AD 02/2021

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ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

100

Formafantasma

India Mahdavi

Pierre Yovanovitch

David Chipperfield Patricia Urquiola

Luke Edward Hall Snøhetta

Sebastian Herkner

Cristina Celestino

Ilse Crawford Hannes Peer

und viele mehr!

Die 100 Top-Kreativen 2021


#ADinfluencer

Inhalt Hella Jongerius 76

Editorial 10 Impressum 14 Agenda 16 AD stellt vor 23

Jan Kath 83 Max Lamb 40 Luis Laplace 42

24

Mathieu Lehanneur 83

Vincenzo De Cotiis 57

6a Architects 62

Christophe Delcourt 78

David Adjaye 67

Stefan Diez 53

Francesca Amfitheatrof 60

Dimore Studio 45

Apparatus 74

Joseph Dirand 56

Omer Arbel 50 Arturo Arita 41

Farah Ebrahimi und Philipp Mainzer 57

Samuel Barclay 72

Frida Escobedo 70

Francesco Binfaré 73

Héctor Esrawe 70

Jinny Blom 44

Caterina und Raffaele Fabrizio 68

Thierry Boutemy 68

Festen 68

Fabrizio Casiraghi 87 Derek Castiglioni 60 Alberto Cavalli 52

David Flack 38 Formafantasma 58 Pierre Frey 69

Cristina Celestino 42 Chan + Eayrs 74 David Chipperfield 80 Commune Design 86 Ilse Crawford 30 Vincent Darré 57

GamFratesi 87 Jacques Garcia 69 Luciano Giubbilei 44 Timon und Melchior Grau 71 Konstantin Grcic 43 Marva Griffin Wilshire 52 Christian Haas 63 Heath Ceramics 65 Sebastian Herkner 34 Herzog & de Meuron 64 Beata Heuman 48 Stefan Höglmaier 75 H + O 73

Piero Lissoni 63 Vico Magistretti 61 India Mahdavi 32 Marcante Testa 69 Sabine Marcelis 61 Masquespacio 85 Frances Merrill 82 Frauke Meyer und Guillaume Rolland 64

Porträts: Andrea Ferrari; Gabriel Hendifar; Foto: Davide Lovatti

Stil

Clélie Debehault und Liv Vaisberg 52

Muller Van Severen 41 MVRDV 54 Note Design Studio 45 Ozone 77 Stéphane Parmentier 84 Quincoces-Dragò 77 Retrouvius 40 Giulio Ridolfo 53 Roman and Williams 81 Marta Sala 59 Elena Salmistraro 39 Claus Sendlinger 85 Pamela Shamshiri 55 Snøhetta 46 Helle Søholt 79 Bodo Sperlein 54 Tom Stuart-Smith 44 Studio KO 84 Studiopepe 66 Studio Peregalli 64 The Haas Brothers 39 David Thulstrup 79 Matteo Thun 59 Patricia Urquiola 56 Giancarlo Valle 66 Hervé Van der Straeten 56

74

Gabriel Hendifar

Vincent Van Duysen 82 Vector Architects 76 Sep Verboom 81 Axel Vervoordt 36 Hanne Willmann 75 Bethan Laura Wood 39 Pierre Yovanovitch 25 Zeller & Moye 70

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42

Cristina Celestino


#ADinfluencer

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48

Cover: Helenio Barbetta / Living Inside; Fotos: Beata Heuman Studio; Heath Ceramics (2); Porträt: Masquespacio

Beata Heuman

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Studiopepe

Leben 90 Der Eroberer

114 Der Dirigent

Praxis statt Predigt: Der dänische Star-Architekt Bjarke Ingels propagiert das Leben auf dem Wasser. Und lebt selbst mit seiner Familie auf einem rasend modern gestalteten Fährboot im Hafen Kopenhagens.

Hubert Zandberg verwebt famos Töne und Texturen, Fundstücke und Maßgefertigtes zur eklektisch-eleganten Einheit – wie dieses Haus für eine Mutter und ihre drei kleinen Kinder in Notting Hill.

