. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, dass auch unbewilligte Umzüge der Rechten nicht toleriert würden. Das Bündnis wich deshalb nach Luzern aus, wo kurz vor dem 1. August auch eine Demobewilligung erteilt wurde. Über die NZZ liess der Mediensprecher der Kantonspolizei Schwyz, Florian Grossmann, Ende Juli jedoch verlauten, dass man jeweils vor Ort abkläre, ob der Aufmarsch als Demonstration bezeichnet werden müsse oder nicht. Auf jeden Fall würden illegale Handlungen nicht toleriert. Dazu gehörten neben Sachbeschädigungen

BLICK NACH RECHTS

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Besammlung in Brunnen beim Bahnhof «Blood+Honour»-Typen aus der Romandie

Die Demo führte vom Hafen bis zum Bahnhof Brunnen. Dort wurden zwei Reden gehalten, danach verstreuten sich die Rechtsextremen. Während des Umzugs wurden dreimal Personen am Rande der Demo angegriffen, wobei zwei Jugendliche – vor den Augen von Polizisten – verletzt wurden und zur Kontrolle ins Kantonsspital Schwyz mussten. Ein Journalist erlitt Prellungen und Schürfungen. Die Betroffenen haben zum Teil bereits Anzeige wegen Körperverletzung eingereicht. Trotzdem sagte die Kommandantin der Schwyzer Kantonspolizei, Frau Barbara Ludwig, am Abend: «Ich bin mit dem Einsatz rundum zufrieden.» Es sei ihre Aufgabe gewesen, Ruhe und Ordnung

in Brunnen zu garantieren. Dies sei gelungen. «Eine Beurteilung vor Ort hat ergeben, dass wir nicht einschreiten müssen.» Übrigens: Das «Bündnis für ein buntes Brunnen» hat bei den Behörden in Brunnen mittlerweile ein Gesuch für eine Platzkundgebung am 1. August 2006 eingereicht. Man darf also gespannt sein, wie es weitergeht. > AKTION GEGEN RECHTE GEWALT (AGRG) <

BLICK NACH RECHTS megafon Nr. 287, September 2005

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JOE KUBERT: YOSSEL – APRIL 19, 1943

SKIZZIEREN BIS ZUM LETZTEN ATEMZUG DER AUFSTAND IM WARSCHAUER GHETTO DURCH DIE AUGEN DES FIKTIVEN ALTER-EGOS DES AUTORS: WIE ES HÄTTE SEIN KÖNNEN, WÄREN SEINE ELTERN DAMALS NICHT AUSGEWANDERT…

Im November 1926 bestieg Joe Kuberts Familie in Southhampton das Schiff, dass sie nach Amerika und in Sicherheit brachte. Klein-Joe war damals gerade zwei Monate auf der Welt. So entging die jüdische Familie aus der polnischen Kleinstadt Yzeran der NaziHölle. Das Glück blieb Joe Kubert treu: Die Nachbarn schenken dem Jungen Kreiden, auch Joes Vater förderterte und unterstützte seinen hochtalentierten Sohn. Ungewöhnlich, versuchten doch die Eltern ihre Kinder für Berufe zu begeistern, mit denen diese ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten. 1938 übernahm Hitler den Oberbefehl über die Wehrmacht. Am 12. März

KULTUR ET ALL

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marschierten die Deutschen in Östereich ein. Im September gaben die Westmächte das Sudenland auf. Am 9. November schliesslich entlarvten die Ereignisse der Kristallnacht ein für alle Mal das wahre Gesicht der Nazi-Mörderbanden. In diesem Jahr, erhielt der 12-Jährige Joe seinen ersten Job als Illustrator. Mitte 1939 überfielen Hitlers Truppen Polen, das am 1. September kapitulierte. Sowohl die sowjetischen wie auch die deutsche Truppen beginnen, die polnischen Intellektuellen auszurotten. Der 13-Jährige Joe besucht inzwischen in New York die Highschool für Musik und Kunst. Mit seinen Illustrationen verdient der Jugentliche inzwischen mehr als sein Vater, ein koscherer Schlachter. Es folgt eine steile Karriere. Kubert ist Zeichner, Illustrator und Redakteur.

Neben so bekannten Figuren wie Tarzan, Hawkman oder Batmann erfindet er eigene Serien und Figuren. 1976 gründet er zusammen mit seiner Ehefrau Muriel die «Joe Kubert School of Cartoon and Graphics» in New Jersey, die in einer mehrjährigen Ausbildung Zeichner und Comic-Autoren ausbildet. In Warschau lebten vor dem Einmarsch der Deutschen etwa 350 000 Juden, rund ein Drittel der Stadtbevölkerung. Viele lebten im traditionellen jüdischen Viertel in der Altstadt. Rund 70 Strassenzüge, weniger als 5 Prozent des Stadtgebiets umfasste das Ghetto, das die deutschen Besatzer ab 1940 mit Mauern und Stacheldraht abriegelten – angeblich wegen Typhusgefahr. Als im Juli 1942 die Nazis mit den Deporationen der Juden in die Vernichtungslager begannen, dezimierten sie die Ghetto-Bevölkerung rasch auf


«BEAN» BOHNENBLUST (GRANDMOTHERSFUNK) HÖRT WAYNE SHORTER

PROGRAMM 1-2 3-5 6 7-8 9 10

Ich stelle hier meine vier Lieblingsscheiben vor. Die Auswahl war hart; eigentlich wären es deren zwanzig, welche ich seit Jahren immer wieder mal hervornehme, und ich dann wieder behaupte, das ist meine Nummer eins! Eine meiner Reaktionen auf Musik ist ein «Hnggg!» tief aus dem Innern, verbunden mit einem elektrischen Tanzschrittchen aus der Hüfte.Oder ich schwebe davon, auf dem Rücken liegend. Eine andere Kategorie ist ein ungläubiges Kopfschütteln und die Frage, wie so was überhaupt möglich sein kann. Wayne Shorter «Adams Apple» Diese gehört zur Abheb- Sorte. Und bei den ruhigen Stücken treibt es mir zusätzlich die Tränen in die Augen. Was Shorter hier an Stimmung, Kraft und Zeitgeist hervorbringt ist unübertroffen. Sein Sound ist autentisch, kraftvoll und Fragil zugleich. Ich entdecke jedes Mal etwas Neues in seiner Musik, und auch in mir. D´ Angelo «Voodoo» Mein «hnggg!» nimmt hier kein Ende! Die grooven so wahnsinnig geil, liegen im Beat derart stark nach hinten, man muss beim Tanzen nach vorne liegen, sonst haut´s einen um! Sie lassen das Süppchen auch immer schön auf kleinem Feuer köcheln, und die Energie nimmt nie ab. Das war ein Meilenstein im «Neosoul», daran kommt keiner vorbei. Nancy Wilson mit Cannonball Adderley Ist auch seit langer Zeit ein guter Begleiter. Wenn Nancy das erste Mal «wish I knew» singt, bleibt die Zeit für einen Moment stehen, und viele Erinnerungen entladen sich mit einem „Blubb“ in meinem Gehirn. Ich konnte von Nancy, wie natürlich von meinem Lieblings Alto- Saxophonisten Cannonball viel über Sound, Ästhetik, und Innbrunst für mein Instrument lernen. Herbie Hancock «VSOP» live «Spider» und «Hang up your Hangups» sind zwei Stücke, die für mich und auch für GMF sehr massgebend waren. Wir trieben jeweils irgendwo ein chnübeli Gras auf, und liesen das Flugzeug starten. Bei «Spider» stellten uns immer eine riesengrosse Maschine vor, die zuerst langsam auf der Startbahn anrollte, immer schneller wurde, und dann mit aller Kraft abhob. Gegen Ende des Stücks ist dann, weit oben in der Luft der Sprit alle, und Gleitet nur noch lautlos dahin. Wir mussten es immer zwei, drei mal hintereinander hören, sonst konnten wir es nicht glauben. Stanley Turrentine with the 3 Sounds «Blue Hour» Schon als kleiner Hosenscheisser hat mich das «Hnggg!» gewürgt, wenn die Jungs vom Goldengate Quartet, ihre «hollerings» von sich gaben. Und wenn Stanley das mit seinem Tenor tut, ist es nicht anders. Vier von fünf der Stücke auf dieser Aufnahme sind so langsam gespielt, dass es einem ein gütiges Lächeln auf die Lippen zaubert und alle Anspannung mit einem «fffft» aus dem Körper weicht.

