Preis â‚Ź 3.25
m egafon Nr. 292
Zeitung aus der Reithalle Bern www.megafon.ch
Februar 2006
mit P R O g r a m m
IM FEBRUAR ENTREE
3 CARTE BLANCHE D’UVM 3 EDITORIAL 4 ENTREE
SCHWERPUNKT
5 WAS IST EUROPA? Schwerpunkt Einleitung
8 LASS UNS ZUSAMMENRÜCKEN Grossmachtsträume, Euronationalismus und die lieben Linken
10 DIE EUROPÄISCHE VERFASSUNG UND DIE LINKE Scheitern der EU-Verfassung und Frage nach Alternativen 12 DER SCHÖNE SCHEIN DER BEWEGUNGSFREIHEIT Neue Befugnisse für Grenzkontrollen – auch neben der Grenze 14 «JA UND NEIN» Blick auf Europa
16 HIGHWAY THROUGH HELL Squat-Tourismus
18 WÜSTENCAMPS UND WASSERLEICHEN Das Mittelmeer ist der Burggraben Europas
20 KING KONG AN DEN BLUTIGEN STRÄNDEN DER ZIVILISATION Schauplatz International am Limes der Festung Europa
IMPRESSUM Redaktion AG megafon | Postfach 7611, CH-3001 Bern megafon@reitschule.ch | Fon 031 306 69 66 Layout megafon Plakat #tt Umschlag & Bilder tectonics/Mich Meienberg Druck Kollektiv Druckwelle, Reitschule In dieser Nummer Ruth Ammann (tut), Ursula Häni (ush), Tom Hänsel (#tt), Agnes Hofmann (ans), Christa Kläsi (cdk), Zacharias Krumm (zak), Heiko Morf (hako), Urslé von Mathilde (uvm), Markus Züger (maz). Redaktionsschluss 11. Januar 2006 näxter 8. Februar 2006 | Erscheint monatlich Auflage ca. 1300 Ex.; Jahresabo (mind. Fr. 54.–) bei obenstehender Adresse. Die in den Beiträgen wiedergegebene Meinung muss sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Die Schwerpunkt-Beiträge dokumentieren die Entwicklung von Kunst- und Jugend- und Politszenen. Weder mit bildlichen noch textlichen Inhalten sollen die LeserInnen dazu aufgerufen werden, Straftaten zu begehen. Für unsignierte Beiträge ist in der Regel die jeweilige AG verantwortlich.
INHALT
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megafon Nr. 292, Februar 2006
INNENLAND
23 MEBIF – MEDIZINISCHE BERATUNG FÜR ILLEGALISIERTE FRAUEN Unterstützung für und von…
24 … UND DER GOLDENE PHALLUS GEHT AN… Sexismus und Frauendiskriminierung in der Werbung INTERNATIONALISTISCHE
26 AFRIKA ALS COMPUTER-MÜLLHALDE Export von Elektroschrott KULTUR ET ALL
28 COMIX
29 DIE ALLERLIEBSTEN PLATTEN VON TOMAZOBI 30 PROGRAMM
KINO DACHSTOCK TOJO SOUSLEPONT GROSSE HALLE FRAUENRAUM
38 STORY OF HELL
CARTE BLANCHE D’UVM
EDITORIAL
ALLES WIRD EINFACHER, ÜBERSICHTLICHER & SCHÖNER! Konzerne fusionieren, Verarbeitungsketten werden vollautomatisiert, sogar die «fehlerbehafteten» Billetverkäuferinnen werden durch Automaten wegrationalisiert – das Tolle dabei: sie selbst machen aktiv Werbung für ihre «Konkurrenz» [Hinterwitzige könnten nun einflechten, dass diese Stellen ja im «Maschinenbau» wiederbesetzt werden; diesen Naivdümpeln empfehle ich einen Werksbesuch bei «Daimler-Chrysler» (o.ä. …), + s.o.] – und auch diese lustige Gegend, von der Maas bis hinter die Memel, von der Etsch bis über den Belt, rückt wirtschaftlich, politisch, ja sogar militärisch zusammen. Und vielleicht gibts ja dann auch bald wieder eine «Einheitspartei». SOOOOSCHÖN! Das «Soziale» bleibt zwar «vorerst» auf der Strecke, doch was solls, erstens: NIX neues; zweitens: wenn DABEI doch o.g. Wirtschaft gedeiht… Sklaven und Zwangsarbeiter sind von jeher der beste «Wirtschaftsmotor», oder eben, viiiel besser: Vollautomaten!
Ich plädiere für letztgenannte, auch an allen «Aussengrenzen»! Nicht nur der Vorteil der fehlerfrei-serienmässig eingebauten Schnellfeuerwaffen, Nachtsichtgeräte oder des ferngesteuerten Handelns, auch die Gewissenlosigkeit tritt strahlend hervor. Menschen SIND fehlerbehaftet. NICHTNUR die mittlerweile gänzlich degenerierte DNA, auch dieser nicht zu vertreibende Irrtum der Selbst- oder Eigenständigkeit birgt «Fehlerquellen». Also: mit «Festung Europa» ist wieder ein Schritt in die «richtige» Richtung gemacht, vielleicht erweitert es sich mittelfristig ganz zufällig zu Eurasien, «Amerika» kolonialisiert noch ein bisschen «seinen» Süden, Afrika wird wegen Seuchengefahr gesprengt und Australien wischt ein Hurrican hinweg. War da noch was? Genau. Falls ihr das auch alles zum Schreien findet, und noch ein bisschen eigenständig & selbstbestimmt handeln könnt, findet ihr – diesem «Europa»-Heftchen beigelegt – Unterschriftenbögen für ein Referendum «gegen das unmenschliche Asyl- und Ausländerinnengesetz». Vielen Dank für die An- & Teilnahme, und viel «Spass» beim Lesen:
> #tt <
EDITORIAL megafon Nr. 292, Februar 2006
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ENTREE entstand fast durchwegs bei der Untersuchung durch die Hand des Arztes. Allein seine Anweisung, nach der Leichensektion die Hände mit Chlorkalk zu desinfizieren senkte die Sterblichkeit der Wöchnerinnen um ein Vielfaches. Später erkannte er, dass nicht nur Leichen Gift für die Frauen waren, sondern auch lebende Personen ansteckend sein können. Die Praxis, vor jeder UntersuUnbemerkt, nur gerade hier kurz vermerkt, ist der «nationale Tag der Händehygiene» an chung die Hände zu desinfizieren, ist also uns vorbeigegangen oder vorbeigewaschen. Semmelweis’ Verdienst. Doch statt AnerkenDiese Waschungen jedoch keineswegs uner- nung erntete er die Feindschaft seiner Fachkollegen. Ihre Ablehnung war verständlich: heblich, sind sie doch ein zentrales Element des Zusammenlebens, des längeren Zusam- Hatten sie sich doch gerade erst die Geburtshilfe aus den Händen der Frauen ermenlebens. obert. Und die Ärzte wehrten sich nun Todesengel zu sein. Semmelweis’ Leben ging in eiMax Josef von Pettenkofer ist der eigentliner Irrenanstalt zu Ende, es werden Intrigen che Begründer der Hygiene. 1847 ernannte man Pettenkofer zum Professor für medizini- vermutet, die ihn dorthin beförderten. So soll er doch im Jahre 1862 der Ärztesche Chemie an der Universität München. 1865 wurde er, ebenfalls in München, erster schaft angedroht haben alle geburtshelfenden Ärzte, die nicht seine Hygienevorschrifdeutscher Professor für Hygiene. Er setzte ten anwandten, als Mörder anzuklagen. die Hygiene als eigenständigen Bereich der Medizin durch, sah aber auch den damit ver- Genug der Engel. Nach diesem kleinen Ausflug in die Verganbundenen wirtschaftlichen Aspekt. Daher genheit zurück zum «nationalen Tag der Hänsprach er auch Verwaltung und Ingenieure an und entwickelte eine Gesundheitstechnik. dehygiene». An diesem Tag werden alle Betten eines grossen Spitals mit einer DesinfekSo widmete er grosse Aufmerksamkeit dem durchdachten Ausbau der Kanalisation, was tionsflasche ausgestattet. Quasi zu Ehren Semmelweis’. Doch auch die betriebsintern im Zusammenhang mit seinen Beobachtungen zur Eindämmung der Cholera stand, wie entwickelte Halterung mag eine Rolle gespielt haben. Keine Rolle spielen mehr die auch die Einführung von Schlachthöfen sein Verdienst war. Dass die Medizin in jener Zeit Klinikhosen, umgspr. Unterhosen genannt. den Waschungen sehr zwiespältig gegenüber Sie werden den PatientInnen aus Kostengründen nicht mehr verabreicht. Wie weit die stand, belegt das Leben von Ignaz Semmelweis. Semmelweis arbeitete von 1846 an als unterhosenfreie Erfahrung im Spital auch die Assistenzarzt an der Klinik für Geburtshilfe in Gewohnheiten des Alltags verändern wird, werden wir spätestens im Sommer sehen. Wien. Mit Erstaunen stellte er fest, dass in Sicher ist, dass heute der Hygiene grosse der einen Abteilung, wo Medizinstudenten arbeiteten, die Sterblichkeitsrate der Frauen Aufmerksamkeit geschenkt wird. Also vor viel höher lag als in jener, in der die Hebam- allem der künstlichen Geruchshygiene. Diese Produktemaschinerie bricht jedoch menschülerinnen ausgebildet wurden. Als oft eigenartig an der Realität heimischer ein Kollege sich beim Leichen sezieren mit dem Skalpell verletzte und kurz darauf einer oder intimer Haushaltsführung. Dort wo in Blutvergiftung erlag, dämmerte Semmelweis den unzugänglichen Ecken verschiedenste Kulturen und Stämme sich weidlich niederein Zusammenhang. Der Krankheitsverlauf einer Blutvergiftung ist jener des Kindbettfie- lassen und kein Scheuer- oder Waschlappen bers ähnlich und so folgerte er, dass die aus dem bunten Treiben zu Leibe rückt. Dort sind vielleicht die heimischen Fluchten der Leichensektion kommenden Studenten des sich im globalen Ringen wohlriechend die Frauen infizierten. Das Kindbettfieber auch «Frauentod aus Männerhand» genannt, zur Schau stellenden Menschen. Wer weffelt was in den Bergen? Einige. Nicht gut. Wer hält dem Grauen im Mittelland stand? Viele. Ansichtssache. Wer wäscht sich die Hände? Fast alle. Hier geht’s lang.
ENTREE
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In der globalisierten Welt wird Heimat gerne als ruhender Pol gepriesen, und nicht selten gleich auch auf das fruchtbare Spannungsverhältnis von global und Heimat verwiesen. So gesellt sich «calvin klein» zu Grauschimmel und die Liebe zu den kleinen Haustieren macht auch vor den kleinsten Sporen nicht halt. Denn: wer weltweit schnell reagieren, deodorieren, parfümieren muss, braucht ein wohlig Heim, in das zurückkehrt er, sich zu entspannen. Die zurückbehaltenen Spannungen, die dann entweichen vielleicht nicht dem eignen Ruhm gereichen, doch sich ein wenig gehen lassen, die Gedärme baumeln lassen, gratis sozusagen. Ein gewisses Maß an körpereigenen Gerüchen ist jedoch gesund und natürlicher Bestandteil unserer nonverbalen Kommunikation. Denn die Geruchsrezeptoren nehmen auch Gerüche unterhalb der Wahrnehmungsschwelle wahr und senden diese direkt an das Stammhirn. Instinktiv antwortet der Mensch auf die vielen Gerüche. Ob bei einer gewissen Sensibilität das Diktum: «Und Geld stinkt doch…» instinktiv wahrgenommen wird, bleibt vorerst offen, doch Sympathie oder Antipathie wird schon auch über den Geruch gebildet. Die eigene Hautflora aber auch natürliches Abwehrschild und ein Zuviel an Hygiene das Ziel ins Gegenteil verkehrt. So zeigen Untersuchungen, dass Kinder aus Bauernfamilien seltener an Asthma, Niesanfällen während der Pollensaison, Heuschnupfen und Ekzemen leiden als Kinder aus Nichtbauern-Familien. Ob der häufige Kontakt mit Nutztieren damit zu tun hat, und was dahinter steht, wurde untersucht aber noch nicht publiziert. Als Trend lässt sich jedoch folgende Aussage machen: je weiter die Globalisierung fortschreitet, desto heimeliger und tierreicher wird das Zuhause. Die Rückkehr auf das Land wird global im Kleinen kultiviert und jene, die sich aus was für Gründen auch immer, nicht waschen wollen, sollten mal wieder Dackelblut hören. Auch Killer müssen waschen gehen. > HAKO <
SCHWERPUNKT EINLEITUNG
WAS IST EUROPA? DIE SUCHE NACH EUROPA WIRD SCHNELL SEHR
AUFWÄNDIG. EUROPA IST EIN VÖLLIG UNKLARER BEGRIFF. DEFINITIONEN SIND GETRÄNKT VON
POLITISCHER INTERPRETATION – SOGAR DIE GEO- Süden das Meer die Grenze. Aber diese ist zu Afrika im Südwesten mit der GRAPHISCHEN. WAS EUROPA IST, VISION ODER Strasse von Gibraltar nur gerade 14 KiILLUSION – MEHR DAVON IN DIESEM MEGAFON. lometer breit; im Südosten, beim Bosporus in Istanbul, sind es sogar nur 700 Meter. Im Vergleich dazu: Zwischen Wie der Kontinent Europa im Zu- dem Festland und England liegen 30 sammenhang mit der mythologischen Kilometern und zwischen Festland und Figur Europa steht, war zwar schon in Island sogar 800 Kilometer. Sind die der Antike unklar – das Bild von Zeus, Strasse von Gibraltar und der Bosporus der Europa nach Kreta entführt, hat also tatsächlich Kontinents-Grenzen? Gänzlich umstritten wirds im Osten: sich aber immerhin bis heute gehalten. Andere Definitionen sind nicht weniger Zwar wurde die Grenze seit der Antike schwammig: «Europa ist der einzige immer weiter in den Osten verschoben, unter den Kontinenten, der nicht von mindestens seit den Boden- und Pflanaussen, sondern von seinen Bewoh- zenuntersuchungen von Alexander von Humboldt (1769-1859) war jedoch klar, nern definiert wurde.» (Wüstefeld)1 Definitionen sind aber per se immer dass es einen Erdteil Europa im geonormativ, das heisst massgebend – und morphologischen Sinne überhaupt Massgebende kennen meistens auch nicht gibt. Der Begriff «Eurasien» fasst eine Absicht hinter ihren Erklärungen. zusammen, dass Europa eigentlich So war in den letzten Monaten vor nicht mehr ist, als eine halbinselartige allem eine Frage zu hören: «Gehört die Verlängerung des Kontinents Asiens...3 Türkei zu Europa?» Und – gehört sie zu Eine andere geographische Theorie Europa?2 besagte, dass Europa eine «feuchte Insel, umgeben von den Trockengebieten Asien und Afrika» sei, mit den sich darGEOGRAFIE GIBT aus ergebenden Möglichkeiten des KEINE ANTWORT «Regenfeldbaus». Unumstritten ist eigentlich nur die Westgrenze Europas, das atlantische Meer. Auch noch ziemlich klar ist die Nordgrenze: sie liegt vier Kilometer westlich vom Nordkap. Südlich wird es schon schwieriger: Zwar bildet auch im
Am Beispiel von Russland zeigt sich aber, dass viel mehr als die Geografie selber, die Politik die Geografie bestimmte: «Nach dem Erstarken Moskaus im 15. Jahrhundert wurden die Russen bald als ein den Türken (Osmanisches Reich) nicht unähnlicher Feind begriffen. Ironischerweise mussten die europäischen Mächte Russland dann in ihren Kreis aufnehmen, um sich der Türkengefahr zu erwehren. Während die römische Kirche an diesem Pragmatismus festhielt, wurde auf politischer Ebene bald wieder von der russischen Gefahr gesprochen, als das Moskauer Reich erfolgreiche Kriege gegen seine westlichen Nachbarn führte. Die Reformen Peters des Grossen, der die Europäisierung seines Landes unerbittlich vorantrieb, machten dann wieder eine Europadefinition möglich, die Russland einschloss. Die aus dieser Zeit stammende, scheinbar rein geographisch motivierte Grenzziehung entlang des Ural, die bis heute das Bild vieler Europäer bestimmt, ist also politisch-kulturell fundiert.» Wenn es weder der Regenfeldbau noch die Geografie sind – was hält Europa denn zusammen? >
SCHWERPUNKT megafon Nr. 292, Februar 2006
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1 Der Artikel basiert
weit gehend auf der Arbeit «Was ist Europa?» Jens Wüstefeld, Europäische Akademie Berlin, 2005. 2 Nur drei Prozent der Türkei liegen geomorphologisch auf dem Kontinent, aber auch Russland, dessen Zugehörigkeit zu Europa zumindest zeitweise unumstritten war, liegt überwiegend in Asien. Im Oktober 2005 wurde überdies entschieden, dass mit der Türkei Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union aufgenommen werden. Nicht selten wird Europa gleichgesetzt mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. 3 http://nibis.ni.schu-
le.de/%7Evdsg/Seiten/sin/sin_24/medien /karte1.gif Quellen: Was ist Europa? Jens Wüstefeld, Europäische Akademie Berlin, 2005. Wikipedia (Europa (Mythologie). NZZ vom 7. Januar 2006.
Wüstefeld unterscheidet zwei grosse Definitionsgruppen: die historischnormativen sowie die organisationsbezogenen Definitionsversuche. Landwirtschaft mag europaweit vielerorts ähnlich betrieben werden oder worden sein – und doch besitzt sie heute keine kulturelle Prägekraft mehr. Da sind andere kulturelle und soziale Komponenten stärker.
GRIECHEN UND RÖMER Zum einen gibts das antike Griechenland. Von dort stammen nicht nur Mythologie und Philosophie. Weil sich die griechischen Stadtstaaten auf kleinstem Raum gegenüberstanden, mussten neue Modi der Konfliktbewältigung gefunden werden: Diese gelten als Frühformen der Demokratie, die Vorbildfunktion für spätere politische Systeme hatten. Nach den Griechen die Römer: «Das römische Imperium übertrug Rationalität und Systematik des Denkens, die in Griechenland oft noch auf das Philosophische beschränkt geblieben waren, vermehrt auf den Aufbau des Staatswesens. Dank der hohen Konstanz des politischen Systems und seiner grossen räumlichen Ausdehnung entstanden kulturübergreifende Berührungspunkte.»
CHRISTENTUM
lischen Christen im Westen: Zahlreiche kleine Herrschaftsgebiete mit feudaler Organisation, die ständig miteinander um die Vormacht rangen – und folglich empfänglicher waren für die Trennung von Kirche und Staat – deuteten in der Folge den Begriff Europa neu; sie bezeichneten damit sich selbst in Abgrenzung zu den Orthodoxen, dem Oströmischen Reich. Die Grenze zwischen der lateinischen und der orthodoxen Christenheit bildet seither eine der dauerhaftesten Zivilisationsgrenzen überhaupt. Die katholische Kirche suchte aber auch andererorts die Konfrontation: Ab 1096 begannen für fast zweihundert Jahre die Kreuzzüge. Für Europa «integrationsfördernd wirkte dabei die nationenübergreifende Verbündung gegen einen gemeinsamen Feind. ‹[E]in nicht geringer Teil [sic!] seiner betont christlichen Identität hat Europa erst durch die Abwehrbestrebungen gegen den Islam herausgebildet.›» «Das Christentum blieb bis ins Mittelalter hinein das entscheidene Merkmal Europas. Erst zu Beginn der Neuzeit beschnitten Humanismus und Renaissance die Kirche in ihrer Macht, indem sie ihr weltliches Interpretationsmonopol durchbrachen. Die europaweite Gründung von Universitäten spiegelte das gewachsene Verlangen nach wissenschaftlicher Erkenntnis, die sich nicht nur auf die Theologie beschränkt, wider. Die zunehmende Autonomie der Wissenschaft wurde zur Bedrohung der kirchlichen Lehrmeinung.»
ge der französischen Revolution zu einem System der Nationalstaaten. Auch wenn sich dieser Prozess in weiten Teilen Europas erst nachholend oder verspätet vollzog (Deutschland und Italien dienen hier klassischerweise als Beispiel), wurde der Nationalstaat – später in seiner demokratischen Ausprägung – zu einem Bestimmungsmerkmal des Kontinents.» Zwei weitere historisch-normative Elemente dienen oft der Definition von Europa: Der Kapitalismus und der Kolonialismus! Neben den christlichen Traditionen speisten auch die entwickelte und angenommene «Universalität der europäischen Werte» die Gefühle der Überlegenheit gegenüber den kolonialisierten Völkern. «Das positive Selbstbild der Europäer, ihr Überlegenheitsgefühl wurde von den nationalistischen Exzessen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zutiefst erschüttert. Spätestens der Zweite Weltkrieg führte die Verwundbarkeit der ehemaligen Führungsmächte der Welt in aller Deutlichkeit vor Augen. Diese Erfahrung verdeutlichte aber auch in noch nie da gewesener Schärfe, wie eng die Schicksale der europäischen Staaten miteinander verwoben sind. Sie wurde so zum Gründungsimpuls der bis heute anhaltenden Einigungsbewegung.»