100 Der Verliebte

124 Der Dramaturg

Ein Penthouse im Barbican Estate London: Für den deutschen Architekten und Interiordesigner Oskar Kohnen ist das ein Glücksgriff – trotz Lockdown, Brexit und Kripo in der Tiefgarage.

Niemand durchquert Epochen so mühelos wie der Architekt und Designer Hannes Peer. Bühne frei für seinen jüngsten Streich in Mailand.

108 Der Spielerische Designdarling Luke Edward Hall und seinen Partner Duncan Campbell zieht es an den Wochenenden aufs Land. In den Cotswolds entspannen sie mit vielen Vintages und einer Eule.

Auf dem Cover: Mailänder Moderne! Im Apartment einer Familie dirigiert der Gestalter Hannes Peer stolze Möbel-Solisten zum farbstarken Chor.

132 Die Sammlerin Künstlerin Sarah Kaye Rodden trägt Kollektionen von Kanonenkugeln und Meteoritensplittern zusammen. Ihre Material-Assemblagen wirken ahistorisch, wie aus der Zeit gefallen. So lebt sie auch in Brasted. Mit großem Respekt für die Geschichte – und die Gegenwart. Summaries 142 Apropos 144 Zimmerpflanze 146

85

Masquespacio

65

Heath-Keramik

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#ADinfluencer

„Wir erleben hundert Kreative mit tausend Facetten – von welchen manche dann doch wieder erstaunliche Parallelen aufweisen.“

eines Journalisten zählt es, präzise Fragen wie „Wer? Wann? Was? In Frankreich spricht man nicht von einem Hobby, sondern beWieso?“ zu stellen, damit Sie, die Leserinnen und Leser, genaue nutzt den schönen Ausdruck avoir un violon d'Ingres – nach der Informationen erhalten. Der Berufsalltag freilich lehrt einen, dass Musikleidenschaft des Malers Jean-Auguste-Dominique Ingres. es oft gerade die Abschweifungen sind, die zu den interessantesten Der Pariser Design-Star Pierre Yovanovitch etwa stellt sich als Aussagen eines Interviewpartners führen und die tiefsten Er- solch ein Fall paralleler Interessen heraus. Er nennt klassische Mukenntnisse vermitteln. Dies sind glückhafte Momente – doch wie sik als Inspirationsquelle, statt Decorator aber wäre er wohl am es nun einmal so geht im Leben: Fortuna lässt sich nicht herbei- ehesten Landschaftsplaner geworden. Ein reiches Betätigungsfeld zitieren. Warum aber, dachten wir uns bei der Vorbereitung zu hierfür böte ihm der Park rund um sein Château de Fabrègues in dieser Ausgabe, in der wir Ihnen die einhundert derzeit wichtigs- der Provence (oben re.). Mit über 36 Hektar ist der jedoch um einiten Gestalter weltweit vorstellen, warum nicht einmal konsequent ges zu groß, als dass Yovanovitch ihn nebenher selbst gestalten durch Seitentüren ins Haus fallen? Sozusagen. Also stellten wir könnte. Also verpflichtete er hierfür den Gartenguru Louis Benech. die Pflichtfragen hintan und konzentrierten uns umso mehr auf Und lernt nun beim Gärtnern ständig hinzu. „Es ist“, sagt er, „als die Kür. Auf Fragen wie: Was würden Sie gern erfinden? Was war würde man ein Kind aufwachsen sehen. Der Park ist jetzt halbIhr bester Fehler? Oder: Mit welchem Designer würden Sie gern wüchsig und wird immer lesbarer in seinem Charakter.“ einmal essen gehen? Das bringt uns zurück zum Thema. Das Profil eines Menschen Wie erhofft, haben uns viele der Antworten überrascht und be- wird durch seine Liebhabereien abgerundet, denn sie liegen außergeistert. Wir erfahren von einem verdorbenen Magen, der erst zu halb der täglichen Sachzwänge. Sie sind für den Charakter, was der Fieberträumen und schlussendlich zu einer genialen Produktidee Aszendent fürs Horoskop ist: nicht der Hauptaspekt, aber doch führte. Von der Obsession, stundenlang Grundrisse anzustarren. von enormem Einfluss. Mein herzliches Dankeschön geht an alle Vom geheimen Wunsch, eine Kirche zu bauen. Oder ein postkapi- hundert Gestalter für diese vertiefenden Einblicke! talistisches Wirtschaftssystem zu erfinden. Und von allerhand höchst kuriosen Einfällen unter der Dusche. Kurz: Wir erleben hundert Kreative mit tausend Facetten – von welchen manche dann doch wieder erstaunliche Parallelen aufweisen. So erhielten wir etwa auf die Frage „Was wären Sie geworden, wenn Sie einen anderen Beruf ergriffen hätten?“ auffällig oft die Antworten „Koch“ und „Gärtner“. Beide Male handelt es sich um ein Berufsfeld, das sinnliche Kreativität mit der unmittelbaren, intensiven Beschäftigung mit der Pflanzenwelt verbindet. Und um Tätigkeiten, die sich O liver Jahn bestens als Liebhaberei betreiben lassen.

