IM JANUAR ENTREE 3 CARTE BLANCHE D’UVM 3 PASSAGIERE INS NEUE JAHR Editorial 4 DER SCHALMANN Entree SCHWERPUNKT SCHNEE 5 SCHNEE IN LATEINISCH HEISST NIX Einleitung Schwerpunkt Schnee 6 DIE ZEITEN, ALS FRAU HOLLE DIE BETTDECKE SCHÜTTELN MUSSTE Woher kommt der Schnee? 9 BAUCHSCHMERZEN VOR DER LAWINE Schnee als Beruf 10 UND ES FIEL SCHNEE Licht aus 11 IMMER WENIGER SCHNEE Klimawandel 13 LANDSCHAFTSARCHITEKTEN UND BOTEN DES KLIMAWANDELS Gletscher 16 AUF ZUR EISERNTE Die Eisgewinnung im Vallée de Joux 17 ECHO DER ZEIT Weile weilt im 18 ALPINISMUS UND UMWELT Freizeit
IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon Plakat uvm Umschlag Simone Egger Bilder uvm Druck DRUCKEREI E REITSCHULE BERN In dieser Nummer Ruth Ammann (tut), Ursula Häni (ush), Tom Hänsel (#tt), Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Heiko Morf (hako), Lisa Strahm (las), Urslé von Mathilde (uvm), Markus Züger (maz). Redaktionsschluss 14. Dezember 2005 näxter 11. Januar 2005 | Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.
20 SAISON IST NICHT GLEICH JAHRESZEIT IST NICHT GLEICH JAHRESZEIT Wenn es zuwenig Schnee hat 22 «KALTGEPRESST» ZWISCHEN BUCHDECKELN Schnee bis Poesie 23 EIN ÄSTHETISCHES MYSTERIUM White Noise INTERNATIONALISTISCHE 24 ES KNIRSCHT IM FORTSCHRITTLICHEN REGIERUNGSGEBÄLK Uruguay INNENLAND 25 WAS TUN, WENN BULLEN PRÜGELN Polizeigewalt 27 NODEMO – LAUTSTARK UND KREATIV GEGEN DAS WEF-JAHRESTREFFEN Anti-WEF-Demos BLICK NACH RECHTS 29 DIE SCHWEIZER NEONAZIS ENTDECKEN DAS «KAMERADSCHAFTSMODELL» KULTUR ET ALL 30 GIPI: NACHTAUFNAHMEN 31 YVONNE MOORE HÖRT MUSIK PROGRAMM KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT FRAUENRAUM 42 STORY OF HELL
Haiku – das ist die kürzeste aller bekannten lyrischen Formen. Diese dreizeilige Gedichtform ist im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert in Japan aufgekommen und bis heute in lebendiger Tradition. Die klare Poesie und die nur vermeintlich einfachen Aussagen sind sinnlich, unmittelbar, nachvollziehbar, spontan und direkt.
Ein warmes Bad ein Gebet zu Buddha ein Kirschblütenzweig das wörtlich übersetzt hiesse:
nachdem ich ein warmes Bad genommen habe, nachdem ich zu Buddha gebetet habe, sehe ich nun einen Kirschblütenzweig Die Kürze des Haikus hat zur Folge, dass den einzelnen Wörtern eine gros-
INHALT
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se Bedeutung zukommt und die Klarheit unterstützt. Haikus sind geprägt megafon Nr. 291, Januar 2006
vorallem von der Lehre des Zens, zudem vom chinesischem Buddhismus, Konfuzianismus und Taoismus. Mach was aus mir, sagt das Haiku – oder auch: spiel mit mir.
CARTE BLANCHE D’UVM
EDITORIAL
PASSAGIERE INS NEUE JAHR Die gute Nachricht vorneweg: Auf die Jammerzeilen des letzten Editorials haben sich zwei Leute gemeldet, uns zu unterstützen. Das tut uns gut. Aber über den Berg sind wir noch nicht. Darum traut euch, meldet euch, wir sind meistens lieb und machen ein feines Heft. Da wollt ihr dabei sein. Bereits sind wir in den Diskussionen über die Themen für die nächsten Monate, im Steilflug ab ins neue Jahr sozusagen. Was würdet ihr denn gerne lesen? Mehr von was? Die Mailbox des megafons ist offen und verständnisvoll und nimmt eure Ideen gerne entgegen. Nur versprochen ist dann noch nichts.
Wie die Reitschule. Die macht auch immer noch, was sie will. Hat im vergangenen Jahr zum vierten Mal einer Abstimmung (und verschiedenen anderen Unannehmlichkeiten) getrotzt – und springt vielleicht sogar stärker ins neue Jahr. Soviel Reaktionen und (positives) Medienecho wie in den letzten Monaten hatten wir als Reitschule selten. Und im Zusammenhang mit der Sondernummer zur Reitschule kriegte sogar das megafon ein paar Zeilen ab – und etliche Bestellungen der Sondernummer und des Bastelbogens. Darauf sind wir sogar ein bisschen stolz! Das megafon hüpft mit, wohlan in den Januar – mit schon fast alten Bekannten: Wie die letzten Jahre gibts auch heuer Mitte Januar eine Tour de Lorraine gegen das WEF. Wir sind dabei und schicken euch das Programm. Weil immer wieder aktuell: Stop WEF! Und jetzt: aufbrechen, mitreisen, losziehen: ab ins neue Jahr.
Denn das ist etwas vom cooleren beim megafon-machen: Die Tatsache, dass wir zusammen mit anderen Engagierten jeden Monat genau so ein Heft machen, wie wir es wollen.
> ANS <
EDITORIAL megafon Nr. 291, Januar 2006
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DER SCHALMANN DEM SCHNEEMANN DEN SCHAL Der kleine Greis war in der Nacht auf den Ersten nicht überraschend aber doch plötzlich verstorben. Falls jemand davon Notiz nahm, dachte er sich wohl, dass es so besser sei. Früher hatte der kleine Greis ein mehr oder minder glückliches und erfülltes Leben geführt, doch zuletzt war er nur noch alt und einsam, leicht vergrämt und untröstlich darüber, der Welt nichts Bleibendes hinterlassen zu können. Er hatte kein grosses Werk geschaffen und auch Erben kamen ihm keine nach. Sein ganzer Besitz bestand aus ein paar alten Fetzen, die er Kleider nannte, einem Kurbelgrammophon und seinem geliebten Schal. Um sich noch ein letztes Mal wichtig zu fühlen, wollte der Alte neben dem Wenigen auch ein Testament hinterlassen. Mit den Kleidern, das sah er ein, hätte man bestenfalls Almosenempfänger in ärmeren Weltgegenden beleidigen können und das Grammophon ging zwecks Honorar an den Notar. Es blieb der mit Goldfaden durchwirkte Schal, auf den der Notar schon ein Auge geworfen hatte. Lieber gebe ich ihn dem Schneemann, sagte sich der kleine Greis und starb in der Gewissheit, noch bis zum Tauwetter weiter zu leben.
DER SCHAL DES SCHNEEMANNS Es war einmal ein Schneemann, der hatte einen Schal. Denn ohne solchen sein kann das Frieren eine Qual. Dich friert am Ohr, dich friert am Bein, doch warm, so sollt der Nacken sein. In frostigen Nächten, an kalten Tagen, braucht Schalmann nicht frieren noch verzagen. Doch kommt mit mildem Wetter Tau, wird's Schneemann unterm Schal ganz lau. Und wenn die ersten Fliegen fliegen, bleibt nur des Schneemanns Schal noch liegen.
DER SCHALE SCHNEEMANN Drei Schneemänner standen am Strassenrand. Der erste schmeckte nach Zitrone und der zweite nach Himbeere. Nur der dritte hatte gar keinen Geschmack. Da kam die Sapperliesl mit ihren Balgen. Die Gören stürzten sich auf die Schneemannen und brachen grosse Stücke heraus. Sapperliesl, nicht die hellste aber immer um Korrektheit bemüht, ermahnte ihre Brut, nicht so gierig zu sein. Eis wird nicht gefressen, sagte sie, sondern geleckt. Die Kleinen, die doch nur zerstören wollten, legten brav ihre Zungen an die eisigen Herren. Zitrone!, rief die erste und Himbeere!, die zweite erstaunt. Ganz schal, greinte die Dritte enttäuscht. Der schale Schneemann jedoch stand der Strasse am nächsten und bekam deshalb in der frostigen Nacht so richtig Salz ab. Auf dem nächsten Spaziergang heulte die dritte Tochter vor Freude: Der schale Schneemann schmeckt nach Snack.
> MIKE <
ENTREE
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SCHWERPUNKT SCHNEE
SCHNEE IN LATEINISCH HEISST NIX
ein ton klingt nach während der schnee den schatten verfeinert
EIN KLEINES MEIST 6-ECKIGES TEIL FÄLLT VOM HIMMEL IN MASSEN, MAL GRÖSSER MAL KLEINER, ES DREHT SICH, ES ENTSTEHT, ES WIRBELT DURCH DIE LUFT.
IN DER STADT In der Nacht, wenn es schneit und die Strassenlampen leuchten und ich beim Laufen zur Lampe hoch sehe, dreht und wirbelt dieser Schnee so um mich herum, dass ich ein erweitertes Gefühl der Dreidimensionalität habe. Er landet auf meinem Arm um kurz zu sein, und dann ist er weg. Wie das Leben, da und nicht da, da und nicht haltbar… Schnee ist vergänglich und besitzt Alter, also Zeit und eine Geschichte.
STRUKTUR Die hexagonale Struktur von Schneeflocken war im Kaiserreich China schon mindestens seit dem 2. Jahrhundert v. u. Z. bekannt. Erste systematische Untersuchungen unternahm erst Ukichiro Nakaya, der 1936 als erster synthetische Schneeflocken herstellen konnte und diese 1954 in über 200 verschiedene Typen kategorisierte. Und weshalb diese Formen der Flocke entstehen, erklärt euch Bea. Schnee ist weiss und Weiss als Farbe ist nix. Es gibt jedoch noch den roten Schnee: Blutschnee. Dieser ist so kalt wie jeder andere Schnee auch, denn kalt ist unabhängig von subjektiven Einflüssen. Nein, das ist «kei Schnee vo geschter». Der wiederum ist dann schon subjektiv, wenn auch kalt.
RAUSCHEN Es entsteht ein neuartiges semantisches Universum, dessen Sprache für den Menschen nicht mehr entzifferbar ist, und doch versucht Brigitte, uns dieses Nirgendwo näherzubringen. Weisses Rauschen für die Augen. Dass Rauschen nicht nur ästhetische Form ist, sondern auch in Form von Hochwasser und Ansteigen des Meeresspiegels uns mehr umrauscht als lieb, bringt der
Klimawandel mit sich – oder trägt er wieder mit sich fort. Was bleibt ist der Schal, der Schal des Schneemanns. Schal hingegen der Schnee in meiner Stadt, diesen Schnee gibt’s immer und deshalb kommt er nicht ins megafon. Denn der wirkliche Schnee kann angefasst werden. Wenn sich in beiden Händen Schnee befindet und die Hände diese Schneemasse zusammenpresst, entstehen Schneebälle. Schneebälle werden verwendet um sie sich gegenseitig anzuwerfen, zum Spielen, zum Aufeinanderlegen und um nach dem Hunde zu werfen. Im und um Schnee kann gespielt werden. Als Kind, in einem andern Land weit mehr Schneefall gewohnt, liebten wir Kinder es, ganze Tunnelsysteme in den Schnee zu bauen und so unsere eigene Welt. Denn im Schnee drinnen ist das Hören anders. Auch mit den Schneeschuhen oder dem Snowmobil in die unendliche Weite des Schnees zu gehen, warf mich jeweils aus Zeit und Raum und Empfindung. Und da begann meine Liebe zum Schnee, dem Nichts, das soviel gibt. Hoch bei uns oben, in den Bergen, da gibt es Schnee. Dieser Schnee kann befahren werden und birgt auch Gefahren. Deshalb wird der Schnee genau beobachtet, damit mann weiss, was er wissen muss um anzukündigen, ob es eine Lawinengefahr gibt oder nicht. Theo Mauer ist so ein Mann, der das kann, und er kann vom Schnee leben, weil er das kann.
WEISS AUCH GOLD BEDEUTEN KANN Also ist Schnee doch mehr als nix. 95 Prozent ist Wasser. Und wenn das Eis zu Wasser wird, dann ist das das genaue Gegenteil von einer Tätigkeit, die heute der Kühlschrank übernimmt.
Oder früher ein Erwerbszweig war: der Verkauf von Eis. «Und es fiel Schnee» entführt in unbehagliche Erinnerungen, Schnee als Assoziation. Doch Schnee gilt auch als Symbol für Reinheit, und so kaltgepresst zwischen Buchdeckeln vermag er auch öfters zu wärmen. Aber auch aus Kanonen wird geschossen und nicht zu knapp. Ganze Landstriche werden weiss pulverisiert und wir – dann mit Schwung über das Gut, das planiert sich bis in den Sommer ziert zu blühen. In den Alpen ist der Schnee nicht nur weiss, sondern auch Gold wert. Über die Hälfte des Schnees, welcher momentan in unseren Bergen liegt, ist künstlich. Wenn ich so an heute denke, an all die weissen Flocken, die da hinter Scheiben locken und sich wohl auch in den Bergen nun auf den Kunstschnee hocken, dann… dann ist die Hälfte nicht immer die Hälfte.
SCHNEE IST POESIE Schnee kann der Zeit eine neue Dimension bieten, und ist er verfestigt, fliesst er plastisch und gleitet doch auf leisen Sohlen. Der Gletscher. Schnee hellt auf Schnee ist kalt Schnee ist eine Freude schneefall schneeflocken schneekanone schneetogglen schneehase schneeball schneekette schneeglocke schneebruch industrieschnee schneegedichte schneeschuhe schneeboard mariaschnee schneebrett schneehaus schneepflug neuschnee altschnee schneeeule feuchtschnee schneeschmelze blutschnee schneeblatt schneeblind schneekarma eisschnee schneebesen instantschnee weissschnee stadtschnee schneelippen > UVM/HAKO <
SCHWERPUNKT megafon Nr. 291, Januar 2006
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WOHER KOMMT DER SCHNEE?
DIE ZEITEN, ALS FRAU HOLLE DIE BETTDECKE SCHÜTTELN MUSSTE DAMIT ÜBER EINE GANZE LANDSCHAFT SCHNEE FÄLLT, SIND VORBEI. HEUTZUTAGE KÖNNEN WIR AUF NATURWISSENSCHAFTLICHE ERKLÄRUNGEN ZURÜCKGREIFEN, UM DAS WUNDER DER ENTSTEHUNG VON SCHNEE ZU VERSTEHEN. IN DIESEM MÄRCHEN GIBT ES KEINE PRINZESSINNEN UND KÖNIGE, SONDERN WASSERTRÖPFCHEN, KONDENSATIONSKERNE, DRUCK- UND TEMPERATURSCHWANKUNGEN SOWIE EIN HEXAGONALES KRISTALLSYSTEM, WOBEI BEI LETZTEREM NICHT DOCH NOCH DER BEZUG ZUR GUTEN ALTEN MÄRCHENHEXE HERGESTELLT WIRD, SONDERN EINE SECHSECKIGE MOLEKÜLSTRUKTUR GEMEINT IST.
augen aufgeschlagen das balu weissgesprenkelt die spurenzugedeckt
Woher kommt der Schnee? Vom Himmel natürlich. Was für eine Frage! Die Antwort ist trotzdem etwas komplizierter als vordergründig angenommen. Zudem gibt es mehrere Arten von Schnee: Schnee als Niederschlag, der vom Himmel fällt, entsteht in höheren, kalten Luftschichten. Winzig kleine und unterkühlte Wassertröpfchen gefrieren oder lagern sich als Wasserdampf direkt um sogenannte «Kondensationskerne» und gefrieren dann.