ORGANISATIONS-BEZOGENE DEFINITIONSVERSUCHE
Und dann das Christentum: «Der gemeinsame Glaube, der die unterSchon seit dem 19. Jahrhundert gab schiedlichsten Kulturen des Mitteles eine Reihe meist privater Initiativen, meerraumes, später auch weiter nörddie europäische Verbände oder Bündlich gelegener Gebiete zusammenfasNEUE GESELLSCHAFTSMODELLE nisse zum Ziel hatten. Erst nach den ste, vermittelte über diese pluralistiZerstörungen des zweiten Weltkrieges sche Integration ein ZusammengehöAber auch gottgegebene Monar- und der nachfolgenden wirtschaftrigkeitsgefühl.» chenherrschaft wurde in Frage gestellt lichen Probleme war der Druck auf die Im Jahr 1054 ist die christliche Kir- – fortschrittliche Gesellschaftsmodelle europäischen Staaten gross genug, che in zwei Teile zerbrochen. Die katho- stützten sich im wesentlichen auf das sich erneuten Integrationsvorschlägen in verschiedenen Gebieten Europas offener zu zeigen. «Den Durchbruch brachte der Vorentstehende Bürgertum. Und: «Das System von Territorialstaaten, das sich schlag Jean Monnets und Robert SchuSCHWERPUNKT seit Mitte des 17. Jahrhunderts in Euro- mans zur Gründung einer Europäimegafon Nr. 292, Februar 2006 6 pa etabliert hatte, wandelte sich in Fol- schen Gemeinschaft für Kohle und
MEHR DEFINITIONEN Wortursprung: Das Wort Europa stammt aus dem assyrisch-phönikischen «ereb» Sonnenuntergang/ Westen) im Gegensatz zu «açu» (Sonnenaufgang/ Osten = Asien). Wie der Kontinent im Zusammenhang mit der mythologischen Figur Europa (siehe unten) steht, war schon in der Antike unklar… Griechische Mythologie: Europa ist die Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa. Zeus verliebte sich in sie und verwandelte sich wegen seiner argwöhnischen Gattin Hera in einen Stier. Sein Bote Hermes trieb eine Herde in die Nähe der spielenden Europa, die der Zeus-Stier auf seinem Rücken entführte. Über das Meer brachte der Stier schwimmend seine Beute auf die Insel Kreta, wo er sich zurückverwandelte. Der Verbindung entsprangen drei Kinder: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Aufgrund einer Verheissung der Aphrodite wurde der heimatliche Erdteil nach ihr benannt.
Stahl von 1950. Zunächst aus der Idee heraus geboren, Deutschland könne nur durch eine feste Einbindung in westliche Strukturen dauerhaft von Aggressionen gegen seine Nachbarn abgehalten werden, entwickelte sich der Zusammenschluss für alle Teilnehmer zu einem derartigen Erfolg, dass die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Atomenergie (EURATOM) sowie der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), später deren Zusammenfassung zur Europäischen Gemeinschaft und dann der Übergang zur Europäischen Union mit immer mehr Mitgliedern folgten.
Geografisch: Bis in das 18. Jahrhundert hinein galt in Anlehnung an antike Gelehrte der Fluss Don als Verlängerung des Asowschen Meeres fast bis zum Weissen Meer hin als Grenze zwischen Europa und Asien. Die Definition des Schweden Strahlenberg, der den Ural 1730 als Kontinentalgrenze definierte, hält sich bis heute hartnäckig im allgemeinen Bewusstsein. Allerdings erkannte bereits Alexander von Humboldt, dass es einen Erdteil Europa im geomorphologischen Sinn überhaupt nicht gibt. Nichtsdestotrotz wurden auch in der Folgezeit Versuche unternommen, den Kontinent geomorphologisch abzugrenzen. Ritter, Reclus und Wisotzki waren im 19. Jahrhundert der Auffassung, die kontinentale Grenze könne nicht mit einem geographisch wenn auch nicht sehr bedeutenden, so doch immerhin einheitlichen Gebirge (nämlich dem Ural) zusammenfallen, und verlagerten die Grenze kurzerhand etwas weiter nach Osten.
SCHWERPUNKT EUROPA Die Europäische Union, deren Mit- Viele Fragen, viele Antworten in folgengliedsstaaten heute nicht selten gleich- den Schwerpunkt: Was ist Europa? gesetzt werden mit «Europa», ist aus einem Wirtschaftsbündnis entstanden > ANS < – und wird als solches von vielen noch so verstanden. Dass eine EU viele andere zum Beispiel kulturelle und soziale Ansprüche hat, und als Auflösung der Nationalstaaten begriffen werden könnte, wird etwa dann klar, wenn man rechte Politiker irgendeines Landes gegen die EU donnern hört, weil diese die «nationalen Werte und den nationalen Zusammenhalt» zersetze. Ein Zusammenschluss aller europäischer Staaten ist aber auch kein linkes SCHWERPUNKT Europa ohne Grenzen, und schon gar megafon Nr. 292, Februar 2006 nicht ein Europa ohne Aussengrenzen.
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GROSSMACHTSTRÄUME, EURONATIONALISMUS UND DIE LIEBEN LINKEN
LASST UNS ZUSAMMENRÜCKEN VIELE ZEICHEN DEUTEN DARAUF HIN, DASS EUROPA EINE WELTPOLITISCHE GROSSMACHTSSTELLUNG
ANSTREBT. PARALLEL LASSEN SICH EURONATIONALISTISCHE TENDENZEN BEOBACHTEN. WIE KÖNNTE
EINE SOLCHE IDENTITÄTSBILDUNG AUSSEHEN? UND WELCHE ROLLE SPIELEN LINKE AKTEURE DABEI? EINIGE THESEN ZUM PROJEKT EUROPA.
Die Gründung der europäischen Gemeinschaft kann als Reaktion auf die Globalisierung verstanden werden. Weltweite ökonomische Veränderungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten zu Funktionsdefiziten der Nationalstaaten. Dem verstärkten globalen Standortwettbewerb und der Verwertungskrise wurde mit dem handlungsfähigeren Zusammenschluss zum Standort Europa begegnet. Die EU hat den Anspruch weltweit produktivster und konkurrenzfähigster Wirtschaftsraum zu werden. Zur Umsetzung dieser Ziele, ist auch zunehmends eine politische Organisation nötig. Nach der Verwirklichung von Binnenmarkt und Währungsunion und der Durchsetzung von Repressionsinstrumenten (Schengen…) und rassistischem Grenzregime (Melilla…), soll das Projekt Europa nun weiter ausgebaut werden. Nicht nur wirtschaftlich, auch militärisch und identitätspolitisch geht Europa in die Offensive. In allen sozialen und wirtschaftlichen Bereichen (Handel, Bildung, Dienstleistungen, Sozialstaat) wird liberalisiert und flexibilisiert und es soll eine gemeinsame Armee geschaffen werden. Europa hat Ambitionen in Konkurrenz zur zur Weltmacht USA, aufzusteigen. Trotz eigentlichem Selbstverständnis als Zivilmacht soll die Möglichkeit einer nötigenfalls gewaltsamen Interessendurchsetzung nicht ausgeschlossen bleiben. Für die Schafftung von neuen Absatzmärkten, den Zugang zu Rohstoffen oder die Stabilisierung von Kon-
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Heute zeigt sich in Europa eine ähnliche Situation. Die Globalisierung kann mit der Industrialisierung verglichen werden. Aus stärkerer politischer und kultureller Verflechtung durch weltweite Vernetzung und erhöhte Moblilität innerhalb und zwischen den Gesellschaften resultiert, dass ehemals national definierte Elemente, wie beispielsweise Kultur, nicht mehr für die Konstituierung einer Gesellschaft ausreichend sind. An dieser Stelle bietet sich die weiter gefasste europäische Identität an. Und weil sich das Individuum der heutigen ausdifferenzierten Gesellschaft meist mehreren Gruppen zugehörig fühlt, haben regionale, nationaNATION BUILDING le und europäische Identität gut nebenDie Herausbildung einer europäi- einander Platz. schen Identität kann verglichen werden mit dem Aufkommen der Nationen und EURONATIONALISMUS dem nationalem Bewusstsein in der Um die kulturelle Gemeinsamkeit, Moderne, welches nicht ausserhalb des historischen Kontextes von Aufklärung, die eine politische Gemeinschaft legitiIndustrialisierung und Veränderung der mieren soll, plausibel zu erklären, Sozialstruktur zu verstehen ist. Der Na- muss vieles erfunden und anderes vertionalstaat übernahm die ökonomische gessen werden; kulturelle Tradition, Aufgabe der Bereitstellung einer Infra- gemeinsame Werte und Normen sind struktur für das Funktionieren des Ka- nicht einfach da und Konsens, wie das pitalismus (Regulierung des Wettbe- behauptet wird. Die europäische Idenwerbs) und bot auf sozialer Ebene zu- tität beruft sich auf die Griechen, Römigleich die Voraussetzung zur kollekti- sches Recht, Christentum, Humaven Identifikation. Scheinbar bieten nismus und natürlich die Aufklärung. sich in einer diffusen Welt, in der die Linksliberale Intellektuelle wie Derrida Menschen der abstrakten Logik des und Habermas spielten bei der öffentKapitals unterworfen sind, ideologische lichen Debatte um diese Identität eine Konstrukte an, mit deren Hilfe sich massgebende Rolle, in dem sie die Individuen in die Gesellschaft einglie- «Wiedergeburt Europas» deklarierten dern und dadurch ihren eigenen Platz und sich dabei auf Europas zivile Konfinden können. Nicht nur der Sozial- fliktlösung als Gegensatz zur militaristaat, sondern vor allem die nationale stischen US-Aussenpolitik beriefen. Identität, legitimiert durch die Schaf- Der europäischen Tradition des Wohlfung von Mythen, sicherten dem Staat fahrtsstaates stellten sie den räuberidie Loyalität der BürgerInnen vom Be- schen Neoliberalismus gegenüber; die ginn an. Es galt ein Gemeinschaftsbe- antiamerikanische Abgrenzung ist wusstsein zu fördern, durch das die grundlegend für die europäische IdenMenschen die negativen Folgen der tität. Alles Schlechte, Kulturindustrie, Durchsetzung des Kapitalismus akzep- Konzernkapitalismus, Umweltzerstötieren konnten und welches Bedürf- rung kommen aus den USA, so die nisse nach Geborgenheit, Sicherheit Projektion. und Ordnung befriedigte. flikten, die für die westliche Welt bedrohlich werden könnten, dürften künftig auch die Mittel von militärischer Intervention und indirekten Eingriffen zu Hilfe genommen werden. Das ist nur eine Frage der Zeit. Diese Ausweitung des Handlungsbereichs bedarf jedoch einer ideologischen Unterstützung durch die Bevölkerung. Der abstrakt und bürokratisch erscheinenden EU wird eine subjektive Bezugsebene zugeordnet als Grundlage einer massenhaften Identifikation mit der im Entstehen befindlichen europäischen Grossmacht.
Bisher hat sich die Europäisierung innerhalb der Bevölkerung erst schleppend vollzogen, was auf die fehlende Existenz einer gemeinsamen Öffentlichkeit und das Sprachproblem zurückgeführt werden könnte. Wichtig ist dabei aber auch, Identitäten als erfolgsabhängig und nicht-statisch zu betrachten. Dabei könnten die Auseinandersetzungen um den Irakkrieg oder das ungelöste Verfassungsproblem genannt werden. Noch scheint der Nationenbezug in der Krise sicherer zu sein oder sogar wieder im Trend zu liegen (Neofaschismus in ganz Europa). Dennoch deuten die beschriebenen identitären Notwendigkeiten und politischen Entwicklungen auf einen breiteren Durchsetzungserfolg der europäischen Identitätsbildung hin. Soziale Bewegungen machen es derweilen schon vor.
OLD EUROPE Nicht nur Intellektuelle, auch viele Linke scheinen ihre Liebe zu Europa und Nationen entdeckt zu haben. Gut beobachten liess sich das bei der Bewegung gegen den Irak-Krieg, welche die Massen zu mobilisieren vermochte und auch von linker Seite euphorisch unterstützt wurde. Die notwendige Kritik an der verheerenden Kriegspolitik und den gesellschaftlichen Verhältnissen, die eine solche produzieren, verkam zum europäischen Kulturkampf,
basierend auf einem massivem Antiamerikanismus in verschiedensten Facetten. Frankreich und Deutschland wurden als Verbündete betrachtet, das friedfertige «alte Europa» zum Gegenpol der aggressiven US-Politik stilisiert. Dass diese beiden Nationen genauso Krieg geführt hatten in den vorigen Jahrzehnten und der innereuropäische Dissens blieben dabei ausgeblendet. Als weiteres Beispiel könnte die Kritik in der antiimperialistischen Variante genannt werden, welche die Angelegenheit auf einen Hauptfeind «Busharon», der imperialen Macht USA und ihrem wichtigsten Verbündeten Israel, reduzierte. Bei Kritikern des Neoliberalismus waren ausserdem vermehrt positive Bezüge zu Nationalstaaten anzutreffen. Die Nähe zu nationalistischen Kreisen, wenn der Wohlfahrtsstaat und die Befreiungskämpfe der «Völker» der Globalisierung gegenüber gestellt werden, wird leider nicht erkannt. Allgemein kann eine fehlende Sensibilität für kulturkonservative Reflexe festgestellt werden, wenn linke positive Utopien in Europa und/oder Nationalstaaten projizieren.
sion, die identitäre Projektion auf Europa ist vergleichbar mit Nationalismus. Eine linke Berufung auf historische Gegebenheiten und kulturelle Identität ist aber fragwürdig, da es sich von diesen zu emanzipieren gilt. Unreflektierte Geschichtsbetrachtung lässt viel Nicht-Identisches und vor allem Negatives weg, wie der Umgang mit dauerhaften Erscheinung von Antisemitismus, aber auch mit der Kolonialzeit belegt. Europa lässt keinen positiven Bezug zu. Eine emanzipatorische Politik sollte den institutionellen Rassismus an den EU-Aussengrenzen angreifen und den Ausbau der EU zur global agierenden Militärmacht denunzieren. Eine Strategie könnte sein, sich gegen die Versuche richten, Europa zum wettbewerbfähigsten Standort zu transformieren, verbunden mit einer Kritik an Staat und warenproduzierender Gesellschaft. An vorderster Stelle muss die Kritik des Projekts Europa und ein vehementer Antinationalismus stehen.
Phase 2.11: Wer macht Europa? – Über die Nationalisierung des Kontinents und die Projektionen der Linken. 2004. www.phasezwei.org
> ZAK <
LINKS IST DA WO KEINE HEIMAT IST Es wird kein anderes Europa geben, als das liberalisierte, militarisierte, auf Wettbewerb getrimmte. Die Vision eines «anderen Europa» ist eine Illu-
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SCHEITERN DER EU-VERFASSUNG UND FRAGE NACH ALTERNATIVEN
DIE EUROPÄISCHE VERFASSUNG UND DIE LINKE DIE EU WILL SICH EINE VERFASSUNG GEBEN.
SEIT JEDOCH IM SOMMER 2005 DIE BEVÖLKERUNG IN FRANKREICH UND DEN NIEDERLANDEN MEHR-
HEITLICH NEIN ZUR EU-VERFASSUNG GESAGT HAT, IST DAS VERFASSUNGSPROJEKT INSGESAMT INS
STOCKEN GERATEN. ES IST IN VIELEN LÄNDERN DIE LINKE, WELCHE DIE VERFASSUNG ZU FALL
GEBRACHT HAT, MEIST IN KOMBINATION MIT DER
•
NATIONALISTISCHEN RECHTEN. OB DIE VERFAS-
SUNG JE IN KRAFT TRETEN WIRD, STEHT IN DEN STERNEN. DA FRAGT MAN SICH: WAS HAT ES DER LINKEN GEBRACHT?
Das Projekt sieht auf dem Papier wenig spektakulär aus: Die europäische Verfassung ist im Wesentlichen eine Wei- • terführung des bisherigen Vertragswerkes der EU in kleinen Schritten.
EUROPÄISCHE VERFASSUNG – DIE FAKTEN
schaft ergänzt, nicht aber ersetzt. Zusätzlich definiert die Verfassung Grundrechte, die in der EU garantiert sind. Präzisierung der Politikziele und Kompetenzen der EU. Hauptziel ist eine kompetitive soziale Marktwirtschaft, die Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt und hohen Umweltschutz anstrebt. Die Kompetenzen der EU sind umfassender in einem Katalog festgehalten, wobei einige Kompetenzen auch mit den Mitgliedsländern geteilt werden können oder die EU nur eine «unterstützende» Funktion hat. Stärkung der europäischen Aussenund Sicherheitspolitik. Zwar verfügt die EU bereits jetzt über eine gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik, diese soll gestärkt werden, indem man einen Aussenministerposten schafft sowie gemeinsame militärische Interventionen ermöglicht. Für die Leitlinien ist weiterhin die Zustimmung aller Länder erforderlich. Anpassung der politischen Strukturen. Darin enthalten sind unter anderem ein Vollzeitpräsidium anstelle der bisherigen rotierenden Präsidentschaft, ein modifiziertes Entscheidsystem innerhalb des Ministerrates sowie erweiterte Kompetenzen des EU-Parlamentes. Das Parlament darf in sehr viel mehr Politikbereichen mitreden, als dies bisher der Fall war. Bürgerbegehren. Wenn eine Million Menschen ein Bürgerbegehren unterzeichnen, dann muss die EUKommission im Rahmen ihrer Befugnisse einen Gesetzentwurf dazu vorlegen.
Was bisher Vertrag war soll nun Verfassung heissen. Die Verfassung hätte den zur Zeit gültigen Vertrag von Nizza ablösen und in eine neues Dokument überführen sollen. Umstritten ist dabei • schon, ob man hier von einer Verfassung im traditionellen Sinne reden kann, da für die Modifikation des Vertrageswerkes immer noch die Zustimmung aller EU-Länder notwendig ist und damit ein wesentliches Element einer Verfassung fehlt (das wäre etwa so, als wenn in der Schweiz alle Kantone jeweils einer Revision der Bundesverfassung zustimmen müssten). Aber immerhin versucht man der EU gewis- • se Elemente von Staatlichkeit beizufügen, die bisher noch nicht existierten. Die wesentlichen Neuerungen lassen sich wie folgt zusammenfassen: • Unionsbürgerschaft und Grundrechte. Innerhalb der EU soll eine Unionsbürgerschaft geschaffen werDER RATIFIKATIONSPROZESS den, welche die nationale BürgerDie EU-Verfassung muss von sämtlichen Ländern ratifiziert, das heisst angenommen werden, wobei sich SCHWERPUNKT unterscheidet, wer die Ratifikation vormegafon Nr. 292, Februar 2006 10 nimmt. In den meisten EU-Ländern
wird in den nationalen Parlamenten über die Verfassung abgestimmt. In anderen Ländern ist eine Volksabstimmungen zur Ratifikation vorgesehen, wobei nicht in jedem Fall die Abstimmung für die Ratifikation bindend ist (in den Niederlanden hatte das Referendum nur konsultativen Charakter). Nachdem im Mai und Juni letzten Jahres die Bevölkerungen Frankreichs mit 55 Prozent Nein und der Niederlande mit über 60 Prozent Nein die Ratifizierung abgelehnt haben, ist der Ratifizierungsprozess in vielen Ländern, darunter Grossbritannien, Polen und Schweden, sistiert worden bis klar ist, wie es mit der europäischen Verfassung insgesamt weitergehen soll. Da es die Zustimmung aller Länder braucht, damit die Verfassung in Kraft tritt, ist zur Zeit völlig unklar, ob die Verfassung je in Kraft treten kann. Möglich sind zwei Szenarien. Entweder geht der Ratifikationsprozess weiter und jene Staaten die eine Ratifikation abgelehnt haben werden am Schluss nochmals entscheiden. Oder aber die Verfassung wird neu verhandelt, beziehungsweise bestimmte Neuerungen wie etwa die Grundrechte werden von der Verfassung gelöst und als Ergänzung zum Vertrag von Nizza umgesetzt. Möglich ist beides, etwas wahrscheinlicher ist wohl die zweite Möglichkeit. Damit wäre das Projekt einer EU-Verfassung auf unbestimmte Zeit verschoben.
LINKE KRITIK Die Verfassung sei unsozial, undemokratisch und führe zu einer Militarisierung der EU, so lässt sich die linke Kritik an der EU-Verfassung zusammenfassen. Unsozial sei die Verfassung, weil die Grundrechte zu allgemein definiert seien und Sozialrechte nicht in der Verfassung konkretisiert sind. Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb ist der oberste Zweck der EU, konkrete Rechte für ArbeiterInnen fehlen. Die Wirtschaftslastigkeit der EU werde mit der Verfassung nicht über-
wunden sondern geradezu zementiert. Undemokratisch sei die Verfassung, weil eine längst überfällige Demokratisierung und grössere BürgerInnennähe in der Verfassung fehlen. In der EU gibt es mit der neuen Verfassung immer noch keine klare Gewaltenteilung und die Forderung nach mehr direkter Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger wurde durch ein zahnloses BürgerInnenbegehren und nicht durch echte Volksrechte umgesetzt. Schliesslich führe die Besserstellung der Aussen- und Sicherheitspolitik zu einer stärkeren Militarisierung in der EU. Kritik kommt allerdings nicht nur von Links. Religiöse Kreise stossen sich daran, dass die Verfassung nicht auf christlichen Wurzeln basiere. Rechte und nationalistische Parteien bekämpfen die europäische Integration seit jeher aus prinzipiellen Gründen, da die Souveränität der Nationalstaaten gefährdet würde und eine Vermischung der Völker stattfinde.
ARGUMENTATIVE VIELFALT Betrachtet man die konkreten Änderungen, dann ist die Kritik nicht immer direkt verständlich. Zwar mag es richtig sein, dass die EU-Verfassung linken Ideen eines umfassenden Sozialstaatsmodells kaum gerecht wird. Das war jedoch auch in der EU bisher nicht der Fall und eine solche Verfassung gibt es auch in den meisten Nationalstaaten nicht. In der EU mögen zwar Demokratiedefizite bestehen. Hier gilt jedoch auch: das war eigentlich schon immer so. Und
schliesslich ist die gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik keine neue Erfindung und es ist bei der grossen politischen Vielfalt innerhalb der Europa kaum zu erwarten, dass die EU in absehbarer Zeit eine Aussen- oder Sicherheitspolitik machen wird, welche über die Wahrung eigener Handelsinteressen hinausgeht. Wozu also die ganze Aufregung? Warum ist also die Europäische Integration genau zu diesem Zeitpunkt zu einem Zwischenhalt gezwungen worden? Betrachtet man die Abstimmungen in Frankreich und den Niederlanden so fällt die Vermischung verschiedener Ebenen auf. Die Vermischung rechter mit linker Opposition ist noch verzeihlich, schliesslich ist es politisch stumpfsinnig, nur deshalb für die Verfassung zu sein, weil die andere Seite dagegen ist. Analysen haben auch gezeigt, dass die linke Opposition gegen die Verfassung in beiden Ländern deutlich stärker war als die nationalistische rechte Opposition. Ideologisch wird es schon schwieriger. Eine alte linke Forderung ist die Überwindung nationalistischer Grenzen. Die europäische Integration vereint zwar nicht die ganze Welt, aber immerhin die Länder Europas, was auf friedlichem Wege schon seit sehr langer Zeit nicht mehr geschehen ist. Erschwerend für ein Referendum ist, dass in den einzelnen Ländern ein Referendum immer auch ein Votum für oder gegen eine Regierung bedeutet. Viele Menschen haben Nein eingelegt, weil sie mit der eigenen Regierung zur Zeit unzufrieden sind.