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Foto: Jérôme Galland; Porträt: René Fietzek

Zu den Aufgaben


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AD stellt vor Peter Gehrman hat eine Lieblingspflanze: Crassula ovata. „Im Schwedischen heißt sie Paradiesbaum.“ Und auf Deutsch Geldbaum. (Da kann man mal sehen …) Corona stahl dem Göteborger den Interiordesigner-Job – und ebnete ihm zugleich den Weg zur Illustratorenkarriere. Nun gestaltet er unsere neue Kolumne „Zimmerpflanze“. Wir freuen uns schon auf Crassula! Seite 146 — Was würden Sie gern erfinden?

Ein Übersetzungsprogramm für Gedanken. Welches Motto sollte 2021 tragen?

„See you soon, take care!“

Ella Vargas ist erblich vorbelastet, zum Glück für uns: Ihre Eltern sind nämlich Glasbläser. Dass Ella nun, nach ihrem Innenarchitekturstudium mit Schwerpunkt Visuelle Kommunikation, als GrafikTrainee zu uns stößt, passt sogar noch viel besser. „Mein erstes Layout war das Haus, das Hubert Zandberg in London mit einem raffinierten Konzept wiederkehrender Farben eingerichtet hat. Was für ein Einstand!“ Das finden wir auch. Seite 114 — Mit welchem Designer würdest du gerne dinieren? Verner Panton. Deine heimliche Passion? Farben und ihre Wirkung! Dein schönster Besitz? Die mundgeblasenen Vasen meiner Eltern.

Fotos: Johanna Schmitz; Taran Wilkhu; Marina Jannesson

Taran Wilkhu reiste gleich doppelt zurück in die Vergangenheit: Als der Londoner Fotograf nämlich das Zuhause der Künstlerin Sarah Kaye Rodden in Kent besuchte, war der britische Lockdown gerade gelockert worden – und alles ein bisschen wie früher. Aber auch das Gebäude aus dem 15. Jahrhundert nahm ihn sofort gefangen: „Sarah lädt das Haus mit ihrer Kunst ganz neu auf. Es ist, als könne man dort in ihrer Gedankenwelt umherwandern.“ Seite 132 — Was würden Sie gerne erfinden?

Einen japanischen Zaisu: einen Stuhl ohne Beine, aber mit Lehne. My home is my … soul.

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Stil Tr채umer, Macherinnen, Ikonen: Das sind die 100 wichtigsten Kreativen 2021. Sie gestalten die Gegenwart und lassen uns heute schon die Welt von morgen erahnen: Wir haben die 100 derzeit wichtigsten Designerinnen und Architekten gefragt, wovon sie tr채umen, was sie inspiriert, was sie bereuen. Und wir zeigen, womit sie, trotz allem, gerade unser Leben bereichern. Texte von: Mona Bergers, Sally Fuls, Simone Herrmann, Lilian Ingenkamp, Karin Jaeger, Reinhard Krause, Andreas K체hnlein, Nina Lang, Valerie Pr채kelt, Leonie Rolinck, Bettina Schneuer und Florian Siebeck

