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Wie sie es geschafft hat, Seele und Körper in Einklang zu bringen: Maxi Hajdufi im Interview

„OB PEOPLE OF COLOUR, LGBTQI+, HETERO, RELIGIÖS ODER AUCH NICHT, OB FAN VON KLASSISCHER MUSIK, MANGACOMICS ODER DER LIEBLINGSFARBE NEONGRÜN – GANZ EGAL, WIE IHR EUER LEBEN FÜHRT, IHR SEID RICHTIG SO WIE IHR SEID.“

AUF EIN WORT MIT MAXI HAJDUFI

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von Jasmin Kaiser

Als sie drei Jahre alt war, merkte sie, dass etwas nicht stimmte. Sie fühlte sich fremd im eigenen Körper. Der Grundstein für einen schmerzhaften Weg hin zur Geschlechtsangleichung war gelegt. Immer wieder musste sie aufstehen und sich motivieren weiterzumachen. Trifft man Maxi heute, merkt man ihr die kräftezehrende Vergangenheit nicht an – ganz im Gegenteil – man begegnet einer starken Frau, die mit ihrer fröhlichen und offenen Art alle Menschen um sich herum in ihren Bann zieht. Unverblümt erzählt sie uns im Interview von ihren Erfahrungen, den Vorurteilen, mit denen sie immer noch zu kämpfen hat und ihren Überzeugungen, die sie auch an dunklen Tagen aufstehen lassen.

Was bedeutet der Begriff Transgender?

Transgender sind Menschen, deren Seelen sich in den falschen Körper verirrt haben. Menschen, die sich in ihrem eigenen Körper nicht wohl fühlen und ihr Leben lang damit zu kämpfen haben, dass das Äußere dem Inneren angepasst wird.

Wann wurde dir bewusst, dass du im falschen Körper geboren wurdest?

Mit drei Jahren. Da wurde es mir nicht direkt bewusst, aber wenn ich so zurückdenke, habe ich da schon festgestellt, dass mit mir etwas nicht stimmt oder nicht zu 100 Prozent richtig läuft. Man fragt ja Kinder immer, was sie einmal werden wollen. Alle antworteten darauf – Polizist oder Feuerwehrmann – und ich habe immer gesagt: Friseurin. Mit 12 oder 13 Jahren kam dann schon die erste Verliebtheit, das erste Kribbeln und Schwärmereien auf und da war schnell klar, dass ich mich zu dem männlichen Geschlecht hingezogen fühle. Ich habe mich bei Männern immer schon geborgener, wohler, beschützter gefühlt. Mit 14 war klar, dass ich nicht schwul, sondern ein Mädchen im Körper eines Jungen bin.

Wie sah deine Kindheit und Jugend aus? Hattest du mit Vorurteilen zu kämpfen?

Ganz klar, ja. Ich komme aus einem 1000-Seelen-Dorf hinter Kaufbeuren, da gab es immer wieder irgendwelche Vorfälle, die wirklich hart für mich waren. Ich war zum Glück als Kind schon so stark, dass ich trotzdem immer gemacht habe, was ich als richtig empfand. Es war mir nicht egal, was andere denken, aber ich wusste auch, dass ich immer so sein muss, wie ich nun mal bin. Mich zu verstellen, würde mich kaputt machen. Ich habe in der Schule und später in der Lehre viele schlimme Anfeindungen erlebt und wurde immer mit Diskriminierung konfrontiert à la „Was ist dein Problem?“ oder „Hast du ein Aufmerksamkeitsdefizit?“. In meiner Schulzeit hatte ich mich einmal richtig verliebt, als ich ihn dann angerufen habe, kamen nur blöde Sprüche „Bist du nicht DIESE Maxi…“, dank meiner damals schon weiblichen Stimme habe ich mich einfach für jemand anderen ausgegeben. Ich wollte einfach für einen kurzen Moment normal sein. Aber so viel Schlechtes ich erlebt habe, habe ich auch Gutes erlebt. Denn ich hatte immer Menschen um mich herum, die mich bestärkt und mich davon überzeugt haben, dass ich richtig bin, wie ich bin. Ohne diese Menschen würde ich heute hier nicht sitzen.

