Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Das Magazin über Mode, Lehrredaktion MM11 Ausgabe 4 Ein Magazin über Mut AMD Akademie Mode & Design München, Herbst 2012
3
Üb er s ein en eigen en S c h at ten s pr ingen w i e un s er M o d el rec hts o d er
s i c h e i n fa c h m a l w a s t r a u e n . Et w a s , d a s m a n v o r h e r n i e g e w a g t h a t. W i r - d er Abs chluss-Jahrgan g M M11 i m
Fa c h M o d e j o u r n a l i s m u s / M e d i e n k o m -
munikation der AMD Akademie Mode & Design München - haben uns einer
n e u e n H e r a u s fo r d e r u n g g e s te l l t u n d ein Magazin zum T hema Mut entwi-
c k e l t. E s h a n d e l t v o n M e n s c h e n , i h r e n S ch ic k salen un d außergewöhnlich en
Le b e n s e nt w ü rfe n – u n d vo n M o d e u n d mut igen M o m enten. Von all d en
Fa c et t e n , d i e M u t e b e n h a b e n k a n n .
M u t i s t, d e m Z e i t g e i s t zu w i d ers prec h en (S. 42). M u t i g i s t, a n s e i n e n Tr ä u m e n fe s tz u h a l t e n ( S . 2 0 ) . M u t e r fo r d e r t e s , L i eb e zuzulas s en (S. 29). U n d f ü r s e i n L a n d z u k ä m p fe n ( S. 4 1 ) . M u t i s t, z u l a c h e n , w e n n ein en k ein er versteht (S. 14). M u t i g i s t, w e r s e i n e m e i g e n e n S t i l t r e u b l e i b t. ( S . 1 8 ) U n d d i e Zu k u n ft m i t b e st i m mt ( S. 3 1 ) .
Foto : M a rc u s S c h a efe r
Mut braucht der, d er an d ers ist (S. 24). M ut ig s ein , d as k ann man lern en (S.6).
Wir wüns ch en vi el Vergnügen mi t unserem M agaz in , das nac h drei M onaten
Arbeit vor allem eines zeigt: Mut kann
m an j etz t a u c h l e s e n . D i e Lehrredakt i on M M11
4
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
EDITORIAL/ MUTBOARD
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
MUT IST LERNBAR!
MARKUS LUPFER MUTMACHER
Ein Einblick/ Die Lehrredaktion
Interview mit der Diplom-Psychologin Inge Kamp-Becker
Rüstende Accessoires
Ins Gespräch verstrickt mit dem wohl vernünftigsten Kreativen
3/52
6
9
10
HAUTE COURAGE
MAGOMED DOVJENKO
BITTE RECHT FRÖHLICH!
ICH LIEBE DICH - NICHT MEHR!
Was heute noch mutige Mode ist
Illustrationen aus dem Kinderzimmer
Ein Beauty-Shooting der besonderen Art
Mut in der Liebe beweisen
18
20
24
29
DER MUTIVATOR
NICO B.
MUTROBEN
NACHGEFRAGT
Die mutigsten Modemomente
Was ist Mut? Prominente antworten
42
46
Posen, die im Alltag überraschen
Ein Jungsoldat vor seinem ersten Einsatz im Krisengebiet
40
41
5
STEPHANIE MÜLLER
MICHAEL MITTERMEIER
SCHÖNER AKTIVISMUS
Unsere Muthäppchen
Ein Bayer erforscht die Welt
Outdoor-Do-It-Yourself verschönert die Welt
vermischt die Grenzen zwischen Mode und Kunst
13
14
16
Poster
DIE STOFFE DER ZUKUNFT
TYKESSON
PATRIK
REINE KOPFSACHE
UNGEHEUER MODE
High-Tech-Design für die Mode von morgen
Von Elektrorollern und Retrotrends
Drei mutige Lebenswege
Mode, die man sich trauen muss
31
34
36
Poster
IM KLEIDERSCHRANK MIT Jan Weiler - ein Einblick in den Kleiderschrank des Erfolgschriftstellers
NIMM DEN PULLI AUS DER HOSE!
GOTT EVA SEI DANK!
KRAFTSTOFFE
Wenn gewagte Kombinationen misslingen
Kann Kleidung Sünde sein?
Mode als Spiegel der Seele
48
50
54
Poster
SHORTCUTS
6
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
mut ist lernbar!
entscheidungen zu treffen, die eigenen Grenzen zu überschreiten - das lässt uns schon mal verzweifeln. Die Diplom-psychologin inGe Kamp-BecKer erklärt, warum wir doch über uns hinaus wachsen können.
Durch frühe erfahrungen lernt man: auch die kleinen Dinge des alltags erfordern mut
tig, allerdings nicht unveränderlich. Braucht es VorBilDer? unbedingt. trotzdem kommt es auch auf Gelerntes an. eine überfürsorgliche mutter wird ihrem Kind sagen, wenn es auf dem spielplatz zur rutsche läuft: „Vorsicht, warte bis ich komme.“ und das Kind wird lernen: „ich muss warten bis mir jemand hilft, alleine schaffe ich es nicht.“ mut ist also aBhänGiG Von erfolG.. Genau. und der muss durch lob spürbar sein. nur wenn der mensch erfreuliches erlebt, wird er der nächsten herausforderungen gestärkt begegnen. mut ist lernbar! Dann ist Das mut-Gen ein mYthos? Gewisse faktoren in der Genetik geben persönlichkeitsstrukturen vor. manche Kinder sind einfach von Geburt an vorsichtiger und zurückhaltender. es gibt aber kein Gen, das erklärt, ob ein mensch mutig ist. entscheidend bleibt der elterliche umgang, aber auch die Beziehung der Kinder zu freunden, der erzieherin im Kindergarten und den lehrern in der schule.
foto: laura hirch
[mo:de]: frau Kamp-BecKer, Was empfinDen sie als mutiG? inge Kamp-Becker: sich neuen anforderungen zu stellen und ihnen nicht auszuweichen. hanDelt es sich Bei mut um ein Gefühl oDer eine BeWertunG? Beides. Wir unterscheiden in der psychologie zwischen sogenannten Basisemotionen, die man unmittelbar verspürt, wie Glück und ekel. mut oder auch scham sind dagegen soziale Gefühle, die erst entstehen, wenn man mit anderen menschen zusammen ist. sie sind eng mit der persönlichen Bewertung verknüpft, die man durch soziale erfahrungen macht. Wie Kann man sich Das Vorstellen? Wenn mir nach einem sprung vom Dreimeter-Brett applaudiert wurde, werde ich mich daran erinnern, wenn ich auf den Zehn-meter-turm hochsteige. ich weiß dann, dass ich das schaffen kann. nutZt unD schaDet uns erfahrunG? absolut. Der Gegenspieler von mut ist die angst. Wer angst hat, schreckt vor Dingen zurück und kann nicht so handeln, wie es die situation erfordert. aBer ist anGst nicht Die VoraussetZunG, um üBerhaupt mutiG sein Zu Können? nein, das ist so nicht richtig. es gibt mutige reaktionen, in denen angst keine rolle spielt, vermutlich, weil derjenige noch nie eine schlechte erfahrung gemacht hat. Das schafft selbstvertrauen. .. selBstVertrauen förDert mutiGes Verhalten? oh ja, und man muss sich selbst als handelndes Wesen verstehen. Was ist mit BilDunG unD intelliGenZ? intelligenz braucht der mensch, um Gefahren zu erkennen und einzuschätzen. ist sie deutlich reduziert, wird er sich nahezu blind in die lage hineinstürzen. Bildung fällt da weniger ins Gewicht. mut wie angst finden wir in allen Bildungsschichten. Wann BeGinnt mut? im Kleinkindalter, wenn sich sogenanntes „exploratives Verhalten“ zeigt. mutig sein heißt immer auch, in die Welt hinaus zu gehen und unentdecktes zu entdecken. frühe erfahrungen sind wich-
foto: privat
von Melissa Strauch
Wo .. im menschlichen Körper entsteht mut? Der hippocampus in unserem Gehirn ist verantwortlich für unser autobiographisches, episodisches und lexikalisches Gedächtnis, aber auch für das eigene erleben. er speichert unser angereichertes Wissen sowie persönliche erfahrungen. Die werden dann durch das limbische system bewertet - dem Bereich im Gehirn, das Gefühle verarbeitet. ist mut messBar? es gibt experimente, in denen probanden risiken ausgesetzt werden und experten beobachten, wie schnell ihr herz rast. nur kann der puls auch vor aufregung steigen. manche menschen stürzen sich geradezu in die Gefahr, weil sie den nervenkitzel suchen, zum Beispiel beim Bungee Jumping. „sensation seeking“ nennen wir solch ein Verhalten, das vor allem bei teenagern auffällt. Warum Genau in Der puBertät? Das Gehirn wird in dieser Zeit umgewälzt, es ist mehr Baustelle als Denkapparat. Voraussicht und das abwägen von Gefahren setzen nahezu aus. Den sprunG in Die tiefe Beim BunGee JumpinG nutZen JuGenDliche, um sich Zu BeWeisen. machen solche mutproBen WirKlich stärKer? mutproben entstehen in einer peergroup, einer Gruppe von Gleichgesinnten, die sich auferlegt, meist sehr gefährliche prüfungen zu bestehen. Kritisch wird es, wenn der soziale Druck so hoch ist, dass man seiner berechtigten angst keinen raum geben darf. Denken wir nur an die szenen aus dem film „... denn sie wissen nicht, was sie tun“ mit James Dean – das autorennen endet für den jungen Buzz tödlich. mut ist Demnach nicht ausschliesslich positiV. stürze ich mich ohne Verstand in bedrohliche situationen, ist das nicht mutig, sondern übermütig. aber vor dem hintergrund, dass ich jederzeit aussteigen kann, sind mutproben sogar hilfreich, um zu erfahren, ob ich einer sache schon gewachsen bin. leBen Wir heute in einer mutiGen Gesellschaft? Die Deutschen machen sich viele sorgen und es fehlt ihnen oft an courage. ich finde es problematisch, wenn menschen in der u-Bahn verprügelt werden, während andere zusehen oder sogar filmen. Ja, wir brauchen mehr mut! muss ich mich Dafür mehr auf anDere menschen einlassen? empathie spielt nicht grundsätzlich eine rolle. Ganz im Gegenteil.
7
ist jemand besonders einfühlsam, kann das für ihn auch hinderlich sein. Wollen sie Damit saGen, Dass man sich manchmal GänZlich Von seinem umfelD lossaGen.. muss, um mut entWicKeln Zu Können? Wenn du auf dem Zehn-meter-turm stehst und daran denkst, was alles passieren könnte oder dass deiner mutter schlecht vor sorge sein wird, dann werden diese Gedanken dich lähmen. Deshalb ist es gerade in solchen situation gefordert, sich auf sich selbst zu konzentrieren. unD seine VerantWortunG Zu iGnorieren? eine familie versorgen zu müssen, kann angst einflößend sein und einen weniger mutig machen. Dabei weiß ich nach all den Jahren in der Kinderund Jugendpsychiatrie: ein Kind in die Welt zu setzen ist eigentlich die mutigste aufgabe, der man sich im leben je stellen kann. Glücklicherweise ist einem das vorher nicht klar. sinD frauen oDer männer mutiGer? leider wird mut zwischen den Geschlechtern unterschiedlich bewertet. Jungen bekommen viel positive rückmeldung, werden häufig gelobt, wenn sie furchtlos sind. mädchen dagegen weniger. Das macht es ihnen oft schwerer, mut zu beweisen. Warum ist Das so? seit Generationen assoziiert die Gesellschaft männer mit tapferkeit. sie müssen neue situationen suchen und diese überwinden. frauen dagegen sollen sozial sein, fürsorglich und liebevoll. Wie Kann man mutiGer WerDen? Das Geheimnis ist, sich im alltag immer wieder herausforderungen zu stellen und sich nicht von sorgen blockieren zu lassen. man sollte sich immer fragen: „War das eine schwierige situation? Ja? Boah, da war ich aber ganz schön mutig.“ Vergessen sie nie, sich selbst zu loben.
Die Diplom-psychologin pD Dr. phil. inge Kamp-Becker ist an der Klinik für psychiatrie und psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der philippsuniversität marburg tätig. Dort leitet sie die arbeitsgruppe „autismusspektrum-störungen“, die mit dem herrmannemminghaus-preis für ihre diagnostische und genetische forschungsarbeit ausgezeichnet wurde.
von Daniela Wallner
9
Mutmacher Exotische Talismane, schützende Metallplättchen oder zukunftweisendes Silber: Diese Ketten, Ringe und Armreife sind besonders gut fürs Selbstbewusstsein.
1. 2.
AFRIKAS SCHÄTZE Kein Kontinent ist so reich an Farben und Eindrücken wie Afrika. Die endlosen Weiten der Sahara und die abenteuerliche Wildnis der Steppen findet sich auch in diesen Ketten wider. Afrikanischen Frauen tragen auffälligen Schmuck mit Symbolik: Ketten sind oft ein Zeichen der Zugehörigkeit des Stammes oder dienen als Schutz vor dem Bösen.
3.
1. Sandra Dini 2. Sergio Rossi 3. Akong 4. Danijo
4.
5.
6.
DUNKLE MÄCHTE Wie eine Rüstung legen sich die Körperketten und groben Glieder der Metallstränge um den Hals. Ohrringe im Gothic-Stil lassen die Ritter und Krieger des Mittelalters, die mit ihren oft gefährlichen Schmuckstücken Stärke und Macht symbolisierten, in unserer Fantasie wieder aufleben.
8. 5. Akong 6. Alyssa Norton 7. Givenchy 8. Andrea Neen
7.
9.
Fotos: Presseabteilung von net-a-porter.com
10.
OUTTA SPACE Futuristisch anmutenden Armreife und Ketten in ungewöhnlichen Formen: Extravagante Kanten und Rundungen in Weltall-typischen Metallicfarben erinnern an die erste Mut-Mission zum Mond - und zukünftige Eroberungen fremder Galaxien.
12.
11.
9. Bynn 10. Pamela Love 11. Lynn Bann 12. Lulu Frost
10
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
„ich entwer fe für d statt sich um hysterische starlets und pompöse Laufsteginszenierungen zu kümmern, entwirft der deutsche modemacher markus Lupfer bestechend einfache kleider aus strick und Jersey. ein gespräch mit dem wohl vernünftigsten kreativen der modebranche. [mo:de]: Herr Lupfer, was zieHen sie an, wenn sie sicH stark füHLen möcHten? markus Lupfer: ich ziehe an, worin ich mich wohlfühle. eine uniform habe ich nicht. „chic-casual“ nenne ich das immer. warum Haben sie sicH dem strick verscHrieben? strickware muss nicht auf figur geschnitten sein, damit sie passt. das material ist sehr elastisch. außerdem ist strick vielseitig zu verarbeiten und einfach zu produzieren, weil das die Strickfirma für mich macht. das klingt für einen modemacher sehr vernünftig. statt meine energie in eine show zu stecken, entwerfe ich lieber für das echte Leben. sind sie meHr designer oder businessman? ich bin beides. eine trennung der charaktere funktioniert heute nicht mehr. das endprodukt ist genauso wichtig, wie die tatsache, sein geschäft zu verstehen. wie beHaLten sie den überbLick? wissen sie, ich bin sehr involviert in mein geschäft, aber manchmal muss ich gefühlsmäßig abstand nehmen, damit ich nachvollziehen kann, wo die probleme liegen. mir ist die draufsicht sehr wichtig. sie Haben stofftiere verziert, tascHen designt und reisefüHrer betextet. verLieren sie iHr kerngescHäft Langsam aus den augen? klar muss man aufpassen, dass man nicht zu schnell zu viele projekte auf einmal macht. aber ich kenne mein kerngeschäft und weiß ungefähr, was meine kunden einkaufen. das habe ich schon im gefühl. was würden sie gerne besser macHen? Jede kollektion. da gibt es immer etwas zu verbessern. Leider. vom kLeinen dorf kissLegg im aLLgäu in die metropoLe London. wie scHafft man das? natürlich ist es nicht einfach, wenn man aus einem ort kommt, der wirklich gar nichts mit mode zu tun hat. für mich bedeutet mut „wollen“. und wer etwas will, macht automatisch die schritte. vieLe deutscHe modedesigner zieHt es ins ausLand. weil man hier nicht herausgefordert wird. modisch wird in deutschland kaum experimentiert. ist deutscHLand kein mutiges modeLand? das grundproblem liegt darin, dass die deutschen nicht auffallen wollen, ja nicht anders
von Agnes Bauer und Melissa Strauch
11
fotos: silk relations: markus Lupfer Herbst-/ winterkollektion 2012
das echte Leben.“ sein. Hier wird mehr auf die anderen Leute geachtet, als auf sich selbst. im unterschied zu London: Hier sind die Leute mehr auf sich bezogen und ihnen ist egal, was andere denken. sie sagen sich: ich will die hohen schuhe anziehen und ich mache es, weil es mir gefällt. die scHLimmste modesünde des deutscHen? rote „casual-walking-Jacken“. deutscHLand und die mode passen aLso nicHt zusammen? das ist eben der zwiespalt, denn auf der anderen seite funktionieren die Luxury brands hier besonders gut. deutschland ist sogar einer ihrer größten märkte. wäHrend die meisten modeHäuser expandieren, Haben sie iHre marke 2005 verkLeinert. warum? ich habe 1998 mit meiner kollektion angefangen und bis 2001 ständig in die marke investiert. mit schuhen hat alles begonnen und meine kollektion ist daraufhin schnell gewachsen. den profit habe ich wieder ins unternehmen gesteckt. und dann kam der 11. september. meine kollektionen verkauften sich von da an etwas schwerer, weil der konsum in den usa einbrach. ich habe weiter investiert, konnte das aber nicht so wirklich mit sales abfangen. und da ich zu der zeit auch noch andere design-aufträge bei großen firmen, wie zum beispiel als chefdesigner bei „armand basi“, hatte, habe ich bei meinem eigenen Label erst mal einen schritt zurück gemacht. danacH kamen zaHLreicHe kooperationen, zuLetzt mit der kosmetikfirma „sHu uemura“. pLanen sie iHr unterneHmen docH wieder zu vergrössern? Ja, komischerweise schon. „markus Lupfer“ wächst gerade sehr schnell und wir haben ein paar gute saisons hinter uns. da darfst du natürlich nicht zurückschrauben. Jetzt geht es um „brandbuilding“, darum, meine marke auszubauen. das projekt mit „shu uemura“ war ein erster test. allerdings weiß ich noch nicht, wann es meine eigene kosmetiklinie zu kaufen geben wird. sie dreHen modefiLme, um iHre koLLektionen zu präsentieren. weLcHe mögLicHkeiten bietet diese pLattform gegenüber dem Laufsteg? nachdem ich mich aus den modenschauen zurückgezogen habe, brauchte ich natürlich eine andere methode, um meine mode zu zeigen. ich wollte etwas neues, modernes. darum habe ich mich für den modefilm entschieden. er verbreitet sich schnell über die digitalen medien wie Youtube und facebook und erreicht ein größeres publikum. über die typischen modefilme, die uns eine luxuriöse welt in einem tollen apartment vorgaukeln, kann ich nur gähnen. meine filme sind genau das gegenteil: lustig und anders. ob’s den Leuten gefällt oder nicht, ist für mich zweitrangig.