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Der Symphoniker

#ADinfluencer Ikone

Pierre Yovanovitch @pierre.yovanovitch

„Materialien, Texturen, Lichtstimmung, Formen, Farben – alles, was meine Interieurs und Mö­ belentwürfe ausmacht“, sagt der Pariser Raum­ künstler, „habe ich aus der Natur. Sie ist das A …“ Und das O? „Ist die Kunst. Ein starkes In­ terieur braucht den Dialog, das gibt Räumen eine geistige Dimension.“ Atmosphäre. Jene aus Strenge und Feingefühl gemischte Poesie, wie sie dem großen Jean-Michel Frank eigen war. Da kommt es nicht von ungefähr, dass Yova­novitch neben Bjarke Ingels' „The Xi“-Pent­houses in New York nun auch das einstige Pariser Apartment des Art déco-Idols eingerichtet – und auf neue Art zum Klingen gebracht hat. — Welchen Traum haben Sie?

Porträt: Matthieu Salvaing

Eine Oper zu komponieren! Am liebsten für Jessye Norman, aber das geht ja leider nicht mehr. Von ihrer radikalen Interpretation der Klassik, ihrer Besessenheit und Präzision lerne ich so viel.

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#ADinfluencer Ikone

India Mahdavi @indiamahdavi

Zieh! Der Rattansessel unten steht wie ein Revolverheld vor dem Harlekintisch, hat aber auch die grünen Glasbeeren des Lüsters „Clover“ im Visier … In ihrem Pariser Showroom in der Rue de Bellechasse 29 setzt India Mahdavi Arbeiten von Künstlern und Designtalenten in Beziehung zu ihren eigenen, etwa der Regal­skulptur „Bruno“ (re.). Und knipst so jenes Kopfkino an, für das die polyglotte Iranerin berühmt ist. Räume wie ein westöstlicher Diwan für die Fantasie. — Was schauen Sie zu Hause gerne an?

Ein großes Fragezeichen aus Bronze. Weil es mich immer daran erinnert, dass die Frage wichtiger ist als die Antwort.

Fotos: Simone Bossi (2); Porträt: Sabine Mirlesse

Die Queen of Color


#ADinfluencer Ikone

Der Tausendsassa Sebastian Herkner … sagt zwar, er sei Designer. Zu vermuten ist aber: dass er in Wirklichkeit das Klonen angewandt und sich selbst vermehrfacht hat. Anders ist sein sensationeller Output physikalisch jedenfalls nicht mehr zu erklären. Sogar im Corona-Jahr hat der Offenbacher Pi mal Daumen 35 neue Produkte oder Produkterweiterungen lanciert. Etwa für Fritz Hansen (Sessel „Let“ o.), für Cappellini (Sofa „Litos“ o. re.) oder Pulpo (Tische „Pina“ g. o. re.) – ohne Abnutzungserscheinungen jedoch, dafür: mit Lust an dicken Polstern, schlanken Beinen und „nachhaltigen Lösungen für eine verantwortungsvolle Zukunft“. — Die Produkte, die ich entwerfe …  … sollen Freunde fürs Leben werden, nachhaltig

hergestellt von großartigen Handwerkern. Mein Zuhause ist … … kein Ort. Eher ein Gefühl – oder ein schöner

Moment mit meinem Partner oder Freunden.

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Fotos: Fritz Hansen; Cappellini; Pulpo; Porträt: Evelyn Dragan

@ sebas tianherkner


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David Flack Interiors entwarf David Flack schon als Kind; und zwar im Schuppen des elterlichen Gartens. Heute spielt er im eigenen Studio-Space in Fitzroy, Melbourne, weiter mit Materialien und Farben. Damit seine Raumkreationen niemals glatt wirken, verpasst er ihnen immer auch eigensinnige Blickfänge, gern MemphisObjekte wie hier der gestreifte Übertopf von Studio Ciao. „Ich liebe ihre Formen, das Unhöfliche!“, erklärt der Australier. — Was ist Ihr liebster Besitz?

Ein Buch über Gio Ponti. Haben Sie eine heimliche Obsession?

Auto, Eisenbahn und Flugzeug. Ihre Inspirationsquelle: Fitzroy!