Wie hat dein soziales Umfeld reagiert, als du dich für eine Geschlechtsangleichung entschieden hast?

Relativ entspannt. Es gab aber auch keinen Tag X für ein Outing. Ich habe ja immer so gelebt, wie ich wollte, kein offizielles, „Mama, Papa, ich bin transsexuell“. Es gab natürlich den Tag, an dem ich gesagt habe, dass ich die Operation machen will. Und zwar am sechzigsten Geburtstag meines Vaters, als die ganze Familie zusammensaß. Ich habe mich zu meinen Eltern hingesetzt und gesagt: „Ich will die Operation, ich will so nicht mehr leben. Wenn ich so nicht leben kann, möchte ich gar nicht mehr leben“. Meine Mama hat angefangen zu weinen und meinte nur: „Oh Gott, das wird so hart für dich!“ und mein Papa sagte: „Ja, du warst ja schon immer so, dann mach es doch“. Das ist heute auf den Tag fast 14 Jahre her.

Wie würdest du deinen mentalen und körperlichen Prozess deiner Geschlechtsangleichung beschreiben?

Am Anfang war ich motiviert und euphorisiert, ich kann mich genau an den Tag erinnern, als ich das Schreiben für meine Operationsgenehmigung in den Händen hielt – das war 2010. Ich war voller Optimismus und hatte eine genaue Vorstellung von dem Tag, an dem ich zu einem neuen Menschen werden würde. Während des Prozesses habe ich oft gespürt, dass der Weg nicht leicht ist. Hormone machen ganz viel mit unserem Körper und verändern Gedankengänge und Charakterzüge. So habe ich meine Veränderung schnell gemerkt. Menschen aus meinem Umfeld mussten gehen und neue kamen dazu. Es war oft nicht leicht, aber dann kam dieser Moment danach, wo ich dachte: „Jetzt ist alles gut“. Auch da wurde ich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen, weil ich zu spüren bekam: „Nur weil du operiert bist, bist du noch lange keine Frau“. Aber wer ist schon der Maßstab? Was macht uns Frauen aus? Was macht eine Frau zu einer Frau und was macht einen Mann zu einem Mann? Eine Vagina und Brüste machen eine Frau nicht zu einer Frau, genauso wenig macht ein Penis einen Mann zu einem Mann. Es gehört mehr dazu. Du musst dein Ich-Sein leben und das zeigt, wer und was du bist.

Hast du immer noch mit Unverständnis und Anfeindungen zu kämpfen?

Ja. Was ich ganz stark merke, ist, dass es immer noch Menschen gibt, die mich aufgrund eines eingeschränkten Horizonts direkt ablehnen. Dann gibt es Leute, die an meiner Geschichte interessiert sind – wobei man hier aufpassen muss, nicht zur Zirkusattraktion gemacht und unangenehmen Fragen ausgesetzt zu werden, wie zum Beispiel: „Wie sieht das genau bei dir aus, wie fühlt sich das an?“ In einer Welt, in der es eigentlich viel Diversität gibt, ist es dennoch etwas Besonderes, trans zu sein. Ich erlebe immer noch Situationen, die mich schockieren, positive Begegnungen wiegen diese Erfahrungen aber zum Glück auf.

Was würdest du Menschen raten, die das Gefühl haben, im falschen Körper geboren zu sein?

Macht eine Therapie und sprecht mit Menschen, die euch nahestehen. Versucht ganz langsam die ersten Schritte zu gehen,

macht euch viele und vor allem bewusste Gedanken. Sucht euch Psychotherapeut:innen, die sich mit Transsexualität auskennen – das ist sehr wichtig! Findet in eurem eigenen Tempo den richtigen Weg, geht ihn alleine, bedacht, manchmal auch einen Schritt zurück und geht gestärkt daraus hervor und gebt euch unbedingt Zeit! Mich hat auch niemand an die Hand genommen und mir den Weg gezeigt, ich musste ihn selbst finden. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

Was würdest du transphoben Menschen gerne sagen?