Hauptsächlich ist die Verfassung von linken Wählern jedoch abgelehnt worden, weil die EU insgesamt den Menschen offenbar keine soziale Perspektive bieten kann. Die EU hat ohne Zweifel zu einer hohen politischen Stabilität in Europa beigetragen. Allenfalls ist sie auch ein wirtschaftliches Erfolgsmodell. Innerhalb der EU ist es jedoch weder gelungen, die sozialstaatliche Absicherung der Menschen zu verbessern, noch hat man es geschafft, die Arbeitslosigkeit zu senken. Bei aller, vielleicht berechtigten Kritik, fällte es schwer, die real existierenden Alternativen besser zu finden. Ohne Verfassung gilt in der EU der Staus Quo. Damit sind einige Verbesserungen, wie etwa die Festlegung von Grundrechten, ebenfalls nicht umgesetzt. Ob nach dem endgültigen Scheitern der Verfassung jene Forderungen, welche linken Staatvorstellungen näher kommen, in einem nächsten Vertrag Eingang finden werden, ist mehr als fraglich. Und ebenso fraglich ist, ob ein Rückfall in Nationalstaatlichkeit für die Menschen mehr Lebensqualität bringt als ein vereinigtes Europa. > GEORG LUTZ <
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NEUE BEFUGNISSE FÜR GRENZKONTROLLEN – AUCH NEBEN DER GRENZE
DER SCHÖNE SCHEIN DER BEWEGUNGSFREIHEIT
EUROPA IST MIT DEM SCHENGENER ABKOMMEN EIN «RAUM OHNE BINNENGRENZEN» GEWORDEN – WERS den angeblich durch die Aufhebung der GLAUBT! IMMER NEUE AUSNAHMEN VERLEGEN IMMER Binnengrenzkontrollen entstehenden Sicherheitsverlust wettmachen sollen – MEHR KONTROLLEN INS LANDESINNERE. von der Aufrüstung der Aussengrenzen und der Verschärfung der Asyl- und Visumspolitik über die verstärkte poli«Die Binnengrenzen dürfen an jeder zeiliche Zusammenarbeit bis hin zum Stelle ohne Personenkontrollen über- Aufbau eines gemeinsamen Fahnschritten werden.» Vor sieben Monaten dungssystems. Seit 1990 haben sich die haben die Schweizer Stimmberechtig- Schengen-Staaten respektive die EU ten diesem Satz zugestimmt. Es han- darauf konzentriert, die Sicherheitsseidelt sich um den ersten Absatz im zwei- te des reichlich ungleichen Tauschs ten Artikel des Schengener «Durch- auszubauen. Nur ein einziger Artikel dieses Abführungsübereinkommens». Auf dem Papier ist er der Kern des Schengener kommens, nämlich besagter Artikel 2, «Besitzstandes», also der Gesamtheit bezieht sich auf die Binnengrenzen und der Schengen-Regelungen, die voraus- der endet eben nicht mit dem oben sichtlich im kommenden Jahr auch für zitierten schönen Absatz: «Wenn die öffentliche Ordnung und die nationale Sidie Schweiz in Kraft treten werden. Zweifellos ist es ein schöner Satz. Er cherheit es indessen erfordern», so verspricht, dass im Schengen-Raum, geht es weiter nach dem ersten Absatz, der demnächst von Gibraltar bis zum dann können die Grenzkontrollen wieBug (dem Fluss zwischen Polen und der eingeführt werden. Öffentliche Ordder Ukraine), von Lampedusa bis zum nung und nationale Sicherheit sind das, Nordkap reicht, eine zentrale Kompo- was die JuristInnen als «unbestimmte nente der Nationalstaaten aufgehoben Rechtsbegriffe» bezeichnen, allgemeiwird: Grenzkontrollen und damit letzt- ne Klauseln, über deren Inhalt die Polilich auch die Grenzen selbst würden für zei und ihre politischen Helfershelfer den überwiegenden Teil Europas ver- nach eigenem Gutdünken entscheiden. Am selben Tag im März 1995, als das schwinden. Die Überprüfung der Identität einer Person anhand ihrer Papiere Übereinkommen zwischen zunächst (Pass, ID, Visum) und die Durchsu- sieben Staaten in Kraft trat, nahm die chung ihrer Sachen ohne jeglichen Ver- französische Regierung diese Ausnahdacht, nur weil sich diese Person am meklausel bereits in Anspruch. HinterEnde des staaatlichen Territoriums be- grund war eine Serie von schweren Anfindet, wäre eine Angelegenheit der schlägen. Ende 1995 war der mutmassliche Kopf der Gruppe, ein junger Vergangenheit. Das Problem ist nur, dass dieser algerischer Immigrant, bei der FestnahSatz erstens nicht alleine dasteht und me erschossen und die Anschlagsserie dass er zweitens keine Entsprechung in beendet. Dennoch liess die französi1 Die männliche Form der Wirklichkeit hat. Das Schengener sche Regierung einen Teil der StaatsÜbereinkommen hat 142 Artikel. Einer grenzen weiter kontrollieren: Im Norist hier durchaus ernst enthält Definitionen, die für den ge- den – genauer: in den Niederlanden – gemeint: die Polizei samten Vertrag gelten sollen. 140 be- lokalisierten Polizei und Sicherheitspokontrolliert tatsächlich ziehen sich mehr oder weniger auf so litiker nun eine neue Bedrohung. Um häufiger Männer als genannte Ausgleichsmassnahmen, die die Vergiftung der französischen JuFrauen. gend mit dem in Holland freizügig(er) gehandelten Hanf zu verhindern, liessen sie nun die Grenzen zu Belgien und SCHWERPUNKT Luxemburg kontrollieren. Wer in Lumegafon Nr. 292, Februar 2006 12 xemburg den aus Brüssel kommenden
und nach Basel gehenden Zug besteigt, darf sich auch heute nicht wundern, wenn sich das Grossraumabteil plötzlich mit den blauen Uniformen der Grenzpolizei (PAF) füllt. Frankreich ist aber nicht der einzige Schengen-Staat, dem jede Begründung recht ist: 1996 verzögerten Deutschland und Frankreich die Aufhebung der Grenzkontrollen zum Schengen-Neuling Italien, an dessen Küsten kurz zuvor Schiffe mit kurdischen Flüchtlingen aus dem Irak gestrandet waren. Spanien drohte Portugal 1998 mit der Wiedereinführung der Kontrollen, weil ein Lissabonner Gericht die Auslieferung eines ETA-Mitglieds verweigert hatte. Der spanische Staat lässt auch regelmässig die BahnGrenzen zu Frankreich kontrollieren, um den Zustrom «illegaler Einwanderer» aus Rumänien und Bulgarien zu verhindern… Aus der Ausnahme ist längst ein regelmässiger Bestandteil polizeilichen Handelns geworden. Anlässlich von grösseren Demonstrationen oder Fussballspielen ist die Wiedereinführung der Kontrollen der Normalfall. Sie ist fester Bestandteil der Konzepte des polizeilichen Umgangs mit solchen Massenereignissen, auf die sich die EU-Polizeiarbeitsgruppen seit den 1990er Jahren verständigt haben – nachzulesen in den jeweiligen «Entschliessungen» und «Handbüchern». Damit aber nicht genug: Fast alle EU-Staaten haben den (nur teilweisen) Wegfall der Binnengrenzkontrollen genutzt, um die Kontrollen im Inland auszuweiten. In Frankreich und Spanien war das problemlos möglich, weil in diesen Staaten ohnehin eine Ausweistragepflicht besteht. Man muss nicht nur eine ID haben, man muss sie auch immer vorweisen, wenn einem Vertreter der bewaffneten Staatsmacht danach ist. In Deutschland, wo – wie auch in der Schweiz – diese Pflicht nicht existiert, haben die Parlamente seit Anfang der 1990er Jahre die Polizei mit neuen Befugnissen zur «Schleierfahn-
dung», das heisst zur «verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrolle» ausgestattet: • 1992 dehnte der Bundestag den bis dahin geltenden «Zollgrenzbezirk» von acht Kilometern hinter der Grenze zu einem «rückwärtigen Grenzraum» von 30 Kilometen aus. In diesem Raum war es nun dem Bundesgrenzschutz, der neuerdings «Bundespolizei» heisst, erlaubt, ohne jeglichen Verdacht Personen und ihre Sachen zu kontrollieren. Verglichen mit der Zeit vor Schengen hat sich das Personal der Bundespolizei an den Westgrenzen, das heisst an den Grenzen zu den bisherigen Schengen-Staaten, verdoppelt. • Im Dezember 1994 – zwei Wochen bevor Österreich der EU beitrat – beschloss der bayerische Landtag, «zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität» die Landespolizei mit vergleichbaren Befugnissen auszustatten. Die PolizistInnen des Bundeslandes durften nun auch im «Grenzraum» und zusätzlich auf überregionalen Verkehrswegen kontrollieren. Inzwischen haben alle Bundesländer, auch solche ohne Grenze, entsprechende Regelungen in ihren Polizeigesetzen verankert. Einzige Ausnahme ist Berlin. Dort sind verdachtsunabhängige Kontrollen «nur» an «gefährdeten Orten» erlaubt. Die Liste dieser Orte ist aber geheim. • 1998 änderte der Bundestag das Bundesgrenzschutzgesetz und erlaubte den BundespolizistInnen nun auch, auf sämtlichen Zügen und Bahnhöfen quer durch die Republik ohne Verdachtsmomente und ohne sonstigen Anlass zu kontrollieren. Die Bundespolizei ist übrigens gleichzeitig Bahnpolizei. Theoretisch kann die Polizei nun jede x-beliebige Person anhalten und nach ihrer Identität befragen. Prak-
tisch muss sie hingegen eine Auswahl treffen. Sie kann das nur anhand von äusserlichen Kriterien tun: Wer jung ist und wie ein Demonstrant, ein Fussballfan1 oder einE KifferIn aussieht, wer die falsche Hautfarbe hat oder «fremdländisch» wirkt, kommt eher in den Genuss polizeilicher Aufmerksamkeit. Für die Schweiz haben der Bundesrat und die kantonalen Polizeidirektoren vor der Abstimmung im Juni letzten Jahres deutlich gemacht, dass sie erstens die weiter bestehende Befugnis der Warenkontrolle an den Grenzen auch zu Personenkontrollen nutzen und zweitens eine «Schleierfahndung» nach deutschem Muster praktizieren wollen. Die Notwendigkeit, die Inlandskontrollen rechtlich zu verankern, sehen Bund und Kantone nicht. Von dem Versprechen des grenzenlosen Europas ist also nicht viel übrig geblieben. Der Europäische Binnenmarkt, der «Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist», ist ein Markt. Für Personen gilt die Freizügigkeit nur, soweit ihr die Polizei keine Grenzen setzt. > HEINER BUSCH <
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BLICK AUF EUROPA
«JA UND NEIN» MARC GEHT GERNE INS I-FLUSS, WEIL ES DORT RUHIG IST. ER IST 2002 AUS GUINEA IN DIE
SCHWEIZ GEKOMMEN. ZUR SCHWEIZ UND ZU EUROPA HAT ER EIN GEMISCHTES VERHÄLTNIS. SIE ZU IHM AUCH.
Ein verregneter Abend im Januar vor der Reitschule. Ich bin auf der Suche nach einer Interviewperson für meinen Artikel. Das Thema: Was denken die vielen schwarzen, vorwiegend Männer, die sich täglich auf dem Vorplatz oder im I-Fluss aufhalten, von Europa, welche Bilder haben, hatten sie… Das I-Fluss hat leider schon zu, dort eine Person dunkler Hautfarbe anzusprechen wäre mir leichter gefallen. So versuche ich nun, mit den paar einzeln
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herumstehenden, dann sich wieder in Gruppen formierenden Schwarzen Kontakt aufzunehmen und sie für ein Gespräch zu gewinnen. Aber so einfach ist das gar nicht. Eher spüre ich ein ablehnendes Verhalten, vielleicht auch ein Misstrauen oder ein Unverständnis, was denn eigentlich genau mein Anliegen ist. Zwei müssen in fünf Minuten auf den Zug, einer hat gerade ein Taxi bestellt, das jeden Moment kommt… und einer findet, vielleicht auch zu Recht: «Eine Stunde für ein Gespräch? Wenn du wüsstest! Da müsstest du dir Stunden nehmen, um meine Geschichte und meine Meinung zu verstehen.» Trotzdem wurde ich fündig, mein Gesprächspartner, nennen wir ihn Marc, stammt aus Guinea, Conakry, ist etwa Ende Zwanzig und seit September 2002 in der Schweiz.
megafon: Warst Du ausser in der Schweiz noch in andern Ländern Europas?
Marc: Nur einen Tag in Italien.
Wolltest Du von Anfang an in die Schweiz kommen oder war es eher Zufall?
Ich konnte über Freunde und Vermittlung nach Europa gelangen, ich wusste nicht wohin, in welches Land war mir egal. Weshalb bist Du von Guinea weggegangen?
Ich will keine Details erzählen. Ich musste einfach weg. Ich hatte, sagen wir mal, sozial-politische Probleme, eine private Geschichte, die politische Folgen hatte… aber ich wollte nicht weg von dort, ich habe dort Recht studiert und es ging mir gut.
Wie ist deine Situation in der Schweiz?
Ich bin seit November 2005 mit einer Schweizerin verheiratet und wir leben zusammen in Bern. Ich habe den B-Ausweis. Meine Frau arbeitet, ich habe bis jetzt noch keine Arbeit gefunden. Im 2002 hatte ich ein Asylgesuch gestellt, das dann aber abgelehnt wurde. Rekurriert habe ich nicht, weil ich keine Unterstützung und kein Geld hatte. Dann habe ich bis zur Heirat illegal hier gelebt. Was bedeutet für Dich Europa?
Europa hat beides für mich, positive und negative Aspekte. Bei Europa denke ich an Frankreich, das Guinea kolonialisiert hat. Für mich bedeutet das auch Gutes: Ich konnte zur Schule gehen, ich habe lesen gelernt, spreche französisch, konnte in meiner Heimat studieren… Europa ist aber auch kalt, ablehnend. Ich dachte zuerst, es sei wegen der fehlenden Papiere, dass ich oft Probleme habe. Das hat sich aber durch die Heirat nicht einfach geändert. Hat sich dein Bild von Europa verändert, seit Du hier bist?
Ja, ich hatte ein besseres Bild vorher als jetzt. Ich glaubte, dass es möglich ist, hier in Ruhe zu leben. Ich dachte, vielleicht könnte ich hier weiterstudieren, ich möchte nicht einfach wieder bei Null anfangen. Aber wie kann man leben ohne Arbeit, mit so wenig Geld? Ich sage ehrlich: Ich verstehe, dass einzelne aus diesem Grund Schweinereien machen, Dinge, die sie in einer besseren Lebenssituation nicht machen würden. Ich dachte auch, dass man in Europa empfangen wird und sich jemand um einen kümmert. Die Realität war anders, es kamen eher immer neue Probleme dazu.
Denkst Du, dass die Schweiz ein rassistisches Land ist?
Ja und nein, aber nicht anders als überall. Rassismus gibt es auch in Afrika. Rassenprobleme, Diskriminierungen und Probleme wegen dem Geschlecht und der Religion sind die drei Grundprobleme der Welt, sage ich, und die gibt es überall. Wenn mir hier Leute «Nigger» sagen, höre ich gar nicht hin und gehe weiter. Wie wünschst Du Dir Europa?
Ich wünsche mir ein offenes, soziales, wirklich demokratisches Europa. Für mich heisst Demokratie, die Macht des Volkes gegenüber dem Volk und für das Volk. Und das ist in Europa nicht die Realität. In einem offenen Europa könnte ich weiter studieren. Die Bildung hier ist viel besser als in Guinea. Vielleicht könnte ich so, wenn ich einmal wieder zurückgehen kann, mein Wissen weitergeben. Eigentlich möchte ich einfach ohne Probleme leben können – auch ohne finanzielle Probleme. Europa ist reich und hier gäbe es Möglichkeiten für alle. Es geht mir aber auch gut hier, ich bin eine offene Person und kenne dadurch auch viele Leute – auch Schweizerinnen und Schweizern. Hierher, also ins I-fluss komme ich, weil es hier ruhig ist und ich mich mit Freunden treffen und eins rauchen kann. > INTERVIEW: USH <
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SQUAT-TOURISMUS
HIGHWAY THROUGH HELL NINA, JOSEPHINE, ISABEL UND ZAK LEBEN IN BERN UND REISEN IN EUROPA, VON BESETZTEM HAUS ZU BESETZTEM PLATZ. EUROPA? ÄHM… COLLAGE EINES GESPRÄCHS.
z: Anfangs meiner Besetzerzeit tauchte eines Tages eine Gruppe netter Leute aus Polen auf, die dann eine Zeit lang bei uns im Squat wohnten. Wir begannen miteinander zu quatschen, sie berichteten von ihren Erfahrungen mit dem Besetzen in Polen, Freundschaften wurden geknüpft. Wir haben sie dann auch in ihren Projekten besucht, bei ihnen gelebt, bei der Hausrenovation geholfen… i: Die meisten, die so rumreisen, besetzen selbst oder sind mit der Szene verknüpft, sonst kennst du diese Möglichkeit, in einem andern Land bei einem Squat anzuklopfen und auch aufgenommen zu werden, kaum. z: Teil einer Subkultur, mit ihren eigenen Dresscodes zum Beispiel, anhand derer du auch weisst, wen du reinlassen darfst. Daraus ergeben sich dann die Connections in andere Länder. j: Nicht nur Connections, das ist eine eigene Art zu Reisen oder Aufenthaltsorte zu finden, innerhalb dieses Milieus. n: Unterwegs lernst du neue Leute kennen. «Woher kommst du? Ich bin von dem Haus oder jenem Wagenplatz.» Bei der Abreise lässt du deine Adresse zurück, «kommt uns doch besuchen!» Und die Adressen werden auch an Freunde weitergegeben. j: Es ergeben sich informelle Netzwerke, ein emotionaler Zusammenhang, basierend auf persönlichen Kontakten. z: Bei den Konzerttouren von Bands ist das schön zu sehn. Eine spanische
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Crust-Band kennt jemanden aus der Schweiz, der für sie eine Tour durch einige Schweizer Squats organisiert, im Gegenzug kann dann eine Band aus Züri in Spanien spielen. So werden ganze Europatourneen gemacht. i: Die Musik, Konzerte oder «zusammen saufen» sind sowieso ein verbindender Bestandteil dieser Szene. n: Gerade die Festivals sind ein wichtiger Treffpunkt. Es gibt Viele, die reisen den ganzen Sommer über von Punkfestival zu Tekknival. ••• i: Schön finde ich dieses Grundvertrauen und die Offenheit, die bestehen. Jedenfalls solange du dich an die Regeln hältst. Wobei es natürlich auch Missbrauch davon gibt und Grundsatzverstösse, wie Sexismus. n: Kommt aber auch fest drauf an, wo du hingehst. In den grossen Städten gibts mehr Stress, weil da auch viel mehr Leute hinreisen. i: In den Zentren Barcelona, Berlin, Amsterdam, vielleicht Zürich, triffst du auch eher Häuser, wo die Leute die Schauze voll haben von den dauernden Gästen. j: Aber auch dort kommst du unter, die Leute sind vielleicht etwas skeptischer. z: Es gibt vielleicht sowas wie Gastfreundschaft, wie man es sonst kaum noch antrifft in Europa. Du ziehst einfach mal los in eine Stadt, kannst gratis wohnen, essen, brauchst kein Hotel im Voraus zu buchen. i: Wir gehn aber auch selten aufs Geratewohl in eine fremde Stadt ohne uns vorher zu informieren, bei welcher Adresse wir vorbeischauen könnten. z: Der Squat könnte unterdessen geräumt worden sein. n: Dann gehst du halt zum Bahnhof
und fragst die ersten Punks, die du findest, wo der nächste Squat ist. ••• z: Wir haben alle nicht allzu viel Stutz und wollen trotzdem reisen, die beschränkten Mittel erlauben zwar kaum, Europa zu verlassen, doch innerhalb Europas ist es nicht so ein Ding irgendwohin zu kommen mit Autostopp und Schwarzfahren zum Beispiel. n: … oder Gruppenreisen mit dem eigenen Bus, Kind und Kegel. j: Da spielen die ökonomischen Verhältnisse sicher eine wichtige Rolle, es gäbe bequemeres. Für die Wahl des Aufenthaltsortes sind für mich aber andere Gründe entscheidend, nicht dass es gratis ist. z: Aber das Trampen gehört doch auch ein bisschen dazu. i: Das ist auch eine Lebenshaltung, wir leben in einem reichen Land, ich könnte mehr Kohle verdienen gehn und mir dann mehr leisten. n: Dafür hast du mehr Zeit fürs Reisen und weisst, innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden wirst du schon mal ankommen. z: Selbstbestimmt gewählt? i: Die Grenze ist fliessend, manchmal kotzt es auch an, kein Geld für den Zug zu haben. z: Vieles lässt sich doch gratis oder billig beschaffen und machen, auch beim Reisen. Containerfood und mal unter einer Brücke schlafen, vielleicht etwas Geld verdienen mit Strassenmusik. i: Da gibts Unterschiede zwischen uns aus der Schweiz und HausbesetzerInnen aus Polen oder Spanien, die haben diese Wahlfreiheit viel weniger. Das sind andere Verhältnisse. z: … als wir Mittelschichtkids sie haben.
