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Das meiste Wachstum wird im Segment Snack-Gemüse erwartet

Henri Schockman, Levarht: “Das meiste Wachstum wird im Segment Snack-Gemüse erwartet”

Niederländisches Gewächshausgemüse hatte in dieser Saison einen großartigen Start. “Die Lieferung aus Spanien und Marokko endete aus verschiedenen Gründen früher bzw. wurde verzögert, wodurch es zu einer Lücke zwischen den Saisons kam. Der spanische Paprikaanbau beispielsweise hatte in der ersten Anbauphase recht viel Produktion, erlebte dann aber im zweiten Teil, zu Beginn des Jahres, viele kalte Nächte. Dies führte zu einem geringen Angebot, weshalb man in Nordwesteuropa früher auf das niederländische Produkt umsteigen wollte. In den Niederlanden war das Angebot noch unzureichend, was in der Woche vor Ostern zu einer hohen Nachfrage und höheren Paprikapreisen führte,” sagt der Global Sourcing Manager Henri Schockman von Levarht.

“Mittlerweile sehen wir, dass sich das Angebot in den Niederlanden normalisiert und der Markt entspannter wird. Allerdings bleibt die Konsolidierung recht unregelmäßig, so dass es auch in den kommenden Wochen noch Höhen und Tiefen geben wird, wenn auch nicht so extrem wie vor Ostern,” so Henri weiter. “Was die Anbaufläche betrifft, haben wir eine leichte Reduktion bei grünem Paprika und eine Zunahme bei orangefarbenem Paprika, aber die Fläche des letzteren wurde im letzten Jahr auch drastisch reduziert. Alles in allem erwarte ich aus Anbauperspektive eine in etwa ähnliche Saison.”

GUTE POSITION IN MEXIKO

„Außerdem sehen wir als Ergebnis der Corona-Pandemie, dass es mehrere Variablen gibt, die einen Einfluss haben. Die Verfügbarkeit von Luftfracht hat sich immer noch nicht erholt und davon sind wir besonders bei Exporten nach Nordamerika betroffen, da viele Produkte immer noch mit Passagierflügen transportiert werden. Speziell für die Vereinigten Staaten haben wir es auch mit einer erheblichen Ausweitung des kanadischen Anbaus zu tun. Unser Vorteil ist jetzt, dass wir eine gute Position in der mexikanischen Ernte haben. In dem Moment, in dem in Amerika zusätzlicher Bedarf entsteht, haben wir die Informationen schnell zur Hand, um von den Niederlanden aus zu reagieren und anzupassen.” „Bei Exporten in den Nahen Osten liegt das Problem nicht so sehr bei der Luftfracht, sondern viel mehr bei den Expats, die uns in diesem Markt wegen der Abriegelung fehlen. Ich erwarte jedoch, dass, wenn sich die Welt schneller von diesem Virus erholt, dies einen positiven Einfluss auf die Nachfrage nach unseren gesunden Produkten haben wird. Es ist kein Zufall, dass die Vereinten Nationen Obst und Gemüse in diesem Jahr zu einer Priorität erklärt haben. Ich habe große Erwartungen, dass es einige positive Veränderungen in der Denkweise der Verbraucher geben wird. Obwohl es toll wäre, wenn die Regierung ihren Worten Taten folgen ließe und die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse senken würde.”

TREND ZU SNACKS

Auf Produktebene sieht Henri vor allem im Bereich Snackgemüse Wachstumschancen. „Einerseits ist dies auf die steigende Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln zurückzuführen, aber auch auf Verbrauchertrends. Wir sehen, dass die junge Generation doch eine ganz andere Einstellung zum Essen hat, wobei die Einkäufe viel stärker auf Bequemlichkeit und Schnelligkeit ausgerichtet sind. Innerhalb des Tomatensegments sehen wir eine Verschiebung, die hierzu parallel verläuft. In diesem Jahr wurde das noch dadurch verstärkt, indem ein Teil der Erzeuger von losen Tomaten – deren Absatz in Richtung Gastronomie entfiel – in ein anderes Segment wechselte. Im Übrigen gehe ich davon aus, dass es in bestimmten Märkten auch weiterhin eine ausreichende Nachfrage nach losen Tomaten geben wird, vor allem wenn die Gastronomie wieder öffnet.”