100 000 Menschen. Als 1943 die Deutschen den Entscheid fällten, das Ghetto zu vernichten, stiessen sie auf Widerstand. Der Aufstand im Warschauer Ghetto, der am 19. April 1943 seinen Anfang fand, ging in die Geschichte ein. Fast einen Monat lang hielten die Aufständischen die SS in Schach, bis diese schliesslich mit Granaten und Feuersbrünsten die Aufständischen bezwangen. Es hätte auch anders kommen können. Was wäre gewesen, wenn Joes Eltern nicht den Entschluss gefasst hätten, Europa zu verlassen, oder wenn seine Familie das AuswandererSchiff doch nicht hätte betreten dürfen? Diese Frage hat sich Joe Kubert offensichtlich oft gestellt – und mit «Yossel - April 19, 1943» eine Antwort gefunden. Yossel, eine Art alter Ego von Joe Kubert, ist fiktiver Zeuge der Geschehnisse. Er zeichnet seine Erlebnisse auf, angefangen von der Vertreibung seiner Familie und der Umsiedlung ins über-

KINO DACHSTOCK GROSSE HALLE FRAUENRAUM TOJO SOUSLEPONT INFOLADEN SOLIBARS

füllte Wahrschauer Ghettos bis hin zum Aufstand. Um zu überleben, muss Yossel zeichnen, so hält der Junge verzweifelt alles fest, was er erlebt. Bis zum letzten Atemzug. Joe Kuberts rund 120-Seiten starkes Buch ist von einer unglaublichen Intensität. Absichtlich hat der Autor auf Reinzeichnungen verzichtet. Es sind gerade die raue Bleistiftskizzen, die Yossels Geschichte so authentisch und intensiv aufleben lassen. Zwar könnte man kritisieren, dass einiges etwas zu heroisch dargestellt wird. Andererseits erlaubt Kuberts ungewöhliche Geschichtsschreibung eine Nähe, welche Geschichtsbücher nicht erreichen. > CDK <

KULTUR ET ALL megafon Nr. 287, September 2005

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KINO

Am Donnerstag, 15. September sind Luc Sch dler, Filmregisseur (Angry Monk) und ein tibetischer Gast (Name bei Drucklegung noch nicht bekannt) zu Gast. F r das Zustandekommen des Tibetfilmprogramms danken wir Antonia Maino und Luc Sch dler, Z rich sowie dem Verein Tibetfreunde, Sektion Z rich (www.tibetfreunde.ch).

FILM- UND BILDDOKUMENTATION MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG

MIGRATON

MITTWOCH 28. SEPTEMBER UND SAMSTAG 1. OKTOBER, AB 21.00 UHR

KHYENTSE NORBU, AUSTRALIEN 1999, 94 MIN., 35MM, OV/DF

PHÖRBA √ THE CUP (SPIEL DER GÖTTER),

SAMSTAG, 17. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR FREITAG, 30. SEPTEMBER 2005

PEMA DHONDUP, INDIA 2004, 127' OV/E (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

WE'RE NO MONKS

FREITAG, 16. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR SAMSTAG, 24. SEPTEMBER, 2005

SYLVIA SENSIPER, USA 1989, 20' OV (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

FILMS ARE DREAMS THAT WANDER IN THE LIGHT OF DAY

RASMUS DINESEN & ARNOLD KRÆIGAARD, DK 2003, 55' OV/E, (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

THE FORBIDDEN TEAM

PIMMI PANDE, INDIA/UK 2003, 28' OV/E, (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

DESTINY'S CHILDREN: VOICE OF TOMORROW'S TIBET

DONNERSTAG, 15. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR DONNERSTAG, 21. SEPTEMBER 2005 FREITAG, 23. SEPTEMBER 2005

megafon Nr. 287

PROGRAMM

Im Jahre 1949 wurde das bis dahin souver ne Tibet von der Volksrepublik China besetzt und zwei Jahre sp ter annektiert. Tibet war zu diesem Zeitpunkt ein gem ss V lkerrecht souver ner Staat mit eigenem Staatsvolk, Staatsgewalt, Staatsgebiet und eigener W hrung. Ohne eine Chance gegen die chinesische Armee und mangels Unterst tzung aus dem Ausland versuchten die Tibeter zun chst, zu einem Arrangement mit den Besatzern zu kommen, die ihnen Autonomie und Religionsfreiheit versprachen, sich in Wirklichkeit aber an keinerlei Abkommen hielten. Im Gegenteil, ihre Unterdr ckungsmassnahmen wurden immer sch rfer und f hrten in der tibetischen Bev lkerung zu wachsendem Widerstand, der schliesslich am 10. M rz 1959 in einem Aufstand in Lhasa, der Hauptstadt Tibets, seinen tragischen H hepunkt fand. Nach offiziellen chinesischen Angaben kamen dabei 87 000 TibeterInnen ums Leben. Die tats chlichen Zahlen d rften um ein Vielfaches dar ber liegen. Seither herrschen Willk r, Folter sowie politische, religi se und kulturelle Unterdr ckung. Die chinesischen Machthaber vernichteten durch Zwangskollektivierung die traditionelle Lebensgrundlage der Bauern und Nomaden. Sie zerst rten ber 6000 Kl ster, Tempel und historische Bauten, Zentren der tibetischen Kultur und Religion. Doch trotz der Zerst rungen, der allgegenw rtigen Milit rpr senz und der starken Zuwanderung von Chinesen gelang es Peking bis heute nicht, die Tibeter in ihrer ganzen Wesensart zu zerst ren. (Tibetinitiative Deutschland) Das Kino in der Reitschule zeigt im Anschluss an den Z richer Besuch des Dalai Lama, der h chsten weltlichen und religi sen Autorit t des buddhistischen Tibets, Filme, welche den Alltag im heutigen Tibet wiederspiegeln, den sanftem Widerstand zum Inhalt haben und politische Strategien auf einer kleinen Ebene aufzeigen, wie zum Beispiel beim Fussballspiel. Bei den FilmemacherInnen handelt es sich meist um ExiltibeterInnen, die sich in nahezu allen Filmbeitr gen kritisch mit dem exotisierenden Bild auseinandersetzen, welches viele Leute im Westen ber Tibet und seine Geschichte des Widerstandes haben.

FOKUS TIBET

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Pema Dhondups neo-realistisches Doku-Drama bricht bewusst mit der auffallend sthetischen Filmsprache bisheriger Tibetfilme und nimmt so Stellung gegen eine exotisierende Vereinnahmung westlicher Vorstellungen. Dasselbe gilt f r seine Arbeit mit Laienschauspielern, wohingegen der Mainstream sich durch Hollywoodgr ssen auszeichnet. Indem ausnahmsweise kein Kloster und keine M nche portraitiert werden, setzt der Film auch thematisch einen Kontrapunkt. We’re no Monks handelt von vier jungen Tibetern im heutigen indischen Exil, die sich in eine terroristische Mission f r die Sache Tibets verwickeln. Der Film wirft heikle Fragen zum Thema Widerstand auf.

PEMA DHONDUP, INDIA 2004, 127' OV/E (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

WE'RE NO MONKS

FREITAG, 16. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR SAMSTAG, 24. SEPTEMBER, 2005

Zusammen mit einem tibetischen Fl chtling reiste die Filmemacherin nach Tibet. Entstanden ist ein preisgekr nter, experimenteller Kurzfilm, der die Alltagsbilder dieser Reise mit der Shangri-La Traumwelt von Frank Capras Filmklassiker Lost Horizon (1937) kontrastiert. Die Gegenberstellung des Mythos Tibet mit der realen Welt f hrt die Auswirkung der chinesischen Besatzung vor Augen.

SYLVIA SENSIPER, USA 1989, 20' OV (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

FILMS ARE DREAMS THAT WANDER IN THE LIGHT OF DAY

an begleitet. Ein Dokumentarfilm ber das erste FussballL nderspiel der tibetischen Nationalmannschaft, ber das Aufeinandertreffen von Kulturen und ber Fussball, so wie Buddha ihn gespielt h tte.

Zuerst waren es Stummfilme aus den 20er-Jahren (der Mann mit der Kamera von Oziga Vertov aus dem Jahre 1929, Nosferatu von F.W. Murnau aus dem Jahre 1922, die Mutter von Vsevolod Pudovkin aus dem Jahre 1926) die Paed Conca f r das Kino in der berner Reitschule vertonte. Letztes Jahr diente ihm Archivmaterial zum Bau der berner Lorrainebr cke, 1927 fertiggestellt, als Kompositionsvorlage und diesen Januar hat er die Komposition ˙Migraton¨, f r die der Filmemacher Giorgio Andreoli und Paed Conca das Bildmaterial zusammengestellt haben,

FILM- UND BILDDOKUMENTATION MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG

MIGRATON

MITTWOCH 28. SEPTEMBER UND SAMSTAG 1. OKTOBER, AB 21.00 UHR


FILMS ARE DREAMSº

WE»RE NOT MONKS

Der 30. Juni 2001: Die Nationalmannschaften von Gr nland und Tibet stehen sich im Kopenhagener Idraetspark gegen ber. Vergeblich haben die FIFA und die chinesische Regierung versucht, dieses Fussballspiel zu verhindern. Die Filmemacher haben ˙die verbotene Mannschaft¨, die fast komplett im indischen Exil lebt, vom ersten Training

RASMUS DINESEN & ARNOLD KRÆIGAARD, DK 2003, 55' OV/E (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

THE FORBIDDEN TEAM

In ihrem zweiten Kurzfilm dokumentiert die indische Filmemacherin die Hoffnungen, ngste und Frustrationen von tibetischen Jugendlichen in Dharamsala. Der Film reflektiert die Sicht einer neuen, im Exil aufgewachsenen Generation, die aufgrund der unbefriedigenden politischen Lage ihr pazifistisches Erbe in Frage zu stellen beginnt.

