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MYTHEN DER VEGANEN
Irritierte Blicke und „dumme“ Sprüche ist Carmen Hercegfi als vegane Mama ohnehin gewohnt. In ihrer Tätigkeit als Ernährungsberaterin – seit 2015 auf das Thema vegane Familienernährung spezialisiert – kennt sie diese Reaktionen auch aus ihrem Klientenkreis und beleuchtet folgend gängige Argumente und Sprüche für euch:
Also sollte man besser nachweisen können, dass man sich an diese Empfehlungen hielt. Ein Verbot der pflanzlichen Ernährungsweise für Schwangere und Kinder existiert jedoch nicht.
MYTHOS 2: „VEGANE KINDER SIND ZU KLEIN, ZU DÜNN UND UNTERVERSORGT.“
MYTHOS 1: „DAS IST IN FALL FÜRS JUGENDAMT. VEGANE ERNÄHRUNG FÜR KINDER (BABYS/SCHWANGERE) IST VERBOTEN.“
Carmen Hercegfi: Vorab, ich bin keine Juristin. Insofern hoffe ich die richtigen Formulierungen zu treffen. Meine Recherchen haben in den letzten Jahren hierzu ergeben, dass eine Kindeswohlgefährdung sicherlich problematisch wäre, diese aber nicht alleine durch eine vegane Ernährung induziert ist. Es gibt aktuell ausreichend Hinweise aus Studien darauf, dass eine gut geplante vegane Ernährung für Kinder möglich ist. Bei falscher Umsetzung kann sie jedoch zu einer Kindeswohlgefährdung führen. Daher ist es sehr empfehlenswert, dass der Kinderarzt über die pflanzliche Ernährung informiert ist und in Absprache mit ihm Blutuntersuchungen durchgeführt werden. Ebenfalls sinnvoll ist eine Ernährungsberatung, die als Nachweis dienen kann. Dies alles für den Worst-Case, dass bei einem Klinikaufenthalt Meldung ans Jugendamt gemacht wird, denn wie würde ein Richter entscheiden? Er könnte sich nur an der DGE Empfehlung orientieren, die aktuell eine vegane Ernährung für Schwangere und Kinder nicht empfiehlt, bzw. nur unter Einhaltung bestimmter Regeln (kritische Nährstoffe/Supplemente).
Carmen Hercegfi: Leider gibt es aktuell noch zu wenig Studien mit veganen Kindern. Die meisten Studien sind zudem zu alt (spiegeln also nicht unbedingt die aktuelle vegane Ernährung wider) oder es war nur eine kleine Anzahl veganer Kinder involviert. Zudem besteht beim Thema Ernährung immer das Problem, dass keine Doppelblindstudien durchgeführt werden können, da die Personen immer wissen, was sie essen. Darum kann lediglich auf Beobachtungsstudien zurückgegriffen werden, die nicht repräsentativ sind, da sich die Teilnehmer freiwillig melden und nicht Gruppen zufällig ausgewählt werden. Es ist davon auszugehen, dass die Teilnehmer ein grundsätzliches Interesse für Ernährung haben. Dennoch können diese Studien wichtige Hinweise darauf liefern, wie eine gut ausgeführte pflanzliche Ernährungsweise funktionieren kann. Eine dieser Studien ist die VeChi Diet Studie1, die bei insgesamt 430 Kindern den Unterschied zwischen Veganern, Vegetariern und Mischköstlern zwischen 1-3 Jahren untersuchte. Eine Zusammenfassung dieser Studie findet ihr unter www.vegane-familien.de/mythenvegane-kinderernaehrung. Nährstoffversorgung veganer Kinder in der Studie: Interessante Ergebnisse lieferten auch die die Daten zur Nährstoffversorgung. Es gab bei vielen Nährstoffen signifikante Unterschiede. Vegane Kinder hatten die niedrigste Zufuhr an Protein und Fett und die höchste Zufuhr an Kohlenhydraten, lagen aber insgesamt in einem guten Bereich. Selbst die veganen Kleinkinder lagen bei Protein noch 2,3-fach über über den Empfehlungen der DGE. Einige bekannte potentiell kritische Nährstoffe bei veganer Ernährung bestätigten sich. Die Zufuhr von Jod, Calcium und Vitamin
B2 lag jedoch in allen Gruppen zu niedrig. In der veganen Gruppe war die Zufuhr jedoch am niedrigsten. Dafür waren die veganen Kinder bei einigen Nährstoffen am besten versorgt. Diese Daten bestätigen, dass auf bestimmte Nährstoffe gezielt geachtet werden sollte und zeigen eine Verschiebung der Nährstoffversorgung. Es zeigt mir aber auch, dass jede Ernährungsweise gut geplant werden sollte. Aus meiner Praxis kann ich Ähnliches bestätigen. Ich sehe vegane Kinder, die sehr groß sind und propere Babys genauso wie kleine, zierliche. Sind sie nun zu klein und zu dünn, sowie unterversorgt? Nein –das kann nicht pauschal behauptet werden, auch wenn es im Einzelfall zutreffen mag, wenn die pflanzliche Ernährung nicht gut durchdacht wurde.
MYTHOS 3: „DAS GEHIRN KANN SICH NICHT ENTWICKELN.“
Carmen Hercegfi: Damit sich das Gehirn gut entwickeln kann, braucht es verschiedene Nährstoffe, die jedoch nicht nur in tierischen Produkten vorkommen. Eine ausreichende Versorgung mit Wasser ist sowohl für den Sauerstoff- als auch den Nährstofftransport notwendig. Gesunde Fette, vor allem mehrfach ungesättigte Fettsäuren (Omega 3) werden im Gehirn in hormonartige Botenstoffe umgewandelt. Diese fördern den Informationsaustausch zwischen den Nervenzellen. Eine Unterversorgung kann zu geistigen und psychischen Störungen und Erkrankungen führen. In der veganen Ernährung werden diese Fette durch die Verwendung von z.B. Leinsamen und Walnüssen (liefert AlphaLinolensäure) sowie durch die Verwendung von Algenöl als Lieferant von EPA und DHA als Supplement gedeckt. Mit der Aufnahme von komplexen Kohlenhydraten steht dem Gehirn eine stetige Energiezufuhr durch Glucose zur Verfügung. Diese komplexen Kohlenhydrate werden in der pflanzlichen Ernährung durch z.B. Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte und Kartoffeln gedeckt. Hülsenfrüchte wie Linsen, Bohnen, Erbsen und Kichererbsen liefern dem Gehirn Protein und damit alle unentbehrlichen Aminosäuren, die als Bausteine der körpereigenen Proteine dienen. Selbstverständlich benötigt der Körper viele weitere Nährstoffe und wir dürfen nie vergessen, dass der Bedarf