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
in einem interview sagten sie: „wenn designer keinen trend meHr kreieren, geHt es in der mode nicHt meHr nacH vorne.“ Haben sie angst, dass iHnen die ideen ausgeHen? im gegenteil, ich habe sogar zu viele ideen. oft entwickelt sich daraus aber nichts mehr, weil die gedanken und informationen sehr schnell fließen und sich übers internet verbreiten. bezogen auf die kultur gibt es so etwas wie einen untergrund als inspirationsquelle fast nicht mehr, weil sofort alles auf bildern verfügbar ist. wann mussten sie das Letzte maL mut beweisen? immer dann, wenn ich verträge abschließe, weil ich die konsequenzen tragen muss. dafür brauche ich meine ganze stärke und kraft. und ich muss auch schon mal
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
für mich kämpfen. das ist zwar nicht mut im klassischen sinne, aber es ist schwer. scHon maL ans aufHören gedacHt? klar, ab und zu kommt das vor. aber durchziehen würde ich das nie. mein ziel ist es, dass ein strickpulli meinen namen, „markus Lupfer“, trägt. außerdem hängen eine menge Leute in meinem unternehmen mit drin, für die ich verantwortung trage. das ganze ist kein spiel mehr. iHr tipp für modestudenten,die den mut verLieren? also, wann verliert man den mut? den verliert man, wenn das ergebnis nicht überzeugt. das wichtigste ist, immer weiterzumachen. du musst dir sicher sein, dass das der beruf ist, den du machen willst, denn designer zu sein ist ein harter und komplexer Job. für zweifel ist keine zeit.
modiscH wird in deutscHLand kaum experimentiert. markus Lupfer
Markus Lupfer ist gebürtiger Allgäuer und studierte Modedesign in Augsburg und Trier. 1995 wechselte er an die Universtity of Westminster in London. Im Jahr 1998 launchte er seine eigene Marke „Markus Lupfer“. Seit dem Sommmersemester 2012 unterrichtet er die Mode-Design-Klasse MD 12 der AMD Akademie Mode & Design München und entwarf mit ihnen eine Kollektion.
Foto: silk relations
12
von Bastian Grossmann, Laura Hirch, Sophie Rathkolb-Andersen und Christin Schäfer
13
Shortcuts 1. 4. 2.
Fotos: Patricia Walter, wtfiswestbrookwearing.tumblr.com, Rankin, Screenshot H&M Video
1. In den Augen Patricia Wallers wird SpongeBob Schwammkopf zum Selbstmordattentäter. 2. Für den NBA-Star Russell Westbrook gibt es sogar ein eigenes Blog, das sich seinen Outfits widmet: wtfiswestbrookwearing. tumblr.com 3. Vielversprechende Einblicke: erste Scribbels aus dem Hause Maison Martin Margiela. 4. Bildband „Ayami Nishimura“
3.
1. Hollywood wird zur Zielscheibe Spiderman als Säufer, Hello Kitty als Vergewaltigungsopfer oder SpongeBob als Selbstmordattentäter – die deutsche Künstlerin PATRICIA WALLER häkelt Superhelden sowie Idole unserer Kindheit und konfrontiert sie mit heiklen Situationen oder zeigt sie so ganz und gar nicht tugendhaft. Sie fordert den Betrachter auf, unsere Stargesellschaft zu durchleuchten und dabei existenzielle sowie ethische Fragen zu stellen. Ausgestellt werden die Figuren unter anderem in der Akademie der Künste Berlin, den Städtischen Museen Heilbronn, dem Badischen Kunstverein Karlsruhe sowie in Galerien in Chicago, Paris, Wien. Zurzeit sind sie noch bis Januar 2013 in der Galerie Deschler in Berlin zu sehen. 2. Mode der neuen Generation Früher waren sie gekleidet wie Jungs von der Straße: Baggiepants, weite Jogginghosen, Cappies, Durags und opulenter Schmuck; als ob sie gerade auf dem Weg zum Freiplatz wären. Dann wurde im Januar 2006 ein Dresscode für die Spieler der Amerikanischen Profibasketballliga NBA eingeführt. Dieser verpflichtet die Profis dazu, in Anzügen gekleidet zu den Spielen zu erscheinen. Mittlerweile versucht die junge Generation der NBA-Stars durch mutige Modekombinationen frischen Wind in das klassische Anzugserscheinungsbild zu bringen - die Hipsters der NBA. Mutig oder Modefauxpas? 3. Gewagte Kombination Zu H&M gehen wir immer dann, wenn uns nach günstiger Casual Wear oder schnell kopierter Laufstegmode ist. Seit 2004 arbeitet die schwedische Modekette alljährlich mit Mode-
größen wie Karl Lagerfeld oder Versace zusammen und sorgt so für die Demokratisierung von Luxusmode. Das Pariser Modehaus MAISON MARTIN MARGIELA, das für seinen avantgardistischen Stil mit extravaganten Proportionen und innovativen Materialien berühmt ist, wird nun die Kollektion für Herbst 2012 entwerfen. Zu beurteilen ist diese Kooperation als durchaus gewagt, denn Margiela hat mit schnelllebiger Mode und raschen Trends eher wenig gemein und könnte so an Integrität verlieren. Ob H&M wiederum mit dieser für den breiten Markt eher unbekannten Marke Erfolg haben wird, zeigt sich ab dem 15. November 2012, wenn die Capsule Collection in circa 230 Shops und online erhältlich sein wird. 4. The New World Geishas Die Japanerin AYAMI NISHIMURA treibt Make-upKunst an die Grenzen der Realität. Schon seit Jahrhunderten ist ihre Heimat durch die Kultur der Geishas für die präzise Verschönerung und Verwandlung der Frau bekannt. Nishimura hat sich in den letzten Jahren als extravagante Visagistin für renommierte internationale Modemagazine einen Namen gemacht und zeigt ihr gesammeltes kreatives Können ab Juli in einem Bildband. Sie verwandelt Models in fantastisch anmutende Wesen, die ihre fernöstliche Herkunft und Kultur widerspiegeln. In Zusammenarbeit mit dem britischen Fotograf Rankin, der für seine Beautyporträts bekannt ist, entstand in künstlerischer Freiheit dieses bildgewaltige Werk. Nach zwei Jahren Arbeit wird die weltweite Veröffentlichung von Ausstellungen in der Annroy Gallery in London, The Rankin Gallery in L.A. und in der Diesel Gallery in Japan begleitet. Der Bildband „Ayami Nishimura“ erscheint ab Juli 2012 im Rankin Photgraphy Verlag.
14
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
„es ist scheißegal, was du trägst, solange du eine gute Show machst.“ Während sich so mancher gerade einmal ein grinsen aufs gesicht pressen kann, prustet ein anderer bei seinen Statements herzhaft weinend los. die rede ist von michael mittermeier. ab august 2012 wird der comedian einen ganzen monat lang auf dem „Fringe Festival“ in edinburgh auftreten – und das auf englisch. ein gespräch über ängste, mut und mode.
[mo:de]: Sie übertragen ihr Programm gerade inS engliSche. Und d a b e i i S t d o c h g e r a d e i h r b ay eriScher hUmor So lUStig... michael mittermeier: das ist eine letzte Stufe, die ich noch besteigen will. dabei geht es weniger darum, jeden einzelnen Satz oder Witz wortwörtlich zu übersetzen, sondern vielmehr darum, durch meine energie, meinen Spirit, die aufmerksamkeit der leute zu bekommen. deshalb unterscheiden sich meine auftritte i m a u s l a n d i m m e r e i n w e n i g v o n e i n a n d e r. da der hUmor von land zU land UnterSchiedlich iSt? J a . e r i s t d e s h a l b e i n a n d e r e r, w e i l j e d e s l a n d eine individuelle Kultur hat und der humor letztendlich ein Spiegel der gesellschaft ist. in meinen Shows rede ich über dinge, die im echten leben genau so passieren. Klar vers u c h e i c h t e i lwe i s e , m e i n e W i t z e a u f d a s P u blikum zuzuschneiden, ich möchte sie aber trotzdem möglichst international halten – höchstens mit einer kleinen regionalen Prägung. ihre tochter iSt inzWiSchen vier. Findet die Sie lUStig? die findet mich lustig. aber sie versteht noch nicht so genau, was ich mache. Sie bekommt nur wenige auftritte von mir mit und dann a u c h n u r, w i e i c h s e h r l a u t r e d e u n d w i l d g e s tikuliere. als ich sie dann mal gefragt habe, was ich denn da so auf der bühne mache, war ihr resümee: „der Papa schimpft die leute!“
g a b eS i n i h r e m l e b e n S c h o n e i n e n m o m e n t, i n d e m S i e g e K n i F F e n h a b e n ? i c h f i n d e n i c h t . We n n m a n s i c h e n t s c h e i d e t , dinge nicht zu tun, sehe ich das weniger als kneifen, sondern vielmehr als vernünftige abwägung. in dem Job, den ich mache, ist es wichtiger „nein“ als „Ja“ sagen zu lernen. inWieFern? manchmal gibt es Sendungen oder Situationen, die einfach nicht zu einem passen. das richtig zu erkennen, finde ich wahnsinnig wichtig. Wie viele junge und auch wirklich talentierte comedians haben bei einer schrottigen Sendung mitgemacht, die sie besser hätten ablehnen sollen? h a b e n S i e e i n e e n tS c h e i d U n g S Pät e r e i n m a l b e r eU t ? ta t s ä c h l i c h w e n i g e . i c h b i n z u a n f a n g m e i n e r Karriere einmal spontan auf der modenschau e i n e r b e k a n n t e n a u f g e t r e t e n . d a s wa r e i n e a b s o l u t e Ko m p l e tt k a t a st r o p h e . m e i n a u f t r i tt hat wirklich niemandem gefallen. bis ich nach e t wa 1 5 m i n u t e n a u f g e g e b e n h a b e : „ a l s o e u c h g e f ä l lt ’s n i c h t , m i r m a c h t e s a u c h k e i n e n S p a ß und ich denke ich gehe jetzt!“ Und genau dafür habe ich mir dann doch noch meinen applaus e i n g e h e i m st . i c h wa r e h r l i c h z u m P u b l i k u m . i n diesem moment habe ich sehr viel gelernt. W ü r d e n S i e Sag e n , daS S c o m e dy U n d m o d e n i c h t b eS o n d e r S g U t z U Sa m m e n PaS S e n ? nein, das glaube ich nicht. obwohl man an dieser St e l l e s c h o n k o n st a t i e r e n m u s s , d a s s e s b e st i m m t eine menge schrecklich gekleideter comedians gibt.
von Claudia Savoca
15
„Es gIBT EInE MEngE sChLEChT gEKLEIDETER CoMEDIAns. InKLUsIVE MIR.“ Michael Mittermeier
Fo t o : a s t r i d e c k s t e i n m a n a g e m e n t
Der im bayerischen Dorfen geborene Michael Mittermeier ist einer der erfolgreichsten deutschen Comedians. Berühmt geworden ist der studierte Amerikanist und Politologe 1996 durch sein erstes Live-Programm „Zapped – ein TV-Junkie knallt durch“. Zudem setzt er sich für seinen inhaftierten burmesischen Comedy-Kollegen Zarganar ein. Mutig? Definitiv. 2010 reiste er mit dem englischen Filmemacher Rex Bloomstein nach Burma, um unter gefährlichen Umständen mit der Dokumentation „The prison where I live“ auf die unterdrückenden Zustände aufmerksam zu machen.
i n k l u s i v e m i r. We n n m a n s i c h a lt e o u t f i t s v o n m i r ansieht, darf man sicherlich nicht von mode reden. i c h b i n b e i s p i e l s w e i s e m i t m e i n e m b l a u e n t- S h i r t , d e r s c h wa r z e n l e d e r h o s e u n d d e r c a p p i b e k a n n t g e w o r d e n . d a s St y l i n g h a b e i c h m i r a b e r n i c h t ü b e r legt. das cappi hab‘ ich nur wegen des mikrofons d a r u n t e r g e t ra g e n . e s w a r e h e r z u f a l l u n d d a n a c h m e i n e e i g e n e Fa u l h e i t , m i r e t w a s n e u e s z u ü b e r l e gen. Und letztendlich ist es doch auch scheißegal, w a s d u t rä g s t , s o l a n g e d u e i n e g u t e S h o w m a c h st . W e lc h eS i St i h r m U t i g St eS K l e i d U n g S St ü c K i m S c h r a n K ? n a j a , d i e m e i s t e n m u t i g e n K l e i d u n g s st ü c k e s i n d einmal angezogen worden und danach nie wied e r. i c h h a tt e m a l e i n e b ra u n e S c h l a n g e n l e d e r imitat-Jacke aus Platik, die ich wahnsinnig cool f a n d . S o w a s i s t e b e n g e s c h m a c k s a c h e . i st z u m b e i s p i e l e i n e a lt e We s t e r n j a c k e a u s d e m S e c o n d h a n d - St o r e n u n m u t i g o d e r g u t e r g e s c h m a c k o d e r d o c h e h e r d e r k o m p l e tt e Wa h n s i n n ? S o et was finde ich schwierig zu beant wor ten. St i m m t. a b e r S i e S i n d Ja S i c h e r n i c h t n U r m U t i g . h a b e n S i e aU c h P h o b i e n ? i c h h a b ’ n e zo m b i e p h o b i e . a b e r o b d a s j e t z t w i r k l i c h w i c h t i g i s t i m l e b e n , i s t d i e a n d e r e Fra g e .
S i e h a b e n a n g S t vo r z o m b i eS ? ich freake einfach manchmal aus, wenn ich mir vorstelle, zombies könnten jetzt hier durchs land gehen. dann male ich mir aus, wie ich von dem or t, an dem ich mich gerade befinde, am besten fliehen könnte. die We s e n s i n d e i n f a c h u n h e i m l i c h . d e r s c h l e i c h e n d e to d . U n d t r o t z d e m s c h a u e i c h m i r d i e S c h e i ß e i m Fe r n s e h e n i m m e r w i e d e r a n . Und nUn zU gUter letzt: angenommen Sie S t e h e n v o r d e m Pa P S t – W ü r d e n S i e S i c h traUen, ihm einen Witz zU erzählen? ich würde ihm keinen Witz erzählen, weil ich Witze nicht mag. aber ich hätte kein Problem damit, für den Papst eine lustige Papstnummer zu bringen. eine ähnliche geschichte hatte ich wirklich schon m a l : i c h s a ß m i t K a r d i n a l m e i s n e r, e r z b i s c h o f v o n K ö l n , z u s a m m e n i n e i n e r Fe r n s e h s e n d u n g . d a h a b e ich dann erzählt, wie ich mir vorstelle, dass die Kardinäle bei der Papst wahl in der Sixtinischen Kapelle kiffen und auf einmal latein-jamaikanische chöre anfangen zu singen. deswegen kommt ja immer der rauch aus dem Kamin. ich denke, er hat es jedoch akustisch nicht korrekt verstanden und dachte sich w o h l : „ m e i , n e t t , w i e l u s t i g d r a u f d a a l l e s i n d .“
16
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
LICHT MACH
EN!