PIMMI PANDE, INDIA/UK 2003, 28' OV/E (BERNER ERSTAUFFÜHRUNG)

DESTINY'S CHILDREN: VOICE OF TOMORROW'S TIBET

DONNERSTAG, 15. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR DONNERSTAG, 15. SEPTEMBER 2005, FREITAG, 23. SEPTEMBER 2005

PHÖRBA √ THE CUP

Fussball-WM und tibetische M nche: Filmemacher Lama Khyentse Norbu, der auch in seiner Person buddhistische Tradition und Weltoffenheit verbindet, er ffnet uns Einblicke in eine Kultur, die ihre W rde und Identit t in einer Weite zu wahren sucht, die selbst um Orientierung ringt. In einem tibetisch-buddhistischen Kloster am Fusse des Himalaja erwarten der Abt Khempo und Geko zwei Jungen aus Tibet. Als Nyima und Palden unversehrt eintreffen, ist die Freude gross. Feierlich werden die beiden im Kloster aufgenommen und in das Leben der M nche eingef hrt. Doch selbst in der Abgeschiedenheit des Klosters klopft die Welt ans Tor: Das Fussballfieber hat die jungen M nche erfasst, allen voran den 14-j hrigen Orgyen, Paldens gewitzten Zimmergenossen. Sp t nachts stehlen sich Orgyen und seine Freunde aus dem Kloster, um im Dorf die bertragungen der Fussball-Weltmeisterschaft zu sehen. Beim Halbfinale werden sie in flagranti von Geko ertappt. Das Endspiel r ckt in schier unerreichbare Ferne. Aber die Fussballnarren geben sich noch nicht geschlagen.

(SPIEL DER GÖTTER, KHYENTSE NORBU, AUSTRALIEN 1999, 94 MIN., 35MM, OV/DF

PHÖRBA √ THE CUP

SAMSTAG, 17. SEPTEMBER 2005, JE 21.00 UHR FREITAG, 30. SEPTEMBER 2005

PHÖRBA√THE CUP

Die Musiker: Paed Conca (Bass, Klarinette, Elektronik, Komposition), Michael Thieke (Klarinette, Altoklarinette, Elektronik), Frank Crijns (Gitarre, Elektronik), Fabrizio Spera (Schlagzeug, Elektronik) Komposition ˙MIGRATON¨ von Paed Conca. Folgende Film- und Bilddokumente werden verwendet: ˙Triumph of Iron¨, Mano Khalil, CH 1998 ˙Die letzte Chance¨, Leopold Lindtberg, CH 19944/45 ˙Das Boot ist voll¨, Markus Imhof, CH 1980 ˙Lamerica¨, Gianni Amelio, I 1994 ˙Tarifa Traffic¨, Joakim Demmer, CH/D 2003 ˙Fluchtland¨, M. Hadorn, M. Barmettler, G. Andreoli ˙Abreise der Italiener in die Ferien¨ unbekannt, 1960 ˙Der Lange Abschied¨, Fotografien, Dieter Bachmann, Limmat Verlag, Z rich 2003

aufgef hrt. Die Komposition, eine Auftragsarbeit f r das Amt f r Kultur, wurde von Paed Conca im letzten Jahr geschrieben. Das Bildmaterial setzt sich mit der Thematik Migration auseinander und ist eine chronologische Collage aus Dokumentarfilmmaterial und Spielfilmsequenzen. Beachtung verdient die Tatsache, dass die Montage des Filmmaterials und der Kompositionsvorgang Hand in Hand liefen. Das Resultat ist also keine herk mmliche Filmvertonung. Bei ˙Migraton¨ ist die Musik gleich wichtig wie das Bild.


DACHSTOCK

SKITZ ( B B C 1 X T R A , R O N I N R E C . , R E ACT / U K ) MCD ( S I L E N T E C L I P S E / U K )

SAMSTAG, 10. SEPTEMBER, 22.00 UHR

DEBRIS INC. ( R I S E A B OV E / U S A ) ALIX ( I ) , MELANCHOHOLICS ( D E )

FREITAG, 9. SEPTEMBER, 22.00 UHR

UNSANE ( R E L A P S E / U S A ) KRUGER ( V D )

DIENSTAG, 6. SEPTEMBER, 21.00 UHR

JAPAN NOW FESTIVAL: SHIBUSA SHIRAZU ORCHESTRA ( JA P )

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER, 21.00 UHR

∫LYON CALLING TOURª LE PEUPLE DE L»HERBE, HIGH TONE, MEI TEI SHO ( F )

FREITAG, 2. SEPTEMBER, 22.00 UHR

megafon Nr. 287

PROGRAMM

Drei musikalisch hnlich gelagerte Projekte aus Lyon werden vom Label Jarring Effects auf ausgedehnte Europatour geschickt, denen gemeinsam ist, dass sie alle k rzlich ihr drittes Album ver ffentlicht haben, und dass ihr Sound musikalisch nicht kategorisierbar ist, oszillierend zwischen Dub, Ragga, Hip Hop, Drum n Bass, Worldmusic, Jazz und Elektronik, dabei ihren jeweils eigenen Stil pr gend. — Le Peuple de l Herbe begannen als Duo zweier DJs, die vom Hip Hop her kamen, und bald um einen Drummer und einen Trompeter verst rkt wurden. In dieser Besetzung erschien 2000 das Debut-Album ˙Triple Zero¨ auf ihrem eigenen Label Supadope. Im Spannungsfeld, das von den DJs geschaffene Material live umzusetzen, und auf der B hne Erprobtes wiederum im Studio zu verdichten, schaffen sie einen explosiven Cocktail aus Jungle, Hip Hop, Funk, Ragga, Dub, Breakbeat und Drum n Bass, gew rzt mit einer geh rigen Portion Humor. Hatte schon ihr Album-Debut durch aufsehenerregende Verkaufszahlen, verschiedene Preise, darunter als bester Live-Act Frankreichs, auf sie aufmerksam gemacht, wurde das Projekt auch durch ausgiebige Live-Pr senz, unter anderem mit der Asian Dub Foundation und dem ˙Godfather of Dub¨ Adrian Sherwood, weitherum bekannt. Gleichzeitig hat auch die B hnen- und Studio-erprobte Zusammenarbeit an ihrer Musik geschliffen, sie virtuoser werden lassen, ohne dass sie an Unberechenbarkeit verlieren w rde, wie auf dem diesen Fr hling erschienen dritten Album ˙Cube¨ nachzuh ren ist, welches unter anderem mit einer Zusammenarbeit mit Puppetmastaz aufwartet. Auch das f nfk pfige Projekt High Tone hat k rzlich das dritte Album ˙Wave Digger¨ (Jarring Effects) herausgebracht. Mit Ez3kiel, Zenzile, Improvisators Dub, mit welchen sie das Album ˙Highvisators¨ produziert haben, und anderen Projekten, geh ren sie zum Kern der keimenden ˙Hexagonalen Elektro Dub-Szene¨ Frank-

LE PEUPLE DE L»HERBE, HIGH TONE, MEI TEI SHO ( F )

∫LYON CALLING TOURª

FREITAG, 2. SEPTEMBER, 22.00 UHR

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ge, die von Rock, japanischem Enka und Pop, ber Latin, Folk, Groove und Jazz reichend, dem Big Band-Genre eine neue Dimension verleihen. Inspiriert von der Philosophie und dem bunten Auftreten des Sun Ra Arkestras, hat der Jazz-Bassist Daisuke Fuwa das Projekt 1988 ins Leben gerufen als musikalische Begleitung f r ein Theater. Seither waren zahlreiche namhafte Artisten Teil der st ndig wechselnden Belegschaft des einzigartigen Projekts, auf dem eigenen Label Chitei Records wurden bisher acht Alben ver ffentlicht, ausgedehnte Touren f hrten unter anderem bereits dreimal nach Europa, wo sie die erste Independent-Band waren, die am britischen GlastonburyFestival auftrat. Dieses Jahr, anl sslich der vierten Europa-Tour, wurden sie zum zweiten Mal an das New Jazz Festival Moers eingeladen, am Uncool Festival im Val Poschiavo trafen sie einmal mehr auf das Sun Ra Arkestra, welches seit der endg ltigen Abreise des Meisters unter der Leitung von Marshall Allen steht. Seit 2000 haben sie zudem bereits viermal eine j hrliche Residenz am Fuji Rockfestival gehabt, dem gr ssten und bekanntesten Japans, wobei sie 2003 zus tzlich das Sun Ra Arkestra einluden. Auf ihrer letztj hrigen Ver ffentlichung ˙Shibuboshi¨ sind denn auch Marshall Allen, Michael Ray und Elson Nascimento vom Arkestra Teil von Shibusashirazu. Kein Tontr ger kann jedoch die ungest me Wucht ihrer opulenten Auftritte vermitteln, die zu beschreiben ein schwieriges Unterfangen darstellt: Selbst, sie als Augenweide und Ohrenschmaus zu bezeichnen, wird der Sache nicht gerecht, denn die wilde Freude am strukturierten Chaos, die auf und um die B hne entfesselt wird, greift mitunter auch auf das Publikum ber, und kann, ohne bertreibung, zu euphorischen Trance-Zust nden f hren.

