10 minute read

Ganz Deutschland schaut nach Nürnberg

Tanja Dworschak: “Unser nächstes Ziel sind Kräuter auf fünf Ebenen“

Das Knoblauchsland im Zentrum der deutschen Gewächshaus-Innovation “Ganz Deutschland schaut nach Nürnberg”

Im Städte-Dreieck zwischen Nürnberg, Fürth und Erlangen liegt mit dem Knoblauchland eines der wohl innovativsten Gemüseanbaugebiete Deutschlands. Die Region hat zwar schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vielerorts mit dem spezialisierten Gemüseanbau begonnen, mit Eintritt der dritten Generation der Erzeugerfamilien entstand im Knoblauchsland jedoch eine ganz neue Dynamik.

Im Herzen des fränkischen Innovationsdrangs sitzt Florian Wolz, seit 2004 Geschäftsführer der Franken-Gemüse Knoblauchsland eG, der mit der Vermarktungsorganisation die Erzeugnisse von über 50 Betrieben an regionale und überregionale Groß- und Einzelhändler liefert.

INNOVATION UND DAS KNOBLAUCHSLAND

„Das Knoblauchsland ist geprägt durch die vielen Familienbetriebe, deren Anbau mitunter bis zu drei Generationen versorgen muss. So fand um die Jahrtausendwende ein weitreichender Wechsel vom Freilandanbau auf großen Flächen, hin zu intensivem Anbau im Gewächshaus, statt“, erinnert sich Wolz. „Die ersten zehn Betriebe begannen in den ersten Jahren des Jahrtausends mit dem Anbau von Tomaten und Gurken im Gewächshaus – ein Trend, der sich bis heute immer weiterentwickelt hat.“

Aufgrund der räumlichen Eingrenzung zwischen den drei Städten musste die Wertschöpfung in den letzten 20 Jahren immer weiter erhöht werden, da eine Erweiterung der Fläche nicht möglich war. „Die Erzeuger in der Region haben Mut bewiesen und wir konnten beobachten, wie aus Gärtnern Unternehmer wurden.“

Vom hydroponischen Anbau, über Salatautomaten bis hin zum Exotenanbau Mit Tomaten und Gurken in den NullerJahren war es aber natürlich nicht getan. 2012 war Fritz Boss der erste Erzeuger für Erdbeeren in Substratrinnen in Bayern. Deutschlands erster vollautomatisierter, hydroponischer Salatanbau entstand 2015 beim Frankengemüse-Erzeuger Jochen Haubner. Deutschlands erstes Doppelstockgewächshaus steht bei der Nürnberger Kräutererzeugerin Tanja Dworschak.

In 2021 geht es weiter mit den Innovationen: Weitere Erzeuger möchten Ende des Jahres ihren ersten hydroponischen Salat ernten, immer mehr Automaten mit frischem Salat stehen im Stadtgebiet Nürnberg, frischer Knoblauchsländer Ingwer in der zweiten Saison und eine zunehmend moderne Produktionstechnik sind weitere zukunftsorientierte Entwicklungen im Städte-Dreieck. Dank sei den jungen Betriebsleitern, so Wolz: „Die Dichte und der Zusammenhalt unter den Jungbauern in der Region ist etwas ganz Besonderes. Man inspiriert und motiviert sich gegenseitig – das Resultat ist eine besondere Dynamik und ein großer Innovationsdrang.“

In seinen 17 Jahren an der Spitze der Vermarktungsorganisation hat Wolz beobach-

Christian Hofmann: “Wir setzen auf Wertschöpfung statt Masse“

tet, wie sich das Knoblauchsland und die Erzeuger der Region auf dem modernen Obst- und Gemüsemarkt bewiesen haben: „Jetzt möchten wir innovativ bleiben, und so die Zukunft sichern. Es macht Spaß zu sehen, wie sich die Region gemeinsam weiterentwickelt.“

Die Niederlande sind in vieler Hinsicht die Vorreiter beim Gewächshausanbau, wobei hierfür oftmals die deutsche Zögerlichkeit als Grund genannt wird. Große Projekte werden gerne über Jahre hinweg geplant. „Wir springen mit zwei Beinen rein, wenn die Nachfrage am Markt da ist – diese schnelle Reaktion ist, was die Region auszeichnet“, weiß Christian Hofmann von der Gemüsebau HOFMANN GBR in Fürth. Das Unternehmen ist eines von vier mit Gewächshausfläche für den hydroponischen Anbau von Salat im Knoblauchsland – in Zukunft möchte man sich jedoch noch weiter spezialisieren und in Zusammenarbeit mit der Franken-Gemüse Knoblauchsland eG weitere Marktlücken am deutschen Markt schließen. Die Stärke der Region liege auch in der Kooperation und Koordination der Betriebe, findet Hofmann: „Wir haben viele junge, motivierte Gärtner in unseren Reihen und wir arbeiten im Team. Vier HydroponikGärtner auf so engem Raum funktionieren nur mit guter Abstimmung, nur so kann man sich dann auch im Handel behaupten. Hier setzen wir auf Wertschöpfung statt Masse – das spiegelt sich auch in den Geschäftsergebnissen der Genossenschaft wieder, die der vergleichsweise kleinen Fläche trotzen.“

„Das Knoblauchsland ist immer im Gespräch im deutschen Gemüsebau“ „Wir wollen das Beste aus unserer kleinen Fläche rausholen, und das schon seit den 60ern“, so Hofmann. „Wir können uns nicht durch große Flächen auszeichnen, also tun wir das durch Innovation. So vermeiden wir die Konkurrenz mit der Großproduktion im Freiland und das Knoblauchsland bleibt immer im Gespräch im deutschen Gemüsebau.“

Und das Konzept geht auf: „Der Sektor entwickelt sich sehr gut. Der Gewächshausanbau hat Vorteile bei der Nachhaltigkeit, die immer mehr ins Zentrum des öffentlichen Diskurses rückt. So sehen wir deutschlandweit die Gewächshäuser aus dem Boden sprießen und niederländisches Fruchtgemüse konnte in den Preiseinstieg verdrängt werden. Der nächste Schritt ist nun der Salat, dem sicherlich noch Weiteres folgen wird.“ Tanja Dworschak – die selbsternannte Kräuterhexe aus Nürnberg – führt ihren Kräuterbetrieb bereits seit 1994 als Biobetrieb und ist Besitzerin des ersten Doppelstockgewächshauses Deutschlands. Damit ist es jedoch nicht getan – die Unternehmerin möchte in der Zukunft (wortwörtlich) noch höher hinaus.

Der Beginn des Bioland KräuterGut Dworschak-Fleischmann liegt bei der Urgroßmutter der heutigen Geschäftsführerin. Diese hatte im Krieg ihren Mann, Vater und Sohn verloren und führte den Betrieb mit ihren Töchtern. Die Frauenpower liegt dem Unternehmen also quasi im Blut. Dworschaks Vater und Großvater bauten gemeinsam das erste Gewächshaus der Region, sie selbst ist seit ihrem 16. Lebensjahr ein fester Bestandteil der Erzeugergemeinschaft der Region.

„Zu Beginn haben wir mit Tomaten und Paprika gearbeitet, ich hatte aber schon immer einen Hang zu Kräutern. Der Anfang kam dann mit einem halben Hektar BioTopfkräutern“, erinnert sich Dworschak. Der große Flächendruck der Region machte auch ihr zu schaffen: „Man braucht Ausgleichsflächen, Industrie, Gewerbe, Wohnungsbau, Wald, Flughafen und Autobahn – alle kämpfen in der Region um ihren Platz. Wir mussten also schon seit jeher effektiv mit unserer Fläche umgehen.“ 2010 begann sie mit den Versuchen zum Anbau auf zwei Ebenen, 2015 baute sie dann ihr Gewächshaus mit insgesamt 13.000m² Anbaufläche. „Das Produkt muss ehrlich und stimmig sein“ Tanja Dworschak ist stetig auf der Suche nach Möglichkeiten ihren Betrieb weiter zu entwickeln, sowohl in Bezug auf Produktivität, als auch auf Umwelt- und Sozial-

Stefan Scherzer:

“Man muss nicht immer bis nach Holland fahren um innovative Gewächshäuser zu sehen“

standards. 1996 begann sie ihre Kräuter mit Biolandsiegel zu produzieren. „Der Leitspruch des Verbandes war damals ‚Zum Wohle für Menschen und Natur‘, das habe ich mir sehr zu Herzen genommen. Daher beschäftige ich zum Beispiel auch Menschen mit Schwerbehinderungen und schwer vermittelbare Personen. Mein Wechsel zum bioveganen Anbau hat das dann alles abgerundet.“

Heute gibt es aus dem Hause Dworschak 240 verschiedene Kräutersorten – vom Zitronengras, über Jiao Gulan, bis hin zu den Klassikern im Sortiment wie Petersilie, Minze oder Kerbel. „Gerade bei den Hauptsorten ist die Nachfrage aus dem Lebensmitteleinzelhandel gerade besonders groß. Ein Trendprodukt ist hier definitiv der Koriander. Was in den 80ern und 90ern der Basilikum war, ist heute der Koriander, der oft in der asiatischen Küche Anwendung findet.“

„BIOKONFORM AUF MEHREREN EBENEN PRODUZIEREN IST SPANNEND“

Als Vorreiterin bei den Doppelstockgewächshäusern in Deutschland ist der nächste Schritt natürlich ebenso ambitioniert: „In Zukunft würden wir gerne auf noch mehr Ebenen anbauen, dafür führen wir bereits Tests mit fünf Ebenen durch. Das wäre dann der nächste Rekord“, lacht Dworschak.

Die Spannung liege hierbei in der Konformität mit Bio-Normen: „Die Krux sind bei diesem Unterfangen die Auflagen für Bio und die vegane Düngung. Es gibt viele Faktoren die erfüllt werden müssen um engstehende Pflanzen ohne konventionelle Pflanzenschutzmittel gesund zu halten. Es bleibt also spannend – ich freue mich auf die nächste Herausforderung!“

Tomaten, Gurken, Paprika und Auberginen – die Familie Scherzer ist ein etablierter Name beim traditionellen Gewächshausanbau, sowohl in Franken als auch außerhalb. Das neue Projekt bringt nun auch ein neues Standbein für Geschäftsführer Stefan Scherzer: Im November möchte das Unternehmen den ersten Salat aus hydroponischem Anbau auf den Markt bringen. Damit ist das Unternehmen eines von vier in der Region, die mit dieser höchstmodernen Anbaumethode arbeiten.

Der hydroponische Anbau kommt mit vielen Vorteilen: Weniger Wasserbedarf, weniger Nährstoffe die hinzugefügt werden müssen, weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Personal. Alles Faktoren, die in Zukunft immer wichtiger werden, so Stefan Scherzer. „Meiner Meinung nach ist der hydroponische Anbau der Weg für die Zukunft und bietet einen Mehrwert für Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen.“

Der Bau sei eine große Investition und man habe die Entscheidung nicht auf die leichte Schulter genommen: „Man setzt sich zusammen und macht sich Gedanken, ob es der richtige Weg und der richtige Zeitpunkt ist. Sowohl im Unternehmen, mit meinem Bruder und Vater, als auch in der Gemeinschaft im Knoblauchsland.“

VOLL IM TREND?

Der hydroponische Anbau ermöglicht es Scherzer, den deutschen Lebensmitteleinzelhandel ganzjährig mit frischem Wurzelsalat zu versorgen. „So wollen wir uns von den niederländischen und belgischen Importen unabhängiger machen – mit der Regionalität im Rücken glauben wir an den Erfolg.“ Die Regionalität ist jedoch nicht der einzige Trend, die Nachhaltigkeitsthema-

“Als Exot aus regionalem Anbau liegt unser fränkischer Ingwer voll im Trend“

Exotische Kultivare werden immer beliebter für den Anbau in Deutschland und Europa. Verbraucher interessieren sich mehr und mehr für internationale Küche und das spiegelt sich im Bedarf des Lebensmitteleinzelhandels wieder. Gleichzeitig begünstigt der Klimawandel den Anbau von Sorten, die das mildere Klima suchen. Bei der Höfler Gemüse GbR aus dem Knoblauchsland wird inzwischen Ingwer angebaut.

„Die Meisterschule für die Fachrichtung Gemüsebau macht schon länger Praxisversuche mit Ingwer und wir pflegen einen Kontakt zur Institution. So ist uns aufgefallen, dass Ingwer auch was für uns wäre“, berichtet Peter Höfler. Die passende Fläche dafür stand auch schon bereit: „Wir haben 3.000m² ältere Gewächshäuser aus den 60er- und 80er-Jahren. Da bauen wir in den Wintermonaten Rucola an – ab März bietet sich die Fläche für den Ingweranbau an.“

Während getrockneter Ingwer bereits eine gewisse Stellung am Markt hat, ist frischer Ingwer noch eine Nische in der Nische, weiß Höfler: „Jetzt geht es darum einen guten Absatzkanal für unseren Ingwer zu finden und das ist gar nicht mal so einfach. Wir verzeichnen ein gewisses Absatzplus auf den Wochenmärkten, generell bedarf es aber noch Aufklärungsarbeit bei den Verbrauchern. Der Ingwer ist ein Top-Produkt, frisch, aromatisch und gesund – das wollen wir vermitteln.“ Als natürliches Antibiotikum und exotisches Produkt aus regionalem Anbau liege der fränkische Ingwer voll im Trend.

peter.hoefler@hoeflergemuese.de

Florian Wolz

tik ist neben dem Flächendrang ein großer Pluspunkt des Gewächshausanbaus. „Wir sehen ein wachsendes Interesse an der CO2-Neutralität im Gemüsebau. Unsere zwei Betriebsstandorte in Nürnberg und Dinkelsbühl sind mit Fernwärme und Hackschnitzelheizung beheizt.“ Damit sehe man sich für die nächsten Jahre erst mal gewappnet.

Den Freilandanbau hat die Scherzer Gemüse GmbH schon 2013 komplett hinter sich gelassen. „In den Jahren seit der Wende sind immer mehr Produkte aus dem Freiland für uns weggefallen, durch unsere Spezialisierung auf den Gewächshausanbau konnten unsere Freiland-Kollegen diese Produkte, wie beispielsweise Radieschen, Karotten oder Rhabarber, in ihr Sortiment mit aufnehmen. Das Gleichgewicht in der Region blieb also bestehen, auch wenn die Schwerpunkte von Unternehmen zu Unternehmen anders gesetzt wurden.“

„WENN DER EINE INNOVATIV IST, MÖCHTE DER ANDERE NICHT HINTEN AN STEHEN“

Konkurrenz gäbe es unter den Knoblauchsländer Erzeugern nicht, findet Stefan Scherzer: „Es ist ein freundlicher Wettstreit, der eine interessante Dynamik unter den jungen Betriebsleitern ins Rollen bringt. Man tauscht sich aus, man schaut was der Nachbar macht – und wenn der Eine innovativ ist, möchte der Andere natürlich nicht hinten an stehen.“

Es ginge jedoch nicht darum sich untereinander zu beweisen, sondern um den konstruktiven Austausch: „Der Gemüsebau ist ein hartes Geschäft. Wir alle kümmern uns um unsere Betriebe und möchten sie zukunftssicher machen. Das erfordert ein genaues Auge auf den Markt, technologische Entwicklungen und manchmal auch ein bisschen Kreativität. Man muss nicht immer bis nach Holland fahren um innovative Gewächshäuser zu sehen: Der gemeinsame Innovationsdrang sorgt dafür, dass wir uns alle gegenseitig motivieren und die Region so zum Innovationsführer machen.“ (LH) 

wolz@franken-gemuese.de info@hofmanngemuese.de

info@kraeutergut.de stefan.scherzer@scherzer-gemuese.de

“Auch alteingesessene Firmen können Start-Up“

2015 nahm Jochen Haubner in seinem Betrieb die erste professionelle Hydroponik-Anlage Deutschlands in Betrieb. Auf knapp zwei Hektar sprießt und wächst am Standort in Nürnberg seither die Salatvielfalt – voll automatisch. Sechs Jahre später hat er ein neues Projekt.

Innovation kommt manchmal unverhofft und kleine Ideen können sich zu mehr entwickeln als ursprünglich erwartet. Das hat auch Jochen Haubner festgestellt, als er 2019 einen „Salatautomat“ von einer wortwörtlichen Schnapsidee in die Tat umgesetzt hat. Gemeinsam mit einem Bekannten, der selbst Sondermaschinen herstellt wurde der Automat entwickelt und steht jetzt an verschiedenen Standorten in und um Nürnberg.

“Die Salatschränke mit Bewässerung sind dafür designet unseren hydroponischen Salat mit Wurzelblock länger frisch zu halten . Die Schränke sollen je nach Bedarf bestückt werden – so wollen wir der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken”, erklärt Haubner. Der Salat könnte in diesen Schränken zwar auch angebaut werden, das hält er aber für weniger sinnvoll: “Für den Anbau am Point of Sale braucht man geschultes Personal und die Kunden können sich nicht selbst bedienen, was die Hürde zum Kauf größer macht.” Beim Salatauftomaten Salajoe® to go kann sich der Konsument einen Salat aussuchen, der dann per Greifarm ‘geerntet’ wird. “Indem wir die Schränke selbst bestücken sorgen wir dafür, dass immer nur genau die richtige Menge im Geschäft bereitsteht. So kann es keine Überproduktion geben und welker Salat in den Auslagen soll vermieden werden.”

haubner.info@gmx.de