Das „Graffiti Research Lab“ aus New York erfand 2005 die Alternative zur Spray-Kunst an Hauswänden: LED-Throwies. Bunte LEDLichter werden mit Tesafilm an eine Knopfzelle geklebt, so leuchten die Lämpchen mehrere Wochen lang. Mit Magneten an der Konstruktion haften die LED-Throwies an Brücken, Laternen und Geländern. Auf jedem Metall können sie als Schriftzug oder Muster angeordnet werden - der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt! Die Besonderheit: LED-Throwies stellen keine Sachbeschädigung dar, weil man sie einfach wieder entfernen kann! Jeder kann sich also trauen, die Nacht mit den bunten Lämpchen zu verschönern.
Für einen LED-Throwie brauchen Sie: -Ein LED - Knopfzelle (Batterie) -Rundmagnet -Tesafilm
GRÜN WÄHLEN! Der Künstler Joseph Beuys pflanzte 1982 tausende Eichen in Kassel, um den städtischen Lebensraum nachhaltig zu verändern und die Lebensqualität zu verbessern. Heute gärtnern Umweltaktivisten in New York und London: Sie pflanzen Blumen in der Stadt, um sich den urbanen Raum zurück zu erobern und politisch zu protestieren. Die Bewegung, die mit tristen Innenstädten Schluss machen will, heißt „Guerilla Gardening“ - und jeder kann mit Schaufel, Samen und Erde die Stadt begrünen, wo es gefällt! Die Bepflanzung städtischer Grundstücke stellt in Deutschland offiziell eine Straftat dar: Sie kann als Sachbeschädigung verfolgt werden. Weil bunte Blumen und schöne Gräser meistens aber als schön empfunden werden, wird in der Regel von einer Strafe abgesehen.
Für die Gärtner-Aktion brauchen Sie: -Blumen-Samen -Blumen-Erde -Harke -Schaufel
von Marie-Sophie Platzer und Katharina Tiringer
17
Sie haben Spaß an kreativen Aktionen, wollen Ihr Umfeld visuell mit gestalten und Zeichen im öffentlichen Raum setzen? Wir zeigen Ihnen, wie das mit diesen vier Techniken ganz einfach funktioniert.
MASCHEN SCHLAGEN! „Guerilla Knitting“ ist eine Form der Street Art, die seit zwei Jahren in Deutschland stattfindet: Gestrickte oder gehäkelte Accessoires werden in der Stadt installiert und sogar Bäume, Laternen und Möbel vor Ort umstrickt! Viele Stricker agieren im Team. „Wir machen München wohnlich!“, sagen beispielsweise die „Rausfrauen“, die den Münchnern mit ihrer Strick-Street-Art ein Lächeln auf die Lippen zaubern wollen. Das Handwerk dient auch als Mittel der politischen Äußerung: 2010 umstrickten Gegner des Projekts „Stuttgart 21“ den Bauzaun des Hauptbahnhofes in Stuttgart, 2011 tauchten in Berlin viele Anti-Atom-Knittings als Reaktion auf die Nuklearkatastrophe von Fukushima auf. Sie beherrschen das Handwerk? Dann trauen sie sich mit ihren Stricknadeln in die Innenstadt!
Für eine Strick-Aktion brauchen Sie: - Dicke Strick- oder Häkelnadeln - Bunte Wolle - Leiter - viel Geduld
REVIER MARKIER Fotos: Marie-Sophie Platzer und Katharina Tiringer
EN!
In den achtziger Jahren verwendete der Franzose Blek Le Rat sie erstmals im urbanen Raum, der britische Street-Art-Künstler Banksy machte sie 2000 weltweit populär: Stencils, zu deutsch Schablonen, eine ordentliche Version des Graffiti, die man ganz leicht selber machen kann! Einfach das Wunsch-Motiv auf Pappe übertragen und mit einem scharfen Cutter ausschneiden - fertig ist die Schablone. Benutzen kann man sie unendlich oft: Einfach den Karton an die Zielfläche drücken und die Farbe aus der Sprühdose aufsprühen. Probieren Sie doch auch mal verschiedene Stencils und Farben für ein Motiv zu kombinieren! Wer sich jetzt aufgefordert fühlt, die Altstadt zu besprühen - Stopp! Graffiti, auch Stencil-Art, ist im öffentlichen Raum illegal! Die Farb-Technik sieht aber auf den eigenen vier Wänden und Shirts auch toll aus!
Für ein Stencil brauchen Sie: -Motividee - Karton oder Folie - Cutter - Spraydosen in Wunschfarben
18
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Haute Courage In der Mode, so scheint es, geht heute alles. Was es nicht gibt, wird morgen geschneidert. Doch wenn man keine Angst vor Experimenten haben muss, kann man zugleich nichts mehr wagen. Ist Mode heute noch mutig? Die stachelige Protestkleidung der Punks oder die wenigen Zentimeter, Wenn Kreationen beispielsweise viel Haut entblößen, mag das um die Kaiserin Eugénie, die Gattin von Napoleon III, ihre Kleider an auch heute empören, darüber hinaus wird es aber keine Wirkung den Knöcheln kürzer trug als bei den Damen Frankreichs üblich: Anerzielen. „In den sechziger Jahren steckte was dahinter, wenn Rudi derssein erfordert Mut und wer sich traut, aufzufallen, trägt Mut am Gernreich einen Bikini gezeigt hat, der praktisch nicht mehr da Körper. Inmitten von Kleiderordnungen und war. Nacktheit hatte einen gesellschaftlimodischer Homogenität, wie es noch zur chen Hintergrund“, sagt van Versendaal. Zeit der Aufklärung Standard war, wurde Mode und Gesellschaft erlebten durch die Individualität schnell zum gesellschaftlichen Freizügigkeit dieser Dekade eine sexuelle Selbstmord. Heute gibt es Modestile zuhauf, Revolution. Doch Auffallen des bloßen fast zu viele, um noch etwas riskieren zu Schocks wegen, wie man es heute bei so KLEIDET MAN SICH manchen Avantgarde-Designern sieht, macht können. Kleidet man sich wie ein Punk, WIE EIN PUNK, auch in der Mode keinen Sinn. So gesehen, macht einen das nicht zum Anarchisten, MACHT EINEN DAS muss mutige Kleidung heute nicht zwingend sondern zu Vivienne Westwoods bester NICHT ZUM aufregend sein. „Mut beweist man, wenn Kundschaft. Und ein Rock im Stile Eugénies ANARCHISTEN. schockiert in einer Zeit, die schon den man das trägt, was einem gefällt und sich Mikro-Mini kennt, wenn überhaupt durch keinen Trends unterwirft“, bestätigt Mohr. Altbackenheit. Tragen wir also stets dasselbe, beeindrucken wir mit Kühnheit? „Heutzutage haben wir die Möglichkeit, alles zu tragen So einfach ist es natürlich nicht. Doch seinem eigenen Typ treu zu und alles zu sein, was wir darstellen möchten“, sagt der bleiben, verlangt schon einiges ab. Das gilt nicht nur für den Träger Münchner Modedesigner Patrick Mohr, dessen extreme Kollektiovon Mode, sondern auch für Designer. nen nicht selten an den Grenzen der Tragbarkeit kratzen. „Generell gehen die Leute aber eher kein Risiko ein, da sie nicht anecken möchten.“ Hier scheint sich das Paradoxon im Modeverhalten der Spektakulär ist nicht gleich mutig: Manchmal erfordert es mehr Mut, Gegenwart aufzutun: Obgleich wir alles tragen könnten, trauen wir seinem eigenen Stil treu zu bleiben. es uns nicht und tun wir es doch, mokiert sich niemand darüber. Ist die Mode feige geworden? Falls ja, ist es nicht ihre Schuld. Heute ist Mode überall und doch wird sie kaum registriert. Im Gegensatz zum letzten Jahrhundert, als sie gesellschaftliche Umbrüche nicht nur begleitete, sondern gar anspornte, man denke nur an emanzipationswütige Frauen in Hosen, belächelt man sie heute lieber. Eine Politikerin im modischen Kostüm wird in Deutschland nicht ernst genommen. Also kleidet sie sich unauffällig, um in ihrer Rolle glaubhaft aufzutreten. Für viele ist Kleidung lediglich Konsumgut, Mittel zum Zweck und ansonsten bloße Spielerei. Es ist nicht leicht, mutig zu sein, wenn Wagnisse nur von einem begrenzten Kreis als solche erkannt werden. Auch die Tatsache, dass es kaum mehr Grenzen zu überschreiten gibt, ist ein Grund für die Belanglosigkeit, die Mode von heute das Leben schwer macht. „In den letzten zwei Jahrzehnten musste man im Allgemeinen nicht besonders mutig sein, in einem ungewöhnlichen oder provokanten Aufzug öffentlich aufzutreten“, sagt Gundula Wolter, Autorin und Spezialistin für Modehistorie aus Berlin. „Die Reaktionen auf krasse Outfits wie extrem tief sitzende Hosen, Bauchfreiheit, Unterwäsche als Oberbekleidung oder Fetzenlook sind meist, wenn überhaupt, gemäßigt.“ Der Prozess der modischen Enttabuisierung scheint weitestgehend abgeschlossen. Doch muss gezielte Provokation gleich mutig sein? Nein, sagt der Modekritiker und Journalist Dirk van Versendaal vom „stern“: „Viele Designer machen ausgefallene Mode nur noch, um Aufmerksamkeit zu erregen. Die Teile sind nicht tragbar, das sind Showteile, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben. Dabei handelt es nicht um eine Weiterentwicklung und das wird die Mode nicht voran bringen.“
Foto: Miriam Schaaf
von Valentina Finger
19
„Jemand wie Armani, der seit den Achtzigern eigentlich nie was heiten treffen, entsteht Reibung. Die muss man aushalten, das Neues zeigt, ist so gesehen schon wieder mutig, weil er weiß, erfordert Mut. „Die Person wird ausgegrenzt und zum Handeln was er mag, was er kann und was seine Kundinnen wollen“, sagt gezwungen. Doch diese unangenehme Situation wird von der Dirk van Versendaal. Auch der Bruch mit solchen Konventionen Trägerin oder dem Träger bewusst in Kauf genommen“, sagt ist gewagt. „Wenn Armani Miniröcke auf Wolter. Mutige Mode provoziert nicht per se, sie spielt nur mit Konventionen. Das dem Laufsteg zeigt, ist das aus seiner Sicht kann der falsche Aufzug eines Politikers sicher mutig, weil er das gegen sämtlisein. Oder das Kopftuch an einer nicht che Verkaufsagenten entwirft. Das Risiko, muslimischen Frau. Manche Dinge sind abgelehnt zu werden, ist dann sehr groß“, so van Versendaal. Konträr verhalte es sich „PASSIERT IN DER einfach mutig: Männer in Röcken gehören dafür beispielsweise bei dem notorischen GESELLSCHAFT WE- dazu. Dass dieser Anblick derzeit noch eine Exzentriker Bernhard Willhelm, der in Paris NIG, ZEICHNET SICH gewagte Rarität ist, darin sind sich regelmäßig derart ausgefallene KreatioAUCH IN DER MODE Patrick Mohr und Dirk van Versendaal einig. nen vorschlägt, dass jeder konventionelle NICHTS AB.“ Doch obgleich es auch heute die eine oder andere Mut-Nische auszuloten gibt, scheinen Entwurf gewagt wäre. Modemut funktioniert DIRK VAN VERSENDAAL die revolutionären Modeneuheiten der sechim Kontext. Bestimmte Kleidung am falschen ziger bis achtziger Jahre, die mit kurzen Röcken und Damenanzügen Ort getragen, kann sehr schnell zum Wagnis werden. Besonders besonders die Frauenmode prägten, die letzten einschneidenden im Alltag, wo das gewollte Spektakel einer Modenschau wegfällt, Wagnisse der Bekleidungsbranche gewesen zu sein. Zur Zeit gibt ist Exotismus laut Gundula Wolter selten erwünscht. Wenn scheines sie nicht, diese, nennen wir sie Haute Courage, die Phasen bar unangebrachte Modeerscheinungen auf tradierte Sehgewohnvon Emanzipation oder politischen Umwälzungen immer neu begleitet hat. Die Ursache liegt laut van Versendaal mitunter an den Unternehmen selbst: „Die großen Modehäuser sind riesige Umsatzmaschinen geworden. Wenn man nicht weiter wächst, geht man unter. Da kann man sich nicht unbedingt große Experimente erlauben.“ Börsengänge und neue Märkte wie Asien haben aus den meisten kreativen Designwerkstätten gewinnorientierte Marketing-Riesen gemacht. Aber ist Mode nicht das Werk eines Künstlers? Möchte man meinen, doch Hauptsache ist, sie wird gekauft. Jene Konsum-Philosophie erschwert es vielen Modeschöpfern, überhaupt noch Mut zu zeigen. „Im letzten Jahr wurde mindestens zwölf Designern bei Modehäusern gekündigt“, sagt van Versendaal. „Der Druck auf die Designer ist heute enorm hoch: Einerseits sollen sie Aufmerksamkeit erregen, andererseits dürfen sie nichts entwerfen, was nicht verkäuflich ist.“ Will man heute mutig sein, so könnte man daraus schließen, orientiert man sich besser nicht an den Fashion Weeks. Gut möglich, dass sich echter Modemut derzeit nur dort zeigen kann, wo Profit keine Rolle spielt. Man trifft ihn an Menschen auf der Straße oder im eigenen Kleiderschrank. Ob Mode nun als Seismograf oder als Spiegel der Gesellschaft zu verstehen ist, sie kann nicht außerhalb von öffentlichen Entwicklungen existieren. Passiert in der Gesellschaft wenig, zeichnet sich auch in der Mode nichts ab. „Die Mode wird dann wieder mutiger, wenn die Gesellschaft sich verändert. Dann hat mutige Mode eine Daseinsberechtigung“, sagt van Versendaal. Also brauchen wir erst Reformstimmung, um Spektakulär ist nicht Mut in der Mode zu sehen? Gegenwärtig lässt die Eurokrise gleich mutig: Manchmal nicht nur Wirtschaftsexperten unsicher in die Zukunft blicken. erfordert es mehr Mut, Mag also sein, dass die Mode sich, wer weiß, doch bald seinem eigenen Stil treu zu bleiben. wieder aus ihrem Versteck wagt.
20
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
„Mein Alltag ist die Quelle auf die ich mich verlassen kann.“ Der 18-jährige MAGOMED DOVJENKO designt von seinem Kinderzimmer aus seit einigen Jahren Grafiken und Illustrationen für Kunden wie Nike, Adidas, Diesel oder Hennessy. Wir haben einen jungen Mann kennengelernt, der sich nichts vormachen lässt und jede Anstrengung kinderleicht erscheinen lässt – vielleicht, weil er gerade noch eines war.
"Welcome to the jungle"
von Marie Lene Weyer
21
[mo:de]: DU WIRKST MIT DEINEN 18 JAHREN SEHR SELBSTSICHER. WIE KOMMT’S? Magomed Dovjenko: Ich bin in einem schwierigen Viertel aufgewachsen. Daraus habe ich mich hochgearbeitet. Ich hatte ältere Freunde und musste mich durchsetzen, ernsthaft sein und früh an die Zukunft denken. PROGRAMME WIE ILLUSTRATOR UND PHOTOSHOP GEHÖREN NICHT ZUR GRUNDAUSSTATTUNG EINES NORMALEN KINDERZIMMERS. WIE HAT DAS MIT DEINEN GRAFIKEN ANGEFANGEN? Als ich acht, neun Jahre alt war, habe ich begonnen, gemeinsam mit meinem Vater von Hand zu zeichnen. Er ist ein sehr guter Zeichner, aber lebt seit meinem elften Lebensjahr wieder in Russland. Mit 13 habe ich schließlich Photoshop entdeckt und während andere Fußball spielen waren, saß ich Tag und Nacht am Computer und habe mir das Programm beigebracht. Anschließend habe ich begonnen meine Sachen bei Facebook oder Internetplattformen für Grafiker zu publizieren. Wenige Jahre später kamen die ersten Aufträge rein - unter anderem von Nike. Ab da wurde es professioneller und ich habe mir gedacht: Gut, dann ziehe ich das jetzt einfach mal durch. NIKE WAR DEIN ERSTER NAMHAFTER AUFTRAGGEBER UND IST DIR SEITDEM TREU. DU HAST EIN TRIKOT FÜR DEN FUSSBALLCLUB INTER MAILAND ENTWORFEN, DAS SOLLTE IN DER VERGANGENEN SAISON DIE SPIELER KLEIDEN... ...stattdessen wurden die klassischen Trikots genommen. Ich habe den Auftrag erhalten und Massimo Morrati, der Präsident der Mannschaft, hat sich die Schlange auf den Trikots gewünscht, die auch im Jahr zuvor verwendet wurde. Das habe ich umgesetzt und Morrati sowie der Sponsor Nike waren begeistert. Leider hat er sich dann doch kurzfristig dagegen entschieden. Die Arbeit wurde zwar bezahlt, aber es ist trotzdem schade, sie nicht verwirklicht zu sehen. WIE GEHST DU AN AUFTRÄGE HERAN? Am Anfang steht meistens ein Briefing. Da bekomme ich als Vorlage eine gewünschte Typografie und ein Beispielbild, das der Kunde vorher aus meinen anderen Arbeiten ausgewählt hat. Im nächsten Schritt setze ich die vorgegebene Schrift in meinem Stil um, direkt am Computer. Ich mache nie Skizzen. Das
22
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
liegt mir nicht und am Ende sieht eh alles anders aus. WAS INSPIRIERT DICH? Ich gehe gerne nachts alleine spazieren, habe den iPod an und gucke, was in meinen Kopf kommt. Außer meinem Alltag gibt es keine Quellen, auf die ich mich verlasse. DEINE BILDER SIND SEHR UNTERSCHIEDLICH. KANNST DU DEINEN STIL BESCHREIBEN? Oh nein, das konnte ich noch nie. Vieles entsteht digital, manchmal experimentiere ich auch mit Wasserfarben und Texturen, die ich einscanne. Am liebsten arbeite ich schwarz-weiß, aber die kommerzielle Welt zwingt mich dazu, mehr Farben zu verwenden. DIESE KOMMERZIELLE WELT IST MITTLERWEILE DEIN ALLTAG, DU ARBEITEST FEST IN EINER AGENTUR. VERLIERT MAN DA NICHT DIE LUST AN SEINEM HOBBY? Natürlich ist es anstrengend, wenn ein Kunde viele Änderungswünsche hat und das über Wochen. Es kann auch passieren, dass mir keine Ideen mehr kommen, wenn ich zu viel arbeite. Dann bin ich ein paar Tage blockiert und muss mich erstmal ausruhen oder feiern – einfach ablenken. WIE SCHAFFST DU ES, DEINE EIGENEN IDEEN MIT FESTEN VORGABEN ZU VEREINEN? Ich habe das Glück, mich mittlerweile zu einer eigenen Marke entwickelt zu haben. Mir sagt niemand: Mach das so oder so. Ich bin kompromissbereit, aber wichtig ist, dass man am Ende meine Signatur erkennt und die Leute wissen: Das ist von Mago. DU NIMMST WOHL NICHT GERNE KRITIK AN. Ich höre jedem zu, aber meistens ist meine ursprüngliche Idee schon die richtige. DEIN ERFOLG GIBT DIR RECHT. WIESO MÖCHTEST DU TROTZDEM NOCH STUDIEREN? Hauptsächlich geht es mir darum, Leute kennenzulernen. Im Endeffekt sind die Leute an der Uni die, die mir später meine Jobs geben werden und wenn ich jetzt schon einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann, werde ich später einfacher an die guten Aufträge kommen. DU STUDIERST, UM DEIN NETZWERK AUFZUPOLIEREN? Natürlich nicht nur. Als Nebenfach könnte ich Fashion belegen. Das wäre für mich die optimale Kombination. WEIL DU AUCH T-SHIRTS FÜR DEIN EIGENES LABEL DESIGNST. Ja. Und privat spielt Mode für mich eine große Rolle. Als Designer sollte man ein Gefühl dafür haben, wie man seine Persönlichkeit auch über Kleidung darstellen kann. GIBST DU VIEL GELD FÜR KLEIDUNG AUS? Ab und an leiste ich mir schon mal einen Gürtel von Gucci oder Schuhe von Margiela, aber alles in Maßen. Ich stehe nicht darauf, das so raushängen zu lassen. Da falle ich lieber durch andere Sachen auf. WIE ZUM BEISPIEL DEINEN MUT, DEIN SCHICKSAL FRÜH SELBST IN DIE HAND ZU NEHMEN. WAS IST FÜR DICH MUTIG?
"Jesus"
Im künstlerischen Sinne bedeutet das für mich, Dinge auszuprobieren, die sich andere nicht trauen, weil sie Angst haben aus dem Rahmen zu fallen oder befürchten, dass andere Leute ihre Sachen nicht mögen könnten. UND DIR MACHT DAS GAR NICHTS AUS? Meine Lehrer haben nie an mich geglaubt und versucht mir beizubringen, dass man ohne einen Schulabschluss nichts werden kann. Ich habe ihnen das Gegenteil bewiesen.
Fußballtrikot für Inter Mailand
"Stars and Stripes"
"Death of Money"
Fotos: Magomed Dovjenko, Illustrationen ohne Titel sind freie Arbeiten bzw. ohne Titel
"Mickey Factz"
"Misc. Illustrations"
"Trickotentwurf für Inter Mailand"
"Mickey Factz"
MAGOMED DOVJENKO kam 1994 mit seiner Famlie aus Russland nach Köln. Derzeit arbeitet er für die "Skull Series"
"Mickey Factz"
Werbeagentur „ Parasol Island.“
www.knirps.com
The Original. Since 1928.
von Maria Wermeling
29
Ich liebe dich - nicht mehr
Das erste Date oder der erste Streit – die grossen Augenblicke einer Liebe sind mit schlaflosen Nächten verbunden und verursachen ein kribbelndes Gefühl in der Magengegend. Selbstverständlich, findet unsere Autorin, denn: für ehrliche Gefühle braucht es Mut! Zum Frühstück mag Martin seinen Kaffee schwarz, mit einem Löffel Zucker, dazu ein Ei und ein Marmeladenbrot, oder wie er sagt: ein „Brot mit Marmelade“. Ganz im Gegenteil zu Martin bin ich morgens in bester Stimmung. Ich bin ein AllroundTalent und organisiere Ausflüge, hole Zeitung und Brötchen, reserviere für den Abend einen Tisch in unserem Lieblingsrestaurant und gehe Sonntagmorgen um sieben Uhr mit ihm Joggen. Allmählich jedoch scheint die Routine, die mich glücklich macht, nicht mehr gut genug zu sein und Martin entfernt sich. Wir streiten sogar über das Flaschenleergut, das sich seit Monaten im Schrank anhäuft. Eine Drei-Tage-Reise nach Frankreich soll mir helfen, einen klaren Gedanken über die Beziehung zu fassen. Die Erkenntnis meines kurzen Trips: Der Atlantik, der Strand und die französischen Männer lassen mich den Martin von Zuhause vergessen. Ich habe Schuldgefühle, bekomme keine Sehnsucht nach dem Liebsten daheim, wenn ich abends am Strand bei Lagerfeuer mit Freunden sitze. Herzrasen spüre ich, wenn ich daran denke, dass ich die Beziehung beenden möchte. Die schöne Zeit zu zweit ist Vergangenheit und Martin plant seine Freizeit lieber mit seinen Freunden. Das Aufregende, Unerwartete, die Abwechslung fehlt. Das Verlangen nach intimer Zweisamkeit ist nicht mehr der Lust verheissende Wunsch der er einmal war. Nervös warte ich zuhause auf unser letztes Treffen als Paar. Martin kommt mit dem Fahrrad. Als ich ihn sehe, läuft unsere erlebnisreiche Zeit wie ein Film vor meinen Augen ab. Vor lauter Angst würde ich am liebsten abhauen. Wir stellen fest, wir haben in unserer Beziehung zu wenig geredet und wichtige Gedanken nicht geäussert. Die Dinge, die mich gestört haben, sind ihm nicht aufgefallen und umgedreht.
Martin fährt als entmutigter Single zu seinem besten Freund nach Hause. Dieser Schritt war für uns beide befreiend, trotzdem tut er im Moment sehr weh. Zwischen Weingläsern, Grillgut und der warmen Sommerluft warte ich in meinem neuen Singleleben auf eine Nachricht von Alexander, den ich bei der WG-Party einer Freundin kennengelernt habe. Auf meine Frage, ob wir uns morgen Abend im neuen Burger-Restaurant in Schwabing treffen, habe ich bisher noch keine Antwort bekommen. Mimt Alexander nach aussen den Starken, Unerreichbaren, will er mir klar machen wie männlich er ist indem er das NichtInteresse vorspielt? Zu meinen Freundinnen sage ich: „Es macht mir nichts aus.“ Innerlich schreie ich. Ich schenke mir locker einen Schluck Wein ein, in Wahrheit würde ich gerne mit der Faust auf den Tisch hauen. Ich finde mein Singleleben schon jetzt anstrengend. Bloss keine Verletzlichkeit zeigen, nicht mal vor den Freunden. Stark muss man sein, denn sonst ist man selbst diejenige, die vergessen wird. Aber die Gefühlslose zu spielen gelingt mir nicht vollkommen. Erfolglos versuche ich, die schöne gemeinsame Zeit mit Martin zu verdrängen. Im Gegensatz zu dem Ausflug nach Frankreich habe ich nun doch Sehnsucht nach ihm. Meine Freunde versuchen mich davon abzuhalten, Martin eine „Wie geht’s dir?“-SMS zu schreiben. Ist es also der mangelnde Mut und das Selbstvertrauen, die uns alle daran hindern, Liebe zu zeigen, oder sind es eher unser Stolz und seine Vorurteile? Ich schreibe nicht Alexander sondern Martin und gestehe, dass ich ihn vermisse. Liebe kann oft heissen, den Mut zu haben einem Gefühl zu vertrauen und diesem zu folgen. Martin hat zurückgeschrieben, dass es ihm genauso geht. Alexander hat niemals geantwortet.
von Daniela Wallner
31
Die Stoffe der Zukunft Science Fiction oder bald Realität? Die Ressourcen werden knapper und die Preise der Rohstoffe steigen. Mode-Designer und Forscher gehen daher immer öfter Hand in Hand. Sie begeben sich auf die Suche nach Alternativen zu Baumwolle, Leinen und Co und kreieren Materialien für die Kleider der Zukunft. Grüner Tee, eine Prise Zucker und eine Hand voll Mikro-organismen. Klingt nicht gerade nach der feinen englischen Art? Ist es auch nicht. Vielmehr ein Rezept der englischen Designerin Suzanne Lee: Sie lässt aus einer simplen Flüssigkeit ganze Kleidungsstücke entstehen. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Verfahren kam der bekennenden Futuristin und Chefdesignerin des Labels BioCouture während der Recherche zu ihrem Buch „Fashioning The Future: Tomorrow’s Wardrobe“, in dem sie sich mit den aufstrebenden Technologien und Zukunftsvisionen der Textilindustrie auseinandersetzt. In einem Gespräch mit dem Biologen Dr. David Hepworth erfuhr sie von der Welt der Mikroorganismen und wie man diese für die nachhaltige Herstellung von Textilien nutzt - eines von vielen Beispielen, wie textiler Fortschritt aussehen kann.
Fotos: press release Suzanne Lee
EInE JACKE AuS KLEInSTLEBEWESEn Bei Suzanne Lees Methode kommt es zu keinerlei umweltbelastung durch Pestizide oder Abholzung, denn genauso umweltschonend wie die Zutaten ist auch das restlicthe Verfahren. Die Flüssigkeit aus Tee und Zucker wird in Wannen angerührt und mit Zellulose versehen. Auf dieser befinden sich verschiedene Bakterienkulturen, die unter Aufnahme des Zuckers und einer konstanten Temperatur von etwa 30 Grad beginnen, Mikrofäden zu spinnen. nun heißt es abwarten. nach etwa drei bis fünf Wochen hat sich an der Oberfläche eine etwa 1,5 Zentimeter dicke Schicht aus reiner Zellulose gebildet, die problemlos aus dem Bad genommen werden kann. Diese Matte wird in der Sonne getrocknet, um anschließend ausgeschnitten und vernäht zu werden. Oder das innovative Material wird noch in nassem Zustand um einen Korpus gelegt und so in Form gebracht. Auch das Bedrucken und Färben des Zellulose-Faservlies‘ mit Hilfe von pflanzlichen Farben ist möglich.
Tee, Zucker und Mikroorganismen: Aus dem natürlichen Gemisch entsteht bei BioCouture im Handumdrehen eine Textilie mit nachhaltigkeit.
Doch es gibt einen Haken: Würde man damit im Regen spazieren gehen, würde sich das natürliche Material augenblicklich mit Wasser vollsaugen und ein enormes Gewicht bekommen, da die tragbare Zellulose leider nicht wasserabweisend ist. Darin liege ihre zukünftige Herausforderung meint auch Suzanne Lee: „Was ich suche, ist ein Weg, dem Material, die Qualitäten zu geben, die ich noch brauche. Ich hoffe, dass mir die Zukunft irgendwann Organismen schenkt, die mir einen Faden spinnen, ihn gleichzeitig in Form bringen und der dazu noch stärker als Wasser ist.“ Bis es soweit ist, wird die zielstrebige Designerin in ihrem kleinen Fashion-Chemielabor weiterhin Kleider und Jacken aus Mikroorganismen zaubern. BioCouture gilt zudem als führendes Projekt, welches sich mit dem Prozess und der Forschung von einer Zukunft mit Konsumgütern aus Kleinstlebewesen beschäftigt. PuLLOVER STATT DEODORAnT Auch ungeliebte Schweißflecken auf Hemden und Shirts könnten dank eines Forscherteams des Deutschen Textilforschungszentrums nord-West in Krefeld bald Geschichte sein. Sie entwickelten eine interessante Textilie: Sie besteht aus Bakterien. Die Stoffe werden hier mit speziellen Substanzen imprägniert, die menschlichen Schweiß ganz einfach neutralisieren sollen. „Mit dem von uns entwickelten Stoff wird die Vermehrung der geruchserzeugenden Bakterien in der Textilfaser gehemmt, so das der Schweißgeruch gar nicht entsteht“, erklärt Teammitglied Dierk Knittel. Die für die Bakterien interessanten Partikel im Schweiß werden chemisch fest gebunden, den Keimen wird somit jegliche Grundlage für den schlechten Geruch entzogen. Immer ein blumiger Duft unter den Achseln wäre im Gegensatz zu den angepriesenen Pflegeprodukten aus der Werbung mit so einem Oberteil keine Wunschvor-
Bio Denim Jacket: Mit einem geringen Anteil des natürlichen Farbstoffs Indigo entsteht eine trendige Jeansjacke - ganz ohne Demin.
Bio Bomber Jacket: Die Designs von Suzanne Lee sind umweltfreundlich, tragbar and modisch zugleich, wie diese Bio-Bomberjacke beweist.