Die Entstehung von Debris Inc., dem gemeinsamen Projekt von St. Vitus Gitarristen Dave Chandler und TroubleBassisten Ron Holzner, geht auf die Initiative Ron Holzners zur ck, ein neues Projekt auf die Beine zu stellen. Dave Chandler willigte nach l ngerem ein unter der Bedingung, dass sie zusammen Punk-Songs schreiben w rden. Das Ergebnis, das die beiden als ihre R ckkehr zur Besinnung daran bezeichnen, warum sie einmal begonnen haben, Musik zu machen, aus Freude, umschreiben sie als ˙happy violent drunken stoner punk doom¨. In der Tat ist die Freude sp rbar, die die Herren an ihrer Musik haben, und da ist auch ein rotziges Punk-Feel, doch da ist auch Metal, unverkennbare Gitarrenarbeit aus der Zeit, als das Stoner-Rock-Ding noch gar nicht geboren war, das Genre vorwegnehmend, und in erster Linie ist das Rock n Roll. Das ganze Album mit 19 Songs, eingespielt mit vier verschiedenen Drummern im Kasten, hat sie Lee Dorrian (exNapalm Death, Cathedral) auf sein Rise Above-Label geholt.Als Dritter mit unterwegs wird mit Jimmy Bower der Drummer von Superjoint Ritual, Down und EyeHateGod sein. — F r diese Europa-Tour werden sie begleitet von Alix, der 1995 von der S ngerin Alice Albertazzi gegr ndeten Band aus Bologna, die mit ihrem eigenwilligen Gitarrensound zwischen psychedelischem Doom, Stoner, und den Bez gen zur Rockmusik der 70er Jahre eine eigene Sparte er ffnet hat, die sie schon B hnen mit so unterschiedlichen Bands wie The Roots, Rage Against the Machine, Hidden Hand, Sun Dial oder Dozer teilen liess. Ende letzten Jahres erschien ihr viertes Album ˙Ground¨. — Der Abend wird er ffnet durch das deutsche Trio Melanchoholics, welches im Line Up mit Gitarre, Bass und Electronics eine Art Doom-Ambient schafft, sparsame Kl nge in langsamen Intervallen sich allm hlich zu gewaltigen Soundt rmen aufbauen lassend, Dub-, Industrial- und Metal-Elemente verwebend.

DEBRIS INC. ( R I S E A B OV E / U S A ) ALIX ( I ) MELANCHOHOLICS ( D E )

FREITAG, 9. SEPTEMBER, 22.00 UHR


FREITAG, 16. SEPTEMBER, 22.00 UHR

SHIBUSA SHIRAZU

IBOU NDIAYE PERCUSSION ENSEMBLE NUYOO ( S E N / C H ) ; SUPPORT: CULTURE FACTORY ( B E ) √ AFRO CARIBBEAN REGGAE VIBES, DJS T.B.A.

SAMSTAG, 24. SEPTEMBER, 22.00 UHR

R3S3T PRESENTS: DDAMAGE ( P L A N E T M U / F ) ; SUPPORT: LIVE: OPERATEUR FOTOKOPIEUR ( V D ) , JOE LA NOIZE & BOOM BOX BABY ( N E ) , DJS MISS KRETTIN & THE (GE-)HACKTER ( N E )

FREITAG, 23. SEPTEMBER, 22.00 UHR

DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS: T.B.A.

SAMSTAG, 17. SEPTEMBER, 22.00 UHR

ONE SELF ( N I N JAT U N E ) , FEAT.: DJ VADIM ( G U S / U K ) , YARAH BRAVO ( B R A / U K ) , BLU RUM 13 ( U S A ) , DJ WOODY ( U K ) , SUPPORT: ROUND TABLE KNIGHTS ( R E VO LT R E C O R D S / B E )

Im Rahmen des ˙Japan Now¨ betitelten Festivals f r Kultur aus Japan, mit dem Schwergewicht auf Butoh-Tanz, welches dieses Jahr vom Japan-Schweizer Imre Thormann vorwiegend in der Dampfzentrale organisiert worden ist, d rfen wir im wahrsten Sinn des Wortes eine Sensation pr sentieren: Das Orchester Shibusashirazu (frei bersetzt: ˙Sei nie cool¨) ist eine ber zwanzigk pfige Band, deren genre bergreifende Musik eingebettet ist in eine multimediale Performance, die mit Butoh-Tanz, Go Go Girls, traditionellen theatralischen Einlagen, und Live Painting einen ungew hnlichen Rahmen schafft f r Kl n-

JAPAN NOW FESTIVAL: SHIBUSA SHIRAZU ORCHESTRA ( JA P )

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER, 21.00 UHR

reichs. Mit Bezug auf die Urv ter King Tubby und Lee ˙Scratch¨ Perry, die den Stil f r die B-Seiten von ReggaeSingles in den 60er Jahren kreiert hatten, wenden sie deren Studio-Techniken an unter Einbezug der aktuellen elektronischen Stile, insbesondere der f r den Dancefloor kreierten. Besonders auf ihrer letzten Ver ffentlichung sprengen sie dabei den Rahmen des f r Dub-Puristen zul ssigen, verweben in die s ffigen Grooves ihrer Instrumentalmusik Samples asiatischer und orientalischer Musik, verwenden Industrial- und Soundtrack-Elemente. Den psychedelischen Touch ihres akustischen Outputs unterst tzen sie mit Live-Visuals, die ihre Auftritte zum Erlebnis machen. Auch ihre f nf Label-Kollegen von Mei Tei Sho sind weitgehend dem Dub verpflichtet, und kennen keine Grenzen, indem sie zum Beispiel mit der traditionellen Gruppe Ganoub aus gypten das Projekt ˙Sandelaya¨ starteten. Ihr Name bezieht sich auf den japanischen Ausdruck f r einen Trancezustand, der durch den berkonsum von Reis verursacht wird, was sie sich zur Formel gemacht haben: Sich entwickeln, sich wiederholen. Sich wiederholend, ohne stehenzubleiben, sich entwickelnd, ohne das Vergangene auszul schen. Den Begriff Dub vermeidend, nennen sie ihr Ding ˙Afro Jungle Jazz¨, und meinen damit das schwelgerische Durchsegeln von Afro-Beat und Jungle mit Ausfl gen in den Jazz, Traditionen Afrikas, die sich der Elektronik ffnen, an Vinyl-Scratches reiben, mit Dub vermischen, und in jazzigen Improvisationen ausleben, getragen durch die Stimme, die mit ihren No-Nonsense-Lyrics das Terrain zusammenh lt. Von drei College-Kumpels 1988 gegr ndet, haben sich Unsane als Begr nder des ˙Noise Rock¨ in den musikalischen Olymp eingeschrieben. Seit 1992 in der Besetzung mit Gitarristen und Frontmann Chris Spencer, Dave Curran am Bass, und ex-Swans und Foetus-Schlagzeuger Vinny Signorelli, verbreiten sie ihre eigene Art von ˙uneasy listening¨, sich durch Songs pr gelnd, deren Markenzeichen die Lautst rke, die Geschwindigkeit und eine kaum verhaltene Aggressivit t darstellen. In ihrer Heimatstadt New York sozusagen mit ihrer Entstehung Kultstatus erwerbend, trugen eine Amerika-Tournee als Support von Slayer, und eine Europa-Tour mit Neurosis das ihre dazu bei, die Band weitherum bekannt zu machen. Nach dem 98er-Album ˙Occupational Hazard¨ war es eine Weile still um das Trio, das neu auf Relapse Records untergekommen ist, wo mit ˙Lambhouse — Unsane 19911998¨ auch eine Compilation ihrer st rksten St cke erschienen ist, begleitet von einer DVD mit s mtlichen ihrer Videos, welche ihren grimmigen Humor und ihre Vorliebe f r schockierende Effekte verraten. Diesen Fr hling ist nun ihr lange erwartetes, neustes Album ˙Blood Run¨ erschienen, welches die Veteranen des l rmigen Rocks in alter Frische zeigt. ˙Mit der Subtilit t eines voll frontalen Auto-Crashs¨, wie es das Label in der ReleaseInformation umschreibt. Dass auch die Lausanner Band Kruger eine neue Scheibe am Start hat, ist Grund genug, eine der zahlreichen Bands, die Unsane als grossen Einfluss auf ihre Musik angeben, den Abend er ffnen zu lassen.

UNSANE ( R E L A P S E / U S A ) KRUGER ( V D )

DIENSTAG, 6. SEPTEMBER, 21.00 UHR

(BBC 1XTRA, RONIN REC.,

(SILENT ECLIPSE/UK)

UNSANE

F r den Brit-Hop charakteristisch ist wohl nicht nur, dass er musikalisch innovativer ist als der durch den Kommerz erstickte berseeische Arm der Szene, sondern auch, dass britische Rapper sich weniger davor scheuen, gesellschaftliche und politische Themen aufzugreifen, ganz der ˙Old School¨ verpflichtet, wobei die Freiheit auff llt, mit der verschiedene Stile wie Reggae, Ragga, Drum’n’Bass, UK Garage etc. mit Hip Hop vermischt werden. Neben den Gallionsfiguren Roots Manuva und Rodney P kann wohl Skitz, der mit Rodney P gemeinsam seit 2002 die Hip Hop-Sendung des digitalen Senders der BBC ˙1Xtra¨ hostet, als der Arbeiter im Hintergrund der Szene bezeichnet werden. Seit seinem ersten Album ˙Countryman¨ (2001), f r welches er 25 DJs und MCs ins Studio holte, beweisend, wieviele frischen Talente im Land existieren, werden seine Skillz f r die Produktion und f r Remixes von einer illustren Gemeinde Englands beansprucht. Daneben nutzt er seine weitreichenden Connections auch weiterhin, seine Tracks in Zusammenarbeiten mit gestandenen und jungen Talenten entstehen zu lassen, und neben diversen Compilation-Beitr gen hat er letztes Jahr auch sein zweites Album ˙Homegrown Vol. 1¨ ver ffentlicht, eine weitere Bestandesaufnahme der Subkultur Britanniens, an der Ty, Roots Manuva, Rodney P, Skinnyman, Dynamite MC, Rascalz, The Extremists und viele andere beteiligt sind, und nat rlich MCD, mit welchem er dieses Konzert bestreitet: Der Begr nder des Labels Silent Eclipse, dem Rodney P in Skitz St ck ˙Dedication¨ auf dem ˙Homegrown¨-Album die Zeile widmet: ˙I don t feel no MC like I feel MCD¨, ist nach seinem Album-Debut ˙Psychological Enslavement¨ (1995) f r Island zur ck bei den Independents, und hat 2003 auf Ronin Records sein bisher letztes Album ˙Entrapment¨ ver ffentlicht.