Porträt: Anson Smart

Der Stilbrecher

@ flacks tudio _

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#ADinfluencer

Paradiesvögel

Fotos: Joe Kramm, Courtesy of R & Company Gallery; Elena Salmistraro; Emanuele Tortora; Porträts: Mason Poole; Jacopo Gospel Quaggia; Perrier-Jouët

Von bunt bis schrill: Diese Designer schöpfen aus dem Vollen und zeigen Haltung – extrastark!

Die Skurrilen

Die Couragierte

Die Aktivistin

The Haas Brothers

Elena Salmistraro

Bethan Laura Wood

@ thehaasbrother s

@ elenasalmis traro

@b ethanlaurawo o d

Vielleicht ist es nur Zufall, dass es in den USA einst ein professionelles Wrestling-Duo gab, das sich „The Haas Brothers“ nannte. Und doch haben die Entwürfe von Nikolai und Simon Haas, die heute unter diesem Namen in Los Angeles Kunst mit Design verschmelzen, ein bisschen was vom Show-Charakter der Sportlerbrüder: zottelige Sessel mit Hörnern, eine knubbelige Badewanne aus Tiger-Marmor oder Nussbaumgarnituren auf bibbernden Beinen (u.). Mit wem die Haas Brothers dort wohl dinieren würden? „Tony Duquette oder Gae Aulenti.“

„Stark und mutig wie ein Bär“ beschreibt nicht nur „Bernardo“, den knuffigen Ke­ ramikpanda u., den Elena Salmistraro für Bosa und den WWF entwarf. Es trifft auch auf die Mailänder Produktdesignerin und Künstlerin zu, die bereits mit 25 Jahren ihr eigenes Studio gründete. Seither bringt sie mit ihrem expressiven Stil (ihr Vorbild ist Alessandro Mendini) viel Farbe und Frische in die italienische Designwelt. Auch für ihre heimliche Leidenschaft benötigt sie eine gute Prise Mumm: „Ich liebe Splatterfilme! Wäre ich keine Gestalterin geworden, dann Kriminologin.“

Farbe bekennt Bethan Laura Wood mit ihren facettenreichen Designs, in denen sich auch gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln: „Unsere Kulturen basieren auf Schichten über Schichten von Konsumsystemen. Es kann so aber nicht endlos weitergehen. Bei meinen Kreationen spiele ich daher bewusst mit Kontrasten, etwa indem ich Materialien aus dem Wegwerfkontext einen luxuriösen Rahmen gebe.“ Beim Leuchter „Criss Cross Kite“ (u.), der mit dem Künstler Pietro Viero entstand, bedient sich die Londonerin bei PyrexGlas und Drahtseilen. Nachhaltig schön!

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#ADinfluencer Ikonen

Die Material-Magier

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Der Pionier

Der Freigeist

Der Herausforderer

Diese Designer schaffen Objekte, die nicht nur Blicke, sondern auch Berührungen anziehen.

Joseph Dirand

Patricia Urquiola

Hervé Van der Straeten

josephdirand.com

@patricia _ urquiola

@her vevander s traetengalerie

Er hat sich selbst einmal als „orna­ mentalen Minimalisten“ bezeichnet – welches Material läge da näher als exquisit gemaserter Stein? Joseph Dirand realisiert ruhige Stillleben aus Marmor oder Granit, g. o. „Ayers Green“ im Treppenaufgang des Res­ taurants „Le Jardinier“, das er 2019 in New York gestaltete. Luxus, das ist für den Pariser Interiorstar „die Suche nach Perfektion“. Der Weg dorthin: Mit seinen Ideen schafft er immer neue Herausforderungen für die Handwerkskünstler, die sie umsetzen – und andersherum.

Es gibt kaum ein Produkt, das sich Patricia Urquiola noch nicht vorge­ nommen hat. Und doch stellt sich bei der in Mailand lebenden Spanie­ rin kein Déjà-vu ein. Vielleicht weil meist mindestens ein unerwartetes Element ins Spiel kommt – bei der Konsole o. etwa kombinierte sie für die brasilianische Marke Etel FSCzertifiziertes Tropenholz mit einem Komposit aus Marmorresten und farbigen Wollflusen. Selbst Re- und Upcycling sind bei Urquiola nicht verkopfte Tüftelei, sondern Spaß am Spiel. Nach eigenen Regeln.