SCHWERPUNKT
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Fällt dieser Niederschlag vom Himmel auf die Erde, muss ein bestimmtes Temperaturniveau vorhanden sein, damit der Schnee als Schnee überhaupt auf der Erde bleibt, was heisst: damit die Landschaft weiss wird, muss es vor allem kalt, am liebsten Winter, sein. Kalt ist unabhängig vom subjektiven Empfinden eine Grösse, die wiederum abhängig von weiteren wichtigen Einflussgrössen ist – im Himmel fast noch mehr als auf der Erde – wie beispielsweise der Einfallswinkel der Sonne, die Strahlungsbilanz und die Advektion (Anhebung von warmer durch unterschiebende kalte Luft) von Luftmassen. Ob sich die Luft abkühlt oder erwärmt, wird über das Strahlungsgeschehen vom Untergrund (Wasser, Bodenbedeckung, Vegetationstyp, Schneedecke, etc.) gesteuert. Das Auftreten und die Intensität von Kälte ist deshalb an keine fixe Temperatur gebunden. Schauen wir deshalb noch einmal in den Himmel, wo der Weg einer Schneeflocke beginnt. In der Atmosphäre gibt es höhere, kalte Luftschichten, wo unterschiedliche Aggregatszustände des Wassers (flüssig, fest, gasförmig) nebeneinander bestehen. Der Himmel lebt dem Menschen vor, was dieser als soziale Utopien oft und zum Glück im-
mer wieder zu verwirklichen versucht: eine friedliche Koexistenz verschiedener Daseinsformen nebeneinander. Es ist möglich, dass in der Atmosphäre Wasser in flüssiger Form (sogenanntes «unterkühltes Wasser»; bis 40°C) neben gasförmigem Wasser (normale Wolke) besteht und diese wiederum in unmittelbarer Nachbarschaft von Wasser in fester Form (Eiskristallen) leben. Die Eiskristall- bzw. Schneekristallbildung setzt meist bei Wolken ein, deren Kälte unter -12°C ist. Einzelne Wassermoleküle – bestehend aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom (H2O) – lagern sich dabei um einen Kondensationskern oder einen Eiskeim an (= Sublimation), deren Mitte zum Beispiel ein Staubpartikel ist, der Wassermoleküle an sich zieht. Es ist auch möglich, dass sich unterkühlte Wassertröpfchen um einen Eiskeim reihen (= Akkredeszenz). Daraus entstehen Eiskristalle, die kleiner als 0,1 Millimeter sind. Diese fallen der Erdanziehung folgend in Richtung Erde und können aufgrund unterschiedlicher Dampfdruckverhältnisse zwischen Eis und unterkühltem Wasser weiter anwachsen. Es ist zudem möglich, dass durch Resublimation Wasserdampf in der Luft direkt in
Eis übergeht, und dadurch ein bestehendes Eiskristall weiter anwachsen lässt. Das Anwachsen der Eiskristalle folgt eigentlich immer derselben Idee: Im Durcheinander der bewegten Moleküle bietet das Eiskristall eine ruhende, mit ortsfesten Anziehungskräften ausgerüstete und dazu noch vergleichsweise grosse Anlegestelle, welche andere Moleküle in ihrer Bewegung stoppen, und diese im Ordnungssystem einbauen kann. Zudem besitzt ein Eiskristall genau das Ordnungssystem, in welches ein H2O-Molekül hineinpasst.
6000 KRISTALLFORMEN Wie gesagt: Schnee fällt in verschiedenen kristallisierten Eisformen aus der Atmosphäre nieder. Diese Eiskristalle sind wegen der Struktur der Wassermoleküle immer als hexagonale (sechseckige) Ordnungs- oder Kristallsysteme aufgebaut. Der Grund: Eine Anordnung der Molekülverbindungen der beiden H’s und des einen 0’s sind nur in den beiden Winkel von 60° und 120° möglich. Die beiden Winkel bilden die architektonische Grundlage für eine, in alle Richtungen sechsecki ausgerichtete, räumliche Molekularordnung. (aus: snowcrystals.com) Jeder dunkelgraue Punkt ist ein Sauerstoff-Atom-O mit jeweils zwei Wassermolekülen-H. (Grafik oben) Eiskristalle sind in ihrer Formgebung ausserordentlich vielfältig und fantasiereich. In einem Atlas der Schneekristalle (Snow Crystals, Wilson Bentley) beispielsweise sind über 6000 verschiedene Eiskristallformen dokumentiert, obschon ihnen allen die identische Aufbaulogik eigen ist. Welche Form ein Schneekristall annimmt, ist direkt abhängig von den atmosphärischen Bedingungen. Auch hier spielt die Temperatur erneut eine wichtige Rolle. Neben der Verweildauer in der Atmosphäre, die von 10 Minuten bis mehreren Stunden betragen kann,
wirken sich auch die Turbulenz oder das Feuchtigkeitsangebot formbildend aus. Wenn sich Schneekristalle bilden, steigt – scheinbar paradox – die Temperatur in der Wolke (beim Gefrieren geben die Kristalle Wärme ab). Gleichzeitig bewegen sich die Kristalle bei einer hohen Thermik mehrfach vertikal durch die Atmosphäre und werden dabei teilweise aufgeschmolzen und neu gefroren. Die Kristallregelmässigkeit verändert sich dadurch stark und es ergeben sich mannigfaltige Mischtypen einer Kristall-Grundform. (aus: snowflakebentley.com) Damit aus einzelnen Schneekristallen Schneeflocken entstehen, bedarf es – wie beschrieben – einer gewiss
Turbulenz in den höheren Luftschichten. Die Schneeflocke ist dann als ein Zusammenschluss einzelner Schneekristalle zu verstehen, welche auf ihrem Weg durch die Luftschichten mehrere Veränderungen erfahren haben (schmelzen, gefrieren, wachsen, zerbrechen, Zusammenschlüsse, Anlagerungen, etc.). Eine komplexe Angelegenheit. Je wärmer die Luftschichten werden, umso grösser werden die Schneeflocken. Die Kristalle schmelzen und verkleben zu grossen Flocken. Ihre maximale Grösse (ca. fünf Millimeter) haben die Schneeflocken in den bodennahen Luftschichten erreicht. Senken sie sich langsam zur Erde und >
du machst feuer und ich will dir was schönes zeigen einen ball aus schnee
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werden sie für uns Menschen sichtbar, ist ihre Blütezeit bereits längst überschritten! Die grösste je gesehene Schneeflocke hatte einen Durchmesser von zwölf Zentimetern.
WÜSTENSAND IM SCHNEE
so hat mein vater schon die bergen gesehen eingeschneit in schnee
Schneeflocken enthalten bis zu 97 Prozent Luft und schweben mit einer Geschwindigkeit von rund 0,9 km/h auf die Erde. Im Vergleich: ein Regentropfen ist mit ca. 39,6 km/h unterwegs, eine Biene mit 23,4 km/h, eine Fussgängerin mit 5,4 km/h. Bei bodennahen Temperaturen rund um den Gefrierpunkt sind die Schneeflocken am grössten. Bei tieferen Temperaturen (unter -10°C) werden die Flocken nicht etwa grösser, wie frau naiverweise annehmen könnte, sondern verwandeln sich in Pulverschnee. Die relativ kurze Erstarrungszeit bei diesen Temperaturen reicht für ein Wassertröpfchen nicht mehr aus, um an ein bestehendes Schneekristall anzukoppeln. Es bleibt ein geschmolzenes und wieder erhärtetes Eiskristall. Bei Temperaturen unter -30°C schneit es meist gar nicht mehr, weil die Luft zu trocken ist, um noch Schneekristalle zu bilden. Hingegen kann es bei Temperaturen über Nullgrad (um 5°Celsius) noch schneien. Andererseits kann es auch vorkommen, dass bei Temparaturen unter Nullgrad Regen fällt: als «gefrierender» beiziehungsweise «unterkühlter» Regen. Dieser entsteht, wenn Regentropfen aus relativ warmer Luft fal-
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len und in einer unterlagernden kalten Luftschicht gefrieren. Dieses Phänomen wird oft begleitet vom sogenannten Eisregen, da beim Fallen der Regentropfen durch kalte Luftschichten auch Eiskörner entstehen. Weiss ist der Schnee übrigens wegen der in den Schneeflocken eingeschlossenen Luft. Das Licht aller sichtbaren Wellenlängen wird an den Grenzflächen zwischen den Eiskristallen und den eingeschlossenen Luftbläschen reflektiert und gestreut. Es gibt jedoch auch Schnee mit einer dunkel-rötlichen Färbung, der in den Alpen oder Skandinavien vor allem im Frühling oder im Sommer auftreten kann: Dieser «Blutschnee» entsteht durch die Massenentwicklung von Schneealgen (zum Beispiel Chlamydomonas nivalis), die bei der Schneeschmelze zu keimen beginnen und sich mit der roten Farbe gegen die UVStrahlung der Sonne schützen. Eine bräunlich-gelbliche Färbung des Schnees kann durch den Wüstenstaub in höheren Luftschichten herbeigeführt werden. Hingegen grauschwarz wird der Schnee aus einem völlig anderen Grund: wegen der vielen Staub- und Russteilchen, die von unserer Zivilisation produziert werden. Das war zu Zeiten von Frau Holle auch noch anders. Und wer weiss, wie sich der Schnee in Zukunft verhält. Schneebabys im Himmel wird es immer wieder geben, doch wer weiss, ob sie es schaffen, auch weiterhin bis zur Erde niederzufallen. Die Geburt einer Schneeflocke ist ein dermassen fragiler und sensibler Vorgang, der allzuleicht aus dem Gleichgewicht geraten könnte. > BEA MATTLE <
*) Strahlungsbilanz: Die reflektierte Strahlung ist grundsätzlich gleich der einfallenden Strahlungsenergie minus der absorbierten und der weitergeleiteten Energie. Wichtige Einflussfaktoren auf diese Bilanz haben der Bewölkungsgrad, der Wasserdampf, der Aerosolgehalt und die Albedo. Albedo ist das Verhältnis der reflektierten zur absorbierten Strahlung.
SCHNEE ALS BERUF
die welt im schnee, lass uns die schönste aussicht suchen, bis wir taumeln und fallen in den schnee
BAUCHSCHMERZEN VOR DER LAWINE THEO MAURER, 43, IST SICHERHEITSCHEF AUF DER HOCHGEBIRGSBAUSTELLE AM GRIMSEL. WENN MAURER WILL, STEHT DIE GANZE BAUSTELLE
aufbau gibt es vor allem während schneearmen Wintern. Dann ist die GeNEUSCHNEE AUF ZUVIEL GLEITFLÄCHE FÄLLT. fahr für Lawinen gross – obwohl man SCHLIESSLICH IST MAURER DER MANN MIT DEM eher das Gegenteil vermuten würde. UNTRÜGLICHEN GESPÜR FÜR SCHNEE. Die Beschaffenheit der Schneedecke kann aber auch von der Art des Schneefalls abhängen. Graupelschauer mit körnigen Schneekristallen sind megafon: Herr Maurer, Sie wurden schlecht für die Festigkeit des Schnees. in einer Zeitschrift als «Schnee- Gefährlich sind auch Sturmwinde wähflüsterer» bezeichnet. Eine pasrend des Schneefalls, da dies zu Treibsende Bezeichnung? schneeansammlungen führen kann. Theo Maurer: Das ist eine Erfindung Ganz nach dem Sprichwort: «Der Wind des Journalisten, der das geschrieben ist der Erbauer der Lawinen.» hat. Als Sicherheitschef der Kraftwerke Oberhasli untersuche ich die Schnee- Wie sind Sie ein Schneeexperte verhältnisse und beurteile die Lawinen- geworden? situation. Dazu beobachte ich das ganz Ich bin seit 1985 Bergführer. Dieser Jahr über das Wetter und den Schnee Beruf bringt es mit sich, dass ich inim Oberhasli-Gebiet. Im Winter erstelle stinktiv auf Naturbedingungen, Wetterich zweimal im Monat ein Schneeprofil. verhältnisse und Lawinengefahren achDazu gehe ich ins Einzugsgebiet der te. Zusätzlich habe ich mich fachspeziLauenen oberhalb von 2000 Metern. fisch am Schweizerischen Institut für Meistens bin ich mit den Tourenski Schnee- und Lawinenforschung in unterwegs, dann merke ich schon beim Davos weitergebildet. Aufstieg, wie der Schnee beschaffen ist.
STILL. ZUM BEISPIEL DANN, WENN ZUVIEL
Was fasziniert Sie am Schnee? Was ist ein Schneeprofil?
Das Schneeprofil ist ein Längsschnitt durch die Schneedecke. Es gibt mir Aufschluss über die Schneeablagerungen des ganzen Winters und ich kann im Profil kritische Gleitflächen erkennen, auf denen Neuschnee schnell ins Rutschen kommt. Auch untersuche ich die Beschaffenheit der Schneekristalle und messe die Schneetemperatur, um den Temperaturverlauf zwischen dem Boden und der oberen Grenze der Schneedecke bestimmen zu können – ein weiterer Hinweis auf die Festigkeit der Schneedecke. Was lässt sich aus der Beschaffenheit der Schneekristalle schliessen?
Die Schneekristalle untersuche ich unter der Lupe. Wenn sich auf deren Oberfläche Reif bildet, sprechen wir von Oberflächenreif. Fällt Neuschnee darauf, können Schneebretter entstehen. Solch schlechten Schneedecken-
Schnee fasziniert mich als Naturphänomen. Es ist schon eindrücklich, wenn es im Winter auf dem Grimselpass so richtig stürmt. Das zeigt mir dann stets wieder, wie machtlos der Mensch eigentlich gegenüber diesen Naturgewalten ist. Schnee ist aber auch für mich etwas Schönes und bereitet mir zum Beispiel beim Tiefschneefahren grossen Spass. Ganz wichtig für meine Arbeit ist jedoch auch, dass ich den Respekt vor dem Schnee niemals verliere. Sie tragen grosse Verantwortung, wenn Sie entscheiden, ob die Baustelle am Grimselkraftwerk – die höchstgelegene Winterbaustelle in der Schweiz – freigegeben oder geschlossen wird. Wie treffen Sie
diese Entscheidung?
Zum einen kann ich meine Entscheidung auf eine grosse Datenmenge zu den Schneeverhältnissen abstützen. Via Internet informiere ich mich von den automatischen Schneestationen über Schneehöhen, Temperaturen und Luftfeuchtigkeit. Das gibt mir eine gute Grundlage zur Einschätzung der Gefahrensituation. Am Ende fälle ich meine Entscheidung aber auch aus dem Bauch heraus, da die Daten alleine nicht ausreichen, um die Lawinengefahr hundertprozentig einschätzen zu können. Dabei spielt meine Erfahrung eine wichtige Rolle. Ich kenne mich im Grimselgebiet gut aus, kenne jeden Lawinenzug und jedes Einzugsgebiet. Am Ende kann schliesslich kein Professor und kein Spezialist mit absoluter Sicherheit sagen, wann und in welchem Ausmass eine Lawine niedergehen wird. Deshalb entscheide ich stets mit einem Sicherheitsspielraum und sperre das Gebiet lieber zu früh als zu spät. Im Schnitt sperre ich die Strassen oberhalb von Guttannen zwischen November und Mai an etwa 25 bis 30 Tagen. Aber sperren ist einfach. Grössere Bauschmerzen bereitet es mir, bei kritischen Verhältnissen die Strasse freizugeben. Wie genau können Sie eine Lawinengefahr vorhersagen?