32
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Beweisstück: Auch namhafte Hersteller aus der Elektrobranche beschäftigen sich immer mehr mit Mode und Fortschritt, wie das Bubelle-Dress von Philips auf der„Technosensual“-Messe zeigt.
stellung mehr. Ein weiteres Plus: Die Imgrägnierung auf den Fasern kann auch Parfumgeruch länger halten. Das bedeutet, dass ein Kleidungsstück mehrere Tage lang nach unserem Lieblingsparfum riechen kann. So fühlen sich die Träger nicht nur abends genauso frisch wie am Morgen, sondern sind dazu stets in ihren persönlichen Duft gehüllt. Erst beim Waschen verschwindet der Parfumgeruch. Laut Hersteller bleibt die fortschrittliche Kleidung jedoch auch nach vielen Waschgängen duftneutral und behält ihre Aufnahmefähigkeit. ELEKTROnISCHE KöRPERHüLLEn Der größte Konkurrent der Bakterie in Sachen textiler Fortschritt sind Elektroden. Die Bekleidung von morgen punktet nämlich nicht nur durch nachhaltigkeit und Funktion, sondern auch Intelligenz. Dafür verantwortlich ist vor allem die nanotechnologie. Sie beschäftigt sich speziell mit Kleinstatomen, die die Oberfächeneigenschaften eines Stoffes beinträchtigen und positiv verändern können. Schon heute spielen die nanomaterialien, die zumeist auf chemischem Wege oder mittels mechanischer Methoden hergestellt werden, eine wichtige Rolle. Ein Beispiel wäre die futuristische Jacke des Fahrradboten: Sie besteht aus digitalen Fasern, die wie ein
Display Bilder und Texte projezieren. Der Fahrradbote kann so den Stadtplan auf seinem Ärmel sehen und bei Bedarf direkt seinen nächsten Kunden abrufen. Gleichzeitig kann der Rücken gewinnbringend als „lebende Werbefläche“ verkauft werden. So zumindest schlägt es der Erfinder, das Designhaus Lunar vor. In der u-Bahn, es ist warm und keine Hand frei? Das Hemd von morgen krempelt seine Ärmel selbst hoch! So macht es der Prototyp des intelligenten Hemdes von Designern aus dem Florentiner Modehaus Corpo novo. Die Kommunikation findet hier zwischen der Lufttemperatur, dem menschlichen Körper und dem „Gedächtnismetall“ nitinol in Verbindung mit nylon statt. Das Metall kann sich nämlich in verformtem Zustand an seine ursprüngliche Form erinnern, die es jeder Zeit bei starker Erhitzung oder höheren Sommertemperaturen annimmt. So wird eine metallische Legierung im Handumdrehen zu einem Stoff mit speziellen Features. Das Oberteil ist absolut bügelfrei, da es kinderleicht mit ein wenig Strom und Wärme eines Föhns sofort in seine ursprungsform zurückgebracht werden kann. EIn TAuCHAnZuG ALS COCKTAILKLEID Die selbstständigen Hemden und elektronisch außer-
Fotos: Philips, Bubelle Dress - press release quartier21/MQ, Graham Smith, Morphogenic - press release quartier21/MQ
Bei Graham Smith, ebenfalls auf der „Technosensual“ zu sehen, wird die Textilie zu einer denkenden Hülle: Die Stoffe seiner „Morphogenic“-Kollektion passen ihre Farbe mithilfe von Elektroden der umgebung an.
von Daniela Wallner
Fotos: José Morraja, Jonas LindströmWeißer Stoff: von Jonas Lindström, press release Suzanne Lee
Ein Kleid aus neopren: Auch bei der „Digitalized Collection“ setzt Alba Prat auf den wasserabweisenden Stoff und verarbeitet ihn zu Kleidungsstücken für den Alltag.
33
Durchaus alltagstauglich: ein Jumpsuit komplett aus neopren, der optisch auffällt und gleichzeitig ein Zeichen gegen die umweltverschmutzung der Meere setzt.
gewöhnlichen Technologien liegen noch in ein wenig entfernterer Zukunft. Zeitlich schon etwas näher ist da Alba Prat. Die spanische Designerin mit Wohnsitz in Berlin stellte ihren Hang zu ungewöhnlichen Stoffen der Zukunft bereits in ihrer ersten Kollektion mit dem Titel „Synthetic Oceans“ unter Beweis. Bei ihren Kreationen setzt sie auf das Material neopren und verarbeitet den Stoff, aus dem normalerweise Tauchanzüge gemacht werden, zu außergewöhnlichen Oberteilen und Kleidern mit geometrischen Elementen. „Die zauberhafte und bunte unterwasserwelt wird durch die tausenden Tonnen Plastik, die jedes Jahr im Meer landen, grauer und trister - das Synthetische greift zunehmend in unseren Lebensraum ein. Die synthetische Welt der Zukunft ist der Ausgangspunkt meiner Kollektion“, erklärt die aus Barcelona stammende Designerin. Mithilfe von speziellen Lasern, die beim Schneiden und Verarbeiten des Materials zum Einsatz kommen, erhalten Alba Prats Kreationen einen futuristischen Look. Auch die aktuelle Sommerkollektion „Digitalized“ steht ganz im Zeichen der Zukunft. Dafür ließ sich die erfolgreiche Absolventin der universität der Künste in Berlin von den technischen Designs und der digitalen Welt aus dem Film „Tron“ inspirieren, welche sich in den geometrischen Würfeln widerspigelt. Die visionären Körperhüllen von Alba Prat sind dank des neoprens wie eine zweite Haut und zudem vollkommen wasserabweisend. Ideal also für die nächste Poolparty oder Champagnerdusche! MODE TRIFFT FORTSCHRITT Bekleidungsindustrie und Designer arbeiten mit Hochdruck an der Mode der Zukunft und bekommen bei ihrem kreativen und innnovativen Schaffen immer mehr Aufmerksamkeit. So widmet sich derzeit die Ausstellung „Technosensual“ in Wien noch bis Ende September solch ungewöhnlichen Materialien. unter
In dieser Jacke aus ihrer Kollektion „Synthetic Oceans“ verarbeitete Alba Prat nicht nur viel neopren, sondern möchte damit auch an die Tier- und Pflanzenwelt unter Wasser aufmerksam machen.
Für die futuristische Optik bei Alba Prat sorgt moderne Lasertechnik, die beim Schneiden der Materialien zum Einsatz kommt.
dem Motto „Where Fashion meets Technology“ können unter anderem rauchende Kleider und Bekleidung mit leuchtenden LED-Elementen bewundert werden. In Frankreich wird ab Herbst 2012 erstmals eine Messe den innovativen Materialien und Stoffen von morgen besondere Aufmerksamkeit schenken. neben der Präsentation von zahlreichen Ausstellern aus Mode und Forschung vergibt das Europäische Zentrum für innovative Textilien zusätzlich den „Futurotextiles Award“ für die beste neuentdeckung unter den Stoffen der Zukunft. Auch in Deutschland ist mit Innovationen und neuerungen in der Textilindustrie zu rechnen. Rund 1200 unternehmen aus der deutschen Textilindustrie warten darauf, die Zukunftschancen zu nutzen und technologisch an der Weltspitze zu bleiben. Mit 16 Textilforschungsinstituten sollte das jedoch kein Hindernis sein. „Textilien sind einfach Innovationstreiber“, bringt es Heinz Horn, Präsident des Gesamtverbandes textil+mode, auf den Punkt. neben all den kreativen und interessanten Innovationen stellt sich die Frage in wie weit sich die Prototypen, aber auch schon fertigen Teile im Alltag tragen lassen. Denn eine Jacke, die nicht wasserfest ist, fällt bei den heutigen Konsumenten eindeutig unter nicht kaufenswert. Auch Kleider aus neopren tragen sich in der Sommerhitze nicht besonders komfortabel. Das Gute ist jedoch: Die Textilindustrie beschäftigt sich auch in Zeiten von ölknappheit und Wirtschaftsdesastern, mit nachhaltigkeit und denkt weiter. und wer weiß, vielleicht pflanzen unsere Kinder ihre Eine gute Kombination: Suzanne Lee setzt neue Maßstäbe in der TextilinLieblingsjeans dustrie und beweist, dass Biotechnoim eigenen logie und Mode in Zukunft noch Garten an. enger verknüpft werden können.
34
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
„der roller meiner Jugend konnte alles, nur nicht langsam fahren.“ den Mut zu haben, die eigene die eigene geschäftsdee zu verwirklichen, treibt alle Jungunternehmer an. auch Patrik tykeSSon, geschäftsführer von „e-bility“. der 29-Jährige studierte Betriebswirtschaft und stellt heute mit seinen zwei Brüdern die elektroroller „kumpan“ her. [mo:de]: Sind Sie heute Morgen Mit ihreM elektroroller in die FirMa gekoMMen? Patrik tykesson: nein, meine beiden Brüder und ich fahren immer gemeinsam mit unserem alten Volvo zur arbeit. die roller benutzen wir, um zwischendurch zur Post zu fahren - oder um am Wochenende Spaß zu haben. die idee Für den elektroroller „kuMPan“ iSt in einer kneiPe entStanden. Woher WuSSten Sie, daSS darauS Mehr Werden könnte? ich hab’s gespürt. Wenn dein Bauchgefühl dir sagt: „das ist es!“ - und dann gibst du Vollgas. in eineM interVieW Mit der „Zeit“ haBen Sie geSagt, daSS die idee Mit deM kuMPan nicht ihre erSte, Sondern So ungeFähr die achtZigSte War. Sind Sie So kreatiV - oder Wollten Sie Sich uM
der „kumpan“ auf Papier: grafikdesigner tim knoppik muss beim entwurf detailgenau arbeiten.
Jeden PreiS SelBStändig Machen? das ist übertrieben. ich wollte immer selbstständig sein und hatte bestimmt schon die ein oder andere geschäftsidee. als ich 15 oder 16 Jahre alt war, habe ich beispielsweise zusammen mit unserem jetzigen designer tim led-lämpchen entworfen, die man als kleine taschenlampe an den Schlüsselbund hängen kann. heute gibt es eine Firma, die genau das macht, aber damals haben uns unsere eltern einen Strich durch die rechnung gemacht, weil die Schulnoten plötzlich so schlecht wurden. Werden JungunternehMer und ihre ideen oFt Belächelt? gezweifelt haben viele: entweder, weil sie selbst Schwierigkeiten hatten sich was eigenes aufzubauen oder mir das nicht zugetraut haben. Freunde haben mir geraten, erst einmal in einem
von Agnes Bauer
35
der schrittweise entwicklungsprozess der Seitenschwingen mit dem „kumpan“-logo darauf.
großen unternehmen erfahrungen zu sammeln. hätten Sie daS ProJekt auch ohne ihre Brüder durchZiehen können? den nötigen Mut hätte ich gehabt, aber nicht die kapazität, die aufgaben alleine zu stemmen. deshalb ist daniel für die Finanzen zuständig, Philipp für das Marketing und den Vertrieb und ich für die unternehmungsführung. Somit trägt jeder eine teilverantwortung. drei BetrieBSWiSSenSchaFtler entWerFen einen roller. Fehlt ihnen nicht daS techniSche WiSSen Für So WaS? Wir sind technikfreaks und haben schon als Jugendliche leidenschaftlich an unseren eigenen rollern getüftelt und geschraubt. die konnten alles, nur nicht langsam fahren. So haben wir uns das technische Verständnis angeeignet. und für die details haben wir ja unsere Fachleute. Sie ProduZieren in china. gilt „Buy local“ alS VerkauFSarguMent nur Für geMüSe? Wir befinden uns in einem neuen Zeitalter der Produktion: heute kommen die komponenten eines Produktes aus unterschiedlichen teilen der Welt. das gilt für das design, die technik und das Qualitätsmanagement. eigentlich müsste auf den rollern stehen: „Made in the World“. iSt daS deSign eineS rollerS eBenSo deM trend in der Mode unterWorFen?
Ja, nur dass es nicht so schnelllebig ist, wie entwürfe in der Modebranche. ein grund dafür ist der längere Prozess von der ersten idee zum fertigen Produkt. der aktuelle retrotrend ist schon eine Modeerscheinung, die sich in fünf bis zehn Jahren abnutzen wird. deshalb ist es umso wichtiger, trends mit entsprechendem Vorlauf zu erkennen und gegebenenfalls den Mut zu haben, eigene trends zu setzen. der kuMPan iSt StilVoll und Schlicht. gilt daS auch Für ihre outFitS? Mein Stil ist leger. Meist trage ich ein hemd und eine chino-hose. giBt eS in ihreM unterneMen einen dreSScode? nein, jeder darf kommen wie er möchte - und wenn das t-Shirt und Badehose bedeutet. Wenn wir natürlich kundschaft erwarten, dann heißt es schon, zieht euch ein bisschen schicker an und holt das Sakko raus. Sie Stellen elektroroller her, aBer ihr unternehMenSSitZ liegt in der dieSelStraSSe. iSt daS nicht ein SchlechteS oMen? das ist eine herausforderung! die Straße wird irgendwann Stromstraße oder kumpanstraße heißen. Vielen dank, herr tykeSSon, daS War‘S. Wie jetzt schon? und was machen wir jetzt bis ihr Zug geht? Wir gehen rollerFahren. Ja, gern!
Fotos: e-bility
Patrik tykesson studierte Betriebswirtschaft an der iSM dortmund. 2009 gründete er mit seinen Brüdern daniel und Philipp das Start-up-unternehmen „e-bility“, das elektroroller herstellt. „kumpan electric 1945“ heißen die Zweiräder, die mit Strom betrieben werden und ohne co2-Schadstoffe auskommen. 2011 gewann das unternehmen den WirtschaftsWochegründerwettbewerb.
Vor der rollerproduktion werden holz-dummys von den entwürfen angefertigt.
40
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
von Claudia Savoca und Melissa Strauch
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
der Mutivator Eifersuchtsdramen des Partners, denen man tatenlos gegenübersteht. schweigen vor dem Chef, obwohl man allen Grund dazu hätte, stolz auf seine Arbeit zu sein. situationen, in denen wir aus Angst oder Bequemlichkeit nicht handeln. [mo:de] schlägt acht Posen vor, die es sich im Alltag auszuprobieren lohnt und die garantiert überraschende Reaktionen hervorrufen.
der Knutscher:
Der Durchzug:
O beim Flirt O bei Vati O im Kino
O bei der Predigt O vor dem Partner O auf einem Konzert
Der Grinser:
O im Streit O Vor dem Richter O auf einer beerdigung
MUtPOSENBis ea et la dolorro ilit, venia vendae molument ut landignatia asitate volores aut perum quas aut que num, necati beri corepudi occus et
Der Flegel:
O vor der schwiegermutti O bei einer Präsentation O im Aufzug
Der Hercules:
O im Wettbewerb O bei der tierrettung O vor Vladimir Klitschko
das über-ich:
der grapscher:
O beim speeddating O bei der familienfeier O bei männern mit busen
der verschrecker: O in der Warteschlange O vor prügelknaben O im Kindergarten
Fotos: Claudia Savoca und Melissa strauch
O nach dem Aufstehen O vor dem Chef O Beim Casting
von Sarah Hamidy
41
„Schießen oder nicht? Ich weiß nur, dass ich gesund wieder kommen möchte!“ Auslandseinsatz in Afghanistan. Mehrere Monate in Bundeswehr-Lagern wie Feyzabad im Norden des Krisengebiets, 300 Soldaten, die in Zelten leben, viele Tausend Kilometer entfernt von ihren
Familien. Ihr Auftrag: ein Land wieder aufbauen, Entwicklungshilfe leisten. Aber wie sieht es in
Bild: Florian Zillmann
ihnen aus? Wir haben den jungen Soldaten NIco B. kurz vor seinem ersten Einsatz getroffen.
[mo:de]: SIE BEFINdEN SIch MITTEN IN dEN VorBErEITuNgEN. WAS hAT SIE dABEI BIShEr AM TIEFSTEN BEWEgT? Nico B.: Es gab viele Videos und Bilder, die mich nachdenklich gestimmt und mir klar gemacht haben, was auf mich zukommen kann. Besonders bewegt haben mich einige Propagandavideos der al-Qaida, in denen sie voller Stolz zeigen, wie sie mit IEds (Anm. d. red.: improvisierte Explosionsvorrichtungen) einen amerikanischen Schützenpanzer gesprengt haben und eine zweite IEd zündeten, um die helfer ebenfalls zu töten. Es ist hart, zu sehen und zu wissen: genau da drin saßen Kameraden und die sind jetzt tot. EIN EhEMALIgEr SoLdAT hAT MAL gESAgT: IM KrIEg Zu SEIN IST dEr höhEPuNKT IN EINEM SoLdATENLEBEN. Ich sehe das anders. der Einsatz gehört mit Sicherheit zu den Momenten in der dienstzeit, in denen einem so ziemlich alles gelernte abverlangt wird und es wirklich drauf ankommt. Aber ich gehe nach Afghanistan, weil ich mich als Soldat verpflichtet habe und eine Verwendung für das Ausland dazugehört. WAruM WoLLTEN SIE SoLdAT WErdEN? das war eher Zufall. Ich habe meinen grundwehrdienst absolviert und als ich kurz vor Jeder Beruf hat seine Schatdem Abschluss stand, bekam ich tenseiten: Für einen Soldaten können sie gravierend sein. das Angebot, als Elektroinstallateur bei der Bundeswehr arbeiten zu können. deshalb habe ich mich entschieden, auf acht Jahre zu verlängern. WAS TrEIBT SIE PErSöNLIch AN, NAch AFghANISTAN Zu gEhEN? Persönlich treibt mich nichts an. Es ist einfach mein Beruf. Ein Feuerwehrmann sagt auch nicht, dass das Feuer zu heiß ist. WIE hAT IhrE FAMILIE AuF IhrEN ENTSchLuSS rEAgIErT? Es sind viele Tränen geflossen. Welcher Familie gefällt das schon, wenn der Vater, Mann oder der Sohn für viele Monate nicht zuhause sein wird? dIE MoNATE BIS ZuM ABFLug VErgEhEN SIchEr Zu SchNELL. Es ist genügend Zeit, sich auf den Einsatz vorzubereiten. Ich glaube, bei mir war es fast ein ganzes Jahr. da habe ich erst mal versucht, meine Familie darauf einzustellen, dass ich ein halbes Jahr fort sein werde. das war die schwierigste Aufgabe. WIE WErdEN SIE AuF dEN EINSATZ VorBErEITET? Ich habe einige Lehrgänge besucht, um mich auf meinen dienstposten im Ausland einzustellen. Ich war auf Sanitäts-, Waffen- und geräteausbildung und natürlich auch auf vielen Übungsplätzen, um das gelernte mit den Kameraden zu trainieren. das ist sehr wichtig, um sich auf seine Leute verlassen zu können. WELchE AuFgABEN hABEN SIE IN AFghANISTAN? Ich wurde am Beobachtungssystem ausgebildet und steuere drohnen, die dazu dienen, das Vorfeld zu erkunden und mögliche hinterhalte zu entdecken bevor Patrouillen losgeschickt werden. Mehr darf ich dazu nicht sagen.