MCD

R E ACT / U K )

SKITZ

SAMSTAG, 10. SEPTEMBER, 22.00 UHR


DACHSTOCK SAMSTAG, 17. SEPTEMBER, 22.00 UHR

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geschmiedet wurde, eine Supergroup zu gr nden: One Self umfasst mit Yarah Bravo und Blu Rum 13 nicht nur zwei gestandene Gr ssen, mit denen er schon Jahre zusammengearbeitet hat, welche Produktionen mit Leuten wie TTC, Canibus, Luke Vibert oder Kid Koala zu verzeichnen haben, mit Lyrics von seltener Qualit t, ihre Stimmlagen erg nzen sich auch bestens, einer grossen Bandbreite von Themen textlichen und melodi sen Ausdruck zu verleihen. Im Verbund mit DJ Woody, einem der anerkanntesten britischen Scratch-DJs, ITF- und Vestax-Worldchampion, und dem Perkussionisten Groove Gangsta Pete, schafft DJ Vadim mit dem diesen Sommer ver ffentlichten Debut ˙Children of Possibility¨ ein Album, welches mit seiner stilistischen Vielfalt und der gleichzeitigen Homogenit t der One Self-Crew nicht nur die Kritik besticht, die sich im Lob berbietet: ˙Super Individualistisches St ck futuristischen, psychedelischen Hip Hop Souls¨ (DJ), ˙Wenn die Musikindustrie wahrhaft und gerecht w re, und nicht die vergiftete und korrupte Industrie, die vom gehirngewaschenen Geschmack der geistlosen Mehrheit abh ngen w rde, k nnte dies Ninja Tunes erste Nummer 1 Hit-Scherbe werden.¨ (Soul Generation), ˙Some of the most inventive Shit of our Time.¨ (Trace)

Fast vier Jahre, nachdem sie mit Electronicat ihr Dachstock-Debut an einem r3s3t-Abend gegeben haben, kehren die Gebr der JB und Fred Hanak a.k.a. dDamage anl sslich einer Europa-Tour auf unsere B hne zur ck. Damals noch auf dem Label Alice in Wonder zuhause, sind sie inzwischen auf Planet Mu untergekommen, wo ihre Musik bestens ins breit gef cherte Repertoire passt: Mit verfremdeten Gitarren-Samples von Fred, und solchen, die sie anderswo geliftet haben, und einer handvoll analoger Synthesizer und Loop-Maschinen, verfrachten sie das Rock-Idiom in seiner l rmigsten Auffassung in die elektronische Musik, zu gleichen Teilen von Grunge und Hip Hop inspiriert. Nach dem letztes Jahr erschienen dritten Album ˙Radio Ape¨, folgt mit der EP ˙Pressure¨ ihr zweites Werk f r Planet Mu. Es zeichnete sich zudem schon mit der Zusammenarbeit mit den franz sischen Ausnahme-Rappern TTC (Big Dada) f r die EP ˙Trop de Singe¨ (Active Suspension) ab, dass die Gebr der ihrer Musik so sicher sind, dass sie sie auch anderen Einfl ssen aussetzen. So stehen Kollaborationen mit dem nach Paris ausgewanderten New Yorker Mike Ladd an, die EP ˙Mistake/Rewind/Repeat¨ (Werk) mit ihren Remixes des

ONE SELF ( N I N JAT U N E ) , DACHSTOCK DARKSIDE FEAT.: DJ VADIM ( G U S / U K ) PRESENTS: T.B.A. YARAH BRAVO ( B R A / U K ) BLU RUM 13 (USA) DJ WOODY (UK) FREITAG, 23. SEPTEMBER, 22.00 UHR SUPPORT: ROUND TABLE KNIGHTS R3S3T PRESENTS: ( R E VO LT R E C O R D S / B E ) DDAMAGE ( P L A N E T M U / F ) DJ Vadim k nnte sich getrost zur cklehnen und als ProduSUPPORT: LIVE: OPERATEUR zent ein komfortables Leben f hren, f r die Cr me der MCFOTOKOPIEUR ( V D ) JOE LA NOIZE Talente ber den ganzen Erdball seine zwischen Independent Hip Hop und experimentellen Instrumental-Tracks pen- & BOOM BOX BABY ( N E ) delnden Skillz anwenden. Nach ber sechshundert KonzerDJS MISS KRETTIN ten in sechs Jahren mit dem ˙Russian Percussion¨-Projekt hat er sich jedoch entschlossen, aus daran Beteiligten, & THE (GE-)HACKTER ( N E ) deren Zusammenarbeit auf der B hne wie im Studio

FREITAG, 16. SEPTEMBER, 22.00 UHR

megafon Nr. 287

PROGRAMM

(BE)

Gross war die Freude, als, f r den Anfang M rz dieses Jahres geplanten Abend mit der Tanz- und PerkussionsGruppe Les Lions D Afrique, mit Doudou N Diaye Rose ein anerkannter bermittler der traditionellen Perkussionskultur des Senegal angek ndigt werden konnte. Umso gr sser war die Entt uschung, als der ganze Anlass wegen Komplikationen bei der Erteilung der Visa abgesagt werden, der Abend den DJs berlassen werden musste. Neben dem Verlust, die angek ndigte Veranstaltung nicht durchf hren zu k nnen, f llt auch der finanzielle, durch Vorauszahlungen an Gagen, Reisen und Visas eingegangene, geh rig zu Buche, und es entstand die Idee, einen hnlichen Anlass zur Linderung des Defizits zu veranstalten. Es hat sich der Kontakt zu Ibou Ndiaye ergeben, dem Enkel von Doudou N Diaye Rose, der mit 13 Jahren seine Karriere beim Nationalballet begann, mit diesem als Solist f r Djembe und Sabar bis nach Japan und Taiwan getourt ist, mit der Groupe Kiss sein eigenes Projekt gegr ndet hat, und heute in der Schweiz lebt, seine K nste in Workshops und Konzerten hier und

IBOU NDIAYE PERCUSSION ENSEMBLE NUYOO ( S E N / C H ) SUPPORT: CULTURE FACTORY

AFRO CARIBBEAN REGGAE VIBES, DJS T.B.A.

SAMSTAG, 24. SEPTEMBER, 22.00 UHR

internationalistischen Projekts Stacs Of Stamina erntet Jubel-Kritiken, ein Produktions-Abenteuer mit Mike Paradinas (U-Ziq) wurde von ihnen abgebrochen, da er ihrer Musik die scharf geschliffene Kante nehmen wollte, ein Remix f r Christ., ˙Ray Breakout¨ ab seinem DebutAlbum ˙Metamorphic Reproduction Miracle¨ (2003) f r dessen schottisches Label Benbecula, ist in der Pipeline. Zur ck von ihrer Japan-Tournee Anfang Jahr, war der Plan, Leute, die sie da kennengelernt hatten, auf ihre Europa-Tour einzuladen. Das klappte nun doch nicht, und so wird ihr Auftritt folgerichtig von Projekten aus der franz sischsprachigen Schweiz unterst tzt.

IBOU NDIAYE

anderswo, unter anderem in seiner Heimatstadt Dakar weitergebend. Neben einem Tanz-Workshop mit dem in Frankreich lebenden Samba Diop, und einem PerkussionsWorkshop, den er selbst anbietet am Nachmittag, wird er mit zwei und hoffentlich mehreren Mitstreitern den Abend mit live gespielter Percussion, im Verbund mit den DJs der Culture Factory, zum Dancefloor-Event verwandeln. Wer M he hat, sich zu bewegen, ist an Workshops eingeladen, um sich vorzubereiten, wer sich mitreissen l sst, ist eh zu Hause: This is tribal shit, baby!


GROSSE HALLE

DEUTSCHLAND 1925,180 MINUTEN, RESTAURIERTE FASSUNG, STUMM MIT DEUTSCHEN ZWISCHENTITELN,35MM,

DIE FREUDLOSE GASSE

FREITAG, 9. UND SAMSTAG, 10. SEPTEMBER, 20.00 UHR STUMMFILM MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG

RECONSTRUCTION FESTIVAL FEAT. NOFX, ME FIRST AND THE GIMME GIMMES, ALKALINE TRIO, SNITCH, DILLINGER FOUR & SENSES FAIL

FREITAG, 2. SEPTEMBER, TÜRÖFFNUNG 16.00 UHR

megafon Nr. 287

PROGRAMM

NOFX

NOFX, die beste und punkste Melodic Punk Band der Welt kommt nach ber zwei Jahren wieder in die Schweiz. Zwar haben sie unterdessen mit dem von ihnen mitgetragenen Rock Against Bush-Movement die ˙Wahlen¨ verloren, der Welt mit ˙Idiot Son Of An Asshole¨ aber eine der sch nsten Anti-Bush-Hymnen geschenkt. ME FIRST AND THE GIMME GIMMES, ohne jeden Zweifel die beste PunkCoverband des Universums wird der Halle Hits aus zigJahren Rockgeschichte um die Ohren knallen. Das ALKALINE TRIO steht f r gr sstm gliche Melodien auf kleinstm glichem Raum und SNITCH aus Z rich zeigen, dass auch in der Schweiz Punk mit Brett gespielt wird. Es werden noch 3 Bands spielen, die noch nicht feststehen. Veranstalter: www.leechredda.com

RECONSTRUCTION FESTIVAL FEAT. NOFX, ME FIRST AND THE GIMME GIMMES, ALKALINE TRIO, SNITCH, DILLINGER FOUR & SENSES FAIL

FREITAG, 2. SEPTEMBER, TÜRÖFFNUNG 16.00 UHR

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FREITAG, 9. UND SAMSTAG, 10. SEPTEMBER, 20.00 UHR

Georg Wilhelm Pabst schildert basierend auf der Vorlage des sozialistischen Schriftstellers Hugo Bettauer in beeindruckenden Bildern den Zerfall der Gesellschaft in den 1920er Jahren. Der Film wurde von der Zensur aus politischen und moralischen Gr nden stark gek rzt und verf lscht. Die nun wieder verf gbare deutsche Fassung von 3235Metern wurde im Rahmen einer grossen Restaurie-

DEUTSCHLAND 1925,180 MINUTEN, RESTAURIERTE FASSUNG, STUMM MIT DEUTSCHEN ZWISCHENTITELN,35MM,FARBE REGIE: GEORG WILHELM PABST. MIT: GRETA GARBO (GRETA RUMFORD), WERNER KRAUSS (METZGER),ASTA NIELSEN (MARIE LACHNER)

DIE FREUDLOSE GASSE

STUMMFILM MIT MUSIKALISCHER LIVE-BEGLEITUNG

Weitere Filme mit Greta Garbo vom 17. September bis 1. November im Kino Kunstmuseum.

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit der Cineteca del Comune di Bologna erm glicht dank der freundlichen Unterst tzung von Migros Kulturprozent und der Sadt Bern,Abteilung Kulturelles. Tickets an der Abendkasse jeweils ab 19.00 Uhr erh ltlich. Pr sentiert von der Grossen Halle und dem Kino in der Reitschule.

Es spielen unter der musikalischen Leitung von Marco Dalpane (Komposition und Piano) Francesca Aste (Synth),Marco Zanardi (Klarinette), Sebastiano Severi (Cello) und Sara Sternieri (Violine).

rungsaktion in Zusammenarbeit mit einer Reihe europ ischer und US-amerikanischer Filmarchive hergestellt.


FRAUENRAUM

FOR WOMEN AND MEN AND ALL IN BETWEEN.

OFFSTREAM √ THE ALTERNATIVE GAY PARTY

FREITAG, 30. SEPTEMBER, 22.00 UHR HOMOAG UND OFFSTREAM@IDA:

TANZABEND FÜR GLEICHGESCHLECHTLICHE PAARE FÜR STANDARD- UND LATEINAMERIKANISCHE TÄNZE AB MITTERNACHT OLDIES-DISCO FOR WOMEN AND MEN

TANZ-BAR@IDA:

FREITAG, 23. SEPTEMBER, 21.00 UHR

(LESBISCH-SCHWULES CHILLEN) FOR WOMEN AND MEN

CRASH HELMET LOUNGE

DONNERSTAG, 22. SEPTEMBER, 20.00 UHR IDA PRÄSENTIERT:

MAJA BEUTLER LIEST TEXTE ZUM 11. SEPTEMBER FOR WOMEN AND MEN

SCHREIBT UNS DIE GESCHICHTE ANSICHTSKARTEN?

SONNTAG, 11. SEPTEMBER, 10.30 UHR WORTRAUM.WORTREICH PRÄSENTIERT:

WOMEN ONLY

AMIE: FRAUENTAUSCHENKLEIDERBÖRSE

SAMSTAG, 10. SEPTEMBER, 14.00-16.00 UHR

FOR WOMEN AND MEN

MILOU'S LOUNGE

DONNERSTAG, 8. SEPTEMBER, 20.00 UHR IDA PRÄSENTIERT:

WOMEN AND MEN IN FUMMEL

DRAG NIGHT VOL. 4

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER, 22.00 UHR IDA PRÄSENTIERT:

FOR WOMEN AND MEN

DA-LOUNGE-DA!

DONNERSTAG, 1. SEPTEMBER, 20.00 UHR IDA PRÄSENTIERT:

megafon Nr. 287

PROGRAMM

Unter diesem Titel und Leitmotiv startet eine neue Donnerstagslounge des Frauenraums in den Veranstaltungshimmel. Monatlich sollen am ersten Donnerstag im Monat Texte, Darbietungen und Inszenierungen aus allen Kunstrichtungen, Skurriles und Dadaistisches, aber auch gew hnliche Gespr che und ganz banales Bier ihren Platz haben, in einem Beisammensein von Anregung und Anstoss. Ein Trinkspruch: Zu jedem Getr nk / ein Wort Geschenk! / Solls lieber ein Drink sein / nach deinem Gem ht? / Fisple der Bardame / was dich ber hrt. / So erh ltst du dein Wohlbefinden / fl ssig verf hrt. for women and men

DA-LOUNGE-DA!

IDA PRÄSENTIERT:

DONNERSTAG, 1. SEPTEMBER, 20.00 UHR

Nach der Sommerpause feiern wir den Veranstaltungsbeginn mit klassischen Kl ngen zu Kaffe und Croissants. In der warmen Atmosph re des Frauenraum geniessen wir die Sehnsucht und s ssen Seufzer vorgetragen von Katharina Spielmann, einer im In- und Ausland bekannten Lieder- und Operns ngerin, auf dem Klavier begleitet von Silvia—Kristina Hadorn. for women and men

LIEDER UND ARIEN ÜBER DIE UNERFÜLLTE LIEBE KATHARINA SPIELMANN, SOPRAN SILVIA-KRISTINA HADORN, PIANO

˙Die Vorderseite zeigt ewig dasselbe Bild: Zerst rung, so weit das Auge blickt. Und der Text? Steht zu Recht auf der R ckseite, kleingeschrieben, vielleicht eine Liste? Namen oder Daten, m glicherweise das Wort Liebe und Gr sse, oder heisst es Hiebe und Bl sse? Als Schweizerb rgerin habe ich den Eindruck, die Vergangenheit beweise schwarz auf weiss, wie es in unserem Land zu und her gegangen sei ohne m tterliche Mitsprache. Jetzt will der Bundesrat 800 Panzer in den Irak exportieren, er will die Asylpolitik weiter versch rfen— ich bin als B rgerin politisch l ngst mitverantwortlich. Exakt f r das, was ich f r unverantwortlich halte. Ich gehe oft nach Berlin, wo ich mich politisch f r nichts

MAYA BEUTLER LIEST TEXTE ZUM 11. SEPTEMBER √ NACH DER LESUNG: OFFENE GESPRÄCHSRUNDE

SCHREIBT UNS DIE GESCHICHTE ANSICHTSKARTEN?

WORTRAUM.WORTREICH PRÄSENTIERT:

SONNTAG, 11. SEPTEMBER, 10.30 UHR

Nachdem die B rse letztes Mal im M dchentreff Punkt 12 zu Besuch war, freuen wir uns die Frauen mit den grossen Kleiders cken wieder bei uns beherbergen zu d rfen. In aller Ruh kann frau in den mitgebrachten Kleidern w hlen, ausprobieren und tauschen. Eine Aktion abseits der Modeindustrie, die Vielfalt in den Mittelpunkt r ckt und dem Kauftaummel eine Spielvariante entgegensetzt. Bringt alle eure Kleider mit, die ihr nicht mehr sehen k nnt und doch gerne getragen sehen w rdet. women only

AMIE √ DIE FRAUENKLEIDERTAUSCHBÖRSE

DAVON GEHT DIE WELT NICHT UNTER

SAMSTAG 10. SEPTEMBER, 14.00 BIS 16.00 UHR

IDA PRÄSENTIERT:

IDA PRÄSENTIERT

SONNTAG, 28. AUGUST, 11.00 UHR (TÜRE: 10.30 UHR)

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FREITAG, 30. SEPTEMBER, 23.00 UHR

Zusammen mit den Leuten von Offstream l dt die Homo AG ein, da darf auch ein wenig in eigener Sache geworben werden: Die Homo-AG ist seit etwas mehr als zwei Jahren eine feste Gruppierung in der Reitschule, und wurde gegr ndet nachdem es im Reitschule-Umfeld zu mehreren homophoben bergriffen gekommen war. Seit ihrer Gr ndung hat die Homo AG Konzerte, regelm ssige schwul-lebische queere Bars und Demos organisiert, im Fummel andere Demos besucht, Infos ber linke schwul-lesbische Aktivit ten gesammelt bzw, weitergegeben etc. etc ˙Wir verstehen uns in erster Linie als schwullesbische Linke, die sich im Mainstream der so genannten schwullesbischen Familie nicht wohlf hlen. Auch wollen wir nicht, dass aus unserer Sexualit t Kapital geschlagen wird (Pink Economie). Unsere Homosexualit t betrachten wir in einem queeren Kontext was heissen soll, dass wir die klassischen Geschlechterrollen beziehungsweise, die sexuelle Identifikation der b rgerlichen Gesellschaft und der herrschenden Klasse nicht akzeptieren, sondern bek mpfen. Wir wollen ein Umdenken innerhalb linken (autonomen und militanten) Strukturen hervorrufen, weil diese Strukturen nach wie vor patriarchalisch und homophob sind.¨