••• z: Zwei Standarddestinationen sind Barcelona und Berlin. Sonst war ich in Wroclaw, Zagreb, Prag, Amsterdam… n: … oder in der Schweiz: Zürich, Luzern, Basel, Lausanne, Genf. j: Barcelona und Berlin sind Grossstädte, wo eh was läuft, in kleinere Städte geh ich vielleicht eher, wenn was Spezielles los ist, eine Räumung, oder für ein Projekt. i: Es gibt ja doch auch Unterschiede zwischen den Städten und Ländern. z: In Barcelona kommen die Cops mal Hallo sagen, wenn du ein Haus besetzt, während die Leute in Kroatien oder Polen damit rechnen müssen, nach einem halben Tag rausgeprügelt zu werden. i: Man kann schon von Unterschieden zwischen Ost- und Westeuropa sprechen. Das sind verschiedene politische und geschichtliche Hintergründe. z: Es gibt auch Länder, wo es keine Squats gibt, zum Beispiel Schweden. n: In Österreich gibt es gerade mal einen Ort. z: In Deutschland ist es auch kaum möglich zu besetzen, es gibt aber noch die legalisierten Hausprojekte und soziale Zentren. i: Das scheint ein Trend in ganz Europa zu sein. Ich glaub, bis 2012 soll es keine Squats mehr geben, wenn es nach der EU geht. Auch in Barcelona, wo es über hundert Squats gibts, ist es schwieriger geworden zu besetzen. z: Die Repression nimmt zu, für das EU-Image unpässliche Subkulturen werden an die Peripherie gedrängt und sollen ganz verschwinden. Die Schweiz wird da mitziehen. i: Ist das das Ziel der EU? z: Ich weiss nur von den Massnahmen der EU zur Bekämpfung des Ter-
rorismus, worin Hausbesetzungen als Terrorismus vierten Grades deklariert werden, was doch ziemlich eindeutige Absichten vermuten lässt. ••• z: No Border, No Nation!? Effektiv gibts da aber Grenzen in und um Europa? i: Innerhalb Europas merkt man nach Schengen nicht mehr soviel von diesen Grenzen. Die Gesetze unterscheiden sich geringfügig, vielleicht darfst du dein Bier nicht mehr auf der Strasse trinken. j: Sprachliche Barrieren sind oft schwierig zu überwinden. n: Andererseits gibts in Barcelona Häuser mit zehn verschiedenen Nationalitäten, aber keine aus Spanien, und die Leute kommen klar miteinander. z: Da findet auch ein Grenzabbau statt. j: … Sans-Papiers werden aufgenommen. i: Ich sehe eher innerhalb der Subkultur verschiedene «Szenen» mit verschiedenen Inhalten, Zielen. Es gibt eher aktivistische Gruppen, die an sozialen Bewegungen teilnehmen oder dann die Crusties, wo es mehr um Drogen geht und so weiter. Das «denk:mal» ist auch was anderes als unser Haus.
i: In Europa habe ich nicht die Erwartung viel neue Inhalte zu entdecken, ich freue mich in anderen Städten Menschen zu treffen, die ähnlich gesinnt sind und mitzubekommen, was bei ihnen so abgeht. Wenn ich aus Europa rausgehe, dann gibts dort keine Squatterszene und ich will andere Sichtweisen kennen lernen. z: Squat-Tourismus ist also eine europäische Angelegenheit? j: Insofern er sich in einem europäischen Rahmen abspielt, ja. i: Inhaltlich aber gegen Europa, antirassistisch und antinationalistisch heisst auch gegen «Fortress Europe». j: Das Squattermilieu ist aber völlig heterogen und lässt sich nicht auf einen politischen Nenner festschreiben. Die Vernetzung trägt aber zu einer Internationalisierung bei. i: Die Integration von aussereuropäischen Menschen funktioniert aber auch da nicht gut. n: Und es gibt oft auch ein Unverständnis dieser Leute uns gegenüber, zum Beispiel weil wir auf ein Stück Wohlstand verzichten und in unseren versifften Häusern leben. j: Linke von anderen Kontinenten haben andere Ansprüche und Perspektiven.
Glossar: Containerfood: Geniessbares Essen, dass wegen abgelaufenem Verkaufsdatum im Abfall landet. Crust: Ein Subgenre des Hardcore-Punk. Squat: Besetztes Haus. Tekknival: Gratis-Festivals auf dem Land mit vorwiegend elektronischer Musik. VoKü: Volxküche, gratis oder billiges Essen für viele Leute.
> GEBASTEL: ZAK <
••• z: Diese Art zu reisen scheint sich auf Europa zu beschränken. j: Vielleicht aus geografischen Gründen. z: Ich denke, das ist nicht nur die räumliche Nähe, sondern vor allem die kulturelle. j: Wenn du Europa verlässt, hast du diesen vertrauten Background nicht mehr.
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DAS MITTELMEER IST DER BURGGRABEN EUROPAS
WÜSTENCAMPS UND WASSERLEICHEN DER MITTELMEERRAUM WIRD VERSTÄRKT ÜBERWACHT UND NEUE MASSNAHMEN UND KOALITIONEN VER-
SCHÄRFEN DIE MIGRATIONSVERHINDERUNGSPOLI-
TIK. DER NEUE READER «AUSGELAGERT» DOKUMENTIERT DIE KATASTROPHALE SITUATION.
Im Herbst 2005 bestürmten an der nordafrikanischen Mittelmeerküste Tausende von MigrantInnen die Hochsicherheitszäune der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta — und wurden von spanischen und marokkanischen Militär- und Polizeieinheiten brutal zurückgeschlagen. An Silvester 2005 griffen in Kairo Tausende von ägyptischen Polizisten ein von etwa 3000 sudanesischen Flüchtlingen vor den Büros des UNFlüchtlingshilfswerk UNHCR errichtetes Protestcamp an — mindestens 26 Menschen kamen ums Leben. Wer sich über diese oder andere Geschehnisse an den Grenzen Europas und Nordafrikas informieren will, dem oder der sei die Sondernummer 110 des «Flüchtlingsrat» empfohlen. Die Zeitschrift für Flüchtlingspolik in Niedersachsen – herausgegeben vom Flüchtlingsrat Niedersachsen, dem Komitee für Grundrechte und Demokratie und der Forschungsgesellschaft Flucht und Migration – hat unter dem Titel «AusgeLAGERt – Exterritoriale Lager und der EU-Aufmarsch an der Mittelmeergrenze» einen spannenden Reader über die Entwicklung und Militarisierung der europäischen Migrapubliziert. tionsverhinderungspolitik Recherchen über die Flüchtlingsabwehrpolitik, Chronologie und Konzepte der EU-Lagerpläne und -modelle und eine Dokumentation von Gegenaktionen von kämpferischen Betroffenen und solidarischen AktivistInnen geben Interessierten ein breites Bild – welches zusammen mit der dem Buch beiliegenden Karte über «MigrantInnenLager in Europa und in den Ländern
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des Mittelmeerraums» die Dimension nächtliche Ausschaffungen im Schnellder Menschenverachtung der migra- verfahren sind dort Alltag. tionsstrategischen Pläne der europäischen (und nordafrikanischen) PolitiKONTROLLE UND kerInnen aufzeigt. LAGERPOLITIK
INTERNIERUNG UND ISOLATION MigrantInnen, die die Überfahrt über das Mittelmeer überleben (allein für die Meerenge von Gibraltar wird geschätzt, dass im Zeitraum von 1991-2004 etwa 12 000 bis 14 000 Menschen ertranken) und auf europäischem Staatsgebiet landen beziehungsweise stranden, werden vermehrt von der Bevölkerung isoliert. In speziellen Lagern soll der Kontakt zu der teilweise freundlich und solidarisch gesinnten Umgebung (ausser der Tourismusindustrie) unterbunden werden. «Die zweite Konstante, auf die man bei der Ankunft grosser Flüchtlingsschiffe trifft, sind die staatlichen Machtdemonstrationen. Notstandsähnliche Massnahmen werden eingeleitet oder gar der Notstand ausgerufen. Damit übernehmen Polizei, Küstenwache und Marine das Kommando in der jeweiligen Hafenstadt, flankiert vom Roten Kreuz und anderen Organisationen. In Grosseinsätzen werden die Flüchtlinge von der lokalen Bevölkerung getrennt und vorzugsweise in Fussballstadien eingesperrt. Polizisten und Helfer behandeln sie auf Distanz, tragen Handschuhe und vielleicht sogar Mundschutz. Versorgungsgüter werden en gros ausgegeben. Die Trennung der Flüchtlinge von der Bevölkerung erfolgt im Rampenlicht der Medien. Politiker kommen mit ihrer flüchtlingsfeindlichen Hetze ausführlich zu Wort, die Flüchtlinge selbst oder die helfenden Einheimischen dagegen nie.» In gewissen Lagern (zum Beispiel auf Lampedusa) ist es nicht mal AnwältInnen oder Menschenrechtsorganisationen möglich, die Flüchtlinge zu sehen. Überbelegung, zu wenig Toiletten, alle sechs Stunden Appell,
Zur Verhinderung der Migration über das südliche und östliche Mittelmeer – dem Burggraben der Festung Europa – haben die europäischen Staaten in den letzten Jahren neben der Hightech-Überwachung der Seewege und Küstengebiete, Isolationslagern und der klammheimlichen Ausschaffung auch vermehrt die Überwachung der nordafrikanischen Küste und Einrichtung von «Wüstencamps» in Nordafrika in Angriff genommen. Lager ausserhalb Europas haben unter anderem den «Vorteil», dass die MigrantInnen sich nicht im europäischen Rechtsraum befinden – so die Haltung des ehemaligen deutschen Innenministers Schily im August 2004: «Es wird dort (in Nordafrika) eine Aufnahmeeinrichtung geben und eine Institution, die aus Beamten der Asylbehörden der EU-Mitgliedsstaaten zusammengesetzt ist. Diese Behörde prüft: Haben die Flüchtlinge einen Grund nach der Genfer Flüchtlingskonvention, der einer Rückkehr ins Heimatland entgegensteht? Wenn sie keinen haben, müssen sie zurück. (…) Eine gerichtliche Kontrolle muss es nicht zwangsläufig geben. Wir sind ausserhalb des Rechtsgebietes der EU.» Doch so kaltherzig ist Europa dann doch nicht: «Der europäische Rat stellt fest, dass unzureichend regulierte Wanderungsbewegungen zu humanitären Katastrophen führen können» ist in einem EU-Papier zu lesen. Sprich: Boat People ertrinken im Mittelmeer. Und: Mehr staatliche «Kontrolle» der Wanderungsbewegungen würde weniger Tote bedeuten... Doch auch diese «humanitären» sind nur vorgeschobene Gründe – Unter anderem auch wegen den terroristischen Anschlägen in Nordafrika, versuchen westeuropäische Länder (und die USA) ihren poli-
zeilichen Einfluss bis nach Nordafrika auszudehnen. Die USA behaupten schon lange, (Al-Kaida-)TerroristInnen würden sich mit afrikanischen MigrantInnenströmen fortbewegen. Die G5 (Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien und Spanien) treffen sich seit Mai 2003 dreimonatlich, um unter anderem über Antiterrorismus und die Bekämpfung der heimlichen Flucht und Migration nach Europa zu debattieren. 2003 gab es daher auch die ersten gemeinsamen US-amerikanisch-marokkanischen und spanisch-marokkanischen Patrouillen vor der Küste Marokkos. Der nächste Schritt sind die Lager in Nordafrika.
ZUM BEISPIEL LIBYEN Libyen hat grausame Erfahrungen mit Lagern: 1930 errichtete das faschistische Italien Internierungslager im damals besetzten Libyen zwecks Aufstandsbekämpfung – die libysche Guerilla hatte mit Hilfe der Bevölkerung Massenexekutionen, Bombardierungen, Giftgas und Strafexpeditionen standgehalten. Der Grossteil der BewohnerInnen der zu entvölkernden Regionen wurde zusammengetrieben und musste in entbehrungsreichen Märschen den Weg in die Wüsten-KZs antreten. In zwei Jahren Lagerhaft starben über 50 000 der Deportierten an Hunger und Krankheiten. Ausgerechnet im libyschen Staatschef Ghadaffi fand Europa über siebzig Jah-
re später ihren wichtigsten Helfershelfer. Nachdem RegierungsvertreterInnen aus halb Europa zum geläuterten «Revolutionsführer» pilgerten und sich im Schatten der sprudelnden Ölquellen davon überzeugten, dass auch Libyen für die Kontrolle der Grenzen zu haben war, starteten die ersten Lieferungen von Booten, Jeeps, Radargeräten und Hubschraubern für die moderne Grenzüberwachung – samt italienischen Ausbildnern und Beratern. Italien lieferte ebenfalls Zelte und anderes Material für drei Aufnahmezentren. Libyen hatte schon eigene Erfahrungen mit Wüsten-Camps, in diesen wurden schon länger missliebige «NichtLibyerInnen» zwecks Ausschaffung jenseits der Sahara gefangengehalten. Im Auftrag der EU-Kommission reiste im November 2004 die «Technical Mission to Libya on Illegal Immigration» nach Libyen, um sich vor Ort ein Bild der Situation und Perspektiven zu machen und dieses in einem Bericht festzuhalten. «Sie berichteten von Lagern, in denen Abschiebekandidaten in Gemeinschaftsräumen für 200 Personen untergebracht sind, wobei Männer, Frauen, Familien, Minderjährige ohne Begleitung zusammengepfercht werden. Sie berichten von libyschen Beamten, die direkt vor dem Besuch die Camps haben reinigen lassen; trotzdem aber seien nicht einmal niedrigste hygienische Standards erfüllt. Sie berichteten von Lagerküchen, die offen-
bar schnell mit Obst und Gemüse aufgefüllt wurden – während die Gefangenen erzählten, dass sie mit Wasser und Brot ernährt werden. In manchen Lagern sei die Zahl der Insassen vor dem Besuch schnell von 700 auf 250 gesenkt worden.» Libyen und das restliche Nordafrika sind zu einem (nicht nur) europäischen Experimentierfeld für Migrationskontrolle und –verhinderung, Antiterrorkampf und grenzüberschreitende militärisch-polizeiliche Zusammenarbeit geworden. > TOM LOCHER <
Mehr zum Thema in «AusgeLAGERt». Eine Kurzversion dieses Artikels erschien im Vorwärts vom 20. Januar, 2006. AusgeLAGERt. Exterritoriale Lager und der EU-Aufmarsch an den Mittelmeergrenzen, Flüchtlingsrat, Zeitschrift für Flüchtlingspolitik in Niedersachsen, Heft 110, September 2005. Ein PDF-Version der Nr. 110 gibt es unter: www.ndsfluerat.org/ rundbr/index.htm Weiterführendes: Spannender Artikel zum faschistischen Italien in Libyen: www.zeit.de/2003/21/ A-Libyen?page=1
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SCHAUPLATZ INTERNATIONAL AM LIMES DER FESTUNG EUROPA
KING KONG AN DEN BLUTIGEN STRÄNDEN DER ZIVILISATION LANGE BEVOR PETER JACKSON SEINE NEUVERFILMUNG VON «KING KONG» HERAUSBRACHTE, HABEN WIR, DIE FREIE THEATERGRUPPE SCHAUPLATZ
INTERNATIONAL, UNS AUFGEMACHT, EINE WIRKLICH ZEITGEMÄSSE ADAPTION DES KLASSIKERS
VORZULEGEN. DABEI DREHEN WIR DEN FOKUS UM
UND RICHTEN IHN NICHT AUF DEN AFFEN, SON-
DERN AUF JENE, DIE SICH VON IHM FASZINIEREN LASSEN UND IHN GLEICHZEITIG FÜRCHTEN. AUS-
SCHNITTE AUS DEM DREHBUCH VON «KING KONG AN DEN BLUTIGEN STRÄNDEN DER ZIVILISATION». Im Bungalow
A: Also, wir diskutieren schon hier drin, oder? M: Also das ist ja unser Thema, wie wir Integra... äh, Migration, wie wir das einfangen. AL: Unter anderem. Wir gehen hier ja nicht die Migration einfangen, sondern wir gehen eigentlich hier, vor dieser Kulisse den Film spielen. A: Eine Adaption von Kong! Wir sind die Künstlergruppe. Das ist der Plot, den hast du selber geschrieben! Der Plot ist, eine Künstlergruppe sagt: Uh cool, wir nehmen King Kong, wir nehmen die Costa del Sol und schauen, wie alles zusammen kommt. Also, die Gewächshäuser zum Beispiel, da wo wir jetzt herkommen, wir fressen diese Tomaten, die die hier machen und die brauchen ja die illegale Immigration, damit das überhaupt alles finanzierbar ist. AL: Oder die Touristen, die hier runterkommen, die europäische Binnenmigration. Die kommen ja zur Erholung her. L: Die andern ja auch irgendwie. Und so weiter. M: Genau, so kommt alles zusammen. Im Bungalow
M: Wollen wir nicht mal an den Strand?
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L: Hättest du denn Schiss, wenn aus dem Meer dann so Stimmen kämen? M: Ja. L: Du würdest denken, das seien Migranten. A: Wir würden es einfach geil finden, nachts mit der Taschenlampe am Strand… L: Das ist schon klar. A: …zu schauen: Huhu, wie das schaurig ist: Und vielleicht kommt die Guarda Civil. Und dann kommt sie vermutlich wirklich und wir schalten aus. L: Wir können doch hier filmen so lange wir wollen. Ob wir King Kong machen oder nicht. A: Ja aber du musst dich ausweisen können. L: Ja aber da kann ich sagen... Ihr habt so Schiss. A: Ja ehm, wollen wir gehen? M: Nein.
AL: Scheisse. Ich glaub, das ist nicht so gut, komm wir gehen eher wieder zurück. A: Sag mal, warum spielst du eigentlich so schlecht? AL: Ja, also gut, dann können wirs gleich nochmal machen. A: Nein, es ist wirklich unglaublich. M: Aber Flüchtlinge hats keine, oder? A: Eben, darum müssen wir das nehmen, was wir sehen, das ist der Dialog. L: Was ist denn jetzt nicht so gewesen. A: Der Dialog ist rauskommen und sagen: Ok, es sind keine Flüchtlinge, aber es ist exotisch, wir nehmens trotzdem. Ich muss doch jetzt nicht spielen: Oooohhh… L: Hier stinkts sehr nach Geschissenem. A: …Ooohhh, schau mal dort hinten, Im Bungalow ich mein, ich spiele doch nicht so einen A: Komm, wir machen mal die Sze- Scheiss. AL: Also, wir machens nochmal. ne am Strand, wo wir die Eingeborenen sehen. Zur Probe. AL: Super, schau mal. Hast du die Im Bungalow L: Fahren wir jetzt in die Stadt? gesehen dort hinten? L: Schau mal. Was ist das denn? AL: Und wenn die uns nicht filmen M: Ganz ein… lassen, weil sie Angst haben? AL: Keine Ahnung. A: Wenn wir filmen und es ist so ein M: …farbiger… wild gewordener Marokkaner, der AL: Was ist das? Angst hat, wenn er gefilmt wird, dass er M: Sonnenschirm. ausgewiesen wird, kann ich ihm sagen: A: Ich glaube es ist, es sind keine «Hey, wir, das ist ein Projekt, in dem es eigentlich um meine Angst geht und du Flüchtlinge auf jeden Fall. musst keine Angst haben, du bist nicht L: Das sind keine Flüchtlinge. im Bild. Oder, es ist King Kong. Kong A: Aber es ist farbig. M: Dort hinten verkleiden sie so seid ihr…» Gut, das ist vielleicht ein heikler Punkt. ehm, verkaufen sie so AL: Wen wen wen meinst du… L: Aber King Kong ist eine Inspiration für uns, oder? Wir machen jetzt M: Kleider. nicht eine Bühnenadaption von King AL: …jetzt? L: Ja, die die vor uns sitzt die ganze Kong. Zeit. AL: Also ich weiss nicht. Irgendwie… AL: Können wir nicht ein bisschen M: Es geht um unsere Angst. Wirknäher hin? lich nur darum. Wie im Film. A: Nein, komm pass auf. A: Ja. AL: Ou schau, schau, scheisse, jetzt hat einer gewinkt. L: Sie haben uns entdeckt.