„Levarht ist traditionell vor allem für den Export nach Übersee bekannt, aber in den letzten Jahren hat unser Absatz an den Einzelhandel in Nordwest- und Mitteleuropa deutlich zugenommen. Das Schöne ist, dass wir uns auf Gewächshausgemüse wie auch auf Trauben und Melonen spezialisiert haben. Das stärkt sich gegenseitig. Unsere ‘Gewächshausgemüse-Kunden’ werden auch Obst bei uns kaufen und umgekehrt,” bemerkt Henri. Die Auswirkungen des Brexit seien beherrschbar gewesen, so der Global Sourcing Manager. „Dies wurde im letzten Jahr doch genau beobachtet. Es ist nicht einfacher geworden, aber die Situation ist auch nicht so spannend geworden, wie sie anfangs schien, auch weil die Vorschriften für die Inspektionen vorverlegt wurden.”

NACHHALTIG UND INNOVATIV

Das Bio-Sortiment hat bei Levarht noch einen geringen Anteil. “Wir liefern es vor allem zusätzlich, wenn unsere Kunden Bioprodukte zur Ergänzung ihres normalen Sortiments wünschen. Wir sehen, dass mehr Bio-Gemüse aus Spanien geliefert wird, weil man dort traditionell im Boden anbaut. Auch in den Niederlanden ist dies

eine Diskussion über Nachhaltigkeit, die meiner Meinung nach noch geführt werden muss. Wir verkaufen Produkte in Amerika als ‘organic’, während wir sie in den Niederlanden nicht als Bio verkaufen dürfen. Bio ist eine tolle Sache für bestimmte Kulturen, aber es sollte mehr darauf geachtet werden, wie innovativ und nachhaltig der traditionelle niederländische Gewächshausanbau ist, mit all seiner Aufmerksamkeit für die Umwelt und die Umgebung. Wir sind Pioniere in der Welt. Nicht umsonst ist die gesamte niederländische GartenbauLieferkette weltweit aktiv.”

Levarht hat auch ein wachsames Auge auf Verbrauchertrends im Bereich Verpackung. „Vor Corona gab es ein großes Augenmerk auf die Plastikreduktion. Das Corona-Jahr hat uns auch gelehrt, dass Kunststoff Vorteile in Bezug auf Benutzerfreundlichkeit und Hygiene hat. Wir sind nicht gegen die Reduzierung von Plastik, aber durchaus dann, wenn die Hygiene und Benutzerfreundlichkeit darunter leidet. Auch in diesem Bereich beachten wir die Wünsche unserer Kunden genau und haben dafür eigens einen Nachhaltigkeitsmanager eingestellt.”

BIG DATA

„Wir sehen auch, dass die Kunden zunehmend auf die Zuverlässigkeit der Supply Chain achten. Die Frage geht weit über das Angebot der Produkte hinaus. Ich bin gespannt auf die zukünftigen Vertriebsmodelle. Noch macht der traditionelle Einzelhandel den Großteil des Absatzes aus, aber der Online-Verkauf hat dank Corona enorm zugelegt. Wir selbst werden nicht so schnell in eine B2C-Plattform einsteigen, weil wir dann mit unseren eigenen Einzelhandelskunden konkurrieren würden, aber auf B2B-Ebene könnte eine E-Commerce-Plattform in Zeiten des Überangebots durchaus einen Bedarf decken. Wir sehen auch, dass Big Data immer wichtiger wird. Schon heute verknüpfen wir Daten mit Wetterinformationen in einem Modell, um uns ein besseres Bild über die zu erwartenden Aufträge zu machen. Je mehr Daten hinzugefügt werden, desto präziser wird dies. Der nächste Schritt ist, dies mit den Daten aus der Produktion zu verknüpfen, um Angebot und Verkauf nahtlos aufeinander abstimmen zu können.” (IH) 

Das Levarht-Gebäude in Aalsmeer

HSchockman@levarht.nl