WIE hALTEN SIE dorT dEN KoNTAKT Zu IhrEr FAMILIE? das ist auf jeden Fall möglich. Frei zu sprechen, bedeutet natürlich immer ein Sicherheitsrisiko für alle. Man erzählt auch nicht, was im Einsatz passiert. da würde sich die Familie noch mehr Sorgen machen und das möchte ich vermeiden. die Telefonate werden auch abgehört und sobald irgendwelche Informationen, die die Truppe gefährden könnten, weitergegeben werden, wird einem das gespräch beendet. hABEN SIE EINE FrEuNdIN, dIE SIE ZurÜcKLASSEN? Ja, das macht das ganze noch schwieriger. ES KANN SEIN, dASS SIE AuF JEMANdEN SchIESSEN MÜSSEN. Ich hoffe natürlich, mir im Ernstfall nicht die Frage stellen zu müssen: Schießen oder nicht? Ich weiß nur, dass ich gesund wiederkommen möchte und dafür muss ich womöglich einiges tun. WIE FÜhLEN SIE SIch So KurZ Vor dEM EINSATZ? Es ist schon komisch, denn man muss an so viele Sachen denken, die man in deutschland noch erledigen muss. Viel Papierkram, Versicherungen, und Vollmachten. da bleibt nicht viel Zeit, darüber nachzudenken. dEr EINSATZ hAT SchoN So MANchE SoLdATEN VEräNdErT. Stimmt. Langzeitstudien belegen, dass nicht wenige mit dem Posttraumatischen Stresssyndrom (PTSd) zurückkommen. Innerhalb der ersten Jahre merken das Freunde und Bekannte – oder auch man selbst nicht so sehr, denn kaum ein Soldat redet über seinen Einsatz. das kommt teilweise erst nach zehn bis 15 Jahren hoch. Ich glaube, vergessen kann niemand, was er da erlebt. hABEN SIE Ihr TESTAMENT AuFSETZEN MÜSSEN? Es wird jedem nahegelegt, ein Testament zu machen. Ich werde es auch noch schreiben bevor ich fliege. Man muss ja nicht durch einen Sprengstoffanschlag oder ein gefecht ums Leben kommen. Ein Autounfall kann im Einsatz genauso passieren wie in deutschland. SINd SIE SToLZ dArAuF, FÜr Ihr LANd Zu KäMPFEN? Kein Soldat geht auf Befehl von Frau Merkel oder des Verteidigungsministers in Nico B. ist 24 Jahre den Einsatz. die meisten alt und Soldat der gehen aus Überzeugung. Nadeutschen Bundeswehr. türlich gehört ein gesunder Im Sommer diesen Patriotismus dazu. Aber ich Jahres wird er für einige Monate nach denke, es ist immer eine Afghanistan gehen. ganz persönliche Sache, für Seine Aufgabe wird wen ein Soldat das macht. sein, die umgebung ob für seine Familie, sich durch das Steuern von selbst oder in der hoffdrohnen vor möglinung, in der Welt etwas chen hinterhalten zu verbessern zu können. sichern.
42
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Mutroben Die Kunst ist frei, Mode inzwischen auch. Doch damit es so weit kommen konnte, musste sich so mancher erst an ungewöhnliche Kleidung heranwagen. 13 Momente, die Modemut forderten.
1600: DIE FREIZÜGIGE SENIORA Dunkel, streng und hochgeschlossen: In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts dominierte die höfische Mode Spaniens den Kleidungsstil der europäischen Adelsgesellschaft. Eine konnte mit Mühlsteinkrause und schwarzen Stoffen jedoch nicht viel anfangen: Die Herzogstochter Maria de’ Medici aus Florenz heiratete zur Jahrhundertwende den französischen König Heinrich IV. Obgleich ihre Ehe nicht ganz glücklich verlaufen sein soll, wurde der italienische Modestil der neuen Königin – das berühmteste Beispiel ist der nach ihr benannte Medici-Kragen – als „alla moda italiana“ populär und zum Ursprung des heutigen Begriffs „Mode“.
195 V. CHR.: DIE ANTIKEN EMANZEN Frauen protestieren nicht erst seit Alice Schwarzer. Was die Mode angeht, wurde schon weitaus früher emanzipiert. Im Jahr 215 v. Chr. verbat die sogenannte Lex Oppia – das Luxusgesetz des Volkstribunen Gaius Oppius – römischen Frauen das Tragen von farbiger Kleidung und Schmuck. Wenn reiche Gattinnen ihren Wohlstand nicht länger zur Schau stellen würden, so glaubte man, könnte in der finanziellen Krise während des Zweiten Punischen Kriegs ein Klassenkampf mit dem einfachen Volk verhindert werden. Doch die Damen sahen das anders: Einige Jahre später demonstrierten sie in Scharen vor dem Kapitol und den Türen der Oppia-Unterstützer. Und bekamen ihr Recht auf Mode zurück.
UM 1500: DIE BUNTEN TRENDSETTER Spätestens seit den Mods der sechziger Jahre oder den Punks der Siebziger weiß man: Mit Mode rebelliert sich gut. Als erste Subkultur stachen jedoch schon zur RenaissanceZeit zumeist deutsche Söldner durch ihren extravaganten Kleidungsstil heraus. Diese Landsknechte trugen mehrfarbige Stoffe, üppig geschmückte Barette und lancierten die sogenannte Schlitzmode: Dabei wurde die Kleidung so aufgeschlitzt, dass das bunte Futter hervorpluderte. Dieser Verstoß gegen die Kleiderordnung der niederen Stände empörte Geistliche und Adel, ebenso wie der stark ausgepolsterte Hosenlatz. Trotz aller Entrüstung gewährte der Reichstag zu Augsburg von 1503 den Landsknechten ihre modische Individualität. Und siehe da: Die Herrschaften zu Hofe ließen sich bald inspirieren.
von Valentina Finger und Daniela Wallner
43
Illustration: Bastian Grossmann
1851: DIE AGILE MANNIN Die Französin Jeanne D’Arc, die ihre Heimatstadt Orléans während des Hundertjährigen Kriegs 1429 von den Engländern befreite, mag eine der ersten Frauen in Männerkleidung gewesen sein. Anhaltend war ihr Triumph jedoch nicht. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem 1793 erlassenen Hosenverbot für Frauen traten die Suffragetten erstmals in Hosen im Alltag auf. Eine von ihnen war die amerikanische Frauenrechtlerin Elizabeth Smith Miller. Nicht um sich als Mann zu verkleiden, wie etwa die Schriftstellerin George Sand vor ihr, sondern für mehr Bewegungsfreiheit kürzte Miller ihren Rock auf Knielänge und kombinierte ihn mit Pluderhosen. Ihre Mitstreiterin Amelia Bloomer machte den Look schließlich allem Gespött zum Trotz als „Bloomers Costume“ populär. Und auch Fahrradfahren war nun endlich kein Problem mehr.
1789 bis 1799: Die blutigen Visionäre Die Französische Revolution war nicht nur Politik. Ohne die Mode als Sprachrohr kam in den Aufklärungsjahren keiner aus. So wurden die Anführer der Revolten „Sansculottes“ genannt. Diese frühproletarische Gruppierung aus Kleinbürgern und Arbeitern trug lange Hosen und eben keine „Culottes“, wie die Kniebundhosen der Adeligen bezeichnet wurden. Obgleich mit Marie Antoinette 1793 eine der schillerndsten Figuren der Modehistorie hingerichtet wurde, brachten die Umwälzungen auch einen modischen Wandel: Es folgte das Ende der Hofmode. Und wo zuvor zwischen Adel und Nicht-Adel unterschieden wurde, unterteilte man nun in Männer- und Frauenkleidung.
UM 1800 : DIE MASSLOSEN GENTLEMEN Während die It-Girls den Starbegriff der Gegenwart prägen, sorgten im industriellen England besonders die Herren für Gesprächsstoff. Nicht immer freundlich sprach man über George Bryan Brummell, genannt Beau, dessen Art sich zu kleiden über die Landesgrenzen hinaus Wellen schlug. Als der Großteil der Aristokraten noch an pompöser Standeskleidung festhielt, propagierte Brummell im dunklen Zweiteiler die neue Schlichtheit und wurde mit seiner Vorliebe für die schönen Dinge des Lebens zu einem der Hauptbegründer des Dandytums. Jene Dandys stellten sich gegen bestehende Anstandsregeln und provozierten die steife Gesellschaft so, wie es heute Standard wäre: in Anzug und Krawatte.
1911: DER ENTFESSELNDE MODESCHÖPFER Schick, elegant und ganz ohne Korsett: Das war das Credo von Paul Poiret. Der Franzose verzichtete bei seinen Kreationen ab 1911 als einer der ersten und bekanntesten Modemacher auf das Korsett. Mit seinem Gegenentwurf zu den üblichen engen Schnürungen lieferte Poiret aus ästhetischen Gründen einen Beitrag zur Reformkleidung: Dieses auch von Künstlern entworfene lose herabhängende Kleid mit weiten Ärmeln und lockerer Taille leitete modisch das 20. Jahrhundert für die Frau ein. Über diese neue Freiheit freuten sich sogar Ärzte: Beengte Lungen und gebrochene Rippen durch das zu eng geschnürte Korsett gehörten nun der Vergangenheit an.
44
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
1946: DER MODISCHE INGENIEUR Maschinenbau und Mode? Bei Louis Réard eine gute Kombination: Der Maschinenbauingenieur erfand die knappe Variante der zweiteiligen Bademode – den Bikini. Namensgebend für den beliebten Zweiteiler waren die gleichnamigen Südseeinseln: Réard nutzte das Medieninteresse zu den zu dieser Zeit auf der Inselgruppe stattfindenden Atomtests, um seinen Bikini am 5. Juli 1946 im Pariser Nobelbad „Molitor“ werbewirksam vorzustellen. Da sich kein Model finden ließ, dass sich in dem freizügigen Ensemble in die Öffentlichkeit wagte, engagierte Réard kurzerhand die Prostituierte Micheline Bernardini. Bereits seit der Antike gibt es Aufzeichnungen über Brustbänder mit dazu passendem Höschen. Ob es sich dabei um Badekleidung handelte, ist jedoch unklar. Die (fast) RundumBräune fand auch nicht immer Gefallen. So wurde das Tragen der allersten Zweiteiler-Modelle von Valentin Lehr, die bereits Anfang des 19. Jahrhunderts aufkamen, und Réards Original-Bikini während des Nationalsozialismus verboten. Eva Braun trug ihn trotzdem.
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
1958: DIE JUGENDLICHE REBELLIN Kurz, kürzer, Mini: Mary Quant sorgte mit der Einführung des Minirocks ins 20. Jahrhundert nicht nur für viel Beinfreiheit, sondern setzte eine modische Revolution in Bewegung. Die Jugend übernahm kurzerhand die Führung in London und Quant sorgte dafür, dass sich die Mode der Töchter nun deutlich von der ihrer Mütter unterschied – die Jugendmode war geboren, das Youth-Quake begann. Die Röcke bedeckten höchstens die halben Oberschenkel der jungen Frauen. Mit der Veröffentlichung auf dem Cover der „Vogue“ gelang der neuen Rocklänge und den gerade geschnittenen Kleidchen 1963 der endgültige Durchbruch für den Weg in die weltweiten Kleiderschränke.
1985: DER MUTIGE WELTVERBESSERER Ein Staatsminister in Turnschuhen? Joschka Fischer traute sich: Bei seiner Vereidigung im Jahre 1985 sorgte der angehende Minister für Umwelt und Energie gehörig für Aufsehen. Anstatt der gewohnten schwarzen Maßschuhe und in feinem Anzug präsentierte sich Fischer dem hessischen Landtag in weißen Nike-Turnschuhen, Jeans und grobem Jackett. Das neue Amt rückte neben dem ungewöhnlichen Look dabei schnell in den Hintergrund. Doch Fischer ist kein Einzelfall: Immer wieder finden sich Politiker durch ihre Outfit-Wahl in den Medien wieder. Dabei gibt es in der Regel drei Möglichkeiten: Entweder sie unterstreichen damit ihre politische Gesinnung, begehen unfreiwillig Modesünden oder sind stilistisch voll im Trend.
von Valentina Finger und Daniela Wallner
45
1993/1994: DER GEFEUERTE DESIGNER Blasse Haut, tiefe Augenringe, Holzfällerhemden, lappige Strickwesten und eine depressive Attitüde waren die Maxime des „Look Undone“. Stilistisch hieß das Grunge (dt. dreckig, nachlässig) - wie der gleichnamige Musikstil. Dem Designer Marc Jacobs wurde die neue Ästhetik 1993 zum vermeintlichen Verhängnis: Der New Yorker setzte bei seiner Damenkollektion für das ehrenwerte US-Modehaus Perry Ellis auf ausgefranste Säume, Lagen-Look, Blümchenkleider und ungeschminkt aussehende Models auf dem Laufsteg. Die Kritiker jubelten, die Perry-Ellis-Kundinnen schüttelten verständnislos die Köpfe und das Modeunternehmen reagierte prompt: Die Kollektion ging nie in Produktion und Marc Jacobs wurde entlassen. Für Jacobs ein Glücksfall: Drei Jahre später nahm das Luxuslabel Louis Vuitton seinen heutigen Chefdesigner unter Vertrag. Mit Marc Jacobs, Marc by Marc Jacobs und Louis Vuitton bringt der Designer sowohl seine klassischen als auch seine ausgefallenen Ideen auf den Skizzenblock. Um seine Stelle bangen muss Jacobs dabei nicht mehr.
FOTOS Ed Kavishe (fashionwirepress), Jens K. Müller, Paul Iribe (La Couturière Parisienne), Stephanmorgenstern, Dirtlive, Phillip V. Allingham, Aulo Bernini, Frans Porbus
Illustration: Bastian Grossmann
1993 BIS 2009: DER BEGABTE ANTI-HELD Er galt nach Jean-Paul Gaultier als letztes Enfant terrible der Modewelt: Lee Alexander McQueen war nicht nur bekannt für seinen ausgefallenen Kreationen, er legte auch besonderen Wert darauf, diese möglichst provokant und aufwändig in Szene zu setzen. So schickte er seine Models schon mal in Gasmasken oder als blutüberströmte Vergewaltigungsopfer über den Laufsteg und ließ sie mit grotesk bandagierten Gesichtern umgeben von schwirrenden Motten in Glaskäfigen verharren. Schneidern konnte er, aber auch zum Nachdenken anregen und Gesellschaftsthemen in Mode verpacken. Doch so viel Genius forderte letztendlich seinen Tribut: Im Jahr 2010 nahm Alexander McQueen sich das Leben.
2010: DER FLEISCHIGE POPSTAR Reine Provokation, Gesamtkunstwerk oder einfach nur gaga? Die Meinungen über Lady Gaga sind kontrovers. Doch eines ist klar: Mit ihren schrägen Auftritten und Outfits wurde die exzentrische Amerikanerin weltberühmt. 2010 kam es zum bisherigen OutfitHöhepunkt, einer Gemeinschaftskreation des Designers Franc Fernandez und dem Stylisten Nicola Formichetti: Mit einem kurzen Kleid aus konservierten Fleischlappen, welches in mehreren Lagen drapiert und auf einem Korsett zusammengenäht worden war, stolzierte Lady Gaga bei den „MTV Video Music Awards“ über den Roten Teppich. Noch Wochen danach wurde über die Echtheit des Kleides und den Beweggrund der Sängerin spekuliert. Doch Lady Gaga war das egal, 2012 präsentierte sie sich bei einem Konzert in Tokio erneut im Fleischer-Dress. Die Popqueen geht ihren ganz eigenen Weg. Sie habe damit nicht Vegetarier verletzen, sondern ein Zeichen setzen wollen: Dass wir uns für unsere Rechte einsetzen sollen, sonst hätten wir am Ende nicht mehr als das Fleisch auf unseren Knochen – diese Intention hat nur leider kaum einer verstanden.
46
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Nachgefragt … Was ist mutig? Mit dieser Frage haben wir in den letzten Wochen jedes Lebewesen in unserer Nähe gequält. Natürlich haben wir auch bei den VIPs nachgefragt.
Andrea Sawatzki „Die Überwindung von Angst. Die meisten Menschen wollen gefallen aus Angst, sonst nicht geliebt zu werden. Zu seinem eigenen Stil zu stehen, auch auf die Gefahr hin, anzuecken, erfordert mut.“
Timm Klotzek
„mutig ist, das zu tun, was man für richtig hält. Nicht das, womit man gefällt.“
Michael Michalsky
„mutig ist, wenn man die Bereitschaft hat, komplett neue Wege zu gehen. mut ist, seine Neugier zu befriedigen. mut ist, nicht nur zu wissen, dass man einmal lebt, sondern das Leben auch danach auszurichten. mut ist Lust!“
Karoline Herfurth
„Ich finde es mutig, auf friedlichem Wege für seine Überzeugung einzutreten, auch wenn das bedeutet, herrschende Normen in Frage zu stellen, Widerstand zu erzeugen und über eigene Grenzen zu gehen."
Talbot Runhof
„mut bedeutet für uns Wagnis. Gleichzeitig entspricht unser Designmotto unserer Lebensphilosophie: It‘s all about knowing where to stop - gehe nie zu weit, aber gehe immer weit genug!"
von Stefanie Heckl und Maria Wermeling
47
Tobias Schenke
„mutig zu sein bedeutet nicht nur, anderen und sich selbst etwas zu beweisen, sondern auch, die MUTIGSTeN und sich selbst davon abzuhalten, übermütig zu werden.“ Armin Rohde
Fotos: Andrea Sawatzki: Christoph Michaelis, Armin Rohde: Carsten Sander, Armin Morbach: Armin Morbach ( Fotograf, Publisher Tush, Horst, What! Online), Glasperlenspiel: Ben Wolf, Karoline Herfurth: Photoselection / Mathias Bothor, Kilian Kerner: Katja Kuhl, Talbot Runhof: Stéphane Gallois, Timm Klotzek: Julian Baummann für SZ-Magazin, Tobias Schenke: Joyce Ilg,, Veronica Ferres: Kristian Schuller
„mut ist, auch die Aufgaben in Angriff zu nehmen, vor denen man Angst hat. Nur wer Angst hat, kann mutig sein.“
Veronica Ferres
Glasperlenspiel
„mutig ist, das auszusprechen, was andere denken.“
„mut bedeutet, nach den Sternen zu greifen und seine Träume zu verwirklichen. Die Stärke zu besitzen, seine eigenen Ideale nach außen zu definieren. Sich von den In und Outs der öffentlichen Meinung nicht abhängig zu machen und die eigenen Talente zu fördern.“
Armin Morbach
„Oft ist schon der mutig, der Dinge tut, die nicht die Sicht des Anderen widerspiegeln! MUT besitzen nur noch wenige! Ich war und bin sehr mutig!“
Kilian Kerner „mut ist für mich, zu sich selber zu stehen. Dem nachzugehen, was man fühlt. mut ist, sich fallen zu lassen. mut ist, Schmerz zu ertragen, um das richtige Glück greifen zu können. mut ist, gerade dann weiter zu gehen, wenn es aussichtlos erscheint. mut ist, das Leben an die Hand zu nehmen und frei zu sein.“
48
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
im Kleiderschrank mit „maria ihm schmeckt’s nicht“ war sein erster roman. Für die Welt am sonntag schreibt Jan Weiler regelmäßig die Kolumne „mein leben als mensch“. mit uns sprach der ehemalige chefredakteur des sZ-magazins über Pyjamas, seine blaue lieblingshose und längst verdrängte modesünden. [mo:de]: Herr Weiler, Was Wollten sie scHon immer einmal tragen? Jan Weiler: einen rock. im Urlaub auf den malediven bedienten meine Frau und mich Kellner, die eine mischung aus rock und schürze trugen. Das sah so cool aus, dass ich mir dort sogar so einen rock gekauft, aber in Deutschland nie angezogen habe. Damit in einem bayrischen Dorf im garten rumzuspringen, fühlte sich komisch an. Die röcke gehören auf die malediven, wo die männer die selbstverständlichkeit hatten, sie zu tragen .Wie WicHtig ist iHnen moDe? ich schaue, was mir steht und kaufe zeitlose sachen. Diese müssen nicht unbedingt dem Zeitgeschmack entsprechen. Haben sie ein lieblingsKleiDUngsstücK? meine blaue baumwollhose. Die wurde schon zweimal ausgebessert. mit der rede ich auch. Wenn sie frisch gewaschen in meinem schrank liegt, dann freue ich mich und begrüße sie. Wenn sie wieder in die Wäsche muss, verabschiede ich mich von ihr. Wenn die mal stirbt, habe ich echt ein Problem. Was WürDe micH bei einem blicK in iHren scHranK erWarten? ein verhältnismäßig gut in schuss gehaltenes chaos. links sind schuhe, rechts der rest. meine Hemden sind farblich geordnet und werden von links nach rechts immer dunkler. außerdem besitze ich etwa sechs schwarze oberhemden von boss. Die ziehe ich immer auf der bühne an, weil man da keine Schweißflecken sieht. Wenn eins kaputt geht, kaufe ich mir ein neues, genau das gleiche. WürDen sie ein KleiDUngsstücK tragen, Das iHrer FraU nicHt geFällt, iHnen aber scHon? Wahrscheinlich nicht. Wenn die meinungen auseinandergehen und ich keine rücksicht auf meinen Partner nehme, wäre das schon fast eine geringschätzung. mir ist wichtig, was meine Frau meint und außerdem möchte ich ja auch, dass sie denkt: oh, der sieht ja heute wieder nett aus. Was WürDen sie tragen, Um angelina Jolie ZU treFFen?
Da gibt es zwei möglichkeiten: taktisch klug wäre es, einen anzug von lanvin anzuziehen, aber leger getragen und dazu gute schuhe. Das ist sehr wichtig bei interessanten Frauen, die achten da drauf. Wenn du zerschlissene, schlampige schuhe anhast, übertragen sie das auf deine ganze Persönlichkeit. oder ich trage meine ausgebeulte blaue lieblingshose mit einem weißen Hemd, guten schuhen und einem sommerjacket. Dann strahle ich nichts aus, was ich nicht bin. Das wäre ja auch würdelos. man sollte durch die Kleidung etwas vom charakter mitbringen. Was ist iHrer meinUng nacH ein moDiscHes no-go? turnschuhe zum anzug! Das ist das schlimmste, was man machen kann. in iHrem bUcH „maria iHm scHmecKt’s nicHt“ erZäHlen sie UnterHaltsame ge-
von Laura Lorefice
49
Jan Weiler
illustration: laura Hirch
Manche Menschen sprechen mit Pflanzen. Jan Weiler mit seiner blauen lieblingshose.
scHicHten über Die italieniscHe Familie iHrer FraU. Haben italiener ein besseres gesPür Für moDe als DeUtscHe? absolut! Die gründe dafür sind tragisch: Deutschland hatte meiner meinung nach keine „schule des sehens“. nach dem Krieg waren alle innenstädte zerstört. eine ganze generation wuchs ohne ästhetik auf. außerdem hat Deutschland durch den Holocaust ein großes Potential an Kreativen verloren. Die sind alle entweder ermordet oder vertrieben worden. Der dritte grund dafür ist, dass die Deutschen sehr preiswert denken, auch beim essen. so wie sie essen, so kleiden sie sich auch. UnD Die italiener? Denen bedeutet das Thema „bella figura“ wirklich was. Wenn man sich nur mal fünf italienische rentner ansieht, wie sie zum Kaffee trinken au-
ßer Haus gehen: Die sehen super aus, viel cooler als die Deutschen in ihren Kieseloutfits. Was War iHre grösste moDesünDe? ein bunt gemustertes seidenhemd mit einem Dekor wie aufgemalte Pinselstriche. Das war grün, rot, schwarz, gelb, hatte alle Farben. Das ist aber schon viele Jahre her. mein gott, affenscheußlich! tragen sie gerne anZüge? ich trage eher selten einen anzug, nur bei einladungen oder ähnlichem. Der grund dafür ist, dass ich heute keine repräsentativen aufgaben mehr habe. ein anzug ist ja eine Uniform und die trägt man im Dienst. ich bin nicht mehr im Dienst. Früher als chefredakteur habe ich natürlich öfters anzüge getragen. ich habe vier anzüge und einen smoking für den Fall, dass ich doch noch den literaturnobelpreis bekomme. sinD marKen Für sie WicHtig? Ja, sehr wichtig, denn manche marken funktionieren bei mir besser als andere. Zum beispiel stimmen bei manchen die größen einfach nicht, da steht „l“ drauf, derweil ist es eigentlich „s“. bei boss beispielsweise kann ich mich immer darauf verlassen, dass mir die sachen passen. in jedem land, überall auf der Welt. Dolce & gabbana kann ich dagegen gar nicht tragen. ich habe einen kleinen bauch und in diesen ganzen taillierten sachen würde ich mich absolut unwohl fühlen. mittlerweile stelle ich mir die Frage, welches recht die Klamotte hat, darüber zu entscheiden, ob ich mich wohl oder unwohl fühle – eigentlich keins. ich habe ein recht darauf, mich gut zu fühlen. Wie steHen sie ZU PyJamas? Finde ich großartig. Früher habe ich immer in boxershorts geschlafen, seit ungefähr zehn Jahren trage ich Pyjamas. Das war damals ein anfall von cary-grant-artigem stil bewusstsein. Wie KleiDen sie sicH, Wenn sie JemanDen beeinDrUcKen Wollen? ich beeindrucke nicht durch Kleidung! bitte vervollstänDigen sie FolgenDen satZ: männer in rosa HemDen ... ... haben mehr mut als geschmack!
50
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
von Marcus Schaefer
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Nimm den Pulli aus der Hose! Jeans mögen wir alle - aber das gibt uns das nicht das Recht, mit ihnen alles anzustellen, findet unser Autor. „In meiner Kindheit durften nur böse Jungs Jeans tragen“, sagte der französische Modemacher Jean Paul Gaultier einmal. Die Rockabillies oder junge Männer, wie sie Marlon Brando und James Dean in ihren Filmen verkörperten; sie lehnten sich in den fünfziger Jahren gegen jegliche Autoritäten auf und wurden mit ihren Jeans zum Inbegriff des kernigen Rebellen. Nicht zu vergessen, die amerikanischen Soldaten, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Jeanshose und weißem T-Shirt als Arbeitsklamotten Attraktivität und sexuelle Potenz ausstrahlten: Mensch, sahen die Jungs cool und sexy aus! Heute sind Jeans alltäglich geworden und es gibt quasi nichts, was man aus Denim noch nicht gesehen hat. Bootcut, Lowrise, Acidwashed - jegliche Schnitte, Finishing-Methoden und Färbungen wurden schon ausprobiert. Die Frage, welche Jeans man zu welchem Anlass tragen kann, stellt sich kaum mehr. Dabei kann man auch in der Kombination dieses universellen und omnipräsenten Kleidungsstücks mächtig daneben greifen.
seine Mokassins zum Joggen im Wald anziehen? Jeans zu Tennissocken und Birkenstocks, Jeans zu Gummistiefeln, Jeans und Flip Flops – längst wurde die Jeans zu einem täglich einsatzbereiten Kleidungsstück degradiert, das aus unseren Schränken nicht mehr wegzudenken ist. Der Modemacher und JeansLiebhaber Karl Lagerfeld sagt: »Jeans und T-Shirt sind die Basis der Garderobe!« Vorsicht also, denn Jeans sind alles andere als Durchschnitt, sie unterstreichen den Charakter ihres Trägers – das wussten übrigens schon James Dean und Marlon Brando.
Zu James Deans Zeiten waren Jeans eine Ausnahme, heute gehören sie zum Alltag.
Dass Joschka Fischer bei seiner Vereidigung zum ersten grünen Minister in der hessischen Landesregierung Sportschuhe zu seiner grauen Jeans getragen hat, sah cool aus – und die ausgetretenen Nikes lösten eine politische Debatte aus. Laufschuhe, wie zum Beispiel Asics, zu Jeans zu tragen, wie es nicht selten zu sehen ist, bedeutet hingegen ein modisches Missverständnis: Ein Laufschuh bleibt nun mal ein Laufschuh. Oder würde man
Illustration: Bastian Grossmann
Wer den Trend ausgelöst haben mag, seine Jeans in die Socken zu stecken ließ die Knöchelgegend der Männer aussehen wie eine frisch gepresste Jagdwurst. Nicht weniger schlimm ist die Angewohnheit, die Jeans bis über den Bauchnabel hochzuziehen, häufig in Kombination mit karierten Hemden, die so faltenfrei sitzen, dass sie vermutlich tief in die Unterhose ragen. Viele Männer schrecken nicht einmal davor zurück, ihren Pullover in die Hose zu stecken. Noch mal für alle: Ein sogenanntes Cross-Styling, bei dem man Elemente kombiniert, die eigentlich unmöglich zu kombinieren sind, können sich nur wenige Menschen leisten, dazu zählen beispielsweise Johnny Depp oder Kate Moss.
51
IMPRESSUM LEhRREdaktIon MM11 PRInt Und onLInE agnes Bauer, Valentina Finger, Bastian Grossmann, Sarah hamidy, Stephanie heckl, Laura hirch, Laura Lorefice, Marie-Sophie Platzer, Sophie Rathkolb-andersen, Carolin Rossmann, Claudia Savoca, Marcus Schaefer, Christin Schäfer, Melissa Strauch, katharina tiringer, daniela Wallner, Maria Wermeling, Marie Lene Weyer ChEF VoM dIEnSt agnes Bauer tExtChEF Valentina Finger ModEChEF Marie Lene Weyer FaCEBook-aUFtRItt Marie-Sophie Platzer, Marie Lene Weyer GRaFIk Bastian Grossmann, Laura hirch FotoS Marie-Sophie Platzer, antonio Prudente, oliver Rauh, Carolin Rossmann, Marcus Schaefer, Melissa Strauch, katharina tiringer aPP & aPP-design Bastian Grossmann, Laura hirch SChLUSSREdaktIon agnes Bauer, Valentina Finger, Bastian Grossmann, Sarah hamidy, Laura Lorefice, Marie-Sophie Platzer, Claudia Savoca, Melissa Strauch, katharina tiringer, daniela Wallner, Marie Lene Weyer VERantWoRtLIChE dozEntEn herausgeber: Sabine Resch (V.i.S.d.P.) Chefredaktion: Ivonne Fehn art director: Michael Scheufler text & Mode: Ivonne Fehn app & app-design: david krebs onlinemagazin & Facebook: angelika knop Medienmarketing & Redaktionsmanagement: Frank Gerbert anSChRIFt dER LEhRREdaktIon aMd akademie Mode & design ausbildungsgang Modejournalismus/Medienkommunikation abschlussklasse MM11 Infanteriestr. 11a/haus E2 80797 München dRUCk druckreiz Gmbh Frankenthaler Str. 20 (Rgb.) 81539 München [mo:de] 4 Ein heft über Mut ist eine Magazinentwicklung der Lehrredaktion MM11 der ausbildung Modejournalismus / Medienkommunikation der aMd akademie Mode & design München
52
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
1 AGNES BAUER, CvD aus Leidenschaft und kurz vorm Burnout
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
2
11
4
14
7
16
9
17
10
18
2 VALENTINA FINGER, liebt die schönen Dinge und ihre Aufgabe als Textchef 3 BASTIAN GROSSMANN, checkt sich im Layout durch die Welt 4 SARAH HAMIDY, Ressort Bild und „klein, aber oho“ 5 STEPHANIE HECKL, unsere Promispezialistin und Ressort Mode 6 LAURA HIRCH, sorgt für positive Energie, layoutet und filmt 7 LAURA LOREFICE, Schoko-Fan und die italienische Stimme im Ressort Mode 8 MARIE-SOPHIE PLATZER, unfähig, sich hier einen Text auszudenken, Facebook und Ressort Text 9 SOPHIE RATHKOLB-ANDERSEN, Revoluzzer im Ressort Mode 10 CAROLIN ROSSMANN, glaubt trotz dunkler Wolken immer an das Gute, Ressort Bild 11 CLAUDIA SAVOCA, hat sich nicht ans Mutboard rangetraut, Ressort Text und Marketing 12 CHRISTIN SCHÄFER, Phoenix aus der Asche und Ressort Bild 13 MARCUS SCHAEFER, fotografiert gerne schööne Frauen für das Ressort Bild und Mode 14 MELISSA STRAUCH, Motivationsexpertin und Ressort Text 15 KATHARINA TIRINGER, schreibt im Ressort Text um ihr Leben 16 DANIELA WALLNER, stil- und textsicher im Ressort Text 17 MARIA WERMELING, Sonnenschein und Marketing 18 MARIE LENE WEYER, immer „on fire“, Facebook und Ressort Mode
53
1
8
3
12
5
13
6
15
10
54
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
von Marie-Sophie Platzer
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Gott Eva sei Dank! Wir verhüllen uns aus vielerlei Gründen: Wir schützen und schmücken uns. Wir bewahren unsere Intimität – aus christlicher Sicht seit den Zeiten des Paradieses. Warum es nicht lohnt, sich dorthin zurück zu wünschen, verrät unsere Autorin.
