8 minute read

BORN TO BE WILD

Next Article
DAS BUCH

DAS BUCH

Get your kicks on...? Genau: Route 66! Was als eine der ersten befestigten Straßen quer durch die Vereinigten Staaten begann, ist mittlerweile zu einer handfesten Legende herangewachsen. Ganze 2.451 Meilen führt die anfangs teils unbefestigte Straße vom Herzen des mittleren Westens in Chicago an die Strände Santa Monicas zum Pazifischen Ozean. Und kaum ein Film verkörpert den Geist der Route 66 so sehr, wie „Easy Rider“. Hat man das ikonische Bild von Dennis Hopper und Peter Fonda, die Seite an Seite auf einer Harley Davidson durch die Steppe Amerikas fahren vor Augen, klingt neben dem zufriedenen Grummeln des Motorrads ein Song im Ohr: „Born to be wild“. Für Generationen der Inbegriff von Aufbruch und Freiheit. Und bis heute ein absoluter Garant für jede Playlist, die man für den anstehenden Road Trip zusammen stellt. Erklingt dieser Song auf der gemeinsamen Fahrt, wird aus dem Urlaub eine Reise und damit ein Erlebnis. Unvergessliche Momente werden durch die Musik in unserem Gedächtnis verankert. Unser Emotional Memory Stick speichert unablässig Informationen und Ereignisse. Egal wo wir sind.

Was für die Route 66 der knarzige Rocksound ist, wird in Venedig beim Gondoliere deutlich sanfter ausfallen. Zumindest hat man bei „O Sole Mio“ kein Motorrad vor Augen und die Fahrt unter der Serenissima – oder auch Seufzerbrücke – wird wohl wenig romantisch, wenn der gondelnde Steuermann „Born To Be Wild“ anstimmt. Musik und Sound gehört also zum Reisen genauso dazu, wie das Wetter. Blöd, wenn’s nicht passt.

Von wegen “O Sole Mio” - die singenden Gondoliere müssen sich seit einige Jahren an strikte Regeln halten. Warum? Lärmbelästigung! Mal ein kleines Liedchen zwischendurch wird wohl niemanden gestört haben, aber wenn gefühlt fünfzehn Kapitäne zu selbsternannten Barden werden und sich die Kanäle Venedigs eher nach einem schlechten Abklatsch von DSDS anhören, dann ist auch hier die Geduld am Ende.

Durchaus vorteilhaft stellt sich allerdings die deutlich einfachere Steuerung der akustischen Erlebnisse im Vergleich zum Wetter dar. So betreibt beispielsweise der Kreuzfahrgigant AIDA Cruises in Zusammenarbeit mit Antenne Deutschland seit Ende 2021 den Sender AIDAradio. Mit „Meer Gefühl“. Ein durchaus cleverer Zug der Rostocker Schifffahrtsgesellschaft – mit dem Sender ist nicht nur für individuelle Unterhaltung an Bord der Schiffe gesorgt, sondern auch vor und nach der nächsten AIDA Reise. Zu Hause, auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen. Denn AIDAradio ist dank DAB+ und dem Internet weltweit und überall zu empfangen.

Und umso erfreulicher, dass man in dem hauseigenen Radioprogramm die geneigte Zielgruppe mit markenaffinen Botschaften ganz ohne Streuverluste beglückt. Und das rund um die Uhr. AIDA? Ahoi!

Ein wenig edler geht es beim hauseigenen Radioprogramm des Pariser Hotel Costes zu – das französische Boutique Hotel hat nicht nur einen eigenen Radiosender, der tageszeitabhängig ein sehr ausgewähltes, aber absolut markenaffines Programm anbietet. Darüber hinaus hat sich Gründer und Namensgeber Jean-Louis Costes dazu entschlossen, seinen Brand nicht nur über den Hörfunk, sondern auch über althergebrachte Compilations – ja auf CD – zu präsentieren. Und es gelingt! Die Musikauswahl ist in der Tat sehr interessant und weit weg vom Mainstream. Es ist Platz neue Dinge zu entdecken und wenn das Ohr über die nächste Übernachtung in Paris abstimmen sollte, dann wird man wohl sehr bald im Hotel Costes einchecken. Es sei denn, die Kreditkarte macht hier einen Strich durch die Rechnung. Mit Zimmerpreisen ab ca. EUR 600 pro Nacht wird der Hörgenuss durch das Schlackern der Ohren beeinträchtigt.

Deutlich günstiger, aber mindestens ähnlich musikalisch geht’s im Berliner nhow Hotel zur Sache. Dafür greift man hier allerdings selbst zum Instrument. Klingt erst einmal wenig spektakulär – abgerundet wird der Instrumenten Check Out an der Rezeption aber durch das hauseigene Tonstudio und der Möglichkeit, sich direkt auf dem Zimmer mit dem Instrument in eine hochmoderne Studioperipherie einzuklinken. Klingt wirr – ist es! Aber tatsächlich kann man auf dem Bett liegend die Songidee festhalten, während im oberen Stockwerk, gut 35 Meter über der Spree, ein Toningenieur die musikalischen Ergüsse festhält. Einziges Manko? Die durchaus sehr eigenwillige Farbgebung des Hotels kann hier und da ein wenig irritieren – oder ist grelles pink so inspirierend? Augen zu und durch. Dann steht dem nächsten Hit nichts mehr im Wege.