Meine Prognosen orientieren sich sehr stark an den Wetterprognosen. Und da wissen Sie ja, wie genau diese manchmal sind. Je ungenauer die Wettervorhersage, desto ungenauer werden meine Lawinen- und Strassenbulletins. Am liebsten hätten es die Baustellenleiter am Grimselkraftwerk jedoch, wenn ich ihnen sagen könnte, wie der Schneebericht morgen um 17 Uhr aussieht. > INTERVIEW: MÄZ <
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LICHT AUS
UND ES FIEL SCHNEE tiefer winter mein freund läuft im schnee
Einmal, da war ich noch Lehrling, haben Sie mich mit heruntergelassener Hose in einen Schneehaufen geworfen. Ich lag auf diesem Haufen, hörte ihr Lachen und spürte, wie einer auf mich brunzte, während die anderen mich festhielten. Damals wünschte ich mir, ich könnte auf der Stelle sterben, so wie der Vater vom Seppi, dem es von einem Hirnschlag innert Sekunden die Lichter im Kopf ausgelöscht hatte. Das alles geschah 1981 im Winter. Entschuldigen Sie, wenn ich so mittendrin zu erzählen anfange, aber manchmal fallen einem die Sachen halt in eigenartiger Reihenfolge ein. Und mir selbst fiel alles gerade da ein, wo Sie zur Tür rein gekommen sind und gesagt haben, es liege schon wieder Schnee auf der Strasse. Aber wenn es Ihre Zeit zulässt, Herr Doktor, wenn Sie wollen, dann erzähle ich Ihnen gern alles der Reihe nach und wer weiss, vielleicht mögen Sie mich ja sogar zu einem Kaffee Luz einladen, Doppel-Luz mit viel Zucker. Das ist anständig von Ihnen, danke, Herr Doktor, merci. Es fing mit dem Firmenfest an, also mit dem Weihnachtsessen und damit, dass uns Lehrlingen auch Bier und Wein eingeschenkt wurde, so viel wir wollten. Und Sie wissen ja, wie schnell sie hier draussen mit Pflügen anfangen, wenn es erst einmal zu schneien anfängt. An den Strassenrändern bilden sich kleine Walme, die immer grösser werden, je öfter gepflügt wird. In andern Ländern, wo es auch schneit, aber vielleicht seltener, haben sie meist gar nicht die Ausrüstung, um sofort alles wegzumachen. Aber wie gesagt, es hatte geschneit und zwar nicht zu knapp und wir sassen im «Trojaner» im kleinen Saal, den sie für unser Firmenessen reserviert hatten. Es gab Bouillon und Butternudeln und Geschnetzeltes und Nüsslersalat und
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zum Dessert Meringue mit viel Rahm und dann noch Grappa. Und als wir alle fertig waren mit dem Essen gab es die Ehrungen der Jubilare und der Chef überreichte Solari, dem Baggerführer, eine Zinnkanne, weil er das fünfundzwanzigste Jahr in der Firma hinter sich hatte. Auf der Kanne war sein Name eingraviert und zwei Jahrzahlen und alle applaudierten und Solari hatte feuchte Augen und wollte auch etwas sagen, aber seine Stimme funktionierte nicht mehr, also liess er es bleiben und kehrte an seinen Platz zurück. Am Schluss sagte der Chef noch, er wünsche allen alles Gute, auch unseren Angehörigen und jetzt mache dann noch einmal die Grappaflasche die Runde und wer wolle könne auch noch einen Kaffee bestellen und er wünsche noch viel Vergnügen mit dem Duo «Sound Boys» aus Gondiswil. Und denen die mit dem Auto gekommen seien sagte der Chef noch, sie sollen vorsichtig sein beim Heimfahren wegen dem Schnee und dem Eis auf der Strasse. Doch einer aus dem Saal, ich glaube es war der Fred, fragte laut, wer denn gesagt habe, dass er von hier direkt nach Hause fahre und da lachten wir laut und dann spielte die Musik. Nachher wollte ich heim. Aber Fred und ein paar von unserer Baustelle überredeten mich, noch in diesen Nachtclub zu gehen. Ich dürfe gar nicht rein, sagte ich, denn ich sei erst siebzehn. Das müsse ich ja dem Türsteher nicht unter die Nase reiben, sagten sie und was für ein Trottel ich doch sei, immer der gleiche Trottel, auf der Arbeit ein Depp und danach, in der Freizeit, immer noch ein Depp. Und Gloor sang noch das Lied, das sie manchmal in der Baracke zur Melodie von «Yellow Submarine» sangen. «Üse Fiechter Heinz isch e säute blöde Siech, säute blöde Siech, säute blöde Siech...» Tatsächlich war es einfach, in den Club rein zu kommen, denn niemand fragte nach meinem Alter. Das Dumme war nur, dass wir danach, als der Nachtclub zumachte, noch alle zu Cre-
mosi fuhren, auf einen Schlummertrunk. Cremosi wohnte in Aarwangen und ich traute mich nicht mehr zu sagen, ich wolle heim, weil sie da schon lange angefangen hatten, ständig Witze über mich zu machen und Anekdoten zu erzählen, über Missgeschicke die mir auf der Arbeit passiert waren. Nehmen wir noch einen DoppelLuz, Herr Doktor? Mir wird vom erzählen der Hals ganz trocken. Es ist ja sonst nicht so, dass ich kein Geld bei mir habe, aber zurzeit bin ich gerade nicht flüssig und Sie, Herr Doktor, Sie kennen mich, Sie wissen, dass ich nicht so bin, wie manche glauben. Natürlich könnte ich auch Regula fragen, ob sie vielleicht, aber Sie wissen, wie das ist, Herr Doktor, Sie kennen sich aus. Wie es in Cremosis Wohnung genau anfing, weiss ich heute auch nicht mehr. Aber auf einmal machten sie dieses Spiel mit mir. Ich musste den Oberkörper auf den Küchentisch legen und einer stellte alle Gläser auf meinen Rücken und sie tranken und lachten und mein Rücken war ihr Tischtuch. Und dann zog mir einer die Hosen runter und ich schrie, sagte, sie seien Sauhunde und ich wolle jetzt gehen und es sei nicht mehr lustig. Ich versuchte mich zu wehren, aber es war nichts zu machen. Sie trugen mich aus der Wohnung und drückten mich am Strassenrand in den frischen Schneehaufen. Dort lag ich mit heruntergelassener Hose, den Blick nach oben, zur Strassenlampe, in deren Lichtkegel die Schneeflocken tanzten. Ich spürte wie einer auf mich runterpisste und da wünschte ich mir, ich könnte sofort sterben, wie der Vater vom Seppi, einfach das Licht aus und fertig. > PEDRO LENZ <
KLIMAWANDEL
IMMER WENIGER SCHNEE
sie zwirbeln im licht des kommenden tages die flocken rocken
WÄHREND ALLE WELT AUF DIE USA STARRT UND BITTET, DASS DIESE DAS KYOTO-PROTOKOLL UNTERZEICHNEN, WIRD ÜBERALL SONST, AUCH IN DER SCHWEIZ, PRAKTISCH NICHTS FÜR EINE REDUKTION DES CO2-AUSSTOSSES UNTERNOMMEN UND SOMIT DIE KLIMAERWÄRMUNG WEITER VERSTÄRKT. WAS BEDEUTET ES, WENN ES IMMER WENIGER SCHNEE GIBT?
Die Frage ist schon lang nicht mehr, ob, sondern um wieviel sich das Klima aufgrund des menschlichen Ausstosses an Treibhausgasen erwärmen wird. Laut IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), dem UNO-Klimaforschungsgremium, ist bis im Jahr 2100 mit einem Temperaturanstieg zwischen 1,4 bis 5,8° Celsius zu rechnen. Je nach dem, wie stark die CO2Emissionen reduziert werden. In der Schweiz wird die Erwärmung tendenziell höher sein. So liegt die Alpenregion schon beim bisherigen treibhausgasbedingten Temperaturanstieg von 1,6° Celsius deutlich über dem globalen Schnitt von 0,6° Celsius. Überhaupt werden in Europa die Bergregionen, zusammen mit dem Küstengebiet, vom Klimawandel am stärksten betroffen sein.
WENIGER SCHNEE IST MEHR REGEN Höhere Temperaturen bedeuten, dass Schnee erst in höheren Lagen als bisher liegen bleibt. Das hat Folgen für den Wintertourismus, da es bis Ende dieses Jahrhunderts erst ab 1500 Meter, im schlechtesten Falle gar erst ab 1700 Meter genügend Schnee zum Skiund Snowboardfahren haben wird. Weniger Schnee betrifft aber nicht nur Skiund Snowboardfahrende. Eine Erwärmung bedeutet, dass weniger Wasser in Form von Schnee und Eis gespeichert wird. Dies wird zu einer Zunahme von Hochwasser im Winter führen, sowie den jährlichen Hochwasser-Höhepunkt um bis zu zwei Monate vorverschieben. Im Sommer wird daher weniger Wasser abfliessen und somit die Gefahr von Trockenheit im Gebirgsvorland zunehmen, der Wassermangel in mediterranen Gebieten wird verschärft. Veränderte Schnee- und Wasserverhältnisse werden vor allem auch die Landwirtschaft vor Probleme stellen:
Im Sommer die Gefahr von Wassermangel, im Winter mehr Frost, da der Boden weniger schneebedeckt ist. Zusätzlich kann ein verändertes Klima dazu führen, dass die Lebensräume von Nutzpflanzen sich verändern und gewisse Pflanzen an bestimmten Orten nicht mehr wachsen, was vor allem für den Anbau mehrjähriger Kulturen wie Obst oder Weinreben Probleme bringen wird. Das gleiche gilt für Wildpflanzen und Tiere: die Veränderungen durch die Klimaerwärmung werden zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten und, wenn keine Gegenmassnahmen ergriffen werden, zum Absterben ganzer Wälder führen. Dies sind nur einige der zu erwartenden Veränderungen. Diese sind alle nicht so harmlos, so banal, wie sie einzeln teilweise klingen, insgesamt führt die Klimaerwärmung zu grundlegenden Veränderungen unserer Umweltverhältnisse und somit zu markanten Veränderungen in der Nahrungsmittelproduktion, Wassergewinnung und der >
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Mehr Infos: > Ipcc.ch > Wwf.ch > Greenpeace.ch > Interview mit Harald Bugmann im Tagesanzeiger vom 29.11.2005 >Achim Brunnengräber/Melanie Weber: Klimawandel als Krise gesellschaftlicher Naturverhältnisse. Zur Mehrebenenstruktur in der Klimapolitik in: Widerspruch 47
die kinder schnippen den den schnee der nachbaren
gesamten Lebensgestaltung. Und zwar in einer unheimlichen Geschwindigkeit; innerhalb von hundert Jahren erleben wir Veränderungen, die sonst über Jahrtausende passierten. Zum Vergleich: vor 18 000 Jahren, in der letzten Eiszeit, war es durchschnittlich gerade mal 3 bis 4° Celsius kälter als heute.
KLIMAERWÄRMUNG GLOBAL Nicht nur der Schnee schmilzt, sondern auch Gletscher und Permafrostböden (das heisst Böden, die das ganze Jahr über gefroren sind), dies kann einerseits zu einer Destabilisierung von Berggebieten und somit zu mehr Erdrutschen führen, hat andererseits auf globaler Ebene ein Ansteigen des Meeresspiegels zur Folge (das IPCC rechnet mit einem Anstieg von bis zu 0,9 Meter in den nächsten hundert Jahren), was für viele Inseln und Küstenregionen verheerende Folgen haben wird. Im Kyoto-Protokoll verpflichteten sich die Staaten, den CO2-Ausstoss bis im Jahr 2010 zu reduzieren. Allerdings weltweit bloss um 5,2 Prozent. Die Schweiz und die EU setzten sich immerhin eine Reduktion von 8 Pro-
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zent zum Ziel. Aber auch von diesen Zielen sind wir weit entfernt. Dabei gilt eigentlich: «Nicht eine Reduktion der Emissionen von 8 Prozent, sondern von 80 Prozent stünde an, wenn wir die Klimaerwärmung wirklich stoppen wollten», wie Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich und Mitverfasser einer europaweiten Studie zu den sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen des Klimawandels, in einem Interview im Tagesanzeiger vom 29. November 2005 sagt.
DIE POLITISCHE ÖKONOMIE DES KLIMAWANDELS Der Klimawandel verdeutlicht eine der zentralen Irrationalitäten und Idiotien der Marktwirtschaft: Ökologische und soziale Konsequenzen werden ausgeklammert in einer Wirtschaftsweise, die – anstelle einer sinnvollen, lokal organisierten gesamtgesellschaftlichen und demokratischen Planung von Produktion und Verteilung – die private, auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Initiative der einzelnen UnternehmerInnen setzt. In deren Business-Plänen, die auf den Mikrokosmos ihres Betriebes und dessen Umfeld ausgerichtet sind, spielen gesamtgesellschaftliche und ökologische Fragen keine Rolle. Somit ruft der Klimawandel auch nach einem anderen Wirtschaften.
Ausserdem geht es akut auch nicht mehr nur um eine massive Reduktion des Ausstosses an Treibhausgasen, sondern auch darum, sich ökologisch und sozial auf die bereits ausgelösten Veränderungen vorzubereiten. Denn zu stoppen ist der Klimawandel nicht mehr, nur noch zu bremsen – das allerdings dringend. Dabei ist ein kritischer Blick wichtig, denn verschiedene Interessengruppen interpretieren die Veränderungen auf ihre Weise, und so ist nicht alles, was sich ökologisch nennt, auch wirklich ökologisch. So führen zum Beispiel Mechanismen, wie die in der Vereinbarung von Kyoto enthaltene Möglichkeit des Emissionshandels (also die Möglichkeit, das Recht auf erhöhten CO2-Ausstoss im Ausland einzukaufen, eben Emissionsrechte zu handeln), zu einer Kommerzialisierung und Verlagerung von Umweltverschmutzung, aber mitnichten zum Erreichen ökologischer Ziele. > JANN KRÄTTLI <
GLETSCHER
LANDSCHAFTSARCHITEKTEN UND BOTEN DES KLIMAWANDELS
es wird dunkel der fallende schnee leise erhellt
VERGLEICHBAR MIT DER ATMOSPHÄRISCHEN UND RÄUMLICHEN WIRKUNG DES MEERES ODER DER WÜSTE, VERKÖRPERT DER GLETSCHER UNGEHEUERLICHE RÄUMLICHE UND ZEITLICHE DIMENSIONEN. ER WAR PROTAGONIST DER EISZEITEN UND LANDSCHAFTLICHER HERRSCHER ÜBER JAHRTAUSENDE. ETWAS FASZINIERENDES, GEWALTIGES, ARCHAISCHES STECKT IN IHM UND CHARAKTERISIERT SEIN WESEN.
1 Moränen sind Anhäufungen von Gesteinsschutt, die vor allem in den Stillstands- und Rückzugsphasen der Gletscher entstehen. Es gibt Seiten-, Mittel-, Grund- und Endmoränen. 2 Drumlins sind 5-20 Meter hohe, schildförmige Hügel mit einem elliptischen Grundriss. Sie bilden sich unter dem Gletscher, bestehen aus Grundmoräne und weisen zum Teil einen Felskern auf. 3 Entfernung der Erdumlaufbahn von der Sonne, Position der Rotationsachse der Erde.
Beginnen wir aber mit der nüchternen wissenschaftlichen Beschreibung dieser eisigen Riesen. Entgegen einer landläufigen Vorstellung ist ein Gletscher nicht etwa ein grosser, starrer Eisklotz, der in einem Alpental träge vor sich dahin liegt. Vielmehr ist der Gletscher ein dynamischer und plastischer Körper: Unter dem Einfluss der Schwerkraft fliesst er langsam talabwärts. Die Bewegung der alpinen Gletscher basiert auf zwei Mechanismen: dem so genannt plastischen Fliessen sowie dem Sohlgleiten. Das plastische Fliessen bezeichnet eine mikroskopische Bewegung, die einerseits aus Verschiebungen der Kristallgitter innerhalb der Eiskristalle, andererseits aus Verschiebungen der einzelnen Eiskristalle entlang ihrer Kontaktflächen resultiert. Der zweite Bewegungsmechanismus der alpinen Gletscher, das Sohlgleiten, beruht auf der Herabsetzung der Schmelztemperatur des Eises unter hohem Druck. Am Grunde des Gletschers, also unter einer mehreren Hundert Meter mächtigen Eismasse, ist der Druck so hoch, dass das Eis schmilzt und eine Art Schmierschicht bildet, auf welcher der Gletscher langsam talwärts rutscht. So sind alpine Gletscher ständig in Bewegung, egal ob sie vorrücken, stagnieren oder sich zurückziehen. Ein Rückgang des Gletschers bedeutet «nur», dass an seinem unteren Teil – dem Zehrgebiet – mehr Eis abschmilzt, als dass in seinem höher gelegenen Nährgebiet jährlich akkumuliert wird. Neben den alpinen Gletschern gibt es einen zweiten Gletschertypen: den Inlandgletscher – riesige Eismassen,
die in Form eines Schildes die PolarreKLIMAWANDEL UND gionen – also primär Grönland und die GLETSCHERRÜCKGANG Antarktis – bedecken. In diesen mehrere Kilometer dicken polaren Gletschern Weltweit ziehen sich die Gletscher ist der grösste Teil des weltweiten der Bergregionen seit Mitte des Süsswassers gespeichert. 19. Jahrhunderts tendenziell zurück. So ist beispielsweise der grösste und längste Gletscher der Alpen, der GrosDER GLETSCHER se Aletschgletscher, in den letzten 110 MACHT LANDSCHAFT Jahren um mehr als zwei Kilometer geDass Gletscher eine landschafts- schrumpft. Dies ist zweifellos ein Indiz prägende Wirkung haben, ist nicht nur für die globale Klimaveränderung, die in den Alpen sichtbar, wo sie breite sich in unseren Breitengraden als Trogtäler und hoch gelegene Hängetä- atmosphärische Erwärmung manifesler ausgeschürft haben. Während der tiert und dem Treibhauseffekt zugeletzten Eiszeit, die vor ungefähr 115 000 schrieben wird. Langfristig gesehen (im Jahren begann und vor etwa 10 000 Verlauf der nächsten 10 000 Jahre), Jahren endete, stiessen die alpinen Glet- müsste sich die Erde jedoch wieder auf scher bis weit ins Mittelland vor. Der dem Weg in eine neue Eiszeit befinden, Aaregletscher beispielsweise mündete wenn die naturwissenschaftlichen Rebei Bern in den von Westen her entlang gel- und Gesetzmässigkeiten denn Bedem Jura vorstossenden Rhoneglet- stand haben. Der Geophysiker Milutin scher, der seinerseits bis in die Gegend Milankovitch hat nämlich in den 1920er von Wangen an der Aare reichte. Darum und 1930er Jahren die Periodizität der berechnet finden wir etwa auf dem Jolimont bei Erdbahnschwankungen3 Erlach mehrere riesige erratische Blö- und diese in Übereinstimmung mit der cke («Teufelsburdi») aus dem Val de Periodizität der glazialen und interglaBagnes im Wallis vor, die der Rhone- zialen Perioden gebracht. Mittelfristig, gletscher hier zurückgelassen hat. Nach das heisst in den nächsten hundert dem Ende der letzten Eiszeit hinterlies- Jahren, dürfte jedoch vielmehr der von sen die alpinen Gletscher im Mittelland unseren Industriegesellschaften und diverse charakteristische Landschafts- ihrer Ausbeutung fossiler Energieträformen, die heute noch gut sichtbar ger angeheizte Treibhauseffekt klimasind: an den Hängen und Kuppen vieler relevant werden. Das bedeutet nicht Hügel – etwa zwischen Bolligen und nur, dass kommende Generationen die Habstetten sowie oberhalb von Wabern alpine Gletscherpracht nicht mehr wer– lassen sich Moränen1 identifizieren, den bestaunen können, sondern viel oder in diversen Gegenden – etwa im Schlimmeres noch: Schmelzen die pooberen Gürbetal – findet man Anhäufun- laren Eisschilde ab, steigt der Meeresgen von Drumlins2. Zudem lagerten die spiegel an und dicht besiedelte KüstenGletscher im Mittelland eine bis zu zehn gebiete (gerade in südlichen Ländern Meter dicke Grundmoränenschicht ab, wie etwa in Bangladesch) wären in Zeiund Gletscherflüsse füllten im Vorfeld ten von Stürmen und Flutwellen einem der Gletscher alle wichtigen Flusstäler erhöhten Risiko mit womöglich desim Mittelland mit Schottern auf. Letzte- aströsen Folgen ausgesetzt. re dienen heute als Grundwasserreservoir für die Wasserversorgung. > MARKUS SCHÄR <
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GLETSCHERBILDER VON ISOLAVERA@HOTMAIL.COM
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DIE EISGEWINNUNG IM VALLÉE DE JOUX
AUF ZUR EISERNTE HEUTE WERDEN DIE SEEN DES VALLÉE DE JOUX IM WINTER VORZUGSWEISE MIT SCHLITTSCHUHEN ODER LANGLAUFLATTEN GEQUERT. VOR NICHT ALLZU LANGER ZEIT WAREN SIE JEDOCH AUCH NATÜRLICHER ROHSTOFF DER EISGEWINNUNG UND VERSORGTEN PARIS BIS IN DEN SOMMER HINEIN MIT EIS.
laufend in der stadt auf schmutzige schneereste fällt neuschnee
Epilog von Mike Niederer: Ewiges Eis Erst wenn der letzte Gletscher seine Zunge eingerollt hat, erst wenn die Arktis ein blaues Meer und die Antarktis zu blühenden Landschaften aufgetaut ist, erst wenn der letzte Schnee zu braunem Matsch geworden, zusammenfegt und sondermüllgerecht entsorgt ist, werdet ihr merken, dass die Welteisvorräte sich in mein Leck geschlagenes Billigeisfach zurückgezogen haben.
Schon die chinesischen Herrscher hatten große Eislager anlegen lassen, um ihr Sorbet zu geniessen, und die Griechen erwähnten in Gedichten den Zauber aus Gletscherschnee mit Zutaten wie Früchten, Honig oder Rosenwasser. 1660 wurde in Paris das erste Eiscafé errichtet, doch bis zur Erfindung der Kältemaschine durch Carl von Linde 1881 war man auf Eis aus dem Winter, das in Eiskellern bis zum Sommer aufbewahrt wurde, angewiesen. Lindes Kältemaschine brachte dann die technische Verfügbarkeit von Kälte und verhalf dem künstlichen Eis zum Durchbruch, doch es dauerte weitere fünfzig Jahre, bis sich die künstliche Eisgewinnung ganz durchsetzte und somit auch das Ende der «société des glacières du Pont» besiegelte. Die alpinen Gletscher wie auch die natürlichen Seegefrierungen des Jura wurden seit Jahrhunderten benützt, um Eis abzutragen und in Höhlen und Kellern einzulagern. Doch erst die Verbesserung der Lebensumstände und die Herausbildung einer betuchteren Bürgerschicht lösten Mitte des 19. Jahrhunderts eine veritable Nachfrage nach dem Kühlmaterial Eis aus. Diese Nachfrage zu decken bewegte Genfer Bankiers, die natürliche Eisdecke des Lac Brenet, auf 1002 Metern gelegen, zu nutzen. Der Lac Brenet ist nur durch eine 200 Meter breite Landbrücke vom berühmteren Lac de Joux getrennt. Seine geringe Tiefe (maximal 18 Meter) und die bescheidene Grösse garantierten eine sichere Eisproduktion.
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konnten nicht geliefert werden. Die einzige Zukunft der Gesellschaft war der Anschluss an die Bahnlinie LausanneIn Le Pont direkt am Lac de Brenet Pontarlier-Paris. gelegen, wurde 1879 eine riesige Halle zur Einlagerung von Eisblöcken errichDIE BAHNLINIE tet. Sie war mit doppelten Holzwänden Bereits 1881 wird nun eine Bahnlinie und dazwischen eingelagerten Holzspänen ausgestattet, damit die Ernte, zwischen Le Pont und Vallorbe sondas Eis, nicht gleich wieder weg- diert. Sie kostet 1,5 Millionen. Franken. schmolz. Sie fasste 14 000 Kubikmeter. Doch die Aussichten im Eisgeschäft Mehr als hundert Arbeiter wurden sind gut und so kommt das Geld zuzu Beginn für das Eissägen angestellt. sammen. Die Linie wird 1886 fertiggeMit riesigen Sägen gingen sie auf den stellt. Ein Jahr später macht die EishalSee. Sie bohrten ein Loch in die Eisdek- le mehreren Speichern platz, in denen ke und tauchten dann die Säge ein. An insgesamt 42 000 Tonnen Eis lagern. Die Eisteppiche werden nun mit eideren unterer Seite, jener im Wasser, wurden etwa zehn Kilo Gewicht ange- ner Kreissäge geschnitten und über ein hängt. Das Gewicht versorgte nun das Förderband in die Speicher gebracht. Blatt mit der nötigen Kraft beim Stos- Die Produktion läuft auf vollen Touren sen der Säge. Die Männer sägten zu und täglich verlässt ein Wagon voll mit zweit, links und rechts vom Blatt. Eis das Vallée de Joux Richtung Paris. Zuerst wurden riesige Teppiche ge- Das entscheidende Etwas, was den schnitten. Diese grossen Eisflosse Verkauf des Eises aus dem Lac de Brestakten die Männer sodann ans Ufer, net bis ins 20. Jahrhundert andauern wo sie in Meterblöcke geschnitten und liess, war zum einen das Attest des über Leitern und Haken ins Gebäude kantonalen Labors über die Reinheit gehievt wurden. Die Erntesaison war des Wassers, wie wohl auch das nicht kurz, wurde sie doch durch Wärmeein- so reine Leitungswasser von Paris und brüche immer wieder eingeschränkt. anderen Städten. Doch das Geschäft mit dem Eis war Und auch die Lagerhalle war schnell nicht besonders behaglich, nicht für die gefüllt. Berichte erwähnen, dass Arbeiter Arbeiter und auch nicht für die Sociéte. gelegentlich ins eisige Wasser fielen, Schliesslich kommt das Geschäft doch seien sie stets mit Seilen und Ha- wegen der Verbreitung des Kühlken gesichert gewesen, sodass kein schranks zum Erliegen. 1942 ist der letzte Eintrag der «sociéte des glaciètödlicher Arbeitsunfall belegt ist. Die Gesellschaft florierte jedoch res» verzeichnet. Bis auf den heutigen Tag existiert die nicht. Die Eisladungen mussten mit Pferdefuhrwerken über den Col de Pe- von Carl von Linde 1879 gegründete tra-Felix (1144 m) nach Vallorbe ge- Linde AG (Kältetechnik). Der Lac de karrt werden und dort auf die Wagons Brenet dient heute als Speicherbecken der Eisenbahnlinie Vallorbe-Pontarlier- des Kraftwerks Vallorbe. Desweiteren möchte ich auf den Paris. Die Verluste auf diesem Weg waren gross, zu gross. Teils blieben die wunderschönen Jura verweisen, und Wagen im Morast stecken, teils zer- auch wenn jedes Jahr grosse farbige störten die Schläge viele Eisblöcke, was Reportagen zu Langlauftouren oder im sie unverkäuflich werden liessen. Auch Sommer zu Fahrradtouren in den Meder lange Transport und das anschlies- dien gebracht werden: bist du dort, bist sende Umladen führte zu Schmelzver- du allein, so fein. lusten. Das Eis respektive das Geld zerfloss zu Wasser. Viele Bestellungen > HAKO <
DIE SOCIÉTE DES GLACIÈRES DU PONT
WEILE WEILT IM
ECHO DER ZEIT
schneeflocken haschen ball rollen-riesen flocken den engel machen
Songtipp fürs Megafonlesen: Schnee von den Aeronauten.
In jenem Dorf, hoch oben, wo die Berge weisse Schärpen tragen, herrscht grosse Stille. Die Sonne hängt schief in den Wipfeln. Die Fichten stehen frech am Hang. Eine Gämse pisst in den Schnee. Sofie versteckt sich hinter einer kleinen Tanne am Rand der Piste. Sie sitzt in meterhohem Weiss versunken und saugt an einem Eiszapfen. Sofie ist müde, die Skihose ist nass, die Strumpfhose kratzt, unter dem Helm juckt es. Es juckt etwa so, als würden Hunderttausendmillionen fieser Läuse die kleine Sofie in den Kopf beissen. Sofie macht keinen Mucks. Wie ein brütendes Schneehuhn beobachtet sie in ihrem Versteck die anderen Kinder. Sofie versteht nicht, warum die Skischulklasse den Idiotenhang hoch trippeln muss, wo es doch einen Skilift hat, einen Tellerli-Lift! Der Lift gehört dem alten von Allmen. Von Allmen steht Jahr für Jahr am Fusse der Anfängerpiste und schiebt den Kindern die Teller zwischen die Beine. In der einen Hand hält er den Teller, die andere vergräbt er in seiner Jackentasche. In von Allmens Mundwinkel dampft ein Stumpen vor sich hin. Der Einheimische spricht wenig, doch er hat den Blick einer Bergdohle. Der Blick teilt ein in begabte und minderbegabte Skihasen. Für die kleine dicke Sofie sieht er wenig Hoffnung. Von Allmen selbst hat keine Kinder, er hat nicht einmal eine Frau. Er hat den Moment verpasst, damals, als sich die weniger wortkargen Männer des Dorfes mit den wenigen Frauen, die nicht mit ihm verwandt waren, unter der Haube einrichteten. Die Teller gleiten durch die Luft. Zur gleichen Zeit zieht sich Ingrid auf der Waschbeckenablage eines Badezimmers im Hotel Regina eine Linie rein. Sie gönnt sich das zwischendurch. Aus von Allmens Transistorradio erklingt Musik, DRS 1 spielt «Kleine Amsel, pfeif' dein schönstes Liebeslied»
von Vico Torriani. Von Allmen denkt an früher, an die Curlingabende mit Marie. Die schweigsame Frau war eine ausgezeichnete Guard-Spielerin gewesen. Nach dem Training hatten sie im «Hirschen» dann und wann ein Gläschen Kirsch zusammen getrunken. An einem jener Winterabende hätte er Marie beinahe gefragt, ob sie im Sommer mit ihm auf das Meiesäss wandern würde. Noch bevor der Schnee geschmolzen war, hatte Brändli sie gefragt. Plötzlich klebt Sofies Zunge am Eiszapfen. Sie heult auf und wird von der Skischule entdeckt. Din hört in der Ferne das Schreien eines Kindes. Er blickt auf das nah gelegene Dorf. Er kennt das Dorf nicht, denn sein Bewegungsradius ist auf zwei Kilometer beschränkt. Din trägt Stiefel, die ihm die Leiterin des Minimalzentrums beschafft hat. Mit den Sohlen macht er Abdrücke in das weiche Weiss. Brändli kurvt sein Elektromobil Richtung Minimalzentrum. Dort muss er einen Haufen Reis abliefern, weil die Fremden viel davon essen. Brändli versteht nicht, wie man jeden Tag Reis essen kann. Er hat Angst vor den Fremden, doch das würde er am Stammtisch im «Eigerpickel» nie zugeben. Brändli sieht die kleine Strasse kaum, der Schnaps benebelt seinen Kopf. Später wird er heimkommen. Die Alte wird in der Küche stehen und ihn böse anschauen. Er wird ihr eins runterhauen und sie wird keinen Laut von sich geben. Din wundert sich, warum Brändli sein Elektromobil im Slalom den Hügel hochfährt. Er wundert sich auch, warum Menschen in der Freizeit auf
Skis die Hänge runterwedeln. Er wäre lieber Fussballprofi, wie Bonaventure Kalou. Sofie sitzt verheult auf einem Taburettli im Skischulbüro, während die Skilehrerin Annerös mit einem Haarföhn den an Sofies Zunge hängenden Eiszapfen zu entfernen versucht. Annerös ist Veterinärstudentin und arbeitet in der Wintersaison als Skilehrerin. Sie hätte jetzt lieber Feierabend. Ingrid betritt übermotiviert das Skischulbüro und nimmt ihre unglückliche Tochter in den Arm. Ingrid sagt: «Mein armes armes Sofielein!» Annerös denkt sich, dass Sofie ein burgeoiser Name ist, als sich der Eiszapfen von der Zunge löst. Währenddessen hört von Allmen «S’isch Polizeistund» von Vic Eugster und Sepp Trütsch zu Ende. Dann packt er den Transistorradio ein und macht sich auf den Heimweg. Die Sonne hat sich verzogen. Der Himmel ist dunkel und weisse Flocken fallen raus. Din sitzt mit zwei Kongolesen, einer Tschetschenin, drei Serben, einer Äthiopierin und einem Kosovo-Albaner beim Abendbrot. Brändli betritt die Küche. Marie blickt ihn böse an. Ingrid trägt die dicke Sofie auf ihren Schultern ins Hotel Regina. Von Allmen verpasst das Lied «Wänn’s Abigglöggli lüte tuet» auf DRS 1. Annerös läutet ihren Feierabend ein und stampft Richtung «Eigerpickel». Zu Hause angekommen schaltet von Allmen sein Transistorradio ein und macht sich in der Küche seiner Erdgeschosswohnung ein Spiegelei. Er schaut aus dem Fenster zu Brändlis rüber. Auf DRS 1 ertönt «Echo der Zeit.» > ELSAFITZGERALD@GMX.CH <
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sie sagten kein wort die scheidende, die bleibende die schneeflocke
FREIZEIT
ALPINISMUS UND UMWELT WINTER FÜR WINTER ZIEHT ES TAUSENDE VON MENSCHEN IN DIE BERGE. SCHNEESPORT IST FÜR VIELE, DIE SICH WÄHREND DER HIESIGEN KALTEN ste Gebiet zu sein, wird die Natur (Bau JAHRESZEIT NICHT VIA FLUGZEUG IN DIE KARIvon neuen Bahnen, Liften etc.) immer mehr verschandelt, der Druck, immer BIK ODER ANDERE SÜDLICHE LÄNDER FLÜCHTEN, schneesicher zu sein, führt zum DauerZU EINER WICHTIGEN FREIZEIT- UND AUSbeschneien der Pisten, was mit EnerGLEICHSAKTIVITÄT GEWORDEN. gie- und Wasserverbrauch verbunden ist (siehe dazu Artikel zu Schneekanonen auf Seite 20), für die grosse BesucherInnenzahl werden Strassen ausgeNun ist Wintersport nicht einfach gleich baut, Parkhäuser gebaut, Hotelkästen Wintersport, sondern die Art und Wei- schiessen in die Höhe… Nichts Neues, se, wie sich Menschen an schneebe- und doch verändert sich wenig bis gar deckten Orten vergnügen, ist vielseitig. nichts, die Zahl der klassischen SkitouWährend die einen auf klassischen Ski- ristInnen nimmt eher noch zu. Auch die tourismus in gut erschlossenen und Lust, sich die Bergwelt mit einem mögausgebauten Skigebieten, mit vielseit- lichst kleinen physischen Aufwand imgem Angebot an Sportevents, wie zum mer neu zu erschliessen, ist ungebroBeispiel Heliskiing, setzen, bevorzugen chen. Per Helikopter lassen sich Bergdie andern ruhigere und abgelegenere touristInnen auf mehr oder weniger unOrte, zum Beispiel zum Unternehmen berührte Gipfel fliegen, um eine wunderschöne Abfahrt im Pulverschnee zu von Ski- oder Schneeschuhtouren. geniessen und, unten angekommen, vom Helikopter wieder in Empfang geRUMMEL IM SKIGEBIET nommen zu werden. Ein teures VergnüWas den klassischen Skitourismus gen für wenige, verbunden mit Luftveranbelangt, ist man sich den Konse- schmutzung, Eingriffen in die Natur für quenzen für Umwelt und Natur schon Landeplätze und Lärmemissionen zum lange bewusst. Durch das «Wettrüs- Leidwesen der andern BergtouristInten» der bekannten Skiorte untereinan- nen und der alpinen Tierwelt. (siehe dader, mit dem Ziel, das grösste und be- zu umfassende Informationen auf www.mountainwilderness.ch)
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«DIE GUTEN» Alles schlecht und schlimm, so ist’s, aber zum Glück gibt’s ja auch noch die andern Bergtouristinnen, die Guten eben. Diejenigen, die die Bergwelt wirklich noch ohne Helilärm und Massen von Menschen erleben wollen, die die Natur, die Höhe als Ort der Ruhe und Erholung vom städtischen Alltag sehen und suchen. Sie sind bereit, die Gipfel durch die eigene Körperkraft zu erklimmen, am liebsten auf immer neuen Wegen, und wollen bei der Abfahrt als erstes ihre kurzbogigen Kurven im Pulverschnee hinterlassen. Ist aber diese Art von Alpinismus ganz frei von umweltbelastenden Einflüssen? Oder gibt es auch bei SkitourenfahrerInnen und SchneeschuhläuferInnen Flecken auf der weissen Weste? Die Umweltorganisation Mountain Wilderness (siehe Kasten) hat zu dieser Frage eine Studie in Auftrag gegeben (siehe Homepage von Mountain Wilderness) und befasst sich generell mit dem «Umweltgerechter Themenbereich Bergsport». Die Studie untersucht die drei Bereiche a) Mobilitätsverhalten von AlpinistInnen, b) Hüttenbewirtschaftung und c) Umweltprobleme in den Alpen. Interessant ist, dass sich SkitourenfahrerInnen, SchneeschuhläuferInnen, KlettererInnen generell als um-
MOUNTAIN WILDERNESS setzt sich für umweltgerechten Bergsport ein. Beim Verein sind vier Personen teilzeitlich angestellt. MW finanziert sich vorwiegend über Mitgliederbeiträge und Spenden. Für konkrete Projekte erhält MW Stiftungsgelder, welche für jede Kampagne neu beschafft werden müs
weltbewusst einschätzen. Dies ist wohl dadurch bedingt, dass sie ihre Sportart in grosser Ruhe, fernab von Zivilisationslärm und viel Rummel ausüben. Dabei wird jedoch oft ausgeblendet, dass auch andere Faktoren, wie zum Beispiel die Anreise, die Ansprüche, die bei mehrtägigen Touren an eine Hütte gestellt werden, das Verhalten im Gelände in Bezug auf Störung der Wildtiere und Beschädigung der Flora, sowie Abfallentsorgung Ausdruck von umweltbewusstem Verhalten sind. Der grösste Teil der für die Studie Befragten reist für ihre Touren mit dem Privatwagen an, was wohl auch das grösste Problem in Sachen Nichtumweltbewusstsein darstellt. Die Gründe dafür sind die anscheinend schlechten Verbindungen mit dem öffentlichen Verkehr, die Erleichterung einer Tour mit viel Gepäck, denn das Auto kann als Warendepot genutzt werden. In Sachen Ansprüche an die Hütten sind die Bedürfnisse unterschiedlich. Die Studie zeigt jedoch, dass viele AlpinistInnen bereit wären, für die Konsumation in den Hütten den doppelten Preis und mehr zu bezahlen, wenn damit Helikoptertransporte für die Waren durch eine ökologische Alternative (z.B. Maulesel) ersetzt würden. Viele AlpinistInnen wünschen sich ein stärkeres Engagement der Alpenvereine in Sachen Umweltschutz. Sie erhoffen sich davon, dass dies eine Vorbildfunktion bei der Nutzung der Alpen als Freizeitraum haben könnte. Bei allen Themenbereichen stellt sich heraus, dass Initiative, Information und Sensibilisierungsarbeit sehr wichtig sind, um das Bewusstsein von AlpinistInnen noch weiter zu schärfen. Es schadet nicht, sich immer wieder zu fragen, ob es zum Beispiel notwendig ist, an eine SAC-Hütte im Gebirge den Anspruch zu haben, dass eine Wasch-
sen. Einen grossen Teil der Arbeit wird von freiwilligen HelferInnen und Vereinsmitgliedern sowie PraktikantInnen geleistet. MW bietet zudem zwei Zivildienststellen an. Homepage: www.mountainwilderness.ch
/Duschgelegenheit innerhalb schützenden Mauern existiert.