Im Bungalow
M: Wie im Film halt. Also, die weisse A: Und dann wäre ich so an der Frau, das ist Europa. Küste, an einem Felsen und würde so rufen, ganz laut: «Schau mal, ein Im Bungalow AL: Wenn wir etwas finden würden, Schuh! Ich habe einen Schuh gefundas wäre auch gut. den!» M: Schlimm, das wäre sehr Im Bungalow schlimm, glaub ich. M: Zeig mal die Karte. Hier, El Ejido, A: Ja? M: Wenn wir ganz viele Kleider finwo die Unruhen waren, da ist es gut. Mit den würden. Und so Rastplätze, wo sie den Gewächshäusern. AL: Das ist sehr schön. Hier machen geschlafen haben. AL: Kleider wären echt bedrückend. wirs. A: Wir fesseln dich an einen Zaun. M: Es müsste so einen Sack haben, Die weisse Frau. der noch so halb zugeklebt wäre, wo AL: Ja, würd ich. Mitten in den Ge- wahrscheinlich die andern Kleider drin waren. So Jeans und Hemden, die so wächshäusern. L: Wenn uns jemand fragt, dann sag zerknittert aussehen würden, wie wenn ich, wir suchen den Campingplatz am sie nass gewesen wären. Schlimm. Meer. A: Mir geht es gar nicht darum, das A: Ok, das ist gut. Genau. zu sehen. Ich glaube es auch so. M: Hättest du denn da Angst? AL: Aber es gäbe einem gewisse L: Die kommt vielleicht dann gleich, Informationen, die man sonst nicht hat, meine Angst. wenn man es nicht gesehen hat. AL: Soll ich schreien? A: Das wird dir doch in jedem BeA: Ja, du könntest schreien. Und richt geschildert, wie sie an Land komdann machen wir einen Gang um sie men und ihre Kleider ausziehen. Nein, rum vielleicht. Das wäre geil. ich meine, das ist so eine Aufladung, die du jetzt vornimmst irgendwie, dass Im Bungalow du dich in diese Leute rein versetzt. M: Könnten wirs nicht so machen? L: Ja aber, die Aufladung, die brauWir haben doch jetzt immer überlegt, chen wir natürlich jetzt auch… A: Ja, ich brauche sie halt einfach was die weisse Frau ist. Jetzt habe ich gerade in der griechischen Mythologie nicht. L: Nein, aber die, die uns dann zugelesen, wegen dieser Personifikation schauen, die brauchen das. Die brauvon Europa. chen diese Aufladung. AL: Mhm. M: Das können wir doch übernehA: Ja, das sind aber armi Sieche, men. oder, eigentlich. AL: Ah? L: Aber das ist doch egal. Wir müsM: Also wenn man so diese Anzie- sen einfach eine geile Arbeit machen. hung von Zeus zum Beispiel für Europa… Am Flughafen AL: Mhm. L: Was heisst: Mir ist nicht wohl? M: …ist ja wie die Anziehung von AL: Ich habe mir überlegt, ob ich Kong für Europa. Und die Eingeborenen überhaupt nicht mitmachen soll. Ich im Film opfern ja die Eingeborenen, finds schon ein Problem. Wir sind totaoder gut, sagen wir die Menschen, nein, le Nutzniesser dieser Situation, dass es ehm, die Werte, die Werte von Europa denen einfach schlecht geht. Die werwerden hier geopfert von den Eingebo- den eh schon ausgebeutet und wir beurenen ten die Situation noch einmal aus, indem wir diese Bilder holen gegangen AL: Mhm, mhm.
sind und dann zeigen wirs dort oben irgendeinem Superschicki–Publikum, wo auch immer, irgendwie und das ist in einer superbequemen Situation und kann sich so etwas anschauen und ändern tut sich eh nichts. L: Ja, da musst du gar nicht anfangen, weisst du. Das kann man überall sagen. AL: Das kann man nicht überall sagen, überhaupt nicht. Es kommt ganz darauf an, was man für ein Thema aufgreift. Und wenn man so ein heikles Thema aufgreift, das… A: Wie willst du denn dein Geld verdienen? L: Was ist heikel an dem Thema? Wir sind zehn Tage hier unten gewesen und hocken im Bungalow, wir reden wahnsinnig viel und haben keine Ahnung, was eigentlich abgeht hier. Es geht überhaupt nicht um das Leid von diesen Leuten. Überhaupt nicht. Wir haben keinen einzigen von denen drauf. Keinen einzigen. A: Aber du wohnst auch in Berlin und hast keinen Schimmer, was in Berlin läuft, oder? L: Ich habe… Ich weiss ganz genau, was dort los ist. A: Ach, du hast doch keine Ahnung, komm. L: Ich weiss in meinem Bereich genau, was los ist. A: Ah, ja. L: Und ich weiss auch, wenn ich das wollte… A: Könnte ich jetzt nicht behaupten. L: Könnte ich das auch recherchieren. M: Aber dass wir Gewinn aus der Misere von anderen ziehen… AL: Das habe ich dir versucht zu erklären vorhin. M: …das ist das Problem. Das geht mir auch so. Ich merke, wie dekadent >
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das ist, hin und zurück zu fliegen, für zehn Tage… A: Zwölf M: …oder für zwölf Tage. Ich bin ziemlich froh darüber, dass mich das so anscheisst, hier runter zu fliegen und jetzt wieder zurück. A: Aber hör mal zu, ich habe auch langsam Schwierigkeiten, mit diesem Argument. Jeder von uns hat ein Dach über dem Kopf. Was soll ich? Soll ich mich ständig mit mir auseinandersetzen? Das ist ein Totschlägerargument: Wir dürfen von dieser Misere nicht profitieren. Dann können wir nichts machen. Über was kannst du dich dann… AL: Nein, nein nein nein. A: Dann kannst du dich über Segeln, über Segeln kannst du dich dann unterhalten. Was soll man machen? Du kannst so ein scheiss Theaterstück, ich weiss es nicht, du kennst mehr Theaterstücke, das kannst du dann machen. > DER MANN MIT DEM REH <
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Anmerkung: Der Film war sehr günstig, ca. 3000 Franken. Wir flogen mit Easy Jet beziehungsweise Air Berlin nach Alicante dann Mietwagen Ford Focus C-Max, toller Wagen in den Kurven, aber ein wenig zu klein. Wir hatten eine Praktikantin, die umsonst filmte. Premiere war an den Kammerspielen in München (Etat: 40 Millionen Euro) an der Maximilianstrasse, links Prada, rechts Hermes, oder umgekehrt. Handtasche 4000 Euro. Wir waren aber nur auf der Hinterbühne. Baumbauer, der Chef, hat uns als erster als Kollektiv bezeichnet, es stand in der Theaterzeitung. Egal. Film aus dem Spielplan gestrichen, schade.
Das Tojo Theater zeigte «Château Europe II – King Kong an den blutigen Stränden der Zivilisation» Anfang September 2005. Nächste Schauplatz International Produktion: «Atlas of Catastrophes – The Beauty of Desaster» ab 22. Februar im Schlachthaus Bern und Fabriktheater Rote Fabrik, Zürich. Kontakt: schauplatz@gmx.net
UNTERSTÜTZUNG FÜR UND VON…
MEBIF – MEDIZINISCHE BERATUNG FÜR ILLEGALISIERTE FRAUEN SEIT 2001 FÜHRT MEBIF JEDEN MONTAG NACHMITTAG EINE SPRECHSTUNDE FÜR FRAUEN OHNE GEREGELTEN AUFENTHALT DURCH. DIE GESUNDHEIT-
LICHEN PROBLEME DER FRAUEN BEWEGEN SICH OFT IM BEREICH DER GYNÄKOLOGIE. PROBLEMATISCH
KANN SICH AUCH DER ABSCHLUSS EINER KRANKENVERSICHERUNG GESTALTEN.
MeBiF verfügt über eine Kartei mit ÄrztInnen, TherapeutInnen, Hebammen und ZahnärztInnen, die Patientinnen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung zu einem reduzierten Tarif behandeln. MeBiF übernimmt eine Triagefunktion. Die Mitarbeiterin klärt im ersten Gespräch die gesundheitliche Situation der Beratung suchenden Frau ab, leitet die notwendigen Schritte ein und stellt den ersten Kontakt zu einer medizinischen Fachperson oder zu einer Behandlung im Spital her. Die Behandelnden ihrerseits verlangen für die Konsultation in der Regel eine bescheidene Entschädigung oder behandeln kostenlos. Eine Frau berichtete kürzlich, die Ärztin habe ihr die mitgebrachten fünfzig Franken wieder zurück gegeben, damit sie die Medikamente für ihre kranke Tochter in der Apotheke bezahlen konnte. Die gesundheitlichen Probleme der weiblichen Sans-Papiers bewegen sich oft im Bereich der Gynäkologie; sie haben beispielsweise Probleme im Zusammenhang mit der Menstruationsblutung, leiden unter genitalen Infekten oder klagen über Schmerzen im Rücken, im Kopf, im Bauchraum. Sie wenden sich an MeBiF, weil die Periode ausgeblieben ist, weil sie möglicherweise schwanger sind und nicht wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie die Schwangerschaft nicht behalten können. MeBiF vermittelt Schwangerschaftskontrollen und unterstützt illegalisierte Schwangere, damit sie ihr Kind in Sicherheit gebären können.
Der Verein MeBiF1 bietet Frauen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung seit fünf Jahren medizinische Beratung an und vermittelt bei Bedarf ärztliche Dienstleistungen. Jeden Montag Nachmittag von 14-17 Uhr betreibt der Verein die Sprechstunde in den Räumen der neu eröffneten Berner Beratungsstelle für Sans-Papiers2. Die Mitarbeiterinnen von MeBiF sind ausgebildete Fachfrauen im Gesundheits- oder Sozialbereich 1 MeBiF, Medizinische und stellen ihr Fachwissen ehrenamtBeratung für illegalilich zur Verfügung. Während in den sierte Frauen, Schwarz- ersten Jahren die Sprechstunden im torstrasse 124, Turnus von Vereins-Mitarbeiterinnen 3007 Bern, übernommen wurden, hat der Verein Tel. 079 666 95 72, vor einem Jahr beschlossen, die www.mebif.ch, Sprechstunde von einer MeBiF-Pflegemebif@gmx.ch, fachfrau durchführen zu lassen, die für PC 30-331396-9, die kontinuierliche Tätigkeit entschäMontag 14-17 Uhr. digt wird. Diese Änderung hat sich aus2 Berner Beratungsstel- bezahlt: Die Klientinnen haben immer le für Sans-Papiers, die gleiche Ansprechperson. Auch bei Schwarztorstrasse 124, Verhandlungen mit den Krankenkassen 3007 Bern, stellte sich die Tatsache, dass immer Tel. 031 385 18 27. die gleiche Person verhandelt, als groswww.sans-papiersser Vorteil heraus, versuchen doch contact.ch, Krankenkassen mit allerlei Tricks, beratung@sansSans-Papiers nicht versichern zu müspapiers-contact.ch, sen. PC 30-586909-1, Andere anfallende Arbeiten werden Montag 15-20 Uhr, weiterhin ehrenamtlich geleistet. Diese beinhalten beispielsweise die WeiterFreitag 15-20 Uhr, gabe des Fachwissens an andere Bera1. Samstag im Monat VERNETZUNG tungsstellen, an Studierende; die Teil14-17 Uhr. 3 Aufgrund der zunehnahme an oder das Durchführen von In den vergangenen Jahren hat der Weiterbildungen zum Thema Sans Pa- Verein MeBiF Vernetzungsarbeit geleimenden Anfragen bei piers und Gesundheit. Weiter gehören stet, er hat ein gut funktionierendes Zahnproblemen sucht MeBiF noch ZahnärztIn- dazu die Erstellung von Dokumenten, Netz3 von ÄrztInnen, TherapeutInnen, Artikeln für Zeitschriften, das Führen nen, die bereit sind, Sans-Papiers zu kosten- von Verhandlungen mit Spitälern bei der Behandlung von Sans-Papiers, Vergünstigen Tarifen zu netzungs- oder administrative Arbeit. behandeln.
Hebammen aufgebaut. MeBiF ist bei anderen Beratungsstellen im Sozialund Migrationsbereich bekannt. Auch die Beratungsstelle für Sans-Papiers nützt das Angebot rege und überweist dem MeBiF Klientinnen, die gesundheitliche Probleme haben, oder fragt um Unterstützung bei medizinischen Fragen ihrer männlichen Klienten. MeBiF leistet Empowerment-Arbeit und unterstützt damit in der Schweiz lebende illegalisierte Frauen, die einen schlechten Zugang zum Schweizer Gesundheitswesen haben und nicht auf staatliche Hilfe zählen können. Grund- und Menschenrechte und somit auch das Recht auf Gesundheit sind nicht einsparbar und auch nicht teilbar; deshalb füllt das Angebot von MebiF in Bern eine wichtige Versorgungslücke. Vorläufig finanziert sich der Verein MeBiF über Spenden und Mitgliederbeiträge. Auch Sie können die Arbeit von MeBiF unterstützen. Der Mitgliederbeitrag beträgt für natürliche Personen 50 Franken pro Jahr, für juristische Personen 150 Franken pro Jahr – einzuzahlen auf das PC 30-331396-9. Sie ermöglichen so die Weiterführung eines im Kanton Bern einmaligen Angebots. > CHRISTINE SIEBER <
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SEXISMUS UND FRAUENDISKRIMINIERUNG IN DER WERBUNG
… UND DER GOLDENE PHALLUS GEHT AN… BEI EINER AKTION GEGEN SEXISTISCHE WERBUNG
GEHT ES NICHT DARUM, PRÜDE ZU SEIN ODER DAS MÄNNLICHE GESCHLECHT ABZUWERTEN. ES GEHT
DARUM, DARAUF AUFMERKSAM ZU MACHEN, WIE UND AUF WESSEN KOSTEN GROSSE FIRMEN SEXISTISCHE UND FRAUENDISKRIMINIERENDE WERBUNG IM ALLTAG PLATZIEREN UND SOMIT WERTE UND IDENTITÄTEN STIFTEN.
17. Dezember 2005. Der Himmel ist grau, es geht ein eisiger Wind. Die Berner Innenstadt platzt aus allen Nähten. Die Menschen auf der Strasse versuchen krampfhaft die letzten Weihnachtseinkäufe zu tätigen. Mitten im Kaufgewühl geht eine Gruppe von rund 30 Menschen. Sie trägt ein Seil mit unzähligen Plakaten, auf welchen halbnackte Frauen abgebildet sind. Begleitet wird die Gruppe von einer Lautsprecheranlage, aus der Musik mit frauenfeindlichen Texten ertönt. Es handelt sich um eine Aktion von «Dafne – das feministische Netz» gegen sexistische Werbung. Dem Umzug durch die Marktgasse wird die Preisverleihung auf dem Kornhausplatz folgen. Verliehen werden ein bronzener, ein silberner und ein goldener Phallus an die drei Firmen mit den sexistischsten Werbeplakaten. Der Phallus, weihnachtlich dekoriert mit Engelsflügeln, dient als Symbol der männlichen Dominanz und der weiblichen sexuellen Verfügbarkeit. Dafne und ihre FreundInnen sind sich bewusst, dass zwischen Sexismus und Sexualität grosse Unterschiede bestehen.
FRAUEN ALS BLICKFANG In der Werbebranche dienen Frauen für fast jedes Produkt als Blickfang. Der Zugriff auf Frauenkörper in einer von Männern dominierten Grafiker-Domäne gilt als normal und wird von der
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Gesellschaft, welche sich an männlichen Normen orientiert, durchaus geduldet. Werbung ist ein Spiegelbild gesellschaftlicher Einstellungen. Sie bildet aber wiederum die gesellschaftlichen Einstellungen. Daher hat sie auch eine Vorbildfunktion. Werbung mit Bildern, egal, ob in Zeitungen, Fernsehen, Plakatsäulen oder Illustrierten ist einer der mächtigen Sozialisationsfaktoren. Sie ist ungeheuer einflussreich, weil Menschen «Augentiere» sind, durch Bilder lernen (Kinder und Erwachsene) und diese Werbebilder jeden unübersehbar begleiten, gar verfolgen. Das Frauenbild, das dabei vermittelt wird, ist völlig reduzierend. Alte Rollenbilder werden als witzige und ironische Doppelbotschaften verkauft. Da dies der laufende Trend in der Werbebranche ist und die Konsumenten sich bereits daran gewöhnt haben, wird die sexistische Struktur darin gar nicht mehr erkannt. Werbung vermittelt also auf subtile Art und Weise fixe Ideen. So erstaunt es nicht, dass in der Schweiz 44 Prozent der jungen Frauen zwischen 15 und 24 Jahren untergewichtig sind und teilweise sogar weiter abnehmen möchten. Darstellungen von perfekten und überschlanken Körpern in der Werbung (beispielsweise die Werbeaktion von Sloggi für die Stringtangas) dürften wohl massgebend an der Entwicklung solch krankhaften Gedankenguts beteiligt sein. Eine interessante Tatsache ist, dass von der Gesamtkaufkraft einer Bevölkerung (beispielsweise von Europa) 79.2 Prozent der Kaufentscheidungen von Frauen bestimmt werden! Somit ist es umso erstaunlicher, dass sich die Firmen überhaupt wagen, frauenfeindliche Werbung zu produzieren. Aber sexistische Werbung wird, auch von Frauen, geduldet.
Kornhausplatz angekommen. Nominiert für das Podest sind unzählige Firmen und Event-Veranstalter wie beispielsweise Virgin-Cola, der International Students Club (ISC), das Bierhübeli, IWC (Luxusuhren), Tally Weijl, VW, die Modeboutique Metro, Siemens, Sloggi, YB, das Ausgehlokal Guayas, der Kornhauskeller in Bern und viele mehr. Alle Nominierten haben etwas gemeinsam. Sie bedienen sich der Darstellung von Frauen als Sex- und Serviceobjekte für Männer, um damit für ihre Produkte zu werben. «Das Leben ist sexy, das Leben macht Spass». Das ist Tally Weijls Arbeitsphilosophie. Auf den Werbeplakaten ist eine Frau auf allen Vieren abgebildet. Sie trägt ein Oberteil mit tiefem Ausschnitt, welches in dieser Position den Hintern knapp nicht bedeckt. Ihr Kopf ist nach hinten gedreht, der Mund halb geöffnet und eine wilde Mähne umgibt ihr Haupt. Die Position und die Haltung der Frau deuten darauf hin, dass in der nächsten Sekunde ein Mann sie von hinten begatten könnte. Im Hintergrund sind poppende Hasenpaare zu erkennen. Der Werbespruch lautet: «Tally Weijl – totally sexy». Die Frau wird mittels provokanten Posen von der Werbung auf ihren Körper und ihre Sexualität reduziert. Der weibliche Körper wird zum Objekt, dient als Blickfang und garantiert Aufmerksamkeit. Sexy und verfügbar zu sein, wird für junge Frauen zur gesellschaftlichen Anforderung. Tally Weijl, die Inhaberin des gleichnamigen Modeunternehmens, sagt von ihren Kollektionen, sie hätten mit Verführung, mit dem Begehrenswertsein und mit Gefallen zu tun. Es gehe darum, Spass zu haben – mehr leider nicht. Es gehe bei ihren Kollektionen nicht um Sex, sondern um «sexiness». Die offensiven Plakate deuten aber in die pornografische Richtung. Wenn es da nicht um Sex geht… DREI FIRMEN AUFS PODEST Solch eine Einstellung hat es verUnterdessen schneit es. Die Gruppe dient, belohnt zu werden. Der bronzene mit den sexistischen Plakaten ist am Phallus geht somit unter Trommelwir-
bel und tosendem Applaus des Publikums an Tally Weijl. Den silbernen Phallus gewinnt der BSC Young Boys (YB) für seine laufende Kampagne «Glaube an YB» und für die Aktion, Frauen das Fussballspiel etwas näher zu bringen. Bei letzterem organisierte YB ein Fussballspiel für Frauen. Zu gewinnen gab es ein pinkiges Handy sowie ein Treffen mit dem aktuellen Mister Schweiz, Renzo Blumenthal. In der Pause konnte frau sich mit fett- und kalorienarmer Nahrung stärken. Die Haltung von YB ist sehr paradox. Einerseits will YB den Frauen das Fussballspiel näher bringen, andererseits machen sie Werbung mit sogenannt typisch weiblichen Interessensgebieten. Frauen, die sich ernsthaft für Fussball interessieren, interessieren sich während dem Fussballspiel nicht für pinkige Handys, Mister Schweiz und kalorienarme Nahrung. So wie sich beim Fussballspiel auch kein Mann für die Miss Schweiz interessiert! Diese Haltung gegenüber dem Frauenfussball erstaunt jedoch keineswegs, da im Verwaltungsrat von YB, bis auf die Sekretärin, nur Männer positioniert sind.
… UND DER GOLDENE PHALLUS GEHT AN… … Siemens. Siemens macht Werbung für männliche und weibliche Handys. Auf den Plakaten ist ein rosa-
rotes, mit Blümchen versehenes, eher weibliches neben einem grauschwarzen, eher männlich aussehenden Handy zu sehen. Die zwei Telefone kommunizieren miteinander. In der Sprechblase des weiblichen Handys steht: «Mich kann man auch auf lautlos stellen». Das männliche Handy erwidert: «Erstaunlich!». Dabei steht natürlich der Firmenname, der Slogan «designed for life» und ein Verweis auf die Internetseite www.derkleineunterschied.ch. Im ersten Moment wirkt das Plakat amüsant und entspricht voll und ganz dem momentanen Trend der ironischen und witzigen Werbung. Beim weiteren Hinsehen stellen sich jedoch mehrere Fragen. Wer entscheidet, wie ein weibliches Handy aussehen soll? Ist es nicht etwas vermessen, von sich zu behaupten, (für) das Leben zu designen? Und was findet sich unter der angegebenen Internetseite? Auf der oben genannten Internetseite sind noch zahlreiche Varianten der Sprüche zwischen männlichem und weiblichem Handy zu finden sowie ein genauer Beschrieb der beiden Telefone. Das weibliche CL75 ist «en vogue», «beautiful», mit raffinierten Details wie intergriertem Schminkspiegel versehen und wird als Stateof-the-art-feature angepriesen. Das männliche M75 ist robust, stossbeständig (kotz!), wasserabweisend, mit Gummischutz versehen und natürlich auch ein State-of-the-art-feature.