F**** euch ins Knie (lacht laut)! Nein Quatsch! Trans- oder homophoben Menschen rate ich dringend, sich etwas zu öffnen. Nutzt die Chance, euch nur einmal mit einem Menschen aus der LGBTQI+ Community zu unterhalten und versucht die Medaille von der anderen Seite zu sehen. Öffnet euren Horizont! Seid offen für andere Gedankengänge, andere Meinungen und Welten. Oft ist es so, dass die Leser:innen dieser Artikel oder Besucher:innen von queeren Aktionen eh schon offen sind. Es müssten dringend die angesprochen werden, die es nicht sind. Ich will niemanden von meiner Geschichte „begeistern“ oder „umpolen“, aber wenn sich nur eine Person nach dem Lesen dieses Interviews denkt: „Sie ist ein Mensch wie du und ich, sie ist gut, wie sie ist, alles andere ist egal“, dann bin ich schon sehr glücklich.

Muss in der Gesellschaft mehr Aufklärung stattfinden, um Vorurteile auszuräumen und die LGBTQI+ Community zu stärken?

Hier haben wir ein grundlegendes Problem. Die Community wächst und gewinnt auch immer mehr an toleranten Anhänger:innen. Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir innerhalb der Gemeinschaft nicht andere Menschen ausschließen oder diskriminieren. Wir müssen so oft darüber sprechen, bis genug gesprochen wurde und es kein Thema mehr ist. Dass es einfach so ist, wie es ist. Ich würde aber auch niemals wollen, dass ich in einer Klasse sitze und da hocken drei oder vier queere Kinder drin und alle anderen fühlen sich dann ausgeschlossen. Ob People of Colour, LGBTQI+, hetero, religiös oder auch nicht, ob Fan von klassischer Musik, Mangacomics oder der Lieblingsfarbe Neongrün – ganz egal, wie ihr euer Leben führt, ihr seid richtig, so wie ihr seid.

Fühlst du dich als Frau wohl in Kempten? Was magst du an deiner Stadt?

(Denkt lange nach...) Ich liebe Kempten. Es ist eine tolle Stadt und etwas Besonderes. Kempten hat sich in den letzten Jahren aber auch gemausert. Hier wohnen wundervolle Menschen in jeglicher Vielfalt, die mich immer wieder inspirieren. Man darf hier sein, wie man ist. Ich lerne auch immer wieder sehr tolle Leute kennen. Es gibt natürlich auch viele Begegnungen, die ich lieber nicht gehabt hätte – das gibt es aber überall. Den Kemptener:innen würde ich gerne einmal sagen: „Hört auf, euch selbst fertig zu machen, erkennt euren Wert – im Urlaub seid ihr immer so offen und losgelöst, seid doch hier auch offen und zeigt der Welt, dass Kempten nicht nur Landschaft und Kühe ist, sondern so viel mehr“.

Nenn uns zwei Dinge, die die Leser:innen noch nicht über dich wissen.

Viele Menschen denken immer, dass ich mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein durch die Stadt laufe, mit einem Lächeln auf dem Gesicht wie auf einem Catwalk. Vergesst nicht, hinter jeder starken Frau stecken auch dunkle Zeiten und auch ich habe diese Momente, wo ich weinend auf meiner Coach sitze und überlege, was ich anders machen könnte. Der zweite Punkt ist, dass ich jeden einzelnen Tag mein Gesicht rasieren muss, das belastet mich extrem und ist super anstrengend. Ich bin nicht in einer halben Stunde fertiggemacht, das wissen wirklich die wenigsten. Trotz jahrelanger Lasertherapie habe ich jeden Tag diese ätzende Aufgabe, damit ich mich einigermaßen wohlfühle. Ich weiß, dass ich mich mit solchen Aussagen angreifbar mache, aber das ist vollkommen in Ordnung, ich darf auch manchmal klein sein und bin ein Mensch wie jeder andere. Damit zeige ich auch, dass man nicht alles zu mir sagen kann. Worte verletzen, geht bedacht damit um!

Vielen Dank für deine Offenheit, wir bewundern deine Stärke und freuen uns darüber, dass du unsere Stadt bereicherst, aufrüttelst und auch ein Stück weit bunter machst.

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