der
KONKRETE HANDLUNGSANSÄTZE Fazit der Studie ist es nicht, die Bergwelt zu meiden, weil so oder so jede Berührung durch den Menschen einen Eingriff in die Natur darstellt. In die Berge darf und soll gefahren werden, die frischbeschneiten Gebirgslandschaften sollen genossen werden. Es gibt Möglichkeiten, ökologischen Alpinismus zu betreiben. Mountain Wilderness und der SAC (Schweizer Alpen-Club) erarbeiten zu diesen Themen, oft auch in Zusammenarbeit mit andern Organisationen wie der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz und Schweizer Wanderwege SAW Broschüren und Informationsmaterial. Mountain Wilderness gibt viermal jährlich eine Zeitschrift heraus und organisiert zum Beispiel Schneeschuhund Skitouren mit umweltpolitischem Anspruch (siehe Kalender Homepage). Nachfolgend nun noch stichwortartig ein paar wichtige Verhaltensregeln und Forderungen im Zeichen eines ökologischen Bergtourismus (ohne Vollständigkeitsanspruch): • Anreise zur Tour möglichst mit dem öffentlichen Verkehr. Es gibt unzählige Skitouren, die durch den öffentlichen Verkehr sehr gut erschlossen sind. Dazu findet man auf der Mountain-Wilderness-Homepage Tourentips nach Gebieten aufgeteilt. • Forderung an Tourismusvereine, an Bahnhöfen Schliessfächer zu installieren oder in Zusammenarbeit mit Restaurants die Möglichkeit von Gepäckdepots für TouristInnen ohne Privatwagen zu schaffen. • Planen der Tour: Respektieren von bestehenden Wildschon- und weiteren Schutzgebieten, auf vielen
50 000-er Skitourenkarten sind die Schutzgebiete eingezeichnet! Planen der Tour auf bestehenden Routen, den Einsatz von motorisierten Hilfsmitteln (wie Helikopter oder Motorschlitten) vermeiden. • Fauna und Flora: viele Tiere sind in der Dämmerungszeit aktiv; diese vermeiden oder sich möglichst ruhig verhalten. Hunde nach Möglichkeit zu Hause lassen. Dem Wild sollte nach Möglichkeit ausgewichen werden und Futterstellen umgangen werden. Tiere aus guter Distanz beobachten und Biwakplätze abseits von Tierspuren wählen. Durchqueren von Waldgebieten möglichst auf Wegen oder vorhandenen Routen (Spuren von Vorgängern). Vermeiden von Abfahrten quer durch den Wald. Aufforstungen und kleinen Jungwuchs nicht begehen. Nur kurzer Aufenthalt im Bereich der Waldgrenze (Lebensraum des Birkhuhns), Routen nicht parallel zur Waldgrenze planen. Im Frühjahr schonen der Grenzbereiche Schneedecke – Gras (sehr empfindlich). • Abfall: jeglicher Abfall wird wieder ins Tal mitgenommen! Mit diesen Hinweisen beende ich diesen Artikel in der Hoffnung auf einen schneereichen Winter für umweltgerechten Bergsport!
den sommer speichern rundum in decken gehüllt schnee im anzug
Quellen: Homepage von MW, diverseBroschüren und Unterlagen von MW, SAC und andern. Ein besonderer Dank geht an Jan Gürke, Projektleiter keepwild! bei MW
> USH <
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WENN ES ZU WENIG SCHNEE HAT
SAISON IST NICHT GLEICH JAHRESZEIT IST NICHT GLEICH JAHRESZEIT ES IST WIEDER SOWEIT: IN DEN ZEITUNGEN LACHEN UNS DIE SCHNEEKANONEN ENTGEGEN – DIE SKIGEBIETE WERBEN MIT HÜBSCH PRÄPARIERTEN, PLANIERTEN UND TECHNISCH BESCHNEITEN PISTEN. TOURISMUSANBIETER FORDERN EINE LÄNGERE WINTERSAISON UND TOURISTiNNEN VERLANGEN EIN SCHNEESICHERES GEBIET.
allein im winter durch eine welt voll weiss bläst der wind die flocken
Schneearme Winter und das Bedürfnis nach uneingeschränkter Schneesicherheit haben in den letzten zwanzig Jahren zur rasanten Verbreitung von Kunstschnee und dem Einsatz von Schneekanonen geführt. Waren es anfangs noch punktuelle Beschneiungen an Problemstandorten wie zum Beispiel auf windexponierten Kuppen, wo die Schneedecke rasch ausgedünnt wird, ist heute die Flächenbeschneiung weit verbreitet. Die Alpen sollen ihre Funktion als Freizeitpark erfüllen – natürliche Gegebenheiten werden nicht berücksichtigt, vielmehr gilt es, die Natur freizeittauglich zu machen.
DER KLEINE UNTERSCHIED Unabhängig vom Kunstschnee treten bei präparierten Pisten häufig Vereisungen der Schneedecke am Ende des Winters auf. Dies führt zu einer verringerten Luftdurchlässigkeit des
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Schnees. Liegen diese vereisten Schneeschichten unmittelbar an der Bodenoberfläche, kommt es zu Sauerstoffmangel im Boden, was zu Fäulnis führen kann. Kunstschnee ist dichter, nässer und härter als Naturschnee. Dadurch isoliert er den Boden und die Vegetation schlechter. Kunstschnee apert im Frühling später aus und verzögert somit die Entwicklung der Vegetation. Durch die beträchtliche zusätzliche Wasserzufuhr wird der Wassereintrag durch schmelzenden Kunstschnee im Frühling teils mehr als verdoppelt. Beschneiungswasser wirkt zusätzlich düngend, da es mehr Nährstoffe enthält als der natürliche Schnee. Besonders empfindlich sind naturnahe Vegetationstypen wie Magerwiesen, Zwergstrauchheiden und Moore. Die veränderte Nährstoffversorgung kann einen Verlust der Artenvielfalt zur Folge haben. Auf intensiv genutzten Weiden und Wiesen spielt der zusätzliche Düngeeffekt eine geringere Rolle – hier greift die landwirtschaftliche Nutzung weit stärker ins Artengefüge ein. Möglicherweise werden hier gar die Erträge gesteigert. Seit 1995/96 werden bei der künstlichen Beschneiung teilweise Zusatzmittel wie Snowmax, ein Granulat aus Bakterien und Proteinen, eingesetzt. Diese dienen als Kristallisationskerne und ermöglichen ein Beschneien bei höheren Temperaturen. In der Schweiz hat das BUWAL Ende 1997 die Zusätze
als unbedenklich eingestuft, 1998 hob auch der Kanton Bern das Verbot auf. Problematisch an der Schneeproduktion ist weiter der hohe Wasserverbrauch (siehe Kasten): Meist wird das Wasser im Sommer aus natürlichen Gewässern entnommen – übrig bleibt dort nur noch eine kleine Restwassermenge, was die Lebensgrundlage vieler Pflanzen und Tiere zerstört.
SCHONT KUNSTSCHNEE DEN BODEN? Zusätzliches Beschneien garantiert eine harte kompakte Schneeschicht. Der Boden ist besser vor Skikantenschliff, Pistenraupen und Stockeinsatz geschützt. Generell wird empfohlen erst ab 30 Zentimeter Schneehöhe mit Pistenfahrzeugen die Pisten zu präparieren, da es sonst zu Verletzungen der obersten Bodenschicht und der Grasnarbe kommen kann. Durch das Befahren mit Pistenfahrzeugen wird der Schnee verdichtet. Dadurch wird die Wärmeleitfähigkeit verändert, was eine bis zu drei oder vier Wochen spätere Ausaperzeit bedingen kann. Kunstschnee verstärkt diese Verschiebung zusätzlich. Folgen von spätem Einsatz der schweren Maschinen im Frühling, speziell auf schlecht wasserdurchlässigen Böden und Gesteinen, sind die bekannten braunen, wie frisch gepflügt anmutenden Skipisten.
WIE SCHNEE GEMACHT WIRD Schneekanonen erzeugen aus Druckluft und Wasser Kunstschnee. Dazu gibt es verschiedene technische Lösungen. Beim Hochdrucksystem werden Wasser und Luft in einem zentralen Maschinenhaus unter Druck gesetzt und über erdverlegte Leitungen sowie über Schläuche der Schneekanone zugeleitet. Beim Niederdrucksystem wird die Luft direkt an der Kanone in Bewegung gesetzt, was einen elektrischen Anschluss auf der Piste oder einen Generator erfordert. Schneekanonen können rationell nur bei Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt (kälter als –2 bis –5 °Celsius) eingesetzt werden, bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von weniger als 80 bis 60 Prozent. Bei wärmeren Temperaturen (um 0 °Celsius) ist der Schnee sehr nass und somit für die Vegetation besonders ungünstig. Die Leistungen der Schneeanlagen variieren zwischen
Teilweise wird auf den Pisten Schneebefestiger eingesetzt. Dies können Stoffe wie Kochsalz, Kalziumchlorid oder Ammoniumsulfat sein. Für eine etwa 30 Stunden wirksame Schneefestigung ist eine Menge notwendig, die ungefähr der normalen Dungdüngung im mittleren Höhenbereich der Alpregion entspricht...
BREITE, FLACHE PISTEN Ein weiterer Eingriff des Skitourismus in die Landschaft ist das Planieren der Pisten: Snowboard und Carving-Ski haben den Trend zu Planien weiter verstärkt, da auf möglichst gleichmässigen Schneeoberflächen weite Schwünge gefahren werden wollen. Meist werden die planierten Pisten künstlich begrünt, um möglichst schnell wieder eine schützende Vegetationsbedeckung zu erreichen. In Lagen oberhalb von 1500 Meter ü.M. gibt es dabei aber Probleme: Die extremen klimatischen Verhältnisse mit einer sehr kurzen Vegetationszeit, einer starken Einstrahlung der Sonne, sowie die Nährstoffarmut, hohe Geländeneigung und Erosionsgefahr machen die Hochlagenbegrünung schwierig. Also wird oft nicht standortgerechter, schnell wachsender Rasen angesät und der Boden zusätzlich gedüngt. So wurde beispielsweise ein Teil der Abfahrtsstrecke des Lauberhorns bei Wengen im Winter 1972/1973 planiert, Uneben-
50 und 2000 kW. Bei 30 Zentimeter hoher Beschneiung resultiert ein Stromverbrauch von 0,5 bis 1,5 kWh pro m2. Um beispielsweise das Skigebiet Wengen einen Winter lang zu beschneien sind ungefähr 400 000 kW Strom nötig, was etwa der Hälfte des Stromverbrauchs einer Kunsteisbahn im Mittelland entspricht. Der Wasserbedarf pro Schneekanone liegt in der Grössenordnung von 20 bis 75 l/s bzw. 70-270 m3/h. Für diesen Wasserbedarf werden oft künstliche Staubecken errichtet, die im Sommer, wenn der Abfluss in den Alpen hoch ist, aus den Zuflüssen und während dem Winter über Pumpstationen mit Wasser gespiesen werden. In Wengen beispielsweise werden in einem durchschnittlichen Winter 130 000 bis 150 000 m3 Schnee produziert. Dazu braucht es 60 000 bis 70 000 m3 Wasser. Offiziell fasst der Speichersee 35 000 m3 Wasser.
heiten und kleinere Hügel entfernt. Nach dem Planieren wurde Rasen angesät und der Boden gedüngt. Im ersten Jahr wuchs das Gras gut, die Jahre darauf gedieh aber gar nichts mehr. Die Böden auf planierten Pisten werden stark bis vollständig abgetragen, was die Bodeneigenschaften als Pflanzenstandort, aber auch den Wasserhaushalt, den Oberflächenabfluss und damit die Bodenerosion entscheidend beeinflusst. Vor allem oberhalb der Waldgrenze sind gut entwickelte Böden oft flachgründig und einige tausend Jahre alt, häufig sogar reliktisch, das heisst, sie sind unter anderen Klimaverhältnissen entstanden. Ihr Abtrag ist meist irreversibel. Ging vor zehn Jahren noch ein Aufschrei der Entrüstung durch die Medien, wenn von Kunstschnee die Rede war, ist die Lenk heuer stolz, schon wieder zu den ersten zu gehören, die, dank Technik und Minustemperaturen trotz Schönwetterphase die Saison eröffnet haben. Pulver gut dank «beschneien unter idealsten Bedingungen» (und 30 000 m3 Wasser). Dennoch gebe es nichts Besseres als Naturschnee: fällt er bis ins Mittelland, animiert dies die Leute zum Skifahren – nicht nur auf dem Gurten.
kinder naschen schnee sie ballen zwei kugeln und zeichnen den engel
> RACHEL PICARD < SCHWERPUNKT megafon Nr. 291, Januar 2006
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SCHNEE BIS POESIE
«KALTGEPRESST» ZWISCHEN BUCHDECKELN IN DEM MOMENT GAB ES EINEN STROMAUSFALL. WÄHREND DIE DRUCKMASCHINE STILLSTAND UND DIE WERKSTATT IN GEHEIMNISVOLLER DUNKELHEIT VERSANK, BEMERKTE KA, WIE SCHÖN DAS WEISS DES DRAUSSEN FALLENDEN SCHNEES WAR. (PAMUK)
Endlich schneit es! Es ist wirklich Schnee, nicht nur so halbherziger Schneeregen, den man nur als Schnee bezeichnet, weil man der Wettervorhersage blind vertraut. Nein, jetzt tanzen richtige, grosse Schneeflocken herab, beginnen, sich aneinander und Schicht für Schicht an allem festzukleben. Schnee eignet sich wunderbar für literarische Texte: Es ist ein Naturschauspiel, das immer wieder beobachtet und auf unzählige Arten beschrieben wird. Schnee evoziert Erinnerungen. Die kindliche Freude erwacht, das Staunen über das Naturwunder, die Wattebäuschchen, die sich gleichmütig ihrem Fall ergeben. Schneeballschlachten, Schlittenfahrten und Schneebauten erinnern an die eigene Begeisterung, die man heute kopfschüttelnd bei Kindern zur Kenntnis nimmt, die mit dem Schlitten auf dem ersten weissen Schäumchen (das kaum standhält) rum-
der schnee im auge das falken der zurück kehrt
SCHWERPUNKT
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rutschen. Erinnerungen an Jahre mit kaum oder mit übermässigem Schneefall kehren wieder. Unglaubliche Ereignisse, die den Rahmen des «Normalen» sprengen (Lawinen) und dem Schnee gar etwas Novellenhaftes verleihen. Schnee ist in Büchern einerseits Teil der dichten Beschreibung, deren Ziel es ist, die Umwelt und die Atmosphäre einer Handlung möglichst genau zu vermitteln. Andererseits eignet sich Schnee zu Assoziationen: Die frisch verschneite Landschaft steht als Symbol für Reinheit, Unversehrtheit, Jungfräulichkeit. Der weisse Schnee hat eine aufhellende, reinigende Wirkung, deren Spannung im Kontrast liegt. Bremsklotzartig scheint der Schnee die Welt zu verlangsamen, Bewegungen zu verringern, Laute sind gedämpft, das Licht rar, es wäre an der Zeit, Winterschlaf zu halten: Sich in einem Holzhäuschen neben dem zeuselnden Kaminfeuer wohlig ins Sofa kuscheln und ein spannendes Buch (Peter Hoegs «Smilla's Sense of Snow?») lesen, während es draussen schneit – eine märchenhafte aber auch ziemlich platte Vorstellung: Draussen die kalte Welt, drinnen Geborgenheit. Dennoch ergäbe man sich gerne manchmal diesem Stillstand… Oder geht es darum, das natürliche Timeout als Inspiration für Gedanken und zur seelischen Kräftesammlung zu nutzen? Man fühlt sich wie gefangen in dieser stillen Welt, in der sich selbst die Dramen der Leidenschaft so geräuschlos ereignen, als läge überall dichter Schnee. Wenn nicht nur atmosphärische Beschreibung, kann sich Schnee als metaphorische Ebene durch einen Text ziehen, wie dies in Ernest Hemingways The Snows of Kilimanjaro geschieht. Der Schnee steht als ständiges Hintergrundbild für den Tod, auf den der verwundete Protagonist am Fusse des Kilimandscharo wartet. Zum Schluss entwickelt sich die Analogie Schnee –
Tod zu einer Doppeldeutigkeit: Der Schnee des Kilimandscharo ist nicht nur Zeichen des Todes, sondern er steht zugleich auch für das ewige Leben. Schnee ist nicht einfach nur Schnee. Es schneit nicht, oder ununterbrochen, es stürmt, es entstehen Lawinen, Verkehrschaos und Katastrophen – Schnee ist Natur pur. Deswegen ist Schnee als literarischer Stoff spannend und vielseitig, er lässt Assoziationen und die Entwicklung von gegensätzlichen Positionen zu: die Vergänglichkeit und das ewige Leben, die filigrane Schönheit der einzelnen Flocken im Gegensatz zur vernichtenden Masse, die verschluckt und erdrückt, was ihr im Weg steht. Der Gegensatz von der kindlichen Verspieltheit zu den Gefühlen von Abgeschiedenheit und Einsamkeit. Der noch dichter fallende Schnee erweckte in Ka wieder das Gefühl von Einsamkeit. (Pamuk). Die Liste der Titel mit SchneeBüchern (von Hemingway bis Pilcher) wäre endlos. «Schnee», von Orhan Pamuk, gehört aber definitiv gelesen, mit oder ohne Kaminfeuer! > NEELA CHATTERJEE <
WHITE NOISE
EIN ÄSTHETISCHES MYSTERIUM WER HINTER DEM BEGRIFF «WHITE NOISE» EINE RECHTSRADIKAL GEPRÄGTE, BLEICHGESICHTIGE, MUSIKALISCHE GEGENBEWEGUNG ZUM SCHWARZAMERIKANISCHEN RAP BEZIEHUNGSWEISE ZU BLACK NOISE VERMUTET, TÄUSCHT SICH.
Mit dem «Weissen Rauschen» – so die deutsche Übersetzung – ist noch weniger das lautlose Geräusch gemeint, wenn, wie um diese Jahreszeit üblich, die Schneeflocken still und leise vom Himmel fallen und auf harten Asphalt, weiches Gras oder knisternde Schneeverwehungen segeln. Der Begriff des Weissen Rauschens stammt ursprünglich aus der Welt der Physik und ist heute zu einem geläufigen Begriff in der Medien- und Computerkunst geworden. Weisses Rauschen ist in der Sprache der Ingenieur- und Naturwissenschaften ein physikalisches Rauschen mit konstanter Amplitude im Leistungsdichtespektrum S(w) = H. Anders ausgedrückt: Weisses Rauschen verfügt über eine unendliche Signalenergie. Es handelt sich dabei um ein rein theoretisches Konstrukt, das in seiner Absolutheit in der Realität gar nicht existieren kann. Als Konzept hat sich das Weisse Rauschen längst in der Welt der Akustik etablieren können. In der Praxis entsteht Weisses Rauschen dann, wenn alle Frequenzen des menschlich hörbaren Bereiches – also von etwa 16 Hz bis 20 kHz – mit gleicher Amplitude, d.h. dem gleichen Lautstärkepegel, zusammenfallen – gut vergleichbar etwa mit dem weissen Licht in der Optik. bell bell sage ich Vom menschlichen Ohr wird das Weisder hund hilft mit se Rauschen als höhenlastiges Zischen im schnee zu stöbern in einem stimmlosen «sch» wahrgenommen. Für die Hörerin oder den Hörer hat dieses Geräusch eine leicht Literaturtipp: Heike betäubende Wirkung, und es wird Piehler (Hrsg.) 2005: inzwischen von findigen Bauplanern Weisses Rauschen, 1. Ästhetik-Festival der und Architektinnen als akustisches Instrument zur Lärmbekämpfung eingeUniversität Bielefeld, setzt. Wenn Lärm mit Weissem RauTranscript-Verlag (ab schen überlagert wird, empfinde man Ende Januar 2006 im diesen als weniger laut und störend. Buchhandel erhältlich)
In der Struktur des Weissen Rauschens sind alle zur Verfügung stehenden Informationen enthalten, ohne dass einzelne Informationen daraus isoliert wahrgenommen werden können. Alle Töne, alle Hintergrundgeräusche, alle Farbklänge, alle Einzelformen verbinden sich zu einem homogen wirkenden Rauschen. Wir kennen dies vom Schneebild im Fernsehen, wenn der Empfang gestört ist, oder vom Rauschen im Radio, wenn wir mit dem Knopf zwischen den belegten Frequenzen hin- und herdrehen.
GERASTERTE BILDELEMENTE Weisses Rauschen ist ein Phänomen, welches der Mensch aufgrund der Signalfülle und -dichte sinnlich zu fassen gar nicht in der Lage ist. Der Versuch einer konzeptuellen und begrifflichen Fassbarkeit dieses naturwissenschaftlichen Phänomens – das Weisse Rauschen ist eine endlose Kleinteiligkeit und eine endlose Vielfalt, alles in einem – ist äussert schwierig und kann glücklicherweise über künstlerische Approaches (Annäherungen) und Interpretationsmöglichkeiten gut gelingen. Die neuen elektronischen Medien spielen dabei eine zentrale Rolle. So kann beispielsweise die ästhetische Form des Weissen Rauschens mithilfe von Computer nachgerechnet und nachgeformt werden. Ein völlig neuer ästhetischer Raum von unendlicher Weite und Breite wird dabei erschaffen, und es entsteht ein neuartiges semantisches Universum, dessen Sprache für den Menschen nicht mehr entzifferbar ist und uns in ein zeichen-
haftes Nirgendwo hineinführt. Gleichzeitig eröffnet dieser Raum Möglichkeiten, sich dem Thema des Weissen Rauschens auf assoziative künstlerische Weise anzunähern: mit Video- oder akustischen Installationen, mit LivePerformances, mit gerasterten Bildelementen, die sich bis zur Unkenntlichkeit hin auflösen, mit künstlich erzeugtem Nebel… den Ausdrucksformen sind keine Grenzen gesetzt. Das Weisse Rauschen als eine physikalische Gegebenheit kann unter Umständen auch spirituell interpretiert werden, wobei sich folgende Fragen plötzlich aufdrängen könnten: Sitzt der unsichtbare und alles in sich fassende liebe Gott von früher nun ganz unverhofft im Weissen Rauschen? Oder: Vermag die Grosse Göttin ihre ätherischen Botschaften neuerdings ganz simpel über ein Mischpult verbreiten? Aber nein. Zu hören und zu sehen ist einfach ein akustisches Kauderwelsch, dem keine erkennbaren Formen und verstehbaren Botschaften mehr zu entlocken sind. Wir hören weder Töne, noch Worte, noch harmonische Akkorde, keine Pfadilieder, kein Hundegebell, keinen Autoverkehr, kein Hüsteln, Fluchen oder Papierrascheln mehr. Wir hören nur noch ein einziges Rauschen. Und wenn wir dieses Rauschen tatsächlich auch sehen könnten, würde in unseren Augen ein merkwürdiger, milchiger Nebel erscheinen. Oder es wäre, wie wenn Sonnenstrahlen auf unsere geschlossenen Augenlider fallen. Und ein Gefühl warmer Wohligkeit würde in uns aufsteigen. Vielleicht. > BRIGITTE MAUERHOFER <
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URUGUAY
ES KNIRSCHT IM FORTSCHRITTLICHEN REGIERUNGSGEBÄLK GERADE MAL NEUN MONATE IST SIE ALT, UND SCHON SIEHT SICH DIE FORTSCHRITTLICHE URUGUAYISCHE REGIERUNG MIT ZAHLREICHEN INTERNEN PROBLEMEN UND QUERELEN KONFRONTIERT. ZWAR KONNTEN DIE GRUPPIERUNGEN DER REGIERUNGSKOALITION IM NOVEMBER 2005 ALLESAMT UNTER DEM DACH DER FRENTE AMPLIO VEREINIGT
heutigen Senatspräsidenten Huidobro, der sich leider nicht zu blöd war zu behaupten, den Vieren sei das Prädikat «aufständisch» ja quasi geschenkt geworden…
WERDEN, ABER IN DER PARTEIBASIS WIRD ZUNEHMENDER UNWILLE ÜBER ENTSCHEIDUNGEN SPÜRBAR, DIE IM GEGENSATZ ZU DEN TRADITIONELLEN POLITISCHEN POSITIONEN STEHEN UND NICHT DISKUTIERT WERDEN.
Diesen Freitag werden zum fünften Mal in Folge über 1000 Menschen auf die Strasse gehen, um für die Freilassung von vier politischen Gefangenen zu demonstrieren. Verhaftet wurden sie im Zusammenhang mit einer Anti-BushDemonstration anfangs November, während der eine kleine Gruppe Sachbeschädigungen beging. Der Polizeieinsatz kam spät und brutal. Die Titelseite der linken Wochenzeitung Brecha zeigte einen schiessenden Polizisten, dessen Pistole auf ein Ziel in Kopfhöhe gerichtet ist. Andere verprügeln am Boden liegende DemonstrantInnen mit Schlagstöcken und halten diese fest, während Zivilisten sie mit Fusstritten traktieren. Vier DemonstrantInnen sind nach wie vor in Haft und werden vom Richter wegen umstürzlerischer Umtriebe angeklagt, auf die vier bis sechs Jahre Haft stehen. Dies obwohl Verteidigung und Staatsanwaltschaft die Freilassung fordern. In den 30 Jahren der Militärdiktatur kam dieser Gesetzesparagraph nicht mehr zur Anwendung, was an sich schon schockierend ist. Genauso schockierend wie die Tatsache, dass keiner der Polizisten suspendiert, geschweige denn gefeuert wurde. Und genauso schockierend wie die Aussage des ehemaligen politischen Gefangenen und
INTERNATIONALISTISCHE
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DIE ROSE AUF DEM TISCH Aber dies sind nicht die einzigen «Kröten», die laut Pépe Mujica – einem anderen ehemaligen politischen Gefangenen, heute Landwirtschaftsminister und langjähriger Gefährte von Huidobro in der Tupamarobewegung – zu schlukken sind. Am Todestag von Ché Guevara, gleichzeitig die Gedenkfeier für die Gefallenen beim Überfall auf die Stadt Pando durch ein Tupamarokommando im Jahre 1969, war die spärlich anwesende Basis gar nicht begeistert von den Erklärungen, wieso Uruguay unter der neuen Regierung an den UnitasMilitärmanövern mit US-Beteiligung teilnimmt, nachdem dies vorher stets heftig abgelehnt worden war. Gerade mal zwei Tage Zeit wurde dem Parlament für die Abstimmung gelassen und interne Opposition mit Stimmzwang zum Schweigen gebracht – bis auf den kommunistischen Senator Lorier, der den Saal verliess und eine symbolische Rose auf seinem Tisch zurückliess, und den sozialistischen Abgeordneten Guillermo Chifflet, der explizit und mit Begründung gegen die Parteidisziplin verstiess und dagegen stimmte. Mit Tränen in den Augen verlasen historische Militante einen offenen Brief an ihre ehemaligen Gefährten bei den Tupamaros – Huidobro und Mujica – und fragten diese unter dem Titel «Wieso zum Teufel haben wir überlebt?», wieso sie zu Systemverwaltern geworden sind, wo die alten Utopien und Prinzipien geblieben seien und wieso ständig «strammgestanden» werde, um ein weiteres Bonmot von Mujica zu zitieren. Prinzipien, die Guillermo Chifflet anlässlich der Abstimmung über die Verlängerung des Mandates und Verstärkung der uruguayischen Truppen im Rahmen des UNO-Mandates
auf Haiti dazu brachten, öffentlich von seinem Amt als Abgeordneten zurückzutreten, um nicht dafür stimmen zu müssen. Dies im Einklang mit den VertreterInnen der Basiskomitees im nationalen Führungsgremium der Partei, die ebenfalls mehrheitlich gegen die eigene Regierung votiert hatten. Chifflet erklärte, dass ihm nur dieser Ausweg geblieben sei, um seinen Prinzipien – und denen, welche die Frente Amplio bis vor kurzem vertreten hat – treu zu bleiben und dass er sich nun der internen Debatte widmen werde. Eine wohltuende Differenz zu Abgeordneten, die sich bemächtigt fühlen, ihr Mandat bei Meinungsverschiedenheiten einer neuen oder anderen Partei zukommen zu lassen und weiterhin fette Gehälter zu kassieren.