Mit dieser Art von Werbung werden Mehr Infos zum Thema Vorstellungen produziert, wie Männer unter: www.terre-desund Frauen «sind». Im Fall Siemens femmes.ch bedeutet dies: Technik und Abenteuer gehören den Männern, Haushalt, Schönheit und Erotik den Frauen. Siemens betont mit ihrer Handykreation den Unterschied zwischen Frau und Mann und verankert mit ihrer Werbekampagne die geschlechtlichen Unterschiede in der Gesellschaft. Zudem übernimmt Siemens den Titel des 1975 erschienen Buches «Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen» von Alice Schwarzer – ein Standardwerk der neuen Frauenbewegung. Ist das nicht etwas paradox? Würden sich Firmen statt über Frauen, über Menschen anderer Kulturen und Hautfarben lustig machen, heulten sofort alle Alarmsirenen auf, es handle sich um rassistische Werbung. Sexistische Werbung wird jedoch still, eventuell mit einem Lächeln, geduldet. Sie gilt allerhöchstens als Kavaliersdelikt. Sollen Frauen wirklich auf «sexiness», Schönheit und Erotik reduziert werden, damit einige wenige auf Kosten des Frauenbilds in der Gesellschaft profitieren können? Nein danke! > DAFNE – FRAUEN@GMX.CH <
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EXPORT VON ELEKTROSCHROTT
AFRIKA ALS COMPUTER-MÜLLHALDE LAUT DEM UNO-UMWELTPROGRAMM UNEP FALLEN
JÄHRLICH 20 BIS 50 MILLIONEN TONNEN ABFALL
AN ELEKTROGERÄTEN AN. TENDENZ RAPIDE STEIGEND. DER GRÖSSTE TEIL DAVON WIRD IN DIE
Atemwegsinfektionen, Lungenkrankheiten, Krebs und EntwicklungsstörunÄRMEREN LÄNDER IM SÜDEN EXPORTIERT DORT gen sein. In Dörfern in China, wo sich SOLLEN SIE RECYCLED WERDEN ODER WEITERVERder Elektronikschrott ebenfalls am WENDET. MEIST IST ES ABER WEDER DAS EINE Strassenrand stapelt und unter schrecklichen Bedingungen zerlegt NOCH DAS ANDERE, SONDERN SCHLICHT «GIFTwird, leiden 80 Prozent der Kinder an STOFF-TERRORISMUS». Atemproblemen und Hautkrankheiten. Und die Verschmutzung mit bromiertem Flammschutzmittel ist weltweit Lagos, Nigeria: Monatlich kommen bereits so gross, dass es im Fleisch von hier im Hafen geschätze 500 Container Eisbären und Walen nachgewiesen mit alten Computern an. Ein Container werden kann. enthält etwa 800 Computer, macht 400000 Computer monatlich, die ReBASLER KONVENTION cyclingfirmen aus den Industrieländern unter dem Motto «Schaffung einer digiDas «Basel Action Network» (BAN), talen Brücke in die ärmeren Länder» eine Nicht-Regierungs-Organisation zur Weiterverwendung nach Lagos ex- (NGO) aus Seattle hat mit ihrem Bericht portieren. Nur: Das meiste davon ist «The Digital Dump: Exporting Re-Use Elektroschrott (laut dem Verband der and Abuse to Africa» im Oktober 2005 nigerianischen Computerhändler Cap- die Situation in Nigeria öffentlich gedan rund drei Viertel), sie sind weder zu macht. Bereits 2002 deckten sie die Begebrauchen, noch zu reparieren. Denn dingungen auf, unter denen ArbeiterInsie wurden vor dem Export nicht auf nen in China, Indien und Pakistan ungeschützt in Strassengräben und auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft. Das meiste davon kann also nicht im Reisfeldern, den Elektroschrott aus den Büro oder im Klassenzimmer zum Ein- USA zerlegen und auf offenem Feld satz kommen, sondern landet auf dem verbrennen. Laut BAN wird zwischen Müll. Nigeria hat, wie auch andere Län- 50 und 80 Prozent des US-amerikanider des Südens, nicht die Möglichkei- schen elektronischen Abfalls in die ten, diese Giftmüllberge aus dem Nor- armen Länder des Südens exportiert. Der Name «Basel Action Network» den sachgerecht zu entsorgen. So landen sie auf Deponien im Strassengra- geht auf die Basler Konvention von ben oder auf Feldern, wo die Berge an 1989 zurück, die nach Skandalen über Elektroschrott, wenn sie nicht einfach Giftmülltransporte aus reichen in verrotten und ihre giftigen Stoffe ins ärmere Länder verabschiedet wurde Grundwasser abgeben, verbrannt wer- und den Export von Giftmüll aus den Inden und giftigen Rauch entwickeln. dustriestaaten in den Süden verbietet. Denn Computer enthalten Schwer- BAN hat es sich zur Aufgabe gemacht, metalle wie Blei, Kadmium und Queck- die Durchsetzung dieser Vereinbarung silber sowie weitere giftige Substanzen zu überwachen und sich für eine ökolowie bromierte Flammschutzmittel, und gischere und sozialere Produktionshaben, wenn sie nicht sachgerecht ent- weise einzusetzen. sorgt werden, katastrophale ökologische und gesundheitliche AuswirkunIST EUROPA BESSER? gen. Folgen können zum Beispiel Die USA ist die einzige Industrienation, welche die Basler Konvention nicht ratifiziert hat. Entsprechend häuINTERNATIONALISTISCHE fig steht sie im Zentrum der Kritik. Der megafon Nr. 292, Februar 2006 26 neue Bericht von BAN zeigt allerdings,
dass es offenbar auch in Europa mit der Durchsetzung der Basler Konvention nicht so rosig aussieht. BAN gelang es, mittels Angaben auf den Computern, die Herkunft einiger Elektroschrottteile in Lagos zu ermitteln. Davon stammen etwa gleich viele aus Europa wie aus den USA. Die strengeren Gesetze in Europa nützen nichts, wenn ihre Einhaltung nicht genügend kontrolliert wird. BAN fürchtet gar, dass mit der dieses Jahr in der EU in Kraft tretenden WEEE-Richtlinie («Waste Electrical and Electronic Equipment») die Exporte aus der EU noch zunehmen werden. Die WEEE-Richtlinie regelt die Rückgabe von Elektroschrott zu Entsorgungszwecken und soll, und wird wohl auch, zu einer Zunahme der zurückgegebenen defekten Elektronikgeräte führen. BAN rechnet nun vor, dass, wenn mehr zurückgegeben wird (statt im Haushaltkehricht oder Sperrmüll entsorgt), und von diesem Mehr ein gleichbleibender Prozentsatz exportiert wird, faktisch mehr exportiert werden wird. In der Schweiz gibt es schon länger die Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG). Diese schreibt vor, dass HändlerInnen, HerstellerInnen und ImporteurInnen die Geräte, die sie in ihrem Sortiment führen, gratis zurücknehmen müssen. Die VREG verbietet die Entsorgung solcher Geräte per Abfallsack oder Sperrmüll. Dieses Sammelsystem gilt als ziemlich umfassend, und Schweizer Firmen, die elektronischen Abfall verarbeiten, brauchen laut Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) eine Entsorgungsbewilligung vom Kanton, und werden auch kontrolliert. Wie genau diese Kontrollen sind, weiss ich nicht. In Lagos wurden auf alle Fälle auch Computer Schweizer Herkunft gefunden.
Eine Container-Ladung Computer wurde auseinandergebaut im Ibru Warehouse in der Nähe des Hafens von Lagos, Nigeria. Elektroschrott am Strassenrand beim Alaba-Markt in Lagos. Der Müll wird routinemässig hier verbrannt. Kinder stehen vor schwelendem Elektromüll ausserhalb des AlabaMarkts von Lagos. Beim Verbrennen werden verschiedenste giftige Substanzen freigesetzt. Diese Kinder leben neben der Müllhalde. Bilder: © Basel Action Network 2005
GIFTSTOFF-TERRORISMUS Für Oblade Osibanjo, Chemieprofessor und Regionaldirektor des nigerianischen «Basel Convention Koordinationszentrum», ist es ganz einfach «Giftstoff-Terrorismus», was der Westen da macht. Und auch Ovie Oghenekekaro, Manager eines der Warenlager in der Nähe des Containerhafens in Lagos, wo sich Berge dieses Giftmülls stapeln, sagt: «Die entwickelte Welt sollte uns nicht als Müllhalde ansehen.» Das Problem der Müllhalde wäre im Übrigen auch nicht gelöst, wenn all die Tonnen an Elektrogeräten noch ein paar Jahre funktionstüchtig wären. Irgendwann gehen sie alle kaputt. Und dann? Mit den alten Geräten müsste zumindest auch die Entsorgungstechnologie mitgeliefert werden. Das einzige Angebrachte wäre allerdings, dass die Recycling-Firmen aus dem Norden die exportierten Geräte, sobald sie unbrauchbar sind, zurücknähmen. Für tatsächlich nachhaltige Lösungen gilt es aber an viel früheren Stellen anzusetzen: Giftige Stoffe wie Schwermetalle gehören gar nicht in einen Computer. Teilweise wären sie einfach zu ersetzen: Bleifreie Lötverfahren
zum Beispiel oder Leiterplatinen ohne bromierte Flammschutzmittel sind nämlich erhältlich. In der EU verlangt die RoHS-Richtlinie über die Beschränkung gefährlicher Substanz eine Reduktion giftiger Stoffe, wenn auch noch nicht sehr weit gehend. Einige Firmen* verpflichten sich selbstständig, auf giftige Stoffe so weit wie möglich zu verzichten. Was das im Detail heisst, ist allerdings von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Ausserdem gilt es, die Lebensdauer der Computer zu verlängern. Die kurzen Produktionszyklen, wo nach zwei bis drei Jahren die Rechner veraltet, wenn nicht gar schon defekt sind, sind nicht nur der Hauptgrund für die Berge an Elektroschrott, sondern bedeuten auch einen immensen Energieverbrauch. Verschlingt ein Computer doch bei der Herstellung das Zehnfache seines Gewichts an Chemikalien und fossilen Energieträgern. Eine Erhöhung der Lebensdauer von Computern bedeutet dabei einerseits, dass bei der Herstellung auf längeres Funktionieren geachtet wird, andererseits aber auch, dass neue Software so hergestellt wird, dass sie keine neue Hardware erfordert, sondern mit alten Geräten kompatibel ist.
POLITISCH KORREKTE COMPUTER? Wer sich nun einen fairen und grünen Computer anschaffen will, hat es schwierig. Verschiedene Öko-Labels wie der Blaue Engel oder TCO haben recht unterschiedliche Kriterien (einen Vergleich gibt es auf der Homepage der Silicon Valley Toxics Coalition www.svtc.org). Ausserdem verhalten sich viele der Unternehmen nur punktuell ökologisch und sozial (was auch zeigt, wie ernst es ihnen damit ist). So ist zum Beispiel Fujitsu-Siemens mit dem Blauen Engel ausgezeichnet und ein Partner von WWF Deutschland, weil sie weitgehend bleifreie Computer produzieren und in Deutschland ein eigenes Recyclingcenter führen, während sie auf obenstehender Liste von Greenpeace Südostasien betreffend der allgemeinen Reduktion giftiger Stoffe schlecht abschneiden. Also: Computer selber bauen.
*) Liste siehe: www.greenpeace.org/ seasia/en/campaigns/ toxics -campaign/ hi-tech-highly-toxic weitere Infos unter: www.ban.org www.computertakeback.com www.svtc.org Greenpeace-Magazin 4/05 Tages-Anzeiger vom 18.11.2005
> JANN KRÄTTLI <
INTERNATIONALISTISCHE megafon Nr. 292, Februar 2006
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OSAMU TEZUKA: ADOLF
DREIMAL ADOLF UND EIN GEHEIMDOKUMENT DEUTSCHLAND 1936. IN BERLIN FINDEN DIE
OLYMPISCHEN SPIELE STATT. MIT DABEI IST
AUCH DER JAPANISCHE JOURNALIST SOHEI TOGE.
EINES TAGES KRIEGT ER EINEN ANRUF VON SEINEM BRUDER ISAO, DER ALS AUSTAUSCHSTUDENT
IN BERLIN LEBT. ISAO BITTET SOHEI VERZWEIFELT UM EINEN BESUCH. DOCH ALS SOHEI VERSPÄTET EINTRIFFT, IST ISAO TOT.
Freund, ein jüdische Junge der ebenfalls Adolf heisst. Klar, dass die Nazis auch in Japan alles daran setzen, dieUnter seinen Nägeln finden sich ei- ses verhängnisvolle Dokument in die genartige Gipsspuren. Dieser Umstand Finger zu kriegen… erinnert Sohei an einen anderen Mord, der sich im gleichen Jahr in Japan erPLATTE BÖSEWICHTE eignete: Bei Kobe wurde eine junge Geisha tot aufgefunden; auch sie hatte «Adolf – Mord in Berlin» ist eine verSpuren von Gips unter ihren Fingernä- schachtelte Agentengeschichte, die algeln. Und es kommt noch schlimmer: les enthält, was zum Genre gehört: Angebliche Polizisten lassen erst Isaos Mord, Verrat, schöne Frauen, einsame Leiche verschwinden, dann gerät Sohei Landhäuser und tragisches Heldenins Visier von Nazi-Schergen. Er wird tum. Die Serie ist in Japan bereits vor überwacht und sogar gefoltert. über zwanzig Jahren erschienen. Im Schliesslich gibt der Journalist auf und vergangenen Herbst veröffentlichte nun reist zurück nach Japan. Carlsen den ersten Band auf Deutsch, Szenenwechsel. In Kobe ist sich der der zweite soll in Kürze folgen. mit dem Mordfall der Geisha betraute Altmeister Osamu Tezuka liess sich Polizist sicher, dass der Diplomat 1983 von einer Zeitungsmeldung über Kaufmann der Mörder. Dieser geniesst eine angebliche jüdische Abstammung allerdings diplomatische Immunität Hitlers zu der Serie inspirieren. Hauptund ist deshalb nicht angreifbar. rollen spielen die beiden Jungen Adolf, Langsam wird klar, dass beide Morde der Nazi-Sprössling und Halb-Japaner, im Zusammenhang mit einem mysteri- der seinen Vater hasst, sowie Adolfs ösen Dokument stehen, dass angeblich bester Freund Adolf Kamil, der einer Hitlers jüdische Abstammung belegen jüdischen Immigrantenfamilie entsoll. stammt. Laut dem Strapazin haben die Kaufmanns Sohn Adolf erfährt per beiden Figuren mit dem dritten Adolf in Zufall davon, ebenso sein bester der Geschichte – Adolf Hitler – einige
KULTUR ET ALL
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megafon Nr. 292, Februar 2006
charakterliche Gemeinsamkeiten: So soll sich Adolf Kaufmann im Verlauf der Story zu einem brutalen Nazi entwikkeln, während Adolf Kamils als Erwachsener im neu gegründeten Staat Israel schonungslos gegen Palästinenser vorgeht. Bei aller Spannung: Leider fallen die Bösewichte recht eindimensional aus, sie entsprechen allen Nazi-Klischees, ohne je Tiefe zu erreichen. Irritierend auch eine Szene im ersten Teil, als der ansonsten vernünftige Sohei eine Frau brutal misshandelt. Der 1989 mit 60 Jahren verstorbene Osamu Tezuka der sich mit Serien wie «Astro Boy» quasi unsterblich gemacht hat, gilt als einer der Urväter des japanischen Comics. Nicht von ungefähr trägt er in Japan den Ehrentitek «Gott der Manga». Sein Gesamtwerk umfasst über 80 000 Seiten oder 400 Taschenbücher,Osamu-Trickfilme könnten 60 Abende füllen. Für die Serie «Mitteilung an Adolf» erhielt er den Preis des renommierten Verlagshauses Kodansha. > CDK <
DIE ALLERLIEBSTEN PLATTEN VON TOMAZOBI The Beach Boys – Pet Sounds
Der Einstieg ins Brian Wilson-Universum. Das musikalische Genie, auf einem Ohr taub, schafft 1965 praktisch im Alleingang das vielleicht erste richtige Album der Pop-Geschichte. Die Jungs singen auf dem fertigen Album nur noch ein paar Chöre ein. Ohne Pet Sounds kein St. Pepper. Danach hätte «Smile» kommen sollen, doch Wilson ging kurz vor Fertigstellung lieber ein paar Jahre zu Bett und frönte dem Wahnsinn und allerhand Drogen. George Michael – Ladies & Gentlemen
Das Beste für die Füsse und das Herz. Die Doppel-CD, die auf der einen Seite tanzt und auf der anderen schmust. 29 perfekte Popsongs. «You Have Been Loved» muss an meiner Beerdigung gespielt werden. Nik Kershaw – 15 Minutes
Ja, auch diesen Namen wollen wir hier lesen! Das Konzept-Album über seine 1980erKarriere, das niemand kennt. Der talentierte ehemalige Fusion-Gitarrist schreibt schnufti Songs mit intelligenten Texten und die Band spielt einfach fantastisch. Die 1999 aufgenommene Scheibe ist aus einem Guss, nur der Wecker am Schluss nervt.
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KINO DACHSTOCK TOJO SOUS LE PONT GROSSE HALLE FRAUENRAUM
«Chue», das aktuelle Album von Tomazobi, kann unter www.tomazobi.ch bestellt werden. Live gibts Tomazobi am Samstag, 11. März 2006 im SousLePont (10 Jahre Radio RABE). Hilfreiche Links zum besseren Verständnis: www.tomazobi.ch, www.trummeronline.ch, www.dixie-dicks.com, www.sugarhornz.ch.
PROGRAMM
Denkste. Erstens kommts anders und zweitens als man… aber äbe. Na gut, der Maze spielt ja grad mit dem Trummer in Holland, der Tobi ist eine Dixie Dick-Rindshälfte und spielt mit Dean Moriarty rum, und der Obi, ähm, der ist sowie immer vielbeschäftigt. Ich bin übrigens das Tomazobüro, manchmal auch der Obi, öfter der Tobi, selten der Maze und meistens aber schon der Nick. Das Tomazobüro wurde ich, weil ich als einziger (ausser dem Tobi, aber der kann das 10-FinKlar, machen wir doch, Nick! Für das Februar-megafon? Shit, kein Problem! Wenns ger-System nicht) pünktlich bin und mich an schon um Musik und sogar um die Lieblings- abgemachte Sachen erinnern kann. Womit mir ein wunderbarer Übergang zurück musik – ja, gar um die besten, liebsten und zum eigentlichen Thema beziehungsweise am-meisten-ans-Herz-gewachsenen Platten Problem gelingt: Dass die Tomazojungs wie geht: Sowieso! Wir werden erzählen, wie nach dem siebenhundertdreiundsechzigsten versprochen Kurztexte über ihre Lieblingsplatten mailen würden, konnte man eigentAnhören von «Apache Rose Peacock» man lich von vornherein vergessen, und weil vordie «Blood, Sugar, Sex, Magik»-Platte als Sonnenbrille brauchen konnte, weil die Vinyl- gestern schon Redaktionschluss gewesen ist, langts natürlich eh nicht mehr für ein schicht schon so dünn war. Wir würden uns stundenlang streiten können, ob wir «Revol- Treffen um gemeinsam unsere Lieblingsplatver», «Rubber Soul», das weisse Album oder ten zu besprechen. Wir hätten uns ja auch doch «Abbey Road» ins Blatt jassen. Wir hät- nur die Gringe eingeschlagen und ewig für eine Liste von mindestens 67 Scheiben geten bestimmt auch ein paar Lieblings-Alben habt, die u-n-b-e-d-i-n-g-t reinmüssten: aus der Schweiz gefunden; über «BümplizCasablanca», das gelbe Album oder «Aloha» Me’Shell, Jimi oder D’Angelo von Maze, Earth, Wind & Matter von Tobi, Kilometer Dähätten wir diskutiert und am Schluss bevu oder Hans Kaltzug von Obi. Die Jungs hätschlossen, dass wir vielleicht doch lieber dem Nachwuchs eine Chance geben und der ten nur ihre allercoolsten Platten drinhaben geneigten LeserInnenschaft zum Beispiel Ba- wollen. Aber das haben sie jetzt wiedermal gatello, eine junge, lustige Sängertruppe aus vernüsselt und das Tomazobüro stellt drum unserer Heimat, vorstellen würden. Die pro- dafür drei Platten von extra uncoolen Künstfitierten bestimmt davon und könnten schon lern vor. bald darauf mal im Bierhübeli spielen. Tobi, Maze und Obi sind Tomazobi, die schnucklig-wüsten Beastie Boys der Berner Troubadours. Nick Werren, aka das Tomazobüro, ist das vierte Mitglied von Tomazobi. Er hat Nerven aus Stahl und die Geduld eines Engels. Wann immer Tomazobi was versiffen (und das ist oft), hält er den Kopf hin. Er hält auch die Hand hin, aber nur wenn es Gage gibt.
KULTUR ET ALL megafon Nr. 292, Februar 2006
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KINO
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WESH WESH
PATRIC JEAN, BELGIEN, FRANKREICH 2003
LA RAISON DU PLUS FORT
DONNERSTAG, 9. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 10. FEBRUAR, 21.00 UHR SAMSTAG, 11. FEBRUAR, 21.00 UHR
MATHIEU KASSOVITZ, FRANKREICH 1995
LA HAINE
SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 21.00 UHR
RABAH AMEUR ZAÏMECHE, FRANKREICH 2001
WESH WESH (WAS GEHT DENN HIER AB?)
DONNERSTAG, 2. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 3. FEBRUAR, 21.00 UHR
Nachdem er die doppelte Strafe von Gefängnis und Ausweisung verbüsst hat, kehrt Kamel heimlich nach Frankreich zurück, nach Les Bosquets, der Trabantenstadt bei Paris, in der seine Familie neben Tausenden anderen afroarabischen Einwanderern lebt. Von diesem Moment an bemüht er sich nach Kräften, Ordnung in sein Leben zu bringen. Als all seine Versuche, Arbeit zu finden und Papiere zu bekommen, ergebnislos bleiben, beschließt er, sein Pech geduldig zu ertragen. Währenddessen bringt sein jüngerer Bruder Mousse, der Haschisch schmuggelt, die Familie in Gefahr. Ameur Zaïmeche ist selbst aufgewachsen in Les Bosquets und erzählt seine Geschichten mit der Autorität des Chronisten. Ein ebenso einfühlsam wie realitätsnah inszeniertes Einwandererdrama-Kinodebüt.
RABAH AMEUR ZAÏMECHE, FRANKREICH 2001, 83 MIN., 35MM, OV/D, FIC.
WESH WESH (QU´EST-CE QUI SE PASSE?)
DONNERSTAG, 2. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 3. FEBRUAR, 21.00 UHR
«Wesh Wesh – Was geht denn hier ab?» und «La Raison du plus fort» sind zwei neue Filme über die Banlieues, die einmal als Fiktion und einmal als Dokumentation heraus kristallisieren möchten, welches die Gründe sind für den Zorn, die Verzweiflung und die gewaltige Kraft von Menschen, die in unserer Gesellschaft immer mehr ausgegrenzt werden.
WUT UND VERZWEIFLUNG DER AUSGEGRENZTEN √ FEUER IN DEN FRANZÖSISCHEN BANLIEUES
megafon nr. 292
PROGRAMM
Der Regisseur Mathieu Kassovitz zeigt in La Haine 24 Stunden aus dem Leben dreier junger Männer aus der «Cité», einer trostlosen Betontrabantenstadt an der Peripherie von Paris. Hier konzentrieren sich sozial schwache Gruppen, die wegen der niederen Mieten in diese Wohnghettos abgedrängt wurden: Arbeiter, Kinderreiche, Immigranten, Araber, Farbige. Die Bilder, in schwarz-weiß aufgenommen, machen die grauen Vorstädte in der Pariser Umgebung noch beklemmender. Das hoffnungslose Klima dieser Grossstadtghettos ist oftmals der Nährboden für Hass und Gewalt vor allem unter Jugendlichen. Der Spielfilm nähert sich dem Thema, ohne die handelnden Jugendlichen und deren Gewaltbereitschaft anzuklagen. Die Kritik richtet sich vielmehr an die französische Politik, die derartige Verhältnisse überhaupt hat aufkommen lassen.
MATHIEU KASSOVITZ, FRANKREICH 1995, 96 MIN., 35MM, OV/D, FIC.
LA HAINE
SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 21.00 UHR
LA HAINE
Der Film ist eine kritische Überlegung über die neuen Formen von Diskriminierung in der heutigen Gesellschaft. Im Laufe einer Reise von Belgien über Amiens und Lyon nach Marseille sammelt Patric Jean die Zeugnisse der BewohnerInnen von Vorstadtvierteln am Rande der grossen Industriestädte. Dabei stellt der Regisseur fest, dass der Wegzug der am stärksten benachteiligten Bevölkerungsschichten in die Satellitenstädte zu einer neuen Form von ökonomischer und sozialer Segregation geführt hat, die den Graben zwischen der Peripherie und dem Zentrum der modernen Stadt vertieft. Die Bevölkerung der Vorstädte berichtet von den Alltagsschwierigkeiten, die aus der Arbeitslosigkeit, der Armut und dem versperrten Zugang zu einer höheren Bildung entstehen. In den meisten Fällen sind es ImmigrantInnen oder Franzosen maghrebinischer Herkunft, welche die Vorurteile oder Xenophobie ihnen gegenüber anprangern.