Offstream, die Gay-Lesbian Alternative Party mit Stammsitz in Z rich, begibt sich im Fr hherbst auf Reisen. Ihren ersten Ausflug f hrt sie in die Reitschule . In Zusammenarbeit mit der Homo AG und IDA wird der Frauenraum mit Gitarrenkl ngen beschallt bis sich die Balken biegen, und wie immer darf dazu auch getanzt werden! Nebst den Offstream-Resident DJs stehen dieses Mal zus tzliche weibliche G ste hinter dem Mischpult und spielen Indie, Alternative, Punk und andere gitarrenlastige Musikperlen. Berne rocks! Weitere Infos: www.offstream.ch

ON TOUR

IDA, HOMO AG & OFFSTREAM PRÄSENTIEREN:


SAMSTAG, 3. SEPTEMBER, 22.00 UHR

Wie gewohnt laden wir am zweiten Donnerstag des Monats ein zu gem tlichem schwul-lesbischen und queeren Chillen. Wenns draussen wieder herbstlich wird, lockt auch unsere gute Stube mit einer Alternative zum g ngigen Barangebot. for women and men

MILOU»S LOUNGE

IDA PRÄSENTIERT:

DONNERSTAG, 8. SEPTEMBER, 20.00 UHR

Auch wenn sich andere darin versuchen, die traditionsreichste Drag Nicht findet immernoch im Frauenraum der Reitschule Bern statt. Zum vierten Mal das biologisch Unm gliche geschehen lassen, den allt glichen Rollen trotzen, und f r eine Nacht in eine andere schl pfen. In der Tradition der vergangenen Drag Nights steht das Publikum f r einmal im Mittelpunkt, ob optisch unter den Zuschauern oder auf der B hne. Die Playback Show bietet allen die Gelegenheit mal endlich selbst ein Stern zu sein. Durch den Abend begleitet uns Housi, der Bauer, musikalisch umramt wird das Ganze von live gespielter Orgelmusik. Abgetanzt wird bis in den Morgen mit ElfERich und Anouk Amok, bekannt als Tellermeister bei Drangsaal und der Frauendisco Popshop. Alles sei nicht verraten, nur soviel: F r einen unvergesslichen Abend ist gesorgt. Anmeldungen f r die Playbackshow nehmen wir gerne an unter ida@reitschule.ch. for women and men in Fummel bei Drag Kleidung reduzierter Eintritt

DRAG NIGHT VOL. 4: PLAYBACK SHOW UND DISCO MIT DJ ELFERICH UND ANOUK AMOK

IDA PRÄSENTIERT:

(MEHR-

Der ungezwungene Tanzabend f r gleichgeschlechtliche Paare f r Standard- und Lateinamerikanische T nze. Ob Walzer oder Mambo, Salsa oder Jive, hier l sst sich hier das Erlernte genussvoll anwenden und ausbauen. Mensch f hlt sich zur ckversetzt in die Zeiten, als es noch nach Pferdemist roch in diesen Stallungen. Im Verlaufe des Abends l sen sich die Figuren auf und das Tanzbein wird weiter zu Oldies but Goldies geschwungen. for women and men

DIE TANZ-BAR

TANZBAR@IDA PRÄSENTIERT

FREITAG, 23. SEPTEMBER, 21.00 UHR

Wo sonst wird mensch schon an einer bequemen Bar von einer todschicken DJ bedient, die nebst der Unterhaltung, auch die Plattenteller am kochen h lt? Die Drei-Frauenposse weiss ihre G ste mit upbeatigem break bis groovigen Kl ngen einzuh llen und den perfekten Rahmen f r anregende Verwicklungen zu bieten. for women and men

HEITLICH LESBISCH-SCHWUL)

CRASH HELMET LOUNGE

IDA PRÄSENTIERT:

DONNERSTAG, 22. SEPTEMBER, 20.00 UHR

verantwortlich zu f hlen habe, nur ist dieser Satz das Papier nicht wert: Ich kann mich nirgends aus der Geschichte ausklinken, noch irgendwo vor der Zukunft bergen.¨ Maja Beutler lebt als freie Schriftstellerin in Bern. Sie hat jahrelang f r Radio DRS gearbeitet, ihre Texte zum Neuen Tag sind auch in Buchform greifbar. Zudem hat sie Theaterst cke, zwei Erz hlb nde und die Romane Fuss fassen , Die Wortfalle und Die Stunde, da wir fliegen lernen publiziert. for women and men for women and men

Kannst du die folgenden Aussagen bejahen, dann bist du bei uns richtig. Du bist lesbisch, schwul, bisexuell oder transsexuell. Du hast Lust, deine linke politische Gesinnung auf unkonventionelle Weise kundzutun. Du willst abseits von schwul-lesbischen Mainstream mit anderen Gleichgesinnten plaudern, diskutieren, Aktionen planen, demonstrieren, feiern, Fummel tauschen, Dildos basteln. Melde dich bei uns! homo@reitschule.ch oder homo@immerda.ch


TOJO

Das sehr h bsche und feine Tojo Theater der Reitschule Bern startet ab September 05 eine neue Reihe unter dem sinnigen und klingenden Namen TITTANIC. TITTANIC ist die Folge einer berdosis Testosteron und steht ganz im Zeichen von B hnenk nstlerinnen. Damit werden Konsumentinnen und Konsumenten neu ein Label erhalten, auf das sie sich verlassen k nnen: Mindestens vier Mal im Jahr haben sie die Gelegenheit eine Darbietung ohne das bliche ˙Gopf-scho-wieder-eifach-numeType-Gef hl¨ zu geniessen. Als das gemischtgeschlechtliche Tojo Team wieder einmal ber dem Wohlergehen seines Publikums, das uns doch sehr am Herzen liegt, br tete und sich Gedanken machte, wie wir unsere BesucherInnen auch in Zukunft gl cklich machen k nnen, flatterte ein Angebot mit einer Lesung der Titanic Boy Group rein. Grundtenor unter den mehrheitlich vertretenen Tojo-Grazien war: Komm, die hatten wir schon zweimal und es sind immer ausschliesslich M nner und sp testens nach der Pause hat man doch schon ein bisschen das Gef hl, diesen M nnerhumor hab ich jetzt geh rt, ich geh lieber ins sous le pont auf ein Bier. Ok, wir waren mit diesen Veranstaltungen recht erfolgreich, aber wir sagen denen ab, for a change. Und die freiwerdende Gage stecken wir in eine neue Serie: TITTANIC! Als erste Veranstaltung unter dem Label TITTANIC wird nun am Fr. 23. September 05 eine Lesung mit vier ber chtigten Autorinnen geboten: Ulrike Ulrich (Z rich), Suzanne Zahnd (Z rich), Stefanie Grob (Bern) und Sandra K nzi (Bern). Die vier Damen kennen sich von Veranstaltungen des ˙Verlag der gesunde Menschenversand¨, der ja schon seit jeher gute Antworten auf die

˙TITTANIC, die Erste¨ Lesung mit Ulrike Ulrich, Suzanne Zahnd, Stefanie Grob, Sandra K nzi, begleitet von Sibylle Aeberli.

DER NEUE TOJO QUOTENKNÜLLER!

∫TITTANIC, DIE ERSTEª

ZUM SAISONBEGINN:

FREITAG, 23. SEPTEMBER, 20.30 UHR

megafon Nr. 287

PROGRAMM

Biographien und mehr: www.tojo.ch

sogenannte Frauenfrage bietet. Das ist aber noch nicht alles: Suzanne Zahnd bringt die absolut hitverd chtigte Sibylle Aeberli (Z rich) mit. Frau Aeberli wird Frau Zahnd, und bedarfsweise auch die anderen Autorinnen, musikalisch begleiten, sowie ab und zu einen Jingle, ein Pausenintermezzo und hnliches zum Besten geben. Nach diesem tollen Auftakt geht es pr chtig weiter. Das verraten wir aber noch nicht. Auf jeden Fall werden im November 05 handfeste Definitionen von Ying und Yang die W nde des Tojos und die Herzen derer, die sich darin befinden, zum Einst rzen bringen. Soviel sei schon gesagt. Lasst Euch berraschen. Selbstverst ndlich hat bei TITTANIC auch Das Andere Geschlecht im Publikum und auch auf der B hne seinen Platz. Who’s afraid of quote? Mit der Lesung der Tittaninnen am Fr. 23. September 05 geht auch die Saisoner ffnung des Tojos einher. Das Tojo hat w hrend der Sommerpause einen repr sentativen Saloon bekommen: mit Sch ferhund und Ahnengalerie und illustren Pers nlichkeiten, die die Dame und auch den Herrn vor der Toilette erwarten. Es ist einfach noch sch ner geworden. Wir sind ganz gespannt auf Euch. Wir erwarten Euch. Alle.