Als einer der Ersten füllte Hervé Van der Straeten die Grauzone zwi­ schen Kunst und Design mit Farbe. Und bis heute setzt er Maßstäbe, wenn es um feinstes Handwerk und elegant ausbalancierte Möbelkunst geht. Aus kühlem Edelstahl formt er etwa die wie ein Regenbogen schil­ lernde Konsole aus der Kollektion „Fun Ride“ ganz oben. „Mein Zuhause ist mein Spielplatz“, sagt der Pariser Designer. Übrigens auch der seiner Katze – die die Grenze zwischen Kunst und Kratzbaum vermutlich sehr individuell definiert.


Fotos: Adrien Dirand (2); Filippo Bamberghi; Cécil Mathieu; Carpenters Workshop Gallery; Vincent Desailly; E15 / Philipp Mainzer; Porträts: Nicola Carignani; Jo Magrean; Wichmann + Bendtsen; Didier Delmas; Diana Pfammatter

Die Puren

Der Alchemist

Der Dramatiker

#ADinfluencer Ikonen

Vincenzo De Cotiis

Vincent Darré

Farah Ebrahimi und Philipp Mainzer

@ vde cotiis

@ vincent _ darre

@ e1 5furniture

Bei ihm haben Vasen Augen, Tische scharren mit den Hufen, und Leuchten scheinen zu krabbeln. Vincent Darrés Hang zum Surrealen und Kuriosen ist nicht zu übersehen. Wenn der ehemalige Modedesigner sein Showroom-Apartment in der Pariser Rue Royale (g. o.) regelmäßig neu erfindet, entstehen mit selbst entworfenen Möbeln und Unterstützung der besten französischen Kunsthandwerker anspielungsreiche Inszenierungen. Nur konsequent, dass Darré gerade am Skript für ein Theaterstück arbeitet.

Erst retteten sie die Design-Ehre der deutschen Eiche, dann stellten sie ihr netterweise noch eine moderne bunte Großfamilie zur Seite: Seit 25 Jahren machen sich Ebrahimi und Mainzer mit ihrer Marke E15 um deutsches Design verdient. Dass Reeditionen vergessener Klassiker und neue Entwürfe, Holz, Marmor und Metall in Signaltönen prächtig harmonieren, dafür sorgt laut Ebrahimi die gemeinsame DNA: der „raffinierte Einsatz von Farbe, Form und Material in reinster Gestalt“.

„Schönheit bewegt mich“, sagt Vincenzo De Cotiis schlicht. Der Mailänder Architekt hat die Gabe, abgenutzte Materialien in vielschichtige Objekte von dunkler Strahlkraft zu transformieren. De Cotiis’ Sammlerstücke (o. Hocker aus Aluminiumguss und Messing aus der Serie „Éternel“) sind hochkomplex und ­zugleich „neoprimitiv“, sie erzählen von Zerfall und Neubeginn und dem kreativen Prozess als Akt der Heilung. De Cotiis’ aktuelle Ausstellung „Crossing Over“ läuft bis 3. Juni in seiner Mailänder Galerie und online.

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#ADinfluencer

Die Spirituellen Studiopepe „Pink Moon“ ist ein Song von Nick Drake. Und das jüngste Design von Arianna Lelli Mami und Chiara Di Pinto, die seit 2006 als Studiopepe von Mailand aus die Design­ szene poetisch aufladen. „Es handelt sich um einen Vollmond im April; ein Zeichen der Wiedergeburt“, erklären sie mit Blick auf die Stühle samt Tisch (unten) aus amerikanischem Ahorn. Gibt es eine bessere Geisteshaltung für das Jahr 2021? — Ihr bester Fehler bisher?

C: Den Bus in Mexiko zu verpassen und dadurch Arianna über den Weg zu laufen. Ihre heimliche Obsession?

A: Sammeln. Und dann alles archivieren.