Eva war Schuld: Sie gab Adam eine Frucht vom Baum der Erkenntnis. Kaum hatten die beiden einmal genascht, verhüllten sie ihre nackten Körper. Gott erkannte sofort, dass ein Verstoß gegen seine Regeln stattgefunden hatte, denn die Scham des Paars offenbarte ihre Sünde und – zack – war die Menschheit raus aus dem Paradies. Einfacher: Hätten sie sich nicht geschämt, wäre die Sünde auch unbemerkt geblieben. Ob es nun um Mode oder um menschliches Verhalten geht: Seit den Zeiten des Paradieses entwickelten sich gesellschaftliche Konventionen. Wie man sich zu kleiden hat, wie man sich geben darf. Frauen trugen im Westen bis ins 20. Jahrhundert keine Hosen und nur exzentrische Männer trauen sich heutzutage im Rock vor die Tür. Die Regeln für das, was als richtig oder falsch gilt, sind nur selten kulturell übergreifend. Ein Beispiel ist das Kopftuch oder die Burka muslimischer Frauen: Obwohl man diese Konvention historisch nicht eindeutig ableiten kann, sind Frauen in vielen islamisch geprägten Gebieten zur Verhüllung verpflichtet. Eine Stelle des Korans weist darauf hin, dass Frauen ihren Schmuck verdecken sollen. Es geht um Schicklichkeit, darum, nicht mit dem Hab und Gut zu protzen. Es zeugt von Regeln, die sehr tief in Eva, der Apfel und die alte Geschichte vom Schamgefühl.
uns verwurzelt sind und die darüber entscheiden, was wir als richtig oder als falsch empfinden. Was wäre nun, wenn wir unser Gefühl für Scham einfach ausschalten könnten – wäre das unser Freifahrtschein zurück ins Paradies? Nicht umsonst beschreibt das Wort Scham zugleich den Intimbereich und das Empfinden eigener oder fremder Fehlverhalten. Eine Gemeinschaft, die körperliche Zwänge und das tradierte, kulturelle Korsett der Scham ablehnt existiert schon seit dem 18. Jahrhundert. Es entstanden erste nudistische Vereinigungen, die eine gemeinschaftliche Nacktheit zelebrieren: Freikörperkultur, oder FKK. Die Nudisten betrachten die Verhüllung des Körpers als Zwang, kritisieren also auch die Mode an sich. Sie werfen ihr vor, zu verleiden und zu täuschen. Zu diesem Schluss kommt auch der Philosoph Hans Blumenberg: Wer dem Menschen seine Verkleidung herunterreißt, kann zur Wahrheit vordringen. Die Vorstellung einer Freikörperkultur ohne Scham vor Nacktheit kann somit tatsächlich als paradiesisch empfunden werden. Wer täglich den Fernseher einschaltet, bekommt etwas anderes zu sehen: »Sex sells« – ob Micaela Schäfer im Dschungelcamp oder die Protagonisten diverser Scripted Reality Shows. Die Unterscheidung zwischen Nacktheit und Sex fällt immer schwerer. Der Begriff »Generation Porno« beschreibt mittlerweile eine ganze Altersgruppe, die jede Unterkategorie des gefilmten Geschlechtsverkehrs auf Webseiten wie »Youporn« benennen und erklären kann. Man muss sich nicht ausziehen, um sich zu schämen. »Fremd-Schämen« war das Stichwort, als unser Ex-Bundespräsident Christian Wulff dem Chefredakteur der Bildzeitung eine peinliche Mailbox-Nachricht hinterließ. Aber die Peinlichkeit schlägt auch bei einem selbst zu: Wenn man mal wieder jemanden angemotzt hat, der es eigentlich nicht verdient. Oder wenn man nach der Weihnachtsfeier mit dem Gefühl aufgewacht ist, dem Chef ein paar zu persönliche Details aus dem Privatleben erzählt zu haben. So schlimm sich solche Blamagen auch anfühlen: Die Scham sorgt dafür, dass unser Zusammenleben funktioniert – weil wir unser Handeln beurteilen können. Das Paradies ist eine kindliche Idee. Die Menschheit wäre befreit von Sorgen, denn für nichts müssten wir uns schämen. Schamgefühl wäre überflüssig, da wir das Gute nicht mehr vom Schlechten unterscheiden könnten. Die Menschen würden an den Anfang zurückkehren und sich in naive, hilflose Kinder verwandeln, die einen allmächtigen Herrscher brauchen, da sie sich für nichts entscheiden werden. Können wir uns bei der »Sünderin« Eva also eigentlich bedanken? Sie hat revoltiert, die Menschheit damit emanzipiert und ihr die Entscheidungsfreiheit selbst überlassen. Da erträgt man ein bisschen Fremdscham oder Peinlichkeit doch gerne.
2.
1.
Poster
3.
4.
5.
6.
6. Mit der Band „Beisspony“ macht Müller Musik auf Nähmaschinen
5. Anti-uniform: „rag*treasure“ steht für Mode mit Botschaft.
4. Recycling: Für dieses Kleid Griff die Künstlerin zum Surfsegel
3. Freche Karotten: Gemüse inspirierte die Künstlerin zu beiden Kleidern
2. Die Künstlerin schlüpft gern in Rollen, zum Beispiel für den Film „Radula“
1. Blümchen-Wiese zum Anziehen: Das Seidenkleid ist ein Hingucker
liebte sich Hals über Kopf in ein ganz besonderes Kleid. Es war aus papierartigem Stoff, den ich mit einem krassen Siebdruck knallrot eingefärbt hatte, so dass er fast aussah wie abgefackelt. Sie hat das Kleid anprobiert, nicht mehr ausgezogen und ist damit raus auf die Straße. Das fand ich sehr mutig und ich weiß nicht mal, ob ich mich das selbst getraut hätte. Was wünscht du deinen Kunden? Ich hoffe, dass es ihnen geht wie mir: Sie sollen ermutigt werden, selbst etwas auszuprobieren und das zu machen, worauf sie gerade Lust haben. Viele näh-begeisterte Kunden lade ich deshalb zu Workshops ein: Da kann sich jeder mit Nadel und Faden austoben. Ich beobachte immer wieder, dass jeder was kann, wenn er es einfach probiert. Wie wichtig ist die Gruppe für den Mut zum Selbermachen? Ein Kollektiv hilft schon sehr, wenn es darum geht, etwas Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen. Die Leute inspirieren und unterstützen sich untereinander, lassen sich treiben und so wächst alles Stück für Stück. Bei Strick-Aktionen im öffentlichen Raum ist das auch so: Im Rahmen eines Flüchtlingsprojektes bin ich oft mit Jugendlichen zum Stricken in der Stadt. Jedes mal beteiligen sie sich mehr, weil sie merken, dass sie sich in der Gruppe endlich mal was trauen dürfen. Ein Kollektiv ist auch immer super für Künstler: Ich organisiere oft Ausstellungen mit bis zu 70 Kreativen, die voneinander profitieren weil sie sich bei so einer Gelegenheit gegenseitig inspirieren. Wie wählst du die Künstler aus, die an so einer Ausstellung teilhaben wollen? Eigentlich darf jeder mitmachen. Ich lehne nur Künstler ab, die das Kollektiv nicht akzeptieren. Wenn sich jemand nicht auf andere einlässt und sich wie ein Platzhirsch aufführt, schreite ich ein. Dann ist er bei uns nicht richtig. Ansonsten versuche ich, bei der Auswahl der Aussteller meinen eigenen Geschmack rauszuhalten. Bei jeder Ausstellung sind Künstler dabei, deren Werk mich nicht so anspricht. Trotzdem finde ich ihre Präsenz wichtig: Sie bringen auch mich wieder auf neue Ideen. Hast du Angst, dass dir die Ideen irgendwann ausgehen? Nein. Mein Umfeld inspiriert mich täglich, mein Kopf ist voller Ideen. Angst habe ich davor, dass ich es nicht schaffe, mir die Zeit gut genug einzuteilen, um mehr Ideen umsetzen zu können. Ich sollte im Auswählen kritischer werden und verschiedene Dinge intensiver behandeln, damit mir nicht irgendwann die Puste ausgeht.
ne witzige und ausgefallene Klamotten an und mache sie selbst für mein Label „rag*treasure“. Aber auch die politisch-soziologische Bedeutung der Mode finde ich wahnsinnig spannend. welche Ideologien und finanzielle Aspekte beeinflussen Mode und Trends? Was beobachtest du in Deutschland? Der Fokus liegt hierzulande auf einer Mode, die in grosser Stückzahl produziert und verkauft wird: Die Massenmode der großen Vertikalen, gibt den modischen Rahmen für jeden Konsumenten vor. Trotzdem scheint die Möglichkeit offen zu bleiben, diese Mode Stück für Stück zu individualisieren. Viele glauben, ein buntes Tuch vom Flohmarkt macht aus jedem Zara-Kostüm ein individuelles Outfit. Ich glaube nicht, dass das funktioniert, merke aber auch an mir selbst, dass die Masse eine zunehmend wichtige Rolle spielt: Ich kleide mich auch nicht mehr so mutig, wie noch vor fünf Jahren. Aber trägt günstige Massenmode nicht zur Demokratisierung der Mode bei? Nein, das finde ich nicht, denn obwohl dank ihr jeder im Mode-Zirkus mitspielen kann, sind doch immer Unterschiede erkennbar: Kik oder Zara, Takko oder H&M – der vermeintlich Modische ist gekennzeichnet, weil jede Billig-Kette auch einen Stil verkauft. Manchmal wünschte ich, Massenmode wäre viel teurer, damit die Leute endlich ein Bewusstsein für den Produktionsaufwand entwickeln. Auch bei der Produktion eines einfachen Billig-T-Shirts steht irgendwo ein Mensch hinter der Maschine! Woher hast du dieses Bewusstsein? 2002 habe ich angefangen, im Münchner „Kafe Kult“ Konzerte zu organisieren. Das ist ein Jugendzentrum, in dem junge, noch unbekannte Bands auftreten dürfen, die meisten machten experimentelle Musik. Zur gleichen Zeit arbeitete ich an meiner Magisterarbeit und hatte viel Kontakt zu Autoren, die für radikale Untergrundmagazine schrieben und ganze Hefte selber machten. Ich bewunderte den Mut all dieser Leute aus meinem neuen Umfeld: Die haben einfach mal gemacht, ohne es vorher gelernt zu haben, haben ohne Vorgaben was auf die Beine gestellt - mit tollen Ergebnissen! Das hat mich so beeindruckt, dass ich selbst Lust bekommen habe, einfach mal was auszuprobieren. Ich hab mich an die Nähmaschine gesetzt und losgelegt. So hab ich erkannt, was für eine Arbeit hinter jeder Klamotte steckt.
Viele meiner Kunden kombinieren Teile von mir zu
Verkauft sich untragbare Mode?
tung beschriftete. Das ist Mode bis zur Untragbarkeit.
ze mit ganz vielen Post-Its, die ich während der Darbie-
für Performances. Dafür nähte ich einmal eine Kapu-
schen Mode und Kunst zu verwischen, zum Beispiel
lungen und versuche immer wieder, die Grenzen zwi-
Außerdem inspiriert mich die Kunst: Ich liebe Ausstel-
dem Regen schützen oder Musik abspielen können!
mir die Funktion sehr wichtig: Ein Kleid soll mich vor
ten auf das Kleidsame übertragen kann. Dabei ist
stolpert und habe mich gefragt, wie ich diesen am bes-
Baumarkt bin ich letztens über einen Duschvorhang ge-
Ich nehme die Ideen aus dem Gebrauchsalltag. Im
men „rag*treasure“. Was inspiriert dich?
STEPHANIE MÜLLER (30) studierte unter anderem Soziologie und Kommunikationswissenschaften. sie gründete 2004 das Textilkunstprojekt „rag*treasure“, wurde zuletzt mit dem Oberbayerischen Förderpreis für Angewandte Kunst ausgezeichnet.
im feinen Kostüm in meinen Laden, sah sich um und ver-
meinem Leben ein: Einerseits ziehe ich einfach ger-
Noch heute nähst du Unikate unter dem Na-
wieder überrascht: Einmal kam eine 60-jährige Dame
Stephanie Müller: Mode nimmt sehr viel Platz in
Poster
weniger wilden Sachen. Aber ich werde auch immer
von Katharina Tiringer
[mo:de]: Welchen Stellenwert hat Mode fÜr dich?
„Mein Ziel: Die Grenzen zwischen Mode und Kunst verwischen!“
Ausgabe 4 Herbst 2012, AMD München MM11
Stephanie MÜller musiziert mit ihrer Band „Beisspony“ auf Nähmaschinen, strickt Überzüge für U-Bahn-Sitze und fertigt modische Unikate für ihr Label „rag*treasure“. Im Interview verrät die 30-jährige Künstlerin, warum es wichtig ist, Dinge einfach mal auszuprobieren.
[mo:dǝ] Ein Magazin über Mut
Fotos: FLORIAN BETZ, KRISTIN KUFMANN, CHRISTINA JOHN, KLAUS ERICH DIETL
Energie bündeln
Stahl-Irokese, Pelzjacke und Fuchs: Kartin Brettmeister Lederjacke: Mirjam Waldman Ringe und Armschmuck: Pierre Lang
Shirt und Rock: Kathi Maier Ohring: privat
MODEL: Alexa (MIHAMODELMANAGEMENT)
Aus dem Rahmen treten
FOTOGRAF: Marcus Schäfer
Ob metallene Rüstung oder zarter Tüll: Wie wir unser Außen verhüllen verrät unseren inneren Antrieb.
Kraftstoffe
Mit der Seele taumeln
Bikini-Top: sandersen Weste: Kathi Maier
Pferdescheif und Pelzjacke: Kathi Maier Body: Wolford Collier: Swarovski
STYLING: MM11
Den Tag träumen
HAIR & MAKE-UP: Sabrina Fauser
Hose und Bluse: Nina Hecht
Den eigenen Schatten überspringen
Tüllvorhang: Ikea
Sich eine Blöße geben
Nicht geeignet für Coulrophobiker (Angst vor Clowns)
Rot-weiß gemusterte Hose mit Tüllrock: An Mustermix und Lagen-Look kommt man derzeit nicht vorbei. Hose: René Lezard Tüllrock: Susanne Brommer Bluse: Hugo Boss Frack: Escada Weste: Vandevorst Schuhe: Jeffrey Campbell Gürtel: Wolford
Nicht geeignet für Akrophobiker (Angst vor Höhe)
Auf Plateauschuhen in schwindelerregender Höhe stolziert man diese Saison durch die Modemetropolen. Bluse und Krawatte: Escada Jumpsuit: Max Mara Tuch: Codello Schuhe: Miu Miu
Nicht geeignet für Klaustrophobiker (Angst vor Höhe)
Frauen müssen sich längst nicht mehr in enge Korsagenkleider schnüren - dennoch tun sie es diesen Herbst. Kleid: Versace
Nicht geeignet für Achluophobiker (Angst vor Dunkelheit)
Nicht geeignet für Aichmophobiker (Angst vor spitzen Gegenständen)
Nieten sind nicht nur angesagt, sondern auch das liebste Accessoire der Do-It-Yourself-Modemacher. Kopfschmuck: Marina Rinaldi Maske: Markus Schmidbauer Rollkragenpullover: Hugo Boss Body: FTA München Kette: Gabriele Frantzen Schuhe: Markus Schmidbauer
Die Farbe Rot treibt dem Erythrophobiker den Schweiß auf die Stirn, der Klaustrophobiker lässt sich sicher nicht einschnüren - eine Phobie kann es unmöglich machen, folgende Herbst-Looks zu tragen. Glücklich der, dem sie keine Angst machen.
Ganz in Schwarz fühlen sich nicht nur modebewusste Menschen gut gekleidet. Kleid: Talbot Runhof Mantel: René Lezard Armreif: Swarovski Halskette: Gabriele Frantzen Kopfbedeckung: Danny Deluxe
Nicht geeignet für Erythrophobiker (Angst vor der Farbe Rot)
Ungeheuer Mode
FOTOGRAF: Oliver Rauh MODEL: Natascha Hey (MODELWERK) HAIR & MAKE-UP: Sabrina Fauser STYLING: Oliver Rauh und MM11
Rote Lippen bleiben weiterhin ein mutiges Modestatement. Rollkragenpullover: Wolford Top: Calvin Klein