REBELLION DEM STRAMMSTEHEN Chifflet erklärte weiter, dass er auch zurückgetreten sei, da er in der bevorstehenden Abstimmung über das Investitionsabkommen mit den USA erneut gegen die eigene Regierung hätte stimmen müssen. Auch hier ist das Gemurmel in der Basis unüberhörbar. In einem offenen Brief fordern Dutzende von politischen Kadern und Intellektuellen aus dem linken Umfeld und der Frente Amplio, diesen Vertrag nicht zu unterzeichnen. Auch die kommunistische Partei, die immerhin über sechs Prozent der internen Stimmen auf sich vereinigt, hat den Vertrag bereits öffentlich und unwiderruflich abgelehnt, womit die Präsenz der kommunistischen Sozialministerin Marina Arismendi mittelfristig zur Diskussion stehen könnte. Auch in der intern meistgwählten Liste der Frente Amplio, der MPP – die vorwiegend aus den historischen Tupamaros hervorging – scheint eine heftige Diskussion im Gange zu sein, die an einem bevorstehenden Parteikongress entschieden werden wird. Vielen Basismitgliedern ist die Kröte Investitionsschutzabkommen mit
POLIZEIGEWALT
WAS TUN, WENN BULLEN PRÜGELN? IN LETZTER ZEIT IST ES WIEDER ÖFTERS VORGEKOMMEN, DASS DIE BULLEN RUND UM DIE REITSCHULE (SCHÜTZENMATTE, BOLLWERK) MENSCHEN VERHAFTEN, DIE SIE DER «DROGENSZENE» ZUORDNEN ODER, ORIGINAL-BULLENSLANG, DIE ALS «SCHEISS-NEGER» UND «SCHEISS-ARABER» BETRACHTET WERDEN. EGAL, OB JEMAND WIRKLICH DOPE VERDEALT ODER NICHT – IN BEIDEN FÄLLEN MÜSSEN DIE BETROFFENEN VOM MOMENT DES ERSTKONTAKTS MIT DER POLIZEI MIT BELEIDIGUNGEN, DROHUNGEN, GEWALT UND NEUERDINGS AUCH MIT FOLTERÄHNLICHEN «SPIELCHEN» À LA ABU GHRAIB RECHNEN.
den USA zu gross und sie rebellieren intern dagegen, strammstehen zu müssen. Derweil mischte Präsident Vázquez in der wichtigen sozialistischen Partei heftig mit, um ihm nahe stehende Personen in die Parteiführung zu hieven und die Gruppe um Aussenminister Gargano in die Minderheit zu versetzen, was ebenfalls ein beachtliches Konfliktpotential in sich birgt. Dennoch, nicht alles ist grau in Uruguay, wie beispielsweise die ersten Erfolge auf der Suche nach den Resten der Verschwundenen und die Anstrengungen zur Überwindung der Straflosigkeit der Verbrechen während der Militärdiktatur zeigen. Aber die realpolitischen Zwänge und der ebenso pragmatische wie zentralistische Regierungsstil von Tabaré Vázquez wird die uruguayische Linke und deren erste Regierung in den kommenden Monaten auf weitere harte Proben stellen, deren Ausgang noch nicht absehbar ist. > BEAT SCHMID, FREIWILLIGER GVOM IN URUGUAY <
Dass menschenverachtende Gewalt nicht nur oben beschriebene Betroffene treffen kann, wissen alle, die schon mal an Aktionen, Demos oder sonst wann mit Gummischrot aus nächster Nähe beschossen, beim Pissen eingegast, brutal verhaftet und auf Polizeiposten oder in Sammelgefängnissen misshandelt wurden. Diese Übergriffe (vor allem gegen «Personen mit geringer Beschwerdemacht») wiederholen sich Jahr für Jahr, und das einzige, was sich verändert, sind die Gesichter der «Amtsmisshandlungs-Fraktion» in der Stadtpolizei, welche häufig in der Drogeneinheit Krokus zu finden sind. Die Müngers, Schneiters, Toblers und wie sie alle heissen, können in dieser Stadt ungestraft Leute, die ihnen missfallen (und das sind, wie wir gesehen haben, nicht nur Afrikaner oder Araber…!) beleidigen, bedrohen, verprügeln und quälen. Konsequenzen müssen sie meistens keine befürchten: ihre Opfer erstatten selten Anzeige, da viele aufgrund ihres Aufenthaltsstatus mit negativen Konsequenzen rechnen und /oder kein Vertrauen in Behörden haben. Die Polizeivorgesetzten und -verantwortlichen decken seit Jahren rassistische und gewalttätige Übergriffe und
verbreiten in den Medien die Mär von «den gewalttätigen Afrikanern», die man halt von Beginn an härter anfassen müsse (oder gerne auch die Mär von «den gewaltbereiten DemonstrantInnen»). Und vor Gericht (wenn es denn mal soweit kommt) gelten Aussagen von Polizeibeamten (Amtspersonen) meist als glaubwürdiger, als die ihrer Opfer (was einen nicht von Anzeigen abhalten sollte…!) und es gibt auch für das grösste Arschloch einen Freispruch (und für Opfer oder ZeugInnen eine Verurteilung wegen Hinderung einer Amtshandlung, Gewalt und Drohung gegen Beamte, etc.!!!). Selten mal kriegen die Polizeioberen das grosse Zittern (bei glasklaren Fällen mit Medienecho) und versuchen sich mit einem Vergleich aus der Affäre zu ziehen. Stellt sich die Frage: Wie kann ich reagieren, wenn ich an eine solche Prügelszene heranlaufe? Wären es irgendwelche Dorfhooligans, wär der Fall klar: Dazwischen gehen und davonjagen. Sind es aber welche in Uniform oder Zivis, wird die Sache wegen dem lieben staatlichen Gewaltmonopol schon komplizierter. Oder um es mit Klaus dem Geiger zu sagen: «Bullen hauen ist verboten, Bullen hauen ist nicht fein – denn dann kommst du vor den Kadi und der locht dich ein.» Doch die Lage ist nicht ganz so trostlos – auch gegen gewalttätige Übergriffe von Prügelcops gibt es ein Recht auf Widerstand (sei es als ZeugIn oder BetroffeneR). Ähnlich wie gegen NichtpolizistInnen hat mensch das Recht auf Notwehr/Notwehrhilfe (Art. 33 StGB ) oder Notstand/Notstandshilfe (Art. 34 StGB ). Allerdings ist bei Polizeiübergriffen die Schwelle des zu Ertragenden ein wenig höher als bei «Privatgewalt». >
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In einem Bundesgerichtsentscheid (BGE 103 IV 73 S. 75) hält das Bundesgericht fest: Es «(…) kann sich die Frage eines notstandsähnlichen Widerstandes gegen eine Amtshandlung nur stellen, wo diese rechtswidrig ist, die Rechtswidrigkeit offensichtlich zutage tritt und von zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln von vornherein kein wirklicher Schutz zu erwarten ist.» Was zum Beispiel bei einer Szene, wo ein Prügel-Kroki einem am Boden Liegenden in den Kopf tritt oder ihn unnötig mit Pfeffer eingast, wohl gegeben wäre. Also dazwischen gehen und das Opfer schützen und den Täter davon abhalten, weiter rechtswidrig Leib und Leben des Opfers zu gefährden. Ob mensch dann die Cops auch daran hindern darf, ihr Opfer mitzunehmen (und damit die Spuren zu verwischen und das Opfer einzuschüchtern) und statt dessen das Opfer ins Krankenhaus begleiten kann, ist auszuprobieren und im schlimmsten Fall von einem Gericht entscheiden zu lassen. Auch wenn ein Übergriff nicht verhinderbar war – mensch kann einem Opfer von Polizeigewalt auch nachträglich helfen: Begleitung ins Spital für ein ärztliches Attest, Hilfe beim Erinnerungsprotokoll schreiben, Suche eines Anwalts/einer Anwältin, Begleitung beim Gang auf die Opferhilfe, Meldung bei Augenauf, Knastgruppe, Antifa, etc. LeserInnenbrief-Schreiben, Polizeivorgesetzte kontaktieren, als ZeugIn aussagen – es gibt viele Möglichkeiten.
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Zum Schluss noch ein weiterer Bundesgerichtsentscheid (BGE 98 IV 41 S. 45.) zur Vertiefung: «Rechtswidrig ist somit eine Amtshandlung, wenn die Behörde oder der Beamte zu ihrer Vornahme sachlich oder örtlich unzuständig ist, wenn wesentliche Formvorschriften nicht beachtet werden oder wenn bei Ermessenentscheidungen das Ermessen missbraucht oder überschritten wird, also beispielsweise wenn der Grundsatz der Verhältnismässigkeit polizeilicher Eingriffe missachtet wird (…). Gegen solche Amtshandlungen stehen dem Betroffenen in erster Linie die Rechtsmittel zur Verfügung. Nur wo von diesen von vorneherein kein wirksamer Schutz zu erwarten ist, lässt sich – ähnlich wie beim Notstand nach Art. 34 StBG – der gewalttätige Widerstand rechtfertigen (…). Voraussetzung ist aber in jedem Falle, dass die Widerrechtlichkeit der Amtshandlung offensichtlich sei und dass der Widerstand der Bewahrung oder Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes diene. Gebricht es daran oder ist die Widerrechtlichkeit der Amtshandlung auch bloss zweifelhaft, so fehlt es an der besonderen Ausnahmesituation, die den gewalttätigen Widerstand zu rechtfertigen vermag. Diese Rechtslage gilt für jede Art polizeilicher Eingriffe. PRÜGELBULLE WIR KRIEGEN DICH – ÜBERGRIFFE RÄCHEN SICH! > AG AMTS(MISS)HANDLUNG <
ANTI-WEF-DEMOS
NODEMO – LAUTSTARK UND KREATIV GEGEN DAS WEF-JAHRESTREFFEN AM SAMSTAG, 21. JANUAR, WIRD IN BERNS INNENSTADT FÜR EINMAL NICHT DEM EINKAUF GEFRÖHNT – STATTDESSEN DEM KREATIVEN PRO-
21. Januar 2006. Bern ist wie verwandelt. Nicht mehr die mit EinkaufstaGENDEN WOCHE STATTFINDET.PROTEST WIDER DIE schen bewaffneten Konsumwütigen LOGIK DES PROFITS. WIDER DIE POLIZEIREPRES- prägen die Innenstadt, sondern eine SION. WIDER EIN FAKTISCHES DEMONSTRATIONSStimmung des kreativen Protests. Von den Häusern und Strassenlaternen VERBOT. hängen die Fahnen der WEF-GegnerInnen, unzählige Gruppen und Einzelpersonen verwandeln die Innenstadt in eine Protestbühne. In den Gassen gibt es Info-Stände, Transparente und spazieren geführte Plakate, Theater-Performances, Lesungen, Musikdarbietungen, Umzüge und weitere Aktionen. Aus Lautsprechern und Kofferradios schallt Radio RaBe und berichtet von den Aktionen gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF), das sich in der darauf folgenden Woche in Davos zum Stelldichein einfindet. Die Strassen gehören dem Protest gegen das WEF und gegen die von ihm und seinen Teilnehmern geförderte Politik der Profitlogik. Bern, Burgdorf, Chur, Lugano, Luzern, St. Gallen und weitere Städte gehören dem Protest. Der Protest ist überall – so, wie auch die vom WEF und seinen Mitgliedern vorangetriebene Politik überall ihre Auswirkungen zeigt, sei es in Privatisierungen, Liberalisierungen, Auslagerungen, Stellenabbau, verschlechterten Arbeitsbedingungen oder in Kriegen um Ressourcen und strategische Gebiete sowie der Militarisierung der Gesellschaften.
TEST GEGEN DAS WEF, DAS IN DER DARAUF FOL-
FAKTISCHES DEMOVERBOT Die oben beschriebene geplante Protestform, die in Bern von einem breiten Bündnis vorbereitet wird, ist eine Antwort auf die Repression bei WEFProtesten in vergangenen Jahren. Tausende Demonstrierende, die in den Jahren 2001 und 2003 nach Davos reisen wollten, wurden von Grosskontingenten der Polizei aufgehalten und in
Landquart eingekesselt. 2004, als eine Anti-WEF-Demonstration in Chur stattfand, wurden über tausend sich auf der Rückreise Befindende trotz des friedlichen Verlaufs der Demo in Landquart angehalten, mit Tränengas, Gummischrot und Blendschockgranaten zusammengetrieben und erst nach Stunden der Einkesselung und anschliessender Fichierung freigelassen. Nach diesen Ereignissen entschied sich vor einem Jahr ein neu entstandenes Anti-WEF-Bündnis, eine Auftaktdemo abseits des militarisierten Bündnerlands zu organisieren. Jedoch wurde die geplante Demonstration in Bern von der rot-grünen Regierung verboten, womit klar war, dass vor und während des WEF-Jahrestreffens ein faktisches Demonstrationsverbot gilt, und zwar nicht nur in der geografischen Nähe des Stelldicheins. Die Antwort des Demonstrationsbündnisses war ein Aufruf zu kreativen Aktionen des zivilen Ungehorsams. Am 22. Januar 2005 überfluteten tausende von WEF-GegnerInnen die Stadt und verwandelten Bern in eine einzige Protestbühne. Das riesige Polizeiaufgebot und die von Behörden und Medien vorbereitete Konfrontationsszenarien liessen sie ins Leere laufen. Die martialisch ausgerüsteten PolizistInnen wurden zu unfreiwilligen StatistInnen.
RÄUME FÜR PROTEST UND DISKUSSION SCHAFFEN Am 21. Januar 2006 will das Berner nodemo-Bündnis auf den breit getragenen und lustvoll durchgeführten Aktionen des vergangenen Jahres aufbauen. Damit soll deutlich werden, dass das Weltwirtschaftsforum und seine Profitlogik nach wie vor keine Akzeptanz finden. >
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Der Protest wird aber auch während dem WEF in Davos sichtbar sein mit diversen subversiven Aktionen und in Basel ist zudem am 28. Januar eine Grossdemonstration geplant. Ein Bewilligungsgesuch wurde dafür eingereicht, in der Hoffnung, dass somit das letztjährige Basler Einkesselungsszenario vermieden werden kann. Mit den Protesten gegen das WEF 06 sollen also wieder Räume geöffnet werden für öffentlichen Protest und Diskussionen über die Machenschaften von transnationalen Konzernen und neoliberalen Regierungen. > ANTI-WTO-KOORDINATION <
PROTESTAKTIONEN GEGEN DAS WEF 06: Auf 1000 Balkonen soll sie blühen – die frisch gedruckte Anti-WEF-Fahne kann als Nachfolgerin der Pace-Fahne bestellt werden (10 Fr. plus Porto): www.nodemo.ch Samstag, 7. Januar, ab 12 Uhr: Vorbereitungsworkshop für den 21. Januar in der Reitschule. Es können Demo-Requisiten gebastelt werden und Ideen und MitstreiterInnen gesucht werden. Infos: www.nodemo.ch
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des WEF-Protestes stehen. Mit individuellen und kollektiven, subtilen und lauten Aktionen und Meinungsäusserungen wandelt sich die städtische Konsummeile in eine grosse Protestbühne. Macht mit! Infos: www.nodemo.ch Radio Rabe berichtet Live von diesem Protesttag von 13 bis 18 Uhr. Burgdorf: 12 Uhr, Make your own WEF, Oberstadt
Samstag, 14. Januar: Dance Out WEF, Besammlung 13 Uhr beim Bärengraben. Chur: 13 Uhr, Aktionstag in der Innenstadt Schon zum dritten Mal wird in Bern tanzend Infos: www.dadavos.tk gegen das WEF demonstriert. Infos: www.danceoutwef.org Lugano: Azione Anti-WEF Infos: www.ecn.org/molino Am Abend: Stop WEF – Tour de Lorraine: 10 Bands, 10 Djs, 5 Filme und 1 Infoveran- Luzern: 20 Uhr, «Reclaim the Streets», Thestaltung in 10 Lokalen dies- und jenseits aterplatz der Lorraine. Alles für einen gemeinsamen Infos: antiwefluzern@gmx.ch Eintritt von 20 Fr. Mit dem Gewinn wird die Kampagne gegen das WEF 06 unterstützt. St.Gallen: 17 Uhr, Info-Veranstaltungen und Infos: www.perspektivennachdavos.ch Polit-Konzert Infos: www.aktiv-unzufrieden.ch Samstag, 21. Januar, 12 bis 16 Uhr: Nodemo in der Berner Innenstadt: Statt einer Samstag, 28. Januar: Grossdemonstration Demo soll die ganze Innenstadt im Zeichen in Basel
ORGANISATION OHNE ORGANISATIONEN
DIE SCHWEIZER NEONAZIS ENTDECKEN DAS «KAMERADSCHAFTSMODELL» SIE NENNEN SICH «KAMERADSCHAFT INNERSCHWEIZ», «WILLISAUER WIDERSTAND», «KAMERADSCHAFT BRUGG» ODER «HELVETISCHE JUGEND» UND ZEIGEN DEN ORGANISIERUNGSTREND DER SCHWEIZER NEONAZISZENE AN: DIE VERMEHRTE GRÜNDUNG VON «FREIEN KAMERADSCHAFTEN» BIRGT EINE STRUKTURELLE VERÄNDERUNG DER EXTREMEN RECHTEN HIERZULANDE UND VERWEIST AUF DIE VERSTÄRKTE ZELEBRIERUNG EINER BRAUNEN LEBENSWELT. NICHT NUR DIE POLITIK SONDERN AUCH DER «SPASSFAKTOR», IN FORM VON SAUFGELAGEN, RECHTS-ROCK KONZERTEN UND NAZI-KLAMOTTEN SOLL IN DIESEM LEBENSENTWURF PLATZ FINDEN. UND DAS LÄSST SICH AM EINFACHSTEN ZUSAMMEN MIT GLEICHGESINNTEN UMSETZEN.