Der Geometrische

@ s tudiop ep e _ of f icial

Giancarlo Valle Am Anfang ist der Ton. Jeden seiner Entwürfe formt Giancarlo Valle, der gelernte Architekt, der sich geometrische Möbel und Interiors zur Signatur machte, nämlich zuerst als Miniatur: „Die Ton-Modelle haben einen Maßstab von 1:12. Das mag vielleicht ein bisschen anachronistisch wirken, aber es befeuert genau die Ideen, die vielleicht nicht auf dem Computer oder durch Zeichnungen entstanden wären.“ In die Realität übersetzt der New Yorker seine Visionen – wie bei der Mansion in Watch Hill oben – ­dafür umso großzügiger: Mutige Farben und starke Muster treffen auf vielfältige Materialien und kreieren im Zusammenspiel eine dramatische Bühne. „Bewohnbarkeit trifft bei meinen Räumen eben immer auch auf Theatralik. Denn sie bringt erst die notwendige Fantasie in den Alltag.“ — Ihre heimliche Obsession? Crocs-Clogs. Ihr bester Fehler bisher? Den falschen Stoff zu bestellen! Ich verwende

den Bouclé-Stoff „Karakorum“ von Dedar seitdem in jedem Projekt. Ich sehe ein gutes Interior, wenn … der Designer darin nicht zu erkennen ist.

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Fotos: David Cleveland; Porträts: Stephen Kent Johnson; Andrea Ferrari

@ s tudiogianc arlovalle


#ADinfluencer

David Adjaye @adjaye _visual _ sketchb o ok, @adjayeas so ciate s

Gutes für viele statt immer mehr für wenige, das ist die Philosophie des britischen Architekten. In Abu Dhabi entsteht daraus bald das Abrahamic Family House u., ein Denkmal der Verständigung zwischen den Religionen. „Die Art, wie Architektur einen Ort interpretiert“, sagt Adjaye, „kann eine Konversation voranbringen und helfen, Annahmen über die Welt neu zu bewerten.“ Dass diese Überzeugung bei ihm bezwingende Formen findet (auch bei den Möbeln, etwa seinem skulpturalen „Washington Skeleton Chair“ für Knoll), ist der visionären Kraft eines Gestalters zu verdanken, der Bescheidenheit und große Gesten vereint. — Woran erkennt man gelungenes Design? Man spürt das.

Jedes Material hat seine „Frequenz“, eine Schwingung, die Menschen zwar nicht sehen, aber fühlen können.

Porträt: Chris Schwagga; Rendering: © Adjaye Associates; Foto: Courtesy of Knoll

Der Idealist

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Der Eroberer

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Kopenhagen

Praxis statt Predigt: Der dänische Star-Architekt Bjarke Ingels propagiert das Leben auf dem Wasser. Und lebt selbst mit seiner Familie auf einem rasend modern gestalteten Fährboot im Hafen Kopenhagens. Text: Samuel Cochran / Styling: Julie Lysbo / Fotos: Pernille Loof und Thomas Loof

90


Zukunftsvision im Praxistest: Bjarke Ingels und Rut Otero auf der Treppe ihres Hausbootes, das im Hafen von Kopenhagen sanft schaukelt (li. Seite). Die Kalligraphie ist von Tomoko Kawao, Jamen Percys Fotografie zeigt „The Orb“, eine riesige, reflektierende Kugel, die Ingels’ Büro BIG beim Burning Man-Festival 2018 aufblasen ließ.


Das Beste aus Interior, Stil, Design, Kunst und Architektur. ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

NR. 216 100 KREATIVE

Formafantasma

India Mahdavi

Pierre Yovanovitch

David Chipperfield Patricia Urquiola

Luke Edward Hall

Benelux 8,80 €, Finnland 10,30 €, Frankreich 9,80 €, Griechenland 10,30 €, Großbritannien 10,40 £, Italien 9,80 €, Portugal (Cont.) 9,80 €, Spanien 9,80 €, Slowakei 9,80 €, Slowenien 9,80 €

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Snøhetta

Sebastian Herkner

Cristina Celestino

Ilse Crawford Hannes Peer

und viele mehr!

Die 100 Top-Kreativen 2021

ARCHITECTURAL DIGEST. Stil, Design, Kunst & Architektur

Cover: Helenio Barbetta / Living Inside

2 / 20 21 CONDÉ NAST GERMANY

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