PATRIC JEAN, BELGIEN/FRANKREICH 2003, 85 MIN., BETA SP, OV/E, DOC
LA RAISON DU PLUS FORT
DONNERSTAG, 9. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 10. FEBRUAR, 21.00 UHR SAMSTAG, 11. FEBRUAR, 21.00 UHR
RICHARD LESTER, GROSSBRITANNIEN 1964
A HARD DAY'S NIGHT
SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 21.00 UHR
ROBERT FRANK / RUDY WURLITZER, CH/F/CAN 1987
CANDY MOUNTAIN
DONNERSTAG 23. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 24. FEBRUAR, 21.00 UHR
RICHARD LESTER, GROSSBRITANNIEN 1964
A HARD DAY'S NIGHT
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 21.00 UHR
NICOLAS HUMBERT UND WERNER PENZEL, MUSIK FRED FRITH, CH/D 1989
STEP ACROSS THE BORDER
DONNERSTAG, 16. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 17. FEBRUAR, 21.00 UHR
CANDY MOUNTAIN
Hans Magnus Enzensberger 1957
lass mich heut nacht in der gitarre schlafen in der verwundeten gitarre der nacht lass mich ruhn im zerbrochenen holz lass meine hände schlafen auf ihren saiten meine verwundeten hände lass schlafen das süsse holz lass meine saiten lass die nacht auf den vergessenen griffen ruhn meine zerbrochenen hände lass schlafen auf den süssen saiten im verwundeten holz
SCHLÄFERUNG
∫VON STROM- UND ANDEREN GITARREN!ª
Zwei Jahre lang haben sich die Filmemacher aus Deutschland und der Schweiz dem britischen Musiker Fred Frith
NICOLAS HUMBERT UND WERNER PENZEL, MUSIK FRED FRITH. CH/D 1989, 87 MIN., 35MM, OV/DF
STEP ACROSS THE BORDER
DONNERSTAG, 16. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 17. FEBRUAR, 21.00 UHR
Mit A Hard Day's Night brachten die Beatles zum erste Mal einen anarchischen Rock'n'Rock-Spirit ins Kino. Der Film vergnügt chaotisch und unverschämt stylish, fängt nicht nur die frühe Aufregung um den Superstar-Status der Band ein, sondern auch den manischen Charme von vier jungen Männern, die ausserhalb aller Regeln in einer Welt lebten, die für sie noch nicht bereit war. Der Film porträtiert sowohl den Wahnsinn und die Leidenschaft als auch die komische Absurdität des Rock'n'Roll-Lifestyles. Durchgedreht und seiner Zeit weit voraus ist A Hard Day's Night auch über drei Jahrzehnte nach dem Höhepunkt der Beatlemania unverändert frech und witzig. Mit A Hard Day's Night katapultierte sich Richard Lester in den Olymp der einflussreichsten Regisseure seiner Generation. Der innovative Stil, den er entwickelte, bildete einen wesentlichen Bestandteil der Filmsprache des Rock 'n'Roll-Films und seines Nachkommen, des Musikvideos.
RICHARD LESTER, GROSSBRITANNIEN 1964, 87 MIN., 35MM, OV/DT
A HARD DAY'S NIGHT
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 21.00 UHR SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 21.00 UHR
Die Kuratoren der seit Oktober 2005 im Museum für Kommunikation in Bern zu sehenden Ausstellung «Stromgitarren – Legenden. Lärm. Leidenschaft» setzen ihre Schwerpunkte einerseits bei der Sozial- und Kulturgeschichte der elektrischen Gitarre an. Stromgitarrenmusik ist Opposition, drückt Zusammengehörigkeit und Lebensgefühl aus und wurde seinerzeit zum Symbol des jugendlichen Protestes gegen die Welt der Erwachsenen. Wir denken, Opposition und Zusammengehörigkeitsgefühl sind auch Stärken des Reitschulkinos und zeigen deshalb im Rahmen dieser Ausstellung drei emotionale und sinnliche Filme zum Gitarrenkult.
Julius, ein erfolgloser Musiker, schlägt sich mit Jobs durchs Leben, bis er zufällig von Elmar Silk erfährt, einem sagenumwobenen Gitarrenbauer, der irgendwo in Kanada untergetaucht ist. Julius begibt sich auf die Suche nach Elmar und seinen Gitarren, von denen jede 20 000 Dollar wert sein soll. Er folgt den Spuren, die der berühmte Gitarrenbauer auf seiner Odyssee hinterlassen hat, wie dessen Beziehungen zur Familie und zu Geliebten. Robert Frank mag seinen Film heute nicht mehr: «Ich hatte keine Freiheit, und ich war nicht stark genug» – sich der Maschinerie der grossen Produktion zu widersetzen. Und doch besticht auch Candy Mountain wie alle Filme von Robert Frank durch eine beispiellose Komposition der Bilder und eine dem Leben eigene Komik. (Xenix Zürich)
ROBERT FRANK / RUDY WURLITZER, CH/F/CAN 1987, 91 MIN., 35MM, E/D
CANDY MOUNTAIN
DONNERSTAG 23. FEBRUAR, 21.00 UHR FREITAG, 24. FEBRUAR, 21.00 UHR
an die Fersen geheftet und sich von ihm inspirieren lassen, Musikmachen als direkten Austausch mit der Welt zu begreifen. Entstanden ist eine Celluloid-Improvisation über das Allround-Talent Frith, der als Komponist, Songwriter und Instrumentalist international bekannt und gefragt ist. Hier treffen sich zwei künstlerische Ausdrucksformen: improvisierte Musik und Cinéma direct. Die Regisseure übernehmen Friths musikalische Haltung und machen sie zum Formprinzip des Films. Aus der Wirklichkeit werden einzelne Elemente herausgenommen und spielerisch nach assoziativen Mustern neu komponiert. Konzertmitschnitte, Interviews in heruntergekommenen Hotelzimmern und Kamerafahrten durch die Metropolen New York und Tokio vermischen sich zu einer beeindruckenden Klangreise. Musik und Bild sind eigenständig, keines unterwirft sich dem anderen und doch ergeben sich Korrespondenzen, die mal komisch-absurd, mal einfach schön sind, wie die windbewegten Felder, die einen magischen Augenblick lang im Rhythmus von Friths eigenwilligen Improvisationen schwingen. Der Film schafft das, was sich der darin beobachtete Fred Frith zum Ziel gesetzt hat: Er überquert Grenzen der alltäglichen Wahrnehmung – seien es Töne, seien es Bilder – und erzeugt Unerwartetes.
DACHSTOCK
SAMSTAG, 4. MÄRZ – THE NIGHT OF ALLEINUNTERHALTER SONNTAG, 5. MÄRZ – LSD MARCH (JAP) FREITAG 10. & SAMSTAG 11. MÄRZ – RABE-FEST (PROGRAMM T.B.A.) SONNTAG, 12. MÄRZ – SKALARIAK (F/E) SAMSTAG, 18. MÄRZ – DACHSTOCK DARKSIDE SONNTAG, 19. MÄRZ – MARBLE SHEEP (JAP), DRIVE BY SHOOTING (D) & RED SPAROWES (USA) SAMSTAG, 25. MÄRZ – ALICE RUSSEL (UK)
VORSCHAU MÄRZ APRIL:
BREAKESTRA ( U S A )
SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 22.00 UHR
DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS: UNIVERSAL PROJECT NIGHT (VIRUS, RENEGADE HARDWARE, OUTBREAK, UNIVERSAL PROJECT/UK)
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 22.00 UHR
REVEREND LIGHTNIN' BEATMAN & THE CHURCH OF HERPES ( B E ) √ PLATTENTAUFE
FREITAG, 17. FEBRUAR, 22.00 UHR
CAVE IN / PELICAN ( U S A )
DIENSTAG, 14. FEBRUAR, 21.00 UHR
STEADY BEAT SERVICES PRESENT: SKALADDIN ( C H ) √ PLATTENTAUFE
SAMSTAG, 11. FEBRUAR, 22.00 UHR
THE EX ( N L )
FREITAG, 10. FEBRUAR, 22.00 UHR
RASHANIM ( T Z A D I K / U S A )
SONNTAG, 5. FEBRUAR, 21.00 UHR
NORTHERN SOUL √ VOL. IV FEAT. ANDY SMITH (PORTISHEAD/ UK) & HENRY STORCH (D)
SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 22.00 UHR
megafon nr. 292
PROGRAMM
(TZADIK/USA)
Die Gründung seines Trios Rashanim markierte für den jungen Jon Madof die Abkehr vom reinen Gitarrensound, ohne Effekte direkt vom Verstärker kommend, wie das im straighten Jazz üblich ist. Als Sohn eines Folk-Gitarristen ausserhalb von Philadelphia geboren, durchlief er eine Hardcore-Punk und eine Rock-Phase, bevor er sich dem traditionellen Jazz zuwandte. Inzwischen in New York ansässig, kam er in der dortigen Downtown-Szene, speziell in der Knitting Factory, mit einer Auffassung von Jazz in Berührung, welche die Erweiterung der Ausdruckspalette seines Instruments um Verzerrungen und Effekte nicht nur zuliess, sondern zum Teil der Philosophie machte. Gleichzeitig seine Wurzeln im Judentum wiederentdeckend, war die Gründung von Rashanim nichts als die konsequente Folge: Die Verbindung von Klezmer und Balkan-Folklore mit Jazz, Rock, und Hardcore-Elementen, umgesetzt in einem Power-Trio mit Gitarre, Bass und Schlagzeug, brachte das Projekt zur Aufmerksamkeit von John Zorn, der das Debut der Band auf dem Tzadik-Unterlabel «Radical Jewish Culture» veröffentlichte. Anlässlich des zehnjährigen Bestehens von Zorns Masada-Projekt, mit einem Festival und einer Spezial-Edition auf seinem Label begangen, wurden sie mit der Umsetzung einer Reihe von Masada-Kompositionen betraut, welche als «Masada Rock» veröffentlicht wurden. Darin finden sich die für Zorns Musik typischen Ingredienzen, der es liebt, mit den verschiedensten Idiomen aus Klezmer, Jazz, Surf Rock'n'Roll, Hardcore, Death Metal und Soundtrackmusik zu jonglieren, in den eigenständigen Arrangements Madofs wieder. Das Resultat ist ein Feuerwerk an Ideen und Impulsen, vielschichtig und variationenreich, welches
RASHANIM
SONNTAG, 5. FEBRUAR, 21.00 UHR
NORTHERN SOUL √ VOL. IV FEAT. ANDY SMITH ( P O R T I S H E A D / U K ) & HENRY STORCH ( D )
SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 22.00 UHR
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( C H ) – P L AT T E N TA U F E
(USA) Zwei Bands aus dem Umfeld des Isis-Labels Hydrahead, die dem Post-Hardcore huldigen. Die Instrumentalband Pelican mit episch-schwülstigem, bombastischem Riff-
CAVE IN / PELICAN
DIENSTAG, 14. FEBRUAR, 21.00 UHR
Dass Punk zum massentauglichen Phänomen wurde, ist längst klar geworden, und so erstaunt es auch nicht, dass die Ska-Punk-Band Skaladdin aus Bern, die immerhin schon das Gurtenfestival eröffnet hat, und auch bei der Einweihung des neugestalteten Bundesplatzes zu Bern vor grösserem Publikum aufgespielt hat, sich ihrer Wurzeln besinnt, und ihr drittes Album im kleineren Rahmen taufen will: Ihr an die Mighty Mighty Bosstones, Dr. Ring Ding & the Senior Allstars, King Django, aber auch an nicht dem Ska-Genre zuzurechnenden Grössen wie Living Colour, Sick Of It All, Rancid und Destiny's Child orientierter Sound, der Einflüsse von Hardcore bis Jazz beinhaltet, gehört halt auch in die Clubs, weshalb sie die Taufe ihres dritten Albums bei uns im Dachstock stattfinden lassen werden. Put on your Dancing Shoes!
SKALADDIN
STEADY BEAT SERVICES PRESENT:
SAMSTAG, 11. FEBRUAR, 22.00 UHR
während der 1980er-Jahre seine Blütezeit erlebt hat, und heute fast unbemerkt noch immer besteht: Sind einige der Ur-Punks mittlerweile in schicken Galerien gelandet, haben die Mitglieder von The Ex den Weg vorgezogen, ihrem politischen Leben die Musik zum Ausdruck zu machen, immer wieder in Austausch zu treten mit anderen Kulturen, ihre Sprache erweiternd, oft in improvisierenden Zusammenhängen arbeitend. Zu ihren unzähligen Verbündeten gehören NoMeansNo, Zu, Han Bennink, Iva Bittova – ihr letztes Konzert im Dachstock fand mit dem inzwischen verstorbenen Cellisten Tom Cora statt, und gehört wohl zu den historischen des Ortes. Dass wir sie auf einer der seltenen Touren als The Ex wieder zu Gast haben dürfen, ist uns eine Ehre.
CAVE IN
Das Projekt von DJs und Produzenten um Keaton, Ruxpin, Scandal und Devy hat mit «Vessel» (Virus, 2002) für das Label von Ed Rush und Optical zum ersten Mal auf sich aufmerksam gemacht, und sich zum Ziel gesetzt, dass ihre Produktionen in den Setlists möglichst aller DJs von Adam F bis Zinc auftauchen, und dass sie selbst als DJs jede Woche ihre Auftritte erhalten. Nicht ausschliesslich auf der düsteren Seite anzusiedeln, ihren Output mit Einflüssen aus Techno, Grime, Ragga und Jungle würzend, setzt sich die Dachstock Darkside ein, damit ihre DJ-Aktivitäten auch diese Woche beansprucht werden: Ganz zur Freude des Publikums an ihrem Auftritt.
(VIRUS, RENEGADE HARDWARE, OUTBREAK, UNIVERSAL PROJECT/UK)
UNIVERSAL PROJECT NIGHT
DACHSTOCK DARKSIDE PRESENTS:
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 22.00 UHR
von einem entsprechenden Plattengelage begleitet wird. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen.
BREAKESTRA
REVEREND LIGHTNIN' BEATMAN & THE CHURCH OF HERPES
PELICAN
THE EX
(NL)
Als Anarcho-Punkband in Amsterdam 1979 begonnen, könnte das Projekt von The Ex kaum eine bewegtere Geschichte vorweisen. Anfänglich die Musik in den Dienst der Übermittlung der Botschaften stellend, standen ihre Aktivitäten im Zeichen der Squatter-Bewegung, der D.I.Y.Ideologie, ihre Veröffentlichungen begleitend mit selbstgedruckten Pamphleten, die Band mit Graffitis bekannt machend. Ein Perkussionsteppich, der ebenso von der afrikanischen Stammeskultur her kommen könnte, wie er in der Grossstadt verwurzelt ist, überlegt mit rhythmusbetont gespielten, dissonanten Gitarren, und der wütenden, oft sarkastische Texte übermittelnden, mit Vorliebe über ein Megafon verstärkten Stimme sind das Markenzeichen. Einen Nerv treffend mit ihrer Aggressivität, dabei immer dem Aufbau verbunden, sind sie mit verantwortlich für das Entstehen eines Netzwerks, welches musikalische und politische Inhalte verbindet und vermittelt, mit dem entstehen einer Unzahl unabhängiger Bands und Labels
THE EX
FREITAG, 10. FEBRUAR, 22.00 UHR
den einzelnen Musikern, Shanir Ezra Blumenkranz am Bass und Mathias Künzli am Schlagzeug, genug Raum bietet, innerhalb der Kompositionen mit Improvisationen auch ihre eigene musikalische Persönlichkeit zu entfalten. Das dichte Zusammenspiel der drei nimmt mit auf eine Achterbahnfahrt durch Stile und Stimmungen, auf welcher die nächsten Kurven ständig neu erfunden werden, ohne dass das zu Holpern oder Entgleisungen führen würde.
Es muss schon wuchtig daherkommen, wenn sich Berns Industrial-Bösewichte Herpes ö DeLuxe und der Rock'n'Roll-Prediger Lightnin' Beatman zusammentun, der Welt einen neuen Gospel vorzusetzen. Die Synthese der rockenden und rollenden Rythmen mit dem das Nervengewand angreifendem Industrial-Lärm wurde schon zelebriert, aber die Frische, mit der hier Ur-Ahnen wie Suicide, Can und Billy Graham gehuldigt wird, sucht doch schon seinesgleichen in unserer Zeit. Das ist herzzerreissende Musik für Leute, die den Blues haben und noch schlechter draufkommen wollen; das sind Klänge, die Menschen auf die falsche Fährte führen können; das sind höchst genussvolle, abgrundtief irreführende Abwege, welche zu begehen zartbesaiteten Wesen zutiefst abgeraten wird. – Es versteht sich von selbst, dass der Anlass
– P L AT T E N TA U F E
REVEREND LIGHTNIN' BEATMAN & THE CHURCH OF HERPES ( B E )
FREITAG, 17. FEBRUAR, 22.00 UHR
Getürme, welches auch schon von Godflesh-/Jesu-Kopf Justin Broadrick remixed wurde, und mit welchem sie später im Jahr als Support der japanischen Band Mono durch die Staaten touren werden, nachdem sie schon eine Split-12” mit ihnen herausgebracht haben. Cave In kommen von Math-Rock beeinflusstem Metal her, und sind seit ihrem Deal mit RCA/BMG auf eine zugängliche Version von Spacerock eineschwenkt.
(USA)
Moment mal. Break: Dieser Zehn-Sekunden-Augenblick, wenn in den Funk-Stücken die Magie der Perkussion aufscheint. Die Momente, welche den Hip-Hop-DJs der 1970er-Jahre, geloopt, ihren Stoff lieferten. Arkestra: Das Konzept eines Symphonieorchesters des ausserweltlichen Funk-Jazzers Sun Ra. Breakestra. Das Konzept einer Band, die im Geist von L.A. nach den Rassen-Riots '92 entstand, als sich Musiker verschiedenster Ethnien und Stilrichtungen zusammentaten, um zu jammen, als Fusionen wie von Hip Hop, Soul, Funk, Rock und Jazz der musikalischen Landschaft einen Nährboden abgaben. «What's the three first letters of Funk?» – Das Vergnügen, ihre Musik zu spielen, hat die achtköpfige Schar um den Bassisten Miles Tackett versammelt, den Hip Hopper, der das Gefühl hatte, dass es eine Freude sein müsste, die alten Stücke, die als Samplingquelle für so viele Nummern dienten, im Original nachzuspielen. Als Hausband eines «Break» benannten Clubs beginnend, hat sich das Orchester mittlerweile mit den Interpretationen von Funk-Klassikern von James Brown bis Jimmy Smith an nach dessem Stück «Root Down» benannten Donnerstagabenden einen Namen erspielt, dass es als Support von Acts wie De La Soul auftritt, mit Mitmusikern wie mit Black Eyed Peas, Macy Gray und The Rebirth zusammengearbeitet hat, mit Jurassic 5, Dilated Peoples, Freestyle Fellowship, CrownCity Rockers, Visionaries, Cut Chemist, Nu-Mark and DJ Shadow auftritt.
BREAKESTRA
SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 22.00 UHR
TOJO
SINGLE BELLES ∫GALAª
VARIÉTÉ PUR! GÄSTE & DIE LUDI-CREW.
LUSTIGER DIENSTAG 19
DIENSTAG, 28. FEBRUAR, 20.30 UHR
THEATER PANPAZ ∫DIE PHYSIKSTUNDE !ª
MITTWOCH, 22. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 24. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 20.30 UHR
TANZGRUPPE SEPT ELLES ∫NEBENANª
DONNERSTAG, 16. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 17. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 20.30 UHR SONNTAG, 19. FEBRUAR, 19.00 UHR
REGIE: DORAINE GREEN
SINGLE BELLES ∫GALAª
MITTWOCH, 1. FEBRUAR, 20.30 UHR DONNERSTAG, 2. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 3. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 20.30 UHR SONNTAG, 5. FEBRUAR, 20.30 UHR
megafon nr. 292
PROGRAMM
BRIGITTE FREY: Erblickt 1962 mit einer Zwillingsschwester das Licht der Welt und wächst in einer musikalischen Familie auf. Wird 1970 von Roland Jeanneret ins Schweizer Farbfernsehen eingeladen, um ein Lied vorzutragen, und geht nicht hin, was sie sich bis heute vorwirft! Lernt auf Anraten ihrer Eltern zuerst einen sinnvollen Beruf, bevor sie sich ab 1973 dem Showbusiness zuwendet und sich zur Sängerin und Schauspielerin ausbilden lässt. Ist danach in der freien Theater- und Musikszene tätig und 1995 Mitbegründerin der Single Belles, mit welchen sie fortan viel Zeit verbringt.
Die Single Belles feiern heuer ihr zehnjähriges Bestehen. Nach dem einzigartigen A-Cappella-Programm «Gesang für Unbekehrte», der Trash-Show «Hollywood von hinten», dem Feldzug für problemloses Leiden «Wir leiden mit», und den drei theatralischen Soli «40Plus», folgt nun das ultimative Galaprogramm: «Gala». Garantiert kein Käse. www.singlebelles.ch
Kennst Du Kuschelhormone? Worauf wartest Du dann? Komm, schau, hör und staune! A-cappella suprême. Gala – ein kulturelles Engagement der Single Belles.
«Für mich ist die Situation auf der Tanzfläche in einer Disco immer rätselhaft gewesen. Wieso geben sich Menschen dieser Reizüberflutung hin? Was passiert mit ihnen, welche Hoffnungen werden erfüllt, und welche Enttäu-
Eine House-Party findet statt. Die Musik ist laut, der Bass dröhnt. Der Geruch von Zigaretten liegt schwer in der Luft, und das Licht spielt mit den aufwärtssteigenden Rauchschwaden. Die Anwesenden sind ausgelassen und bewegen sich zum Takt der Musik. Hin und wieder ziehen sich einige der Tanzenden in einen Nebenraum zurück und weichen so der Partyatmosphäre für einige Momente aus. Denn im Nebenraum ist es ruhig. In dem einen Raum findet also eine starke Überreizung der Sinne statt, in dem anderen herrscht völlige Stille. Und inmitten dieser Stille kommen ganz unterschiedliche, freigewordene Träume und Wünsche der anwesenden Menschen zum Ausdruck – hervorgerufen durch den Kontrast des Lärmpegels zum einen und die sich voneinander stark unterscheidende Atmosphäre der beiden Räume zum anderen. Die Dynamik der Menschen untereinander in dem von Lärm erfüllten Partyraum unterscheidet sich stark von derjenigen im lautlosen Nebenraum. Szenerie des Stücks ist der Raum «nebenan», und die inneren Verfassungen der Menschen dort sind Gegenstand der Choreografie.
CHOREOGRAFIE: MICHAEL SCHULZ. TANZ: FRANZISKA BROCKDORFF, SANDRA HAAS, ANNA-JANE NOBS, GERALDINE SPIELMANN, YASUKO WIGGER, ELIANE ZBINDEN, ANNA ZINKE. KOSTÜM: INGE GILL KLOSSNER. SOUND: JAN GALEGA. DIAS: URSULA GERTSCH. LICHT: JULIA KAZIS. PRODUKTION: MONIKA MANGER
REGIE: DORAINE GREEN
Drei Damen geben Auskunft über Liebe, Lust und Laster, dank der Regie von Doraine Green, mit dem Text von Arne Nannestad und Ton für Ton arrangiert von Brigitte Frey. Ins Bild gesetzt von Daniel Rihs, grafisch bearbeitet von Greg Nielsen und technisch begleitet von Lola. Von Brigitte Frey, Marie-Louise Grunder, Irina Schönen einzigartig schön gespielt und a-cappella gesungen.
∫NEBENANª
TANZGRUPPE SEPT ELLES
DONNERSTAG, 16. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 17. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 20.30 UHR SONNTAG, 19. FEBRUAR, 19.00 UHR
SINGLE BELLES ∫GALAª
MITTWOCH, 1. FEBRUAR, 20.30 UHR DONNERSTAG, 2. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 3. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 4. FEBRUAR, 20.30 UHR SONNTAG, 5. FEBRUAR, 20.30 UHR
12345678
∫DIE PHYSIKSTUNDE !ª
Reservation: Boogie Secondhand 031 311 94 04
Seit seinem Bestehen ist Theater PanPaz immer der Mechanik, den Dei ex Machina und der Erfindung des Rades verpflichtet. In «Die Physikstunde !» kommt die Erklärung von Ursache und Wirkung hinzu. Die Auseinandersetzung mit dem Verhalten der Körper. Ein Spiel um die Verwandtschaft der Sätze der Physik mit der Mechanik unserer Gefühle. Eine Lehrstunde des Herzens und der Wirkungsgesetze von Optik, Akustik, Haptik, ungeahnten Anziehungskräften und deren Relativität.
Wenn sich im unermesslichen Universum Herzensangelegenheiten mit Lichtgeschwindigkeit vollziehen, sich im heissen Wasser des Putzeimers die kühle Milchstrasse spiegelt, die weisse Kreide auf der schwarzen Tafel leuchtet, könnte man von der Annahme ausgehen: Alles ist relativ.
Die Sonne geht unter. Der grosse Schatten, den wir Nacht nennen, breitet sich über der Stadt aus. Die Tiefe des Raumes ist unermesslich. Noch. Aber bald wird sich vieles ändern. Zuhause auf dem Sofa betrachtet Einstein eine Fliege, die an der Decke herumspaziert. Alle Körper streben zur Erde. Ziegel fallen vom Dach, Äpfel nicht weit vom Stamm, der Mensch will nach getaner Arbeit liegen um endlich in einem Loch hinter der Kirche zu landen.
LUSTIGER DIENSTAG
∫NEBENANª, SEPT ELLES
MARIE-LOUISE GRUNDER: Kommt im Sommer 1964 als vermeintlicher Gallenstein auf die Welt. Übt bereits mit vier Jahren mittags Bodenballett auf braunem Wohnzimmerteppich zu Schweizer Radio DRS 2. Gewinnt mit zehn Jahren den ersten Preis im Concours Eurovision der Primarschule Hettiswil. Erstes ausgesprochenes Berufsziel Opernsängerin und Clown. Hierfür fehlt in der Familie leider jegliche Tradition und bei einem meisterhaft Witze erzählenden und freizeitjodelnden Vater das entsprechende Musikgehör. Vorerst erlernt sie deshalb einen normalen Beruf. Anschliessend Ausbildung in Schauspiel und Gesang und ab 1987 in der Freien Theaterszene tätig. 1995 Mitbegründerin der Single Belles.
IRINA SCHÖNEN: 1960 in Mannheim geboren. Auslandjahr in England, Schauspiel Akademie in Zürich. Dann auf der freien Wildbahn zwischen Bremgarten, Basel und Zürich und gefilmt in der Toscana. Auf ruhigeren Bahnen im dreijährigen Engagement am Tübinger Zimmertheater. 1988 kommt die Rückkehr nach Zürich und ihr Sohn zur Welt. Rückkehr auch ins freie Schauspielerinnen-Dasein; von Aarau, Luzern über Leutschenbach, Schwamendingen bis Hannover auf Bühnen, vor Kameras und Mikrofonen in und um Zürich. Landet kurz vor Ende des letzten Jahrhunderts bei den Single Belles in Bern. Endlich erfüllt sich ihr lang gehegter Wunsch. Sie singt.
Nach der Schule, im Schwimmbad, sieht Einstein Lea wieder. In ihrem gelben Badeanzug. Konvexe und konkave Krümmungen. Die aufgewühlte Wasseroberfläche reflektiert das Sonnenlicht. Rotes Licht pulsiert hinter seinen Lidern. Bewegung, Masse, Anziehung. Einstein stopft seine Tabakspfeife und zündet sie an. Die warmen Rundungen fühlen sich gut an. Aber die gekrümmten Daten lassen ihm keine Ruhe. Einstein übt Kopfstand. Über die Brücke fährt ein Tram, die Räder nach oben, darüber wölbt sich der Brückenbogen und zuoberst fliesst das Wasser.
Lehrer Zweifel versucht geduldig, dem jungen Einstein die Grundlagen der Physik beizubringen. Lea, seine Frau, die während des Unterrichts sauber macht, bringt unbeabsichtigt einige Dinge in Gang, die nicht nur die Physik betreffen. Gedanken sinken vom Gehirn zum Bauch, dem Organ für Nahrung und Neigung.
IDEE / BUCH: LUCIANO ANDREANI REGIE: ENSEMBLE UND LISA JENNI MIT: PRISKA PRAXMARER, DIRK VITTINGHOFF, LUCIANO ANDREANI; MUSIK: DISU GMÜNDER
∫DIE PHYSIKSTUNDE !ª
THEATER PANPAZ
MITTWOCH, 22. FEBRUAR, 20.30 UHR FREITAG, 24. FEBRUAR, 20.30 UHR SAMSTAG, 25. FEBRUAR, 20.30 UHR
Schon in den beiden vorangegangenen Jahren waren Sept elles mit «Frau Weber» und «bachwärts» im Tojo zu Gast. «Nebenan» ist die dritte Produktion, die Sept elles im Tojo zeigt.
Jahr 2001. Künstlerischer Leiter ist Michael Schulz, Leiter der Berner Kompanie RUNNING OUT. Sept elles bietet den Tanzenden die Möglichkeit, jahrelange Tanzerfahrung, Workshops und regelmässiges Training in einem choreografierten Stück anzuwenden.
SEPT ELLES: Die Tanzgruppe sept elles besteht seit dem
schungen gibt es? Von aussen betrachtet finde ich diese Situation sehr anstrengend, doch selbst habe ich mich ihr oft genug ausgesetzt.» Michael Schulz
PUBLIKUMS-WETTBEWERB mit echten Preisen. Regie: Brigitte Frey. www.tojo.ch
DAZU:
www.seretos.ch PLUSMINUSNEUTRE Humoristisch angereicherte Musik mit Piano, Kontrabass und Gesang. Chansonartig. CIRCO PORTILLA Jonglage (Jimmy aus Ecuador, begleitet von Sarbach auf dem Bandoneon) Privatdozent KATTELBACH Live zeigt «F-Boat» – eine neue Handpuppenballade mit Fuss. WERNU us em Aemmitau Ein zaubernder Bauer verblüfft sich und die Zuschauer. www.werneramport.ch et altera.
ACHTUNG, FERTIG, LOSET! mit Seretos – intro/song (dr polizischt) / Kurt sucht eine Frau (der brävling) / häsli (geschichte) Obe afaa (standup-teil)
GÄSTE:
Die festliche Zeit war vorüber. Schwer lastete noch dieses Weihnachtsessen auf den Mägen der Crew: Dass Hell seine Geschichten alleine erzählen will, schmerzt seinen Kollegen Schnell sehr, obwohl er beteuert, dass das kein Problem sei. Findet er den erhofften Trost bei Olga? Will Lee registriert, dass seine spontanen Liebesbeweise Olga zwar schmeicheln, aber zu keinen sichtbaren Fortschritten führen. Er reagiert eifersüchtig und zunehmend wütend. Auch macht ihm die Attacke von seinem kleinen Double im Kasperlitheater zu schaffen. Und welche Gebiete beackert Max Havelaar? Und wo halten Bären eigentlich ihren Winterschlaf?
WAS BISHER GESCHAH:
VARIÉTÉ PUR! GÄSTE & DIE LUDI-CREW
LUSTIGER DIENSTAG 19
DIENSTAG, 28. FEBRUAR, 20.30 UHR
SOUS LE PONT
ITCHY POOPZKID
TASTE PUNKROCKTOUR ITCHY POOPZKID ( D ) THE SCOUTS ( LU )
FREITAG, 3. FEBRUAR, 22.00 UHR
RUSSLAND-SPEZIALITÄTEN
MITTWOCH 1. FEBRUAR, 19.00 UHR
megafon nr. 292
PROGRAMM
THE SCOUTS
MCS LOST C, MISS LYNN, KARAFINA, CHARABIA, ANNA CEE MC & DJS SILLY LILLY BETTY BLUES
LADIES NIGHT – SOME BEATS AND RHYMES…:
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 22.00 UHR
MEXICO-SPEZIALITÄTEN
MITTWOCH, 15. FEBRUAR, 19.00 UHR
PHILIPPINEN-SPEZIALITÄTEN
MITTWOCH, 8. FEBRUAR, 19.00 UHR
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MIT CRASHKURS BIS 20.30 UHR, DANACH TANZEN BIS 00.30 UHR
TANGONACHT #2
SONNTAG, 26. FEBRUAR, 19.00 UHR,
KONZERTE T.B.A.
FREITAG, 24. FEBRUAR, 22.00 UHR
15 MINUTEN BERÜHMT SEIN
OFFENE BÜHNE#79
MITTWOCH, 22. FEBRUAR, 22.00 UHR
VIETNAM-SPEZIALITÄTEN
MITTWOCH, 22. FEBRUAR, 19.00 UHR
Reservation und Information: Tel. 078 854 58 66 oder www.grossehalle.ch Die Platzzahl ist beschränkt.
Wir bieten ein 3-Gang-Menu mit einer vegetarischen Variante. Rufen Sie uns doch einfach an, wir geben gerne Auskunft.
Lassen sie sich auf dieses Erlebnis der Sinne ein. Auf der «Blinden Insel» kocht jeden Abend einer unserer ausgewählten Köche der Berner Gastroszene. Unser sehbehindertes und ausgebildetes Serviceteam bewirtet Sie im völlig abgedunkelten Restaurantzelt in der Grossen Halle.
DINIEREN IN VÖLLIGER DUNKELHEIT
BLINDE INSEL
10. FEBRUAR BIS 26. MÄRZ DIENSTAG BIS SONNTAG EINLASS UND BETRIEB: 19.00 BIS 19.45 UHR. DAS DINER BEGINNT UM 19.45 UHR UND DAUERT BIS CA. 22.00 UHR. BITTE KOMMEN SIE PÜNKTLICH.
UND BRUNCH IM SOUSLEPONT UND I FLUSS.
FLOHMARKT
SONNTAG, 5. FEBRUAR, 9.00 BIS 16.00 UHR
GROSSE HALLE
FRAUENRAUM
(D)
DIE PERLEN
Dem technischen Fortschritt zum Trotz haben manche ZeitgenossInnen ihre antiken Rechner noch immer nicht ausgemustert. Wie schön! Für den rechten Beat bei dem Nürnberger Elektropop-Duo «Die Perlen» sorgt ein guter alter AtariComputer im Hintergrund. Live streuen die beiden MusikerInnen an ihren Keyboards und Effektgeräten kleine Melodielinien bei. Seit dem Frühjahr 2000 machen Katja Heller und Ferdinand Steinbacher musikalisch gemeinsame Sache. Was ihren Sound angeht, erinnern die beiden stark an die famosen «Welle: Erdball» oder auch das minimalistische Frühwerk von «Depeche Mode». Alles sehr retro also – das gepflegte Synthiepop-Erbe der 1980er in Ton und Optik. Mehr Infos auch unter www.dieperlen.de.
DIE PERLEN
SAMSTAG, 18. FEBRUAR, 22.00 UHR
WINTERPAUSE 15. JANUAR – 16. FEBRUAR 2006
megafon nr. 292
PROGRAMM
for women and men
Wameedd© ist ein dynamischer und symbiotischer kreativer Prozess zwischen Kamilya Jubran und Werner Hasler. Kamilya und Werner starteten ihre musikalische Treffen als Experiment ohne Definition und ohne bewusstes Ziel. Beide haben unterschiedliche musikalische Wurzeln, ihre Welten treffen sich aber in einem «roten Faden» wieder. Bei jedem musikalischen Treffen experimentieren die beiden ad hoc und jedes Werk hat insofern immer auch einen neuen Ausdruck und eine neue Bedeutung. Es ist eine offene Kommunikation ohne kulturell vorgefasste
«Die beschleunigte kulturelle Globalisierung führt heute zwar zu einem grösseren Interesse an der Musik fremder Kulturen und zu einer wachsenden Zahl interkultureller Austauschprojekte, jedoch nicht unbedingt zu einer Verbreiterung des Repertoires. Eher zu einer Standardisierung. Kamilya Jubrans und Werner Haslers Debütalbum Wameedd© ist hier ein Lichtblick. Und das gleich auf mehreren Ebenen.» (Thomas Burkhalter)
WAMEEDD© KAMILYA JUBRAN & WERNER HASLER
SAMSTAG, 25. FEBRUAR 2006, 22.00 UHR
Tanzabend für gleichgeschlechtliche Paare für Standardund Lateinamerikanische Tänze / ab Mitternacht OldiesDisco for women and men
TANZ-BAR
FREITAG, 24. FEBRUAR, 21.00-2.00 UHR
(LESBISCH-SCHWULES CHILLEN)
CRASH HELMET LOUNGE
DONNERSTAG, 23. FEBRUAR, 20.00 UHR
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er auch lebt. Er studierte Musik (Trompete) an der Swiss Jazz School in Bern. In verschiedenen Projekten arbeitete er live mit elektronischer Musik und Trompete, unter anderem mit dem Ballett des Stadttheaters Bern (2001). Im 2002 folgte eine Tournee mit Kamilya Jubran zu Mahattaat und im 2005 eine Tonaufnahme zusammen mit dem japanische Sound-Tüftler Sunao Inami
WERNER HASLER: 1969 in Bern (Schweiz) geboren, wo
Ihr Vater, ein Instrumentenbauer und Musiklehrer, war die erste Quelle musikalischer Bildung. Kamilya Jubran ist als Sängerin und Komponistin inspiriert durch die klassische arabische Musik und Reisende durch alternative musikalische Welten, immer auf der Suche nach neuen Formen in der künstlerischen Freiheit. Über zwanzig Jahre war sie Lead-Sängerin und Performerin des Qanoon und anderen orientalischen Instrumenten in der palästinensischen Gruppe Sabreen. Dort entwickelte sie einen eigenen neuen Stil des modernen arabischen Songs. Mit ihrer Produktion Mahattaat startete sie 2002 von Bern aus zu einer einjährigen Tournee durch Europa und Ägypten.
KAMILYA JUBRAN: 1963 in Aakka (Palästina) geboren.
Meinungen. Die Kompositionen von Kamilya, die feinen Qualitäten in ihrer Stimme, arabische Worte und arabischphonetische Rhythmen, passen gut zu den «vokalen Instrumenten» von Werner Hasler, seinen eigenen Melodien und der einzigartigen Nutzung von elektronischer Musik. Das Ergebnis jedes Konzertes ist fragil, unbestimmt, gleichzeitig expressiv und definitiv, ein wirklich musikalisches Erlebnis auf einer anderen Ebene. Mehr Infos (englisch) unter www.kamilyajubran.com for women and men
for women and men
Stefanie Grob wurde 1975 in Bern geboren. Lebt und schreibt in Zürich. Absolvierte 2002 die DramatikerInnenWerkstatt "Dramenprozessor". Ist Gründungsmitglied des Autorenkollektivs Pol. Theater und Autorin der freien Theater-Gruppe formation poe:son. Tritt zusammen mit der Autorengruppe „Bern ist überall“ (Guy Krneta, Pedro Lenz, Gerhard Meister, Beat Sterchi) unter dem Namen "Bern ist überall" auf und ist immer wieder auch an Poetry Slams zu hören
STEPHANIE GROB
WORTRAUM.WORTREICH PRÄSENTIERT:
SONNTAG, 26. FEBRUAR, 11.00 MATINEE (TÜREN: 10.30 UHR)
WAMEED©
STORY OF HELL – C.A. POETISCH-ANALYTISCHSTE FOLGE diese Folge wird ihnen präsentiert unter dem Motto «Kreativer Imperfekt»
Wie immer um diese Zeit, versammelt sich auch dieses Jahr eine Reihe von gestandenen und gesessenen Persönlichkeiten aus der global betrachteten Wirtschaft und Politik, sich gemeinsam um das Geschick des Planeten zu bekümmern, in einer immer komplexer, kaputter und absurder werdenden Welt den Überblick nicht zu verlieren, gleichzeitig belegend, dass die Politik immer mehr zum Teil des Unterhaltungsgewerbes wird. Im Zuge der globalisierten Umverteilung von unten nach oben treffen sie sich in einiger Höhe, in den Bergen des die die Burg umgebenden Stadt umgebenden Landes, an einem Ort, welcher für etliche Zeit vor, während, und nach ihrer viertägigen Zusammenkunft nicht von Menschen, die über den Schnee brettern, sondern von Sicherheitsvorkehrungen für den Anlass geprägt wird, denn eine derartige Ansammlung von Gutmenschen, deren hehre Absicht es ist, ihre Privilegien nicht aufzugeben, wird den Zorn derjenigen auf sich ziehen, welche mit der Umverteilung von unten nach oben nicht einverstanden sind, denjenigen Angriffsfläche bieten, welche die Ordnung, die ihnen ihre Privilegien erhält, anzweifeln, ja, mit allen Mitteln bekämpfen. Es ist bekannt, dass diese Kreise vor nichts zurückschrecken. Zu ihrer Beschwichtigung ist seit einiger Zeit der Brauch, dass sich die globale Gemeinschaft von Leuten, deren Gewerbe die Unterhaltung der Massen in aller Welt ist, die Leviten lesen lässt, jene in die Stellung der mittelalterlichen Hofnarren rückend. Zudem wurde für dieses Jahr gutes Wetter bestellt.
STORY OF HELL
38
megafon Nr. 292, Februar 2006
Derweil ist das Leben in der Burg geprägt von emsiger Betriebsamkeit. Während noch immer BudgetFragen diskutiert werden, sind die Arbeiten am ersten von der Burgbelegschaft produzierten Musical, mit dem Arbeitstitel: «Die Suche nach dem allgemeingültigen Manifest», schon so weit im Gange, dass Probeaufnahmen gemacht werden, die Band ihre drei Akkorde beherrscht, die Theatergruppe am Einstudieren einzelner Szenen, das Skript soweit ausgefeilt ist. Die Kulissen sind gebaut, eine dicke Frau ist auf dem Rücken eines Stiers eingeritten, zuvor im Hinterhof der Burg einem hölzernen Pferd entstiegen, die grünen Wesen vom Roten Planeten versuchen, sich mit ihren seltsamen Kostümen anzufreunden, welche sie in der tragikomischen Farce, die das Musical einmal darstellen soll, tragen werden. Und nun ist gutes Wetter eingekehrt, und alles steht still. Das Hochdruckgebiet, welches sich aus dem zentralen Stellwerk des internen Netzes um die Neujahrsnacht verbreitet hat, führt zu einem Stillstand der Luftmassen, welche ständig mit dem Ausstoss von Kaminen, Auspuffrohren und anderen Fürzen angereichert wird, der den Aufenthalt im selben Raum unerträglich macht. Wie beim Rauchen am Tisch nebenan, wirkt sich das Atmen der Luft rund um die Burg, laut der nächsten Messstation, früher oder später tödlich aus, wie das Leben an und für sich.
Es begibt sich, dass eine neue alte Gruppe auftaucht, die sich «Strictly Stupid» nennt, deren Anliegen es ist, sich und der Welt zu beweisen, dass alles Scheisse ist, insbesondere Treffen global tätiger Gutmenschen, und die Burg und deren Belegschaft. Wie die Burgbelegschaft gegen die Umverteilung von unten nach oben, wollen sie der Welt einmal beweisen, was ein werbewirksamer Auftritt ist. All die friedlichen Proteste können noch so phantasievoll sein, sie kriegen allenfalls die Aufmerksamkeit, wie sie Leuten, deren Gewerbe die Unterhaltung der Massen in aller Welt ist, zuteil wird. Etwas anderes ist das schon, wenn da Gewalt im Spiel ist, wenn etwas brennt, Geschosse hin und her fliegen, psychoaktive Gase die Atemluft benebeln, die die Aggression von Feinstaub noch übersteigen. Alles kann süchtig machen. Frag nur mal die grünen Wesen vom Roten Planeten. Deshalb sind Krawalle im Umfeld der Burg angesagt, um deren scheues Einstehen für ihre Politik endlich mit einer mediengerechten Version ins Gespräch zu bringen, so die Meinung der «Stupids», wie sie kurz genannt werden. Nachdem sie auch um Beteiligung am Musical um die «Suche nach dem allgemeingültigen Manifest» nachgefragt haben, ihren Chorus «Alles ist Scheisse» einzubringen, wünscht ihnen die Burgbelegschaft nur eines: Eine gewisse, eher interne Umverteilung von unten nach oben. In der nächsten Folge: Obenaus ist Luft
Interessengemeinschaft Kulturraum Reitschule IKuR
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frauenAG ida@reitschule.ch T 031 306 69 68 grossehalle@reitschule.ch T 031 306 69 63
(BITTE ANKREUZEN)
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1 Abo = 12 Monate megafon fĂźr mindestens FR. 54.â&#x20AC;&#x201C; PRO JAHR megafon zur Probe = 3 Monate gratis 1 Geschenkabo = 12 Monate an untenstehende Adresse (oben eigene Adresse angeben):
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