1 Das Kürzel HJ verweist auf die Hitlerjugend im Nationalsozialismus
Wie so vieles in der Schweizer Neonaziszene wurde auch das Organisationsmodell der «Freien Kameradschaften» bei den deutschen «Kameraden» abgekupfert. Dort grassiert dieses Phänomen seit Jahren und es ist kein Ende in Sicht. Im Jahre 2004 wurde die Zahl solcher Gruppen in der BRD auf 160 geschätzt – Tendenz steigend. Kameradschaften zeichnen sich durch das Fehlen von Parteiprogrammen und Vereinsstatuten aus. Sie sind in der Regel ein Zusammenschluss von Gleichgesinnten aus demselben Bekanntenkreis – die Weiterführung von Bekanntschaften aus Schulen, Jugendtreffs und Sportklubs. Der persönliche, kollegiale Kontakt innerhalb der Kameradschaft spielt eine zentrale Rolle. Da Kameradschaften auf dem Cliquensystem basieren und sich gewöhnlich nicht überregional rekrutieren, lassen sich aus der aktuellen Entwicklung auch Trends über das Wachstum der Extremen Rechten ablesen: Kameradschaften schiessen momentan in der Schweiz wie Pilze aus dem Boden und verweisen auf eine vor allem in ländlichen Regionen vermehrte rechtsextreme Politisierung von Jugendlichen.
WENIGER VERBINDLICHKEIT – WENIGER SKRUPEL Ohne Vereins- oder Parteistruktur sind solche Gruppierungen juristisch schwer zu fassen und können sich somit auch eine aggressivere Propaganda und militantere Aktionen erlauben. Dies ist unter anderem an der erhöhten Gewaltbereitschaft von Kameradschaftsmitgliedern abzulesen. So griffen im Oktober 2004 mehrere Mitglieder der Kameradschaft «Helvetische Jugend» in Willisau eine Kundgebung gegen Rassismus mit Raketen, Holzlatten und Bierflaschen an. Anschliessende Hausdurchsuchungen der Polizei eröffneten einen Einblick in die Waffensammlung der im Raum Langenthal beheimateten «Helvetischen Jugend». Das Arsenal reichte von Hieb- und Stichwaffen, über Schrotflinten, Munition und Faustringe bis hin zu Bestandteilen von Granaten.
DIE KAMERADSCHAFT ÜBER ALLES Aber nicht nur in Bezug auf die hohe Gewaltbereitschaft kann die «Helvetische Jugend» als ein Paradebeispiel des Kameradschaftsmodells bezeichnet werden. Ihre Aktivitäten decken die gesamte Palette rechtsextremer Freizeitbedürfnisse ab – ideologische Schulungen, Demo-Tourismus im Inund Ausland, Saufen und ab und an auf die Strasse zum Prügeln. Natürlich begehen sie auch den, für rechtsextreme Aktivisten obligaten Aufmarsch auf dem Rütli am 1. August gemeinsam. Dieses Jahr präsentierten sich die Mitglieder der «Helvetischen Jugend»1 am Nationalfeiertag einheitlich im Gruppen-T-Shirt. Zudem zeigen die «HJ»ler seit neuestem auch im Bereich Rechts-Rock Engagement: Die neu ge-
gründete «Indiziert»-Crew – eine Art Fangemeinde der rechtsextremen Band «Indiziert» – setzt sich u.a. aus mehreren Mitgliedern der «Helvetischen Jugend» zusammen. Die Aktivitäten der Kameradschaft greifen in die verschiedensten Lebensbereiche und ermöglichen damit eine umfassende Zementierung der rassistischen und neonazistischen Ideologie seiner Mitglieder.
BRAUNE VERNETZUNG BELIEBT Wer nun hofft, dass dieses Organisationsmodell zu einer Isolierung der Szene in einzelne Kameradschafts-Inseln führt, der unterschätzt das Phänomen. Bei der «Helvetischen Jugend» bestehen enge Kontakte und teilweise auch personelle Überschneidungen mit der rechtsextremen Partei PNOS. Prominenter Akteur mit einem solchen «Doppelmandat» ist der PNOS-Stützpunktleiter Pascal Lüthard. Dass Netzwerkstrukturen zu anderen Kameradschaften und rechtsextremen Aktivisten bestehen, steht aufgrund verschiedenster Teilnahmen der «Helvetischen Jugend» an Aufmärschen und rechtsextremen Veranstaltungen ausser Frage. Ein gemeinsames Flugblatt-Projekt mit der Kameradschaft NAJ (Nationale Aktive Jugend) verweist zudem auch auf eine aktivistische Zusammenarbeit zwischen Kameradschaften. Allerdings sind diese – im Vergleich zu den regionalen Aktionsbüros in Deutschland – hier nicht institutionalisiert. > ANTIFA BERN <
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GIPI: NACHTAUFNAHMEN
FRAGMENTE VON FAST FILMISCHER QUALITÄT NICHT VON UNGEFÄHR NENNT SICH DER BAND «NACHTAUFNAHMEN»: ES SIND DÜSTERE, IN SCHWARZ-BLAUEN TÖNEN GEHALTENE GESCHICHTEN, DIE GIPI ERZÄHLT. OBWOHL LÄNGST NICHT ALLE IN DER NACHT SPIELEN, HANDELN SIE ALLE AUF DIE EINE ODER ANDERE ART VON DER DUNKELHEIT.
Ölfarben und Leinwände sind normalerweise nicht die üblichen Arbeitsutensilien eines Comixautors. Bei Gipi allerdings schon: Der italienische Künstler arbeitet noch wie ein klassischer Maler. Zumindest für den Kurzgeschichtenband «Nachtaufnahmen» verwendet er ausschliesslich blaue, schwarze und weisse Ölfarben. Anders die Figuren: Diese zeichnete der Künstler mit scharfem Strich auf transparente Folien. Diese legte er anschliessend über den Hintergrund. Gelegentlich kommen gleich mehrere Schichten übereinander, so dass der Gesichtsausdruck beim Betrachten zu wechseln scheint. Der Effekt ist verblüffend, eindrücklich und widerspie-
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gelt die melancholisch-rätselhafte gels Produktionsfirma in einer KurzgeStimmung der Geschichten. schichte festgehalten. Fiktiv ist auch «Muttererde», welche die Lebensgeschichte eines zynischen Matrosen auf GEZEICHNET STATT GEFILMT einem Öltanker erzählt. Überhaupt die Geschichten: Es sind zumeist eher Geschichtsfragmente, REGISSEUR UND ZEICHNER Erinnerungsfetzen und GedankengänAllen sechs Geschichten gemeinge, an denen uns der Zeichner teilhaben lässt. Wie in «Oleanderstrasse» sam ist ihre fast filmische Qualität: Gipi beispielsweise, wo das Kind Gipi den nähert sich dem Geschehen langsam Tag wieder erlebt, welcher der und lässt dem Auge Zeit, durch ein schlimmsten Nacht seines Lebens vor- Zimmer oder über eine Landstrasse ausging. Biografisch und persönlich ist schweifen. So erstaunt es nicht, dass auch «Fünf Kurven», eine kurze Story der Zeichner auch Kurzfilme dreht. Zuüber lebensgefährliche Selbstüber- dem arbeitet der 1963 in Pisa geborene schätzung. Ebenfalls aus der Erinne- Zeichner als Illustrator, so für die Tarung geschrieben ist «Die Geschichte geszeitung La Reppublicca und für das von Fratze», die von einem entstellten italienische Satiremagazin «Cuore». und irgendwie heldenhaften Kleinkri- Mit dem 2003 unter dem Titel «Esterno Notte» erschienenen Band «Nachtaufminellen handelt. Da sind aber auch skizzierte Dreh- nahmen» wurde Gipi nicht nur in Italien bücher wie die Gangsterkurzgeschich- schlagartig bekannt. Bereits sind auf te «Auto im Regen» oder das Drama deutsch drei weitere Bände angekün«Gesichter im Wasser». Bei letzterer digt. > CDK < hat der Zeichner eine Film-Idee man-
YVONNE MOORE HÖRT MUSIK
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PROGRAMM
KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT FRAUENRAUM
Die Frage: Was würdest Du mitnehmen auf die einsame Insel? Die Antwort: Ich gehe nicht auf die einsame Insel. Drei bis fünf CDs auswählen und darüber schreiben, ist wie diese Frage. Es geht nicht. Liebe LeserInnenschaft, ich wähle die Musik als Thema und teile sie gleich auf in Musik und Anti-Musik. Was uns heute von den «grossen» Plattenfirmen als Musik verkauft wird und uns täglich aus dem Radio entgegenplärrt, ist vielfach Anti-Musik. Gen-Musik. Ist wie Essen im Mc Donald’s und Kaffee trinken im Starbucks. Vereinzelt gibt es noch Spezialsendungen im Radio, die uns Leckerbissen offerieren. Die Radiohören schön machen. Man setzt sich hin und hört zu. Nun, wann haben Sie, hast Du zum letzten Mal wirklich Musik gehört? Bewusst eine CD, eine Schallplatte aufgelegt? Es erfordert nämlich Zeit. Es geht nicht einfach schnell, schnell. Und die CD spielt zum dritten Mal und immer noch ist etwas Neues zu hören, ein neuer Klang, der das Ohr fasziniert. Lernen Musik zu hören braucht ebenfalls Zeit. Für mich bedeutet Musik hören, entführt zu werden in eine andere Welt, reisen mit der Melodie. Hören, spüren, was mir erzählt wird. Musik hören ist ein Erlebnis, versetzt mich an einen anderen Ort. Anti-Musik ist genau das Gegenteil. Sie plätschert daher, ist konform, ruft zu nichts auf, gibt nichts her. Täglich werden wir bombardiert mit irgendwelchem Lärm, zugedeckt mit Tönen. Es lärmt aus den Autos, aus dem Telefon, aus den Modeboutiquen, aus den Mantel- und Handtaschen. Als wäre Ruhe unangenehm, belastend. Nun, das ist sie nicht. Ruhe ist angenehm und enstpannend. Ruhe schafft den Raum, Neues aufzunehmen, schärft die Sinne. Musik ist genauso. Meine Empfehlung, nein, mein Aufruf ist ein Gang in ein Plattengeschäft. Entdeckt die Musik, sucht, lasst nicht locker, wühlt in der grossartigen Welt der Musik. Seid neugierig und nicht einfach bequem. Verwöhnt Euer Ohr mit der Vielfalt von Klängen und ihr werdet Spass haben, lachen, weinen, staunen. Gewöhnt Euch nicht einfach an das, was Euch vorgesetzt wird. Entscheidet selber was Ihr hören wollt, lasst nicht andere für Euch entscheiden. Viel Spass!
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STORY OF HELL - C.A. DIGITALSTE FOLGE (Diese Folge wird ihnen präsentiert von der Cyber-Kommune «Log Out»)
Pünktlich um Mitternacht wird der Schalter gekippt, ein neues Zeitalter angeknipst. Im zentralen Stellwerk des internen Netzes der Burg knallen die Korken, Bildschirme und Kontrolllampen der den Raum anfüllenden Apparate und Steuerungspulte sind bald nur noch durch einen dichten Nebel vom Rauch des Narrenkrauts erkennbar, das anwesende Personal befindet sich in einem stimmungsmässigen Hochdruckgebiet. Es wird beschlossen, aus dem archivierten Material einen wilden Überblick über das Vergangene zu montieren, der dann im Kino vorgeführt werden soll. All die gespeicherten Signale der Sensoren, Mikrophone und Kameras, welche das interne Netzwerk speisen, überlagert, durchmischt, und ergänzt mit Archiviertem, das in verschiedenen Medien von draussen über die Burg berichtet wurde. Eine gerüttelte und geschüttelte Überdosis an Informationen soll der montierte Zusammenschnitt vermitteln, ein die Sinne verwirrendes Wechselbad, mit stufenlos einstellbarem Wellengang und Massagedüsen. Dem Publikum soll am Ende nicht mehr klar sein, wo ihm der Kopf steht, beziehungsweise, wessen Kopf, und wo er anfängt, wo er aufhört. Schon die Sichtung des Rohmaterials sorgt für weitere Heiterkeit. Das zentrale Stellwerk des internen Netzes befindet sich in der ehemaligen Archivkammer, aus der all der verwitterte Papierkram entfernt wurde, um einer zeitgemässeren, platzsparenden Form der Informationsspeicherung Raum zu bieten: Die Kabelstränge, an deren Enden die Sensoren, Kameras und Mikrophone in den verschiedenen Räumen angeschlossen sind, kommen hier in einer Art Mischpult zusammen, hier befindet sich die Datenbank mit dem archivierten Material, der Gedankengenerator, die Werbetrommel, der Wirklichkeitskompressor, die Fakten-Waschmaschine und der Wahrheitsdestillator. Die Belegschaft des Stellwerks kann also bei der Zusammenstellung des Materials für die Chronik aus dem vollen schöpfen, hier ist alles dokumentiert: Vom Moment an, da die Burg sämtliche Segel gesetzt hat, in eine bessere Zukunft aufzubrechen, über die Exkursion auf den Roten Planeten, hin zu sämtlichen Burgfestspielen, wichtigen Versammlungen, zur Entstehung des genauen Wortlauts des Burgregelwerks, zur Einweihung der Kinder-Kampfbahn, als es zu gefährlich wurde STORY OF HELL
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für die Kleinen, auf der Strasse zu spielen. Nicht zu vergessen alle die kleinen und grossen Geschichten in und um die Burgbelegschaft, Tragödien, Komödien, Romanzen und Fehden, die sich täglich in den Gemäuern der Burg abspielen. Der Prozess der Auswahl, des Arrangierens und Verdichtens der Ausschnitte, welche in die filmische Chronik eingehen sollen, nimmt einige Tage intensiver Arbeit in Anspruch, während welchen sich das Projekt ständig weiterentwickelt. So hat sich ein Teil der Beteiligten daran gemacht, ein Theaterstück zu schreiben, welches während der Projektion des nebenan entstehenden Streifens vor der Leinwand aufgeführt werden soll. Sogar der Chronist, welcher sich vor Jahren in die ewigen Jagdgründe des «http://www.storyofhell.hell» abgesetzt hat, und seither im Kabelnetz und in den Archivköpfen der Burg herumgeistert, ab und zu in verschiedenster Gestalt in Erscheinung tritt, hat sich eingeschaltet. Er koordiniert die Entstehung des Drehbuchs und des TheaterSkripts, führt thematisch synchrone Momente und pointierte Gegensätzlichkeiten zwischen dem Geschehen auf der Leinwand und auf der Theaterbühne herbei. Irgendwer hat dann noch die Idee gehabt, das virtuelle Wesen als Erzähler in die Handlung einzubauen, es dem Chronisten zu überlassen, aus einem Archivkopf heraus über die Verstärkeranlage Film und Theater in einem inneren Monolog zu kommentieren. Erste Gerüchte über das entstehende Spektakel sind bereits im Umlauf, und so hat sich schon bald die Hausband angemeldet, die das Ganze musikalisch untermalen will, gar die Idee eingebracht hat, ein Musical daraus zu machen. So kommt es, dass sich die Uraufführung dessen, was als Idee in einer feuchtfröhlichen Nacht im Stellwerk des Netzwerks der Burg begann, wohl verzögern wird, denn nicht nur dessen Produktion wird Zeit in Anspruch nehmen, auch die Budget-Frage muss zuerst geklärt werden. Näheres über den Zeitpunkt, da das Werk zum ersten Mal zu sehen und zu hören sein wird, lässt sich im Moment nicht in Erfahrung bringen. In der nächsten Folge: die nächste Folge.
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