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smoke fish ist die leise Geschichte einer Begegnung mitten im Nirgendwo. Die Fischverk uferin Nova steht jahrein, jahraus an ihrem Stand und r uchert Fisch. In der Luft h ngt der Duft von Fischfett und Rauch. Die Gegend ist karg und kaum besiedelt, nur selten sieht Nova ein neues Gesicht. Umso berraschter ist sie, als sie eines Morgens einen schlafenden Mann vor ihrem Fischstand findet. Es ist der Tabakreisende Pekka, der gehetzt wirkt, gejagt, sich in Novas Gegenwart aber allm hlich entspannt. Nova macht ihn mit unkonventionellen Zubereitungsm glichkeiten von Stockfisch vertraut, w hrend er von seinen Reisen berichtet, von Argentinien und vom Gr n der Tabakpflanze. Sie lauschen gemeinsam dem Knistern in den Leitungen des Telefonmasts, der neben Novas Fischstand steht. H rt man genau hin, erkennt man Stimmen. Solche von Liebespaaren aus aller Welt, die sich nachjagen, sich besitzen wollen, sich begehren, betr gen, sich langweilen, sich verlieren, sich verzeihen und doch nicht verstehen. Die Geschichte von Nova und Pekka verl uft anders. Die beiden finden sich mit der kurzen Dauer weniger Stunden ihres Zusammenseins ab, wissen um die Verg nglichkeit gemeinsamer Momente und geniessen deren Fl chtigkeit ganz ohne Wehmut. Vielleicht kommen die beiden sich deshalb so nahe, weil sie sich im Grunde doch fremd bleiben.

REGIE: SARAH-MARIA BÜRGIN TEXT STEFANIE GROB SPIEL: PATRICIA NOCON UND KENNETH HUBER BÜHNE: JENS BURDE, NICOLAS WINTER KOMPOSITION: MARKUS INDERBITZIN

∫SMOKE FISHª

FORMATION POE:SON

MITTWOCH, 28. SEPTEMBER, JE 20.30 UHR FREITAG, 30. SEPTEMBER SAMSTAG, 1. OKTOBER SONNTAG, 2. OKTOBER

1998 gr ndete Sarah-Maria B rgin, zusammen mit den Schauspielerinnen Vanessa Valk und Patricia Nocon, in Hamburg formation poe:son. Die Gruppe deb tierte mit Kinder der Nacht. Weitere Inszenierungen in Hamburg folgten. Eine davon, Eine M rderballade, war am 6., 8. und 9. Oktober 2004 im Theater Tojo der Reitschule Bern zu Gast. 2005 stiess die Autorin Stefanie Grob zu formation poe:son. Stefanie Grob war in der Fr hlings Session 2005 im Schlachthaus Theater und im Mai 2005 mit ˙Helping Hands¨ von pol.theater und einer Autorenlesung im Tojo zu Gast. Ausserdem liest Stefanie Grob, und sie liest super gut, am 23. September im Tojo zur Spielzeiter ffnung in der neuen Tojo Quotenkn ller Serie: ˙Tittanic, die Erste¨ Mit ˙smoke fish¨ kommt nun die dritte Produktion von formation poe:son nach Bern. Ihr braucht dazu nur ins Tojo kommen. www.poeson.ch

FORMATION POE:SON

Wie alle bisherigen Inszenierungen der formation poe:son lebt auch smoke fish stark von Stimmungen, vom Ambiente. Innerhalb der sthetischen Eckpfeilern B hnenbild, Lichtstimmungen, Tonkompositionen entspinnt sich eine Geschichte, die zwar klar in der heutigen Zeit verankert ist, der Welt der (Tele-) Kommunikation, die aber durch das archetypische Setting und die Verwunschenheit des Ortes eine weiterreichende G ltigkeit erh lt. smoke fish hat ganz klar Projektcharakter und wurde zu weiten Teilen auf den Proben entwickelt. Zum ersten Mal startete die Gruppe formation poe:son ohne Textgrundlage und einzig mit der Idee, einen Theaterabend mit minimalistischem B hnengeschehen zu realisieren und Antwort auf die Frage zu finden, wie viel Inhalt denn notwendig ist, um eine Geschichte zu erz hlen. smoke fish setzt auf schauspielerische Feinheiten, erz hlt von N he und Intimit t. Das grosse Drama findet andernorts statt.

INTIMITÄT UND TELEKOMMUNIKATION


SOUS LE PONT

MEXICO SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 21. SEPTEMBER, 19.00 UHR

Vive la merde!!! So das Motto der pariser Hausbesetzer und Musiker Sac merde. Diese ˙Scheisst te¨ wird mit trashigem Ska-Punk-Rhythmen gef llt (am Schlagzeug der Gitarrist von Skarface), bis die Bl ser platzen und der S nger seine Stimmb nder auswechseln muss. Eine sehr wilde, humorvolle und kreative Bande aus dem Banlieu von Paris zeigt ihre Art Musik zu machen und, es ist gut!

SAC æ MERDE ( PA R I S ) & SUPPORTING ACT

SKA-PUNK

FREITAG, 16. SEPTEMBER, 22.00 UHR

BALKAN SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 14. SEPTEMBER, 19.00 UHR

JAPAN SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 7. SEPTEMBER, 19.00 UHR

FLOHMARKT UND BRUNCH

SONNTAG, 4. SEPTEMBER, 8.00-16.00 UHR

megafon Nr. 287

PROGRAMM

Die f nf Jungs sind nicht einmal 20 Jahre alt und spielen Sound, der einem den Boden unter den F ssen weg zieht! Was ist das? Punk? Jazz? Zirkusmusik? Hardcore? Pop? Der Sound von Mudriver passt in keine Schublade, und trotzdem h rt man die Lieblingsmusik der Bandmembers raus: ein Bisschen F ntomas, ein Bisschen Muse, ein Bisschen Mars Volta. Das alles vereint und trotzdem nichts von allem! Mudriver ist zum Tanzen, Zuh ren und Wegdriften. (www.mudriver.ch.vu)

MUDRIVER (WINTERTHUR)

Die vier Herren aus Bern sind einfach sich selber. Sie nehmen Einweg-CDs mit dem Telefonbeantworter auf. Sie komponieren musikalische H rspiele zur H hnergrippe und vor allem: Sie rocken! Aber schubladisieren geht nicht, zu abwechslungsreich sind die Soundgefilde von Psychotron II. Nachgesagt wird der Band, Einfl sse von Sonic Youth und Captain Beefheart in ihren Sound zu weben. Psychotron II ein Klangerlebnis der besonderen Sorte! (www.swissunderground.ch/psychotron)

PSYCHOTRON II (BERN)

MIT PSYCHOTRON II ( B E R N ) MUDRIVER ( W I N T E R T H U R )

RADIESCHEN NACHT#9 RADIO RABE 95.6MHZ

FREITAG, 23. SEPTEMBER, 22.00 UHR

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< PSYCHOTRON II << MUDRIVER

OFFENE BÜHNE #74

MITTWOCH, 28. SEPTEMBER, 22.00 UHR

THAILAND SPEZIALITÄTEN

MITTWOCH, 28. SEPTEMBER, 19.00 UHR

SOLIBAR

MITTWOCH, 28. SEPTEMBER, 19.00 UHR

SAUFEN GEGEN RECHTS

MITTWOCH, 21. SEPTEMBER, 19.00 UHR

SOLIBAR FÜR DANCE OUT WEF

MITTWOCH, 14. SEPTEMBER, 19.00 UHR

SOLIBAR FÜR DIE FAU

MITTWOCH, 7. SEPTEMBER, 19.00 UHR:

I FLUSS

Nur schon zum Gucken: hingehen!

UMBAU- UND WIEDERERÖFFNUNGSPARTY

SAMSTAG, 3. SEPTEMBER, 19 UHR

INFOLADEN


BILDERRÄTSEL

UNKREUZUNGEN

42

megafon Nr. 287, September 2005


AUS GUTEM HAUSE: judihuiii… es gibt wieder neue TiiSCHiiS !!!

Ab sofort zu kriegen jeweils am Flohmi-Abstimmungsstand, durch den Monat im Infoladen, im Ifluss und am Tresen der Dachstock-Garderobe: kurz- oder langärmlig, schwarz oder grau… je mit rotem Aufdruck.

KONTAKTE Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR

MEGAFON POSTFACH 7611 3001 BERN

Briefmarke

Es hat sich bei uns erfreulicherweise eingebürgert, neben «normalförmigen» Leibchen auch tallierte zu bestellen. Kosten: 20 Franken für die Kurzarm, 30 Franken für die Langarm. Abholen ist für uns am einfachsten – wer ganz weit weg hinter der Chratzbodenflue wohnt (oder sich nicht in die Reitschule traut) und trotzdem eines haben möchte: reitschule@reitschule.ch oder Reitschule Bern, Betriebsgruppe, Postfach 5053, 3001 Bern, Geld beilegen. Abwarten. Am Flohmi kann frau/mann übrigens auch ein eigenes Shirt mitbringen (oder erwerben) und an unserem Infostand im Hof selber besiebdrucken.

Postfach 5053 | 3001 Bern reitschule@reitschule.ch www.reitschule.ch T 031 306 69 69 baubuero@reitschule.ch T 031 306 69 57 dachstock@reitschule.ch T 031 306 69 61 X 031 301 69 61

frauenAG ida@reitschule.ch T 031 306 69 68 grossehalle@reitschule.ch T 031 306 69 63

(BITTE ANKREUZEN)

tojo@reitschule.ch T 031 306 69 69 (Di N)

<>

souslepont@reitschule.ch T 031 306 69 55

Name/Adresse

kino@reitschule.ch T 031 306 69 69

MEGABO

infoladen@reitschule.ch T 031 306 69 52

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homo@reitschule.ch T 031 306 69 69

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e-fluss@reitschule.ch T 031 306 69 47

1 Abo = 12 Monate megafon für mindestens FR. 54.– PRO JAHR megafon zur Probe = 3 Monate gratis 1 Geschenkabo = 12 Monate an untenstehende Adresse (oben eigene Adresse angeben):

drucki@reitschule.ch T 031 306 69 65


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