Generell ist Musik und Sound im professionellen Hotelgewerbe nicht mehr wegzudenken. Warum auch? Nichts emotionalisiert so sehr, wie Musik. Und wenn das „Home away from home“ in Erinnerung bleiben soll, dann macht es doch absolut Sinn, den richtigen Ton zu treffen. Im wahrsten Sinne des Wortes! Und das gilt für die Lobby, die Gästezimmer oder die Hotelbar ebenso wie für den Wellnessbereich oder das Restaurant. Natürlich setzen die meisten Hotels auf Soundscapes – also eine angenehme Hintergrundbeschallung. Leider sind bei der Musik- und Soundauswahl nicht immer Profis am Werk –falls doch, zahlt sich der Einsatz auf alle Fälle aus. So belegt eine kürzlich veröffentlichte Studie, dass der Einsatz von strategischer Hintergrundmusik in einem Kaffee den Umsatz um 21% steigern konnte. Da lohnt es sich für alle Hotelbetreiber mal die Ohren zu spitzen.

Der französische Hotelbrand Sofitel hat zugehört und gleich seinen eigenen Signature Song komponieren und produzieren lassen. Praktischerweise direkt angelehnt an den Slogan „Life is Magnifique“. Das Duo „Haute“ hat den Titel aufgenommen, der tatsächlich konsequent in allen Häusern genutzt wird. Vom Fahrstuhl bis hin zum TV Gerät, dass die Gäste mit leichter musikalischer Unterhaltung, also genau diesem Titel, in den Zimmern begrüßt. Ergebnis: Als wiederkehrender Gast fühlt man sich in allen Häusern des Brands zu Hause und willkommen. Von Berlin bis München. Von Shanghai bis Los Angeles. Die 5-Sterne Kategorie und die damit einhergehende Ausstattung hilft selbstredend auch ein wenig nach, dass man nicht denkt, man wäre in einer runtergewohnten Kaschemme abgestiegen.

Spree? Ole, ole! Nicht die schlechteste Lage, die das Berliner nhow Hotel hier stolz belegt hat. Das besagte Studio ist übrigens in dem silbrig schimmernden Geschossteil ganz oben. Recording with a view.

Mit der Musik hält logischerweise auch neue Technik Einzug in die Hotels. War vor einigen Jahren der SmartSpeaker auf einem Hotelzimmer noch eine Besonderheit, sind Alexa oder Siri in vielen Häusern mittlerweile Langzeitgäste. Und sie werden wohl noch eine Weile bleiben. Damit einher gehen dann entsprechend auch die individuellen Vorlieben der Hotelgäste. Clevere Häuser bieten ihren Gästen eigene Musik- und Sprachunterhaltung an. Kleiner Willkommensgruß des Hotels über den SmartSpeaker? Warum denn eigentlich nicht!

Neben den Hotelbetreibern haben auch diverse Reiseveranstalter das Potential von Corporate Audio für sich erkannt. So verkörpert die TUI mit dem hauseigenen Brand Song „Let’s make people smile“ nicht nur ziemlich genau ihr Logo, sondern implementiert auch seit vielen Jahren das passende Soundlogo in dem Musikstück. Und auch hier haben die Reiseexperten einiges richtig gemacht – den Titel findet man in verschiedenen Versionen. Ob klassischer Mainstream, von dem seinerzeit angesagten Sänger Patrick Nuo interpretiert bis hin zu Premium oder House Versionen, wobei hier das DJ Duo Blank & Jones zur Seite standen. Darüber hinaus ist das im deutschsprachigen Raum wohl bekannteste Soundlogo der Reisebranche den Kollegen von invia zuzuordnen. Sollte das Unternehmen unbekannt vorkommen, hat man spätestens mit der Nennung der Homepage das Jingle im Ohr. Ab in der Urlaub. Na? Das kann man locker mitsingen. Spannend übrigens, dass dieser Jingle aus einem Song der Kölner Band „De Höhner“ herrührt. Genau – auch Kölsche fahren in den Urlaub.

Neben den Reiseveranstaltern nutzen vor allem Airlines das Medium Audio, um das Klientel brandaffin zu beflügeln. Ob die österreichische Austrian Airlines, nach gelungener Landung in Österreich mit dem Donauwalzer aufwartet oder leichte Gitarrenklänge die Fluggäste von Turkish Airlines begrüßt. Auch hier nutzt man Musik, um die Gäste an den Brand zu erinnern. Im Falle von Austrian wirkt das bei Vielfliegern allerdings ein wenig Kontraproduktiv, denn ein Donauwalzer mag ja ganz nett sein, aber wenn sich nach der Landung in Wien oder Salzburg die Vielflieger anhand der bloßen Gesichtsmimik nach Einsetzen der Beschallung zuordnen lassen, ist gegebenenfalls ein Überarbeiten der Musik angebracht.

Dem Reisefieber hat sich übrigens auch der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei angenommen. Während der Corona-Pandemie haben die Asiaten ihren Kundinnen und Kunden die Möglichkeit gegeben, trotzdem zu verreisen. Naja – nicht so ganz, aber immerhin ein wenig. Mit Sonic Escapes konnte man immersive Soundreisen in verschiedene Länder unternehmen. Ob Marokko, Jamaika oder Mexico – der Trip im Ohrensessel ist nur einen Click entfernt.

Von Hotel bis Airline. Ob Reiseveranstalter oder Mobilfunkhersteller – letztendlich ist das Thema Travel immer ein multisensorisches Erlebnis. Wer hierbei den Audiokanal nicht berücksichtigt, vertut nicht nur die Chance, Zielgruppen emotional zu erreichen, sondern überlässt die Audiokommunikation dem Zufall. Vielleicht lohnt es, sich an den Urlauberinnen und Urlaubern zu orientieren. Die machen schließlich auch nicht zufällig irgendwo Urlaub.

This article is from: