mo: de I ss ue n o. 5 – 2 01 3 – O B E RF L Ä CHE
Mode ist in der Moderne wie eine orientalische Kolonie. Etwas, das als Ausgeschlossenes eingeschlossen ist. Nicht alles und doch zu viel. Unvernünftig und a-ökonomisch. Als ein solches Feld fasziniert die Mode, aber sie ist auch ausgegrenzt und gebrandmarkt: weibisch, frivol, oberflächlich.
re n e -l e z a rd . c o m
Text 003
Editorial ›Mode ist oberflächlich‹ – will sagen: seicht. Einfach zu sehr auf ihre äußere Wirkung bedacht, und das macht sie verdächtig. Deshalb zögern wir, steifes Baumwollpiqué und fließende Seide als sinnliche Erlebnisse zu begreifen oder in einem gelungenen Faltenwurf eine künstlerische Aussage zu erkennen. Eigentlich ist nicht einzusehen, weshalb Kleider nicht durch ihren Anblick und ihre Materialität begeistern dürfen – wird Mode nicht vor allem entworfen, um unsere Körper individuell zu umhüllen? Die fünfte Ausgabe von [mo:de] ist dem Thema Oberfläche gewidmet. Für das jährlich erscheinende Magazin der AMD Akademie Mode & Design nahmen wir uns im Abschlussjahrgang als angehende Modejournalisten die Freiheit, aus der konventionellen Magazinstruktur auszubrechen, indem wir ihre gestalterischen Elemente isolierten: Text und Bild. Farbige Punkte auf den Seiten zeigen an, wie Fotos, Illustrationen, Interviews und Lesestücke zusammengehören. Mit der Oberfläche des Magazins zu experimentieren bedeutet, seine Erscheinungsform und unsere Sehgewohnheiten zu überdenken; Bildstrecken und Typographie können sich verselbstständigen und bekommen mehr Aufmerksamkeit – sie stellen neue inhaltliche und visuelle Bezüge her.
Mode zeigen wir aus unterschiedlichen Blickwinkeln: ›Dia Show‹ stellt die interessantesten Prints aus den aktuellen Kollektionen vor – als Projektionen auf weißen Kleidern; um außergewöhnliche Oberflächeneffekte mit Nagellack geht es in ›Naily News‹. Was hinter dem Sichtbaren steckt, führt in die Tiefe. ›Mode im Kreuzverhör‹ hinterfragt modische Praktiken, mit denen wir täglich konfrontiert werden: Vertrauen wir dem Nachrichtensprecher mehr, wenn sein Anzug gut sitzt? Verdankt Tatort-Kommissar Nick Tschiller seine harte Schale dem Kapuzenpullover und der Lederjacke – oder seinem Darsteller Til Schweiger? Und verführt die Bezeichnung N°5 auf einer Teepackung dazu, dass wir uns im Supermarkt mondänen Träumereien hingeben? Rund 170.000 Quadratzentimeter Oberfläche haben wir für [mo:de] mit Geschichten gefüllt. Dieses Magazin entfaltet seine Einzigartigkeit jedoch erst, indem Sie es betrachten, darin blättern und sich zu assoziativen Gedankenspielen inspirieren lassen – oder beim Lesen die Geschichten, die wir getrennt haben, in Ihrem Kopf wieder vereinen.
C over Z itat B arbara V inken C overfoto M atthias Z iegler
Die Nähe des entblößten Körpers spüren, oder die Haut mit Kleidern bedecken. Wenn es um die äußere Hülle des Menschen geht, reagieren wir sensibel – schließlich lässt sie jenseits ihrer Oberfläche tief blicken. 003
Inhalt Editorial P . 0 0 3 Contributors P . 0 0 7 Impressum P . 0 8 8 Sponsoren P . 0 8 9
P . 0 0 9 Vorteil:
Name
P . 0 1 3 Tech–à–porter
P . 0 1 5 Unter
der Oberfläche
P . 0 1 7 Kugelrund
P . 0 1 9 Maid
in Germany
P . 0 2 3 Kristallklar!
P . 0 2 5 Die
P . 0 3 1 Die
Mode im Kreuzverhör
Haut, in der ich wohne
P . 0 3 5 Plastik
P . 0 3 9 »Wir
Planet
denken alle in Klischees«
P . 0 4 1 Liebeserklärungen
P . 0 4 7 Schuh-Werke
P . 0 4 9 Des
Meeres und der Psyche Wellen
P . 0 5 1 Alles
in Ordnung?
P . 0 5 9 Naily
P . 0 6 1 Ein
News
Tick zu viel?
P . 0 6 7 Sprechen
Sie Mode?
P . 0 6 9 Hautsachen
P . 0 7 3 DiaShow
P . 0 7 5 Die
eingebildete Kranke
P . 0 7 7 Weiche
P . 0 7 9 Und
Schale, harter Kern
gebenedeit sei mein Leib
P . 0 8 1 Abgespaced!
P . 0 8 3 PersonaliT
P . 0 8 7 10 x klug 005
Contributors P. 0 3 1 + P. 0 3 5
Matthias Ziegler Der 1964 geborene Fotograf lernte sein Handwerk ganz traditionell: in einer Ausbildung an der Bayerischen Lehranstalt für Fotografie in München. Dann zog es ihn hinaus, für seine Reportagen reist er um die Welt und begegnete Künstlern wie Ai Weiwei, den er für die deutsche Vogue ablichtete. Für [mo:de] gab er sich dem Thema Haut hin: er widmete sich dieser sensiblen Oberfläche in einem sehr intimen und persönlichen Shooting.
P. 0 6 9
Oliver Spies
P. 0 2 5 + P. 0 6 7
Martin Denker Mode? Genau damit hat der junge Grafiker, der gerade frisch von der Uni kommt, eigentlich wenig am Hut, trotzdem wurde gleich geschnippelt und gescannt. Und die Kollagen waren sogar ruck-zuck erledigt: »Insgesamt habe ich ein paar Stunden dran gesessen, und es hat super viel Spaß gemacht.« Was der große Denker aus den aktuellen Werbekampagnen der internationalen Designer gezaubert hat, sehen Sie in ›Die Mode im Kreuzverhör‹. Und weil er schon mal dabei war, hat er ›Sprechen sie Mode?‹ auch gleich noch bebildert. Unser Modeexperte!
Um die Welt reisen und dabei schöne und bekannte Gesichter fotografieren – Oliver Spies hat seinen Traum zum Beruf gemacht und sich auf eindringliche Portraits spezialisiert. Meist pendelt er zwischen München und Paris – dort entstanden, hinter den Kulissen der Fashion Week, die Aufnahmen der Models für ›Hautsachen‹.
P. 0 1 5 + P. 0 7 3
Marcus Schäfer Der Münchner Fotograf fährt öffentlich, »weil ich gerne Musik höre und dabei skurrile Leute beobachte«. Die perfekte Besetzung also für ›Unter der Oberfläche‹, unser Shooting in der U-Bahn, bei dem ein männliches Model die weibliche Hauptrolle spielte: »Ich habe es bis Abends nicht geschafft, ›sie‹ zur ihr zu sagen.« Einfacher hatte es der 25-Jährige, der auch schon für das finnische Modemagazin Revs und die Zeitschrift Quality fotografierte, bei der Produktion zu ›Dia Show‹. Model Sophie bezauberte ihn mit ihrer natürlichen Ausstrahlung und machte jegliche Gender-Studie überflüssig!
P. 0 4 9
Martin Fengel Großflächige Blütenmotive scheinen an den Wänden der U-Bahn-Station Moosach in München zu sprießen – sie stammen von Martin Fengel, der auch für das Zeit Magazin illustriert. Für uns erweckt er in ›Des Meeres und der Psyche Wellen‹ die Figuren einer Kurzgeschichte zum Leben. Bekannt wurde der 49-Jährige eigentlich als Fotograf – erst kürzlich erschien sein Buch »Martin Fengel. On Photography«.
P. 0 7 5
Tina Berning Eigentlich begann ihre Karriere als Grafikdesignerin, doch seit dreizehn Jahren widmet sich die Wahl-Berlinerin hauptsächlich der Illustration. Mit großem Erfolg: neben zahlreichen Ausstellungen wurden ihre Arbeiten bereits in der italienischen Vogue, dem Playboy und der New York Times veröffentlicht. Für uns brachte Tina Berning die Gedankenwelt der psychischen Störungen an die Oberfläche: ›Die eingebildete Kranke‹.
P. 0 0 9
Stephanie Füssenich Sie fotografiert am liebsten Menschen – und braucht an einer unbekannten Location nur Sekunden um zu entscheiden, wie ein gutes Bild entsteht. Publikationen wie Neon und Nido, das Zeit Magazin oder das Süddeutsche Zeitung Magazin schätzen ihre außergewöhnlichen Aufnahmen. Für unsere Bildstrecke ›Vorteil: Name‹ hat Stephanie Füssenich Menschen mit besonderen Vornamen inszeniert – wie sie heißen, möchten wir an dieser Stelle noch nicht verraten.
P. 0 4 7
Magnus Lechner Sein Verhältnis zu Schuhen ist kein spezielles, er besitzt nur zirka zehn Paar – »Zählen auch Espandrilles?« Für uns entwickelte sich der 22-Jährige schnell zum Spezialisten und fotografierte die neuesten Modelle auf verschiedenen Untergründen in der Münchner BMW Welt: ›Schuh-Werke‹. Wenn er nicht gerade in Bastschuhen zur Uni geht, assistiert er dem Modefotografen Andreas Ortner oder fotografiert für das Männerlabel »Distorted People«.
P. 0 2 5
Barbara Vinken Sie ist die »bestangezogenste Professorin Deutschlands« – und lehrt an der LMU in München Allgemeine und Französische Literaturwissenschaft. Wir sprachen mit Barbara Vinken über Mode – und landeten natürlich in Paris: »Männer haben sich bis zur Französischen Revolution mehr geschmückt als die Frauen.« Auch über zeitgenössische Modemacher wie beispielsweise Martin Margiela schreibt Vinken und prüft ihre Kollektionen auf gesellschaftliche Relevanz. Ihr Buch »Angezogen. Das Geheimnis der Mode« wird im September im Verlag Klett-Cotta erscheinen. 007
Vorteil: Name T e x t J asmin V eider F oto S T E P H A N I E F U E S S E N I C H P roduktion M ichelle H artmann
von geburt an ist er unser ständiger Begleiter und ihn nicht zu erwähnen fast unmÜglich. beeinflusst unser vorname eigentlich wie wir uns entwickeln?
Die Zeiten, in denen Vornamen kostenlos waren, sind vorbei. Ein Scherz? Keineswegs! Denn wer heute ein Kind erwartet, hat nicht mehr nur die Wahl zwischen geläufigen Namen wie Maria, Lisa, Jakob oder Andreas. Wenn Stars wie Mariah Carey ihren Sohn ›Moroccan‹ oder Brian Adams seine Tochter ›Mirabelly Bunny‹ nennen, können das doch auch Normalos, oder? Plötzlich tun sich unendlich viele Möglichkeiten der Namensgebung auf. Und schon kommt die Kostenfrage ins Spiel: Wer nicht ausschließlich auf den eigenen Geschmack vertrauen möchte, nutzt heute das Internet und lässt sich für 10 Euro auf »namenkunde.de« eine Namensanalyse frei Haus liefern. Den Nachnamen kann man sich dort natürlich nicht aussuchen, aber wenigstens gleich mit hinterfragen. Das kostet dann zusätzlich 25 Euro; geboten bekommt man Herkunft, historische Bedeutung und die heutige Wahrnehmung des Namens. Aber warum sind Eltern so besessen von der Benennung ihres Sprosses? Zum einen könnte es daran liegen, dass der Vorname einer der Faktoren ist, der sich selbst im Zeitalter der Selbstoptimierung nicht so einfach ändern lässt – wir behalten ihn ein Leben lang. Zum anderen könnte es auch sein, dass Eltern den Vornamen mit Erwartungen verknüpfen – hat mein Kind einen verheißungsvollen Namen, wird es sich auch dementsprechend entwickeln. Aber bestimmt ein Vorname automatisch wer wir sind? Oder werden? Die Oldenburger Lehramtsabsolventin Julia Kube und die Pädagogikprofessorin Astrid Kaiser kommen zu klaren Ergebnissen. Im Zuge einer Masterarbeit befragten sie die Lehrer einer Grundschule zu ihren Assoziationen mit bestimmten Namen. Das Ergebnis dürfte die Kevins dieser Welt nicht besonders freuen – in den Bewertungen stuften die Lehrer Kinder mit diesem Namen als weniger leistungsstark und verhaltensauffälliger ein. Eine Teilnehmerin soll sogar gesagt haben: »Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose.« Da tröstet es kaum, dass Chantal, Mandy und Justin dieses Schicksal mit ihm teilen. Denn wenn wir einen Vornamen hören, stellen wir uns die Person dahinter vor und urteilen über Alter, Attraktivität und Intelligenz. Ein Justin hat nicht den Vorteil des Vornamens Alexander, der als zeitlos gilt oder den eines Felix, der als modern empfunden wird. Es ist also keine Überraschung, dass immer mehr Eltern bei der Wahl des Vornamens nicht mehr nur auf ihr Bauchgefühl vertrauen, sondern sich professionelle Hilfe wünschen. Rat finden sie in Elternratgebern oder Statistiken wie etwa der Uni Leipzig, die jedes Jahr aufs Neue Listen mit den beliebtesten Vornamen veröffentlicht. Als weitere Inspirationsquelle dient der Wirtschaftsinformatiker Knud Bielefeld, der sich seit 17 Jahren als Hobby-Namensforscher betätigt. Wie er auf Vornamen kommt? »Vielleicht hat es mit meiner eigenen Geschichte zu tun«, sagt Bielefeld in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Bei Knud ist das Thema Vorname schließlich mehr als präsent. Doch als er sich in den Neunzigern intensiv mit seinem eigenen Namen auseinandersetzen möchte, findet er im Netz kaum brauchbare Seiten. Er beginnt selbst zu recherchieren. Heute betreibt er eine Internetplatt-
Bei der Namensgebung geht der Trend zur Individualisierung: heute haben nur noch zwei Prozent der Kinder den gleichen Vornamen.
form, die eine der wichtigsten Ranglisten für Vornamen in Deutschland führt. Zusammen mit fünf Helfern arbeitet er sich dafür durch über 430 verschiedene Quellen, wie die sogenannten Babygalerien auf den Websites von Kliniken, oder Amtsblätter, in denen Standesämter aktuelle Vornamen drucken. Damit schafft er es, jedes vierte Neugeborene in seiner Datenbank zu erfassen. Tagtäglich besuchen rund 25.000 Menschen Bielefelds Seite. Trotz allem lässt sich mit Vornamensforschung nicht wirklich viel verdienen. Seine Mitarbeiter finanziert er ausschließlich durch Anzeigen auf der Website. Aber ein Vorname ist für Bielefeld mehr als der Bestandteil einer Liste – für ihn ist er wie eine Schatzsuche. Auch deshalb, weil Vornamen, wie er sagt, nicht unbedingt etwas über uns selbst, sondern über unsere Eltern aussagen. Können über den Vornamen also Rückschlüsse auf unsere Herkunft getroffen werden? Die Antwort des Soziologen und Namensforschers Jürgen Gerhards auf diese Frage lautet ganz klar »Ja«. Laut ihm kann ein Name Auskunft über das Alter einer Person geben, wie etwa sein eigener – Jürgen – der in den fünfziger Jahren sehr beliebt war. »Wäre ein Jürgen erst 25 Jahre alt, würde das mein Interesse an seinen Eltern wecken. Denn sie hätten ihrem Sohn einen Namen gegen den Trend gegeben.« Und Trends unterliegen Eltern bei der Namensgebung allemal. Ganz besonders dem der Individualisierung, die laut Jürgen Gerhards seit dem 19. Jahrhundert stark zugenommen hat: »Es gibt immer mehr Vornamen, weil die Menschen mehr Wert darauf legen, dass ihr Kind nicht den gleichen Namen hat wie andere Kinder.« Wenn Eltern sich angeblich so bemühen, ihrem Spross das Gefühl zu geben, so einzigartig wie möglich zu sein, warum scheint es dann so, dass es vor Emmas, Mias und Bens nur so wimmelt? Zum einen liegt das an den Ämtern, die auch den Zweit-, oder Drittnamen mitzählen, was einer Marie schon zu einer Top-Platzierung in der Liste der beliebtesten Vornamen verholfen hat. Zum anderen liegt es an der Tatsache, dass bei der Namenswahl die persönlichen Erinnerungen und Vorlieben eine große Rolle spielen: Heißt eine charismatische und erfolgreiche Bestseller-Protagonistin Emily, kann es gut sein, dass bei der Einschulung ein paar Jahre später die eigene Tochter nicht die einzige Emily sein wird. Doch trotz dieser Orientierung an berühmten Vorbildern geht der Trend ganz klar zur Individualisierung – vor 15 bis 20 Jahren trugen noch 10 bis 15 Prozent aller Kinder den gleichen Vornamen, heute sind es nur noch zwei Prozent.
009
Davon, bei der Wahl zu exzentrisch zu sein, mit Namen wie ›Nympha‹ oder ›Agamemnon‹, rät Gerhards ab – damit wären Kinder der Gefahr ausgesetzt, in der Schule gehänselt zu werden. Für Eltern ist es also gar nicht so leicht, einen Namen zu finden, der einerseits individuell ist, aber nicht abgehoben klingt, und den andererseits nicht schon fünf Nachbarskinder tragen. Komplett frei sind werdende Eltern bei der Wahl des Vornamens aber ohnehin nicht. So ist es in Deutschland nicht erlaubt, Familiennamen, geographische Namen oder Adelstitel zu verwenden. Zudem darf der Vorname das Kind nicht lächerlich machen, auch Sachbezeichnungen wie ›Eisenbahn‹ oder ›Telefon‹ sind absolut ungeeignet. Und Vornamen historischer oder biblischer Persönlichkeiten, die schlechte Assoziationen hervorrufen, sind nicht erlaubt. Die letzte Entscheidungsgewalt, ob ein Vorname geeignet ist oder nicht und letztendlich im Personenregister eingetragen wird, obliegt dem Standesamt. Aber was tun, wenn der Nachwuchs nach all der Mühe doch nicht mit dem Vornamen zurechtkommt? Wenn zum Beispiel die Wahl auf Scarlett fällt, und für Stirnrunzeln sorgt – weil Scarlett O’Hara in der Literaturverfilmung »Vom Winde verweht« grandios klang, in Kombination mit einem Nachnamen wie Hintergruber aber höchstens die Schwärmerei ihrer Mutter für Clark Gable verrät. Oder ein Jesus, der seit 1998 in Deutschland auch als Name erlaubt ist, von seinen Freunden ständig an seinen historischen Werdegang erinnert wird. Dann ändert das Standesamt Vornamen – ganz frei von jeder Zeremonie. Einzige Bedingung: Der Grund muss gewichtig genug sein. Als Begründung zugelassen etwa sind Vornamen, bei denen das Geschlecht des Trägers nicht klar erkennbar ist, wie etwa bei Kim. Und Namen, die provokant oder lächerlich klingen, wie Osama oder Moët, zwei Jungennamen die bereits Träger gefunden haben. Auch wenn sich nach einer Einbürgerung Probleme mit der Schreibweise oder Aussprache ergeben, besteht die Möglichkeit, den Vornamen zu ändern. Und Personen, die eine Geschlechtsumwandlung planen, können einen Antrag auf Namensänderung stellen. Welche Vorurteile wir gegenüber Namen haben, zeigt eine Studie der technischen Universität in Chemnitz: 149 Probanden wurde ein Fragebogen vorgelegt, in dem sie nur anhand des Namens über Alter, Attraktivität und Intelligenz der Namensträger urteilen sollten. Ergebnis: Je jünger ein Vorname klingt und die Person dahinter eingeschätzt wird, desto attraktiver und intelligenter wird sie beurteilt. Unser Vorname
ist also nicht nur zu Schulzeiten einer vorab Bewertung ausgesetzt, sondern kann uns auch in unserem späteren Leben Vor- oder Nachteile bereiten. In den USA etwa werden Fotos bei Bewerbungen nicht beigelegt, der Name verrät jedoch häufig die ethnische Zugehörigkeit: »Wie ein Experiment zeigte, haben Job-Bewerber es schwerer, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, wenn sie einen Vornamen haben, der eher unter Schwarzen üblich ist. Für Berlin gibt es eine ähnliche Studie: Dort erwies sich bei der Bewerbung um eine Wohnung ein türkischer Name als Nachteil«, erklärt Jürgen Gerhards. Unser (Vor-)Name ist weit mehr als ein paar Buchstaben, festgehalten auf der Geburtsurkunde. Wikipedia schreibt als Definition: »Ein Name ist ein verbaler Zugriff auf eine Informationsmenge über ein Individuum.« Was bedeuten würde, dass uns für den ersten Eindruck nicht einmal Sekunden bleiben, mit der Nennung des Namens wäre jede Entscheidung gefallen – der Vorname als ›Identitätsmarker‹. Ganz so dramatisch ist es nicht, wie Gerhards beruhigt: »Der eigene Name ist sicherlich wichtig, aber ich würde ihm auch nicht zu viel Wert beimessen. Dafür, wie ein Leben verläuft, spielen härtere Faktoren eine wichtige Rolle: Welche Erziehung erhält ein Kind oder welchen Bildungsweg schlägt es ein.« Gibt der Vorname vielleicht auch darauf einen Hinweis? Eltern aus bildungsfernen Schichten orientieren sich gerne an amerikanischen Serien und Filmen und geben Kindern Vornamen wie Ashley oder Whitney. Akademiker dagegen greifen auf Klassisches und Biblisches zurück, wie Friedrich, Martin, Erna oder Luise – die Vornamen der Großväter und Tanten, die aufgrund von Tradition und Familienbewusstsein gegeben werden. Die Gründe, weshalb man diesen oder jenen Vornamen wählt, sind so vielfältig wie die Vornamen selbst. Ein Name kann den Grundstein für die Zukunft legen; die Schuld an persönlichen Misserfolgen aber nur auf den eigenen Vornamen zu schieben, wäre übertrieben. Vielmehr hilft es, die positiven und negativen Seiten eines Vornamens zu kennen – wie man damit umgeht, liegt bei jedem selbst. Bei Angie hätte ja auch niemand vermutet, dass sie mal Bundeskanzlerin wird.
Leistungsstark oder verhaltensauffällig? Wie Kinder von Lehrkräften beurteilt werden, hängt vielfach vom Vornamen ab.
»Die Schreibweise ist das Schlimmste – sogar in unserer Familie werde ich schon mal ›Yaklin‹ geschrieben. Mein Vorname wird außerdem gerne in Verbindung gebracht mit dem Film ›Der Schuh des Manitu‹. Darin sagt wohl irgendjemand zu einem Pferd ›Jacqueline, nicht so schnell, sonst kotzt du noch!‹. Alleine deswegen werde ich mir diesen Film niemals ansehen – ich protestiere!« J a c q u e l i n e M e i c h s n e r, 24
»In der Schule war ich sehr beliebt – ich war schließlich der, der immer die Partys organisiert hat. Als der Film ›Kevin allein zu Haus‹ erschien, hat das meinen Ruf gefestigt: man hat mich ständig mit der Filmfigur verglichen.« Kevin Johnbull, 30
»Es gab so super Wortspiele wie ›Clairanlage, Clairwerk, Clairasil, alles Clairchen, lass uns vor die Tür gehen was clairen.‹ – diese Veralberungen als Kind gingen mir ganz schön auf die Nerven. Wer glaubt, er hätte noch einen Spruch auf Lager: ich bin sicher – ich kenne alle!« C l a i r e B e c k e r, 2 2
»Mit meinem Vornamen habe ich keine besonders bemerkenswerten Erfahrungen gemacht. Obwohl: in der fünften Klasse wurde mir der Spitzname ›Denis Penis‹ gegeben – das war schon ein negatives Erlebnis, aber eigentlich das einzige.« Dennis Klemm, 19
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Tech – à – porter T e x t L aura W agner
F oto O laf U nverzart
Der deutsche Fotograf Olaf Unverzart hat über viele Jahre verschiedene Gletscher in den Alpen fotografiert – wie den Morteratsch, den Oberen Grindelwald, den Ghiacciao delle Piode oder den Praz Bouchet – und ihre Veränderungen in seinem Bildband ›Strata‹ dokumentiert.
Moisture-Management, TEMPERATURAUSGLEICH UND LEISTUNGSSTEIGERUNG VERSPRECHEN DIE ENTWICKLUNGEN der Textiltechnologie. SECHS INNOVATIVE STOFFE, DIE UNSERE PERFORMANCE Mäh? Baa! Neben den High Tech-Entwicklungen darf man die InnovatiIM SPORT VERBESSERN – onen bei natürlichen Materialen nicht unterschätzen: Die GANZ OHNE HARTES besonders atmungsaktive Wolle des Merinoschafs, das vor allem in Australien und Neuseeland gezüchtet wird, hat das TRAINING. »Energear« hört sich nicht nur wie ein Energiegetränk an – es hat auch eine ähnlich Wirkung: der Materialmix mit Mineralien ist eine Entwicklung des Schweizer Textilunternehmens Schoeller; er wird direkt in das Gewebe eingearbeitet und sorgt in Sportkleidung dafür, dass die vom Körper abgestrahlte Energie nicht durch den Stoff entweichen kann sondern reflektiert wird. Dies fördert die Blutzirkulation und erhöht den Sauerstoffanteil im Blut – die Leistungsfähigkeit steigt und man hält länger durch. Außerdem hilft »Energear« Sportwilligen, die zu wenig Zeit haben: es verkürzt die Aufwärmphase und man ist anschließend schneller wieder fit; sogar die Konzentration soll verbessert werden. Sind wir beim Mountainbiken oder Klettern eigentlich noch Mensch oder schon Maschine?
Faire Hülle Schoeller ist spezialisiert auf die Herstellung und Entwicklung von innovativen Geweben und legt viel Wert auf Nachhaltigkeit; so wurden beispielsweise Soft-Shell-Technologien entwickelt – also weiche Außen-Materialien – die die Funktionen von mehreren Textilien in sich vereinen. Der Einsatz von Kork sorgt in Kombination mit anderen Funktionsfasern für eine bessere Wärmedämmung, ohne die Atmungsaktivität des Stoffes zu beeinträchtigen. Die Besonderheit: es wird kein Kork extra abgebaut – das Unternehmen verwendet das Granulat, das beim Stanzen von Weinkorken als Abfallprodukt übrigbleibt.
Mach die Fliege Wir sagen Lebewohl zu ekelhaft riechenden Insektensprays und klebrigen Gels: das Bug Shield Long Sleeve hält fliegende und krabbelnde Biester durch die sogenannte Insect BlockerTechnologie fern: dem amerikanischen Label Columbia Sportswear Company ist es gelungen, einen Wirkstoff aus Blumen zu synthetisieren und so in die Bekleidung einzubringen, dass er Schutz vor Zecken, Fliegen, Stechmücken und anderen ungeliebtem Ungeziefer bietet – und das völlig geruchlos.
neuseeländische Sportbekleidungsunternehmen Icebreaker für seine neue GT Run Linie mit einigen technischen Feinheiten ausgestattet: die Merino-Produkte unterstützen den natürlichen Ausgleich der Körpertemperatur und sind atmungsaktiv, sie besitzen einen natürlichen UV-Schutz und sind geruchsabweisend. Außerdem kann die Kleidung mehrere Tage ohne Waschen getragen werden! Reflektierende Elemente sorgen für gute Sichtbarkeit in der Dämmerung, und sogar ein Kabelsystem für mp3-Player wurde intergiert. Jedes Produkt der GT Run Kollektion von Icebreaker besitzt einen sogenannten ›Baacode‹. Damit lassen sich alle Herstellungsschritte zurückverfolgen – von der Produktionsstätte bis hin zum Weideplatz der Schafe.
Klebstoffe Kratzende oder reibende Nähte wurden bei der Schweizer R’ADYS AG mit Hilfe einer neuartigen Laser- und Klebe-Technik abgeschafft: die Nähte der Hemden und Blusen sind dank Laser und Hochfrequenztechnologie besonders wasserdicht verschweißt; auch die Knopflöcher werden gelasert. Das verwendete R’dry Material besteht zu 94 Prozent aus Polyamid und zu sechs Prozent aus Elasthan. Die daraus hergestellte Kleidung fühlt sich angenehm auf der Haut an und trocknet schnell nach dem Schwitzen. Zusätzlich bietet der Stoff durch seine Laserbearbeitung einen ausreichenden UV-Schutz.
Zirkeltraining Sechs Millionen Tonnen Plastikmüll landen Jahr für Jahr in unseren Ozeanen. Das schwedische Textilunternehmen Houdini hat sich entschlossen, dagegen etwas zu unternehmen und entwickelte das Motion Jacket. Die winddichte Jacke besteht zu hundert Prozent aus recycelten PET-Flaschen, die zu Polyester verarbeitet werden. Dank dem geschlossenen Materialkreislauf kann sie auch nach Gebrauch komplett neu verwertet werden. Innovative High-Tech-Textilien machen unsere Sportbekleidung immer mehr zu einer modernen Rüstung des Menschen. Wir können uns im Gym und in den Bergen neuen Herausforderungen stellen – und haben keine faulen Ausreden mehr.
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T e x t T atjana P eco G edicht N aomi J ö dicke / J asmin V eider F oto M arcus S ch ä fer P roduktion & S tyling T atjana P eco H aare & M ake - up J ana P erlewitz M odel M atei à H offmann / A gentur T une M odel M anagement
Unter der Oberfläche Blicke im Aufzug, ein einsamer Bahnsteig — nur das Klackern der HighHeels auf dem spiegelnden Fliesenboden. Letzte Sonnenstrahlen auf der Rolltreppe, die uns abwärts in den Untergrund führt. Die Stadt ist leer geworden und kalt. Gedanken umhüllen uns wie Kleider aus einem Traum.
Es scheint, als sei sie nie bewusst da, die Idee ist ein Wunder. Ein Funken, ein Hauch – nicht mehr scheinbar ewig an der Oberfläche. Matt, glatt – ein Gefühl kaum glitzernd und glänzend – schön; von unten und oben ins Sichtbare geschoben. Der zweite Blick es entlarvt die Sinne scheinbar furchtbar schlau. Die Wolken getränkt, ein Lichtstrahl, Klarheit eines unklaren Traums. Gefangen im Schönen ist es ein Schweres sich zu entwöhnen; und als schwer gilt es die Form zu wahren kaum weniger die Ästhetik des Schönen. Im Ursprung das Innerste nach außen breche, das Hässliche steht da, lüftend das Geheimnis und die Quell verspiegelnd ein Wechsel – schnell und beständig.
(1) Oberteil mit Schulterdetail von COS (2) Bedruckter Blouson und Palazzohose von Zara (3) Oberteil COS – Kragen von H&M (4) Ärmelloses Kleid von Theresa Reiter (5) Jumpsuit von Urban Outfitters – Hut von H&M (6) Oberteil mit Schulterdetail von COS (7) Hose von Yohji Yamamoto – Top von COS (8) Bolero-Top von Zara – Hut von H&M (9) Rock von Mango – Shirt von COS – Tasche Vintage (10) Blazer und T-Shirt von Zara (11) Hose von Ann Demeulemeester – Top von Zara – Pumps: Vintage
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Kugelrund Die Perle besitzt den idealen Körper – sagen Mathematiker, denn: als Kugel umhüllt ihre minimale Oberfl äche ein maximales Volumen. Aber wollen wir wirklich Perlenschimmer gegen einen unscheinbaren Kern aufrechnen? Ein Pl ädoyer für die äuSSeren Werte!
Bei der Perlenzucht, die in japanischen, chinesischen, australischen und ozeanischen Küstengewässern betrieben wird, sind Geduld und Ausdauer gefragt; nur in etwa 30 % der mit einem Implantat versehenen Muscheln entwickelt sich eine Perle. Nur 10 % dieser Perlen sind brauchbar und lediglich 3 % der Perlen sind perfekt rund. Nur 0,5 % davon erreichen die höchste Qualitätsstufe in Farbe, Form, Oberflächenbeschaffenheit und Lüster. Die Farbe wird durch äußere Einflussfaktoren wie die Wassertemperatur und den Lebensraum bestimmt.
Perlenschmuck war über tausende von Jahren hinweg immer ein Symbol für Macht und Reichtum, damals wie heute galten echte Perlen als sehr teuer und kostbar. Im Römische Reich erlebte der Perlenhandel einen Höhepunkt, die Beute der Feldzüge wie auch der rege Handel mit ägyptischen Zwischenhändlern sorgten für den ständigen Nachschub dieser Kostbarkeit. Für die Römer bedeuten Perlen Liebe, Reinheit und Schönheit und entsprachen sinnbildlich der Göttin Venus. Im frühen Mittelalter wurde die Perle ein Symbol der Liebe Gottes. Maler dieser Zeit stellten Perlen auf Marienbildern dar oder verzierten ihre Werke damit.
T e x t V anessa G ross
Runde Sache
F oto H olger A lbrich
Miss Pearlfect
Schmuckgeschichte
Kugelsicher
Perlweiß
Das älteste bekannte PerlenSchmuckstück befindet sich in der persischen Galerie des Pariser Louvre, eine dreireihige Kette, die 2.500 Jahre in einem Sarkophag lag und bei Ausgrabungsarbeiten gefunden wurde.
Aufgrund ihrer organischen Beschaffenheit sind Perlen viel empfindlicher und weicher als Edelmetalle, deshalb zerkratzen oder zerbrechen sie schneller als anderer Schmuck. Daher ist eine besondere Pflege sehr wichtig. Bei Kontakt mit Cremes, Parfums, Seife oder Haarspray verlieren die Perlen ihren Glanz.
Nach 30 Ehejahren feiert man die sogenannte Perlenhochzeit, zu der man traditionell eine Perlenkette vom Partner geschenkt bekommt. Jede einzelne Perle steht für ein besonderes Erlebnis während der gemeinsamen Zeit als Ehepaar.
Very Important Pearl Die berühmteste Perle der Welt ist »La Peregrina«, übersetzt die Pilgerin. Gefunden wurde sie im 16. Jahrhundert bei den Islas de las Perlas an der Pazifikküste Panamas. Die birnenförmige Perle wiegt 13,2 Gramm und ist für ihre außerordentliche Schönheit bekannt. Zuerst war sie im Besitz der Spanischen Krone. Von da an reiste die Perle durch viele königliche Schmuckschatullen. 1969 wurde sie für 37.000 US-Dollar bei Sotheby’s an den Schauspieler Richard Burton versteigert, der sie Elizabeth Taylor zum Valentinstag schenkte. Taylor ließ die Perle bei Cartier in ein Collier fassen. Nach ihrem Tod wurde das Collier im Dezember 2011 bei Sotheby’s in London für 10,5 Millionen US-Dollar versteigert.
Dunkler Klunker Eine der bekanntesten schwarzen Orient-Perlen ist die Azra. Sie ist das Herzstück einer Kette der russischen Kronjuwelen. Schätzungen zufolge müssen mehr als 15.000 Perlmuscheln aus der Natur geöffnet werden, um eine dieser Perlen zu finden.
Goldener Glanz In den goldlippigen Arten der Perlenauster Pinctada Maxima, die nur in den Gewässern um die Philippinen und Indonesien zu Hause sind, wachsen goldene Perlen. Sie sind sehr selten und ihre warmen Goldtöne entstehen vollkommen natürlich.
Perlentaucher Aus einem 7.000 Jahre alten Grab wurde in den Vereinigten Emiraten eine Perle geborgen. Der Fund zeigt, dass die Bevölkerung bereits im Frühneolithikum nach Muscheln tauchte – 2.500 Jahre früher als bisher belegt.
Die Iris des menschlichen Auges ist wie eine Perle – unverwechselbar und einzigartig: Iris Claus und Iris Dorle aus einer Fotoserie von Holger Albrich.
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Maid in Germany T e x t F elicitas C all
F oto L una W alther / M a x imilian B enke
(1) Rosi bei der Arbeit im Copyshop – wie jeden Samstag in ihrem Lieblings-Arbeitsoutfit. (2) Hannes ist mit seiner Arbeit sehr zufrieden – und vielleicht würde er anschließend gern in dem blank polierten Ferrari nach Hause fahren. (3) Ob Flugzeuge oder Musikinstrumente – Mehmet schätzt an seiner Arbeit, dass er von historischen Objekten umgeben ist. (4) Wer glaubt, dass Türsteher der härteste Job in einem Club ist, sollte Sascha an einem typischen Samstagmorgen besuchen. (5) Silvia hält weder etwas von chemischen Putzmitteln, noch von zu aufdringlichen Gästen.
Wer putzt eigentlich das Auto, das ich kaufe? Das Museum, in das ich seit Jahren geschleppt werde? Oder den Club, in den alle rennen? Wir trafen verschiedene Oberflächenspezialisten und lieSSen sie erzählen.
» Für den Sanitärbereich ist es wichtig, immer zusätzlich Kalkentferner zu verwenden.« Mehmet, 59, Vorarbeiter im Deutschen Museum, München
Ich arbeite mittlerweile seit 30 Jahren im Deutschen Museum. Angefangen habe ich als normale Putzkraft und seit 13 Jahren bin ich nun Vorarbeiter im Haus. Damit bin ich für die gesamte Reinigung zuständig. Die verschiedenen Oberflächen werden täglich von insgesamt 30 Mitarbeitern gereinigt: erst trocken, dann wird per Hand nass mit dem Mop gewischt, anschließend kommt die handgeführte Maschine zum Einsatz. Nach Veranstaltungen wird sogar die alte Beschichtung des Bodens entfernt, erneuert und versiegelt. Unsere Arbeitskleidung besteht aus dem Firmenanzug, bei der Sonderreinigung muss man einen speziellen Anzug tragen. Ich mache meine Arbeit gerne – obwohl ich früh aufstehen muss, denn um vier Uhr morgens beginnt meine Schicht. Ich muss alles vorbereiten und aufsperren. Alle anderen Kollegen und Mitarbeiter kommen um fünf Uhr. Für die Bodenreinigung verwenden wir ein sehr effektives, nicht allzu aggressives Mittel, für Glas verwenden wir Glasreiniger. In den sanitären Bereichen kommt der Kalkentferner und ein stärkeres Mittel namens Milizid zum Einsatz. Da das Deutsche Museum im ganzen Jahr nur sieben Tage geschlossen hat, arbeite ich auch oft an Feiertagen. Da muss ich mich dann etwas mehr für die Arbeit motivieren – aber das ist Gewöhnungssache.
» E ssigreiniger ist das beste und zugleich billigste Reinigungsmittel.« Silvia, 47, Pension Bergwald, Scheidegg
Ich arbeite in der Pension Bergwald in Scheidegg seit ungefähr zwei Jahren. Der Job ist ziemlich vielfältig. Mein Aufgabenfeld reicht von der Planung bis zum Putzen. Ich reinige fast alles mit biologisch abbaubaren Putzmitteln. Bei meinem früheren Job haben wir starke Mittel benutzt, die gehen auf 019
die Lunge und sind wirklich schlecht für die Gesundheit. Allgemein gilt: ist ein schwarzes Kreuz auf der Flasche, lieber die Finger davon lassen. Bei Toilette und Waschbecken ziehe ich immer Handschuhe an. Wenn ich manche Bettwäschen wechseln muss, zieh ich mir auch lieber Handschuhe an. In Sachen Kleidung habe ich Glück: Ich darf anziehen was ich will. Ich wollte auch mal ein Dirndl anziehen, das war mir dann aber doch zu schade. Es gibt nette Gäste, die sich bedanken und freuen, wie schön sauber alles ist. Andere behandeln mich unter Wert. Es gab mal einen Mann, der behauptete, dass ich ihn beleidigt hätte, weil ich nicht mit ihm ins Bett wollte. Meine Vorgängerin wurde einmal beschuldigt, etwas gestohlen zu haben. Unser Chef kennt uns und weiß zum Glück, dass wir so etwas nicht machen würden. Bei der Dusche ist es schwierig, alle noch so kleinen Ecken sauber zu bekommen. Der Kalk setzt sich schnell überall ab. Da bin ich dann auch mal länger mit der Zahnbürste beschäftigt um die Fugen zu putzen. Für die Oberfläche im Waschbecken benutze ich Scheuermilch. Das Wichtigste ist, alles immer trocken zu reiben, sonst bleiben Rückstände. Manche Nationalitäten achten mehr auf Sauberkeit als andere. Als einmal eine große Gruppe kam und wirklich alles dreckig war, war ich kurz davor, einfach zu kündigen. Die verschiedenen Oberflächen, die ich putze sind Holz bis Plastik über Geschirr, das nicht richtig sauber geworden ist. Wenn Gäste abreisen und neue kommen, muss die Ferienwohnung natürlich komplett geputzt werden: Das heißt für mich Bettwäsche wechseln, unter die Tische krabbeln, Spinnweben entfernen und so weiter. Im Keller ist eine Sauna und als ich die rausputzen sollte, kam ein vertrockneter Frosch zum Vorschein. Danach wollte ich auch erstmal ’nen Schnaps.
» M ein T ipp: immer genau hinsehen, damit es noch sauberer wird!« Hannes, 35, Autohaus Zitzmann, Nürnberg
Seit drei Jahren arbeite ich als Autoputzer bei einem großen Autohaus – man könnte sagen ich bin Auto-Kosmetiker und kümmere mich um die komplette Reinigung der Wagen innen und außen. Der Job ist eigentlich nicht besonders abwechslungsreich, denn obwohl die Autos an sich unterschiedlich sind, bleibt meine Tätigkeit immer gleich. Ich trage keine spezielle Arbeitskleidung, aber für mich empfiehlt es sich, mit Handschuhen zu putzen. Schwierig zu reinigen sind kaputter Lack und Felgen – machbar ist jedoch alles. Mein Tipp: immer genau hinsehen, damit es noch sauberer wird! (Name von der Redaktion geändert)
» F ußboden aus Stein krieg t man am besten mit normalem Putzmittel oder einem mit Wachs sauber.« Rosi, Copyshop, Fürth
Im Copyshop bin ich für die gesamte Reinigung zuständig. Das umfasst den Kundenbereich, den Lagerraum, das Büro, die Vitrine, die Küche, und die Toilette. Ich sauge Staub, wische den Boden und spüle in der Küche ab. Einmal im Jahr muss ich auch die Fenster im Lager putzen – allerdings tue ich das sehr ungern. Zu meinen Aufgaben gehört auch noch, das Papier aufzuräumen und den Müll rausbringen. Der größte Schmutzfaktor in einem Copyshop ist der Staub. Im Winter kommt noch der Straßenschmutz der Kundschaft hinzu. Mein Arbeitspensum hängt stark davon ab, wie ordentlich die Mitarbeiter unter der Woche arbeiten, da ich ja nur am Samstag zum Putzen komme. Wenn ich gründlich arbeite, brauche ich dafür zirka fünf bis sechs Stunden. Ich muss besonders darauf achten, dass ich die Kopierer und die anderen Maschinen nicht kaputt mache. Deshalb verwende ich einen Staubwedel und putze ganz vorsichtig, um ja nichts durcheinander zu bringen. Man muss unheimlich aufpassen, nicht versehentlich den Stecker der Geräte heraus zu ziehen. Einmal ist mir das schon passiert, dann gab es große Aufregung im Geschäft und es hat lange gedauert, bis die Mitarbeiter darauf kamen, warum der Kopierer nicht geht. Besonders schwierig zu reinigen sind Stickmaschinen. Für eine große mit vier Arbeitsplätzen habe ich mit Wasser, Putzmittel und Seife bestimmt zwei Stunden gebraucht. An Reinigungsmitteln verwende ich drei verschiedene Allzweckreiniger von Cillit Bang: Für das WC beispielsweise den weißen, zur Kalkentfernung und Aufhellung den orangefarbenen. Durch das darin enthaltene Oxygen wird alles wieder weiß. Ich muss darauf achten, meine Kleidung nicht versehentlich mit zu verfärben, deshalb ziehe ich dafür helle Hosen an. Eine spezielle Arbeitskleidung habe ich aber an sich nicht, ich kleide mich wie ich mich fühle, Hauptsache die Kleidung ist bequem. Deshalb trage ich am liebsten eine Jogginghose und ein leichtes T-Shirt, da man ja schon ins schwitzen kommt. Ich habe auch Handschuhe, die ziehe ich aber selten an, denn man spürt dann einfach nicht, ob etwas schon sauber ist oder nicht. Mein Job macht mir sehr viel Spaß, vor allem gefällt mir, dass ich mein eigener Herr bin. Ab und zu kommt mein Mann mit und hilft mir, wenn es zum Beispiel schwere Sachen zu tragen gibt.
» Wenn uns einmal die Zeit fehlt, wirklich alles gründlich zu reinigen, muss man in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen.« Zaban, 50, Vorarbeiter bei Zara, München
» S pülmittel ist ein Alleskönner.« Sascha, 30, Nachtclub Nachtschicht, Nürnberg
Ich arbeite seit drei Jahren in einem Nachtclub in Nürnberg und bin für die komplette Reinigung zuständig. Das umfasst den Boden, die Glasflächen und die Toiletten. Die verschiedenen Oberflächen sind: Fliesen, PVC, Glas und Holz. Bei Holz zum Beispiel muss man darauf achten, es beim Wischen nicht nass zu machen, Fliesen hingegen kann man mit viel Wasser reinigen, da sie ja nicht durchlässig sind. Bei Glas arbeiten wir mit einem Gummiabzug. Zum Putzen verwenden wir: Wischmops, Wischtücher und Schwämme, dazu noch eine Reinigungsmaschine, die den kompletten Boden säubern kann. An Putzmitteln verwenden wir Grundreiniger und Allzweckreiniger. Es lohnt sich meiner Ansicht nach übrigens nicht, endlos viele verschiedene Mittel zu kaufen – mit Spülmittel beispielsweise kriegt man alles sauber, egal was. Das wichtigste ist der Boden – der darf anschließend nicht mehr kleben und muss sauber sein. Der Job ist eigentlich nicht abwechslungsreich, ich mache immer das Gleiche. Allerdings sind Feiertage die härtesten Arbeitstage und Weihnachten und Silvester am allerschlimmsten. Wir arbeiten zu dritt und brauchen ungefähr fünf Stunden. An manchen Tagen brauchen wir schon mal sieben. Wir tragen keine spezielle Arbeitskleidung, nur zum Reinigen der Toiletten verwenden wir Handschuhe. Der Job macht mir Spaß, man powert sich hier richtig aus, ich bin immer in Bewegung und völlig platt wenn ich nach Hause komme. Das spart sozusagen das Fitness Studio. Ein BüroJob, bei dem man nur herum sitzt, wäre nichts für mich. Außerdem ist hier immer was los. Einmal haben wir in der Toilette im Club eine Tüte mit Drogen gefunden, die wird dann natürlich weggeschmissen. Handys bleiben auch immer wieder liegen, aber die holen sich die Leute meistens am nächsten Tag bei uns ab.
Ich arbeite erst seit acht Monaten bei Zara und bin für die Kontrolle und Einteilung der Putzkräfte zuständig. Ich muss darauf achten, dass die Kommunikation zwischen meinem Putz-Team und den Zara-Mitarbeitern stimmt. Ob sie freundlich zueinander sind, oder ob etwas geklaut wird – all das muss ich überwachen. Zur Zeit sind wir vierzehn Leute, darunter sind zwei sogenannte ›Tagesfrauen‹, eine beginnt wie ich um sechs Uhr früh, die andere fängt am Nachmittag an. Wir reinigen das Büro, das Geschäft und das Lager – und wer was zu tun hat teile ich ein. Die Zara-Mitarbeiter helfen zwar auch mit, aber den Großteil machen wir. Der Job macht mir nicht wirklich Spaß. Ich arbeite zusätzlich nachts, und wenn mir das Geld reichen würde, würde ich nicht putzen gehen. Mein Traumjob wäre eigentlich Handwerker oder Mechaniker, aber dafür ist es ja jetzt etwas spät. Wir verwenden eher harmlose Reinigungsmittel, wie zum Beispiel Milizid. Für den Boden und die Maschinen nehmen wir alkoholische Reiniger. Der Staubsauger ist unser wichtigstes Hilfsmitte, denn wegen der vielen Kleidung liegen jeden Tag überall Staub und Fussel herum – das ist wirklich gewaltig! Wenn uns einmal die Zeit fehlt, wirklich alles gründlich zu reinigen, muss man in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Für mich ist dann der Kundenbereich mit den Umkleideräumen am wichtigsten. Ich denke, dass die Kunden eine saubere Umkleide schon zu schätzen wissen. Vor meinem Team möchte ich als Freund auftreten, nicht als Chef. In diesem Job ist es sehr wichtig, wie man miteinander umgeht – denn wer nicht freundlich ist, bekommt das sofort von den anderen zu spüren. Auch wenn ich der Gruppenleiter bin, möchte ich mit meinen Kollegen auf Augenhöhe arbeiten und freue mich, dass mein Team seit sieben Monaten aus denselben Leuten besteht.
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T e x t V anessa G ross Z eichnung L ina
Kristallklar! Ein GroSSteil der Erdoberfl äche besteht aus Wasser – alle brauchen es, nicht jeder hat es, viele verschwenden es. Wir gehen dem Wasser auf den Grund. Wasser malt man natürlich mit Wasserfarben: Impression von Lina, vier Jahre
33 %
8.000
SCHLUCKSPECHT 8.000 Liter Wasser werden zur Herstellung einer einzigen Baumwolljeans verbraucht – das entspricht 888 Wasserkästen mit je sechs 1,5 Liter Flaschen. Eine Bio-Baumwoll-Jeans ist schonender für die Umwelt: für ihre Fertigung wird weniger Wasser verwendet; außerdem speichert der Boden ohne die Verwendung von Pestiziden mehr Wasser – dadurch muss die durstige Baumwollpflanze seltener gegossen werden.
KL ATSCHNASS Die Wolle eines Merinoschafs kann bis zu 33 % seines Trockengewichts an Wasser aufnehmen. Deshalb wird es in der Sportbekleidung so häufig verwendet. Selbst wenn die Faser nass ist, wärmt sie noch.
900 60
DURSTSTRECKE Die Wasserreserven unserer Erde sind ungleich verteilt; rund 900 Millionen Menschen – also jeder fünfte von uns – müssen ohne ausreichendes Trinkwasser auskommen. Laut einer Hochrechnung werden bis zum Jahr 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung unter Wasserknappheit leiden.
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Braune Brühe Deutschland verbraucht jährlich 160 Milliarden Kubikmeter Wasser, das ist mehr als das dreifache Volumen des Bodensees. Davon werden 9,9 Milliarden für die Kaffeeherstellung verbraucht – umgerechnet sind das ca. 40 Billionen Coffee to go. JUNGBRUNNEN Wer zu wenig trinkt, altert schneller. Trockene Haut verliert Spannkraft und wird faltig. Wasser strafft die äußere Hülle von innen. Folglich hält ein hoher Wasserkonsum jung und macht schön.
2 TROCKENE KEHLE Ein Pferd benötigt rund 40 Liter Wasser pro Tag, ein Elefant deutlich mehr: 150 Liter. Das Kamel verfügt sogar über elastische rote Blutkörperchen, die sich bei der Wasseraufnahme ausdehnen: so kann es bis zu 200 Liter innerhalb von nur 10 Minuten tanken.
VERDUNSTUNG Menschliches Blut enthält zur Hälfte Wasser. Auch unsere Muskeln und unser Gehirn bestehen zu 80 % Prozent aus dem kühlen Nass. Insgesamt besteht unser Körper somit aus rund 60 % H²O. Und davon schwitzen wir mindestens einen halben Liter täglich aus. Wer Sport macht, schafft auch mal bis zu sechs Liter.
1.622
HARNDRANG Jedes Mal, wenn wir die Toilette spülen verbrauchen wir Trinkwasser – täglich ca. 40 Liter pro Kopf. Auf das Jahr hochgerechnet macht das 14.600 Liter, das wären 1.622 Sixpacks Mineralwasser.
40.000
QUELLE Mehr als 40.000 Liter Wasser nimmt ein Mensch zu sich, wenn er die empfohlene Tagesration von 1,5 Litern über 75 Jahre hinweg trinkt. 023
Die Was passiert wenn man der Mode Fragen stellt? Wir haben es ausprobiert und heraus gefunden, was die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken über die Oberflächlichkeit der Mode sagt, warum T e x t N aomi J ö dicke I llustration M artin D enker
im
Mode Ganz schön gerissen: Die Kollagen aus den aktuellen Werbekampagnen der internationalen Modehäuser zeigen, dass man mit viel Phantasie durchaus aufregende Kombinationen kreieren kann. Von wegen Total Look …
schwarzer Tee uns an Coco Chanel erinnert und warum Til Schweiger seine Lieblings-TShirts gleich mehrfach kauft. Fünf Einblicke in den Status Quo der Mode.
Kreuzverhör 025
Mode ist Kultur » Die Mode ist der Inbegriff von Oberflächlichkeit«
[mo:de]5: Frau Vinken, der irische Schriftsteller und Dandy Oscar Wilde hat einmal gesagt »Die Mode ist so hässlich, dass sie alle sechs Monate geändert werden muss« – was halten Sie von dieser Aussage? Barbara Vinken: Oscar Wilde ist ein ›agent provocateur‹. Allerdings gibt es die Vorstellung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts, dass die Mode nicht klassisch schön ist, sondern um jeden Preis ins Auge stechen will. Der Architekt Adolf Loos hält sie für pervers; sie appelliert durch Überschmückung, die jeder modernen Ästhetik Hohn spricht, an das Tier im Mann. Mode leitet sich ab von ›modus‹ und ›modo‹ und bedeutet ›neu, jetzt‹. Heißt das automatisch, das die Mode schon von vornherein immer neu zu sein hat? Nein – nicht wenn man sich das genau ansieht. Das Aufkommen der Mode der Moderne würde ich um das 18. Jahrhundert ansetzen. Sie trennt nicht mehr die Klassen, sondern die Geschlechter. In den meisten Schriften zur Mode, wie beispielsweise bei Friedrich Wilhelm Nietzsche gilt der Anzug des Mannes als Inbegriff der modernen Ästhetik. Er ist funktional, »Form follows function«, und gibt sich explizit a-modisch. Der Anzug, von fast klassischer Beständigkeit und für fast alle Lebenslagen geeignet, zeigt nur minimalen Wandel. Wieso hat der Anzug scheinbar eine so große Bedeutung für die Mode? Ich würde es so definieren: Alles Modische in der Moderne ist im Prinzip gegen das moderne ästhetische Ideal gerichtet, wie es im Anzug für die republikanisch geprägten Demokratien erfunden wird. Der Anzug hingegen bleibt durch Negation auf die aristokratische Mode bezogen. Der bürgerliche Anzug ist also alles das, was die aristokratische Mode nicht ist. Gibt es Momente, in denen die Mode oberflächlich ist oder sogar sein muss? Die Mode ist der Inbegriff von Oberflächlichkeit. Aber vielleicht geht es eher um Diskurse über die Mode als um die Mode selbst. Vor der Französischen Revolution schmückte sich der adelige Mann mit Rüschen und Schleifen, kostbaren Spitzen und bestickter, bunter Seide; er trug Diamanten, schminkte sich und verbrachte den Tag damit, seinen schön geschmückten Körper zu weisen. Sein Platz in der Ordnung der Welt sollte auf den ersten Blick durch diesen Prunk offensichtlich werden. All das vermeidet der Bürger mit Fleiß. Er weist seinen Körper nicht, sondern hebt ihn in Körperschaften auf. Die Frauen hingegen erbten die aristokratische Zurschaustellung, wobei die transzendente Dimension wegfällt. Der adlige Körper verwies auf eine kosmische Ordnung, in der er als schönste Zierde glänzte. Mit dem Zusammenbruch dieses transzendenten Verweises spiegelte sich die Mode in reiner Oberflächlichkeit. Sie verweist auf nichts mehr als auf sich selbst. Wie sehen wir die Mode heutzutage? Ich glaube, Mode ist in der Moderne wie eine orientalische Kolonie. Etwas, das als Ausgeschlossenes eingeschlossen ist. Nicht alles und doch zu-
Mode ist Logomanie Die Auswahl an Teesorten in meinem Supermarkt ist gigantisch, sie reicht von Assamtee bis Ziegeltee, mit originellen Namen wie »Heiße Liebe« oder auch »Quelle der Erfrischung« versuchen die Marken mich zum Kauf anzuregen. Von Dallmayr gibt es einen Ceylon-Tee mit dem Namen »No5«, eine »feine Hochgewächsmischung mit zarten Teespitzen der besten Anbaugebiete in Sri Lanka«. Anders als die Konkurrenz im Teeregal kommt die Verpackung minimalistisch daher: in edlem Schwarz, mit schlichtem Schriftzug. Die Ähnlichkeit zum Design des legendären Parfums von Coco Chanel verblüfft. Mal ehrlich – »No5« ist weder ein origineller Name für ein Parfum noch für einen Tee. Chanel hat den Namen ihres ersten Duftes 1924 so erklärt: »Ich lanciere meine Kollektion immer am fünften Tag des fünften Monats, die Fünf scheint mir Glück zu bringen – daher will ich es ›No5‹ taufen«. Der prägnante Flakon wurde längst in die Sammlung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen, Künstler wie Andy Warhol oder Thomas Hirschhorn verwendeten sein Logo für ihre Arbeiten. Viele Frauen, die sich kein Chanel-Kostüm leisten können, möchten ein Stückchen vom Chanel-Kuchen kosten – bisher kaufte man dann vielleicht einfach einen Lippenstift der Marke. Und bei Dallmayr? Soll Tee nicht mehr nur schmecken, sondern einen Lifestyle vermitteln. Der französische Semiotiker Roland Barthes beschreibt das Phänomen in »Mythen des Alltags« so: Ein Gegenstand als solcher wird selten allein wahrgenommen, sondern mit bestimmten Emotionen verbunden; die Emotion kann zum Stellvertreter einer Sache werden, und deren Eigenschaften neu verknüpfen. Auf den Tee »No5« übertragen bedeutet dies, dass der chanelkundige Konsument seine, durch die Assoziation zum Parfum entstandenen Emotionen unbewusst auf den Tee projiziert. Ich habe mich für Dallmayrs »No5« entschieden – auch wenn ich genau weiß, dass er wie jeder andere Ceylon schmecken wird; aber da ist dieses diffuse Gefühl, dass er mich beim Öffnen ein wenig Luxus und Glamour schnuppern lässt.
Mode ist ein Gesellschaftsspiel Sonntagabend 20.15 Uhr – es ist »Tatort«Zeit. Über die Mode in Deutschlands beliebtester Abendserie wird selten gesprochen, dabei zeigt die Sendung ein interessantes Gesellschaftsbild verschiedener deutscher Städte. Sie bildet die Mode der Straße ab: vorherrschend sind Durchschnittsklamotten wie Jeans, bedruckte Shirts und abgewetzte Lederjacken. Kommissare stellt man sich sportlich vor. Die Kommissarinnen hingegen sollen ein dezentes Bild der weiblichen Reize zeigen, sie sind burschikos wie Ulrike Folkerts oder leger wie Maria Furtwängler. Die sehr weiblich gekleidete Nina Kunzendorf stach als Kommissarin Conny Mey heraus: verspielte Locken, gepushter Busen zum hautengen Top, Moonwashed-Jeans und Lederjacke, dazu rote oder weiße Cowboystiefel. Die 40-jährige Schauspielerin verkörperte alles andere als die typische Tatort-Kommissarin: sie war neu und anders, sozusagen die Personifikation des schlechten Geschmacks. Stilbewusstsein schien ihr gänzlich zu fehlen. Und die prolligen Täter gaben einen Spruch nach dem Nächsten über sie ab. Kein Wunder, dass dieser »Tatort« bei den Zuschauern ankam – neun Millionen Menschen sahen ihn im Durchschnitt. Das was den anderen Ermittlern an Sexyness fehlte, hat sich der »Frankfurter Tatort« immer wieder ins Kostümbild geschrieben. Die Zuschauer staunten über Conny Meys durchtrainierte Figur und tussige Kleidung. Die Kommissarin gibt es leider nicht mehr – Kunzendorf stieg nach nur fünf Fällen als »Tatort«-Kommissarin aus. »Es gibt eine neue Generation von ›Tatort‹, die sich auch über das Kostümbild trägt«, erklärt Ingken Benesch, die Kostümbildnerin des neuen »Hamburger Tatorts« mit Til Schweiger in der Hauptrolle. Bei den Männern gibt es gleich mehrere interessante Figuren: Das Duo Boerne und Thiel aus Münster. Der eitle Professor gespielt von Jan Josef Liefers und sein so gar nicht ins Bild passender Kollege Axel Prahl. Oder aber Devid Striesow, der als neuer Öko-Freak auf seinem Roller daherkommt. Das Kostümbild ist
viel. Unvernünftig und a-ökonomisch. Als ein solches Feld fasziniert die Mode, aber sie ist auch als solche ausgegrenzt und gebrandmarkt: weibisch, frivol, oberflächlich. Diese der Mode zugeschriebene unbeschreibliche Weiblichkeit hat nichts mit dem ›natürlichen‹ Geschlecht zu tun. Selbstverständlich können Männer die ›weibliche‹ Position besetzen, genau wie Frauen die männliche besetzen können. Warum ist die Mode nach wie vor ein weibliches Phänomen? Seit der Französischen Revolution definiert sich der Mann nicht mehr als modisches Wesen. Das überlässt er ganz dem jetzt schönen Geschlecht. Daran haben auch die Metrosexuals nichts geändert. Sehr schön sieht man diesen Unterschied heutzutage am Schminken: schminken, so dass man es sieht, tun sich nur die Frauen. Das Schminken ist heute doch ein wichtiges Schönheitsritual der Frau … Ja eben. Eine Errungenschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Zu Zeiten Baudelaires beispielsweise schminkten sich nur Schauspielerinnen und öffentliche Frauen. Heute schminken sich Frauen selbst in den entlegendsten Dörfern. Der weibliche Körper ist von den Locken bis zu den Zehennägeln künstlich, offensichtlich ›zurechtgemacht‹, geschminkt; die männliche Norm hingegen ist abgesehen vom Haarschnitt naturbelassen. Wie finden Sie die Darstellung der Mode in den deutschen Medien? Obwohl Mode im Trend liegt, wenn man so will, scheinen mir das Misstrauen und die Ablehnung gegenüber der Mode nicht aus der Welt. Das mag an der Dominanz des protestantischen Bildungsbürgertums hierzulande liegen. Mode wird kaum als Kunst, als Kunsthandwerk oder, ganz grundsätzlich, als gesellschaftliche Formgebung verstanden, in der Körperbilder entstehen und verhandelt werden. Oft fehlt es einfach an Sachverstand. Was braucht es denn, um ein guter Modejournalist zu sein? Zu wissen warum Kleider wie geschnitten sind – das technische Knowhow. Welche Stoffe wie fallen und was für Konnotationen sie tragen. Wie dadurch unser Körperbild erfunden wird. Wenn man das ernst nimmt, dann wird Mode mehr als Lifestyle, Schein und Oberfläche, mehr als Motor der Wirtschaft und nicht nur als weibliche Schwäche gesehen. Wann ist Mode eigentlich Mode? Ganz grundsätzlich würde ich sagen ist Mode immer dann Mode, wenn sie ein Kommentar über Kleider ist. Insofern ist Mode nie naiv, sondern immer reflexiv. Sie verhandelt Klasse, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht. Sie distanziert, ironisiert und umspielt sie. Sie macht diese Kategorien sichtbar, indem sie Kleider über Kleider macht. Ist Mode nicht gerade bei Fashion-Shows zu einer Art Nebensache geworden? Ja. Die Modenschauen waren früher nur einem kleinen, betuchten Kreis von Kunden vorbehalten. Ein Geheimnis, das gelüftet wird. Heute können sie via Livestream von jedem überall verfolgt werden. Dadurch ist die Fashion-Show zu einem People-Event oder einer Image-Show geworden. Die Kollektionen sind teils so überzogen und später in den Läden ja auch gar nicht zu kaufen, sondern werden für den Wow-Effekt inszeniert wie im Theater. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten, die sich in seinen besten Momenten selbstironisch inszeniert. Im Zusammenhang mit Fast Fashion wird gerne von der Demokratisierung der Mode gesprochen. Was sagen Sie dazu? Licht und Schatten. Mode ist kein elitäres Phänomen mehr und keine Sache des Geldbeutels – sie ist für jeden zugänglich geworden. Zara, H&M oder Mango haben ausgezeichnete Designer, die schnell die Looks auf027
greifen und billig produzieren lassen. Dafür zahlen wir aber einen sehr hohen Preis: die Ausbeutung der Menschen in Bangladesch und anderen Drittweltländern. Und die eines kreativen Kapitals hierzulande, das wir nicht mehr bezahlen, sondern ausrauben. Ich finde, wenn wir diese Kleider kaufen, müssen wir uns dessen bewusst sein, dass es sich hier um doppelte Ausbeutung handelt. Der Trend zum immer Billigeren hat die europäischen Textilindustrien fast flächendeckend ruiniert. Diesen Verlust von Handwerk und Kunsthandwerk finde ich sehr traurig. Zudem ist es durch die außerordentliche Kapitalkonzentration zu einer Verödung fast aller Innenstädte europaweit gekommen. Weil alles so gleich aussieht, weiß man manchmal gar nicht mehr, wo man ist. Die Vielfalt und Individualität des Angebots droht zu verkümmern. Mode wird heute sehr stark von der Mode- und Konsumgüterindustrie bestimmt und weniger als Kreation angesehen. Wo geht der Trend die nächsten Jahre hin? Letztes Jahr habe ich an der University of Chicago ein Seminar über Mode unterrichtet. Einmütig sahen die Studenten einen Trend zum radikalen Do-it-yourself. Nicht nur ist das Stricken ein hipper Hollywood-Zeitvertreib geworden, man näht und spinnt sogar wieder selbst. Dann hat man wenigstens Einzelstücke. Auch das ist sicher ein Gegentrend zur weltweiten Konzentration und Uniformisierung; und vielleicht eingesponnen auch die Nostalgie über eine verlorene Lebensform.
Mode ist Uniform » Die Outfits müssen Millionen von Zuschauern gefallen.«
für die Stylisten oft eine Gratwanderung. »Auf der einen Seite möchte man, dass der Zuschauer anhand bestimmter Klischees genau weiß, wen wir darstellen. Aber andererseits muss man die Feinheiten herausarbeiten, sonst bleibt es eine oberflächliche Darstellung der Rolle«, sagt Benesch. Til Schweiger überraschte im März als Kommissar Nick Tschiller mit einem spektakulären und blutigen »Tatort« aus Hamburg. In seinen bisherigen Filmen ist der 49-Jährige fast immer gleich angezogen – so auch im Krimi: Longsleeves, entspannte und legere Kleidung. »Ich konnte ihn aber in Richtung Schichtlook und Lederjacke schubsen. Er sollte in meinen Augen rauer sein, fast schon ein Raubein, passt ja auch zu seiner Filmrolle«, sagt Ingken Benesch. Die Schauspieler haben oft ihren eigenen Geschmack, den die Kostümbildner mit der Rolle vereinen müssen. »Ich hatte irgendwann T-Shirts für Til Schweiger vorgesehen, die super geschnitten waren. Dann rief mich das Set an und meinte, dass Til die Shirts »scheiße« findet. Er wollte lieber das von gestern wieder anziehen – dass er dann im Film immer gleich aussehen würde, war ihm egal. »Na so bin ich doch privat auch. Ich kaufe mir ein TShirt das mir super gefällt in fünf verschiedenen Varianten.« Und so hat Benesch Schweigers Rolle geformt. »Ich habe alles in mehrfacher Ausführung gekauft und wenn etwas dreckig wurde, kam eben das nächste Stück.« Der Tatort ist modisch betrachtet also mehr als nur eine Serie, er spiegelt viel vom Modeverständnis der deutschen Gesellschaft wieder. Mode ist Konsum
Bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern ist die Ausstattung der Moderatoren im Vergleich zu den privaten konservativ und klassisch. Anzüge und Kostüme stehen stellvertretend für die Seriosität der Sender. Wir haben mit Svenja Treichel-Roolfs, der Chefstylistin des ZDF über ihren Job gesprochen – und über Ärmellängen, die nur im Fernsehen passen. [Mo:de]5: Wie genau sieht Ihre Arbeit beim ZDF aus? Svenja Treichel-Roolfs: Außer den klassischen Aufgaben des Stylings kommen die besonderen technischen Bedingungen hinzu. Der Hintergrund des virtuellen Studios ist grün und hierdurch können farbliche Abweichungen entstehen. Die speziellen Lichtverhältnisse im Vergleich zu einem realen Studio sind unbedingt zu berücksichtigen, da die Oberfläche
Wir Modejournalisten sind des französisch angehauchten Boho-Looks ein wenig überdrüssig, Isabel Marant und ihr gleichnamiges Modelabel finden wir gerade irgendwie durch; bunte Wildledersneaker mit Keilabsatz zu Fransenponchos haben wir zu oft in Magazinen gesehen, der Trend – ausgelutscht. Dieses Urteil scheint die globale Kundin von heute wenig zu interessieren, sie kann von Isabel Marants unkomplizierten und einigermaßen be-
zahlbaren Entwürfen nicht genug bekommen, und die Einkäufer einflussreicher Läden wie »Barney’s« in New York und luxuriöser Onlineshops wie »mytheresa. com« kommen mit den Nachbestellungen kaum hinterher. Press-Retail-Divide nennt sich die Kluft zwischen dem, was Modejournalisten beschreiben und Einkäufer ordern. Die einen wollen in den Kollektionen der internationalen Modemacher einen Zeitgeist wiederfinden, um sie als Seismografen gesellschaftlicher Prozesse interpretieren zu können. Die anderen denken in erster Linie an die Kundin im Geschäft. So kommt es nicht selten vor, dass Modejournalisten und Einkäufer mit ihrer Einschätzung weit auseinander liegen. »Die Trends der Modemagazine finden meist Anklang beim Kunden. Anders verhält es sich mit einzelnen Kollektionen: es kommt häufiger vor, dass Modejournalisten sich in eine verlieben, die überhaupt keinen kommerziellen Erfolg hat – und umgekehrt«, erklärt Mario Eimuth, der Inhaber von »Stylebop.com«. Sie sitzen beide in der ersten Reihe der Modenschauen: Kritiker und Einkäufer. Während der eine analysiert was wohl die gelben Punkte auf den Kleidern bedeuten, überlegt der andere, ob sie der Kundin gefallen könnten. Wenn Modejournalisten sich in ihrem Urteil über die Kollektion mal irren, nimmt selten jemand öffentlich Notiz davon – der Misserfolg eines Einkäufers bemisst sich daran, wie viele Ladenhüter übrig bleiben. Die Verkaufsabteilungen werten die Ergebnisse der Saisons aus und manche lassen sich von Trendagenturen beraten, welche Themen wichtig werden könnten. Mario Eimuth sagt: »Es hängt von der Häufigkeit der Veröffentlichung ab – Trends, die von vielen Publikationen aufgegriffen werden, entwickeln sich schneller zu einem breiten Phänomen. Der Trend nährt sich selbst.« Aber Trends kommen nicht mehr nur aus Modemagazinen – auch Einkäufer sind Menschen mit Gespür für die Zukunft, immerhin ordern sie Kollektionen für die nächste und übernächste Saison. Diese stillen ›Drahtzieher‹ spielen mehr und mehr die Hauptrolle in der Trendentwicklung. Dank Social Media posten Modefans
der Stoffe oft anders wirkt. Hier darf nichts flimmern oder reflektieren. Außerdem hat jede Sendung ihre ganz eigene Ausrichtung und somit auch einen eigenen Stil. Insgesamt sollten die Farben an die Seriosität der Nachrichtenmeldungen angepasst und gemäßigt sein. Auf was müssen Sie bei der Auswahl achten und wie kreativ dürfen Sie sein? Wir haben für die einzelnen Sendungen ganz klare Vorgaben aufgestellt, damit eine gewisse Richtung im Bekleidungsstil eingehalten wird, die dann zum Gesamtauftritt passt und eine entsprechende Aussage sendet. Eine Moderatorin oder ein Moderator sollten sich keinesfalls verkleidet vorkommen. Ich bespreche mit den einzelnen Personen gemeinsam was sich am besten eignet und warum bestimmte Teile ihnen gut stehen oder nicht. Je mehr man sich in eine Person hineinversetzen kann, desto besser kann man am Ende den individuellen Stil finden. Die Uhrzeiten einer Sendung spielen hier zum Beispiel auch mit ins Gewicht, morgens um neun Uhr erwartet der Zuschauer einen anderen Auftritt als am späten Abend. Denn am Ende geht es ja immer um ein harmonisches Bild auf dem Schirm und vor allen Dingen um Outfits, die bei jeder einzelnen Sendung mehreren Millionen Zuschauern gefallen müssen. Dann sind Sie ja doch in vielen Punkten eingeschränkt … … weil es die technischen und inhaltlichen Bedingungen gibt. Ich kann nicht – und abgesehen davon will ich das auch nicht – für die Nachrichten alle modischen Trends mitmachen, dafür sind die Themen auch viel zu ernst. Zum Beispiel zu viele Muster, ein tiefes Dekolleté, Neonfarben oder einer Moderatorin Leggings anziehen. Undenkbar. Woher bekommen Sie denn die Kleidung für die Moderatoren? Es gibt einen Fundus und ich arbeite aber mit verschiedenen Lieferanten zusammen, die qualitativ hochwertige Kollektionen anbieten. Hier stelle ich die Outfits individuell für die jeweilige Person und die kommende Saison zusammen. Die Kleidung wird den Moderatoren geliehen und für mehrere Jahre getragen. Hemden oder Anzüge manchmal noch länger, je nachdem was sich in der Schnittführung ändert. Auf was achten Sie bei der Kleiderwahl? Die Kleidungsstücke sollten in der Regel etwas zeitloser sein. Es geht alles über die Passform und Schnittführung. Dies bedeutet, dass ich viel Erfahrung und ein gutes Auge haben muss, damit die Sachen später genau passen und harmonisch sind, was Farbe und Proportion angeht. Passen die Sachen mal nicht, wird dann getrickst? Da die Kleidungsstücke für mehrere Jahre getragen werden, muss ich, bevor sie auf den Sender gehen, entsprechend und falls notwendig ändern lassen. Zum Beispiel die Ärmel eines Sakkos sind für das Studio immer etwas kürzer als im ›normalen Leben‹, weil sonst die Manschette und der Handrücken nicht zu sehen wären und zu viele Falten in der Ellenbogenbeuge entstehen. Generell müssen die Kleidungsstücke sehr eng getragen werden. Warum tragen die Moderatoren selten Schmuck? Schmuck bzw. Ketten unterbrechen das Gesamtoutfit – das lenkt zu sehr ab, das Auge sieht automatisch nur noch auf die Kette, weil das optisch eine Linie ist. Mit Ringen oder Uhren ist das anders, die gehören zur Persönlichkeit. Gibt es auf die Outfits Zuschauerreaktionen? Oh ja – regelmäßig. Nicht nur von wem welcher Blazer ist, sondern zum Beispiel auch man wolle die Freundin überraschen, die ein Outfit so besonders schön fand, wo man das kaufen könne. Ob man den Namen des Frisörs wissen dürfe und so weiter. Diese Resonanz ist natürlich im029
mens wichtig – und bisweilen auch amüsant. Die Anfragen werden alle umgehend beantwortet. Inwieweit treffen die Kleidungsstücke Ihren eigenen Geschmack? Den schalte ich komplett aus. Das Outfit darf nicht im Vordergrund stehen und den Zuschauer andererseits nicht langweilen. Für mich zählen: Sendezeit, Sendeformat und Persönlichkeit des Moderators. Gibt es mäkelige Moderatoren, die sagen »Das ziehe ich nicht an«? Selten, die Sachen gefallen zu 98 Prozent. Es ist wichtig, dass die Moderatoren sich wohl fühlen und das Bekleidungsstück ihnen Sicherheit und Selbstbewusstsein gibt. Werden aufgrund der Nachrichtenlage bestimmte Outfits ausgewählt? Bei einer großen Katastrophe wie beispielsweise Fukushima ist der Moderator bedacht darauf, dezente und gedeckte Farben zu tragen. Andersherum gibt es auch Nachrichtenlagen, die es erlauben, sich etwas lockerer zu kleiden. Unsere Moderatorinnen und Moderatoren achten immer dar auf – da muss ich nicht explizit hinweisen. Was tragen die Moderatoren ›drunter‹? Die Damen haben ganz normale Hosen an und die Herren sind meistens komplett im Anzug – auch wenn sie nur bis zur Tischkante zu sehen sind. Da aber die Kameraeinstellung im »Erklärraum«, wo die Moderatoren ganz zu sehen sind, immer häufiger eingesetzt wird, wird das komplette Outfit immer wichtiger. Wenn jemand mal ungeplant moderiert oder in eine Live-Schalte muss, wird auch mal improvisiert. Wie finden sie als Stylistin die Berichterstattung des ZDF über Mode? Da das natürlich mein Thema ist, würde ich mir wünschen, dass es darüber etwas mehr gäbe. Vielleicht zu den Themen wie Nachhaltigkeit, Dokumentationen von Unternehmen und Designern, Veränderungen und die Bedeutung der Mode im Alltag. Svenja Treichel-Roolfs stattet unter anderem die Moderatorinnen und Moderatoren der Nachrichtensendungen der »heute«-Familie und das »mittagsmagazin« aus und berät andere ZDF-Sendungen.
aus aller Welt auf Websites wie »Polyvore. com« Collagen ihrer Lieblingsstücke, global operierende Onlineshops senden Luxusmode genauso ins fränkische Obertrubach wie nach Peru. Als »Net-à-Porter.com« vor dreizehn Jahren von Natalie Massenet gegründet wurde, hat man die – Achtung – ehemalige Modejournalistin noch belächelt. Heute ist das Unternehmen, das Kollektionen internationaler Top-Modelabels anbietet, geschätzte 420 Millionen Euro wert und gehört zum Schweizer Luxuskonzern Richemont. Seit Februar diesen Jahres gibt »Net-àPorter.com« wöchentlich ein auf die Trends abgestimmtes Online-Magazin heraus: »The Edit« ist nicht nur mit eindeutigen Verkaufsabsichten verknüpft, es setzt sich zum Ziel, die Trends, für die einst Modemagazine zuständig waren, gleich selbst zu machen: es genügt eben nicht mehr, ein paar Schuhe oder einen Blazer gut erkennbar und aus mehreren Blickwinkeln zu fotografieren. »The Edit«-Chefredakteurin Lucy Yeomans ist bemüht, den Lesern über den ServiceTeil hinaus gute Inhalte zu bieten: hochwertige Modestrecken, Interviews mit Starfotografen oder exklusive Einblicke in den Kleiderschrank internationaler Schauspielerinnen. Warum nicht gleich dort blättern oder kaufen, wo die Produkte verfügbar sind? Guckt man sich am Kiosk um, präsentieren sich die aktuellen Ausgaben vieler Modemagazine als die schlechteren Kataloge – in der Produktauswahl abhängig von der Macht der Anzeigenkunden, haben sie die Vorlieben und den Geldbeutel des Lesers aus den Augen verloren. Ihre Modeberichterstattung scheint fest mit der mächtigen Modeindustrie verwoben. Die Online- und Printausgaben der großen Läden haben den Press-Retail-Divide aufgehoben; was Shopping angeht, liegen sie mittlerweile vorn. Das könnte ein Anlass für klassische Magazine sein, abseits des Konsumgedankens wieder mehr auf die Mode als Kulturdisziplin einzugehen.
Die Haut, in der ich wohne T e x t K atharina B urkhard F oto M atthias Z iegler
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Sie dehnt sich, wird braun, bleibt weiSS und irgendwann ist sie runzlig. Unsere Haut schützt uns vor Verletzungen, speichert Wärme und hält uns ein Leben lang stand. Zeit für eine kleine Hommage an das gröSSte Organ des Menschen.
»Autsch!«, sagt sie. »Stell dich nicht so an, ich hab dich ja kaum berührt.«, erwidert er. Wohl wissend, dass sein Zwicken einen blauen Fleck an ihrem Oberarm hinterlassen würde. Das war immer so: Durch die leichtesten Berührungen bekam sie regelrecht Blutergüsse. Schon komisch, wie empfindlich ihre Haut ist, denkt er. So ein Grobian, denkt sie. Schimmerndes Violett, smaragdgrün oder schokoladenbraun: Klingt nach schönen Farben, nur nicht, wenn sie auf der Haut in wilder Kombination erscheinen. So genannte blaue Flecken entstehen, wenn die Blutgefäße unter der Haut reißen. Das Blut bahnt sich seinen Weg in das umliegende Gewebe und sorgt somit für eine Veränderung des Hautbildes. Während manche Flecken schmerzhaft sind, dienen andere, kleinere, als unwillkommenes Accessoire des Partners. Ein Gutes haben die Regenbogenflecken allerdings: Sie verschwinden früher oder später. Eine Veränderung der Haut kann in jedem Alter kommen. Narben sind Zeichen eines bewegten – und manchmal unvorsichtigen – Lebens. Fehlt eine Sekunde lang die Aufmerksamkeit, wird man sein Leben lang daran erinnert. Der Partner weiß noch genau wie schmerzhaft die Operation war, die auf seinen Kreuzbandriss folgte. Die beste Freundin verdeckt die Überreste der Windpocken auf ihrer Schulter mit Make-up. Übertrieben, denken manche. Notwendig, findet sie. Narben können belastend sein, das Selbstbild stören. Auf eine Verletzung in der Lederhaut, sei es durch Quetschen, einen Schnitt, Hitze oder eine Verbrennung, folgt eine Wunde. Unser Körper möchte diese Wunde schließen um eine Heilung herbeizuführen. Heilen können jedoch nur innere Organe, bei Hautwunden kann der Körper nur versuchen, zu reparieren. Mit einem Blutgerinnsel, das die Wunde abdeckt, wird vermieden, dass Dreck in die offene Stelle gelangt. Auf der Haut sieht man nach 2-3 Wochen nicht mehr viel, doch innen kann es Monate dauern, bis die Haut neues Bin-
degewebe gebildet hat. Regelmäßige Pflege ist deshalb Pflicht. Haare, Talg- oder Schweißdrüsen werden im Narbengewebe nicht neu gebildet, daher gleichen manche Narben einem »nackten Wurm«. Die Haut erinnert sich an den Sommer 2010 in der prallen Sonne. Sie erinnert sich an jede Zigarette, die die Letzte sein sollte. Und erst recht kann sie sich an die vielen Diäten erinnern, nach denen sie vergeblich versucht hat, sich zurückzubilden. Ihre Besitzer verlangen viel: Sie soll straff sein, weich, eine schöne Farbe haben und alle Strapazen unbeschadet überstehen. »Ich wünscht, ich wär’ ein Elefant, da wollt ich jubeln laut: Mir ist es nicht ums Elfenbein, nur um die dicke Haut.«, besagt eine Spruchkarte von 1945. Denn wer die sprichwörtlich dicke Haut besitzt, lässt Ärger oder Trauer abprallen. So sehr die Haut uns zu schützen versucht, sie kann keine Wunder vollbringen. Geschehenes nicht rückgängig machen. Eigentlich ist es ganz einfach: vor dem Sonnenbad wird sich eingecremt. Der Irrglaube, rot wird am nächsten Tag zu braun, kann schnell zu Hautkrebs oder verfrühter Faltenbildung führen. Um die Hautzellen nicht vollkommen zu schädigen, sollte man Lichtschutzfaktor 50 benutzen, alles andere sei nur eine Tagescreme, warnt die Dermatologin Dr. Dagmar Whitaker in der Zeitschrift Flair. Sonnenbrand ist ein Hilfeschrei der Haut. Die Erweiterung der Blutgefäße führt zu stärkerem Blutfluss, dadurch färbt sich die Haut flammrot, um ihre geschädigten Stellen schneller reparieren zu können. Wenn man Glück hat, entstehen keine bleibenden Schäden. Von Nikotinkonsum hingegen werden Lunge und Haut sich nie wieder vollständig erholen. An den Fingerkuppen bildet sich ein gelber Film, die Zähne verfärben sich und die Kollagen- und Elastinfasern, die gemeinsam den Organismus schützen und instand halten, lassen nach. Nicht nur die Haut wird schlechter – rund 40 Prozent der Nikotinsüchtigen leiden
unter Akne – auch die Wundheilung dauert länger. Diese Alterung im Zeitraffer suchen wir uns selbst aus, das Alter kann niemand aufhalten. Die Zellen der Oberhaut teilen sich nur noch alle 50 statt – wie in jungen Jahren – alle 27 Tage. Folge: Der Wasser- und Fettgehalt der Haut nimmt ab, das Unterhautfettgewebe wird dünner und Falten sind mit bloßem Auge sichtbar. Tatsächlich beginnt der Alterungsprozess schon zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Mit der Zeit wird immer weniger neues Kollagen gebildet, das Fettgewebe in der Unterhaut wird dünner und die Haut durchsichtiger. Die Besenreiser, die sich wie Korallen direkt unter der Oberhaut ausbreiten, bleiben für immer. Die fächerförmigen Venen haben einfach an Elastizität eingebüßt und zeichnen sich nun deutlich und vorzugsweise an Beinen ab. Sie sind erblich, meistens treten sie im Alter zum Vorschein. Altersflecken – diese braunen, ovalen Verfärbungen entstehen meist an Stellen der Haut, an die viel Sonnenlicht gelangt. Handrücken zeigen das wahre Alter. Denn wenn das Gesicht lügt, liest man hier die Wahrheit. Menschen, die ihr Alter verbergen möchten, akzeptieren keine Falten in ihrem Gesicht. Alles soll glatt sein. Doch wenn glatt entsteht, weicht die Menschlichkeit. Das Nervengift Botox lähmt die Nerven. Die Muskeln können sich nicht mehr zusammenziehen und die Haut darüber wirft keine Falten mehr. Ein Gefühlszustand muss erraten werden. Sie betrachtet sich im Spiegel und weint leise, ihr Gesicht lacht, wie jeden Tag. Für andere Menschen trägt sie eine Maske die sich niemals ändert. Die Haut erinnert sich an die Liebe und die Berührungen, die sie als Baby bekam. Sie erinnert sich an den härtesten Winter seit 20 Jahren, in dem sie viel Arbeit hatte, den zitternden Körper zu wärmen. Mit Freude erinnert sie sich an die erste Begegnung mit Ihm, als das Feuer in ihr Gesicht stieg und ihre Gefühle offenbarte. Die Haut eines Erwachsenen misst rund zwei Quadratmeter und wiegt etwa fünf Kilogramm. Sie ist das größte menschliche Organ und das einzige, dessen Zustand unmittelbar sichtbar ist. Sanfte Berührungen vermitteln Wohlbefinden. Das Touch Research Institute in Miami hat in einer Studie herausgefunden, dass sich Frühchen viel schneller erholen, wenn sie regelmäßigen intensiven Körperkontakt haben. Sie wachsen schneller, sind ruhiger, ausgeglichener und wacher als Babys, die weniger Berührungen erfahren haben. Diese positive oder negative Erfahrung zieht sich wie ein roter Faden bis zur Grundschulzeit. Wir erfahren über Sensoren auf der Haut, den so genannten Nervenzellen, was gerade passiert: Werden wir gestreichelt
oder gekniffen? Ist uns kalt oder warm? Sogar der kleinste Lufthauch wird über diese Sensoren aufgenommen, und als Informationen an unser Gehirn weiter geleitet. Verantwortlich dafür sind die so genannten Merkel-Zellen, benannt nach dem Göttinger Anatomen Friedrich Merkel, der sie 1875 entdeckte. Während wir uns nach Berührungen sehnen, versuchen drei von 100.000 Menschen in Deutschland jeglichen Körperkontakt zu vermeiden. Die Schmetterlingskrankeit macht ihnen ein normales Leben fast unmöglich. Erkrankte verspüren schon bei der kleinsten Berührung sehr starke Schmerzen, ähnlich wie bei Schmetterlingen, wenn man deren Flügel berührt. »Hey du Gans, ist dir kalt?« neckt er sie. Sie zittert mehr, als sie müsste, um seine Körperwärme angeboten zu bekommen. Der Winter schlaucht, die Haut hat viel Arbeit, angemessen zu wärmen. Vor allem an Armen und Beinen richtet sich die Körperbehaarung auf, es kommt zu einer gesteuerten Kontraktion des Haarbalgmuskels – das Haar hebt sich senkrecht in die Höhe – die Gänsehaut entsteht. Dies dient zur Einschließung von Luft, der Körper möchte sich aufwärmen. Nicht nur Kälte kann Gänsehaut auslösen. Ein schönes Musikstück oder ein positiver Moment haben den gleichen Effekt. Bizarr: Gänsehaut kann in der Totenstarre entstehen. Auf einen harten Winter folgt der Sommer mit Sonne, lauen Nächten und Grillen am See. Verbringt man den Tag ohne starke körperliche Aktivität oder in heißer Umgebung, verliert der Körper 100-200 mg Schweiß pro Tag. Schwitzen ist ein effektiver Mechanismus, um überschüssige Wärme abzugeben; die Körpertemperatur wird reguliert. Der Mensch hat zwei Arten von Schweißdrüsen: ekkrine und apokrine. Die ekkrinen Schweißdrüsen sind praktisch über den ganzen Körper verteilt, sie produzieren ein Sekret, das zu 99 Prozent aus Wasser besteht. Die apokrinen Schweißdrüsen findet man nur in behaarten Körpergegenden wie Achsel- oder Genitalbereich. Doch warum empfinden wir Schweiß trotz seiner Geruchlosigkeit als stinkend? Erst die Einwirkung von Hautbakterien auf Schweiß macht den Geruch »markant«. Außerdem können einseitige Ernährung, mangelnde Pflege oder Krankheit eine Rolle spielen. Eine gute Nachricht: Unser Körperduft kann durchaus anziehend auf das andere Geschlecht wirken.
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Unsere äußere Hülle spiegelt unser Leben wider. Für besondere Augenblicke entblößen wir sie. Dieses Gefühl – unbeschreiblich.
Plastik Planet Es begegnet uns jeden Tag in den unterschiedlichsten Formen: In der Zeitschrift am Kiosk, in den neuen AirMax und sogar im Make-up. Dass Plastik sch채dlich ist, wissen wir alle. Aber kann ein Mensch, der nicht einmal ohne sein iPhone das Haus verl 채sst, auf Plastik verzichten? Ein Selbstversuch.
2 Auf Cebu Island, einer Insel der Philippinen, verdienen die Bewohner ihren Lebensunterhalt mit dem Sammeln und Sortieren von Abfall, den sie zum Kilopreis verkaufen. Sie werden ÂťscavengerÂŤ genannt, was MĂźllsammler, aber auch Aasfresser bedeutet.
Wochen ohne Plastik
T e x t M ichelle H artmann F oto M atthias Z iegler
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Phase eins
Pro Plastik
Der erste Schritt zum zwei-wöchigen plastikfreien Leben begann damit, dass ich eine Menge ändern musste – das war mir klar. Die Recherche begann mit einigen Fragen: Wie kann ich Plastikprodukte durch andere ersetzen? In welchen Läden bekomme ich, was ich brauche? Und wie teuer wird das werden? Plastik umgibt uns überall und ist extrem umweltschädlich. Schnell stellte ich fest, dass ein plastikfreies Leben sehr viel mehr kostet als umgekehrt. Und zwar nicht nur Geld, sondern auch Zeit: viele Produkte musste ich mühsam suchen. Nachdem ich unzählige Läden abgeklappert hatte, konnte mir nur noch das Internet helfen, sonst hätte ich bis jetzt noch nicht alles beisammen, was ich brauchte.
Es gibt ein Produkt, bei dem ich die Verwendung von Plastik überhaupt nicht in Frage stelle – das Duschgel. Obwohl ich doch noch eines in Glasverpackung gefunden habe, muss ich sagen, dass ich mehr als einmal meine Bedenken hatte. Schließlich könnte mir das Glas aus der Hand rutschen und ich würde in einem Scherbenhaufen stehen. Mancher Plastikeinsatz ist also sinnvoll. Anders als bei der Zahnpasta die ja früher auch in Metalltuben war. Hier könnte man bestimmt andere Rohstoffe verwenden.
Die Plastiktüte
Der erste Einkauf – dafür habe ich mir eine altbekannte Freundin zugelegt: die Jutetasche. Mit dieser Umstellung ist schon ein großer Schritt in ein plastikarmes Leben getan, denn der Plastiktüten-Verbrauch der Deutschen beläuft sich auf etwa 5,3 Millionen Stück im Jahr – das sind 10.000 Tüten in der Minute. Diese Form von Einweg-Plastik beeinträchtigt massiv unsere Umweltsituation: In Europa werden nicht einmal 10 % der Plastiktüten recycelt – neun von zehn Plastiktüten werden achtlos weggeworfen und die Rohstoffe gehen verloren; oft wandern sie in den normalen Hausmüll oder gleich in Wälder, Flüsse und Seen. Was den wenigsten bewusst ist: bis Plastiktüten vollständig zerfallen, benötigen sie je nach eingesetztem Kunststoff 100 bis 500 Jahre. Trotzdem muss man sich vor Augen halten, dass Mehrwegtragetaschen aufgrund ihrer Verarbeitung und Materialstärke gegenüber Einweg-Plastiktüten mehr Material, Ressourcen und Energie zur Herstellung benötigen. Um diesen Nachteil wieder wett zu machen, müssen Baumwollbeutel zwischen 25 und 32 Mal wieder verwendet werden, um besser als Polyethylen-Tüten aus Neugranulat abzuschneiden.
Ohne Plastik keine Kommunikation Im technischen Bereich (Laptoptastatur, Mobiltelefon) konnte ich dann doch nicht auf das Plastik verzichten. Die Menge an weggeworfenen technischen Geräten nimmt rasant zu. 2012 fielen weltweit 41 Millionen Tonnen Elektroschrott an. Den größten Anteil an diesen Altgeräten haben Computer – denn sie veralten nicht nur schnell und werden aussortiert, sondern haben auch ein größeres Volumen als beispielsweise Handys. Elektroschrott muss umweltgerecht entsorgt werden. Doch das ist aufwändig und teuer. Obwohl der Export verboten ist, gelangt trotzdem etwa ein Fünftel der Altgeräte aus Deutschland über undurchsichtige Kanäle nach Westafrika oder Indien. Dort werden sie unter zum Großteil katastrophalen Bedingungen auseinandergenommen.
Kosmetik
Vor allem im Kosmetikbereich sollte weniger Plastik verwendet werden; oft kommt es in kleinster Form vor, als winzige Plastikteilchen, sogenannte Nanopartikel. Sie stecken in so manchem Duschgel, in Zahnpasta, Make-up, aber auch in Sonnenschutzcremes – der Kunde weiß davon nicht das Geringste. Durch die Entsorgung im Abwasser gelangen sie bis ins Meer und verschmutzen so unsere Umwelt. Nanopartikel werden von Fischen gefressen, die wir wiederum essen – also schaden sie damit dann auch uns Menschen. Ein Kreislauf der gestoppt werden könnte und sollte. Dass es auch anders geht, zeigt die Kosmetikfirma Lush, die jetzt alle Nanopartikel durch umweltfreundliche Stoffe ersetzt hat. »Die Firma suchte bereits seit einigen Jahren nach passenden Alternativen zum Plastikglitzer, um die Verbreitung von Mikroplastik in die Umwelt zu vermeiden. Die Forschung hat sich in diesem Teilbereich weiterentwickelt. So kann Lush weiterfunkeln ohne die Umwelt zu verschmutzen.«
Du musst Dein Ändern leben Oft stand ich morgens vor der Aufgabe was ich mir zu Essen für die Uni mitnehmen kann. So gerne hätte ich mir mal einen Salat mitgenommen, aber die geliebte Tupperdose durfte ich nicht anrühren. Auch beim Einkaufen hatte ich viele Schwierigkeiten. Morgens noch schnell in den Supermarkt und ein bisschen Obst und kleine Naschtomaten war einfach nicht drin. Alle Sorten von Tomaten waren bereits in Plastik verpackt. Mein Obst konnte ich nur lose auf dem Arm zur Kasse transportieren. Auf jeden Fall ist es eine Lebensumstellung, die einem ziemliche Umstände bereitet.
Spielverderber Leider tun der Staat und die Gesellschaft gar nichts dafür. Man müsste nur die Papiertüten, die die Händler am Markt für ihre Produkte verwenden, an den Obst- und Gemüseabteilungen der Supermärkte auslegen. Schon würde man unnützes Plastik vermeiden. Aber noch wichtiger wäre vielleicht die Einführung von Angaben auf der Verpackung zu den Verpackungsmaterialien. Oft fühlte ich mich alleingelassen und wusste gar nicht genau was ich da jetzt tatsächlich kaufe. Und dann überlegt man und fragt sich, wieso tausende von unwichtigen Kalorien und Inhaltsstoffen zu dem Produkt angegeben werden, aber nicht die Verpackungsmaterialien. Ähnlich wie bei der Ampel in den USA zu den Kalorienwerten könnte man so den Verbraucher unterstützen nur grün und gelb gekennzeichnete Produkte zu kaufen, wenn sie die Umwelt unterstützen wollen. So entstünde in der Gesellschaft vielleicht endlich ein Bewusstsein für unseren Rohstoffverbrauch.
Gutes Plastik
Irgendwann bin ich dann auf ein Unternehmen gestoßen, deren Idee ich super fand: NAKU. Güter aus natürlichem Kunststoff – hergestellt aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais und Ähnlichem. Die Ziele? »In unserer Firmenphilosophie spielen Kreisläufe eine zentrale Rolle z. B. ein Gut aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen, das nach dem Gebrauch auch wieder der Natur zurückgeführt werden kann. Oder: Transportwege so kurz wie möglich zu gestalten. Wir sind bemüht, Rohstoffe aus europäischen Anbaugebieten zu verwenden, lassen möglichst vor Ort produzieren und auch die Vertriebswege werden so kurz wie möglich gehalten. Damit sind auch die Ökobilanzen verbessert.« Von Küchenartikeln, Biofrischhaltebeutel, Kinderspielzeug, bis hin zu Flaschen kann man hier alles bestellen. Aber was sind die Vorteile von diesem natürlichen Kunststoff? Neben dem wichtigen Punkt, dass es sich in der Natur selbst zersetzt, wird es aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt und schont damit die Erdölressourcen. Außerdem sind biogene Verpackungen atmungsaktiver und halten Lebensmittel länger frisch.
Produktauswahl
Ein großer Nachteil am plastikfreien Leben ist die eingeschränkte Auswahl an Produkten. Eigentlich muss man schon froh sein, dass es überhaupt Alternativprodukte zum Plastik gibt. Denn in meinem Fall habe ich tatsächlich nur ein einziges Duschgel gefunden – Shampoo gar nicht. Wenigstens eine kleine Produktauswahl wäre hilfreich gewesen. Da verwundert es auch gar nicht, dass man von den Verkäuferinnen angesehen wird wie ein Alien, wenn man nach solchen Produkten verlangt.
Fazit Gelernt habe ich aus diesem Experiment, dass ich in Zukunft sicher plastikarm leben werde und versuche, es so oft wie möglich zu vermeiden. Ganz ohne Plastik kann ich allerdings nicht leben. Dazu kommt, dass man viele Dinge nicht selbst beeinflussen kann – man muss sich einfach damit abfinden. Ich denke da nur an öffentliche Verkehrsmittel, Zeitschriften, alltägliche Arbeitsgeräte wie Handys und Computer. Bei all diesen Dingen haben wir leider keinerlei Einfluss auf Design oder Verarbeitung, dennoch brauchen wir sie. Vielleicht ändert sich das irgendwann. Der beste Weg dorthin heißt: Eigeninitiative!
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»Wir denken alle in Klischees« T e x t F elicitas C all
F oto P R / M oney boy
Money Boy gilt als Österreichs oberflächlichster Rapper. Trotzdem oder gerade deswegen wurde Sebastian Meisinger – wie er gebürtig heiSSt – mit seinem Track »Dreh den Swag auf« zum Youtube-Star. Ob dieser Mann wirklich nichts zu verbergen hat, versuchten wir im Interview herauszufinden – ein Experiment. Sebastian – Money Boy – wir sind ein Lifestyle-Magazin und deshalb lautet unsere erste Frage an dich: Wie würdest du denn deinen Lebensstil beschreiben?
SWAG und YOLO. Ich versuche immer Fun zu haben.
Verrätst du uns, ob sich SWAG und YOLO auch in der Mode rüberbringen lassen – wie viel Wert legst du auf dein Äußeres? Freshe Klamotten, Accessoires, Caps, Schmuck, Tattoos usw. bedeuten mir sehr viel. Das klingt nach einer satten Ladung Rapper-Klischees! Klischees sind für dich …?
Normal.
Wir denken alle in Klischees.
Aber ist es nicht gerade die Aufgabe eines Künstlers diese Klischees zu überwinden, Grenzen zu sprengen, unsere Sehgewohnheiten zu verändern, gesellschaftliche Konventionen zu hinterfragen, unseren Horizont zu erweitern, um über den Tellerrand zu blicken? Was ist die wichtigste Message, die du als Künstler vermitteln willst?
Entertainment.
Welche Qualitäten muss ein Rapper mitbringen, um heutzutage erfolgreich zu sein? Er muss einen Lifestyle verkörpern und eine Geschichte erzählen. Money Boy, du hast 2008 mit einer Analyse des Gangsta-Rap in Deutschland deinen Magister Philosophiae in Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien gemacht; Du bist also nicht nur ein Naturtalent in Sachen Medien- und Marketing, sondern
diese Fähigkeiten wurden dir sozusagen auch akademisch beglaubigt. Inwiefern hat dir dein Studium zum Erfolg verholfen? Es hat mir sicher etwas gebracht. In dieser Branche muss man vermutlich noch die richtigen Leute kennen, um dem Starruhm eines Snoop Dogg, Jay-Z, Eminem, MC Hammer oder Kanye West auch wirklich näher zu kommen – wer hat dich auf deinem Weg zum Erfolg unterstützt? Eine handvoll Leute, die mir nahe stehen.
Dann noch Gott und ich selbst.
Money Boy, lass’ uns zur Mode zurück kommen – ziehst du dir auch mal was Förmliches an? Förmlich schon, aber es müsste trotzdem Swag haben. Ich trage zu manchen Anlässen gerne einen freshen Anzug von Boss und eine Hermes Krawatte oder so. Apropos oder so: die klassische Trinität von Rap, Breakdance und Streetart wird heute nur mehr selten von einer Person ausgeübt, hast du eine Beziehung zu allen drei Disziplinen? Ich weiß alle Disziplinen zu schätzen und kenne natürlich die Hip-Hop Geschichte. Meine große Liebe ist aber immer Rap gewesen. Spielst du ein Instrument?
Nein.
Dein Video »Dreh den Swag auf« hat 18 Millionen Klicks auf »Youtube« überschritten – das ist eine irrsinnige Zahl – nämlich mehr als das Doppelte der österreichischen Bevölkerung. Erfolgsstories wie deine sind heutzutage ohne Social Media, Facebook, Twitter, Youtube und Co. gar nicht vorstellbar. Money Boy – wie würde deine Welt wohl ohne Social Media aussehen?
Langweilig.
Jetzt möchten wir dir für unsere Leser zum Abschluss noch eine private Frage stellen: Mögen deine Eltern deine Musik?
Denke nicht.
Sebastian – Money Boy – wir danken Dir herzlich für das Interview!
Money Boy hat sich ganz der Oberfläche verschrieben – in einer wöchentlichen Late Night Show im österreichischen TV liest der Entertainer aus dem »Mann ohne Eigenschaften« von Robert Musil.
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L iebeserkl ä rungen an ‌
T e x t yasmin azizi F oto plainpicture / G lasshouse
… Holz
Als meine Großmutter Agnes mir mit elf Jahren ein Taschenmesser schenkte, entdeckte ich meine Liebe zu Holz. Es hatte eine einklappbare, relativ stumpfe Klinge, und ich kann mich erinnern, dass der Griff silbern war. Auch wenn es an vielem fehlte – Holz war immer da. Ich schnitzte mir als Kind kleine Soldaten, meiner kleinen Schwester Regina Puppen. Ich wuchs im heutigen Tschechien, dem damaligen Sudetendeutschland auf einem einfachen Bauernhof in Nähe eines großen Waldgebietes auf. Bereits als Kinder mussten wir bei der Feldarbeit helfen und dies war vor allem zur Ernte im Spätsommer bei über 30 Grad unglaublich anstrengend. Der Wald als Rückzugsort war kühl und spendete mir Ruhe. Als meine Familie und ich nach dem Krieg vertrieben wurden, war das Taschenmesser und die damit verbundenen Erinnerungen das einzige Stückchen Heimat, das ich mir mitnehmen konnte. Mit meinen eigenen Kindern verbrachte ich ebenfalls fast jedes Wochenende im Wald. Ich schnitzte auch ihnen Figuren und klärte sie über die verschiedenen Baumarten und deren Verwendung auf: darüber, dass Esche, Kirsche und Ahorn sehr harte Holzarten sind und diese sich gut für Möbel eignen, Fichte und Kiefer jedoch am besten zum Schnitzen. Im September begannen wir dann Feuerholz für den Winter zu sammeln. Die Kinderlähmung, mit der ich seit meiner Geburt zu kämpfen hatte, verschlimmerte sich mit fortschreitendem Alter und ich konnte bereits Mitte 30 meinen rechten Fuß nicht mehr richtig bewegen. Mit 40 schnitzte ich mir meinen ersten Gehstock – aus goldgelber Buche und mit diversen Plaketten verziert, die ich mir von Freunden aus Niederbayern mitbringen ließ. Später baute ich mir auch noch einen Hocker auf dem ich meinen Fuß ablegen konnte. Auch heute – mit 85 Jahren – habe ich immer ein Taschenmesser in meiner Hosentasche. In den Wald schaffe ich es nicht mehr, und meine Hände sind zu unruhig um zu schnitzen, aber jedes Mal wenn ich hinüber zu meinen Holzfiguren auf dem Nachttisch blicke, hilft es mir mich an Geschichten aus sieben Jahrzehnten zu erinnern um sie weiter zu erzählen. Ich liebe Holz – weil ich es bearbeiten kann.
Franz Schramm, 85
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T e x t S arah M ilewicz F oto plainpicture / R eadymade - I mages
… Kieselstein Liebe Kieselsteine, ich trete behutsam auf – es kitzelt. Trotzdem knirscht ihr unter meinem Gewicht. Die Sonne lässt euch nach einem kurzen Regenschauer funkeln und es kommt mir so vor, als strahltet ihr nur für mich. Immer wenn ich euch sehe, denke ich an zu Hause: Auf dem langen Pfad entlang zu unserem Haus liegt ihr Seite an Seite – ihr seid so klein und jeder von euch sieht anders aus und trotzdem gehört ihr zusammen. Als Kind bin ich mit tapsigen Füßen über euch gestolpert, später habt ihr mir bei meinen ersten holprigen Versuchen auf High-Heels zugesehen. Heute begrüßt ihr mich wenn ich nach Hause komme und verabschiedet mich am Ende des Weges. Den Pfad zu unserem Haus und all die schönen Erlebnisse möchte ich in Erinnerung behalten, denn bald kann ich nur noch in Gedanken über Euch hinweg spazieren. Andere werden mein Zuhause beziehen; ich beobachte euch ein letztes Mal aus dem Fenster meines Zimmers und gleich ist der Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns nach 16 langen Jahren verabschieden müssen. Werden die Menschen, die bald hier wohnen, euch an eurem Platz lassen oder werden sie alles verändern? Bei dem Gedanken daran werde ich unendlich traurig und wütend zu gleich: ich will euch nicht zurück lassen. Ich packe meine letzten Sachen zusammen. Mein Zimmer ist jetzt leer; die Möbel und Umzugskisten wurden bereits abgeholt. Barfuß gehe ich hinaus und gehe ein letztes Mal meinen geliebten Pfad entlang, der noch nass und kühl vom Regen ist. Tränen laufen mir übers Gesicht – ihr fangt sie behutsam auf. Am Tor angekommen drehe mich um und spiele mit den kleinen Steinen in meiner Jackentasche.
Sharon Milewicz, 17
T e x t A lisa V ornehm F oto plainpicture / M agnum – the plainpicture edit
… Wasser Ich sitze im Schlauchboot meines kleinen Bruders, lehne mich über den Rand des gummierten Gewebes und betrachte das Wasser. Es beruhigt mich, nimmt mich bei sich auf. Zwischen glitzernden Reflektionen des Sonnenlichts tanzt mein Gesicht – kleine Wellen, die die Oberfläche des Meeres bewegen, zerren an meinem Spiegelbild und fügen Augen, Nase, Stirn und Kinn zu einem neuen, verschwommenen Ganzen zusammen. Während andere ihr Wasser mit Säften mischen oder zu Cola oder Fanta greifen, trinke ich es lieber pur. Schon immer. Über den ganzen Tag verteilt müssen es mindestens 3 Liter sein, sonst kann man mit mir nichts anfangen: ich bin unkonzentriert und launisch, und ich bekomme starke Kopfschmerzen. Schon in meinen ersten Lebensjahren war es mir unter der Wasseroberfläche vertrauter als darüber. Schwimmen zu lernen schien mir zu anstrengend, deshalb tauchte ich einfach ab – unter Wasser schien für mich alles viel einfacher zu sein. Egal ob ich mit meiner Mutter den Urlaub am Meer verbrachte oder nach der Schule ins gechlorte Wasser meines Lieblingsschwimmbades – des »Dantebades« in München – sprang: ich tauchte und tauchte und tauchte. Zwischendurch schnappte ich wie ein Fisch kurz nach Luft und schon ging es wieder in die Tiefe. Während über Wasser Hausaufgaben, der erste Liebeskummer oder ein Streit mit Freundinnen auf mich warteten, verbrachte ich so viel Zeit wie möglich in dieser anderen Welt, die mich die Probleme des Heranwachsens vergessen ließ. Je älter ich wurde, umso mehr Entscheidungen kamen auf mich zu, umso mehr Verantwortung wurde mir zuteil. Noch heute entfliehe ich gesellschaftlichen Verpflichtungen, indem ich meine Badesachen packe und ›untertauche‹ – ich schließe die Augen, überlasse mich ganz den gedämpften Geräuschen des Wassers und vergesse meinen Stress. Vor zwei Jahren unternahm ich meinen ersten Tauchgang auf der thailändischen Insel Koh Tao. Seither gibt es für mich nichts Schöneres als Anemonen, exotische Fische und das stille Rauschen der See. Ich blicke in die Tiefe der Meere und begebe mich in ihre Arme. Bei ruhiger See lasse ich mich manchmal stundenlang auf dem Rücken treiben, bei stürmischem Wetter schmeiße ich mich ins Wasser und lasse mich von den Wellen durchschütteln. Wenn die Naturgewalt des Wassers mich ergreift, schreie ich vor Glück. Ohne Wasser wäre mein Leben nicht das, was es ist.
ALISA VORNEHM, 23
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T e x t L una W alther F oto plainpicture / J ean M armeisse
… Decke Wo ich zu Hause bin, merkte ich erst, als ich nicht mehr da war. Und wo ich hingehöre, als ich genau dorthin zurück musste. In den letzten sechs Jahren bin ich so weit herum gekommen, dass mein Reisepass zu klein für die ganzen Ein – und Ausreisestempel wurde – das amerikanische Konsulat musste mir sogar neue Seiten einnähen. Von New York aus schickte mich die Werbeagentur für die ich als Account Manager arbeitete durch ganz Asien. Ich war auf Goa, an der Chinesischen Mauer, in Nepal, zog mit nur zwei Koffern von Hong-Kong nach Singapur und weiter nach Mumbai. Immer hatte ich nur das Nötigste dabei, weil ich erst irgendwo heimisch werden wollte, bevor ich mich mit Kleinkram belaste. Ich kaufte kein Bett, keine Teller, für einen Schrank hatte ich sowieso nie Platz, denn diese asiatischen Wohnungen sind noch kleiner und teurer als mein Schuhkarton für 2.000 Dollar in Manhattan. Das Einzige, was ich immer im Gepäck hatte, mal abgesehen von karierten Werber-Hemden und ausgelatschten Tod’s Loafers war eine Decke. Eine Decke der New York Mets, einem Baseball Team. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt ein Spiel von denen gesehen habe und auch nicht, woher ich die Decke habe; das Material ist nicht besonders angenehm, die Haare stellen sich immer so elektrisierend auf. Aber ich fasste es trotzdem gerne an. Denn immer wenn sie auf der Couch meiner möblierten Apartments lag – egal ob Plastikleder in Hongkong oder fleckiger Stoff in Singapur – erinnerte sie mich an zu Hause, an meine Freunde in Manhattan, an Barbecue bei meinen Eltern auf Long Island. Die Decke war mein Stück New York – überall auf der Welt. Nach sechs Jahren Asien zog ich nach Berlin und verliebte mich sofort – in die Stadt und ein Mädchen, das mir immer die Decke klaute, weil sie so verfroren war. Ich war endlich angekommen: meine Wohnung, meine Freunde, alles passte. Ich kaufte ein eigenes Sofa und einen großen Esstisch, an dem meine Freunde bis spät in der Nacht saßen. Bis mein Arbeitgeber mich nach einem Jahr zurück nach Amerika holte. Meine Freundin und ich packten die Koffer, aus denen mittlerweile Kisten geworden waren – nur für mich, denn sie blieb in Berlin. »Da passt noch was drauf«, sagte sie, »was leichtes« – und wir griffen beide zur Decke, die ich plötzlich nicht mehr mochte. »Ich brauche sie nicht mehr, ich schenke sie dir!« sagte ich. Doch meine Freundin wollte die New York Mets Decke partout nicht anfassen, hatte Tränen in den Augen: »Zu viele Erinnerungen.« Und ich? Ich wollte diese alte Decke auch nicht mehr. Ich glaube, dieses blau-orangene Ding ist gerade irgendwo in einem Container auf dem Atlantik. Zusammen mit 20 Kisten und meinen neuen Möbeln aus Berlin. Meine Freundin und mich trennt jetzt ein Stempel im Pass, den ich wohl bald erneuern lassen muss. Mehr Seiten passen nämlich nicht rein.
Jason, 36
T e x t A lisa V ornehm F oto plainpicture / N ature P L
… Olivenbaum Es stimmt mich traurig, wenn ich den Olivenbaum im kalten Hausflur stehen sehe; seine Blätter sehen so hart und rau aus; sie schimmern nicht silbrig-grün, oder silbrig-blau wie sie es im Sonnenlicht könnten. Erinnerungen an den letzten Sommer in Griechenland kommen hoch – ich vermisse meinen Freund Xristos und seine Insel: Kreta. Dort ducken sich die Olivenbäume gegen den Wind, rhythmisch wiegen ihre schlanken Blätter auf und ab. Ich sitze auf dem Moped und klammere mich an Xristos. Wir kannten uns gerade zwei Wochen, als er mit mir durch die Bergdörfer im Landesinneren fuhr. Um uns herum überall Olivenplantagen. Wenn die grünen, runden Oliven einmal reif sind, wird aus den meisten von ihnen Öl gewonnen, erklärt er mir, schreiend gegen den Fahrtwind und das Motorknattern. Bereits im Altertum wurde aus den Blättern des Ölbaums Salbe gemacht, heute hilft die fetthaltige Creme aus seinen Früchten bei trockener Haut. Wir fahren immer höher und schließlich liegt sein eigener Olivenhain vor uns; hunderte von Bäumen umgeben uns, manche von ihnen sind viele Generationen alt. Pflanzt man einen eigenen Olivenbaum, so wird dieser erst für die Enkelkinder Früchte tragen, sagt Xristos. Es ist still dort oben, der warme Wind streicht von den silbrigen Blättern in mein Haar. Ihnen verdankt der Ölbaum trotz knorriger Stämme und Zweige seine Anmut – und ihre Funktion ist clever: Die harte Oberfläche schützt das Olivenblatt vor Hitze und Kälte; an der rauen Oberseite befinden sich Pollen, die zur Bestäubung an Insekten kleben bleiben; die schirmförmigen Schuppen der Unterseite halten Wassertropfen fest, so kann der Ölbaum an den trockensten Plätzen überleben. Ein Ölzweig galt den Griechen als höchste Auszeichnung bei den Olympischen Spielen, zwei formen auf der Flagge der UNO als Zeichen des Friedens einen Kranz. Und mein Olivenbaum im Flur? Bedeutet mir sehr viel, denke ich und muss lächeln.
VIKTORIA SAEBEL, 24
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Mega-Plateaus, Glitzersandalen und Stiefeletten aus schwarzem Nappa sorgen nicht nur für den richtigen Auftritt ihrer Trägerin – sie eignen sich auch für künstlerische Kompositionen im Raum. Wir haben die Perspektive gewechselt und zeigen die schönsten Beziehungen von Paaren und Fl ächen.
T e x t und S tyling T atjana P eco F oto M agnus L echner
Schuh Werke
(1)
»Metallische Reflektionen im Abstieg über gewalztem Asphalt.« Pumps von J immy
C hoo .
(2)
»Schwimmender Körper im Wellenspiel vor betonter Horizontale.« Plateausandalen von & O ther
S tories .
(3)
»Nach der Natur? Variation aus Blumen und Holz neben Sichtbetonmauer.« High-Heels zum Schnüren von J effrey
C ampbell .
(4)
»Begegnung der kleinen Schleifen am spitzen Winkel.« Sandalen von J immy
C hoo .
(5)
»Schwarzes Leder vor dem groSSen Glas: Visuelle Vermählung in der Vertikalen.« Stiefeletten von I X O S .
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»Den Ton halten: Perforiertes Leder im Stillstand vor rhythmisierten Querstreifen.« Schnürschuhe und Söckchen von H & M .
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I llustration M artin F engel
E ine K urzgeschichte von J ulia G oss
Des Meeres und der Psyche Wellen
Der Mond schien durch das Fenster und füllte den Raum mit spärlichem Licht. Élise kniete nieder und öffnete die unterste Schublade einer Kommode aus dunklem Mahagoni. Verzweifelt riss sie alles heraus was ihr in die Finger geriet, in der Hoffnung, zwischen all den Büchern, Dokumenten und Briefen, die sie auf den Boden warf, ein goldenes Funkeln zu entdecken oder ein leises Ticken zu hören. Als Élise erkannte, dass sie nicht gefunden hatte, wonach sie suchte, knallte sie die leere Schublade wütend zu. Die Kommode schwankte und ein Bilderrahmen fiel klirrend zu Boden. Sie zog das Foto zwischen den Scherben hervor. Zwei Mädchen lächelten ihr von dem Bild entgegen – Élise und ihre ältere Schwester. Élise schaute in ihre eigenen grünen Augen und betrachtete ihr Gesicht, das von glatten blonden Haaren umrahmt wurde. Auf ihrer Nase zeichnete sich ein kleiner Höcker ab, den sie nicht leiden konnte und den, wie ihre Schwester immer behauptete, nur Élise sehen konnte. Erschöpft ließ sie das Foto zurück auf den Scherbenhaufen sinken. Zoé spürte den ersten Regentropfen auf ihrer Haut. Sie setzte sich in den von der Sonne aufgewärmten Sand, zog ihre schwarzen Turnschuhe aus und beobachtete die letzten Badegäste, die hastig Handtücher und Picknickkörbe einsammelten, um sich vor dem Gewitter in Sicherheit zu bringen. Bedrohliche Wolken türmten sich am Horizont und verdeckten die letzten Strahlen der untergehenden Sonne. Lauter Donner übertönte die krächzenden Rufe der Seemöwen, die in Scharen dicht über der Wasseroberfläche segelten. Die blau-weiß gestreiften Schirme der Strandkörbe knatterten im Wind. Die leichten Wogen des Meeres hatten sich in aufbrausende Wellen verwandelt, die sich schäumend am Strand überschlugen. Blitze zuckten und tauchten die Meeresküste in kaltes, unheimliches Blau. Nun lag der Strand verlassen da. Fasziniert betrachtete Zoé das Schauspiel der Blitze, während sie gedankenverloren die Zehen in den feinen Sand grub. Sie atmete tief durch und versuchte das beklemmende Gefühl abzuschütteln, das sie
seit dem Einbruch vor wenigen Nächten in ihrer Wohnung nicht mehr losgelassen hatte. Die Einbrecher hatten einen Großteil der Wohnung verwüstet, Schränke und Kommoden durchsucht und den gesamten Inhalt auf dem Boden verteilt, während sie im Nebenzimmer geschlafen hatte. Das Sonderbarste war aber, dass absolut nichts gestohlen worden war. »Als hätte jemand etwas Bestimmtes gesucht und nicht gefunden«, hatte der Polizist gesagt und sich kopfschüttelnd in ihrem Wohnzimmer umgesehen, während sie die Glasscherben eines zerbrochenen Bildes aufgesammelt hatte. Ein lauter Donnerschlag riss Zoé aus ihren Gedanken. Sie strich sich die blonden, vom Wind zerzausten, Haare aus dem Gesicht. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Fröstelnd schlang sie die Arme um den Oberkörper. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden und ließ ihren Blick über die mit Gras bewachsenen Dünen schweifen. Und da, zwischen den Strandkörben, glaubte sie in der Dunkelheit die schemenhaften Umrisse einer Gestalt zu erkennen. Erschrocken sprang Zoé auf. Sie schloss für einen kurzen Moment die Augen und nahm all ihren Mut zusammen. Doch als sie auf die Strandkörbe zugehen wollte, war niemand zu sehen. »Das hast du dir bloß eingebildet«, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Mit zügigen Schritten entfernte sie sich von der Stelle an der sie gerade eben noch gesessen hatte und hielt erst wieder inne, als sie den Rand des Meeres erreicht hatte. Die eiskalten Wellen umspielten ihre Knöchel. Sie watete immer weiter in das Wasser hinein. Als sie den Boden nicht mehr unter den Füßen spüren konnte, begann sie zu schwimmen. Der leichte Stoff ihres Sommerkleides schmiegte sich an ihren Körper. Die kraftvolle Strömung zerrte an ihren schwächer werdenden Armen und die Wellen schlugen ihr ins Gesicht. Sie holte noch einmal tief Luft, dann tauchte sie unter. Das einzige, was sie jetzt noch hören konnte, war das dumpfe Rauschen des Meeres. Entfernt nahm Olivia ein monotones Piepen wahr, das sie langsam an die Oberfläche ihres Bewusstseins holte. Sie war so unendlich müde und wollte noch nicht aufwachen. Erst jetzt spürte sie, dass ihr Rachen höllisch brannte. Das grelle Tageslicht drang durch ihre Lider. Als Olivia die Augen öffnete, er-
kannte sie ihre Schwester, die sie besorgt ansah. Unter ihren grünen Augen lagen dunkle Schatten. »Charlotte? Wo bin ich?«, fragte Olivia mit heiserer Stimme. »Schsch… Alles ist gut Liebes, du bist im Krankenhaus. Ich hole einen Arzt«, sagte Charlotte müde und verließ das Zimmer. Olivia starrte an die Decke. Sie versuchte sich an den Traum zu erinnern, den sie gerade geträumt hatte. Tosende Wellen und Blitze waren darin vorgekommen. Sie hatte das Gefühl, diesen Traum schon einmal gehabt zu haben. Sie ließ ihren Blick durch den spärlich eingerichteten Raum schweifen. An den kahlen Wänden hingen kitschige Landschaftsbilder, die ihren Zweck, der Krankenhausatmosphäre etwas Freundlichkeit zu verleihen, weit verfehlten. Auf dem metallenen Nachtkästchen neben ihrem Bett stand ein hübscher Strauß Pfingstrosen, Olivias Lieblingsblumen. Die Tür ging auf und Charlotte kam, gefolgt von einem kleinen, stämmig gebauten Arzt, herein. Olivia versuchte sich ein Stückchen aufzurichten. Der Arzt nahm sich das Klemmbrett vom Ende des Bettes und warf einen Blick darauf. »Wie ich sehe, sind Ihre Werte soweit in Ordnung, Frau Venier«, sagte er und deutete auf das Klemmbrett. »Ich denke, in Ihrem Fall ist es vernünftiger, wenn Ihnen Ihre Schwester alles weitere erklärt«, fügte er hinzu. Olivia sah Charlotte fragend an. Ihre Schwester warf ihr einen traurigen Blick zu. »Du musst dir endlich Hilfe holen«, sagte Charlotte flehend. »Ich kann nicht ständig auf dich aufpassen, Zoé.« Die Mittagssonne knallte auf den Asphalt. Eine Schweißperle tropfte Élise von der Stirn. Bei jedem Schritt spürte sie einen kleinen Stein in ihrem rechten Schuh, der sich schmerzhaft in ihre Fußsohle bohrte. Élise bog in eine Seitenstraße ein und ging auf ein altes Haus mit schmuckvoller Fassade zu. Erleichtert betrat sie den kühlen, mit Marmor ausgestatteten Eingangsbereich. Sie durchquerte den schmalen langen Raum und stieg dann die steinerne Treppe bis in den zweiten Stock hinauf. Élise sperrte die Tür zu ihrer Wohnung auf und betrat den dunklen Flur. Die Luft war warm und stickig. Sie ging ins Wohnzimmer und öffnete das Fenster, in der Hoffnung, eine leichte Brise herein zu locken. Erschöpft
Eine zerrissene Seele, drei Menschen. Die Geschichte einer multiplen Persönlichkeitsstörung.
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ließ sie sich auf die Couch aus abgenutztem, smaragdgrünen Samt sinken. Ihre Möbel, die sie großteils auf Flohmärkten erstanden hatte, waren wild zusammengewürfelt. An dem gegenüberliegenden Fenster hingen bodenlange Vorhänge aus weißem Leinen, die sich leicht im Wind wölbten. Davor stand ein zierlicher Schreibtisch, der aus dem gleichen rötlichen Holz gefertigt war, wie die Biedermeierkommode, die an der hintersten Wand des Raumes stand. Élise öffnete die Schnürsenkel ihrer schwarzen Turnschuhe und zog sie aus. Als sie den rechten Schuh auf den Kopf drehte, rieselte feiner Sand heraus und verteilte sich über dem Parkett. Erst ganz zum Schluss kullerte ein einzelnes Steinchen hinterher. »Was ist das denn?«, sagte Élise erstaunt. Sie konnte sich nicht mal erinnern, wann sie das letzte Mal am Strand gewesen war. Sie sammelte den Sand mit ihren Händen auf, ging zum offenen Fenster und beförderte ihn schwungvoll hinaus. Élise setzte sich an den Schreibtisch und schnappte sich die Zeitung, die neben der Vase mit den vertrockneten Pfingstrosen lag. Als sie die Zeitung aufschlug, fiel ihr ein Brief entgegen, der sich zwischen den Seiten versteckt hatte. Neugierig musterte sie ihn. Er kam vom Krankenhaus und war an Zoé Venier adressiert. Genervt öffnete sie eine der Schreibtischschubladen und wollte ihn zu den anderen fehlgeleiteten Briefen an Zoé Venier legen, die sie seit längerem sammelte; als sie zwischen den Umschlägen etwas Goldenes schimmern sah. Innerhalb weniger Sekunden wusste sie, was es war und ihr Herz begann zu rasen. Mit zitternden Händen griff sie nach der Taschenuhr. Élise fuhr mit dem Finger vorsichtig über das Ziffernblatt. Der Sekundenzeiger zog mit schwachen Schlägen seine letzte Runde und mit einem leisen »Tick Tack« kam die Uhr zum Stehen. Élise spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Das Telefon klingelte. Zoé rannte in den Flur und nahm den Hörer ab. »Hallo?«, sagt sie. »Ich bin es Liebes, Charlotte. Wie geht es dir?«, hörte sie ihre Schwester sagen. »Mir geht es super«, antwortete Zoé und blickte in den Spiegel, der über dem Telefonkästchen hing. Verwundert beobachtete sie eine Träne, die aus ihrem Augenwinkel sickerte und langsam über ihre Wange floss.
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F oto P rivat
Der Desktop-Hintergrund bündelt unser virtuelles Leben; als tägliches Gegenüber ist er für viele Menschen etwas sehr Intimes. Wir durften trotzdem auf den Rechner von sechs kreativen Menschen blicken.
T e x t + I nterview N aomi J ö dicke
Alles in Ordnung?
Das Foto habe ich selbst produziert und erschien letzten September in der griechischen Vogue. Außerdem war es in Cannes beim »Festival Internationale de la Photographie de mode« zum besten Fashionfoto 2012 nominiert.
Was zeigt Ihr Desktop-Hintergrund?
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfläche? Mein Desktop ist ein Chaos. Ich räume zwar öfter mal auf, aber das tue ich mit meinem Schreibtisch auch und der liegt trotzdem voller Magazine, Flugtickets, Callsheets und überall kleben ganz viele Post-its.
Wie würden Sie Ihren Desktop beschreiben? Sehr old school! Mein Desktop ist meine virtuelle Hosentasche – manchmal bin ich selbst selbst überrascht was da alles zu finden ist!
Wie oft wechseln Sie Ihren DesktopHintergrund? Ich wechsle den Hintergrund ständig, er hängt oft von meiner Stimmung ab. Meistens aber zeigt er eine meiner Arbeiten weil ich sehen möchte, ob mir das Bild nach ein paar Tagen immer noch gefällt.
Warum haben Sie gerade dieses Bild/Motiv ausgesucht? Es ist für mich eine schöne Erinnerung. Die vielen kleinen Bilder auf dem Desktop sind nur Moods die ich mir für Shootings aus dem Internet ziehe – und meistens am übernächsten Tag wieder lösche.
Andreas Ortner
M odefotograf
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Es zeigt wunderschöne Blumen und mein kreatives Chaos. Ich liebe Blumen, daher das Bild.
Was zeigt Ihr Desktop Hintergrund und warum gerade dieses Bild?
Ich wechsle einmal im Monat. Was für mich gar nicht geht, sind zuviele Muster.
Wie oft wechseln Sie Ihren Desktop-Hintergrund und was geht als Hintergrundbild für Sie so gar nicht? Genau – ich warte solang bis ich nicht mehr durchsteige.
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfläche oder warten Sie so lange mit dem Aufräumen, bis Sie selbst nicht mehr durchsteigen?
Chaotisch, kreativ und informativ.
Beschreiben Sie Ihren Desktop in drei Worten
Carola Niemann
M odechefin C O V E R
Das aktuelle Bild zeigt meine Tochter Joely, sie hat sich mit diesem Foto unter #FANG bei der internationalen Fangemeinde der letzten »True Blood«-Staffel eingetragen. Daher die kleinen Zähnchen am Finger! Das Foto macht mir gute Laune, es ist intensiv, und hat einen besonderen Twist. Und ehrlich: Wow, was hat sie für tolle Augen, übrigens vom Vater.
Was zeigt Ihr Desktop Hintergrund und warum gerade dieses Bild?
Das Hintergrundbild ist total wichtig! Schließlich ist der Computer mein ganz persönlicher Arbeitsplatz und die Möglichkeiten, die ich habe, ihn zu gestalten, sind ja super. Ich wechsle das Foto sobald ich ein neues, interessantes entdecke.
Wie oft wechseln Sie Ihren Desktop-Hintergrund?
Blau. Bloody. Business.
Beschreiben Sie Ihren Desktop in drei Worten
Im Vergleich zu meinem realen Schreibtisch ist der Desktop super aufgeräumt. Das beste ist doch, dass man alles in Ordnern verschwinden lassen kann! Meine grobe Ordnung und Aufteilung: links steht Privates, Musik und Fotos. Rechts ist das Business, was gerade aktuell läuft und besagte Chaos-Ordner. Diese »Ordnung« ist mir wichtig, weil ich dauernd damit konfrontiert werde.
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfläche oder warten Sie so lange mit dem Aufräumen, bis Sie selbst nicht mehr durchsteigen?
Andrea Ketterer
C hefredakteurin G L A M O U R
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Mein Desktop zeigt ein Motiv der Fotografin Sabrina Theissen, das ich mit ihr f체r die Qvest produziert habe. Es ist eines meiner liebsten Arbeiten und hat ein Querformat.
Was zeigt das Desktop Hintergrund-Bild und warum gerade dieses Bild?
Etwa alle zwei Jahre, wir produzieren nicht so viele Querformate.
Wie oft wechseln Sie Ihren Desktop-Hintergrund
Ich warte bis die H채lfte des Desktops voll ist, dann ordne ich weg. Links liegen die Ordner an denen ich gerade arbeite.
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfl채che oder warten Sie so lange mit dem Aufr채umen, bis Sie selbst nicht mehr durchsteigen?
Christian Stemmler
S tylist
Meistens habe ich ein oder mehrere inspirierende Fotos aus einer kürzlich produzierten Fotoproduktion solange geöffnet, bis ich wieder an einer neuen Serie arbeite. Bilder sind zur Flut geworden. Daher reduziere ich Bilder so gut es geht. Das Desktop-Bild ist total zurückgenommen, damit alles was erscheint, Platz hat, sonst wird mir das zuviel.
Was zeigt das Desktop Hintergrund-Bild und warum gerade dieses Bild?
Eigentlich wechsle ich nie – er darf mich nämlich nicht ablenken und muss ruhig sein – daher auch die Farbe Blau. Erinnerungsfotos funktionieren bei mir nicht. Die gucke ich mir eher in Ruhe an. Jedes Bild, das man dauernd betrachtet, verliert nach einiger Zeit für mich seinen Charme – lieber bevorzuge ich eine bewusste Betrachtung in Ruhe.
Wie oft wechseln Sie Ihren Desktop-Hintergrund und was geht als Hintergrundbild für Sie so gar nicht?
Arbeitsbasis, funktional strukturiert, simpel.
Beschreiben Sie Ihren Desktop in drei Worten
Ich lege ständig neue Ordner an die ich Desktop1-x nenne; darin speichere ich die Sachen, von denen ich nicht weiß, wohin ich sie sortieren soll. Ich nutze eine Menge Screenshots zur Inspiration auf interessanten Webseiten. Nach kurzer Zeit sortiere ich sie in die Dropbox in diverse Inspirationsordner. So bekommen sie ihren Platz und verschwinden wieder vom Schreibtisch.
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfläche oder warten Sie so lange mit dem Aufräumen, bis Sie selbst nicht mehr durchsteigen?
Sammy Hart
P ortrait - und M odefotograf
057 Weil es lustig und sexy ist. Wenn ich auf meinen Bildschirm schaue macht es mir gute Laune!
Und warum gerade dieses Bild?
Thanks to Matthias: »A little escape«!
Beschreiben Sie Ihren Desktop in drei Worten
Da bin ich nicht sehr kreativ! Das Foto ist das erste, das ich jemals installiert habe. Davor war mein Bildschirmhintergrund eine Standardeinstellung.
Mein Hintergrund-Bild ist ein Photo von Matthias Vriens McGrath. Es entstand auf einer GLAMOUR Produktion in Los Angeles 2011 für sein T-Shirt Label bl33n.
Meine Bildoberfläche ist tendenziell eher chaotisch, aber nichts im Vergleich zu der Unordnung die auf meinem Schreibtisch herrscht! Ich bin eigentlich ein ordentlicher Mensch und arbeite sehr strukturiert, aber was meinen Arbeitsplatz angeht liebe ich das wilde Durcheinander als Gegenentwurf!
Wie wichtig ist Ihnen Ordnung auf der Bildoberfläche oder warten Sie so lange mit dem Aufräumen, bis Sie selbst nicht mehr durchsteigen?
Wie oft wechseln Sie Ihren Desktop-Hintergrund?
Was zeigt das Desktop Hintergrund-Bild?
Kai Margrander
G lamour M odechef
N a i l y N e w s Die Beauty-experten haben L acke entwickelt, die ganz neue Texturen auf die Oberfl äche unserer Nägel zaubern – Finger-spitzengefühl garantiert. T e x t C atherine M Ünzing F oto A ntonio P rudente H andmodel K athrin K ö teles V isagistin R enata T raupe
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Text C laire B ecker J ulia G oss
F oto C laire B ecker J ulia G oss F rank C . P ieper
die vier Menschen auf den nächsten Seiten haben Hobbys, die für manche vielleicht verstörend sind. Wir haben mit ihnen über ihre ungewöhnlichen Leidenschaften gesprochen.
Ein Tick zu viel? 061
Fetisch: Cosplay Marie, 17, Schülerin [mo:de]5 Marie
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Was bedeutet »Cosplay«? Cosplay setzt sich aus den Wörtern Costume und Play zusammen. Dabei verkleidet man sich wie eine Figur aus einem Manga oder Anime, das sind japanische Comic-Bücher und Zeichentrickserien. Man versucht so originalgetreu wie möglich seinen Lieblingscharakter darzustellen, was natürlich nicht so einfach ist. Wie viele verschiedene Kostüme besitzt du denn? Drei. Ich trage sie bei besonderen Anlässen wie Conventions oder Cosplay-Treffen. Mein erstes Kostüm war »Temari« aus dem Manga »Naruto«: Temari ist ein Mädchen, das einen schwarzen Kimono trägt und in einer Stadt aus Sand wohnt. Zurzeit ist aber »Miku Hatsune« mein Favorit. Und wer ist »Miku Hatsune«? Sie ist eine animierte Sängerin mit einer künstlich generierten Stimme, die sehr elektronisch klingt – nach ihrem Vorbild ist ein ganzes Musikgenre entstanden, das sich »Vocaloid« nennt. Sie hat türkise, fast bodenlange Haare die zu zwei Zöpfen gebunden sind und ihr Markenzeichen ist eine Stange Lauch. Imitierst du nur den Look oder übernimmst du auch ihre Charakterzüge? Es gibt Cosplayer die Sprüche auswendig lernen und ihre Bewegungen ganz denen des dargestellten Charakters anpassen; andere posieren nur für Fotos. Ich versuche mich für ein Foto in »Temari« oder »Miku Hatsune« hinein zu fühlen; aber es ist nicht so, dass ich mir ein Kostüm anziehe und dann denke, ich wäre jemand anderes. Kann man Cosplay-Kostüme kaufen, oder muss man die selber nähen? Die Outfits können Online bestellt oder auf Conventions gekauft werden. Viele Cosplayer schneidern sich ihre Kostüme aber selbst, eine bekannte Cosplayerin aus Amerika hat sogar ihren bodenlangen Rock extra mit frischen Blumen beklebt. Gibt es Wettbewerbe für Cosplayer? Ja. Bei den Conventions findet die Deutsche CosplayMeisterschaft statt; die Teilnehmer präsentieren ihre Kostüme und der beste Performer qualifiziert sich für das weltweite Finale in Japan. Das klingt nach einer sehr speziellen Welt – wird dein Alltag von deiner Leidenschaft beeinflusst? Ich interessiere mich für asiatische Modestile und versuche mich danach zu stylen. Der erste Stil, den ich für mich entdeckt habe nennt sich »Lolita«; man trägt mädchenhafte Rokoko-Kleider mit puffigen Röckchen, dazu kleine Hüte oder Rüschenschirme. Danach habe ich mich mit »Visual-Kei« auseinandergesetzt – einer stark vom Gothic geprägte Stilrichtung in der man sich hauptsächlich schwarz kleidet. Momentan bin ich dem
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»Fairy-Kei« verfallen und denke mir Outfits in Pastellfarben mit niedlichen Accessoires in Form von Früchten oder Süßigkeiten aus. Wie reagieren andere Menschen auf dich? Ich habe eine Freundin, die Asiatin ist, und die gleiche Musik hört wie ich. Sie findet das total cool. Als ich neulich mit ihr shoppen war, hatte ich ein »Fairy-Kei«Outfit an: einen mintfarbenen Pulli und eine fette rosa Schleife auf dem Kopf. Das fällt natürlich auf und ein paar Menschen schauen mir komisch hinterher. Du hörst sogar koreanische Musik? Ja, aber bis auf die Sprache unterscheidet sie sich nicht so sehr von dem was wir in Deutschland hören. Die koreanischen Bands arbeiten zurzeit sehr viel mit House, Dubstep und Hip Hop. Lernst du auch Koreanisch? Ja, es wird langsam. Also lesen kann ich es inzwischen. Und bei der Konversation arbeite ich mich langsam vor. Die Grundfloskeln kann ich schon. Was fasziniert dich eigentlich so sehr an Asien? Es ist einfach alles so anders dort, und deshalb verliert man sich teilweise richtig in dieser Welt.
»Ich versuche mich für ein Foto in ›Temari‹ oder ›Miku Hatsune‹ hinein zu fühlen.« Marie lässt ihre Vorbilder aus japanischen Manga-Büchern zum Leben erwachen. Ihr Lieblingskuscheltier ist ein Plüsch-Lauch, der zu einer ihrer Verkleidungen gehört.
Fetisch: Sneaker Dominik, 27, Bürokaufmann und DJ [mo:de]5 Dominik
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Erinnerst du dich an dein erstes Paar Sneaker? Es waren »Adidas Superstars« – ich bekam sie mit zehn Jahren geschenkt. Und seitdem sammelst du? Nein, zwischenzeitlich hatte ich damit aufgehört. Aber seit vier oder fünf Jahren bin ich wieder aktiv und kann nicht mehr aufhören. Es ist mittlerweile wie eine Sucht. Wie viel Paar hast du bereits? Das weiß ich nicht – aber im letzten Jahr habe ich 27 Paar gekauft. Warum Sneaker – haben sie eine besondere Bedeutung für dich? Es sind einfach coole Schuhe und fertig – sie sind nicht so spießig wie ein Anzugschuh. Spielt die Produkthistorie einzelner Modelle eine Rolle bei deiner Auswahl? Zum Teil kenne ich die Geschichten zu den Schuhen, aber ich kaufe sie auch nur, weil sie mir gefallen. Wie viel Geld gibst du im Monat durchschnittlich für Sneaker aus? Manchmal fast so viel wie für die Miete meiner Wohnung: von 500 bis 1.000 Euro. Hast du einen Lieblingsschuh? Eigentlich habe ich gleich zwei Lieblinge: Einmal ein Paar beige-rote »Asics Kilates« und ein Paar grauschwarze Wildledersneaker mit neonorangenen Details von »Saucony«. Was ist denn das Besondere an den »Asics Kilates«? Der Release für die »Asics Kilates« war in Berlin und dort gab es jeden Schuh in jeder Größe nur zehn Mal. Ich habe meinen Cousin aus Berlin gebeten sich für mich anzustellen, um mir welche zu kaufen, aber er war zu spät dran und hat keine mehr bekommen: er hat sich erst um sieben, statt wie versprochen um sechs Uhr angestellt. Doch dann habe ich sie sehr günstig über Ebay ersteigert – ich war richtig happy. Hast du Vorlieben bei Materialien oder Farben? Nein, sie müssen mir nur gefallen. Ich habe welche aus Wildleder, glattem Vollrindleder und andere sind aus Canvas. Wirst du wütend wenn dir jemand auf den Schuh tritt? Das kommt auf den Schuh an, den ich trage. Es nervt zwar, aber mehr als aufregen kann ich mich sowieso nicht. In Clubs habe ich aus diesem Grund meistens einen »Weggeh-Sneaker« an. Das ist ein schlichter schwarzer, bei dem es mich nicht so sehr stört. Manche Menschen schmeißen ihre Turnschuhe in die Waschmaschine – wie hälst du denn deine Sammlung sauber? Für Vollrindleder gibt es einen speziellen »Sneaker-
»Sneaker sind für mich eine Art Geldanlage.« Dominik sammelt Sneaker, die er überall in seiner Wohnung ausstellt. Auch seine Bilder an der Wand handeln von seiner Leidenschaft.
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Cleaner«. Ein Spray, das man aufsprüht und ausbürstet. Bei Wildlederschuhen mit Canvas-Einsätzen muss man den Staub und Schmutz vorsichtig mit einer ganz feinen Bürste abnehmen und danach kann man den Rest mit einem Schwamm und ganz wenig Wasser entfernen. Wildleder ist sehr empfindlich, man darf nicht jede Bürste verwenden, sonst raut die feine Oberfläche des Leders zu sehr auf. Klingt ziemlich zeitaufwändig? Für 25 Paar brauche ich ca. vier bis fünf Stunden. Gerade bin ich auf der Suche nach einem guten Schuster in München, der mir meine Wildlederschuhe reinigt. An einem Schuh sehe ich sogar noch das Preisetikett. Ziehst du sie nicht an? Ich habe vier Paar Sneaker die ich nicht trage. Es sind reine Sammlerstücke, die ich im Karton in meiner Wohnung lagere. Sie sind für mich eine Art Geldanlage – immer wenn ich Geld brauche, kann ich welche davon verkaufen. Aber ich kann mich meist nur schwer trennen. Wenn du dich zwischen deinen Traum-Sneakers und deiner Traumfrau entscheiden müsstest. Was würdest du wählen? Ich nehme die Frau und sie kauft mir dann den Schuh.
Fetisch: Lack und Leder Christina, 35, Gastronomie- und Hotelfachfrau [mo:de]5
Christina
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Wie hast du deine Vorliebe für Lack und Leder entdeckt? Ich habe einen Mann kennengelernt und er hat mich auf meine erste Fetisch-Party mitgenommen – eine Veranstaltung mit Dresscode, zu der Menschen die gerne Lack und Leder tragen, eingeladen waren. Warst du da nicht nervös? Ich war total aufgeregt, aber ich habe mich auch sehr wohlgefühlt. Die Männer auf diesen Partys sind Frauen gegenüber viel respektvoller, als in normalen Clubs – man wird nicht plump angemacht. Was fasziniert dich so an Fetisch-Mode? Ich finde die Dessous einfach wunderschön. Sie sind so weiblich, allein schon durch den Glanz und die Haptik! Latex beispielsweise fühlt sich so weich an wie eine zweite Haut. Nach welchen Kriterien suchst du deine Outfits aus? Auch bei Fetisch-Dessous gibt es verschiedene Stilrichtungen wie beispielsweise »Lolita«, »Gothic« oder »Pinup«. Ich persönlich mag den »Pin-up«-Stil der 50er Jahre sehr gerne; ich liebe hohe Strapse mit Nylonnaht und Korsetts – davon habe ich unzählige. So wie Dita von Teese? Ja genau. Sie ist eine sehr inspirierende und wunderschöne Frau. Wie reagiert dein Umfeld auf deine Leidenschaft? Ich habe ja fast nur mit Menschen aus der Gastronomie und der Nightlife-Szene zu tun, die sind bekanntlich recht aufgeschlossen. Sie reagieren erst einmal neugierig. Wenn sie mich im Laden besuchen, finden sie die Dessous spannend. Aber SM geht den meisten zu weit. Also hat man nicht mehr mit Vorurteilen zu kämpfen? In meiner Generation kaum noch. Dank des Mega-Erfolgs des Erotik-Bestsellers »Shades of Grey« ist das Thema weiter enttabuisiert worden. Viele Pärchen kommen in den Fetisch-Dessous-Laden in dem ich arbeite, um ihre ersten Hand- und Fußfesseln zu kaufen. Wie viel Geld gibst du für Latex-Mode aus? Es ist eine sehr teure Leidenschaft und ich muss auf jedes Outfit sparen; im Durchschnitt gebe ich für einen Look mit Schuhen und Accessoires zwischen 400 und 500 Euro aus. Es gibt auch Fetisch-Dessous von bestimmten Labels, die bis zu 10.000 Euro kosten können. Besitzt du ein Lieblingsoutfit? Ich habe vier komplette Lack-, drei Latex- und zwei Lederoutfits, was ich auswähle hängt immer von meiner
»Die Männer auf Fetisch-Partys sind Frauen gegenüber viel respektvoller, als in normalen Clubs.« Christina liebt nicht nur das Gefühl von Lack und Latex auf ihrer Haut. Sie arbeitet auch in dem Fetisch-Laden »Domination & Shop«. Sie genießt den Kontakt zu Menschen aus der Szene.
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Stimmung ab. Aber am liebsten trage ich schwarze Latex-Leggings zum schwarzen Latex-Korsett. Ist es eigentlich schwer so eine Latex-Leggings anzuziehen? Ein bisschen anstrengend ist es auf jeden Fall. Aber Latex ist sehr dehnbar und von innen mit einem Puder bestäubt, damit man besser hinein kommt und nicht hängen bleibt. Ähnlich wie bei einer Nylonstrumpfhose muss man aufpassen, mit den Fingernägeln das Material nicht zu beschädigt. Brauchen die Dessous eine besondere Pflege? Für meine Latex-Outfits verwende ich ein spezielles Spray, das dem Material sein charakteristisch glänzendes Aussehen verleiht, denn eigentlich ist Latex eine matte Oberfläche. Und das Einsprühen hinterlässt keine Sauerei? Nein, das funktioniert ähnlich wie ein Haarspray und ist ganz einfach zu benutzen: aufsprühen und 10 Sekunden warten.
Fetisch: Körperschmuck
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Sebastian, 30, Tätowierer Was gefällt dir an deinem Beruf am Besten? Sebastian Junge, nackte, hübsche Mädchen. Und zweitens, wenn mir ein Kunde beim Entwurf eines Motivs freie Hand lässt. Dabei entstehen auch die besten Tattoos. Hast du schon mal einen Rentner tätowiert? m:5 Ja, meine älteste Kundin war 68. Zu uns kommt ein S. kompletter Querschnitt der Gesellschaft: Knastis, Bänker, Hausfrauen, Jugendliche, Manager. Wie lange arbeitest du schon als Tätowierer? m:5 Und wie kamst du dazu? Beruflich mache ich das ungefähr seit sieben Jahren, S. aber mit 17 habe ich meine erste Maschine in der Hand gehabt. Ein Kumpel von mir wusste, wie man aus einem Löffel und einem Walkman eine Tätowiermaschine bauen kann. Dann haben wir irgendwo noch alte, eingetrocknete Tusche gefunden, die haben wir verdünnt und dann einfach losgelegt. Wann hast du dir dein erstes Tattoo stechen lassen? m:5 Mit 17 Jahren. Kurz darauf dachte ich mir: das ist S. Pfusch, das kann ich selber besser. Und schlussendlich hast du dann die Walkman-Löffelm:5 Konstruktion gegen eine professionelle Tätowiermaschine eingetauscht? Ich habe zwischendurch noch eine Ausbildung als ParS. kettleger angefangen, weil ich noch nicht wusste, wie sich das mit dem Tätowieren entwickelt. Mit der Zeit bin ich aber immer besser geworden. Nach der Ausbildung habe ich meinem Chef den Hammer vor die Füße geworfen und gesagt: so, jetzt gehe ich tätowieren. Wie viele Tattoos hast du? m:5 Ich weiß es nicht so genau. Ich hab den ganzen Rücken S. voll und beide Beine, also im Endeffekt eins, weil die Tattoos miteinander verbunden sind. Was bedeuten Tätowierungen für dich? m:5 Als ich angefangen habe mich tätowieren zu lassen, S. habe ich es gemacht, um mich von der Masse abzuheben. Irgendwie ist das nichts Besonderes mehr, weil heute jeder tätowiert ist. Bis zu einem gewissen Grad ist es auch Selbstschutz. Man distanziert sich dadurch von Leuten, auf die man sowieso keinen Bock hat. Wie reagiert dein Umfeld auf dich? m:5 Dieses Knast-Image, das Tattoos früher hatten, gibt es S. heute nicht mehr. Aber die Problemleute – wie ich sie nenne – sind so zwischen 35 und 55. Manche stehen auf, wenn sie in der U-Bahn neben mir sitzen. Das ist gut für mich, weil ich dann mehr Platz habe. Ich grinse dann einfach und bedanke mich. Von älteren Leuten bekomme ich auch viele positive Reaktionen auf meinen Körperschmuck. Sie zeigen oft mehr Interesse und sagen sowas wie: »Sie haben ja schöne Bildchen«. [mo:de]5
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Kannst du zu einem Tattoo eine besondere Geschichte erzählen? Ich kann zu vielen Tattoos etwas erzählen, denn sie haben alle mit meiner Vergangenheit zu tun. Aber die großen Geschichten gibt es erst, seit »Miami Inc.« im Fernsehen läuft. Seitdem hat jeder zu seinen drei Sternchen am Handgelenk eine Top-Story. Vor zehn Jahren war das nicht so. Ich sage immer: wir Tätowierer sind das Auffangbecken für den seelischen Müll auf der ganzen Welt. Hast du auch eine Tattoo, das du als Jugendsünde bezeichnen würdest? Nein eigentlich nicht. Ich habe viele alte Jugendsünden, aber die gehören genauso zu mir. Sie sind jetzt nicht mehr passend und deshalb habe ich mir etwas Neues darüber stechen lassen, aber ich liebe alle meine Tattoos. Gibt es ein Tattoo an deinem Körper, das du am Liebsten magst? Immer das Neueste. Wie lange dauert es, bis dann das Nächste kommt? Ich lasse mich eigentlich meistens von September bis April relativ regelmäßig tätowieren und habe alle zwei bis vier Wochen einen Termin. Im Sommer liege ich aber lieber in der Sonne. Gibt es eine Stelle auf deinem Körper, wo du kein Tattoo haben willst? Ich kann sagen, dass ich mir niemals die Augäpfel tätowieren lassen werde. Ich habe früher immer gedacht, ich werde mir niemals das Gesicht tätowieren lassen. Das ist heute alles hinfällig, ich will mein Gesicht auch tätowiert haben. Ich trau’ es mich nur noch nicht. Viele sagen, tätowieren macht süchtig. Stimmt das? Ja, irgendwie schon. Das ist wie bei Magersüchtigen oder Bodybuildern, man verliert den Hang zur Realität. Man sieht sich jeden Tag im Spiegel, man kennt sich, aber man sieht nicht die Tattoos. Man registriert sie nur kurz für vier Wochen, wenn man sich wieder etwas Neues hat machen lassen, aber dann gehört es einfach dazu. Irgendwann bemerkt man nur noch die freien Stellen und das ist dann störend. Momentan stört mich, dass mein Gesicht so frei ist.
»Ich kann sagen, dass ich mir niemals die Augäpfel tätowieren lassen werde.« Sebastian hat nur drei Tätowierungen, eine davon ist so groß, dass sie seinen halben Körper bedeckt. Auf Rücken und Schultern, schichten sich mehrere Bilder übereinander.
Sprechen Sie Mode? Hipster, SpieSSer, Ökoschluffi – gerne beurteilen wir andere Menschen anhand ihrer äuSSeren Erscheinung. Und senden durch die Auswahl unserer Kleidung Botschaften an unser Gegenüber. Mode dient der Kommunikation – dabei ist es gar nicht so einfach, ihre Sprache zu beherrschen.
T e x t M ichelle hartmann
I llustration M artin D enker
Eine quirlige, zierliche Person betritt den Klassenraum und was trägt sie? Jogginghose, dazu Eine kurze Geschichte unserer Kleider: Die Mode eine schicke Bluse und High Heels. Klar, sie ist jemand, der im Fashion Business arbeitet und manifestiert sich am sich das erlauben kann. Oder liegen die Gründe woanders? Will sie betont lässig wirken? Oder menschlichen Körper – mag sie es einfach bequem? Das Material sagt ja, der Zustand ebenfalls. Zumindest sieht die Zeichensprache Jogginghose geliebt und schon etwas verbeult aus. Allein die ungewöhnliche Mischung aus von damals bis heute. Business- und Freizeitlook zeigt, dass es nicht so leicht ist, jemanden anhand seiner Kleidung zu bewerten, wie wir uns das in unserem Schubladendenken so vorstellen. Der französische Soziologe Jean Baudrillard beschrieb im 20. Jahrhundert in einem seiner Essays, wie es gewesen wäre, wenn am Vorabend der Französischen Revolution ein Fremder die Stadt Paris betreten hätte – der Besucher hätte genau erkannt, welche soziale Position jeder Mensch, der ihm begegnet wäre, innegehabt hätte; ob Adeliger, Prostituierte oder Handwerker – in einer sozial streng hierarchisierten Gesellschaft war man zunächst einmal durch seine Kleidung gekennzeichnet und verpflichtet, gewisse Regeln nicht zu durchbrechen. Mit der Auflösung des feudalen Klassensystems begann auch die Entwicklung unserer »modernen« Mode – die Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken sagt 2011 im Interview mit dem »Süddeutsche Zeitung Magazin«: »In der Mode ging es nach der Französischen Revolution um eine neue Darstellung von Klasse und Geschlecht und die daraus resultierenden Konflikte. Die Mode der Moderne hat sich bis in die Achtzigerjahre an diesen Konflikten herausgebildet und ist damit weltweit erfolgreich geworden. Die moderne Welt zog sich westlich an. Dann traten die japanischen Designer wie Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo auf den Plan – und alles änderte sich.« Die japanischen Modemacher dekonstruierten das westliche Modeideal, indem sie die Kleidungsstücke auf den Laufsteg schickten, als wäre die Kollektion nicht rechtzeitig fertig geworden, sie drehten die Nähte sichtbar nach außen und ließen die Proportionen bewusst ins Unförmige verrutschen. »Dadurch hat sich unsere Vorstellung von dem, was Mode ist, total verändert.«, erklärt Vinken. »Die Mode bringt zur Anschauung, worum es in einer Gesellschaft gerade geht. Damals nahm die Globalisierung ihren Anfang. Der westliche Geschmackskonsens wurde infrage gestellt.« Im Grunde erfüllt Kleidung drei Grundfunktionen für den Menschen: Sie schützt vor Umwelteinflüssen, schmückt unseren Körper und dient als Kennzeichnungs- und Ausdrucksmittel. Mit Ausnahme der Schutzfunktion verwenden wir sie für eine ausgeklügelte nonverbale Kommunikation innerhalb der Gesellschaft. Wir speichern bestimmte Merkmale ab und sammeln kulturelles Wissen über Dresscodes. Welche Hautpartie wir bedecken oder zur Schau stellen – ob Busen, Bauchnabel oder Beine – und mit welcher Art von Kleidungsstücken wir dies tun, bestimmt nicht nur »die Mode«, sondern wird von mehreren Faktoren wie Geschichte, Brauchtum oder Religion, Geschlecht und Alter, beruflicher Tätigkeit oder sozialem Stand beeinflusst – nicht zu vergessen von Tageszeit und Wetter. Früher war es üblich, dass die nahen Angehörigen nach einem Trauerfall über einen längeren Zeitraum schwarz trugen, doch diese Tradition lässt sich heute bestenfalls noch in den ländlicheren Gegenden erkennen, ihre Botschaft können längst nicht mehr alle entschlüsseln. Dafür verbinden wir mit schwarzer Kleidung heute Eleganz und Urbanität – aufgrund der guten Kombinierbarkeit ist Schwarz zu einer der beliebtesten Kleiderfarben geworden. Alte Regeln und Kommunikationsmittel lösen sich langsam auf und definieren sich je nach Umgebung neu. Während Kleiderregeln und Vorlieben früher auf lokaler und nationaler Ebene existierten, erleben wir heute eine Internationalisierung modischer Codes. Obwohl bis auf einige Berufsgruppen die Kleiderordnungen heute aufgehoben sind, scheint das Bedürfnis, unser Gegen-
»Die moderne Welt zog sich westlich an. Dann traten die japanischen Designer wie Yohji Yamamoto oder Rei Kawakubo auf den Plan – und alles änderte sich.«
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»Die Aussagefähigkeit einer Uhr kommt Anzugmännern zugute, deren einziges Schmuckstück sie neben Manschettenknöpfen darstellt.«
über beurteilen und einordnen zu können, fest in uns verankert zu sein – und so versuchen wir weiterhin, andere Menschen anhand ihrer Kleider und Accessoires einzuschätzen: Die Rolex am Handgelenk demonstriert, dass man zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht gehört – klar, oder? Aber handelt es sich denn um ein Vintage-Modell oder ein aktuelles? Ist das Gehäuse aus Stahl, Weiß-, Gelb-, oder Rotgold – und wenn überhaupt: wie viele Diamanten sitzen auf der Lunette und in welchem Schliff? Das Zifferblatt – vielleicht eine seltene Farbe in Emaille? Oder ist die Rolex gar ein Fake, mitgebracht aus dem letzten Asienurlaub. Es hat eine Aufsplitterung in immer ausdifferenzierte Kleingruppen stattgefunden, die sich auf ihre individuellen Codes spezialisiert haben; diese Entwicklung verläuft durchaus parallel zu anderen gesellschaftlichen Bereichen: galt es vor 25 Jahren bereits als modern, ein Olivenöl statt x-beliebiges Speiseöl in der Küche zu verwenden, so kann man heute in jedem durchschnittlich ausgestatteten Supermarkt zwischen Olivenölen unterschiedlicher Qualität, Herkunft, Herstellungsform und Design wählen – neben dem persönlichen Geschmack geht es um Kennerschaft und darum, diese auszustellen. Kleidung eignet sich gut als Ausdrucksmittel von Status und Autorität – und die Aussagefähigkeit einer Uhr kommt besonders Anzugmännern zugute, deren einziges Schmuckstück sie neben Manschettenknöpfen darstellt. Es muss nur nicht mehr die klassische Rolex sein, die unter dem Hemd hervorblitzt, es gäbe da noch die dezente Lange & Söhne, die elegante Longines oder die bunte Kunstoffuhr von Swatch, die Diego della Valle, der Inhaber der Luxusmarken Tod’s, Hogan und Fay bevorzugt. Die Kleidersprache ist wohl vielseitiger als wir uns Glauben machen wollen. Sogenannte Fashionistas zelebrieren die Mode und beherrschen jede ihrer grammatikalischen Feinheiten – sie aktualisieren kontinuierlich ihr Styling und haben die Namen und Erkennungsmerkmale angesagter Labels wie eine auswendig gelernte Vokabelliste parat: seit der »Sex and the City«-Filme mit der modeverrückten New Yorker Kolumnistin Carrie Bradshaw als Hauptdarstellerin gab es für die Gruppe der High-Heels-Trägerinnen nur noch Manolo Blahnik, gefolgt von Jimmy Choo – und gerade scheint man des französischen Schuhdesigner Christian Louboutin und seiner charakteristischen roten Sohlen etwas überdrüssig zu werden. Was kommt danach? Ob Luxus-Sweatshirt, Kaschmir-Jogginghose oder It-Bags – die plötzliche Begehrlichkeit nach diesen Zeichen unserer Zeit schafft Trends deren rasante Wechsel wirklich nur noch Liebhaber verstehen. Und wer sich nicht für Mode interessiert? Lehnt Marken, Designer und Trends ab und zieht eben irgendwas an – und das solange bis man aus Verschleißgründen etwas Neues kaufen muss. Entziehen kann man sich der Wirkung, die Kleidung bei unseren Mitmenschen auslöst, trotzdem nicht: Bei einem Straßenexperiment wurden Passanten gebeten die Persönlichkeit einer Frau allein anhand mehrerer Fotos zu ermitteln; sie war immer in derselben Pose dargestellt und trug verschieden farbige Blusen. Die Probanden kamen zu überraschend ähnlichen Aussagen: Blau assoziierten sie mit beruhigend, freundlich, frisch, und neutral; grün werteten sie als arrogant, reich und wohlhabend ab – lila wurde als schwierig und frustriert empfunden, rot als kraftvoll und sinnlich. Egal ob wir über die Kleidung vermeintliche Eigenschaften unserer Mitmenschen zu dechiffrieren versuchen, ob wir uns anziehen wie wir uns fühlen oder unseren Stil gesellschaftlichen Erwartungen anpassen – Mode als Darstellungsmittel hilft uns bei der Ausprägung einer persönlichen und sozialen Identität. Und bestimmt kleiden wir uns alle hin und wieder – bewusst oder unbewusst – nicht für das Leben das wir führen, sondern für das, das wir uns wünschen.
H a u t s a c h e n Text
J oana - S hirin
M ü ller
F oto
O liver S pies
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DaS geSiCht eineS modelS iSt sein WiChtigSteS K apital. damit eS auf dem laufSteg maKelloS erSCheinen K ann, reinigen, Cremen und pudern Visagisten die haut BiS zur perfeKtion. BaCKStage Bei den pariSer modenSChauen lieSSen SiCh unterSChiedliChe SChönheiten auS der nähe BetraChten – und portraitieren.
B Bei der Modewoche in Paris geht es hektisch zu und die Models müssen in Höchstform sein: Mit bis zu zwölf Shows täglich und zahlreichen Fittings, die bis spät in die Nacht dauern können, ist ihr Terminkalender gefüllt. Der Tag beginnt nicht selten vor Sonnenaufgang und die Zeit zum Schlafen ist auf ein Minimum reduziert, schließlich wollen die Mädchen in der knappen Zeit so viel Aufträge wie möglich erledigen. Doch als ob permanente Müdigkeit nicht schon anstrengend genug wäre, hinterlässt jede lange Nacht auch noch ihre dunkle Signatur in den Gesichtern: zwei bläulich verfärbte Halbkreise zeigen sich im Bereich unter den Augen ab. Dort ist unsere Haut besonders dünn und transparent, weil fast kein Fettgewebe vorhanden ist – die zahlreich vorhandenen Blutgefäße schimmern durch. Bekommt der Körper zu wenig Schlaf, verengen sich die feinen Äderchen um das Auge herum und die Flüssigkeit staut sich an. Unsere Haut scheint zu ertrinken; sie bekommt nicht mehr genug Luft und läuft blau an. Models eilen von Modenschau zu Modenschau – sitzen in klimatisierten Autos oder schlängeln sich auf Vespas durch den Straßenverkehr, dessen Abgase sie einatmen; sie sitzen stundenlang in stickigen Backstage-Zelten und defilieren im heißen, grellen Scheinwerferlicht; zwischendurch ernähren sie sich von unterschiedlichsten Häppchen und Fast Food. Eine Herausforderung für die jungen Mädchen – und ihre Haut. Stress, Ernährungsumstellungen oder Klimaänderung können den Hormonhaushalt so dermaßen aus der Fassung bringen, dass unserer Haut vor Aufre-
gung die Pickel sprießen. Wird die körpereigene Talgproduktion verstärkt angeregt, verstopfen gerne die Poren: Der Talg kann nicht mehr abfließen, die Talgdrüse bläht sich mit der Masse aus Fett, Hornzellen, weißen Blutkörperchen und Bakterien auf – und der Mitesser entsteht. Sollte er sich zudem entzünden bildet sich Eiter und man spricht von einem Pickel. Es ist ein Mythos, dass nur Pubertierende damit zu kämpfen haben – wir sind in jedem Alter davon betroffen. Privat verzichten viele Models völlig auf Make-up und geben ihrer Haut die Möglichkeit sich von den Reizungen, die im Job durch das häufige Schminken entstehen, zu erholen. Eine perfekte Gesichtshaut kommuniziert in unserer Gesellschaft Jugendlichkeit und Gesundheit. »Glatt wie ein Babypopo« sollen deshalb auch die Gesichter der Models sein – ein Grund dafür, dass manche Mädchen dem Kindesalter gerade erst entwachsen zu sein scheinen; Falten kennen sie noch nicht. Unser individuelles mimisches Muskelspiel, Lebensgewohnheiten und Umwelteinflüsse sorgen erst im Laufe der Jahre für die Bildung kleinerer und größerer Falten. Unbemerkt dringen Angreifer von Außen ein: sie gehen uns unter die Haut und erschüttern die Bindegewebsfasern – die für die Elastizität und Spannkraft unserer Haut verantwortlich sind – so lange, bis sie sich allmählich abbauen. Erschöpft gibt unsere Haut nach und fällt in Falten. Auf unerwünschte Veränderungen unserer Gesichtshaut reagieren wir besonWährend der Fashion Week in Paris bat der Fotograf Oliver Spies verschiedene Models für eine Nahaufnahme in seine Kamera zu blicken; die konzentrierten Gesichter der Mädchen zeigen unterschiedliche Stadien des Make-ups — und keine Spur von der Hektik im Backstage-Bereich.
ders empfindlich, weil sie von anderen Menschen sofort wahrgenommen werden können – also suchen wir eine unserem Hautton entsprechende Farbe und übertünchen den Schönheitsfehler. Make-up gibt es in allen möglichen Konsistenzen: flüssig, cremig, als Puder, als Mousse oder – von professionellen Visagisten gerne genutzt – zum Aufsprühen. Oder wir spachteln unsere Macken einfach zu: Foundation wird verwendet, um das Gesicht zu ›glätten‹, also Unebenheiten, Flecken oder Hautverfärbungen auszugleichen und Makel wie z. B. Narben ›verschwinden‹ zu lassen. So genannte Anti-Aging-Cremes versprechen die Zeichen der Zeit zu zähmen. Wirkstoffe wie Q10 und Retinol beispielsweise hören sich nach Wunderwaffen an, wirken aber nur oberflächlich, indem sie einen glatten Film bilden oder Wasser binden, und so die Haut dann für einige Stunden glatter wirken lassen. Das beißende Rot eines Pickels oder das trübe Blau der Augenringe werden unsichtbar, wenn man ihnen mit Komplementärfarben entgegen wirkt: Grün schluckt Rot, Rosa besänftigt Blau – ein einfacher Trick, um Farben für unser menschliches Auge zu neutralisieren. Das behebt zwar nicht die Ursache, aber schließlich zählt nur das, was man sieht – oder eben nicht. Für eine Modenschau werden alle Models mit silberfarbenem Lidschatten, künstlichen Wimpern oder gelackten Lippen auf einen Nenner geschminkt, ihre Haut erscheint glatt, strahlend und rein. Auf einmal unterscheiden sie sich durch ganz besondere Merkmale: große oder mandelförmige Augen, zarte Lippen oder Schmollmünder, rundliche Mondgesichter oder schmale mit extrem ausgeprägten Wangenknochen; bei manchen schimmern Sommersprossen und Muttermale durch das Make-up. Die Mädchen bestechen durch ihre individuellen Charaktere mit den verschiedensten Gesichtsformen und Hauttönen und lassen uns nur erahnen, aus wie vielen Ländern und Kulturen sie nach Paris angereist sind.
»… die Haut, die wir uns umlegen, in der wir gesehen werden wollen, oder in der wir uns sehen wollen; das ÄuSSerlichste, der Schuppenpanzer um die Gedanken eines Menschen. So scheint es …« Friedrich wilhelm Nietzsche 071
Dia Show T e x t und S tyling L una W alther F oto M arcus S ch ä fer
M odel S ophia I nnerebner
Ein Ausflug nach Miami, Badeurlaub in Südfrankreich oder Picknick auf englischen Blumenwiesen? Weil wir nicht auf allen (Strand-)hochzeiten gleichzeitig tanzen können, projizieren wir die aktuellen Stimmungen der Designer einfach ins Studio – als hätte der Herbst selbst die Kleidung bemalt.
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M iami H ei S S
Die Farben von Proenza Schouler stellen selbst Don Johnsons Pastell-Anzüge in den Schatten. Kragen von COS. Korallenroter Matt-Lipgloss von Giorgio Armani. ( 2) + ( 3 )
S chattengew ä chs
Dries van Notens kobaltblaue Margariten denken heute mal schwarz-weiß. Weste von Zara, COS Rock, Söckchen von AA und Jil Sander Brogues. (4 ) + ( 5 )
B l ü tenkranz
Pradas rotes Blumenmeer im Haar in 50-Facher Vergrößerung. asos Shift-Kleid mit Schulterpolstern. (6)
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Bottega Venetas Schlangenleder ist projiziert immer noch ›art‹-gerecht. Blazer und Tasche mit Nieten von H&M, Schießer Unterhemd, Hose von Zara.
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Die überdimensionale, verpixelte Stickerei von Chanel gibt sich auch mit weniger als Haute Couture zufrieden. Bauchfreies Zara Top, Rock von Mango. (8)
S onnen strahlen
Mit orange-gelben Gänseblümchen gewinnt Bottega Veneta jede Flower Show. Kimono von COS, H&M Bleistifthose und goldener Hervé van der Straeten Armreif. (9)
M orgengrauen
Der Grafische Druck von Hermès funktioniert auch mit Null Prozent Sättigung. Shirt von COS. (10)
B laue S tunde
Bei dem kalifornischen Label Wildfox ziehen keine dunklen Wolken auf. Shirt und Jacquard-Shorts von COS. ( 11 )
B lurring in the wind
Eine heilige Allianz geht die Projektion von Proenza Schouler auf drei Lagen unterschiedlichem Stoff ein. Bustierkleid von Adria Costa.
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Die eingebildete Kranke T e x t A nna - C arolyn P ieper I llustartion T ina B erning
Wetter, Arbeit, Urlaub – unverfängliche Themen für Menschen, die sich nicht näher kennen. Unangenehm wird es, wenn einem plötzlich Intimes aufgezwängt wird – beliebt sind psychische Krankheiten wie Depression und Burnout. Eine Zumutung, findet unsere Autorin Anna-Carolyn Pieper.
Montag Nachmittag. Ich sitze in einem Café und warte auf eine Bekannte. Wir haben ein sehr zwangloses Verhältnis, treffen uns vielleicht dreimal im Jahr. Wir tauschen die neuesten Nachrichten aus dem Leben des anderen aus und dann geht jeder wieder seiner Wege. Nichts spektakuläres, eher »Wie läuft es in der Uni/Arbeit« und das war es. Dachte ich zumindest. »Ach ja, ich wollte dir ja noch etwas erzählen. Ich suche seit einiger Zeit einen Therapeuten auf und es ist wohl so, dass ich Züge des Borderline-Syndroms habe«, sagt sie plötzlich zu mir. Auf einmal war es, als stehe ein rosa Elefant im Raum. Wobei das eigentlich kein guter Vergleich ist. Denn es war wahnsinnig unangenehm. Zum einem, weil ich nicht wusste, wie ich reagieren sollte. Ich kannte mich nicht aus. Sollte ich Fragen
stellen? Und wenn ja, welche? Zum anderen war mir nicht ganz klar, warum sie das eigentlich genau mir erzählte. Ich konnte nicht anders, als es einfach so hinzunehmen. Wenn man sich mal genauer umschaut, wird man feststellen, dass die Fälle von psychischen Störungen und Therapeutenbesuchen im familiären und freundschaftlichen Umfeld deutlich zugenommen haben – ich behaupte: bei jedem von uns. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: Psychische Krankheiten oder Störungen sind schlimm. Ich finde es wichtig, dass die Betroffenen eine gute Behandlung bekommen und dass sie nicht das Gefühl haben, sich verstecken zu müssen. Aber es kann mittlerweile an niemandem mehr vorbei gegangen sein, wie viele Menschen in Deutschland neuerdings an Burnout-Syndrom leiden.
Das DSM, das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen legt schon seit 1952 fest, wer als krank gilt und wer nicht. Im DSM-I arbeitete man noch mit 106 Diagnosen, 1994 waren es im DSM-IV dann schon 297. Genaue Zahlen aus dem DSM-V wurden noch nicht veröffentlich – aber die Tendenz gilt als steigend. Kritiker warnen, dass diese Differenzierung dazu führen kann, dass auch völlig normale Menschen plötzlich als krank gelten. Nur die Zunahme der Diagnosen erklärt noch nicht, warum sich der Umgang mit psychischen Störungen so immens geöffnet hat. Klar ist, dass unsere Gesellschaft gegenüber vielen Themen ihren Horizont erweitert hat. Seit sich der Fußballer Robert Enke 2009 in Folge seiner Depression das Leben nahm, weiß eigentlich jeder über diese Erkrankung Bescheid. Und dadurch wird zum Glück auch weniger über depressive Menschen geurteilt. Ein wichtiger Schritt. Doch es führt auch zu anderen Phänomenen. Vieles spricht dafür, dass es mittlerweile scheinbar ›chic‹ ist, sich eine psychische Krankheit zuzulegen. Warum eigentlich? Wer sich in seiner Schulzeit mit Goethe und seinen Werken auseinandergesetzt hat, der kam an »Die Leiden des jungen Werthers« nicht vorbei. Der Briefroman schildert die Geschichte eines jungen Mannes, der sich unglücklich in eine verlobte Frau verliebt und sich letzten Endes das Leben nimmt. Besonders tragisch ist, dass schon 1.774 Goethes Werk viele junge Männer inspirierte und sie sich am Beispiel Werthers das Leben nahmen. Seitdem gibt es eine Debatte über medial vermittelte Nachahmungs-Suizide, mit denen sich seit den 70er Jahren auch die Psychologie eingehend beschäftigt. Auch im Fall Enke kam es zu solchen Nachahmungs-Taten. Das Problem war, dass das Ableben des Fussballstars in einer Weise heroisiert wurde, die dazu führte, dass auch andere Betroffene annahmen, wenn sie den Freitod wählten, würde sie dieselbe Aufmerksamkeit genießen, wie der Nationaltorhüter. Das ist wohl die schärfste Form, mit der Menschen versuchen über psychische Probleme Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch es geht auch unterschwelliger. Ein Beispiel: Eine ehemalige Klassenkameradin von mir begann ein Studium in einer fremden Stadt. Sie fühlte sich nicht wohl, in der neuen Umgebung und mit ihrem Studium. Und anscheinend auch nicht mit sich selbst. Sie beschloss, eine Pause zu machen und sich Hilfe zu suchen. Und fand diese in einem bayerischen Kurort – in einer psychiatrischen Anstalt. Woher ich das alles weiß? Sie erzählte es mir nicht selbst, denn wir haben seit Jahren keinen Kontakt, und ich
Die verschwommene Wahrnehmung des eigenen Selbst verlangt nach möglichst viel ›Aufmerksamkeit‹.
hörte es auch nicht von gemeinsamen Freunden. Nein, ich verfolgte ihre Entwicklung völlig öffentlich im Internet. Auf Twitter. Anfangs waren es nur zaghafte Posts, rund um Mal- und Musiktherapie, sodass man merkte, dass etwas nicht stimmte. Dann wurde sie eindeutiger, twitterte fröhlich über ihre Sitzungen, Fortschritte, Rückschläge und den Alltag in der Klinik. Es hatte ein bisschen was von »Neues aus der Anstalt«. Wenn es nicht so makaber gewesen wäre, dann hätte ich vermutlich lachen müssen. Nach einiger Zeit wurde dann auch klar, was mit ihr los war. Sie litt unter Depressionen. Und wer wollte, konnte die öffentlich nachlesen. Ich war hin und her gerissen. Zum einem machte ich mir Sorgen, denn ich hatte schon öfter im Verwandten- und Bekanntenkreis mit Depressionen zu tun und wusste, wie gravierend das für die Person selbst und auch deren Umfeld ist. Aber es faszinierte mich auch, wie ein Autounfall, bei dem man wegschauen will, aber man doch den inneren Zwang verspürt, hinzusehen. Ich zerbrach mir das Hirn darüber, was einen wohl dazu treibt, sein Seelenleben so an die Oberfläche zu bringen und mit aller Welt zu teilen. Eine Antwort werde ich nie wirklich finden. Eine Erklärung könnte sein, dass unsere Gesellschaft dazu neigt, sich einer Menge Hilfsmittel zu bedienen um zu kommunizieren. Bevor wir den Hörer in die Hand nehmen, um mit einer guten Freundin zu sprechen, schreiben wir erstmal eine Facebookoder What’s App-Nachricht. Statt uns zum Mädelsabend zu treffen, eröffnen wir einen Gruppenchat. Und Geburtstagswünsche finden eigentlich nur noch übers Internet statt. Wir digitalisieren unsere Beziehungen und Freundschaften. Wirklich verfügbar ist fast niemand mehr. Außer er ist gerade bei Facebook online. Und so findet ein mancher die fehlende Aufmerksamkeit seiner Freunde im Web 2.0. Zum anderen sind unsere sozialen Verbindungen an sich flexibler geworden, auch im realen Leben. Bekanntschaften werden schnell geknüpft und wieder vergessen, Beziehungen beendet, bevor sie wirklich begonnen haben und Freundschaften begraben, die mal seit dem Kindergarten bestanden. Wir sind selbstbezogener geworden, stellen uns und unsere Probleme in den Mittelpunkt. Und vergessen, dass es auch andere gibt. Das führt auch dazu, dass viele nicht mehr reflektieren, wem sie was erzählen. Siehe meine beiden Bekannten. Die eine teilt ihr Schicksal mit einer wahllosen Bekannten, die andere mit der ganzen Welt. Sitzt man auf der anderen Seite des Tisches und ist der Empfänger der Schilderung, dann ringt man gerne mal mit seinen Gefühlen. Bei Familie und guten Freunden weiß man, dass es der Person darum geht, Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Handelt es sich aber um wahllose Bekannte, dann fühlt man sich wie ein Mülleimer, an dem jemand schnell Halt macht, um seinen Ballast los zu werden – es wird nicht reflektiert, wen man mit seiner Botschaft belastet. Ich bleibe zurück mit meinen Gedanken und fremden Problemen, die ich erst einmal verdauen muss.
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T e x t N icola D ing F oto A lisa V ornehm / A telier P atrik M uff
Weiche Schale harter Kern Eigentlich bekommen wir sie nie zu sehen, die K autschuk-formen, mit denen der Schmuckdesigner Patrik Muff seine Kreuz-, Flügelund Herzanhänger fertigt. Dabei sind sie selbst wahre Kunstwerke.
(1) Kreuzanhänger in Sterlingsilber, geschnitzt.
(2) Pilgermuschel aus Nymphenburger Porzellan, in Sterlingsilber gefasst.
(3) Käfer aus Sterlingsilber, Einzelstück.
(4) Herzanhänger, filigran verziert, aus Nymphenburger Porzellan.
(5) Flügel aus Nymphenburger Porzellan, mit silberner Drehöse.
(6) Armeeplakette in Sterlingsilber, ovale Form.
(7) Maori: ovaler Anhänger aus Nymphenburger Porzellan, mit silberner Drehöse.
(8) Koi in Sterlingsilber mit Stein, als Anhänger.
» E s soll rough aussehen « [mo:de]5 Patrik Muff
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Wie
bekommen deine Schmuckstücke ihre ornamentale Struktur? Meine Sachen werden alle gegossen. Nach jedem Guss bleibt auf den Stücken eine Gusshaut zurück. Diese Schicht wird nicht wie üblich abgefeilt, sondern bleibt unberührt. Der Schmuck soll schön rough aussehen. Das ist ein bisschen zu meinem Markenzeichen geworden. Wie entstehen die Gussformen? Ich nutze dazu die Technik der ›verlorenen Form‹. Dafür fertige ich ein Modell aus synthetischem Wachs an. Dieses wird in Gips gegossen. Dann erfolgt das Aushärten. Anschließend wird die trockene Gipsmasse auf 150 Grad erhitzt, damit das geschmolzene Wachs heraustropfen kann. In den dadurch entstandenen Hohlraum kommt nun flüssiges Metall. Der letzte Schritt besteht dann aus dem Entfernen von Einguss und Gips. Aus jedem Wachsentwurf kann ich allerdings nur ein einziges Stück aus Metall machen, daher ist jedes Teil ein Unikat. Welche Technik benutzt du zum Reproduzieren deiner Modelle? Das gegossene Schmuckstück wird zuerst bei 200 Grad in eine Form aus Naturkautschuk gepresst. Um das Metallstück wieder herauszunehmen schneidet man die Kautschuk-Form auf. Meistens in zwei Hälften, aber es kann je nach Komplexität auch variieren. Um den Schmuck erneut zu gießen, setzt man die Kautschuk-Stücke wieder zusammen und spritzt die Hohlform mit Wachs aus. Dadurch entsteht ein Modell, mit dem man wieder ein neues Schmuckstück gießen kann. Mit welchem Material arbeitest du am liebsten? Ich mag Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin. Sie sind edel, teuer und laufen nicht an. Außerdem haben sie eine wahnsinnig hohe Haltbarkeit, denn antiken Goldschmuck gibt es heute noch. Was waren die außergewöhnlichsten Materialien mit denen du gearbeitet hast? Manchmal kommen Kunden, die sogar ihre eigenen Zähne mitbringen und daraus etwas machen lassen wollen. Ich arbeite aber auch mit Menschenknochen. Die kriegt man überall her – zum Beispiel von alten Anschauungsobjekten aus Universitäten oder von Flohmärkten. Spiegelt sich dein Schmuck auch in deinen Tattoos wider? Ja, meine Lieblingssymbole wie Glaube, Liebe, Hoffnung und auch der Tod spielen sowohl beim Schmuck, als auch bei meinen Tätowierungen eine große Rolle. Für mich gibt es da keine Trennung. Im Gegensatz zu vielen Menschen, die nach Feierabend nichts mehr mit ihrer Arbeit zu tun haben, begleitet sie mich immer. Mein Leben besteht praktisch aus Schmuck. Was trägst du sonst noch auf deiner Haut? Eigentlich nur meinen Ehering. Obwohl mein Schmuckstil sonst eher barock ist, fällt mein Ring sehr reduziert aus. Ich finde, der Ring an sich ist das Symbol und die Bedeutung die dahinter steckt groß genug. Ist er von dir selbst gefertigt? Nein, denn das soll Goldschmieden Unglück bringen. Hast du ein persönliches Lieblingsschmuckstück? Nein, eigentlich nicht. Ich gebe ja alles ab. Im Prinzip könnte man sagen, dass die Tätowierungen die Antwort darauf sind, dass ich meinen Schmuck immer weggebe. Denn die Tattoos bleiben und keiner kann sie mir wegnehmen.
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T e x t S ebastian L orenz F oto R ijksmuseum A msterdam
Und gebenedeit sei mein Leib
Es ist ein Glaubenskrieg im Gange, geführt im Namen vollkommener Schönheit. Wir verleugnen bereitwillig, wie die Natur uns geschaffen hat und verwandeln den eigenen Körper in die Waffe, die wir beständig schmieden. Denn siehe – ein perfektes ÄuSSeres verheiSSt ewige Glückseligkeit. Nahezu die komplette Bevölkerung unserer postmodernen Welt scheint ihm verfallen, dem Kult am eigenen Körper. Schönheitswahn als neue Weltreligion hat allem Anschein nach Islam, Katholizismus und Co ins Abseits gedrängt und prophezeit uns nicht die Erlösung nach dem Tod, sondern Erlösung im Jetzt. Sinnstiftende Glaubensinstanz dieser Konfession ist dabei das Idealbild unseres Körper, unserer Oberfläche, das wir durch diverse Rituale ästhetisieren. Unsere Glaubensvermittler sind dabei Fitnesstrainer, Ernährungsberater und Schönheitschirurgen. Unsere Götzen sind der Waschbrettbauch, ›90-60-90‹ und Size-Zero-Jeans. Anstatt in die Kirche zu gehen, versammeln wir uns in postmodernen Soziotopen wie dem Fitnessstudio oder der Wellnessfarm, in denen wir unseren Glauben in Form von festen Trainingstagen, -zeiten und -abläufen zelebrieren. Unsere Bibel sind Zeitschriften wie Fit for Fun, Men’s Health oder Body Shape. Wir trainieren wie verrückt, legen uns auf Sonnenbänke und unters Messer, lassen uns Botox unter die Haut spritzen und Silikon einsetzen, halten Diät und schlucken Schlankheitspillen, suchen Experten für Ernährung und Typberatung auf und geben Unsummen für Kosmetika,
Körperpflegemittel, Mode und einen sportlichen Lifestyle aus. Und selbstverständlich gibt es auch eine Todsünde – nämlich dick und hässlich zu sein. Wer einen Blick auf derzeitige Schönheitsideale wirft, seien es Schauspieler oder Models, und dabei auf ästhetische Vielfalt hofft, tut sich schwer. Im Laufe des letzten Jahrhunderts, vor allem aber seit Beginn der Nullerjahre, haben sich die Schönheitsnormen immer mehr verengt. Schön ist, wer jung und schlank ist. Ein Ideal, das einen Großteil von uns, die wir ihm nicht entsprechen, quält, uns das Gefühl vermittelt, ungenügend und disziplinlos zu sein. Denn in unserer Gesellschaft, in der nichts Muss aber alles Kann, ist auch der menschliche Körper zu einer Art Option geworden. Die Errungenschaften der ästhetischen Chirurgie, Ernährungs- und Sportwissenschaften ermöglichen es uns, unseren Körper als eine Art Projekt zu behandeln, in das wir Erfolg versprechend investieren können. So gut wie jeder kann die Nase, die Brüste, die Beine, den Bauch haben, den er haben will. Alles nur eine Frage der Disziplin, des Willens und des Geldes. Und entspricht man erst einmal dem Idealbild, heißt es Konservieren. Denn wer schön und schlank ist, dem kann
eigentlich nur noch einer einen Strich durch die Rechnung machen – der große Feind: Das Alter. Meist sind es Menschen, die in jungen Jahren besonders großen Wert auf ihre Erscheinung gelegt und sich darüber definiert haben, die um den Verlust eben jener äußerlichen Attribute bangen. Beispielsweise Janice Dickinson: das erste ›Supermodel der Welt‹ schaffte es im Laufe ihrer Karriere ganze 37 Mal auf das Cover der Vogue und kassierte dank ihres Aussehens Traumgagen. Mittlerweile macht die 58-Jährige höchstens noch in Reality-Shows von sich hören und sitzt auf einer Million Dollar Schulden – was sie vor allem diversen Schönheitsoperationen verdankt. Das Altern untergräbt alle religiösen Tugenden des Glaubens an die eigene Schönheit. Es gilt ohne Rücksicht auf Verluste dagegen anzukämpfen – glücklicherweise können wir dafür auf dasselbe Waffenarsenal zurückgreifen, von dem wir bereits bei der Optimierung unserer Oberfläche Gebrauch gemacht haben. 2011 wurden weltweit knapp 15 Millionen kosmetische Eingriffe durchgeführt, wobei das Gros der Patienten hierzulande nach wie vor aus Frauen besteht. Soziologen schreiben den Trend zum Körpertuning der fortschreitenden In-
dividualisierung zu. In einer Zeit in der sich traditionelle Bindungen zunehmend auflösen, und die eigene Identität immer weniger durch Familie, Wohnort oder die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsschicht definiert wird, signalisiere vor allem unser Äußeres wer wir sind. Der Akt der Verschönerung wird zu einer Art Sinnfindung, die Suche nach Identität, Halt, Sicherheit und Orientierung im Leben. Immer häufiger erfolgt dies über Investitionen ins eigene Körperkapital, versprechen diese Investitionen doch sichtbare Erfolge, die wiederum Anerkennung und Selbstgewissheit vermitteln. Laut der britischen Psychoanalytikerin Susie Orbach, die sich bereits seit über 30 Jahren mit Phänomenen wie Körperhass, Essstörungen, Diät- und Schlankheitswahn beschäftigt, befinden sich viele Menschen in einer Spirale aus ängstlicher Selbstbeobachtung und permanenter Selbstkontrolle. Zu verdanken sei dies vor allem den Medien. In der RTL2-Serie »Extrem Schön! Endlich ein neues Leben« verkünden uns auf ansehnlich operierte ›Social Misfits‹ wie glücklich sie mit ihren neuen Busen, Wangen, Zähnen sind und in GNTM bläut uns ein dauergrinsendes Supermodel seit Jahren ein, dass auch wir es schaffen können, wenn wir es nur wollen und uns anstrengen. Gleichzeitig werden wir fast täglich mit ästhetischen Fiktionen konfrontiert: Von Plakatwänden, Titelseiten und Bildschirmen aus lächeln uns wunderschöne Menschen an. Die Werbe- und Medienmacher setzen damit einen Maßstab, an dem sich ein Großteil der Bevölkerung misst, was in immer mehr Köpfen Zweifel an der eigenen Erscheinung und den Wunsch nach Verbesserung nährt. Denn wer gut aussieht, kommt besser bei anderen an, wirkt selbstbewusster, hat bessere Karten bei der Partnerwahl, bei der Jobsuche und verdient auch bei gleicher Qualifikation bis zu fünf Prozent mehr als hässliche Kollegen. Warum also der Natur nicht etwas auf die Sprünge helfen? Dem Credo der neuen Schönheitsreligion folgen und etwas dagegen unternehmen? Brustvergrößerung und Lidstraffung sind die Topsel-
ler beim weiblichen Klientel. Männer lassen sich gern das Fett absaugen, ebenfalls die Augenlider und seit einiger Zeit auch die Intimregion tunen. Im letzten Jahr gaben so viele Männer an, wegen einer Penisvergrößerung beim Schönheitschirurgen gewesen zu sein, dass die sogenannte Penisaugmentation, bei der mithilfe von Eigenfettinjektion verdickt und dem Durchtrennen zweier Haltesehnen optisch verlängert wird, mittlerweile auf Platz Sieben, der Liste der beliebtesten Schönheitsoperationen unter Männern, rangiert. Operative Verschönerung ist freilich die radikalste Form seinen Glauben zu bekennen. Doch beginnt ein Leben nach den Statuten der Schönheit schon im Kleinen. Sport zu treiben, die Beschäftigung mit Körper und Geist, sich schminken und pflegen, wird immer mehr zu etwas Obligatorischem, etwas das man tut weil es sich schickt und weil es von einem erwartet wird. So wie Höflichkeit und im Straßenverkehr den Blinker zu setzen. Bestsellerlisten werden von Ratgebern für ein besseres Leben, ein glücklicheres und vor allem schöneres Selbst, dominiert. Die mit über 170 Filialen und über einer Million Mitgliedern als größte europäische Fitnessstudiokette geltende McFit GmbH konnte im Vorjahr einen Umsatz von 236 Millionen Euro verbuchen. Und der französische Kosmetik-Riese L’Oréal schrieb 2012 trotz Wirtschaftskrise schwarze Zahlen: der Umsatz stieg um 10,4 Prozent auf 22,46 Milliarden Euro, der Gewinn nahm sogar um 17,6 Prozent auf 2,87 Milliarden Euro zu. Der Fallout dieses im Namen der Schönheit ausgerufenen und von der Schönheitslobby unterstützten Glaubenskriegs ist erschreckend: Bereits im Grundschulalter setzen sich Kinder selbst auf Diät. In Südkorea lassen sich 50 % aller Mädchen ihre asiatischen Augen operieren, um westliche Lider zu bekommen. In Indien boomt der Absatz mit hautbleichender Kosmetik und in Fidschi entwickelten binnen drei Jahren nach der Einführung des Fernsehens im Jahre 1995, fast zwölf Prozent der jungen Mädchen eine Bulimie. 079
Kriege – das hat uns die Geschichte gelehrt – die im Zeichen hehrer Ideale sowie religiösem Fanatismus geführt werden bringen keine Erlösung mit sich. Susi Orbach sieht nur einen Weg aus dieser ungesunden Spirale. In ihrem Buch »Bodies« ruft sie dazu auf, den eigenen Körper auf eine Weise neu zu entdecken, die es einem ermöglicht ihn als selbstverständlich zu betrachten und zu genießen. 2004 startete die Kosmetikmarke Dove mit Unterstützung der britischen Psychoanalytikerin eine Werbe- und Marketingkampagne, in der zum Teil offensichtlich übergewichtige, unter Orangenhaut leidende Frauen sich herzhaft lachend in Unterwäsche schüttelten und damit eine hautstraffende Lotion bewarben. Die Kampagne sollte Konsumentinnen mit ›normaler‹ Figur vermitteln, dass schön nicht gleich schlank bedeuten muss. Eine Studie der Arizona State University (ASU), der Erasmus-Universität in Rotterdam und der Universität Köln zeigte jedoch, dass Werbung mit kurvigen Models das genaue Gegenteil bewirkt: Sie mindern das Selbstwertgefühl potenzieller Käuferinnen. Auch die Zeitschrift Brigitte ruderte nach zweijähriger Modelabstinenz zurück: keine gut aussehenden Laien zeigen mehr die neuen Modekollektionen, sondern es werden – wie bei allen anderen Magazine auch – für Fotostrecken wieder Agenturmodels gebucht. Die Chefredakteure begründen diese Entscheidung mit den Reaktionen der Leserinnen: Durch die gutaussehenden ›echten Menschen‹, fühlte sich die Leserschaft noch um ein vielfaches mehr unter Druck gesetzt als von Profimodels, deren einzige Aufgabe schließlich darin besteht, schön zu sein.
Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde: »Ecce homo« von Louis Royer, 1826. Den Engeln so gleich? Sitzender Amor von Étienne-Maurice Falconet, 1757. Beide aus der Sammlung des Rijksmuseum Amsterdam.
Abgespaced! T e x t N icola D ing F oto N asa
Der ehemalige Astronaut und Physiker Professor Ulrich Walter hat vor 20 Jahren an Board des US-SpaceShuttles Columbia für zehn Tage die Erde umkreist. Und aus 300 km Höhe 510 Millionen km² Erdoberfläche gesehen. Uns hat der Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik an der TU München verraten, wie die Welt von oben aussieht und was man im All so trägt. [mo:de]5: Welche Kleidung trägt man denn im Spaceshuttle?
Ulrich Walter: Spezielle Druckanzüge und feuerfeste Unterwäsche von der NASA trägt man nur für den Start und die Landung. Für die restliche Zeit an Bord gibt es keine Kleidervorschrift, da kann man im Prinzip anziehen was man will. Allerdings muss man seinen Kleidungswunsch der NASA im Vorfeld mitteilen, da dieser genehmigt werden muss. Was haben Sie damals getragen?
Wir haben für die gesamte Crew eine Sammelbestellung bei Lands’ End aufgegeben, weil man bei den Shirts auf der linken Brust zusätzlich eine Bestickung machen lassen konnte. Darauf haben wir dann Name und Flugnummer der sieben Crew-Mitglieder sticken lassen. Fühlt sich das Tragen der Kleidung im All anders an als auf der Erde?
Ja natürlich. Man spürt die Kleidung eigentlich nicht, denn sie schwebt um den Körper herum. An ein paar Punkten spürt zwar man den Stoff, aber man trägt sein Gewicht nicht. Es fühlt sich vielmehr nach einem Kokon an, der um einen herumschwebt. Da man an Board so viel zu
tun hat, merkt man den Unterschied erst gar nicht so deutlich. Erst wenn man die Augen schließt und in sich geht. Dann fällt einem schon auf, dass es ein bisschen was anderes ist. Wann konnten Sie das erste Mal auf die Erde schauen?
Man will natürlich sofort aus dem Fenster blicken. Direkt nachdem ich meinen Druckanzug vom Aufstieg ausgezogen habe, habe ich das erste Mal auf die Erde heruntergeschaut. Ich musste zwar während der zehn Tage im All viel arbeiten, aber immer wenn Zeit dafür war, habe ich auf die Erde gesehen. Das war jedes Mal aufs Neue ein großartiger Anblick! Was haben Sie dann von oben aus gesehen?
Zunächst hat man erst einmal das Gefühl, dass man nicht um die Erde fliegt, sondern dass sich die Erde unter einem wegdreht. Als ob man stillsteht und sich die Erde dreht. Das fühlt sich so an, als ob man von einem ganz hohen Berg auf seine Heimatstadt herunterblickt. Von dort aus sieht man, wie die Stadt eingebettet ist und alles außen herum. Vom All aus habe ich alle Kontinente bei Tag und Nacht gesehen. Bei einer Geschwindigkeit von rund 28.000 km/h fliegt man zwar in 90 Minuten einmal um die Erde, doch man darf nicht vergessen, dass die Hälfte der Erde dabei auf der Nachtseite liegt. Nach mehrmaligem Umfliegen sieht man dann auch jeden Kontinent bei Helligkeit. Wie haben Sie sich nach dem Rückflug zur Erde gefühlt?
Der Flug von der Raumstation zur Erde ging sehr schnell. Er dauerte gerade einmal 50-60 Minuten. Ich war erledigt und verschwitzt, denn der Druckanzug absorbiert keinen Schweiß. Aber man muss den Anzug ein bis zwei Stunden vor dem Rückflug anziehen und man sitzt deshalb sehr lange damit herum. Ich war ziemlich froh, als ich ihn dann endlich ausziehen konnte. Waren Sie erleichtert wieder zurück zu sein?
Ja, denn man hat wirklich viel gearbeitet und ist auch unheimlich erschöpft. Andererseits war ich glücklich, lebend wieder zurück zu sein. Beim Start hatte ich auch keine Angst sondern eher Sorge, dass etwas passieren könnte. Das Risiko, dass etwas passiert liegt bei eins zu hundert, also einer von 100 Flügen endet tödlich. Doch jeder der Astronauten kennt das Risiko und geht es bewusst ein. Aber nach ein paar Wochen denkt man sich schon, dass man eigentlich Lust darauf hätte wieder zu fliegen.
Einmal ins All fliegen und von dort aus auf die Erde schauen — während die meisten Menschen nur davon träumen können, umkreiste Professor Ulrich Walter 1993 als Astronaut während einer NASA Mission rund 145 mal die Erde — und blickte dabei mehrmals auf die Wolkenformationen über dem Kap der guten Hoffnung.
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Kleines Schwarzes oder groSSe Sprüche? Aus dem klassischen weiSSen T-Shirt
P er haben die Studenten des Abschlussjahrgangs neunzehn
persönliche Einzelstücke gestaltet.
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Text V anessa G ross Y asmin A zizi F oto L una W alther P roduktion V anessa G ross
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T
Claire, 22 Sie ist ein aufgeschlossener Mensch.
Luna, 24 »Gebleichte Haare, gefärbtes Shirt.«
Catherine, 21 Willensstark und weltoffen mit Lochmuster, Epauletten und Perlenstickerei.
Laura, 25 »Es sollte Dip-Dye werden und wurde Batik.«
Yasmin, 23 Bedruckt, gefärbt und ungebügelt.
Vanessa, 27 Tüll liebt rockige Nieten und glitzernde Pailletten.
Feli, 22 Mag Rückenausschnitte viel lieber als Überheblichkeit.
Naomi, 22 »Gender lautet die Devise – Krawatten in Liaison mit Spitze.« Das klassische weiße T-Shirt gehört zur Grundausstattung jedes Kleiderschrankes. Für uns war das Basic der Ausgangspunkt zur individuellen Gestaltung.
Nici, 22 Weil sie sich nicht für eine Farbe entscheiden konnte.
Anna, 23 Zerschnitt ihr T-Shirt um etwas Neues entstehen zu lassen.
Alisa, 24 »Batik statt Neo-artig.«
Sarah, 24: Ein Traum vom Sonnenuntergang.
Tati, 25 Ist ein Hippie und geht auf Festivals – zerschnitten und gefärbt.
Julia, 22 »Kindermund tut Wahrheit kund«.
Sebastian, 23 »Make milkshake they said.«
Joana, 23 Spitze wurde bestickt, aber am Schluss sieht’s immer noch aus wie ein T-Shirt.
Jasmin, 21 Wollte Batik und fand Grunge.
Kathi, 23 Waldtiere treffen StadtSternschnuppen zum Tanz in die Sommernacht.
Michelle, 24 Michelle macht Druck – mit Glitzer.
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10 x klug
T e x t A nna - carolyn P ieper C laire B ecker
Was haben Geckos, Pilze und Tennispl ätze gemeinsam? AuSSergewöhnliche Oberfl ächen, die unsere Allgemeinbildung tiefsinniger machen. Für den Schlaufuchs in dir.
Damit Geckos glatte Oberflächen hinaufklettern können, haben sie mikroskopisch kleine Haare an ihren Füßen.
Die Oberfläche der menschlichen Lunge ist so groß wie ein Tennisplatz.
Das größte Lebewesen der Welt ist ein Pilz der Gattung »Dunkler Hallimasch«. Er wurde in Oregon 90 cm unter der Erdoberfläche gefunden und ist 880 Hektar groß.
Auf Holz sterben Keime schneller als auf Plastikoberflä- 7 Millionen Quadratkilochen. meter Mond-
Lässt man einen Gegenstand aus einem Meter Höhe auf die Oberfläche eines Sterns aufprallen, so hat er eine Fallgeschwindigkeit von 7,2 Millionen km/h. Seine Falldauer beträg t jedoch nur eine Mikrosekunde.
Damit ein Stein bestmöglich über die Oberfläche von Wasser hüpfen kann, muss er in einem Winkel von 20 Grad aufkommen.
Die Haut des Gesichts ist die einzige Stelle der menschlichen Oberfläche, die keine Gänsehaut bekommen kann.
oberfläche sind im Besitz von Schauspieler Tom Cruise.
Ca. 28 Blatt DIN-A4-Papier entsprechen der Körperoberfläche eines Mannes. 087
Impressum Lehrredaktion MM12 Yasmin Azizi / Claire Becker / Katharina Burkhard / Felicitas Call / Nicola Ding / Julia Goss / Vanessa Gross Michelle Hartmann / Naomi Jödicke / Sebastian Lorenz / Sarah Milewicz / Joana Müller / Catherine Münzing Tatjana Peco / Anna-Carolyn Pieper / Jasmin Veider / Alisa Vornehm / Laura Wagner / Luna Walther Chef vom Dienst Joana-Shirin Müller Leitung Text Felicitas Call
Leitung Mode Sarah Milewicz
Leitung Grafik Alisa Vornehm
CvD Online Vanessa Gross Leitung Multimedia Yasmin Azizi Leitung Facebook Tatjana Peco / Anna-Carolyn Pieper Leitung Digital Publishing Claire Becker Leitung Medienmarketing Vanessa Gross / Laura Wagner Fotografen dieser Ausgabe Holger Albrich / Stephanie Füssenich / Magnus Lechner / Jean Marmeisse / Antonio Prudente Marcus Schäfer / Oliver Spies / Olaf Unverzart / Matthias Ziegler Illustratoren dieser Ausgabe Tina Berning / Martin Denker / Martin Fengel / Lina
Verantwortliche und beratende Dozenten Text & Mode Ivonne Fehn
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Herausgeber Sabine Resch (V.i.S.d.P.)
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[mo:de]5 bedankt sich bei allen Sponsoren
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www.dopplerschirme.com
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